ORNITHOLOGISCHER ANZEIGER

Zeitschrift bayerischer und baden-württembergischer Ornithologen

Band 51 – Heft 1 August 2012

Ornithol. Anz., 51: 1–20

Vogel- und Säugetierverluste an einem Teilstück der im Jahres- und Streckenverlauf

Christian Fackelmann

Losses of birds and mammals on a section of the Highway 8 () in course of season and route

Mortality of birds and mammals was monitored over a period of one and a half years on a 43 km long section of the Highway 8 between and Augsburg (Bavaria). Controls were made from the driving car. A total of 403 road casualties were noticed. Out of this 52 % were mammals, 36 % were birds and 12 % remained unidentified. 11 species each of mammals and birds could be determined. Small birds and mammals are under represented because of the registration method. On average 6,2 road-kills per km and year were found. The common buzzard Buteo buteo was the most affected species with 59 recorded victims. Other species with high numbers recorded were owls Strigiformes (especially Long-eared Owl Asio otus), red fox Vulpes vulpes, marten Martes foina, hedgehog Erinaceus europaeus, domestic cat Felis silvestris f. catus and brown hare Lepus europaeus. A large number of scavengers and carrion eaters are killed in winter, while attracted by carcasses lying on the verge, on or between the roads. Buzzards, foxes, domestic cats, badgers Meles meles and hedgehogs are the most affected subsequent victims. The height of the death rate depends on the degree of mobility, the size of activity range, adaptabil- ity and special features in the habits of the respective species. Of crucial influence is also the traffic density, speed of the cars, the population density, the arrangement of the verges, the clearness of the terrain and the weather. Road traffic is one of the most important factors for the death of birds and mammals through unnatural causes. The yearly mortality on the German road net can be estimated in a two- digit Million area. A nation-wide monitoring to clarify the long-term effects of the populations is suggested. Accident-centres and -causes for the most affected species are discussed and possibilities to reduce the high numbers are shown.

Key words: Bird losses, mammal losses, seasonal distribution, local distribution, Highway 8, Bavaria.

Christian Fackelmann, Moosstr. 35 b, D-82178 Puchheim E-Mail: [email protected] 2 Ornithol. Anz., 51, 2012

Einleitung Bayern verlaufende Teilstück führt, von Ulm kommend, über Augsburg nach München und Ein dichter werdendes Netz aus Straßen und weiter zur österreichischen Grenze bei Salz - Schienen sind die zwangsläufigen Begleit er - burg. Der kontrollierte Abschnitt zwischen scheinungen einer ständig mobiler werdenden Augsburg (494 m ü. NN) und München (518 m Gesellschaft. Allein die Länge der Auto bahnen, ü. NN) war bis 2007 vierspurig ohne Stand - Bundes-, Land- und Kreisstraßen Deutschlands streifen, seitdem wurde er sechsspurig mit beläuft sich auf 231.500 km (Bundesministerium Standstreifen ausgebaut. Der Abschnitt war für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung). Dazu nicht gezäunt – erst seit dem Ausbau gibt es kommen noch 396.000 km Gemeindestraßen. einen durchgehenden Wildschutzzaun. Abb. 1 Nach den Vereinigten Staaten und der Volksre - zeigt den Verlauf der kon trollierten Strecke (mit publik China besitzt Deutschland mit 12.670 km freundlicher Geneh migung von Herrn Patrick das längste Autobahnnetz. Daneben durchzie- Scholl, www.autobahnatlas-online.de). hen 40.700 km Bundesstraßen die Bundesre - publik und zerteilen die Landschaft in immer kleiner werdende Areale. In den nächsten Jahren soll dieses Netz weiter ausgebaut wer- den. Für eine Vielzahl von Tierarten stellen vor allem die gut ausgebauten und stark befahrenen Fernstraßen – auch ohne Schutzzäune – schier unüberwindbare Hin der nisse dar. Seit rund 50 Jahren finden sich in der Fach- und Tagespresse regelmäßige Kurzmitteilungen und Veröffentlichungen zu Verkehrsopfer zah - len, vor allem der jagdlich relevanten Arten. Die höchsten Verluste konnten dabei für Auto - bahnen und Bundesstraßen konstatiert werden (Ückermann 1969, Schoenemann 1977). Unter- suchungen zum Straßentod der weiteren Arten sind eher selten, besonders solche, bei denen die Verluste auf längeren Strecken im Verlauf Abb. 1. Verlauf der kontrollierten Strecke der von mindestens einem Jahr festgestellt wurden Bundesautobahn 8. – Map showing the section of (z. B. Bergmann 1974, Heinrich 1978, Reichholf Highway 8 surveyed. A = Autobahnsee, B = Berg- 1982, Slater 2002, Hell et al. 2005). kirchner Moos, C = Fußbergmoos. Aufmerksam geworden durch eine Reihe von toten Greifvögeln und Eulen bot sich mir ab Folgende Biotoptypen grenzen unmittelbar Dezember 2001 aufgrund beruflicher Fahrten die an das kontrollierte Teilstück (nach Flächenaus- Möglichkeit, die Verkehrsopfer an einem Teil - dehnung gegliedert): stück der Bundesautobahn 8 im Laufe von ein- – Offenland (auf rund 50 % der Strecke): Felder, einhalb Jahren systematisch zu erfassen. Die vor- Mähwiesen und einige Brachflächen; liegende Arbeit bietet einen Überblick über die – Wald (auf rund 35 %): vor allem Fichten- Verkehrsopfer im Jahres- und Streckenver lauf, Mono kulturen mit eingestreuten Buchenbe - mit Schwerpunkt auf den besonders be troffenen ständen und Gehölzinseln; die längste Wald- Arten und zeigt Lösungsvorschläge auf. strecke liegt zwischen km 26,0 und 31,5; – Siedlungen, Gewerbegebiete, Einzelgehöfte Untersuchungsgebiet (auf rund 10 %); – Gewässer: einige kleine Baggerseen und der Die Bundesautobahn 8 (A 8) quert Süddeutsch- Auto bahnsee bei Augsburg-Ost sowie Fließ - land von West nach Ost und ist mit bis zu gewässer (Maisach, Glonn, Paar, Ach, Lech) 100.000 Kraftfahrzeugen pro Tag eine der am mit Begleitflora. stärksten befahrenen Autobahnen Deutsch lands Beginn und Ende der Strecke führen durch und als Hauptverkehrsachse von europäischer Senken, der Mittelteil durch eine sanfte Hügel - Bedeutung (www.abdsb.bayern.de). Das durch landschaft. Zum Zeitpunkt der Kartierung war Fackelmann: Vogel- und Säugetierverluste an der A 8 3 der kontrollierte Abschnitt auf weiten Strecken von der Ausfahrt Dachau/Fürstenfeldbruck von Hecken, Gehölzen und Einzelbäumen (km 10,5) bis zur Ausfahrt Augsburg-West (km gesäumt. Diese wurden im Zuge des Ausbaus 53,5), in beiden Richtungen. Die Fahrt von vollständig gerodet. München nach Augsburg erfolgte am frühen Die Richtgeschwindigkeit betrug zum Zeit - Morgen, wobei der erste Teilabschnitt an man- punkt der Untersuchung von 6 bis 20 Uhr 120 chen Tagen im Winter in der Morgendämme- Stundenkilometer. Die Strecke weist keine Be - rung gefahren wurde. Die Rückfahrt erfolgte im sonderheiten bezüglich Landschaft oder Wild- Laufe des Vormittags. Die Kontrollen erfolgten dichte auf und dürfte in beiden Punkten mehr dabei vom fahrenden Auto aus. Die Fahrge - oder weniger im Landesdurchschnitt liegen. schwindigkeit lag zwischen 90 und 100 Stun- Dadurch sind die Ergebnisse grundsätzlich auch den kilometern. für Hochrechnungen geeignet. Zu jedem Fund wurden nachfolgende Punkte in Kürzeln während der Fahrt notiert Wetter und beim nächsten Halt in ein vorbereitetes Formblatt mit Datum und Fahrtrichtung über- Das sehr warme und niederschlagsreiche Jahr tragen und ergänzt: 2001 endete mit einem kalten Dezember. – Art (sofern eine Bestimmung möglich war) Insgesamt war der Winter 2001/02 aber recht bzw. Merkmale, Größe, Färbung, Federn oder mild. Zu Weihnachten gab es in der Mitte und Fellreste, Blut; im Süden Deutschlands starke Schneefälle. – Lage (Fahrbahn, Mittenbegrenzung, Rand- Dieser Schnee blieb bis zum Ende der zweiten streifen); Januardekade liegen. Danach folgte über meh- – Fundort auf 100 m genau. rere Wochen sehr milde Witterung. Das Jahr Das Erkennen und die Bestimmung der Opfer 2002 fiel durch häufige und extreme Wetter - wurden durch deren Zustand, durch Wetter - kapriolen auf. Sowohl zu Beginn als auch am bedingungen (Regen, Nebel, Schnee) sowie auf Jahresende gab es heftige Stürme und Orkane. und neben der Fahrbahn liegendem Material Bis Anfang September war es ungewöhnlich (Kleidungsstücke, Verpackungen, Fahr zeug - warm, danach überwogen die kalten Wetter- teile, Müll etc.) beeinflusst. Bei Un sicherheit lagen. Die niedrigsten Temperaturen Münchens wurden die entsprechenden Stellen während wurden Anfang Januar mit -18°C, die höchsten der folgenden Fahrten intensiver abgesucht und im Juni mit über 33°C registriert. der Fund nachbestimmt bzw. nicht in die Statis - Nach sechs milden Wintern war der Winter tik aufgenommen. Wo sich die Möglichkeit bot 2002/03 wieder kalt und schneereich – die (Parkplatz, Brücken), erfolgte die Überprüfung Schneedecken am Feldberg (Schwarzwald) und auch zu Fuß oder mittels Fernglas. Wenn eine am Großen Arber erreichten über einen Meter. genaue Bestimmung nicht möglich war, wurde München hatte im Dezember an einem Tag der Fund als „unbestimmt“ eingeordnet. Schnee, den halben Januar über wenige cm und Im Zeitraum von Anfang Dezember 2001 im Februar durchgehend zwischen 1 und 13 cm. bis Ende Juni 2003 wurde die Strecke mit Aus- Insgesamt gab es 64 Frosttage. nahme vom Mai 2003 bei 337 Fahrten in 18 Mo- Kältephasen gab es zu Beginn und vor Mitte naten kontrolliert (min. 10, max. 24, Ø 19 Fahr- Dezember, vom 7. bis 23. Januar 2003 und den ten pro Monat). In der ersten Maidekade 2002 ganzen Februar über. sowie der dritten August- und ersten Septem- Ab Mitte März blieben die Niederschläge berdekade erfolgten ebenfalls keine Kon - aus und es folgte ein überdurchschnittlich war- trollen. In den restlichen 51 Dekaden wurden mer und trockener Sommer mit ständigen i. d. R. zwischen fünf und neun, durchschnitt- Hitzerekorden bereits ab Mai (www.wetterzen- lich 6,6 Kontrollen je Dekade durchgeführt. Bei trale.de, www.lwf.bayern.de, www.mstatistik- vereinzelten Tagesfahrten am Wochenende muenchen.de). als Bei fahrer wurden beide Richtungen nach- kontrolliert und bereits bekannte Funde abge- Material und Methode glichen. Daneben wurden während weiterer Fahrten Kontrolliert wurde eine 43 km lange Strecke auf Autobahnen (und Bundesstraßen) ebenfalls zwischen den Städten München und Augsburg, Zählungen vorgenommen, um die Ergebnisse 4 Ornithol. Anz., 51, 2012 mit denen der Teststrecke zu vergleichen und Tab. 1. Totfunde im Verlauf von 18 Monaten die Möglichkeit der Übertragung der Daten auf (An fang Dezember 2001 bis Juni 2003, ohne Mai das Fernstraßennetz Deutschlands zu prüfen. 2003). – Number of road-kills recorded in course of Die im Text erwähnten Streckenlängen und 18 months (beginning of december 2001 to june km-Angaben beziehen sich auf die Notizen 2003, whithout may 2003). während der entsprechenden Fahrten und wur- den durch die Streckendaten auf www.- atlas-online.de ergänzt. Für Berechnungen und Artname Summe Vergleiche wurde jeweils die Gesamtstrecken- Stockente Anas platyrhynchos 4 länge, nicht die Distanz zwischen erstem und Mäusebussard Buteo buteo 59 letztem Totfund auf der jeweiligen Strecke Turmfalke Falco tinnunculus 4 herangezogen. Fasan Phasianus colchicus 2 Rebhuhn Perdix perdix 2 Ergebnisse (Straßen)Taube Columba livia 8 Eulen unbest. Strigiformes spec. 16 Allgemeines. Unter den 403 in 18 Monaten Waldkauz Strix aluco 1 registrierten Totfunden stellen Säugetiere mit Waldohreule Asio otus 10 52 % den Hauptanteil, während Vögel einen Schleiereule Tyto alba 3 Anteil von 36 % ausmachen. 12 % der Funde Rabenkrähe Corvus corone 2 blieben unbestimmt (Tab. 1). Vögel mittelgr. Aves indet. 21 Bedingt durch die teils schlechteren Sicht - Amsel Turdus merula 5 verhältnisse (Nebel, Dämmerung) während der Kleinvögel Passeriformes indet. 8 Fahrten am frühen Morgen, ist die Anzahlder Summe Vögel 145 registrierten Tiere auf der Strecke Mün chen– Augsburg um einiges geringer als auf der Ge- Igel Erinaceus europaeus 20 genseite. Während auf der Fahrseite von Augs - Feldhase Lepus europaeus 18 burg nach München 238 Totfunde verzeichnet Eichhörnchen Sciurus vulgaris 5 wurden, sind es auf der Gegenseite lediglich 165 Wanderratte Rattus norvegicus 7 Funde. Mäuse Muridae indet. 4 Jeweils 11 Säugetier- und Vogelarten konn- Fuchs Vulpes vulpes 27 ten bestimmt werden, wobei der Schwerpunkt Dachs Meles meles 9 auf den mittelgroßen Arten liegt. Mit weitem Hermelin Mustela erminea 1 Abstand führt der Mäusebussard mit 59 regis- (Stein)Marder Martes (foina) 22 trierten Exemplaren die Fundliste an, gefolgt Hauskatze Felis silvestris f. catus 19 von Fuchs (27 Funde), Steinmarder (22 Funde), Wildschwein Sus scrofa 7 Igel (20 Funde), Hauskatze (19 Funde) und Reh Capreolus capreolus 5 Feldhase (18 Funde). Hohe Verluste fallen auch Säugetiere Mammalia spec. 66 unter den Eulen an, von denen nur etwa die Summe Säuger 210 Hälfte bis zur Art bestimmt werden konnte. Unbestimmt indet. 48 Kleinvögel und Kleintiere sind in der Statistik Gesamt: 403 auffallend unterrepräsentiert. Eine große Anzahl an seltenen und gefähr- deten Arten ist an dem kontrollierten Abschnitt nicht zu erwarten. In der Fundliste (Tab. 1) fin- Strecken jedoch überraschend selten oder gar den sich vor allem in der Kulturlandschaft häu- nicht als Totfunde registriert. Die beiden Ra ben - fige und verbreitete Arten, die regelmäßig krähen fielen bezeichnenderweise in der Zeit Straßen und Randstreifen frequentieren und bei der ausfliegenden Jungvögel an (siehe: Jahres - denen diese ein Teil des Lebensraumes sind und zeitliche Verteilung der Verluste). Erwachsene zum Teil intensiv genutzt werden (Nahrung, Individuen dieser Arten kommen i. d. R. sehr Magensteine, Staubbäder, Ansitzmöglichkeiten gut mit dem fließenden Verkehr zurecht. Von etc.). Einige der am häufigsten an der Straße einem Kadaver hüpfen oder laufen sie beim anzutreffenden Arten wie Rabenkrähe, Elster Heran nahen eines Fahrzeugs gerade so weit und Bachstelze wurden an dieser und anderen weg, dass sie nicht überrollt werden. Fackelmann: Vogel- und Säugetierverluste an der A 8 5

Jahreszeitliche Verteilung der Verluste. Im Kleinsäuger) zu einem großen Prozentsatz er- Durchschnitt fallen auf jeden Kontrollmonat fasst werden konnten (geringere Fahrge schwin - 22,4 Totfunde und auf jede Dekade in den digkeit, Haltemöglichkeiten, Fahrrad- & Fuß - Kontrollmonaten 7,5 Totfunde (Abb. 2). Die kon trollen), gibt es dagegen ausgeprägte Spitzen niedrigen Fundzahlen in bestimmten Monaten im Sommer (Bergmann 1974, Blümel 1980, bedeuten nicht unbedingt weniger reale Ver- Smettan 1988, Müller 1995, Gryz et al. 2008), luste, sondern hängen auch mit einer geringe- wenn die Jungvögel ausfliegen. Auch an der ren Anzahl an Fahrten zusammen. Die höchsten Untersuchungsstrecke kann also davon ausge- Dekaden-Summen ergaben sich bei hoher gangen werden, dass die meisten Singvögel in Untersuchungsintensität (7 bis 9 Kon trol - der Zeit der Fortpflanzung umkommen. Eine len/Dekade). leichte Erhöhung der Vogelzahlen von April bis Die monatliche Verteilung der Verkehrs- Juli 2002 lässt diese Entwicklung zwar erahnen, opfer spiegelt den jahreszeitlichen Lebensrhyth- deutet aber gleichzeitig auf eine niedrige Er - mus und die Aktivitätsphasen der Arten wider. fassungsquote dieser Artengruppe hin. So wirken sich winterliche Ruhephasen oder Tierleichen auf der Fahrbahn und kleinere Notzeiten, gesteigerte Frühjahrsaktivität, Re - Tierleichen am Rande der Autobahn waren vier suche und Partnerwerbung, Fortpflan - zumeist nur an einem Tag vorhanden. Länger zungszeiten, Jungenaufzucht und Selbstständig- hielten sich größere Tiere (Füchse, Dachse, werden der Jungtiere bzw. -vögel unmittelbar Rehe) abseits der Fahrbahn. Am längsten blie- auf die Fundzahlen aus. ben mittelgroße Tierleichen unter den Besonders augenfällig ist das Maximum im Mittelleitplanken liegen. Hier ist der Zugriff der März 2003. Es ist als Folgeerscheinung des har- Prädatoren durch den Verkehr behindert. So lie- ten Winters zu sehen und vor allem auf Verluste gen Marder, Bussarde und Eulen im Winter bei den Beutegreifern zurückzuführen. über Wochen – durch die Kälte konserviert – in Bei Studien auf Land- und Kreisstraßen, bei der Mitte der Autobahn und bieten anderen welchen die Verluste der Kleinvögel (auch Beutegreifern einen permanenten Anreiz zum

40 10 Vögel Säuger unbestimmt Kontrollen/Dekade 9 35 8 30 7 25 6

20 5

Individuen 4 Kontrollen 15 3 10 2 5 1

0 0 XII I II III IV V VI VII VII IX X XI XII I II III IV V VI Abb. 2. Verluste im Jahresverlauf anhand der Dekadensummen und Kontrollen pro Dekade (Linie). Vögel (schwarz), Säuger (dunkelgrau), unbestimmte Tiere (hellgrau). – Losses through the season. Shown are sums per decade and controls per decade (line). Birds (black), mammals (dark grey), unidentified animals (light grey). 6 Ornithol. Anz., 51, 2012

Abb. 3. Verluste von Vögeln, Säugern und unbestimmten Tieren im Streckenverlauf (Säulenfarben s. Abb. 2). – Losses of birds, mammals and unidentified animals in course of the controlled section (colours see Fig. 2).

Überqueren der Fahrbahnen. Dies trägt wieder- untersuchten überfahrenen Dachse hatten um zur Steigerung der Verluste bei diesen Arten Verkehrsopfer (meist Vogelreste) im Magen bei (siehe: Folgeopfer). (Slater 2002). Als Folgeopfer sind im Untersuchungsgebiet Verteilung der Verluste auf der Strecke. Die hauptsächlich Bussarde, Füchse, Dachse, Katzen, Funde verteilen sich recht gleichmäßig über die Marder und Igel gefährdet. Beobach tungen und gesamte Strecke (Abb. 3). Im Durchschnitt wur- eine Reihe von Totfunden an den gleichen Stellen, den im Untersuchungszeitraum 9,4 Totfunde je die zeitgleich oder in Abstand von einigen Tagen km gefunden. Auf das Jahr gerechnet bedeutet anfielen, verdeutlichen die Gefahr, welche durch dies 6,2 Verkehrsopfer pro km. die auf der Fahrbahn oder Mittenbegrenzung lie- Häufungen ergeben sich um die Ausfahrten genden Tiere für oben genannte Arten ausgeht. Fürstenfeldbruck, Odelzhausen und Dasing. An Nachfolgend seien einige aufgelistet: allen Stellen treffen verschiedene Biotope (Ort - – 15.01.2001 (Bundesautobahn 92): Mäusebus - schaft, Fluss, Kleingewässer, Wald, Feld) aufei- sard um 16:40 Uhr notiert, um 18:15 Uhr liegt nander, womit die höheren Verluste in diesen ein Fuchs knapp 50 m entfernt; Bereichen mit der reich strukturierten Land- – 14.01.2002: Mäusebussard, und 18.01.2002 schaft erklärt werden können. Die geringsten Fuchs an der Mittelplanke unweit des Bus- Verluste fallen für die km 17 (Feld) und 28 (Wald) sards; an. Die Ursachen hierfür können allerdings – 31.01.2002: neben einem kürzlich überfahrenen nicht aufgeführt werden, da die entsprechenden Bussard liegt ein frisch überfahrener Fuchs; Bereiche anderen Streckenkilometern ähneln. – 31.01.2002: Hase, dann 11.02.2002 Katze und 15.03.2002 Dachs, jeweils frisch an derselben Folgeopfer. Die meisten der in Tab. 1 gelisteten Stelle; Tier- und Vogelarten nutzen die Straße vor – 31.05.2002: vor Augsburg-Ost liegen 1 Sing - allem als Nahrungsquelle. Auch rund die Hälfte vogel, 1 Igel und eine Katze (alle frisch) an der im Zeitraum von 1986 bis 1998 in Wales einer Stelle; Fackelmann: Vogel- und Säugetierverluste an der A 8 7

– 30.07.2002: Eichhörnchen und Mäusebussard, bilden die Hecken und Randstreifen nach der beide frisch; Ernte und der Bodenbearbeitung vielfach das – 01.10.2002: Marder, und 04.10.2002 Fuchs letzte Rückzugsgebiet der Feldmäuse. Bei unweit des Marders an der Mittenbegrenzung; Schneelage finden sich die Bussarde bereits am – 30.10.2002: Fuchs und zwei nicht identifizier- frühen Morgen auf Sträuchern, Baumspitzen bare Tiere, am 12.11.2002 ein weiterer Fuchs oder Pfosten ein, von denen sie einen längeren am Fahrbahnrand (am Tag darauf steht ein Straßenabschnitt überblicken können. Hier Bussard auf dem Kadaver); verbringen sie, bei gelegentlichem Standort - – 31.12.2002: ein Bussard kröpft von einem seit wechsel, oft den ganzen Tag und fliegen in der dem 11.11. am Fahrbahnrand liegenden Fuchs; späten Abenddämmerung in direktem Flug zu – 12.03.2003: Marder an der Mittenbegrenzung einem nahen Schlafplatz, meist in einem wind- und 21.03.2003 Fuchs frisch überfahren; geschützten Fichtenbestand (eigene Beob.). Eine – 15.04.2003: bei km 23,5 liegen eine überfahre- solche Konzentration der Bussarde entlang der ne Waldohreule und ein Mäusebussard in der Autobahn fiel im Untersuchungszeitraum an Mitte, bei km 23,7 ein Dachs am Rand. der Kontrollstrecke ab der zweiten Dezem- Am auffallendsten und eindeutigsten zuzuord- berdekade 2002 auf. nen sind Folgeopfer im Winter, wenn eine Indem sie die Aktivität auf das Nötigste be- Schneedecke das Beutemachen erschwert. Dann schränken, können sie über Wochen mit wenig ist der Reiz der im Straßenbereich liegenden Nahrung auskommen und von den im Herbst Tierleichen am höchsten. angelegten Fettreserven zehren. Der Anteil des Reservefetts liegt beim Bussard im Durchschnitt Unbestimmte Tiere und Vögel. Die Größe der bei knapp 10 % des Gesamtgewichts (Piechocki 21 unbestimmten mittelgroßen Vögel liegt zwi- 1964). Dadurch können die Vögel notfalls bis zu schen Rabenkrähe und Stockente. Laut Anmer - zwei Wochen ohne Nahrungsaufnahme überle- kungen kann folgende Zusammenstel lung ange- ben. Ein kritischer Punkt wird erreicht, wenn nommen werden: 1x Habicht, 5x Mäuse bussard , die Fettreserven aufgebraucht sind. Der Hunger 2x Fasan, 6x Eule, der Rest sind plattgefahrene lässt die Vögel ihre natürliche Scheu überwin- mittelgroße Vögel. den und treibt sie dazu, an Stellen aufzutauchen Unter den acht Kleinvögeln handelte es sich und Nahrungsquellen zu suchen und zu nut- bei zweien wahrscheinlich um Amseln. zen, die für die Art ungewöhnlich sind. Unter den 65 unbestimmten Säugetieren Kadaver auf der Fahrbahn oder dem durch waren 8 kleine Tiere (Mäusegröße), 20 mittel- Spritzwasser schneefrei gehaltenen Mitten- große Tiere ab Rattengröße bis Fuchs und wei- begrenzungsstreifen gewinnen dann stark an terhin möglicherweise: 7x Igel, 11x Feldhase, Anziehungskraft, während die von den vorbei- 4x Eichhörnchen, 2x Ratte, 5x Fuchs, 2x Dachs, rauschenden Fahrzeugen ausgehende Gefahr in 3x Marder, 2x Katze, 1x Reh. den Hintergrund tritt. Gleichzeitig reduziert sich die Reaktionsfähigkeit der geschwächten Diskussion Vögel. Auch wenn ein Teil der Funde nicht unmit- Verluste und Verlust-Ursachen der am häu- telbar zum Todeszeitpunkt erfasst wurde, son- figsten betroffenen Arten nach Jahres- und dern mit einigen Tagen – in Einzelfällen mögli- Streckenverlauf cherweise Wochen (April und Juni 2003) – Verspätung, ist der Anstieg der Zahlen jeweils Mäusebussard. Mit 59 registrierten Opfern war etwa zwei Wochen nach stärkeren Schneefällen der Mäusebussard die am stärksten betroffene und anschließender geschlossener Schneedecke Art. Auf Jahr und Kilometer umgerechnet, er - oder Kälteperioden auffällig (Abb. 4). gibt sich durch die erfassten und bestimmten Daneben dringen die Vögel in Ortschaften Individuen eine Mindestverlustrate von 0,9 In - und selbst in Städte ein und erhöhen damit das dividuen pro km und Jahr. Risiko, durch direkte oder indirekte menschliche Die Verluste fallen fast ausschließlich im Einflüsse umzukommen (Brogmus 1966). Winterhalbjahr an, wenn sich die Vögel an den Im Untersuchungsgebiet tauchten bei Schnee Straßen einfinden, wo ständig Nahrung in Form Bussarde im Stadtgebiet von Augsburg auf, von Aas oder verletzten Tieren anfällt. Daneben unter anderem auf Laternen an der B 17 im 8 Ornithol. Anz., 51, 2012

14 Abb. 4. Verluste bei Mäusebussard

12 (schwarz) und Eulen (dunkelgrau) im Jahresverlauf anhand der Deka- Eulen 10 densummen. Pfeile = Schnee fälle. – Losses of buzzards Buteo buteo Mäusebussard 8 (black) and owls Strigidae (dark grey)

6 in course of the season through sums of Individuen individuals per decade. Arrows = snow 4 fall.

2

0 XII I II III IV V VI VII VII IX X XI XII I II III IV V VI Zeit (Monatsdekaden)

8 Abb. 5. Verluste bei Mäusebussard 7 und Eulen im Streckenverlauf. Eulen – Losses of buzzards and owls in 6 Mäusebussard course of the controlled section. 5

4

Individuen 3

2

1

0 11 15 20 25 30 35 40 45 50 Kilometer

Stadtteil Kriegshaber. In diesem Bereich führt die Bei 28 an dieser und anderen Strecken ver- Bundesstraße durch mehrere Tunnel, der Bus - unglückten Bussarden konnte das Alter festge- sard-Ansitz lag also etwa in Höhe des umgeben- stellt werden. Das Verhältnis zwischen juveni- den Bodenniveaus. An der Auto bahn brücke bei len und adulten Vögeln (ab dem 2. Lebens jahr) München-Lochhausen ließen auf Pfosten und in betrug 3 zu 1. Bäumen stehende Bussarde die Räumfahrzeuge Neben der Jagdweise und Ernährung spie- auf vier bis sieben Meter Ent fernung vorbeifah- len auch physiologische Aspekte für die ren, ohne abzustreichen (eigene Beob.). Häufigkeit des Bussards als Verkehrsopfer eine Während des Sommerhalbjahres ist das Rolle. Der Mäusebussard ist ein typischer Nahrungsangebot in Feld und Flur ausreichend, Ansitzjäger und Segelflieger. Im Vergleich zu Opfer gibt es lediglich in der Zeit der ausflie- den anderen im Untersuchungsgebiet als Ver- genden Jungvögel. kehrsopfer infrage kommenden Taggreif vö geln Interessant wäre es in diesem Zusammen - (Habicht, Sperber, Turmfalke), besitzt er lange hang, zu untersuchen, ob die Erfahrungen der Schwingen, eine relativ schwache Brustmusku - Standpaare mit den speziellen Gefahren in ihrem latur und geringere Wendigkeit. Einmal an Revier sie vor dem Verkehrstod schützen, und einem Verkehrsopfer gelandet, benötigt er eine umgekehrt, ob Unerfahrenheit der Zuzügler gewisse Zeit und Strecke, um vom Boden zu bezüglich Straßenverkehr eine Rolle spielt und starten und aus dem Gefahrenbereich heranna- wie hoch der Anteil der juvenilen und adulten hender Fahrzeuge zu gelangen. Bei der Ge- Vögel unter den Verlusten für das gesamte Jahr schwindigkeit und Fahrzeugdichte auf Auto- und für das Winterhalbjahr ist; und ob es Unter - bahnen ganz offensichtlich viel zu lange. Dem- schiede in der Geschlechterver teilung gibt. gegenüber kann der ähnlich große, aber viel Fackelmann: Vogel- und Säugetierverluste an der A 8 9 wendigere und kräftigere Habicht aus dem heit werden Bussarde mit Verletzungen oder Stand senkrecht hochschnellen und erreicht Behinderungen schnell von anderen Beute- bereits auf wenigen Metern eine hohe Ge- greifern geschlagen. So wur de ein Jungvogel schwindigkeit (eigene Beob.). mit abgetrennten äußeren Handschwingen- Trotz der hohen Zahlen kann davon ausge- Spitzen in der Nähe der B 2 von mehreren gangen werden, dass nur ein Teil der Bussarde Artgenossen vollständig aufgekröpft. erfasst wurde. Neben den direkt getöteten und Eine Häufung der Bussard-Opfer gibt es im im Sichtbereich zum Liegen kommenden Indi- Bereich um die Ausfahrt Dasing (km 38,5). Hier viduen wird ein schwer zu beziffernder Anteil konnten im Vorbeifahren vergleichsweise selten durch Prädatoren weggeschleppt, verletzt oder Bussarde beobachtet werden, das Blickfeld ist von der Straße weggeschleudert. Aus eigener jedoch teilweise durch Bewuchs und Erdwälle Erfahrung handelt es sich bei dem Großteil der eingeschränkt. Im Großen und Ganzen er- bei Pflegestationen gemeldeten oder abgegebe- scheint das leicht hügelige und höher liegende nen Bussarde um Verkehrsopfer, die ein Trauma Gebiet für Bussarde nicht besser geeignet zu oder Flügelfrakturen erlitten haben. Falls kein sein, wie die Landschaft an der restlichen Schnee liegt, überleben verletzte Bussarde oft- Strecke. Die Bussarddichte dürfte ähnlich oder mals sehr lange am Boden, indem sie sich von eher niedriger sein als im Lechtal oder bei Würmern, Käfern und Aas ernähren, bevor sie Bergkirchen. Die erhöhte Mortalität zwischen schließlich doch an den Folgen des Unfalls ein- km 34 und 40 könnte eine Folgeerscheinung der gehen oder von Prädatoren gerissen werden. allgemein etwas höheren Verluste in diesem Dabei entfernen sie sich zu Fuß oft weit von der Bereich sein (siehe Abb. 3), also auf Folgeunfälle Straße, sodass die eigentliche Todesursache un- zurückzuführen sein. bekannt bleibt. Bei der Mortalität des Mäusebussards spie- Während der Kontrollfahrten am Wochen - len die Verluste an den Fernstraßen zumindest ende wurden auch die direkt an der Autobahn im Winter eine – wenn nicht die – Hauptrolle. aufgeblockten oder in unmittelbarer Nähe Während einer Fahrt von München nach jagenden oder kreisenden Bussarde gezählt. In Frankfurt am 25.01.2003 wurden mehr tote der Regel können bei einer Fahrt in eine Bussarde gezählt, als an oder neben der Auto - Richtung 5–6 Bussarde gesehen werden. In den bahn jagende, fliegende und auf Ansitzwarten Wintermonaten sind die Zahlen 2–3-mal so stehende Exemplare beobachtet wurden. Den hoch (am 6.1.2011 sogar 33 Exemplare), wobei es Hauptanteil der winterlichen Opfer dürften zu Konzentrationen an bestimmten Stellen jedoch Zuzügler aus Nord- und Osteuropa stel- kommt. Die höchste Anzahl an Bussarden an len. Die entstandenen Lücken im hiesigen der kontrollierten Strecke konnte stets im Brutbestand werden durch die aus den Über- Bereich um km 13–14 (Fußbergmoos und winterungsgebieten zurückkehrenden Jung- Bergkirchner Moos) festgestellt werden. Wobei vögel aufgefüllt. dies auch einer der Bereiche mit der besten Sicht nach beiden Seiten hin ist. Eine sehr hohe Eulen. Eulen sind mit drei Arten in 30 Funden Nagerdichte sorgt hier für Nahrung auch bei vertreten, wobei die Waldohreule die am stärks- Schnee. Im Vor beifahren konnten auf knapp ten betroffene Art ist, daneben konnten drei zwei Kilometern Länge auf jeder Seite der A 8 Schleiereulen und ein Waldkauz bestimmt wer- schon zwischen 6 und 13 Bussarde auf den. Nach Auswertung der No tizen kann bei Erdhügeln, Pfosten und in Baumreihen stehend den nicht bestimmbaren Eulen eine ähnliche erkannt werden. Inte res santerweise liegt zwi- Verteilung wie bei den bestimmten angenom- schen km 12 und km 18,5 kein einziger Totfund men werden. In der Mehrzahl handelt es sich vor, obwohl gerade hier mit einer hohen Anzahl sicherlich um Waldohreulen. Als vierte Art zu rechnen wäre (Abb. 5). Bei sporadischen käme noch die Sumpfohreule infrage. Ein Kontrollen eines schmalen, isolierten Exem plar wurde im März 2004 an der parallel Fichtenstreifens in 200 m Entfernung zur verlaufenden B 2 gefunden. Autobahn wurden allerdings regelmäßig Über- Verluste gibt es vermehrt im Laufe von reste von Bussarden (Jungvögel) gefunden, die Kälteperioden im Winterhalbjahr und in Zeiten unter den Randbäumen oder im Feld Richtung gesteigerter Aktivität durch Balz und Jungen - Autobahn lagen. Vor allem bei Nahrungsknapp - aufzucht (Abb. 4). 10 Ornithol. Anz., 51, 2012

Schwerpunkte können um die Ausfahrt dadurch gesteigerten Mobilität zusammen, dazu Sulzemoos, Adelzhausen, Dasing und Augs - kommt das ständige Nahrungs angebot durch burg-Ost ausgemacht werden (Abb. 5). Im überfahrene Tiere, durch die der Fuchs vor allem Bereich der Ausfahrten und Ortschaften konn- in Notzeiten in den Bereich der Fahrbahnen ten mehrfach (auch außerhalb des Untersu- gelockt wird und als Folgeopfer endet. chungszeitraumes) die Autobahn querende Jungfüchse wurden in der Zeit der Ausflüge Waldohreulen beobachtet werden. Möglicher- am 14.06/21.06 und 07.08.2002 bei km 47/13,5 weise existieren an mehreren Stellen regelmäßig und 44 überfahren (Abb. 7). genutzte Tagesruheplätze an den Ortsrändern oder in den Ortschaften in unmittelbarer Auto- (Stein)Marder. Bei den Marderfunden handelt bahnnähe. es sich wahrscheinlich ausschließlich um Eine am 14.01.2002 bei Dasing umgekomme- Steinmarder. Bei einigen Funden konnte der ne Schleiereule war am 02.07.2001 als Jungvogel Baummarder allerdings nicht gänzlich ausge- in Wagenhausen (Schweiz) beringt worden schlossen werden. Spitzen zeichnen sich im (Mitt. Vogelwarte Sempach). Beringungs- und Frühjahr ab (Abb. 6), in der Zeit, in der die Fundort liegen 183 km auseinander. Die zwei Jungtiere zur Welt kommen und die Fähen weiteren im Untersuchungszeitraum registrier- einen erhöhten Nahrungsbedarf haben. Die ten Schleiereulen fielen ebenfalls westlich von Rüden dehnen in dieser Zeit ihre Streifgebiete Dasing und in den Wintermonaten an. stark aus, um während der sommerlichen Ranz möglichst viele Fähen im eigenen Territorium Fuchs. In den Wintermonaten zählt der Fuchs zu zu haben (www.oeko-log.com). den regelmäßigen Verkehrsopfern (Abb. 6). Dies Schwerpunkte gibt es jeweils in der Um- hängt zum einen mit der Ranzzeit und der gebung der Ausfahrten Sulzemoos, Odelz -

, 8 Abb. 6. Verluste bei Fuchs, Marder

7 Hauskatze und Hauskatze im Jahresverlauf anhand der Dekadensummen. 6 Marder – Losses of foxes Vulpes vulpes

5 Fuchs (black), martens Martes foina (dark grey) and domestic cats Felis silvestris 4 f. catus (light grey) in course of the sea- Individuen 3 son through sums of individuals per decade. 2

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0 XII I II III IV V VI VII VII IX X XI XII I II III IV V VI Zeit (Monatsdekaden)

8 Abb. 7. Verluste bei Fuchs, Marder Hauskatze 7 und Hauskatze im Streckenverlauf. – Losses of foxes, martens and domestic 6 Marder cats in course of the controlled section. 5 Fuchs

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Individuen 3

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1

0 11 15 20 25 30 35 40 45 50 Kilometer Fackelmann: Vogel- und Säugetierverluste an der A 8 11 hausen, Adelzhausen, dann relativ gleichmäßig fahrten und Siedlungen (Abb. 9). Im Jahres- verteilt bis Augsburg-Ost (Siedlungen und verlauf zeigt sich ein völlig anderes Bild. Hier Einzelgehöfte in der Umgebung). Im Bereich sind die Igelfunde auf den Zeitraum von zwei um die Ausfahrt Augsburg-West gab es eben- Monaten zwischen Mitte Mai und Mitte Juli falls Funde an der kreuzenden B 2. Damit liegen beschränkt (Abb. 8). Wobei zu berücksichtigen die Unfallschwerpunkte erwartungsgemäß im ist, dass nur ein Teil der Igel sicher bestimmt Einzugsbereich von Siedlungen (Abb. 7). werden konnte. Bei anderen Untersuchungen konnten Spitzenwerte in den Monaten Juni bis Hauskatze. In den Hauptwintermonaten fallen September festgestellt werden, dann im Okto- nur wenige Katzen an (vgl. Reichholf 1982). In ber stark sinkende Zahlen und Einzelfunde dieser Zeit halten sich die Katzen vermehrt im in den Wintermonaten (Heinrich 1978, Mater - Hause auf bzw. streifen nicht so weit umher. In nowski 1998). der restlichen Zeit gibt es regelmäßige Verluste, Unter den Säugetieren erleidet der Igel vermehrt im Sommer (Abb. 6). Erwartungs - wahrscheinlich die größten Verluste durch gemäß ergeben sich für die Haus katze Spitzen den Verkehr. Die Rheinisch-Westfälischen Igel- im Siedlungsbereich, so bei Odelzhausen, freunde gehen von jährlich 500.000 überfah - Adelzhausen und Augsburg (Abb. 7). Die 19 re- renen Igeln in der Bundesrepublik aus gistrierten Katzen ergeben bereits einen Verlust (Maternowski 1998). Diese fallen jedoch von 0,3 Individuen pro km und Jahr. Reichholf zumeist auf Nebenstrecken, in Ortschaften und ermittelte auf einer 150 km langen Strecke zwi- an deren Rändern an, wo vor allem im Juni und schen München und Passau (Bundesstraße) Juli plattgefahrene Igel an der Tagesordnung einen Durchschnittswert von 0,5 Katzen und sind (eigene Beobachtungen). Wie bei der geht von einem realistischen Wert von einer Hauskatze sind die Werte auf diesen Strecken Katze pro km und Jahr aus. Dabei wurden die mit Sicherheit um einiges höher als auf den großen Unterschiede zwischen den Zahlen im Fernstraßen. Siedlungsbereich und der offenen Flur deutlich: drei Viertel der Katzen wurden im Siedlungs - Feldhase. Die Rammelzeit des Feldhasen kann bereich überfahren, nur sehr wenige in Wald- in milden Wintern schon im Dezember begin- gebieten. Die Werte für den Siedlungsbereich nen. Dies scheint im Winter 2001/02 der Fall ergaben 1,55 Ind./km/Jahr, für offene Flur und gewesen zu sein (Abb. 8). Nach einer Tragzeit Wald zusammen 0,33 Ind./km/Jahr. Letzterer von 1,5 Monaten kommen die Jungtiere zur Wert entspricht dem für die A 8 ermittelten Welt, die im Alter von einem Monat selbststän- Wert. dig werden. In dieser Zeit fallen vermehrt Opfer an, wobei sicher auch Mähtermine und Ernte- Igel. Die 20 registrierten Igel sind relativ zeiten eine Rolle spielen. Nach dem strengen gleichmäßig auf der Strecke verteilt, mit ange- Winter 2002/03 deuten die Funde auf eine regu- deuteten Schwerpunkten im Bereich der Aus- läre Rammelzeit im März/April.

, 6 Abb. 8. Verluste bei Igel und Feldhase im Jahresverlauf. – Losses 5 Feldhase of hedgehog Erinaceus europaeus (black) and brown hare Lepus euro - 4 Igel paeus (dark grey) in course of the sea- son through sums of individuals per 3 decade. Individuen 2

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0 XII I II III IV V VI VII VII IX X XI XII I II III IV V VI Zeit(Monatsdekaden) 12 Ornithol. Anz., 51, 2012

6 , Abb. 9. Verluste bei Igel und Feld - Feldhase hase im Streckenverlauf. – Losses 5 of hedgehog and brown hare in course of Igel the controlled section. 4 uen id 3 v di n I 2

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0 11 15 20 25 30 35 40 45 50 Kilometer

Die Verluste fallen an Strecken mit Offen - Krähen, Elstern, Katzen und (im Winter) land (Felder, Wiesen) oder im Grenzbereich von Bussarde. In einer weiteren Untersuchung mit Wald und Feld an (Abb. 9). ausgelegten Ködern betrug die Liegezeit von kleineren Körpern (25–150 g) am Tag weniger Materialbewertung und Verlustquoten als eine Stunde – oft nur wenige Minuten –, bevor sie von Krähen entfernt wurden. Die Ver- Natürlich kann bei dieser Art der Strecken kon - kehrsdichte spielte dabei keine Rolle. Größere trolle nur ein gewisser Prozentsatz der Ver- Körper (200 und 500 g) blieben länger liegen. kehrs opfer festgestellt werden. Nicht erfasst Nachts wurden kleine und größere Körper von werden konnten: Katzen, Iltissen, Füchsen, Dachsen und Igeln – angefahrene und verletzte Tiere, die später entfernt (Slater 2002). Die Feststellung der auf woanders verendeten, von Prädatoren getötet Autobahnen und Bundesstraßen wirklich oder vom Jäger erlegt wurden; umkommenden Kleintiere und -vögel ist also – versteckt im Gras, Heckenstreifen und Rand - praktisch unmöglich. bewuchs liegende Tiere; Unfälle mit den größeren Wildarten (Reh, – von Raubsäugern und Vögeln vor der Wildschwein, Damhirsch) und entsprechendem Kontrolle entfernte Tiere; Sachschaden werden in den meisten Fällen – von Mitarbeitern der Autobahnmeistereien gemeldet und die Unfallopfer von der Polizei entfernte Kadaver; oder dem zuständigen Jagdpächter entfernt. In – durch die Wucht des Aufpralls aus dem einer Studie an verschiedenen Straßen in der Slo- Sichtbereich geschleuderte Vögel; wakei wurden in 28 Monaten 3009 Totfunde re- – am Fahrzeug (Kühler) hängen gebliebene gistriert, darunter kein einziges Reh. Nach einer Vögel. Befragung der zuständigen Jagdpächter machten Daneben wurde mit Sicherheit ein gewisser Teil die Verluste durch den Verkehr jedoch durch- der Opfer übersehen. Vor allem bei kleinen schnittlich 18,8 % der Streckenlisten aus (Hell et Arten ist die Dunkelziffer sehr hoch. Aufgrund al. 2005). Nach Schoenemann (1977) ereignen sich der extrem hohen Verkehrsdichte und der mehr als ¾ der Unfälle mit Rehen bei Dunkelheit. hohen Geschwindigkeit der Fahrzeuge auf der Bei den beiden anderen infrage kommenden A 8 verschwinden diese in kürzester Zeit. (s. oben) Wildarten dürfte dies ähnlich sein (von Besonders schnell geschieht dies bei Nässe. Bei den sieben Wildschweinen wurden vier Einzel - einem Versuch mit 50 auf die Fahrbahn einer tiere gesehen, die anderen drei wurden bei einem stark befahrenen Schnellstraße geworfenen Unfall getötet, über welchen später in Tages zei - toten Spatzen, waren nach zwei Stunden keine tungen berichtet wurde). Auch diese Arten dürf- Anzeichen von diesen mehr vorhanden, und ten in der Statistik unterrepräsentiert sein. bereits nach 90 Minuten waren nur noch Reste Unbekannt bleibt immer auch die Anzahl von 5 Individuen erkennbar (Stewart 1971). Für der indirekt, durch den Verlust der Eltern die rasche Entfernung am Tag sorgen auch umgekommenen Jungtiere bzw. -vögel. Fackelmann: Vogel- und Säugetierverluste an der A 8 13

Die Erfassungsquote bei der hier praktizier- nis, dass wenigstens zwei Millionen Vögel pro ten Methode ist damit bei mittelgroßen Arten Jahr auf den Straßen verenden. Die Hälfte am größten, während Kleintiere und -vögel so - davon auf dem 2.207 km langen Autobahnnetz wie größere Wildtiere in den Hintergrund treten (– das Autobahnnetz Deutschlands ist 5,7-mal (siehe auch Heinrich 1978, Erritzoe 2002). Bei länger). Dies weist den Straßenverkehr als bei den registrierten Arten von Amsel-/Ratten- weitem wichtigsten Faktor für den Tod von größe aufwärts ist die Erfassungsrate – mit Aus - Vögeln durch unnatürliche Ursachen in den nahme der oben aufgeführten Wildarten – je- Niederlanden aus. Beim Igel waren die Verluste doch gleich. so hoch, dass eine Dezimierung der Popu- Alle mit dieser und anderen konventionel- lationen durch den Straßenverkehr befürchtet len Kontrollmethoden (mit Moped/Fahrrad, zu wurde und das niederländische Verkehrsmi - Fuß) feststellbaren Zahlen stellen lediglich nisterium ein Igel-Projekt und weitere Studien Mindestwerte dar. Die Dunkelziffer ist auf- zur Erforschung des Unfalltods ins Leben rief. grund der vielen Unbekannten nur schwer ein- Um zu prüfen, ob die Ergebnisse an dem zuschätzen, beläuft sich aber sicher auf ein Teilstück der A 8 lediglich ein Einzelfall sind, Vielfaches des hier festgestellten Wertes. Bereits bedingt durch die Zusammenwirkung verschie- Haas (1964) schätzt die tatsächlichen Verluste dener unfallfördernder Umstände (kein Seiten- auf das 3–5-Fache der vom fahrenden Auto aus streifen, fehlender Zaun), wurden die Verluste gewonnenen Zahlen. Die vorsichtigen Schät- während weiterer Fahrten auf anderen Stre- zungen und Hochrechnungen der Verlust- cken abschnitten und Autobahnen in Deutsch - quoten in früheren Arbeiten stellten sich im land registriert. Auf einer Gesamtstrecke von Nach hinein aber als zu niedrig angesetzt heraus 944 km wurde ein Fund auf einer Strecke von (Zusam men stellung siehe Erritzoe et al. 2003). 10 km registriert – bereits durch eine einmalige Mit unterschiedlichen Herangehensweisen Kontrolle in eine Richtung vom fahrenden Auto wurde inzwischen versucht, die tatsächlichen aus. Auch hier handelte es sich hauptsächlich verkehrsbedingten Verluste festzustellen. Auf um mittelgroße Arten. Nimmt man für beide Vergleichsstrecken in der umfangreichen Studie Richtungen die doppelte Anzahl und rechnet von Slater (2002) erbrachte die Begehung 5,5- die Funde auf das Jahr und die Länge des mal höhere Zahlen als die Kontrolle aus dem Autobahnnetzes hoch, kommt man auf 2.534 fahrenden Auto. Auch aufgrund der festgestell- Totfunde am Tag und über 9 Millionen Tiere pro ten, sehr kurzen Liegedauer von kleinen Kör- Jahr. Auch wenn ein Teil der hierbei erfassten pern (Entfernung durch Vögel und Raubsäuger) Opfer länger als einen Tag lag, zeigt die kommt der Autor zu dem Schluss, dass eine ein- Hochrechnung doch die Dimension auf, in wel- zige tägliche Kontrolle die tatsächliche Todes - cher sich die Verkehrsmortalität bewegt. Die rate um den Faktor 12–16 unterschätzt. Fundraten an verschiedenen Bundesstraßen Svensson (1998) dagegen registrierte in waren ähnlich hoch. einem Zeitraum von neun Jahren alle mit dem Die Gesamtsituation auf deutschen Straßen eigenen Fahrzeug (Pkw) verursachten Vogel - unterscheidet sich nicht wesentlich von der in kollisionen. Auf einer Gesamtstrecke von England, Schweden oder den Niederlanden. 288.000 km erfasste er rund einen Vogel pro Die Verluste dürften eher höher anzusetzen 10.000 km. Mithilfe der Zahl der Autos im Land sein. Beim Vergleich der europäischen und und der durchschnittlichen Fahrleistung errech- außereuropäischen, die Vogelwelt betreffenden nete er für Schweden eine jährliche Verlustrate Arbeiten zu diesem Thema kam Erritzoe (2002) von 8,5 Millionen Vögeln. Bis dahin gingen auf eine durchschnittliche Strecke von 62 km Schätzungen von einer Verlustmenge zwischen zwischen zwei Funden bei der Kontrolle mit einer halben und einer Million Vögel in dem Auto, von 28 km bei der Fahrradkontrolle Schweden aus. Auf deutschen Autobahnen, und 17 km bei der Suche zu Fuß. Unter Bundes-, Land- und Kreisstraßen werden jähr- Berücksichtigung der übersehenen und entfern- lich 10-mal so viele Kilometer (850 Milliarden) ten Opfer, geht er von einem realistischen Wert mit Kraftfahrzeugen zurückgelegt (www.jagd- von 8,5 km Strecke für einen Fund aus. Hoch - online.de)! gerechnet auf das Straßennetz Dänemarks, Eine niederländische Studie (zit. in de Vries ergibt sich ein Verlust von 3,7 Millionen Vögeln. 2001) über den Straßentod kam zu dem Ergeb- Nimmt man lediglich die Länge der Autobah - 14 Ornithol. Anz., 51, 2012 nen, Bundes-, Land- und Kreisstraßen Deutsch- Folgerungen und Maßnahmen zur Abhilfe lands als Berechnungsgrundlage, kommt man mit diesem Wert auf knapp 10 Millionen Vogel - Die Verkehrsmortalität ist von verschiedenen opfer. Auch Füllhaas et al. (1989, zit. in Erritzoe Faktoren abhängig, so von der Verkehrsdichte, et al. 2003) schätzen die Vogelverluste in Geschwindigkeit, Artenreichtum und Popula - Deutschland auf 9,4 Millionen. tions dichte, Qualität des umliegenden Lebens - Hochrechnungen beinhalten stets die Pro - raums und Bewirtschaftungsform. Einen ent- ble matik des Extrapolierens von örtlichen Ver - scheidenden Einfluss auf die Todesrate der ein- hältnissen und für einen bestimmten Zeitraum zelnen Arten haben Mobilitätsgrad, Größe des auf überörtliche und durchschnittliche Gege- Aktionsraumes, Lernvermögen, Anpassungs - benheiten (Reichholf 1982). Die lokalen Befunde fähigkeit an eine veränderte Umwelt und und obige Berechnungen sollten als Anlass die- Besonderheiten in der Lebensweise (siehe auch nen, die Zahlen durch Zählungen auf weiteren Bergmann 1974, Heinrich 1978, Erritzoe 2002). Strecken und in anderen Regionen zu überprü- Trotz des erschreckend hohen Blutzolls sind fen. Bei dem hohen Verkehrsaufkommen und die genauen Auswirkungen der Verkehrs mor - der Dichte des Straßennetzes in Deutschland talität auf die Populationen noch weitgehend un - sind die tatsächlichen jährlichen Tierverluste im klar. Lediglich bei wenigen Arten (Ziegen mel ker zweistelligen Millionenbereich anzusiedeln. Caprimulgus europaeus, Steinkauz Athene noctua)

Foto 1. Die höchsten Vogel- und Tierverluste fallen an Autobahnen und Bundesstraßen ohne Seitenstreifen, Zaun und Erdwall an. Hecken zu beiden Seiten und auf gleichem oder niedrigerem Niveau wie die Fahrbahn erhöhen die Zahl der Verkehrsopfer zusätzlich. Besonders bei Schnee üben Kadaver auf und an der Straße eine starke Anziehungskraft auf Aasfresser aus, die dann eben- falls von Fahrzeugen erfasst werden. Hier ein adulter Mäusebussard. – On Highways and Federal roads without shoulder, fence and rampart the number of bird and mammal losses is highest. Hedges on both sides and on the same or on a lower level as the road additionally raise the casualties. In times with snow, car- casses on and near the road become especially attractive for scavengers, which are then also hit by the vehicles. Here an adult common buzzard. Foto: Christian Fackelmann, 2003. Fackelmann: Vogel- und Säugetierverluste an der A 8 15 wird der Rückgang in Teilen Europas mit dem bedrohte Schleiereule. Hier kann jeder Ver- zunehmenden Straßenverkehr in Verbindung kehrsunfall eine lokale Ansiedlung verhindern ge bracht (Literaturliste siehe Erritzoe 2002). oder vernichten (siehe auch Breuer et al. 2009). Smettan (1988) errechnet den Anteil der Vo gel - Die meisten anderen Arten sind menschlichen verluste für die durch die offene Landschaft Einflüssen gegenüber tolerant und anpassungs- und den Siedlungsbereich führende Straße und fähig genug, um auch in der stark veränderten kommt auf 0,5 % bzw. 3,6 % des jeweiligen und umgestalteten Landschaft noch ausrei- Vogelbestandes. Die Verluste bei den einzelnen chend Nahrung zu finden. Gleichzeitig weisen Arten schwanken dabei zwischen einem und sie eine hohe Reproduktionsrate auf, die offen- zehn Prozent. Er schließt daraus, dass der Ein- sichtlich noch ausreicht, um die verschiedenen fluss des Straßenverkehrs in der offenen Land - zivilisationsbedingten Verluste auszugleichen. schaft eines dicht besiedelten Gebietes die Für verschiedene Beutegreifer bietet die Populationsdichte der Vögel nicht wesentlich Straße durch anfallende Verkehrsopfer ganzjäh- beeinflusst oder gefährdet. rig ein regelmäßiges Nahrungsangebot. Unter Beim Vergleich der hessischen Streckenlisten bestimmten Umständen, so zur Erntezeit oder für Reh, Wildschwein, Fuchs und Dachs von im Winter, wenn Feld und Flur weitgehend aus- 1959–2003 zeigte sich allerdings, dass mit höhe- geräumt sind und kaum mehr Nahrungsquellen rem Zerschneidungsgrad der Landschaft die bieten, wird diese Futterquelle intensiv genutzt. Wilddichte abnahm und die Unfallrate sich Vor allem Arten, die sich von Nagetieren und erhöhte (Roedenbeck & Köhler 2006). In einer Aas ernähren und im Offenland jagen, werden aktuellen Studie wurden auch beim Feldhasen besonders angezogen und entsprechend dezi- negative Auswirkungen auf die Populations- miert. Der Ankauf von Ausgleichsflächen ab - dichte durch die Dichte des Fernstraßennetzes seits der Straßen und deren Gestaltung zuguns- festgestellt (Roedenbeck & Voser 2008). Bei der ten einer hohen Nagerdichte könnte helfen, die Mehrheit der heimischen Wildarten machen Verluste zu reduzieren. Verkehrsverluste nur etwa fünf bis acht Prozent der jährlichen Sterblichkeit aus. Bei Luchs, Dachs und Feldhase können es jedoch bis zu 50 Prozent sein; für Wildkatze und Fischotter sind Verkehrsverluste sogar die Todesursache Nummer eins (www.jagd-online.de), ebenso beim Igel (de Vries 2001). In Gegenden mit lokal hohen Vorkommen gefährdeter Arten können die Verluste bei die- sen Arten sehr hoch sein und es zum Verschwin - den kleiner, isolierter Populationen kommen. So kann das Überleben lokaler Amphibienpopula- tionen selbst durch Schutzmaßnahmen (Tunnel, Zäune) nicht gesichert werden (de Vries 2001). Im slowakischen Teil der Donau-Ebene machten Hamster bei zwei Studien jeweils mehr als ein Drittel der Säugetierfunde aus (Herz 1977, zit. in Hell 2005). Foto 2. Ein mit einem Fahrzeug kollidierter Der Erfolg von Wiederansiedlungsprojekten Mäusebussard ist in der Vegetation der Mitten- oder die Ziele von Schutzgebieten können begrenzung hängen geblieben. Kadaver in der durch Straßen infrage gestellt werden (Breuer et Fahrbahnmitte bleiben im Winter wochenlang – al. 2009). Die Gesellschaft zur Erhaltung der durch die Kälte konserviert – liegen und ziehen Eulen schätzt die jährlichen Uhu-Verluste durch eine Reihe von Folgeopfern nach sich. – A buz- den Straßenverkehr in der Eifel auf rund 25 % zard was hit by a car and hangs in the vegetation des Zuwachses. in the middle of the road. In winter, carcasses on Der Großteil der in dieser Studie betroffenen this place are lying for weeks – preserved by the Arten ist weit verbreitet und häufig. Eine coldness – attracting a whole string of subsequent Ausnahme ist die in Bayern vom Aussterben victims. Foto: Christian Fackelmann 2003 16 Ornithol. Anz., 51, 2012

Die gängige Gestaltung der Fahrbahn rän der plötz lich aus der Hecke oder dem Wald heraus- erhöht die Attraktivität der Straße für Beute - laufen, sondern lassen sie auf der Anhöhe ver- greifer und damit deren Mortalität. Bäume, hoffen, um die Lage dahinter zu prüfen und Sträucher und Zaunpfosten bieten Bussarden sich mit der Situation vertraut zu machen, bevor und Eulen begehrte Ansitzwarten, während sie wieder absteigen. Ist ihnen etwas nicht Fuchs, Marder und andere Bodentiere im geheuer bzw. erschrecken sie bei plötzlich auf- Schutz der Hecken und Wälle auf Nahrungs - tretendem Lärm und Scheinwerferlicht, neigen suche gehen. sie grundsätzlich dazu, sich wieder zurückzu- Im Allgemeinen wird – bedingt durch die ziehen und hinter den Erdwall zurück zu flüch- Aus wirkungen von Emissionen, Lärm, Um welt - ten (eigene Beob.). giften, Streusalz, Müll etc. – die Umgebung der Nur wenige Publikationen erwähnen den Schnellstraßen als Lebensraum von minderer Einfluss des Wetters auf die Höhe der Unfall- Qualität angesehen. In einer zunehmend aus opfer (Bergmann 1974, Erritzoe et al. 2003). So einer Aneinanderreihung von Siedlungen, wurden bei Sturm und Regen nur wenige Gewerbegebieten, intensiv genutzten Agrar- Vogelopfer verzeichnet, an heißen und schwü- wüsten und Fichten-Monokulturen bestehen- len Tagen im Sommer dagegen viele. Dies dürf- den Landschaft werden Straßenränder und te mit der allgemein reduzierten Aktivität wäh- -hecken jedoch zu letzten Refugien der Tierwelt. rend Schlechtwetterphasen zusammenhängen, Je breiter, strukturreicher und naturnaher die kann aber auch eine Folge der schlechteren Er- Heckenstreifen sind, desto höher ist die Anzahl kennbarkeit der Opfer sein (siehe Material be - der Vogelarten und der Brutpaare (Bairlein & wertung). Sonntag 1994). Heckenstreifen zu beiden Seiten Vorliegende Untersuchung zeigt, dass und auf gleicher Höhe der Fernstraßen, inmit- Wintereinbrüche bei Beutegreifern für ein star- ten einer ausgeräumten Feldflur, sind allerdings kes Ansteigen der Opferzahlen sorgen können. durchgängig arbeitende Vogelfallen. In strengen Wintern sollten von den Jagd- und Da sie in erster Linie als Lärm-, Sicht- und Naturschutzverbänden Ablenkfütterungen für Windschutzhecken wichtige Funktionen erfül- Greifvögel abseits der Straßen eingerichtet wer- len, sollten sie entweder in einigem Ab stand den. Dadurch könnten die durch Nahrungs - zur Fahrbahn angelegt werden, oder auf einem mangel ausgelösten Verluste im Winter redu- Erdwall. Greifvögel und Eulen stehen in den ziert und die Konzentration an den Straßen ver- Bäumen und Sträuchern am Erdwall auf er - hindert werden. höhten Warten und haben so einen besseren Die fortgesetzte Zerschneidung der Land- Überblick über die Straße und die Möglichkeit, schaft macht großräumige Wildtierbewegungen die Fahrbahnen in einer Höhe zu überfliegen, immer schwieriger. Wandernde (Rothirsch in welcher sie außerhalb des Gefahrenbereichs Cervus elaphus) oder in Ausbreitung befindliche sind. Auch die in den Heckenstreifen brü - Arten (Luchs Lynx lynx, Wildkatze Felis sylve- tenden oder Futter bzw. Schutz suchenden stris, Wolf Canis lupus, Elch Alces alces) werden Singvögel queren dadurch die Fahrbahnen durch diese künstlichen Barrieren auf kleine seltener im Tiefflug. Die Gefährdung tiefflie- Verbreitungsinseln beschränkt oder überfahren gender Vögel kann auch durch die Errichtung und können weitere geeignete Lebensräume vertikaler Barrieren entlang der Fahrbahnen und Nahrungsressourcen nicht erreichen und reduziert werden. Da durch werden querende nutzen. Die Vernetzung der verbliebenen Vögel gezwungen, die Straße in entsprechend Flächen mittels Wildquerungshilfen sollte des- großer Höhe – außerhalb des Gefahrenbe - halb vorangetrieben werden und noch vorhan- reichs durch den Verkehr – zu überfliegen dene großflächige, unzerschnittene Naturräume (Pons 2000). einen Schutzstatus erhalten. Beim Neu- oder Ein Zaun hält mittelgroße und große Wild- Ausbau von Fernstraßen sollte es zum Standard tiere davon ab, auf die Straße zu laufen, die werden, in regelmäßigen Abständen Bewe - Verluste bei Kleintieren und Vögeln verhindert gungs korridore für Wildtiere zu realisieren. er aber nicht. Wo keine Zäunung möglich ist, Einem geplanten Ausbau ungezäunter sollten auf beiden Seiten der Strecke Erdwälle Fernstraßenstrecken sollten Untersuchungen aufgeschüttet werden. Diese verhindern, zu- zur Straßenmortalität über einen Zeitraum von min dest bei größeren Arten, dass die Tiere zwei Jahren vorangehen, begleitet von Unter - Fackelmann: Vogel- und Säugetierverluste an der A 8 17 suchungen zur Populationsdichte und Dyna- einander, sofern keine Querungshilfen angebo- mik der jagdbaren und gefährdeten Arten. ten werden. Wo die Zäunung geplant ist, sollten Diese Arten eignen sich besonders als Ziel- grundsätzlich in regelmäßigen Abständen tierarten aufgrund der im Allgemeinen guten Grünbrücken oder Wildtierunterführungen an - Ausgangsdatenlage und des hohen bzw. spezi- geboten werden oder Talbrücken existieren. fischen Mobilitäts- und Lebensraumanspruchs Bislang werden die Faktoren Lebens raum - (Henneberg & Peters-Ostenberg 2006). zerschneidung und -verlust sowie Straßenmor - Die dadurch gewonnenen Informationen zu ta li tät bei den Raumordnungsplänen noch nicht Gefährdungsgrad, Unfallschwerpunkten, Wild- ausreichend berücksichtigt. Die Vermeidung wechsel und Populationsdichten der betroffe- oder Minderung dieser negativen Auswirkun - nen Arten helfen bei der Planung und Um- gen ist eine der größten Herausforderungen an setzung der Schutzmaßnahmen (Querungshil - eine zeitgemäße Verkehrspolitik (Lorenz et al. fen, Zäune, Erdwälle, Bepflanzung) und erhö- 2003). Hierzu sollte eine bundesweite Daten- hen die Effizienz derselben. bank zum diesem Thema eingerichtet werden Am besten bewährt haben sich groß dimen- und ein mehrjähriges Monitoring der Mortalität sionierte Grünbrücken (Henneberg & Peters- an verschiedenen Strecken in verschiedenen Ostenberg 2006). Wo diese aus Kostengründen Regionen die Wissenslücken schließen. nicht realisiert werden können, sollte zumindest Die Reduzierung der Verkehrsopfer bedeu- versucht werden, nötige Unterführungen und tet nicht zuletzt auch eine verringerte Gefähr - Gewässerbrücken tierartengerecht zu bauen dung der Autofahrer und sollte deshalb allein und zu gestalten und diese so gut wie möglich aus Gründen der Verkehrssicherheit voran ge - in die Landschaft einzubinden. Daneben sollten trieben werden. in regelmäßigen Abständen Durchlässe für Die Verluste an der A 8 gingen auch in den Amphibien, Kleinsäuger und Raubwild ange- Folgejahren weiter. Eine Kontrolle der Strecke boten werden. von km 19 bis km 141 am 11.04.2005 brachte Zäune verhindern Unfälle mit größeren 20 Tiere (auf 122 km), darunter fünf Mäuse- Tieren, trennen jedoch deren Lebensräume von- bussarde und drei Eulen.

Foto 3. Situation an der Bundesauto - bahn A 8 vor dem sechsspurigen Ausbau (hier typischer Stre cken - abschnitt zwischen Augsburg und Ulm). – Situation on the Highway 8 before the extension. Foto: C. Fackelmann 2011.

Foto 4. Landschaft an der A 8 nach sechsspurigem Ausbau. Rodung der Heckenstreifen, Zäunung und Erd- wälle haben die Verluste stark redu- ziert. – Landscape at the Highway 8 after the six-lane extension. Clearing of the hedges, fencing and ramparts have strongly reduced the mortality. Foto: C. Fackelmann 2011 18 Ornithol. Anz., 51, 2012

Gleichzeitig veränderte sich die Landschaft mars hausen) von je 50 Metern Breite vorgesehen. entlang der untersuchten Strecke dramatisch. Außerdem ist im Bereich der geplanten PWC- Allein beim Ausbau der A 8 wurden 180 ha Fläche Anlage Streitheim eine Wild unterführung vorge- verbaut (www.abdsb.bayern.de). Großflächige sehen (Mitt. ABD Südbayern). Industrie- und Gewerbegebiete wurden ausge- wiesen und wachsen ständig, Zufahrtsstraßen, Zusammenfassung Parkplätze und eine neue Ausfahrt bei Fried- berg (km 47) wurden gebaut. Unmittelbar mit Über einen Zeitraum von eineinhalb Jahren dem Anrücken der Bagger schoss auch die Zahl wurden die Vogel- und Säugetierverluste an der überfahrenen Tiere an den betreffenden einem 43 km langen Teilstück der Bundes- Streckenabschnitten in die Höhe (eigene Beob.). autobahn 8 zwischen München und Augsburg Nachdem die Vegetation entlang der Un ter su - während der Fahrt protokolliert. Dabei wurden chungsstrecke gerodet und die ausgebaute 403 Verkehrsopfer festgestellt. Säugetiere stell- Autobahn gezäunt wurde, waren in den Folge- ten mit 52 % den Hauptanteil, während Vögel jahren (2007–2010) kaum noch Verkehrs opfer einen Anteil von 36 % ausmachten und 12 % der auf diesem Teilstück zu sehen. Dies ist aller- Funde unbestimmt blieben. Jeweils 11 Säuge- dings nicht nur auf den Zaun und die Erdwälle tier- und Vogelarten konnten bestimmt werden, zurückzuführen, sondern wohl auch eine Folge wobei mittelgroße Arten den Schwerpunkt aus- des großflächigen Lebensraum verlustes und machen. Kleinvögel und Kleinsäuger sind auf- damit verbunden dem Rückgang von Arten- grund der Erfassungsmethode unterrepräsen- und Individuenzahl entlang der Strecke (vgl. tiert. Im Durchschnitt wurden auf das Jahr auch Smettan 1988). Obwohl keine systemati- gerechnet 6,2 Verkehrsopfer pro km gefunden. schen Kontrollen mehr durchgeführt wurden, Mit 59 registrierten Opfern war der Mäuse - ist seit 2011 wieder eine Zunahme der Verluste bussard die am stärksten betroffene Art. Weitere bei Vögeln und Kleintieren zu beobachten. Dies Arten mit hohen Fundzahlen sind Eulen (vor dürfte mit dem Aufwachsen der Anpflan zun - allem Waldohreule), Fuchs, Steinmarder, Igel, gen, dem Aufkommen von Vegetation und der Hauskatze und Feldhase. Vor allem im Winter Besiedlung der Erdwälle durch Kleintiere ziehen im Fahrbahnbereich liegende Tierkada - zusammenhängen. Im weiteren Verlauf der A 8 ver große Verluste an Beutegreifern und Aas- (Richtung Stuttgart) ist die Unfallrate gleich fressern nach sich. Als Folgeopfer sind haupt- geblieben. sächlich Bussarde, Füchse, Katzen, Marder, Wildbrücken wurden während des sechs- Dachse und Igel gefährdet. spurigen Ausbaus zwischen Augsburg und Die Höhe der Todesrate hängt zum einen München nicht realisiert. Laut Auskunft der ABD vom Mobilitätsgrad, der Größe des Aktions - Südbayern wurden Gewässerunter füh run gen raumes, der Anpassungsfähigkeit und Beson- (z. B. an Glonn und Paar) mit Trocken bermen derheiten in der Lebensweise der jeweiligen Art versehen, um eine bessere Querungs möglichkeit ab. Daneben von der Dichte des Verkehrsstroms, für Wildtiere zu ermöglichen. Auch kleinere der Fahrgeschwindigkeit, der Populations - Durch lässe, die bisher im Wesentlichen in Form dichte, der Gestaltung der Fahrbahn ränder, der von Rohrleitungen unter der Autobahn durchge- Übersichtlichkeit des Geländes und dem Wetter. führt wurden, wurden durch Rahmendurchlässe Der Straßenverkehr ist einer der wichtigsten mit Abmessungen von ca. 2x2 Metern und Licht- Faktoren für den Tod von Vögeln und Säuge- schacht im Mittelstreifen ersetzt. tieren durch unnatürliche Ursachen. Die jährli- Am 03.08.2011 erfolgte der Spatenstich für chen Verluste auf dem deutschen Straßennetz den Ausbau des Abschnitts zwischen Augsburg dürften im zweistelligen Millionenbereich lie- und Ulm (59 km). Hier wird bezüglich der Klein- gen. Ein bundesweites Monitoring wird vorge- tierdurchlässe und Gewässerunterführun gen schlagen, um die langfristigen Auswirkungen analog wie im o. a. Abschnitt verfahren. Zusätz- der Verkehrsmortalität auf die Populationen zu lich ist im Bereich des Naturparks Augsburg – klären. Westliche Wälder zum Ausgleich der großflächi- Unfallschwerpunkte und -ursachen für die gen Waldverluste und der Be einträchtigungen einzelnen, häufig betroffenen Arten werden von Wechselbeziehungen der Bau von zwei erörtert und Möglichkeiten zur Vermeidung Grünbrücken (zwischen Augsburg und Zus- von allzu hohen Verlusten aufgezeigt. Fackelmann: Vogel- und Säugetierverluste an der A 8 19

Dank. Bei meiner Frau Christine bedanke ich Lorenz, W., B.-U. Rudolph & A. Liegl (2003): mich für die Geduld und Unterstützung bei Studie zur Zerschneidung von Lebens - Kontrollfahrten und während der Erstellung des räumen durch Verkehrswege in Bayern. Manuskripts. Für die kritische Durchsicht und Bayerisches Landesamt für Umweltschutz. wertvolle Hinweise und Hilfestellungen bei Dr. Maternowski, H.-W. (1998): Die Erfassung der Ursula Wink, Robert Pfeifer und einem Gutachter. Igel-Verkehrsopfer im Altkreis Oranienburg und weiteren Teilbereichen des Landes Brandenburg. Naturschutz und Land- Literatur schafts schutz in Brandenburg 1: 60–62. Müller, A. (1995): Vogelverluste durch den Bairlein, F. & B. Sonntag (1994): Zur Bedeutung Straßenverkehr in Abhängigkeit von der von Straßenhecken für Vögel. Natur und Jahreszeit. Beiträge zur Gefiederkunde und Landschaft 69: 43–48. Morphologie der Vögel 2: 47–54. Bergmann, H.-H. (1974): Zur Phänologie und Pons, P. (2000): Height oft the road embankment Ökologie des Straßentods der Vögel. Die affects probability of traffic collision by Vogelwelt 95: 1–21. birds. Bird study 47: 122–125. Blümel, H. & R. (1980): Wirbeltiere als Opfer Piechocki, R. (1964): Über die Vogelverluste im des Straßenverkehrs. Abhandlungen und strengen Winter 1962/63 und die Auswir - Berichte des Naturkundemuseums Görlitz. kungen auf den Brutbestand 1963. Falke 11: 54, 8: 19–24. 10–15, 50–58. Breuer, W., S. Brücher & L. Dalbeck (2009): Reichholf, J. (1982): Höhe und Verteilung der Straßentod von Vögeln. Zur Frage der Er- Straßenmortalität von Hauskatzen. Spixiana heblichkeit am Beispiel des Uhus. Na tur - 5: 61–68. schutz und Landschaftsplanung 41: 41–46. Roedenbeck, I. A. & W. Köhler (2006): Effekte Brogmus, H. (1966): Kältewinter und Greif- der Landschaftszerschneidung auf die Un- vögel. Tier und Umwelt 3: 1–34. fallhäufigkeit und Bestandsdichte von Wild- Erritzoe, J. (2002): Bird Trafic casualties and tierpopulationen. Naturschutz und Land - road quality for breeding birds. A summary schaftsplanung 38 (10/11): 314–322. of existing papers with a bibliography. Roedenbeck, I. A. & P. Voser (2008): Effects of www.birdresearch.dk roads on spatial distribution, abundance Erritzoe, J., T.D. Mazgajski, L. Rejt (2003): Bird and mortality of brown hare Lepus euro paeus casualties on European roads – a review. in Switzerland. European Journal of Wildlife Acta Ornithologica 38: 77–93. Research 54: 425–437. Gryz, J. & D. Krause (2008): Die Mortalität von Schoenemann, W. (1977): Wildunfälle im Stra ßen - Vertebraten auf einer Straße, die das verkehr. Zoologische Beiträge 23: 169–219. Biebrzatal (NÖ Polen) durchquert. Euro- Slater, F. M. (2002): An assessment of wildlife pean Journal of Wildlife Research 54: road casualties – the potential discrepancy 709–714. between numbers counted and numbers Haas, W. (1964): Verluste von Vögeln und killed. Web Ecology 3: 33–42. Säugern auf Autostraßen. Ornithologische Smettan, H. W. (1988): Wirbeltiere und Straßen - Mitteilungen 16: 245–250. verkehr – ein ökologischer Beitrag zum Heinrich, D. (1978): Untersuchungen zur Ver- Straßentod von Säugern und Vögeln am kehrsopferrate bei Säugetieren und Vögeln. Beispiel von Ostfildern/Württemberg. Orni - Die Heimat (Neumünster) 85: 193–208. thologisches Jahrheft Baden-Württemberg 4: Hell, P., R. Plavý, J. Slamecka & J. Gasparík 29–55. (2005): Losses of mammals and birds on Stewart, P. A. (1971): Persistence of remains of roads in the Slovak part of the birds killed on motor highways. Wilson Basin. European Journal of Wildlife Re- Bulletin 83: 203–204. search 51: 35–40. Svensson, S. (1998): Bird kills on roads: is this Henneberg, M. & E. Peters-Ostenberg (2006): mortality factor seriously underestimated? Querungshilfen für Wildtiere. Naturschutz Ornis Svecica: 183–187. und Landschaftsplanung 38 (10/11): Ückermann, E. (1969): Wildverluste durch den 354–356. Straßenverkehr und Verkehrsunfälle durch 20 Ornithol. Anz., 51, 2012

Wild im Lande Nordrhein-Westfalen im Eingegangen am 7. August 2011 Jagd jahr 1967/1968. Zeitschrift für Jagd wis - Revidierte Fassung eingegangen am 3. April 2012 sen schaft 15: 109–117. Angenommen am 22. April 2012 Vries, H. de (2001): Igel und Straßenverkehr, Teil 2. Igel-Bulletin 26: 2–3, 13.

Christian Fackelmann, Jg. 1972, gelernter Forstwirt. Seit 1994 Mitarbeit bei Greifvogelschutzpro jekten, -zentren und Pflegestationen weltweit. Ornithologische Feldstudien in SO-Europa. Ab 2006 Erforschung der Greifvogelpopulation der Insel Cres, Kroatien. Wissenschaftlicher Ver- lagsmit arbeiter. Heiser: Durchzug Charadrius morinellus 21

Ornithol. Anz., 51: 21–25

Bemerkenswerter Durchzug des Mornellregenpfeifers Charadrius morinellus bei Gut Seligenstadt, Unterfranken, im Spätsommer 2011

Friedrich Heiser

Abb. 1. 37 Mornellregenpfeifer Charadrius morinellus oberhalb Gut Seligenstadt, Unterfranken, 27. August 2011. – 37 Dotterels Charadrius morinellus near Gut Seligenstadt, Lower Franconia, Aug 27, 2011. Foto: Stefan Greif

Record autumn migration of Dotterels Charadrius morinellus 2011 near Gut Seligenstadt, Bavaria, Germany

A total of 108 Dotterels was recorded between 19th August and 10th September migrating and roosting near Gut Seligenstadt , the highest numbers ever noted in Bavaria. The largest flock consisted of 43 individuals. The proportion of juveniles (39%) indicated a good breeding season caused by redu- ced predation pressure on Dotterels in Scandinavia where lemming numbers were the highest for thirty years. The site near Gut Seligenstadt is the most important for Dotterels in Bavaria.

Key words: Charadrius morinellus, migration, roosting sites, late summer 2011.

Friedrich Heiser, Obervolkacher Str. 8 , D-97332 Volkach E-Mail: [email protected] 22 Ornithol. Anz., 51, 2012

Mornellregenpfeifer-Durchzug im Leider fehlten Beobachter auch nach dem Spätsommer 2011 10. Septem ber, so dass der ausklingende Herbst- zug nicht mehr erfasst werden konnte. Es begann ganz unspektakulär: sechs adulte Nach den Erfahrungen der letzten Jahre ist Mornellregenpfeifer am 19. August 2011 waren noch bis Mitte September mit Einzelvögeln oder hinsichtlich Truppgröße und Ankunftsdatum kleinen Trupps zu rechnen, ausnahmsweise nicht ungewöhnlich. Was sich dann aber auf auch bis Anfang Oktober (Jahn & Heiser 2010). den Äckern um Gut Seligenstadt, Kreise Insgesamt rasteten und zogen bei Gut Seli- Würzburg und Kitzingen, abspielte, geriet gen stadt 108 Mornellregenpfeifer, 62 Alt vögel zum intensivsten und individuenreichsten (61 %) und 39 Jungvögel (39 %). Bei sieben Durchzug des Mornells, der jemals in Bayern durchziehenden Vögeln konnte das Alter nicht registriert wurde. Bevorzugte Rasthabitate erkannt werden (in diesen Zahlen enthalten waren wie in den Vorjahren große, gegrubber- sind die drei Beobachtungen von 18 Mornellre - te und weitgehend vegetationsfreie Getreide - gen pfeifern auf den nur drei Kilometer südlich äcker auf flachen Höhen rücken oberhalb des gelegenen Flächen bei Schernau, Landkreis Gutes, mit guter Rund umsicht und genügend Kitzin gen). Das Maximum des Wegzuges fiel in Abstand zu Straßen, Wald und Bebauung (Jahn die Pentade vom 24. bis 28. August, der Median & Heiser 2010). des gesamten Wegzuges war der 27. August. Zwischen 19. August und 10. September Zur Vermeidung von Mehrfachzählungen wur- konnten an 17 Tagen Mornellregenpfeifer beob- de für die Berechnung der Gesamtzahl nur die achtet werden. Nur an zwei Tagen blieb die Anzahl der Individuen verwendet, die sich Suche ergebnislos, während an den restlichen täglich neu gegenüber dem Wert des Vortages sieben Tagen keine Beobachter anwesend waren. ergab (Abb. 2).

50 ad. 1. KJ unbestimmt

40

30

20 Anzahl Individuen 10

0 04.08.2011 09.08.2011 14.08.2011 19.08.2011 24.08.2011 29.08.2011 03.09.2011 08.09.2011 13.09.2011

Abb. 2. Durchzug des Mornellregenpfeifers Charadrius morinellus bei Gut Seligenstadt im August und September 2011. Länger anwesende Vögel sind mehrfach berücksichtigt. Grau: Summe der Penta- denmaxima in Unterfranken von 2000 bis 2009 (nach Jahn & Heiser 2010). – Distribution of Dotterels Charadrius morinellus in August and September 2011 near Gut Seligenstadt, Bavaria, Germany. Long- stayers are plotted repeatedly. Grey: seasonal occurence in Lower Franconia, 2000 – 2009, in five day periods. Heiser: Durchzug Charadrius morinellus 23

Mit 43 Mornellregenpfeifern am 27. August toren (Bauer & Bezzel 2005). In weiten Teilen wurde ein neuer bayerischer Höchstwert er - Fennoskandiens kam es 2011 zur größten Mas- reicht. Weitere ungewöhnlich große Trupps sen vermehrung des Berglemmings Lemmus lem- bestanden aus 23, 26 und 31 Vögeln. Der bisher mus seit über drei Jahrzehnten. Auch andere, größte bayerische Trupp umfasste 34 Indi- weniger auffällige Kleinnager wie etwa der viduen (Jahn & Heiser 2010). Erstmals war es Waldlemming Myopus schisticolor waren 2011 für Bayern möglich, unterschiedliche Durch- ungewöhnlich zahlreich. Das norwegische Ge- zugszeiten von Alt- und Jungvögeln nachzu- sundheitsministerium warnte Wanderer davor, weisen, was mit dem bisher vorliegenden ihr Trinkwasser den Flüssen zu entnehmen, Material nicht gelungen war. Jungvögel trafen da wegen der vielen ertrunkenen Lemminge 2011 zunächst zögernd in Einzeltieren oder eine Infektion mit den Erregern der Tularämie Kleintrupps ein, erschienen aber plötzlich und („Lemmingfieber“) nicht auszuschließen war massiv am 5. September mit zehn und gipfelten (Tobias Dittmann und Johannes Rydström in am 7. September mit 22 Individuen. Als litt., Stübing 2011). Medianwert für Alt- und Jungvögel ergab sich Gute Lemmingjahre sind aber auch gute der 24. August bzw. der 5. September (Abb. 2). Jahre für die Brutvögel von Tundra und Fjäll. Die Ackerflächen um Gut Seligenstadt sind Prädatoren wie Polarfuchs Alopex lagopus, Eulen bisher der einzige und regelmäßig während des und Raubmöwen konzentrieren sich dann ver- Wegzugs benutzte Rastplatz des Mornellregen- stärkt auf die leicht erreichbaren Kleinnager pfeifers in Bayern. 2011 war der große Einflug und ermöglichen so Arten wie dem Mornell - aber auch an anderen Orten zu spüren, beson- regenpfeifer, dessen Gelege und Jungvögel ders im unterfränkischen Grabfeld. Dort wur- dadurch einem geringeren Prädationsrisiko den 13 Mornellregenpfeifer am 25. August, 18 ausgesetzt sind, überdurchschnittlich hohe am 27. August, beachtliche 21 am 28. August Bruterfolge. Diese Zusammenhänge gelten und sieben am 30. August bei Unsleben und offensichtlich für viele nördliche Vogelarten, Irmelshausen, Landkreis Neustadt a. d. Saale, deren Nester durch Prädatoren bedroht sind beobachtet (Thomas Kuhn, Daniel Scheffler). (Sum mer & Underhill 1987). Bei Blessgänsen Außerhalb Unterfrankens sind nur die fol- Anser albifrons der osteuropäischen Tundren z. B. genden Herbstbeobachtungen bekannt gewor- hängt der Fortpflanzungs erfolg ganz wesentlich den: 28. 8. ein Mornell im Wankgipfelbereich in von der Dichte des Berglemmings ab, da bei 1.780 m Höhe, Landkreis Garmisch-Parten - niedrigem Lemming-Bestand „regelrechte Inva- kirchen (Martin Knopf), einer am 1. 9. bei Sir - sionen von Polar füchsen und nichtbrütenden chenried, Landkreis Aichach (Elmar Kreihe), Raubmöwen“ in die Brutgebiete der Blessgänse zwei im Jugendkleid am 8. 9. südwestlich von stattfinden (Mineev & Mineev 2008). Pen zing, Landkreis Landsberg am Lech (Jörg Neben Prädatoren beeinflussen Wetter- Günther) und sechs durchziehende am 18. 9. bei stürze den Bruterfolg des Mornellregenpfeifers. Stött ham, Land kreis Traunstein (Jörg Lan gen - Heftige Schneefälle mit Schneehöhen über 10 cm berg; alle Daten aus dem Bayerischen Avifau- und anhaltend tiefe Temperaturen führen wäh- nistischen Archiv [BAA] der Ornithologischen rend der Bebrütung des Geleges (Juni) oder in Ge sell schaft in Bayern). den ersten Tagen der Führungszeit (Anfang Juli) zu Brutausfällen. Mögliche Nachgelege lei- Diskussion den ungleich stärker als frühe Bruten unter Prädatoren, die um diese Zeit ihren Nachwuchs In ganz Deutschland traten Mornellregen pfeifer zu versorgen haben (Glutz von Blotzheim et während des Herbstzuges 2011 ungewöhnlich al. 1975). Juni und Juli 2011 blieben dagegen in zahlreich auf, darunter auffallend viele Jung- Fennoskandien von Wetterstürzen verschont. vögel. Bei Gut Seligenstadt waren 39 % der Temperaturgang und Niederschlagsverteilung Wegzieher im ersten Kalenderjahr, was auf eine zeigten keine Extremabweichungen (Sveriges erfolgreiche Brutsaison in den Herkunfts ge bie - Meteorologiska och Hydrologiska Institut ten schließen lässt. SMHI, Antti Below, Finnish Forest and Park Die natürlichen Gefährdungsursachen des Service, in litt.). Die Massenentwicklung des Mornells im Brutgebiet sind Gelege- und Jung- Berglemmings und ein normaler Witterungs- vogelverluste durch Wetterstürze und Präda- verlauf im nördlichen Europa bieten sich somit 24 Ornithol. Anz., 51, 2012

Dank. Für die Überlassung ihrer Beob ach - tungsdaten bedanke ich mich ganz herzlich bei Günther und Herbert Bachmeier, Michael Bäum - ler, Matthias v. Bechtolsheim, Matthias Bull, Jochen Delio, Winfried Erlwein, Barbara Gold- mann, Stefan Greif, Ronny Hartwich, Rainer Jahn, Thomas Langenberg, Theo Lutsch, Christoph Mo ning, Udo Pfriem-Finckenstein, Gerald Ro - then bucher, Matthias Schöbinger, Michael Schraut, Udo Trageser, Harald Vorberg, Christian Wagner-Schiller, Siegfried Willig und Alexander Wöber. Anfragen beantworteten Tobias Epple, Gerrit Nandi, Manfred Siering und Kilian Weixler. Elmar Witting übermittelte die Daten aus dem Bayerischen Avifaunis ti schen Archiv (BAA) der Ornithologischen Gesellschaft in Bayern. Lothar Schmid stellte den Kontakt zu Antti Below vom Finnish Forest and Park Service her und Detlef Singer nannte das SMHI als Informationsquelle und übersetzte die entspre- chenden Seiten. Robert Pfeifer machte Verbesse - rungsvorschläge zum Manu skript. Stefan Greif und Ronny Hartwich stellten die Fotos zur Ver- fügung. Besonderer Dank geht an Horst Schödel, der das Diagramm anfertigte.

Zusammenfassung

Zwischen 19. August und 10. September 2011 ras- Abb. 3. Adulte Mornellregenpfeifer Charadrius teten und zogen bei Gut Seligenstadt, Land kreise morinellus, Gut Seligenstadt. – Dotterels Cha ra - Würzburg und Kitzingen, 108 Mornell regen - drius mo ri nellus at Gut Seligenstadt. 19. August pfeifer, 62 Altvögel (61 %) und 39 Jungvögel (39 2011. Foto: Ronny Hartwich %). Als Median des gesamten Wegzuges ergab sich der 27. 8., für Altvögel errechnete sich der 24. 8. und für Jungvögel der 5. 9. Mit 43 Mor- zwanglos als Erklärung für den außergewöhn- nellregenpfeifern wurde am 27. 8. ein neuer lich starken Durchzug des Mornellregenpfeifers bayerischer Höchstwert erreicht. Alle weiteren in Bayern im Spätsommer 2011 an. bayerischen Nachweise des Wegzuges 2011 Der Durchzug des Mornellregenpfeifers war werden aufgeführt. Der ungewöhnlich starke nicht der einzige Höhepunkt im Herbst 2011 bei Wegzug 2011, der in ganz Deutschland zu Gut Seligenstadt. Ein kurz rastender Steppen- bemerken war, lässt sich zwanglos mit einer seit kiebitz Vanellus gregarius, eine wochenlang ver- drei Jahrzehnten in dieser Stärke nicht mehr weilende Steppenweihe Circus macrourus im registrierten Massenvermehrung des Berglem - Jugendkleid, ein Adlerbussard Buteo rufinus als mings in Nordeuropa (und einer damit redu- Dauergast zuerst bei Gut Seligenstadt und zierten Prädation des Mornellregenpfeifers) anschließend gut zwei Kilometer entfernt bei und einer günstigen Witterung während der Schernau, Landkreis Kitzingen, und die ersten Brut- und Führungszeit erklären. Raufußbussade Buteo lagopus des beginnenden Rekordeinflugs zogen viele, z. T. auch weit ge - Literatur reiste Beobachter an. So mancher Einheimische konnte sich zunächst die Vielzahl fremder Bauer, H.G., E. Bezzel & W. Fiedler (2005): Autokennzeichen in der fränkischen Agrar - Das Kompendium der Vögel Mitteleuropas. steppe nicht erklären. Aula-Verlag, Wiebelsheim. Heiser: Durchzug Charadrius morinellus 25

Glutz von Blotzheim, U. N., K.M. Bauer & E. Summers, R.W. & L.G. Underhill (1987): Factors Bezzel (1975): Handbuch der Vögel Mittel - related to breeding production of Brent europas. Bd. 6. Akademische Verlagsge - Geese Branta b. bernicla and waders Chara - sellschaft Wiesbaden. drii on the Taimyr Peninsula. Bird Study 34: Jahn, R. & F. Heiser (2010): Durchzug des 161–171. Mornellregenpfeifers Charadrius morinellus in Unterfranken 1999 – 2009. Otus 2: 32–48. Eingegangen am 23. Dezember 2011 Mineev, Y.N. & O.Y. Mineev (2008): Breeding Revidierte Fassung eingegangen am 21. März 2012 ecology of Greater White-fronted Goose Angenommen am 8. April 2012 Anser albifrons in the East European Tundra. Vogelwelt 129: 334–337. Stübing, S. (2011): Rekordeinflug von Raufuß - bussarden. Falke 58 (Sonderheft Greifvögel): 18–21.

Friedrich Heiser, Jg. 1939, Gymnasiallehrer i. R., intensive Vogelbeob - achtung in sechs Jahrzehnten im In- und Ausland. 26 Ornithol. Anz., 51, 2012

Ornithol. Anz., 51: 26–36

Der Schwarzstorch Ciconia nigra 2010 in Bayern – eine landesweite Erfassung als Grundlage für Schutzmaßnahmen

Anne Schneider

Schwarzstörche – Black Storks. Zeichnung: Dietmar E. Seiler Schneider: Schwarzstorch-Bestand 2010 in Bayern 27

The black stork Ciconia nigra 2010 in Bavaria – a survey as a basis for protection measures

The increasing frequency of observations of black storks in Bavaria on the one hand and the still manifold endangering factors on the other hand were reason for the recent survey of the Bavarian black stork population in 2010. The survey was carried out through the compilation of current data from forestry and conservation authorities, ornithologists and regional site managers and was com- pleted through a press and internet appeal to report casual observations by the public. While the last survey in 2005 resulted in an estimation of 60 to 70 breeding pairs, in 2010, 105 breed- ing pairs were recorded. An additional 39 territories were confirmed, in which black storks were present during breeding period, without evidence of a brood. Key distribution regions of the black stork in Bavaria are still the Northern and Eastern Bavarian Mittelgebirge from the Franconian Forest to the Bavarian Forest. An increase was particularly high in the Southern Lower Franconia and in the Swabian and the Upper Bavarian alpine foothills. Some regions of the traditional distri- bution area, particularly in the Upper Palatinate Forest and in the Bavarian Forest, showed a slight decreasing trend. Through further systematic research it can be clarified, if this is due to a tempo- rary fluctuation or if the current regional expansion of the black stork is also partly a regional shift. More than half of all breeding pairs are located in the state forest, which means great responsibility for the relevant Bavarian State Forestry (BaySF) for the protection of the black stork. Thus a good cooperation between BaySF and nature conservation associations is still of high significance. Conflicts in the protection of the black stork which will also arise in the future are on the one hand the necessary control of bark beetles and on the other hand the increasing development of wind energy plants in closed forest areas. Both issues are particularly centered on those areas, in which the key distribution regions of the black stork in Bavaria are.

Key words: black stork, survey, development of population, protection of habitats, electrocution, Bavaria

Anne Schneider, Landesbund für Vogelschutz in Bayern e.V. (LBV), Referat Artenschutz, Eisvogelweg 1, 91161 Hilpoltstein E-Mail: [email protected]

Einleitung Zielsetzung

Der bayerische Brutbestand des Schwarz- Wie bei einigen anderen Arten (z. B. Saatkrähe storches wurde zuletzt auf ca. 60–70 Brut - Corvus frugilegus oder Graureiher Ardea cinerea), ist paare geschätzt (Bezzel et al. 2005), Pfeifer auch beim Schwarzstorch eine Erfassung in regel- (1997) gibt für 1995 50–60 Brutpaare an. Da - mäßigen, größeren Abständen zur Bestands über - mit beherbergt Bayern zusammen mit Hessen wachung sinnvoll, um Gefährdungsfaktoren ein- (56–83 BP) den größten Schwarzstorchbestand schätzen zu können. So wird an hand von re gio - der deutschen Bun desländer (vgl. Janssenet nalen Gutachten (Peuser 2005, Kelle-Dingel 2009) al. 2004), woraus sich für Bayern eine entspre- weiterhin eine Gefährdung durch Störungen am chend hohe Ver ant wortung ergibt. Der größ- Nest sowie durch Verlust von Lebens raum (Wald te Teil des bayerischen Bestands beschränkt sowie Nahrungs flächen) erkennbar. So ist z. B. im sich auf Nord- und Ostbayern. In den Frankenwald einerseits mit einer hohen Dunkel - letzten Jahren häufen sich jedoch die Sicht- ziffer von Schwarzstorch ansied lungen oder An- beobachtungen, teilweise mit Brutverdacht siedlungs ver suchen zu rechnen, andererseits sind oder -nachweis, aus allen Landes teilen. Die massive Probleme mit dem Borkenkäfer und bayernweite Erfassung des Schwarzstor ches den damit verbundenen natürlichen Verlusten an 2010 wurde von der Landesgeschäftsstelle des Horst bäumen bekannt. Hinzu kommen Störun - LBV im Rahmen eines Glücksspiralen-Projek- gen von neuen Bruten wegen gesetzlich vorge- tes, gefördert durch den Bayerischen Natur - schriebenem Holzeinschlag im Rahmen der Bor - schutz fonds, durchgeführt. ken käferbekämpfung (C. Kelle-Dingel, mdl.). Es 28 Ornithol. Anz., 51, 2012 findet sogar in Schutzgebieten zur Brutzeit Holz- Bayernweit: Bayerische Staatsforsten, Ämter einschlag statt. Mit der Forstreform droht eine für Landwirtschaft und Forsten, Landratsämter Verschärfung des Spannungsfeldes Ökologie- (Untere Naturschutzbehörden), LBV-Kreis- und Ökonomie in der Waldbewirtschaftung. Ortsgruppen, Verein Otus e. V. (Arbeitsgemein - Ein weiterer hoher Gefährdungsfaktor ist der schaft Seltene Brutvogelarten), Bayerisches Stromtod. Die Umsetzung des § 41 BayNatSchG Avifaunistisches Archiv der OG Bayern in zur Sicherung von Strommasten bis 2012 beruht München und zahlreiche Einzelpersonen. in Bayern auf einer Prioritätensetzung für Groß - Für die Meldung der Daten wurde ein Mel- vogelarten (Weißstorch Ciconia ciconia, Schwarz- de bogen erarbeitet, mit dem alle benötigten storch, Uhu Bubo bubo, Wanderfalke Falco peregri- Angaben erfasst wurden (s. Abb. 1). Dieser nus, Rotmilan Milvus milvus). Hierzu wurde in wurde allen beteiligten Behörden und den Re- einer Kooperation zwischen dem Staatlichen gionalkoordinatoren, z. T. mit kleinen Anpassun- Ministerium für Umwelt und Ge sundheit, dem gen an spezielle Anforderungen, zur Verfügung Landesamt für Umwelt, dem LBV sowie den drei gestellt. Für die Meldungen der Zufallsbeob - großen Stromversorgungs un ternehmen E.ON, achtungen wurde, analog zum Meldebogen, N-Ergie und LEW ein Stromtod-Monitoring ver- eine Online-Eingabemaske auf der Homepage einbart. In diesem Rahmen werden auch die des LBV geschaltet. Vorkommen des Schwarz storchs (ohne genauen Es wurden, auch in Abhängigkeit vom Brutstandort) sowie neue Erkenntnisse zum Melder, sehr unterschiedliche Angaben ge- Bestand gemeldet, damit in diesen Bereichen macht, sie reichten von Sichtungen überfliegen- schnellstmöglich gesichert werden kann. der oder nahrungssuchender Einzelstörche

Methodik

Datenerfassung. Um ein möglichst umfassen- des, lückenloses Bild der aktuellen Schwarz - storchverbreitung in Bayern zu erhalten, wurde die Erfassung auf verschiedenen Ebenen durch- geführt. Aufgrund der regional unterschiedli- chen Bestandsdichten und der in einigen Re gio - nen tätigen Gebietskenner erfolgte v. a. in den traditionellen Verbreitungsgebieten eine Zuar - beit durch einzelne Regionalkoordina toren. Um auch bekannte und vermutete Ansiedlungen in den neu besiedelten Gebieten zu erfassen, wur- den die Daten der Umwelt- und Forstämter aller Landkreise Bayerns abgefragt. Diese wurden mit den Daten verschiedener ornithologischer Arbeitsgemeinschaften und Verbände ergänzt. Als dritte Ebene wurde auch die Bevölkerung mit einem Presse- und Internetaufruf um Meldung von Zufallsbeobachtungen gebeten. Im Einzelnen waren an der Erfassung fol- gende Personen und Behörden beteiligt. Regionale Koordination: Region Franken- wald: C. Kelle-Dingel, LBV-Kreisgruppe Kro- nach; Lkr. Hof und Fichtelgebirge: K. Wolfrum u. S. Hösch, Ökostation Helmbrechts, LBV; Lkr. Tirschen reuth, Amberg-Sulzbach, Regensburg: S. Peu ser, Umweltstation Regenstauf, LBV; Lkr. Weiden-Neustadt : U. Keltsch, AELF Weiden; Abb. 1. Meldebogen für die bayernweite Lkr. Schwandorf: M. Kurz, Gebietsbetreuer, NP Schwarz storcherfassung 2010. – Form for the sur- Oberpfälzer Wald. vey of the Black stork in Bavaria 2010. Schneider: Schwarzstorch-Bestand 2010 in Bayern 29

(Zufallsbeobachtungen, meist von Einzelper - ben zum Horstpaar mit Status D (Brutnachweis) sonen) bis hin zu bekannten Brutpaaren mit z. T. oder Status C (Brutverdacht) gewertet. Zur Ab - Koordinaten des Horstbaumes (i. d. R. Daten grenzung, bis wann eine Einzelbeobachtung noch der Behörden und Regionalkoordinatoren). einem Horstpaar bzw. einem Revier zugeordnet werden kann, wurde der 10-km-Radius nach Auswertung. Es gingen insgesamt 624 Daten ein, Jadoul (in Janssen et al. 2004) veranschlagt. die zunächst ungeachtet ihres Status (Brut paar, Häufungen von Einzelbeobachtungen außer- Einzelstorch usw.) in einer Datenbank gesammelt halb bekannter Reviere, die sich ebenfalls alle in und im Geografischen Informations system Arc - einem Radius von 10 km befanden, wurden ggf. View verortet wurden. Mit Koordi naten versehe- als weitere Reviere mit Brutverdacht gewertet. ne Angaben (231 Daten) konnten entsprechend Hierzu wurden die Bewertungsmaßstäbe nach übernommen werden. Die Lagebeschreibungen Andretzke et al. (2005) angewendet. der Angaben ohne Koordinaten waren von sehr Wenn die genannten Kriterien nicht erfüllt unterschiedlicher Qualität. Während bei etwa 120 wurden (z. B. weil mehrmals genauere Angaben dieser Daten die Veror tung recht eindeutig mög- zur Art der Beobachtung fehlten), es sich aber lich war, konnte bei zahlreichen Angaben (knapp dennoch um auffällige Häufungen von Einzel- die Hälfte aller Meldungen) der genaue Beobach - beob achtungen zur Brutzeit handelte, wurde tungsort nur geschätzt werden. Hierbei handelte hier ein Revier mit Status B (anwesend zur es sich fast ausschließlich um Zufallsbeob achtun - Brutzeit) gewertet. gen. Im Anschluss erfolgte die Auswertung der Einzel meldungen nach Revieren bzw. Brut - Ergebnisse paaren. Einzelbeobachtungen, die im Umfeld von Mel dungen bekannter oder vermuteter Horst - Aktueller Bestand. Bei der Erfassung des paare lagen, wurden mit diesen zu einem Revier Schwarzstorches in Bayern 2010 wurden insge- zusammengefasst und entsprechend der Anga- samt 144 Reviere festgestellt. Aus 73 dieser

Tab. 1. Anzahl und Status der Schwarzstorchreviere 2010 in Bayern und den einzelnen Regionen (fett: tra- ditionelles Verbreitungsgebiet) sowie Angaben zur Siedlungsdichte. – Amount and status of the black stork territories 2010 in Bavaria and in the several regions (bold: traditional distribution area) and territory density.

Verbreitungsregion Größe Reviere Status 2010* Siedlungsdichte in km2 2010 D C B (Reviere/10 km2)

Spessart 124 3 3 – – 0,24 Rhön 159 6 5 1 – 0,38 Steigerwald und Umland 319 6 2 1 3 0,19 Haßberge – Coburger Land 101 7 4 – 3 0,69 Frankenwald 72 15 9 6 – 2,08 Obermainisches Hügelland 120 4 1 2 1 0,33 Hof – Fichtelgebirge 159 17 9 3 5 1,07 Oberpfälzer Wald und Hügelland 444 29 13 7 9 0,65 Bayerischer Wald 417 25 13 5 7 0,60 Fränkische Alb 328 5 3 1 1 0,15 Mittelfränkisches Becken 276 2 – – 2 0,07 Iller-Lech-Schotterplatten 238 3 1 – 2 0,13 Allgäu 239 5 3 1 1 0,21 Ammer-Loisach-Hügelland 272 10 5 3 2 0,37 Hügelland im südöstlichen Oberbayern 499 7 2 2 3 0,14 gesamt 3.767 144 73 32 39 0,38 * D = Brutnachweis, C = Brutverdacht, B = anwesend zur Brutzeit 30 Ornithol. Anz., 51, 2012

Reviere liegt ein Brutnachweis vor (Status D), tisch nicht nachzuweisen, während erfolgreiche für weitere 32 Reviere besteht Brutverdacht Bruten auch durch Zufallsbeobachtungen der (Status C). Hinzu kommen 39 Reviere, in denen Jung störche außerhalb des Horstes bekannt mehrmals Störche zur Brutzeit beobachtet wer- werden können. Die Brutpaare mit Bruterfolg den konnten, ohne dass jedoch ein Hinweis auf und v. a. der mit mehreren Jungstörchen sind eine Brut vorlag (Status B). Da beim Schwarz - also durch ihre größere Auffälligkeit möglicher- storch ein Brutnachweis sehr schwierig zu weise überrepräsentiert. erbringen ist, werden im Folgenden auch die Angaben zum tatsächlichen Bruterfolg der Reviere mit Brutverdacht als Brutpaar gewertet. ge samten bayerischen Population, also bezogen Damit ergibt sich für 2010 ein Bestand von 105 auf alle Horstpaare, die mit einer Brut begonnen Brutpaaren in Bayern (s. Tab. 1). haben, sind mit den vorliegenden Zahlen somit Bei neun dieser Brutpaare handelt es sich nicht möglich. um sichere Neuansiedlungen, zwei weitere Ansiedlungen bestehen erst seit zwei bis drei Verbreitung in den Regionen. Das Hauptver - Jahren. Mehr als die Hälfte der Brutpaare (63) breitungsgebiet des Schwarzstorchs sind nach wurden als langjährig beschrieben. Zu 31 Brut- wie vor die nord- und ostbayerischen Mittel- paaren liegen keine Angaben über die Dauer gebirge (Abb. 2). Der Schwerpunkt liegt dabei der Ansiedlung vor. im Oberpfälzer Wald und Hügelland mit 29 Re vieren sowie im Bayerischen Wald (25 Re - Bruterfolg. Der Bruterfolg wurde nicht syste- viere), in der Region Hof und Fichtelgebirge matisch abgefragt, um eine gezielte Nachsuche (17 Reviere) und im Frankenwald (15 Reviere; nach unbekannten Horststandorten zur Brutzeit Tab. 1). zu vermeiden. Von 28 der bekannten und Die größte Bestandsdichte wurde im Franken - betreuten Horste ist der Bruterfolg bekannt, wald festgestellt, mit ca. 2 Brutpaaren je 10 km2. hinzu kommen 13 zufällige Beobachtungen, z. B. Die Abstände zwischen einzelnen Horsten liegen gerade flügger Jungstörche in der Nähe des ver- dabei zum Teil bei zwei bis drei Kilometern. muteten Horstes. Die Schwarzstorchvorkommen mit den Somit liegt von 41 Brutpaaren eine Angabe geringsten Siedlungsdichten innerhalb der zum Bruterfolg vor, insgesamt konnten 101 besiedelten Regionen befinden sich im Gebiet flügge Jungvögel (Juv.) beobachtet werden. Die der Iller-Lech-Schotterplatten mit 0,13 Revieren An zahl der flüggen Jungstörche auf die Brut - auf 10 km2, sowie im Mittelfränkischen Becken paare verteilt sich dabei wie folgt: mit 0,07 Brutpaaren auf 10 km2. (Tab. 1) Gut ¼ der Brutpaare (27) wurden in den Bruterfolg Anzahl Brutpaare Regionen festgestellt, die nicht zum traditionel- 1 Juv. 10 len Verbreitungsgebiet zählen (Tab. 1). Dabei fällt 2 Juv. 11 auf, dass hier nur zwei der Brutpaare als Neuan- siedlung angegeben wurden (in den Landkrei sen 3 Juv. 11 Neustadt/Aisch und Traunstein). Allerdings ist 4 Juv. 9 in den „Zuzugsregionen“ der Anteil der An - siedlungen mit unbekannter Dauer an allen hier In den Horsten, aus denen ein Bruterfolg be- nachgewiesenen Brutpaaren mit 34 % etwas kannt ist, wurden im Schnitt 2,5 Junge pro Brut - höher als im traditionellen Verbreitungsgebiet paar flügge. Damit entspricht das bekannte (27 %). Die als langjährig bezeichneten Brutpaare Brutergebnis der Brutsaison 2010 in Bayern den nehmen in den traditionellen wie in den neuen langjährigen Mittelwerten aus der Literatur Verbreitungsregionen mit je ca. 60 % den gleichen (z. B. Bauer et al. 2005). Anteil an allen jeweils nachgewiesenen Brut - Allerdings ist zu berücksichtigen, dass es paaren ein. sich bei diesem Ergebnis nur um einen Teil aller Brutpaare handelt, da von fast 50% der Brut- Bestandsentwicklung paare der Bruterfolg nicht bekannt ist. Insbeson - dere Brutpaare ohne Bruterfolg fallen aus dieser Bayernweite Bestandsentwicklung. Eine um - Be trachtung völlig heraus. Gerade bei unbe- fassende, landesweite Erfassung des Schwarz- kannten Horststandorten ist dieser Fall prak- storches wurde 2010 erstmalig durchgeführt. Es Schneider: Schwarzstorch-Bestand 2010 in Bayern 31 liegen jedoch bayernweite Bestandsschätzun gen Entwicklung im Frankenwald. Der Naturraum aus den 1990er Jahren vor, die eine gute Dar - Frankenwald ist die einzige Verbreitungsregion stellung der Bestandsentwicklung ermöglichen. des Schwarzstorches in Bayern, für die langjähri- So wird für 1992 ein Bestand von 20–27 ge umfassende Bestandsdaten vorliegen. Seit der Brutpaaren angegeben (Leibl 1993). 1995 lag der Wiederansiedlung werden Beobachtungsdaten Brutbestand bereits bei 50–60 Paaren (Pfeifer gesammelt, dies geschah zunächst durch die 1997), und im Bayerischen Brutvogelatlas (Bezzel Ökologische Bildungsstätte Mitwitz und die Lan- et al. 2005) wird für 1999 ein Bestand von 60–70 des anstalt für Wald- und Forstwirtschaft. Seit 1999 Brutpaaren angegeben. wird ein Monitoring der bekannten Brutpaare Das Ergebnis der Erfassung von 2010 mit durch C. Kelle-Dingel durchgeführt. Alle Be - 105 Brutpaaren und 39 weiteren besetzten Re- stands angaben bis einschließlich 2008 in diesem vieren zeigt damit fast eine Verdopplung des Abschnitt sind dem Abschlussbericht der Erfas - Bestandes innerhalb von zehn Jahren. sung von 2008 (Kelle-Dingel 2009) entnommen.

Abb. 2. Verbreitung des Schwarzstorchs Ciconia nigra in Bayern 2010. – Black Stork Ciconia nigra territories in Bavaria 2010. 32 Ornithol. Anz., 51, 2012

Die ersten Beobachtungen von Schwarz stör - Tab. 2. Horstpaare 2005 und 2010 in den unter- chen im Frankenwald liegen bereits von Ende suchten Landkreisen im Oberpfälzer Wald. – der 1970er Jahre vor, das erste Brutpaar wurde Nesting pairs in 2005 and in 2010 in the reviewed 1979 bekannt (Kelle-Dingel 2009). Aus diesen administrative districts of the Upper Palatinate Anfangsjahren der Wiederbesiedelung liegen Forest. insgesamt nur vage und vermutlich unvollstän- dige Informationen vor. Mit der verstärkten Landkreis Horstpaare (inkl. Ausbreitungstendenz stieg auch die Aufmerk- Horstvermu tungen) samkeit gegenüber Schwarzstörchen. Bis 1996 2005 2010 konnte ein Bestand von elf Brutpaaren nachge- Neustadt/Waldnaab 7–10 9 wiesen werden und blieb dann einige Jahre auf Tirschenreuth 7 4 diesem Niveau. Der sehr trockene Sommer 2003 Schwandorf ca. 5 3 und die anschließenden Borkenkäfer kalami - Amberg-Sulzbach mind. 3 3 täten setzten dem Bestand deutlich zu. 2003 Neumarkt 1 1 waren noch fünf und 2005 nur noch drei Brut - Gesamtes UG mind. 24 20 paare bekannt. Hier ist allerdings von einer höheren Dunkelziffer auszugehen, da einige Brutpaare möglicherweise auf neue Horstbäume maximum im Oberpfälzer Wald bereits über- umgezogen sind und daher nicht nachgewiesen schritten wurde und sich wieder eine leichte werden konnten. So wurden 2008 dann bereits Ab nahme gegenüber den 1990er Jahren ab - wieder mindestens sechs Brutpaare festgestellt. zeichnet. Diese Hypothese wurde aufgestellt, da Die Erfassung von 2010 ergab schließlich zehn gleichermaßen Fachbehörden wie örtliche Orni- Brutpaare, was wieder dem Niveau von vor 2003 tho logen vermehrt feststellten, dass Schwarz - entspricht. Allerdings sind nach wie vor viele der storchbeobachtungen im Gebiet in den letzten bekannten Horstbäume durch den Borkenkäfer Jahren zurückgingen. Vor diesem Hintergrund bedroht. bringt nun der Vergleich der Ergebnisse von 2005 und 2010 eine recht deutliche Aussage, da Entwicklung in der Region Oberpfälzer Wald. durch die tatsächliche Differenz von mindestens Im Gebiet des Oberpfälzer Waldes wurde 2005 vier Brutpaaren die Vermutung eines rückläufi- eine Schwarzstorcherfassung von S. Peuser gen Bestandes weiter unterstützt wird. Für die durchgeführt, die hier genannten Ergebnisse Bestätigung dieser Annahme sind aber weitere, wurden dem entsprechenden Abschlussbericht systematische Beobachtungen notwendig. (Peuser 2005) entnommen. Die Ergebnisse im Oberpfälzer Wald korre- Das Untersuchungsgebiet umfasste die lieren ebenfalls mit den Aussagen von P. Zach Landkreise Neustadt/Waldnaab, Amberg- (mdl. 2010) für den Bayerischen Wald. Auch Sulzbach, Neumarkt, den südlichen Teil des hier können in einigen Gebieten in den letzten Lkr. Tirschenreuth und den nördlichen Teil des Jahren immer weniger Nachweise erbracht wer- Lkr. Schwandorf. Da die Methodik in Form den. Als Erklärung hierfür wird von Zach ange- einer Befragung von Forst- und Naturschutz- nommen, dass beim Schwarzstorch möglicher- behörden, Ornithologen und einem Presseauf - weise zurzeit nicht nur eine Bestandszunahme ruf der Vorgehensweise von 2010 entspricht, stattfindet, sondern auch eine Arealverschie - sind die damaligen Ergebnisse gut mit den bung in Richtung der bisher noch weniger Ergebnissen der aktuellen Erfassung auf dem besiedelten Regionen, während in den traditio- entsprechenden Gebiet vergleichbar. nellen Verbreitungsgebieten der Bestand leicht Ein Großteil der 2005 bekannten Horstpaare zurückgeht. wurde auch 2010 nachgewiesen, allerdings wur- den mindestens vier Reviere nicht bestätigt Vergleich mit der Entwicklung in Ober öster - (Tab. 2). Bei einem Vergleich von nur zwei reich. Oberösterreich gehört zu den Regionen, Erfassungen in einem Abstand von fünf Jahren die im Zuge der Arealausweitung nach Westen ist ein Unterschied von vier Horstpaaren zu- als neues Brutgebiet erschlossen wurden (Sackl nächst nicht sehr aussagekräftig. 1985). 1971 wurde hier der erste Horst sicher Allerdings erfolgte die Erfassung von 2005 nachgewiesen, aktuell brüten in Oberösterreich bereits mit der Fragestellung, ob das Bestands - ca. 40 Paare. Nach Pühringer (2009) liegt der Schneider: Schwarzstorch-Bestand 2010 in Bayern 33

Verbreitungsschwerpunkt in den Waldgebieten verzichtet. Bei Holzeinschlag außerhalb der des Oberen Donautals, des Steyr- und Ennstals, Bewirtschaftungsruhe wird darauf geachtet, im Hausruck- und Kobernaußerwald, in den dass das Horstumfeld mit allen notwendigen tieferen Lagen des Mühlviertels und z. T. in den Strukturen nicht beeinträchtigt wird. Ggf. wer- nördlichsten Kalkvoralpen. Zunehmend wer- den zudem Maßnahmen zur Besucherlenkung den aber auch Revierpaare im waldärmeren ergriffen. In Bayern wird dies zurzeit vor allem Alpenvorland beobachtet. Dies ist nach bei bekannten Horsten auf Staatswaldflächen Pühringer ein Hinweis darauf, dass die Reviere umgesetzt. Da es jedoch noch keine gesetzliche in den optimalen Gebieten inzwischen vollstän- Grundlage für die Ausweisung einer Horst - dig besetzt sind, was für die Revierpaare im schutz zone gibt, ist die Umsetzung dieser Flach- und Hügelland einige Probleme mit sich Maßnahme besonders im Privatwald oft sehr bringt. Die Wälder hier werden in der Regel schwierig, da sie vom freiwilligen Engagement stärker bewirtschaftet und liegen in dichter des Waldbesitzers abhängt. besiedelten Regionen, wodurch die Störche Voraussetzung für die Einrichtung einer einem höheren Störungsdruck ausgesetzt sind. Horstschutzzone ist natürlich, dass der Horst Zudem dürfte auch das Nahrungsangebot im auch bekannt ist. In der Brutsaison besetzte landwirtschaftlich geprägten Alpenvorland Horste können störungsfrei nur im Herbst Oberösterreichs geringer sein (Pühringer 2009). gesucht und dann anhand der Spurenlage (Kot, Die Entwicklung der Schwarzstorchverbrei - Federn usw.) identifiziert werden. In größeren, tung in Oberösterreich mit einer Areal aus - unübersichtlichen Waldgebieten ist dies jedoch dehnung nach Westen und einer zunehmenden recht schwierig und zeitintensiv und kann daher Besiedelung des Flach- und Hügellandes ähnelt nur in wenigen Fällen durchgeführt werden somit stark der Entwicklung in Bayern. Auch (Kelle-Dingel 2009). Die zufällige Entdeckung die Verhältnisse in den jeweils neu besiedelten eines besetzten Horstes, z. B. während waldbau- Gebieten sind vergleichbar, was für die bayeri- licher Arbeiten, ist aber oft schon Störung genug, schen „Zuzugsregionen“ bedeutet, dass auch um dazu zu führen, dass das Brutpaar im kom- hier möglicherweise langfristig mit den genann- menden Jahr einen neuen Horst bezieht. Damit ten Problemen hinsichtlich Störungen und ist dann auch dieser Horst wieder unabsichtli- Nahrungsverfügbarkeit gerechnet werden muss.

Diskussion

Störungen am Horst und Horstschutzzonen. Eines der größten Probleme beim Schutz des Schwarzstorches ist dessen hohe Störungs - empfindlichkeit am Horst, vor allem in der Phase der Horstbesetzung im zeitigen Frühjahr. Die Störquellen, denen er ausgesetzt ist, sind dabei sehr vielfältig. Sie reichen von Störungen durch waldbauliche Arbeiten im Umfeld des Horstes über Störungen durch Erholung- suchende im Wald (Wander- oder Reitwege in der Nähe des Horstes) bis hin zum gezielten Aufsuchen durch Hobbyornithologen oder Tierfotografen bzw. -filmer. Für eine erfolgreiche Reproduktion sind daher wenig genutzte, vom 1. März bis 15. Sep - tember störungsfreie Altholzbestände notwen- dig (Janssen & Kock 2009). Um dies zu gewähr- leisten, müssen Horstschutzzonen mit einem Abb. 3. Typischer Schwarzstorch-Horst auf Radius von 300 m um den Horst eingerichtet star kem Seitenast einer Eiche. – Typical nesting werden. In diesem Bereich wird im genannten site of Black Storks. Steigerwald. Zeitraum auf jegliche forstliche Maßnahmen Foto: Ludwig Albrecht 34 Ornithol. Anz., 51, 2012 chen Störungen ausgesetzt. Ist ein Horst einmal birgen, und damit vor allem in der Nadel wald - bekannt und eine Horstschutzzone eingerichtet, zone. Dies spiegelt sich auch in der Verteilung ist daher unbedingt zu gewährleisten, dass diese der bekannten Horstbäume in Bayern wider. auch eingehalten wird, um einen störungsbe- Auffällig ist, dass neben der Kiefer auch die dingten Horst wechsel zu vermeiden. Fichte einen hohen Anteil an den bekannten 1 Neben der Sicherung der Horste vor Stö- Horstbäumen hat (jeweils ca. /3). So sind aus rungen sollte die Horstschutzzone auch dazu dem am intensivsten untersuchten Franken - dienen, dass das Horstumfeld langfristig erhal- wald besonders viele Fichten als Brutbäume ten bleibt. So hat es wenig Nutzen, den Hol z - gemeldet, da die Fichte hier die dominierende einschlag erst nach der Brutzeit durchzuführen, Baumart ist und sich somit auch die Horste auf wenn dabei das unmittelbare Horst umfeld so diese Baumart konzentrieren. Allerdings besit- stark verändert wird, dass es in der folgenden zen auch die Schwerpunktgebiete Oberpfälzer Brutsaison nicht mehr als Brut stand ort ge eignet und Bayerischer Wald einen hohen Fichten - ist (Jöbges 2006). anteil, sodass auch hier mit weiteren unbekann- Ein Abgleich der 2010 nachgewiesenen Brut - ten Fichten-Bruten zu rechnen ist. Somit dürfte paare mit den Flächen der Bayerischen Staats- die sich daraus ergebende Borkenkäfer proble - forsten (BaySF) ergab, dass sich 50 Brutpaare und matik in Bezug auf den Schwarzstorch auch im damit knapp 50 % des Brutbestandes auf den Oberpfälzer und Bayerischen Wald ein ähnlich durch die BaySF bewirtschafteten Staats wald - wichtiges Thema sein wie im Frankenwald. flächen befinden. Da für viele Reviere der ge- Der Borkenkäfer ist in zweierlei Hinsicht für naue Horststandort nicht bekannt ist und der den Schwarzstorch problematisch. Zum einen Schwarzstorch zudem ein sehr großes Umfeld kommt es zum Verlust der Horstbäume selbst, um den Horst zur Nahrungssuche nutzt, wurden wenn diese befallen sind, zum anderen entste- zusätzlich die Brutpaare innerhalb einer hen durch den intensiven Holzeinschlag zur Entfernung von 1 km zu BaySF-Flächen berück- Borkenkäferbekämpfung erhebliche Störungen sichtigt, was weitere 19 Brutpaare ergab. So be- (Kelle-Dingel 2009). Da in den betroffenen Mit- 2 finden sich insgesamt 69 Brutpaare und damit /3 telgebirgslagen wegen der Schneelage im Win- des erfassten bayerischen Schwarz storchbestan - ter oft kein Holzeinschlag möglich ist, können des in oder in unmittelbarer Nähe zu Staats wald - die Waldarbeiten erst im Frühjahr beginnen. flächen. Daraus ergibt sich eine große Verant wor - Dann ist der Holzeinschlag aber besonders tung der BaySF für den Schwarzstorchschutz, intensiv, da frisch befallene Bäume rasch ent- welche diese bereits durch die Einrichtung von fernt werden müssen, um eine Ausbreitung des Horstschutzzonen um bekannte Horste wahr- Borkenkäfers zu verhindern. In diese Zeit fällt nimmt. Zudem wurden und werden weiterhin in aber auch die Phase der Revierbesetzung bei vielen Revieren Kleingewässer angelegt, Wald- den Schwarzstörchen, in der sie besonders stö- flächen geöffnet oder Fichtenriegel an Bachläu - rungsempfindlich sind (Kelle-Dingel 2009). fen entfernt (Leibl 1993, Peuser 2005). Von letzte- Daraus ergibt sich auch ein rechtliches ren Maßnahmen profitieren auch Brutpaare in Problem: Waldbesitzer sind einerseits gesetzlich angrenzenden Privatwaldflächen. Die bisherige zur Borkenkäferbekämpfung verpflichtet, ande- gute Koope ration der BaySF mit den Natur - rerseits ist der Schwarzstorch eine streng ge - schutzver bänden in Bereich des Schwarzstorch - schützte Art, deren Brutstätten nicht zerstört schutzes muss fortgesetzt und ausgebaut wer- werden dürfen und die auch an ihren Brut - den, um die Sicherung und weitere Ausbreitung stätten nicht gestört werden darf. des Schwarzstorchbestandes in Bayern zu ge- Schwarzstorchschutz und Borkenkäferbe - währleisten. kämpfung werden in den von Fichten domi- nierten Verbreitungsgebieten daher also auch in Borkenkäferproblematik. Der Schwerpunkt Zukunft in einem starken Konflikt zueinander langjähriger stabiler Besiedelung durch den stehen. Schwarzstorch in Deutschland ist die Misch- waldzone im Raum Brandenburg, Sachsen- Verluste durch Stromschlag. Auch für den Anhalt und Niedersachsen (Dornbusch 2006). In Schwarzstorch stellen ungesicherte Mittelspan - Bayern liegt der aktuelle Verbreitungsschwer - nungs masten nach wie vor eine ernstzuneh- punkt in den nord- u. ostbayerischen Mittelge - mende Gefährdung dar. Jedes Jahr werden in Schneider: Schwarzstorch-Bestand 2010 in Bayern 35

Bayern Totfunde unterhalb solcher Masten hältnissen schnell zu Kollisionen kommen bekannt, genaue Zahlen zu den jährlichen (Janssen et al. 2004). Opfern liegen jedoch nicht vor. Aufgrund der Vor dem Hintergrund der aktuell disku- heimlichen Lebensweise des Schwarzstorches tierten Energiewende ist mit einer verstärk - muss aber davon ausgegangen werden, dass es ten Planung von Windkraftanlagen auch in vor allem an abgelegenen Masten zu Todes- geschlossenen Waldgebieten und damit mit zu - fällen kommt, wo die Wahrscheinlichkeit, diese nehmenden Konflikten mit dem Schwarzstorch- Tiere zu finden, eher gering ist. So sind für den schutz zu rechnen. siedlungsnah lebenden Weißstorch für 2010 13 Stromschlagopfer bekannt, auch hier wird Zusammenfassung von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. Vor allem für Jungstörche, die das sichere Fliegen Die zunehmende Häufigkeit von Schwarz - noch lernen müssen und bei einer ungeschick- storch beobachtungen in Bayern einerseits und ten Landung auf einem Strommast leicht mit die nach wie vor vielfältigen Gefährdungs- den stromführenden Teilen in Berührung kom- faktoren andererseits waren Anlass für eine men, besteht ein besonders hohes Risiko. aktuelle Erfassung des bayerischen Schwarz - So gehört der Schwarzstorch zu den fünf storchbestandes. Die Erfassung erfolgte durch Großvogelarten, für die im Rahmen der baye- die Sammlung aktueller Daten, die bei Forst- rischen Umsetzung des § 41 BayNatSchG zur und Naturschutzbehörden, Ornithologen und Siche rung von Strommasten bis 2012 eine regionalen Gebietsbetreuern vorlagen, und Prioritäten karte erstellt wurde. Diese konnte für wurde durch einen Presse- und Internetaufruf den Schwarz storch auf Grundlage der vorlie- zur Meldung zufälliger Beobachtungen durch genden Er fas sung mit den aktuell bekannt die Bevölkerung ergänzt. gewordenen Revie ren ergänzt werden. Wurde bei der letzten Schätzung 1996–1999 (Bezzel et al. 2005) von 60 bis 70 Brutpaaren aus- Problemfeld Windkraft. Die Karte der aktuel- gegangen, konnten 2010 schon 105 Brutpaare len Schwarzstorchvorkommen (Abb. 2) macht festgestellt werden. Hinzu kommen 39 Reviere, zusätzlich zum Stromtod ein weiteres Problem in denen Schwarzstörche zur Brutzeit anwesend deutlich: Große Bereiche im nordöstlichen waren, ohne dass es jedoch Hinweise auf Oberfranken und der östlichen Oberpfalz sind eine Brut gab. Verbreitungsschwerpunkte des fast flächendeckend von Schwarzstörchen be - Schwarzstorches in Bayern sind nach wie vor siedelt. Dieses Gebiet, vor allem die Kamm- die nord- und ostbayerischen Mittelgebirge lagen von Fichtelgebirge und Oberpfälzer Wald, vom Frankenwald bis zum Bayerischen Wald. ist aber auch besonders attraktiv für die Er- Eine Zunahme an Brutpaaren gab es vor allem richtung von Windkraftanlagen. Über die Aus - im südlichen Unterfranken und im schwäbi- wir kungen von Windkraftanlagen auf Schwarz - schen und oberbayerischen Alpenvorland. In störche liegen, im Gegensatz zum Problemfeld einigen Regionen des traditionellen Verbrei - Stromtod, nur wenig gesicherte wissenschaft- tungsgebietes, insbesondere im Oberpfälzer liche Erkenntnisse vor (Janssen et al. 2004). Wald und im Bayerischen Wald, zeigen sich Allerdings ist ein Meideverhalten aufgrund leicht rückläufige Tendenzen. Hier kann nur optischer, akustischer und turbulenzbedingter durch weitere Untersuchungen geklärt werden, Einflüsse für verschiedene Vogelarten bekannt ob es sich dabei um eine zeitweilige Schwan- und dürfte daher auch für den störungsemp- kung handelt oder ob die derzeitige Arealaus - findlichen Schwarzstorch relevant sein (Janssen weitung des Schwarzstorches zum Teil auch et al. 2004). Hinzu kommen mögliche direkte eine Arealverschiebung darstellt. Verluste durch die Kollision mit den Rotoren. Mehr als die Hälfte aller Brutpaare befindet Zwar ist bisher bundesweit nur ein solcher Fall sich im Staatswald, womit den hier zuständigen belegt (Janssen et al. 2004), es ist aber sehr wahr- Bayerischen Staatsforsten eine hohe Verantwor - scheinlich, dass weitere Opfer nur nicht regis- tung im Schwarzstorchschutz zukommt. Eine triert wurden. Befinden sich Windkraftanlagen gute Kooperation zwischen den BaySF und den im Aktionsbereich des Schwarzstorchs zwi- Naturschutzverbänden ist damit auch weiterhin schen Brutplatz und bevorzugtem Nahrungs- von großer Bedeutung. Konflikte, die sich auch habitat, kann es gerade bei schlechten Sichtver - zukünftig beim Schwarzstorchschutz ergeben 36 Ornithol. Anz., 51, 2012 wer den, sind zum einen die notwendige Bor - Janssen, G., M. Hormann & C. Rohde (2004): kenkäferbekämpfung und zum anderen die zu- Der Schwarzstorch. Westarp Wissenschaf - nehmende Planung von Windkraftanlagen auch ten, Hohenwarsleben. in ge schlossenen Waldgebieten. Beide Problem - Janssen, G. & J. Kock (2009): Projekt Schwarz- fel der konzentrieren sich v. a. auf die Gebiete, storchschutz – Brutbericht aus Schleswig- in de nen die Verbreitungsschwer punkte des Hol stein 2008. Projektgruppe Seeadler schutz Schwarz storchs in Bayern liegen. Schleswig-Holstein. Jöbges, M. (2006): Die Rückkehr des Schwarz- Dank. Für die gute Zusammenarbeit möchte ich storches Ciconia nigra nach NRW – Habi tat - mich bei den Bayerischen Staatsforsten, den ansprüche, Bestandsentwicklung, Schutz - Ämtern für Landwirtschaft und Forsten, der AG maßnahmen. LÖBF-Mitt. 2/06: 14–16. Seltene Brutvogelarten, dem Avifaunistischen Kelle-Dingel, C. (2009): Der Schwarzstorch im Archiv München und bei allen Regional koor - Frankenwald. Unveröffentl. Gutachten der dinatoren sowie beim Bayerischen Naturschutz- LBV-Kreisgruppe Kronach. fonds für die Unterstützung bedanken. Mein Leibl, F. (1993): Die Situation des Schwarz- Dank gilt außerdem allen weiteren Behörden, storchs in Bayern unter besonderer Berück- LBV-Kreisgruppen und allen Einzelpersonen, sichtigung der Oberpfalz. Naturschutz- die mit ihren Meldungen diese Erfassung erst zentrum Wasserschloss Mitwitz, Materialien möglich gemacht haben. 2: 11–16. Peuser, S. (2005): Schwarzstorchprojekt 2005 im Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab und an- Literatur grenzenden Gebieten. Unveröffentl. Gut ach - ten der LBV-Kreisgeschäftsstelle Weiden- Andretzke, H., T. Schikore & K. Schröder (2005): Neu stadt/Waldnaab. Artsteckbriefe. In: Südbeck, P. et al. (Hrsg.): Pfeifer, R. (1997): Der Schwarzstorch in Bayern. Methodenstandards zur Erfassung der Brut- Ausbreitungsgeschichte, Verbreitung und vögel Deutschlands. S. 135–695. Radolfzell. aktueller Status. Ornithol. Anz. 36: 93–104. Bauer, H.-G., E. Bezzel & W. Fiedler (2005): Pühringer, N. (2009): Der Schwarzstorch in Kompendium der Vögel Mitteleuropas Bd. 1, Oberösterreich. VogelSchutz 26: 16–17. Nonpasseriformes. Aula-Verlag, Wiebels - Sackl, P. (1985): Der Schwarzstorch (Cionia nigra) heim. in Österreich – Arealausweitung, Bestands - Bezzel, E., I. Geiersberger, G. v. Lossow & R. entwicklung und Verbreitung. Vogelwelt Pfeifer (2005): Brutvögel in Bayern, Ver - 106: 121–141. breitung 1996 bis 1999. Verlag Eugen Ulmer, Stuttgart. Dornbusch, G. (2006): Zur Bestandsentwicklung Eingegangen am 1. April 2012 des Schwarzstorches Ciconia nigra in Revidierte Fassung eingegangen am 16. Mai 2012 Deutsch land. Charadrius 41: 79–83. Angenommen am 17. Mai 2012

Anne Schneider, Jg. 1979, Dipl.-Ing. (FH) Landschaftsnutzung und Naturschutz, Projektbearbeiterin an der Landesgeschäftsstelle des LBV (Schwarzstorch, Wiesenbrüter, Rohrdommel, Uhu). Schlögel: Lymnocryptes minimus im Landkreis Unterallgäu 37

Ornithol. Anz., 51: 37–48

Vorkommen der Zwergschnepfe Lymnocryptes minimus im Landkreis Unterallgäu

Josef Schlögel

Foto 1. Zwergschnepfe Lymnocryptes minimus – Jack Snipe, 03.12.2011, Kiesgrube Erkheim, Lkr. Unterallgäu. Foto: Josef Schlögel

Jack Snipe Lymnocryptes minimus in the Landkreis Unterallgäu The article deals with the occurrence of Jack Snipe Lymnocryptes minimus in the Unterallgäu District (Landkreis), southern Bavaria. The species was monitored regularly in winter between 1990 and 2001. Subsequent casual observations are also considered. Data have been gathered for 469 birds since 1990. Although most birds were observed during migration (in November and between February and April), overwintering was also quite common. The habitats of Jack Snipes are wet- lands. In comparison to Common Snipe the species may also be found in wetter and more densely vegetated places. Some of the wintering habitats are strongly dependent on management. Examples of positive management activities are given.

Key words: Jack Snipe, Lymnocryptes minimus, overwintering, migration, Unterallgäu.

Josef Schlögel, Hans-Watzlik-Straße 6, 87727 Babenhausen

Einleitung kreis Unterallgäu. Im Gegensatz zu anderen Bun desländern gibt es aus Bayern kaum Ver öf - Im Rahmen winterlicher Rastvogelkontrollen fent lichungen, die sich mit der langjährigen kam es seit Ende der 1980er Jahre verstärkt zu Erfassung dieser Art befassen. Nach den noch Beobachtungen von Zwergschnepfen im Land - ziemlich allgemeinen Angaben in Wüst (1981) 38 Ornithol. Anz., 51, 2012 brachte erstmals die Arbeit von Kraus & Krauss eines Bootes oder bei niedrigem Wasserstand zu (2002) quantitative Angaben. Aufgrund der erreichen sind. Zudem wird ein Großteil der Angaben in der „Avifauna Bavariae“ (Wüst Zwergschnepfen erst nach dem Auffliegen ent- 1981): „heute nur noch regelmäßiger, seltener deckt, diese fielen nicht selten außerhalb des Gast von Oktober bis April, meist einzeln oder Sichtbereichs wieder ein, sodass häufig schwie- paarweise, stellenweise in Trupps“, wurden rig zu entscheiden war, ob sie bereits vorher ge - gezielt Kontrollen durchgeführt. Auch die ins- zählt wurden. Außerdem wurde zur Stö rungs - gesamt wenigen Nachweise, die in den ornitho- minderung der Landebereich bereits einmal logisch intensiv kontrollierten Gebieten Bayerns aufgescheuchter Zwergschnepfen nicht weiter erbracht wurden, rechtfertigten die Beschäf- kontrolliert (möglicherweise befanden sich hier tigung mit dieser Art. Ziel dieser Arbeit ist es, noch weitere Schnepfen). die bisher gesammelten Daten von Zwerg- Die Erfassungsintensität schwankte deutlich. schnepfen aus dem Unterallgäu vorzustellen In den Kiesgruben im Raum Türkheim unterblieb und zu interpretieren. Darüber hinaus soll die wegen der meist anwesenden Wasservogelan - Häufigkeit der Art im Verhältnis zum Vorkom - sammlungen die Kontrolle der potenziellen Rast - men der Bekassine Gallinago gallinago darge- plätze fast vollständig. Im großen Kiesabbau - stellt werden. gebiet Darast fehlen gezielte Begehungen, jedoch sind hier nur wenige potenzielle Habitate vor- Methode handen. Dagegen wurde in den Materialent nah - mestellen des Günztals von Anfang an ein großer Regelmäßige ornithologische Aufzeichnungen Teil nutzbarer Habitate gezielt kontrolliert. aus dem Unterallgäu besitzt der Verfasser seit Da im Landkreis Unterallgäu nur wenige 1979. Während die Zwergschnepfendaten von große für die Zwergschnepfe geeignete Lebens - 1982 bis April 1990 sowie vom September 2001 räume vorhanden sind, war die gezielte Erfas - bis zum Mai 2012 Zufallsbeobachtungen dar- sung zu mindest am Anfang der regelmäßigen stellen, wurden von Oktober 1990 bis April 2001 Kon trollen noch verhältnismäßig leicht zu leis- regelmäßige Kontrollen im Winterhabjahr in ten, da geeignete Rastplätze aufgrund von feh- passend erscheinenden Habitaten (z. B. Feucht- lender Pflege nur auf kleinen Flächen zur Ver - gebiete, Quellmoore, Kiesgruben) durchgeführt. fügung standen. Sehr günstig sind Streuwiesen, Der Verf. hat versucht, alle regelmäßig genutz- die im Spätsommer oder Herbst gemäht werden ten Habitate einmal monatlich durch Ab - und auf denen bis zur Ankunft der Zwerg- schreiten zu kontrollieren (meist allein). Hierzu schnepfen ein zehn bis zwanzig Zentimeter wurden alle Bereiche, die flächig niedrige hoher Bewuchs (besonders Seggen) steht. und/oder lückige Vegetation sowie hohe Bo - Inzwischen hat sich die Situation deutlich geän- den feuchte aufwiesen, streifenweise langsam dert und es stehen den Zwergschnepfen in vier abgegangen. Zwischen den Kartierstreifen wur - Naturschutzgebieten jeweils mehrere Hektar de ein Abstand von höchstens drei Metern ein- große Bereiche als potenzielle Rastplätze zur gehalten, um die Art trotz der geringen Flucht - Verfügung. Somit erhöht sich der Zeitaufwand distanz (ein eindrucksvolles Beispiel berichtet F. für die monatlichen Kontrollen erheblich und Engstle, der im März 1995 aus Versehen auf eine damit auch die dadurch verursachten Störungen. Zwergschnepfe trat!) feststellen zu können. Im Dies ist ein wesentlicher Grund dafür, weshalb Gegensatz zu Kliebe (1973) und Hering & Kron- die intensive Erfassung nach dem Winter bach (2007) wurde keine Beringung durchge- 2000/2001 eingestellt wurde. Danach fanden nur führt. Ebenfalls unterblieben Nachtbeobach- noch in begrenztem Umfang gezielte Kontrollen tungen mithilfe von Autoscheinwerfern, wie statt. Es wurde in den letzten Jahren vor allem im von Hermenau & Oehmingen (1995) praktiziert. Winter auf Zwergschnepfen geachtet, da regel- In großflächigen Feuchtgebieten (Moore mäßige Winternachweise in diesem Ausmaß für und Stauseen) konnte der für eine vollständige Bayern bisher nicht vorlagen. Er fassung eigentlich erforderliche Zeitaufwand Von den 694 Nachweisen stammten 138 Daten nur zum Teil aufgebracht werden, weshalb von T. Dolp, W. Einsiedler, F. Engstle, G. Frehner, diese nur selten gelang. Dafür spricht auch, dass J. Göppel, I. Harry, Dr. K. P. Harry, G. Jütten, Zwergschnepfen gelegentlich (wahrscheinlich R. Krieger, K. Petermann, H. Rieder, E. Veit, regelmäßig) auf Inseln rasten, die nur mithilfe I. Weiss und N. Wolf, der Rest vom Verfasser. Schlögel: Lymnocryptes minimus im Landkreis Unterallgäu 39

Untersuchungsgebiet ausgeführt: „Im April und Mai, im September und Oktober nur auf dem Striche, weniger häu- Die Daten stammen aus dem gesamten Land - figer als die Bekassine und nur in manchen kreis Unterallgäu (1.230 km²) und dem Gebiet Jahren, wie 1845 und 1847, ziemlich gemein.“ der kreisfreien Stadt Memmingen (70 km²), aber Das Beobachtungsgebiet von Landbeck lag auch von der gesamten Iller und Wertach mit nördlich des Unterallgäus. Büchele (1860) schrieb deren Stauseen am West- und Ostrand des in „Die Wirbelthiere der Memminger Gegend“: Landkreises (100 km²), auch wenn sie ganz oder „Auf dem Zuge auf den Rieden nicht selten.“ teilweise in den angrenzenden Landkreisen Hackel (1975) führte folgende Nachweise auf: Biberach und Ostallgäu liegen (insgesamt 1.400 „2 Ex. am 21.10.1972; 3 Ex. vom 19.–25.10.1973; km²). Das Unterallgäu ist der fließgewässer- 2 Ex. am 7.11.1974; 1 Ex. am 4.10.1975.“ Dagegen reichste Landkreis in Bayern und liegt zwischen steht in der Artenliste der Unggenrieder Vogel - 512 m und 845 m über NN. Alle Fundorte lagen welt (Hackel 1973): „2 Ex. am 21.10.1972, 3 Ex. zwischen 512 m und 700 m über NN. Natur - am 18. und 19.10.1973, 4 Ex. am 25.10.1973, auf räumlich gehört das Untersuchungsgebiet zu den Schlickflächen der abgelassenen Weiher“. den Schotterplatten (Donau-Iller-Lech-Platten). K. Seelos berichtete K. Altrichter mündlich, Im Gegensatz zu den südlich angrenzenden dass er in den Winterhalbjahren 1974/75 und Landkreisen Ober- und Ostallgäu, sind im Land- 1975/76 sechsmal im Herbst und zweimal im kreis Unterallgäu nur wenige kleinere naturna- Frühjahr Zwergschnepfen bei Tafertshofen ent- he Moorgebiete vorhanden. Dagegen weist das deckte. Selber beobachtete K. Altrichter am Unterallgäu viele Materialentnahmestellen auf. 11.11.1979 eine Zwergschnepfe im Tafertshofer Die Tallagen werden intensiv landwirtschaftlich Ried. als Acker- und Grünland genutzt. Zwischen den Tälern befinden sich Höhenrücken (sogenannte Beobachtungen 1982–2012. Im Rahmen der hier Riedel), die zu einem großen Teil bewaldet sind. vorgestellten Erfassung gelangen an mindes- tens 59 Örtlichkeiten Nachweise (Abb. 1). Diese Ergebnisse Plätze stellen sicherlich nur einen Teil der tat- sächlich genutzten Rasthabitate dar, da seit dem Beobachtungen bis 1981. In den „Bemerkungen Beginn der intensiven Erfassung 1990 fast in über die Vögel des Mindel- und Kamelthales in jedem Jahr neue Rastplätze gefunden wurden. Bayern“ (Landbeck 1855) ist zur Zwergschnepfe Nur an einem Rastplatz gelangen seit der ersten

Abb. 1: Links Karte vom Unterallgäu, bei der die Nachweise bis 2004 eingezeichnet sind. Bis zu die- sem Zeitpunkt wurde jeweils pro Minutenraster zusammengefasst. Rechts Karte mit Nachweisen von 2005 bis Mai 2012, bei denen die Nachweise genau eingegeben wurden. – Left: Map of the district of Unterallgäu showing all observations before 2004 plotted by geographical grid. Right: Map of observations from 2005 to May 2012, observations exactly mapped. 40 Ornithol. Anz., 51, 2012

Abb. 2: Individuensummen beob- achteter Zwergschnepfen in den Winterhalbjahren 1982–2012. Die Pfeile markieren den Anfang und das Ende der intensiven Er fas- sung. – Sums of individuals in the winters 1982 to 2012. The arrows mark the beginning and end of the period of intensive census.

Beobachtung jedes Jahr Nachweise (19 Jahre, (19.9.) und Ende April (29.4.). Sommerbeob ach - seit 1994). Viele Habitate wurden jedoch nur tungen gelangen keine. In den Monaten Okto- sporadisch kontrolliert. An dreiundzwanzig ber bis April wurden jedes Jahr bei intensiven Fundorten gelang nur in jeweils einem Jahr ein Kontrollen Zwergschnepfen festgestellt. Ob - Nachweis. Nachweise in 2–4 Jahren gab es an wohl die Anzahl der Beobachtungen im 15 Stellen. Nachweise in 5 bis 9 Jahren gab es an Dezember und vor allem im Januar niedriger 14 Stellen. Nachweise von 10 Jahren bis maxi- als in den restlichen Monaten war, konnten mal 19 Jahren gab es an 7 Stellen. auch während des Winters regelmäßig Zwerg- Im Unterallgäu ist die Zwergschnepfe regel - schnepfen beobachtet werden (vgl. Tab. 1). mäßiger Durchzügler und Wintergast in gerin- Auf dem Wegzug, der im Unter suchungs - ger Indi vi duenzahl mit deutlichen jährlichen gebiet den Zeitraum von Mitte September bis Schwankungen. Zum Teil werden höhere Rast- Mitte Dezember (evtl. bis Ende Dezember) um - bestände aufgrund von günstigen Witterungs - fasst, konnte die erste rastende Zwergschnepfe umständen registriert. Zum Beispiel standen am 19.9.2000 angetroffen werden. Beginnend den Vögeln im Herbst/Winter 2000 aufgrund mit einzelnen Individuen Ende September (nur von überdurchschnittlichen Niederschlägen viele 5 Nachweise in 5 Jahren!), steigen die Bestände günstige Rastgebiete zur Verfügung und wegen im Oktober an. Die Herbstgipfel während der der milden Witterung unterblieb eine Kälte- inten siven Kontrollen (1990–2001) bei den Sum - flucht. Eine hinreichende Erklärung für die nied- men der Monatsmaxima liegen fast ausschließ- rigen Zahlen in den Winterhalbjahren 1998/1999 lich im November (nur 1-mal Oktober). Im De- und 1999/2000 fehlt. zem ber nehmen die Bestände ab und gehen naht - los in den Winter bestand über. Phänologie. Die Phänologie der Zwergschnepfe In den Wegzugsperioden bis zum 15.12. im Unterallgäu gleicht weitgehend dem Ge- gelangen 262 Beobachtungen mit 414 Individuen, schehen in anderen Teilen Deutschlands (u. a. dabei maximal acht Ind. am 28.10.2008 in den Hermenau 1990, Kliebe 1997, Boschert 2001, Kiesgruben Frechenrieden und sieben Ind. am Kraus & Krauss 2002, Hering & Kronbach 2007). 14.12.2000 im Pfaffenhauser Moos. Des Weiteren Insgesamt liegen von September 1982 bis April konnten sechs Ind. am 06.11.2000 in der Feucht- 2012 694 Zwergschnepfenbeobachtungen mit wiese bei Babenhausen, am 12.12.2000 im Hunds - 1.097 Individuen vor. Jahreszeitlich lagen die moor und am 29.11.1995 im Quellmoor Dieters - Beobachtungen zwischen Mitte September hofen nachgewiesen werden. Schlögel: Lymnocryptes minimus im Landkreis Unterallgäu 41

Abb. 3: Phänologie der Zwergschnepfe im Unterallgäu – Pentadensummen 1982–2012. – Phenology of Jack Snipes in the district of Unterallgäu – sums per five-day period from 1982 to 2012.

Winterbeobachtungen gelingen im Unterallgäu Ende Dezember werden meist noch relativ in der Regel in Quellmooren oder sonstigen viele Nachweise erbracht (was zum Teil mit quellbeeinflussten Feuchtgebieten und an Fließ- mehr Kon trollen während der Feiertage zu gewässern. Vor allem im Benninger Ried sind ver - erklären ist). Aus dem Januar liegen dagegen mutlich regelmäßig im Winter Zwerg schnepfen meist nur wenige Nachweise vor. Je nach Wit- anwesend. Aber auch an anderen Stellen können terung steigen die Be stände im Laufe des Feb - regelmäßig Zwergschnepfen nach gewiesen wer- ruars mehr oder weniger an. den, die wahrscheinlich dann bei extremen Wit- Insgesamt konnten zwischen dem 16.12. terungsverhältnissen an Bäche ausweichen, wie und Ende Februar bei 245 Beobachtungen 366 Beobachtungen von G. Jütten (Tab. 3) zeigen. Ind. nachgewiesen werden. Maximal wurden Bachufer werden aber nur Ausnahmsweise in 6 Ind. am 30.12.2002 in der Kiesgrube Erkheim der nötigen Intensität kontrolliert, sodass es hier gezählt. 5 Ind. wurden am 28.02.1994 im selten zu Nachweisen kommt. Hundsmoor, am 10.02.1995 an den Tümpeln im

Tab. 1. Summen der Monatsmaxima von Zwergschnepfen im Unterallgäu. – Sums of monthly maxima of Jack Snipe in Unterallgäu. Sept. Okt. Nov. Dez. Jan. Feb. März April Summe 1990/1991 0 1 1002213634 1991/1992 039241071045 1992/1993 0 7 194669657 1993/1994 077481211251 1994/1995 0 9 16 17 4 12 21 11 90 1995/1996 0 10 15 14 6 6 10 11 72 1996/1997 0 8 12 4 1 11 7 4 47 1997/1998 04517129240 1998/1999 1141237120 1999/2000 0011362215 2000/2001 1 16 28 27 6 7 20 2 107 Summe 2 66 126 75 49 87 116 57 578 42 Ornithol. Anz., 51, 2012

Booser Ried, am 10.02.1998 im Quellmoor Die- maxima 4-mal im Februar, 5-mal im März, 1-mal tershofen und am 27.12.2002 in der Kies grube im April und war einmal zweigipfelig im Erkheim registriert. Weitere achtmal ge lang in Februar/April. Der Heimzug ist sicher sehr diesem Zeitraum der Nachweis von je 4 In di - stark von der Witterung beeinflusst, weshalb viduen. eine starke Streuung vorhanden ist. Um zu dokumentieren, dass in jedem Jahr Der Übergang vom Winteraufenthalt zum im Winter durchgehend Zwergschnepfen im Durchzug verlief in der Regel fließend und ist Unter allgäu verweilen, befindet sich im Anhang demzufolge nicht klar abtrennbar. Er setzte eine Auflistung der Gebiete, in denen regelmä- regelmäßig schon im Februar ein. Trotzdem ver- ßige Nachweise gelangen. Hierbei sind auch wendete ich zur Errechnung des Heimzugs nur Jahre aufgeführt, in denen in einem Monat kein März- und April-Nachweise. In diesen beiden Nachweis gelang. Bei Frost können sie an Fließ - Monaten gelangen 206 Beobachtungen mit 330 gewässer ausweichen und sind bei Tauwetter Exemplaren. Neben dem Tagesmaximum von gleich wieder im betreffenden Habitat nachzu- 10 Individuen am 27.3.01 im Pfaffenhauser weisen. Moos, gelang der Nachweis von 7 Schnepfen Selbst bei extremen Witterungsverhältnissen am 29.03.1991 in der Kiesgrube bei Baben - mit Temperaturen von unter -25°C, wie im hausen und weiteren acht Beobachtungen mit Februar 2012, gelangen Nachweise von Zwerg- jeweils fünf Individuen (in 5 Gebieten). schnepfen an Quellbächen. Während dieser Kälteperiode konnte an zwei Stellen je eine Häufigkeitsverhältnis Bekassine, Doppel- Schnepfe nachgewiesen werden. Eine andere und Zwergschnepfe. Zwischen 1.7.1991 und Stelle war einmal verwaist (in diesem Fall wur- 30.6.2001 konnten 618 Zwergschnepfen bei 379 den aber der angrenzende Bach und ein kleines Beobachtungen registriert werden. Dem stehen Rückhaltebecken nicht kontrolliert!). 5.707 Bekassinen Gallinago gallinago bei 1.656 Da nicht beringt wurde, konnte im Gegen - Beobachtungen im gleichen Zeitraum gegen- satz zu Kliebe (2004b) und Hering & Kronbach über. Somit wurden auf eine Zwergschnepfe (2007) keine zweifelsfreie Überwinterung nach- durchschnittlich 9,23 Bekassinen registriert. Auf gewiesen werden. eine Zwergschnepfenbeobachtung kamen 4,36 Der Gipfel des Heimzugs im ersten Halb- Nachweise der Bekassine. Von der Doppel- jahr lag während der intensiven Kontrollen schnepfe Gallinago media gelangen nur zwei (1990–2001) bei den Summen der Monats- Nach weise mit je einem Vogel.

Tab. 2. Anzahl der Individuen (und der Beobachtungen) sowie durchschnittliche Anzahl der regis- trierten Vögel und Maximalzahl. Von der Bekassine sind zuerst die Zahlen aus den Monaten ange- geben, in denen auch Zwergschnepfen beobachtet wurden. In der hinteren Spalte sind die gesam- ten Beobachtungen aufgeführt (auch die Zeit, in der keine Zwergschnepfen nachgewiesen wur- den). – Number of individuals (and of observations), mean number and maximum of individuals of Jack Snipe (left) and of Common Snipe in winter (centre) and throughout the year (right).

Zwergschnepfe Bekassine (Sept. – April) Bekassine (Juni - Juli) Zeitraum Anzahl Mittel Max. Anzahl Mittel Max. Anzahl Mittel Max. 1.7.91-30.6.92 55 (43) 1,28 4 539 (188) 2,86 16 702 (209) 3,20 1.7.92-30.6.93 39 (44) 1,57 4 490 (154) 3,18 31 542 (177) 3,06 1.7.93-30.6.94 55 (41) 1,67 5 418 (128) 3,27 19 439 (138) 3,18 1.7.94-30.6.95 109 (65) 1,68 5 665 (189) 3,52 26 691 (207) 3,34 1.7.95-30.6.96 75 (43) 1,74 6 664 (164) 4,02 37 701 (183) 3,83 1.7.96-30.6.97 52 (38) 1,37 4 478 (156) 3,06 35 515 (174) 2,96 1.7.97-30.6.98 48 (28) 1,71 5 304 (120) 2,53 12 324 (136) 2,38 1.7.98-30.6.99 22 (17) 1,29 3 283 (88) 3,22 15 324 (107) 3,03 1.7.99-30.6.00 16 (11) 1,45 3 441 (117) 3,77 35 687 (145) 4,74 80 1.7.00-30.6.01 117 (49) 2,39 9 725 (144) 5,03 41 782 (170) 4,60 Schlögel: Lymnocryptes minimus im Landkreis Unterallgäu 43

Diskussion zum Status Frühjahr erreicht. Aber auch nach Bandorf & Laubender (1982) wird das Maximum in Unter- Phänologie und Häufigkeit. Bauer et al. (1995) franken im Herbst bei zwei Gipfeln im Novem - gaben für Baden-Württemberg an, dass Mitt - ber erreicht (1. und 4. Novem berpentade). Der winterbeobachtungen der Zwergschnepfe rela- Höhepunkt beim Heim zug liegt dort in der tiv selten sind. Kraus & Krauss (2002) gehen 3. Aprilpentade, also später als im Unterall- davon aus, dass auch in Bayern eine ähnliche gäu, wobei das Datenmaterial aus zwei ver - Situation vorliegt. Die Beobachtungen im Un - schiedenen Zeiträumen stammt (Unterfranken terallgäu zeigen dagegen, dass im Untersu - 1952–1980, Unterallgäu 1982–2001). Dagegen chungsraum die Zwergschnepfe regelmäßig im deckt das Material von Kraus & Krauss (2002) Winter vorkommt (und wahrscheinlich zum aus dem Fränkischen Weihergebiet auch den Teil überwintert). Deshalb gibt es auffällige Un- Zeitraum der intensiven Erfassung im Unterall - terschiede in den Phänologiediagrammen aus gäu mit ab. Hier wurden die höchsten Pentaden - beiden Gebieten. Im Untersuchungsgebiet gibt summen (1952–2000) Ende Oktober, Anfang es während der gesamten Anwesenheit regel- November (61. Pentade) erreicht (im Frühjahr mäßig Nachweise, wobei im Winter sicher der Mitte April 21. Pentade). Der Median lag beim Anteil der erfassten Zwergschnepfen höher ist Wegzug am 24.10. und beim Heimzug auf dem als während der Zugzeiten, da viele Rastplätze 21.4. Die Diagramme mit den Pentadensummen aufgrund von Vereisung nur zeitweise nutzbar weichen deutlich voneinander ab. sind und Kontrollen schneller durchgeführt Die Angabe in Glutz von Blotzheim et al. werden können. (1977): „Der eigentliche Durchzug beginnt spätes- Die niedrigen Summen Anfang Dezember tens Ende Februar/Anfang März, kann aber nach und Mitte Januar dürften auf eine geringere milden Wintern im Südwesten der BRD schon Beobachtungstätigkeit zurückzuführen sein. Anfang Februar einsetzen und mit hohen Durch- Die Mittwinterzahlen sind im Unterallgäu deut- zugszahlen um Mitte Februar in vollem Gange lich niedriger als die Maxima während des sein“, kann für das Gebiet bestätigt werden. Durchzugs im Oktober und November oder im Regelmäßige Nachweise lassen sich nur März und April. Mehrmals konnten während durch gezielte Kontrollen erbringen. Im südlich andauernder Frostperioden aufgrund der angrenzenden Oberallgäu konnten nach den Vereisung der Habitate keine Zwergschnepfen Avifaunistischen Kurzmitteilungen von D. Wal- nachgewiesen werden. Nach einem Wetterum - ter der Jahre 1978–1997 (20 Berichte) nur in acht schwung waren diese aber sogleich wieder Jahren Beobachtungen erbracht werden. Es ge- besetzt. Es ist zu vermuten, dass sich die langen trotz regelmäßiger Tätigkeit von Orni- Schnepfen während der Frostperioden an an- thologen nur an sieben Örtlichkeiten Nachweise. grenzenden Bächen aufhielten (bisher nur weni- In der Zeit der Anwesenheit der Zwergschnepfe ge Nachweise) oder, wie das aufgeführte Bei- sind jedoch in den Streuwiesenbe rei chen nur spiel zeigt, dass es zwischen den Lebensräumen wenige interessante Arten zu beobachten (im regelmäßig Orts wechsel gibt. Gegensatz zu den großen Gewässern), weshalb Es ist auch bei intensiver Kontrolle durchaus sie unterdurchschnittlich begangen werden. Nur möglich, dass Zwergschnepfen nicht auffliegen, wenige gezielte Kontrollen in den schwierig zu wie Kraus & Krauss (2002) an einem Beispiel kartierenden größeren Flächen erfolgen und aufführten. Erst nach dem Einsatz eines Vor- überhaupt nicht in einer Intensität, bei der es stehhundes gelang der Nachweis. Auch am möglich ist, Zwergschnepfen-Bestände größerer 7.1.2010 bei Dietershofen gelang erst bei der Flächen zu erfassen. dritten Kontrolle der Nachweis. Bei Wasservogelzählungen oder Brutvogel - Die Aussage in Wüst (1981), dass Zwerg- kar tierungen im Ostallgäu gelangen dem Ver - schnepfen im Oktober bei uns in Mengen ver- fasser an nur drei Gewässern Beobachtungen. weilen, die alles überbieten, was in der ersten Aufgrund der Größe der potenziellen Rastplätze Jahreshälfte gezählt wird, lässt vermuten, dass unterblieben aber gezielte Kontrollen. damals vor allem nordbayerische Daten zur Ver - Im nördlich angrenzenden Landkreis Neu- fügung standen. Das Maximum bei den Summen Ulm wurden durch die Hinweise des Verfassers der Monatsmaxima wird im Unterallgäu regel- besonders im Herbst 2000 mehrere Nachweise mäßig im November (5-mal) und viermal erst im erbracht. Nach Boschert (2001) liegt eines der 44 Ornithol. Anz., 51, 2012

Tab. 3. Vorkommen der Zwergschnepfe im Raum Rummeltshausen und Günz im Winterhalbjahr 2008/2009. – Occurence of Jack Snipe near Rummeltshausen and Günz during winter 2008/2009.

Kontrollen Oktober 2008–März 22.10 26.11 4.12. 22.12 30.12 8.1. 15.2. 28.3. 6.4. 2009 (G. Jütten) Kiesgrube Rummeltshausen 3 0 0 000003 Günz S Lauben (Bach) 2 2 2 2 0 Krebsbach Rummeltshausen 1 3 (2)* Mühlbach S Lauben 2 2 *= 2 Ex. flogen von Kiesgrube an den Krebsbach beiden Schwerpunktvorkommen von Baden- sage von Hering & Kronbach (2007) voll bestätigt Württemberg im südlichen Oberschwaben. werden: „Wichtig waren ein Wasserstand zwi- Es ist davon auszugehen, dass bei gleich schen 0,5–2 cm sowie ausreichend Deckung.“ intensiver Kontrolltätigkeit in den angrenzen- Aufgrund regelmäßiger Beobachtung einzel- den Landkreisen ähnlich hohe Bestände je nach ner Exemplare an immer dem gleichen Ort (teil- Habitat und Witterung festgestellt werden. weise auf den Zentimeter genau), ist es vor allem Wahrscheinlich kommen Zwergschnepfen im in untypischen Habitaten wahrscheinlich, dass es Hochwinter aus klimatischen Gründen am Rastplatztreue gibt. Dies gilt aber sicherlich nicht unmittelbaren Alpenrand sehr viel seltener vor für alle Vögel, da geeignete Rastge biete häufig als im Unterallgäu. schon kurz nach deren Entstehung angenommen Die nachfolgende Einschätzung von Hering werden und bei fortgeschrittener Sukzes sion (vor & Kronbach (2007), die in Sachsen viele Zwerg- allem durch Gehölzsukzessio nen) einige Jahre schnepfen nachwiesen und auch beringten, später wieder aufgegeben werden. kann bestätigt werden: „Von einer weiten Ver- Sitzende Vögel sind in der Vegetation sehr breitung während des Weg- und Heimzuges mit schwer zu entdecken, eher fallen die weißen Kot - vielerorts überwinternden Zwergschnepfen ist stellen auf. Bei Plätzen, die schon länger von den auszugehen. Ein Großteil bisheriger Schätzun - Vögeln genutzt werden, kann man teilweise gen zur Häufigkeit dürfte entschieden zu nied- Pfade in der Vegetation erkennen, auf denen sie rig liegen.“ sich anscheinend regelmäßig bewegen. Die ge - nutzten Bereiche sind meist klein (ca. 2 qm groß). Habitat. Die Habitate der Zwergschnepfe sind Die folgenden Lebensraumtypen wurden von der durchschnittlich feuchter als die der Bekassine Zwergschnepfe im Untersuchungsraum genutzt: und weisen meist eine lückige Vegetation auf, die auch aus Ruderalbewuchs (bis 50 cm Höhe) • Großflächige Nieder- oder Übergangsmoore bestehen kann. Die Zwergschnepfe ist somit teil- (20 ha–50 ha groß): 3 Gebiete (beherbergen weise in Bereichen anzutreffen, welche die derzeit die größten Ansammlungen) Bekassine wegen zu hohem Bewuchs meidet. • Quellmoore: 4 Gebiete (bes. wichtig als Über- Besonders in hoher Vegetation kommt es öfters winterungsgebiete) vor, dass Zwergschnepfen hinter einem aufflie- • Materialentnahmestellen (bes. Kies- und gen (der Beobachter lief über sie hinweg!). Aber Lehm gruben): 20 Gebiete (sehr unterschied- auch in locker bewachsenen Kalkquellmooren lich genutzt, je nachdem, ob zusagende Habi - bleiben sie manchmal 25 cm neben dem Schuh tate vorhanden sind). sitzen und fliegen nicht auf. Die in Kraus & • Kleinere Feuchtwiesenbereiche: 9 Gebiete Krauss (2002) aufgeführten Ansprüche aus der (unregelmäßig genutzt, vor allem, wenn sie Literatur, z. B. von Jeserich (1966) und Sack regelmäßig zu trocken sind) (1965): „feucht, schlammig, leicht überstaut, nicht • Wiesensenken und aufgefüllte Bereiche mit zu hohe Vegetation und ausreichend Deckung“, Staunässe: 4 Gebiete (ebenfalls unterschied- können nicht alle bestätigt werden. Vor allem lich genutzt, je nach Wasserstand und im schlammige Habitate stellten im Unterallgäu Winter Vereisungsgrad; bei den Kontrollen eher die Ausnahme dar. Dagegen kann die Aus- unterrepräsentiert!) Schlögel: Lymnocryptes minimus im Landkreis Unterallgäu 45

• Tümpel- und kleine Feuchtgebietsanlagen: den häufiger genutzt als bisher nachgewiesen. 7 Gebiete (sehr unterschiedlich genutzt, je Gleiches gilt für die in den letzten Jahren ver- nachdem, ob zusagende Habitate vorhanden stärkt angelegten Rückhalte becken. sind bzw. wie weit die Sukzession fortge- schritten ist) Schutz und Gefährdung • Frisch angelegte kleine Fließgewässer mit Aufweitungen und flachen Uferzonen: 6 Ge- Im Rahmen von gezielten Kontrollen im ganzen biete (sehr unterschiedlich genutzt, je nach- Landkreis wurde eine immer größere Anzahl an dem, ob zusagende Habitate vorhanden sind Gebieten gefunden, in denen sich regelmäßig bzw. wie weit die Sukzession fortgeschritten Zwergschnepfen nachweisen lassen. Ein Teil da- ist) von ist aber aufgrund von Verfüllungen wieder • Rand oder Inseln von Stauseen: 4 Gebiete verschwunden oder hat seine Bedeutung als (teilweise schwierig zu erreichen, bes. die Rastplatz (z. B. durch Sukzession) deutlich ein- Inseln bzw. nur bei starken Störungen der gebüßt. Das Erstere gilt zum Beispiel für die Wasservogelansammlungen). Diese Gebiete Lehmgrube Goßmannshofen. In der Material - sind häufig, durch Schwemmgut und durch entnahmestelle konnte mit maximal fünf gleich- hohe verfügbare Nährstoffmengen, einer zeitig anwesenden Zwergschnepfen eine für schnellen Sukzession unterworfen. Sie werden diese Art hohe Ansammlung registriert werden. nicht in der nötigen Intensität kontrolliert. Ein Teil der ehemaligen Rastgebiete kann auf- • Ufer- und Verlandungsbereiche von Bächen: grund der fortschreitenden Sukzession diese 5 Gebiete Funktion nicht mehr erfüllen. So konnte an den • Wasserrückhaltebecken: 2 Gebiete entlandeten Günzaltwässern trotz regelmäßiger Kontrollen schon seit 1995 keine „Fledermaus - In den großflächigen Moorgebieten fanden auch schnepfe“ mehr nachgewiesen werden, obwohl Tümpelanlagen und Umgestaltungen (bes. An- nach der Entlandung und weiteren Optierun - stau) von Gräben statt. Teilweise nutzten die gen (z. B. Erhöhung des Durchflusses) hier frü- Zwergschnepfen in einem Gebiet mehrere Le- her ein regelmäßig besetzter Rastplatz bestand. bensräume. Die positiven Bestandsentwicklungen in In Teichgebieten gelang kein Nachweis im den Moorgebieten wurden nur durch die inzwi- Rahmen dieser Untersuchung, obwohl Hackel (1973 u. 1975) anscheinend Nachweise im Unggenrieder Teichgebiet gelangen. Sowohl der Verfasser als auch weitere Mitbeobachter führ- ten hier regelmäßig Exkursionen durch, jedoch keine Kontrollen zum Nachweis von Zwerg - schnepfen. Der Eigentümer verbot uns, die Teiche zu betreten! In den südlich angrenzen- den Feuchtwiesen, in denen durch den Anstau der Gräben (vor ca. 10 Jahren) potenzielle Rast- habitate entstanden, gelang dem Verfasser trotz gezielter Kontrollen bis heute kein Nachweis. Im Unterallgäu konnte in fast allen Feucht - gebieten außerhalb großer Waldgebiete bei in - tensiver Kontrolle, günstigem Wasserstand und Witterung früher oder später die Art nachgewie- sen werden. Die Verteilung der Nachweise zeigt zum Teil auch die Lage der Habitate, bei denen es einfacher ist, die Art zu entdecken. Es wurden vom Verfasser vor allem Naturschutz flächen regelmäßig kontrolliert. Fließge wässer sind deutlich unterrepräsentiert und werden vor Foto 2. Zwergschnepfe Lymnocryptes minimus – allem im Winter sicher regelmäßiger aufgesucht. Jack Snipe, 16.01.2012, Kiesgrube Erkheim, Lkr. Auch die Verlandungszonen der Stauseen wer- Unterallgäu. Foto: Josef Schlögel 46 Ornithol. Anz., 51, 2012 schen sehr intensiven Pflegemaßnahmen mög- Seit 1982 werden vom Verfasser regelmäßig lich. Die großflächige Pflegemahd in den Rie- Zwergschnepfen im Unterallgäu nachgewiesen. den und Mooren, mit einhergehendem Anstau Die Habitate der Zwergschnepfe sind der Gräben, wirkt sich auf die Schnepfen sehr durchschnittlich feuchter als die der Bekassine positiv aus. Auch an Stellen, an denen sich auf- und weisen meist eine lückige Vegetation auf, grund von Entbuschungsmaßnahmen lückige die auch aus Ruderalbewuchs (bis 50 cm Höhe) Vegetation ausbreitete, konnte die Art regelmä- bestehen kann. Sie ist damit teilweise in Be- ßig angetroffen werden. Des Weiteren entstan- reichen anzutreffen, welche die Bekassine den durch die Anlage von Tümpeln, Wiesensen- wegen zu hohem Bewuchs bereits meidet. ken und Grabenaufweitungen neue Lebens- Intensiv auf das Vorkommen wurden vor allem räume für die Zwergschnepfe und weitere Tier- Materialentnahmestellen (besonders Kies- und und Pflanzenarten. Lehmgruben) kontrolliert, bei denen in 19 Selbst aufgefüllte ehemalige Baggerseen Gruben Nachweise gelangen. Der Großteil der (z. B. bei Mattsies) können bei entsprechender Nachweise gelang in drei großen (20–50 ha) Gestaltung und Pflege ein regelmäßig genutztes Nieder- oder Übergangsmooren, in vier Quell- Habitat darstellen. mooren, in neun Feuchtwiesenbereichen und an Andere Rasthabitate werden besonders in sieben Tümpelanlagen. Zeiten mit überdurchschnittlichen Niederschlä - Die Phänologie der Zwergschnepfe in gen genutzt (bes. Wiesensenken). Sehr günstig Südwestbayern gleicht weitgehend derjenigen wirken sich hier Vereinbarungen zwischen den in anderen Teilen Deutschlands. Überraschend Landnutzern und den Naturschutzbehörden aus, war die durchgehende Präsenz in den aufgrund derer die Flächen nur extensiv genutzt Winterdekaden. Vergleichbare Ergebnisse sind werden und Verfüllungen von Wiesensenken aus Bayern nicht bekannt. unterbleiben. Maßnahmen des Naturschutzes für Ähnliche Ergebnisse sind auch in anderen die letzten Moor- und Quelllebensräume wirken Regionen Deutschlands zu erwarten, von einer sich sehr positiv auf die Durch zugs- und Über- weiten Verbreitung während des Weg- und winterungshabitate aus. Nachdem die Kreis - Heimzuges mit vielerorts überwinternden gruppe des Landesbundes für Vogelschutz in Zwergschnepfen ist auszugehen. Ein Großteil Bayern e. V. in einem gepachteten Quellmoor die bisheriger Schätzungen zur Häufigkeit dürfte Gräben verfüllte und Quellbereiche gezielt pfleg- entschieden zu niedrig liegen. te, nahmen die Bestände der Schnepfen deutlich zu und das Gebiet ist seitdem das wichtigste Dank. In erster Linie gilt der Dank meiner Habitat im Winter im Landkreis (er wird aber Ehefrau Hermine Schlögel für Verständnis und auch am regelmäßigsten kontrolliert!). Geduld. Des Weiteren gilt er folgenden Beobach- Derzeit dürfte z. B. durch neu gestaltete tern, die freundlicherweise ihre Daten zur Tümpel auf Ausgleichsflächen und durch die Verfügung gestellt haben: T. Dolp, W. Einsiedler, Tätigkeit des Bibers (Anstau von kleineren Fließ - F. Engstle, G. Frehner, J. Göppel, I. Harry, Dr. K. P. ge wässern) zumindest der Verlust von Rast - Harry, G. Jütten, R. Krieger, H. Rieder, E. Veit, plätzen ausgeglichen werden. I. Weiss, N. Wolf. Für die kritische Durch sicht des Manuskripts danke ich T. Hansen, I. Harry und Zusammenfassung R. Pfeifer. I. Harry zusätzlich für die Übersetzung ins Englische. Für die Herstellung der Karte und Das Wissen über Verbreitung und Häufigkeit Diagramme sowie die Bearbeitung der Bilder der Zwergschnepfe Lymnocryptes minimus in danke ich G. Jütten und M. Kächler. Für das Zur- Bayern ist im Vergleich zu allen anderen regel- Verfügung-Stellen von Literatur und für Ver bes - mäßig erscheinenden Limikolenarten auch se rungsvorschläge J. Hering. heute noch sehr spärlich. Hauptgrund für das Kenntnisdefizit ist die durch die versteckte Lebensweise schwere Nachweisbarkeit. Drei Literatur Jahrzehnte Freilandarbeit im Unterallgäu (in Südwestbayern) haben gezeigt, dass die Zwerg - Bandorf H. & H. Laubender (1982): Die Vogel- schnepfe alljährlich von Oktober bis April in welt zwischen Steigerwald und Rhön. Bd. 2. beachtlicher Zahl anwesend ist. Landesbund für Vogelschutz, Hilpoltstein. Schlögel: Lymnocryptes minimus im Landkreis Unterallgäu 47

Bauer, H.-G., M. Boschert & J. Hölzinger (1995): Kliebe, K. (1997): Zwergschnepfe – Lymnocryptes Die Vögel Baden-Württembergs. Atlas der minimus. In: Hessische Gesellschaft für Orni - Winterverbreitung. Ulmer Verlag, Stuttgart. thologie und Naturschutz (Hrsg.): Avifauna Boschert, M. (2001): Zwergschnepfe (Lymno - von Hessen, 3. Lieferung. Echzell. cryptes minimus). In Hölzinger, J.: Die Vögel Kliebe, K. (2004a): Die Auswirkungen der Baden-Württembergs. Band 2.2. Ulmer Ver- Trockenlegung eines traditionellen Rast bio - lag, Stuttgart. tops auf das Rastverhalten der Zwerg- Büchele, J. (1860): Die Wirbelthiere der Mem- schnepfe Lymnocryptes minimus und nach minger Gegend. Beilage zum Jahresbericht dessen erfolgreicher Renaturierung. Orni- des naturhist. Vereins zu Augsburg. thol. Mitt. 56: 24–28. Glutz von Blotzheim, U., K. Bauer & E. Bezzel Kliebe, K. (2004b): Phänologie und Status der (1977): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Zwergschnepfe Lymnocryptes minimus unter Bd. 7. Akademische Verlagsgesellschaft, dem Aspekt des Wintervorkommens im Wiesbaden. Ohmbecken bei Marburg/Lahn. Ornithol. Hackel H. (1973): Artenliste der Unggenrieder Mitt. 56: 366–375. Vogelwelt. Naturwiss. Mitt. Kempten Jahr- Kraus, M. & W. Krauss (2002): Vom Durchzug gang 17, Folge 3: 27–37. der Schnepfen Lymnocryptes und Gallinago Hackel H. (1975): Die Vogelwelt des Unggen- im „Fränkischen Weihergebiet“ 1950 bis rieder Teichgebietes. Vogelbiotope Bayerns 2000. Ornithol. Anz. 41: 1–12. Dokumentation Nr. 6, Garmisch-Parten - Kroymann, B. (1968): Der Durchzug der kirchen. Schnepfen (Gallinago, Lymnocryptes, Scolopax) Hering J. & D. Kronbach (2007): Die Häufigkeit im Kreis Tübingen. Vogelwelt 89: 81–101. der Zwergschnepfe Lymnocryptes minimus Landbeck, C. (1855): Bemerkungen über die als Durchzügler und Wintergast in Südwest- Vögel des Mindel- und Kammelthales in Sachsen. Limicola 21: 257–286. Bayern. Naumannia 5: 73–88. Hermenau, B. & J. Oehmingen (1995): Zug und Sack, R. (1965): Beobachtungen von Zwerg- Winteraufenthalt der Zwergschnepfe – Lym - schnepfen, Lymnocryptes minimus (Brün- nocryptes minimus im Berliner Raum und im nich), am Süßen See. Beitr. z. Vogelkd. 10: Braunschweiger Hügelland in den Jahren 293–308. 1991 bis 1994. Berliner ornithol. Ber. 5:15–22. Walter, D. (1979–1998): Avifaunistische Kurz- Jeserich, E. (1966): Die Zwergschnepfe in Baden- mitteilungen aus dem Oberallgäu. Mitt. Württemberg. Jh. Ver. Vaterl. Naturkde. Naturwiss. Arbeitskr. Kempten 23–36. Württemberg 121: 254–263. Wüst, W. (1981): Avifauna Bavariae Bd. 1. Orni - Kliebe, K. (1973): Der Durchzug der Zwerg - thol. Gesellschaft Bayern, München. schnepfe Lymnocryptes minimus im Amöne - burger Becken bei Marburg/Lahn und seine Eingegangen am 7. Januar 2012 Beeinflussung durch landschaftliche Ver än - Revidierte Fassung eingegangen am 6. April 2012 derungen (Schluss). Luscinia 42:26–38. Angenommen am 28. April 2012

Josef Schlögel, Jg. 1960, Koch, Mitarbeit bei Brutvogelkartierungen und Wasservogelzählungen, Umsetzung von Naturschutzmaßnahmen. Dokumentation von Bestandsveränderungen besonders der Brutvögel im Unterallgäu. 48 Ornithol. Anz., 51, 2012

Anhang

Regelmäßige Winterbeobachtungen

Quellmoore: Je 1 am 31.1. und 5.3.1986 Benninger Ried 1–3 vom 6.1. bis 5.3.1993 bei Ungerhausen (bei Kontrolle im Dezember 1992 kein Ind. festgestellt) Je 1 am 21.1. und 11.2.1994 Benninger Ried (keine Kontrolle im Dezember 1993) 1–3 vom 23.1. bis 7.3.1994 bei Ungerhausen (bei Kontrolle im Dezember 1993 kein Ind. festgestellt) 1–4 vom 23.10.1994 bis 10.4.1995 bei Ungerhausen (bei Kontrolle im Januar 1995 kein Ind. festgestellt) 1 am 25.11.1994, 3 am 9.12.1994, 1–2 vom 13.1. bis 7.4.1995 Benninger Ried 1–3 vom 22.11.1994 bis 14.4.1995 bei Dietershofen 1–6 vom 24.10.1995 bis 26.3.1996 bei Dietershofen 1–4 vom 3.11.1996 bis 19.4.1997 bei Dietershofen (bei kurzer Kontrolle im Januar 1997 kein Ind. festgestellt) 1–3 vom 6.11.1995 bis 1.4.1996 bei Ungerhausen 1–5 vom 31.10.1997 bis 3.3.1998 bei Dietershofen (bei kurzer Kontrolle im Dezember 1997 kein Ind. festgestellt) je 1 vom 27.11.1997 bis 2.4.1998 bei Ungerhausen (bei Kontrolle im Dezember 1997 kein Ind. festgestellt) 1–3 vom 10.11.1998 bis 7.3.1999 bei Dietershofen (bei kurzer Kontrolle im Januar 1997 kein Ind. festgestellt) 2–3 vom 21.1. bis 19.2.2000 bei Dietershofen 1–2 vom 27.1. bis 25.2.2000 bei Ungerhausen (bei Kontrolle im Dezember 1999 kein Ind. festgestellt) 1–4 vom 26.10.2000 bis 27.3.2001 bei Dietershofen (bei kurzer Kontrolle im Januar 1997 kein Ind. festgestellt) 4 am 21.12.2000 und 3 am 8.1.2001 Benninger Ried 1–2 vom 10.12.2002 bis 8.2.2003 bei Dietershofen mind.1 zwischen 22.12.2002 und 19.1.2003 Benninger Ried 1–3 vom 26.11.2003 bis 18.2.2004 bei Dietershofen (bei Kontrolle im Dezember 2003 kein Ind. festgestellt) 1 von 29.1. bis 16.4.2006 Benninger Ried (keine Kontrolle im Februar) 1–2 von 28.12.2006 bis 24.1.2007 bei Dietershofen (keine Kontrollen Februar bis April) 1–2 von 18.11.2007 bis 16.3.2008 Benninger Ried (trotz Kontrolle 0 Ind. im Januar) 1–3 von 23.10.2007 bis 6.4.2008 bei Dietershofen 1–3 vom 23.11.2008 bis 20.3.2009 bei Dietershofen (am 7.1 + 6.2. 0 Ind., 1–2 am 15.+16.1., 1 am 27.2.) 1–3 vom 23.11.2008 bis 28.3.2009 Benninger Ried 1–3 vom 11.11.2009 bis 7.3.2010 bei Dietershofen 1–3 vom 8.11.2009 bis 18.1.2010 Benninger Ried 1–2 vom 27.10.2010 bis 11.3.2011 bei Dietershofen Niedermoor mit quellbeeinflussten Gräben: 1–2 vom 14.1. bis 22.4.1992 bei Pfaffenhausen (bei Kontrolle im Dezember 1991 kein Ind. festgestellt) 1–2 vom 15.11.2006 bis 8.3.2007 Tafertshofer Ried (trotz Kontrolle 0 Ind. im Februar) Streuwiese mit kleiner Quelle: Je 1 vom 19.11.1997 bis 10.2.1998 bei Kirchheim (im Dezember 1997 nicht kontrolliert) 1–5 vom 10.1. bis 21.4.1994 bei Westerheim 1–2 vom 5.1. bis 14.2.1998 bei Westerheim 2–6 vom 12.12.2000 bis 23.2.2001 bei Westerheim (bei kurzer Kontrolle im Januar 1997 kein Ind. festgestellt) Fließgewässer (kleiner Wiesenbach der im Rahmen der Flurbereinigung entlandet und mit Aufweitungen ver- sehen wurde. In Teilen quellbeeinflußt): Je 1 am 31.12.1991 und 21.1.1992 bei Tafertshofen Tümpelanlagen und benachbarte Gräben: Je 1 vom 16.10.1990 bis 12.3.1991 bei Babenhausen (bei kurzer Kontrolle im Dezember 1990 kein Ind. festgestellt) Je 1–2 vom 20.10.1991 bis 16.4.1992 bei Babenhausen (im Januar nicht kontrolliert) Je 1–2 vom 20.10.1992 bis 30.3.1993 bei Babenhausen (im Februar kein Ind. trotz gezielter Kontrolle) 2 am 29.10.1993, je 1 vom 30.10.1993 bis 5.3.1994 bei Babenhausen (bei kurzer Kontrolle im Dezember 1993 kein Ex. festgestellt) je 1 vom 17.12.1994 bis 1.4.1995 bei Babenhausen (bei kurzer Kontrolle im Januar 1997 kein Ind. festgestellt) je 1 vom 9.1. bis 23.3.1999 bei Inneberg Kiesgruben: Je 1 vom 24.1. bis 21.3.1989 bei Babenhausen 1–2 vom 5.1.1993 bis 31.3.1993 bei Erkheim (im Dezember 1992 nicht kontrolliert) 1–4 vom 31.10.2000 bis 19.3.2001 bei Erkheim (im Dezember 2000 nicht kontrolliert) 1 von 17.12.2004 bis 5.1.2005 bei Frechenrieden (keine Kontrollen im Februar und März) 1–2 von 9.11.2006 bis 3.2.2007 bei Frechenrieden (keine Kontrollen im Januar und März) 2 vom 4.1. bis 2.3.2008 bei Rummeltshausen (am 6.2. 1 Ind. an Günz S Lauben) Bach: 2–3 vom 26.11.2008 bis 28.3.2009 Mühlbach, Krebsbach und Günz S Lauben. Bauer: Wintervorkommen der Goldammer im Lkr. Aichach-Friedberg 49

Ornithol. Anz., 51: 49–64

Zum Wintervorkommen der Goldammer Emberiza citrinella im Landkreis Aichach-Friedberg (Bayern)

Uwe Bauer

On the winter population of Yellowhammer Emberiza citrinella in the administrative district of Aichach-Friedberg (Bavaria)

After preliminary surveys in winter 2009/2010, the wintering population of Yellowhammer Emberiza citrinella in the administrative district of Aichach-Friedberg (Bavaria) was systematically recorded from November 2010 to March 2011, including the relevant winter period from December 2010 to February 2011. The survey covered an area of about 780 km2 comprising 207 of the 234 vil- lages/towns in the administrative district. The main results can be summarized as follows: • In the total period from November 2010 to March 2011 a total of 3,335 Yellowhammers was counted, 2,668 of these between December 2010 and February 2011. • Ratio of males to females (“female coloured”): 1:2.5 (n = 791 individuals). • Average size of flocks: 24.7 individuals (n = 84 swarms); if the biggest swarm of 269 individuals is included the average size amounts to 35.4. • 17 different categories of feeding sites were recognized; of vital importance were sites with horses, farmyards, non-harvested grain fields, arable fields, silos for maize, fallow land (maize), bird feeders, cereal stubble fields, enclosures for fallow deer, feeding sites for pheasants and ruderal areas. Fluctuations of Yellowhammers have been observed during the course of the survey. The effect of changing use of farmland on the wintering of Yellowhammers is discussed.

Key words: Yellowhammer, Emberiza citrinella, winter ecology, farmland, feeding sites.

Dr. Uwe Bauer, Schrofenstr. 33, D-86163 Augsburg E-Mail: [email protected]

Einleitung Für den Landkreis Aichach-Friedberg (AIC) erscheint mir die Goldammer als noch nicht Der Bestand der Goldammer in ihrem europäi- gefährdet. Ob sie gegenüber früheren Jahr zehn - schen Brutgebiet wird als weitgehend stabil an- ten abgenommen hat, lässt sich mangels Daten gesehen; nach den europäischen Gefähr dungs - nicht entscheiden. Auch fehlen systematische kategorien wird die Art als secure (S) eingestuft Erfassungen des Winterbestands. Solche Unter - (Bauer & Berthold 1996). Jedoch wird aus vielen suchungen sind insofern wünschenswert, als Teilbereichen von einer mehr oder minder star- die noch günstigen Bedingungen während der ken Abnahme berichtet (Glutz von Blotzheim Brutperiode die Frage aufwerfen, ob die Nah- 1997, Bauer & Berthold 1996, Gatter 2000). Nach rungssituation während der Wintermonate Sudfeldt et al. (2010) zeigt der Trend für Deutsch- einen Engpass für die Population darstellt. land zwischen 2004 und 2008 eine leichte Ab- Angaben zur Winterökologie der Goldammer nahme von < -20%. Im Brutvogelatlas Bayerns finden sich bei Bauer, Boschert & Hölzinger (Bezzel et al. 2005) wird die Art als gefährdet ein- (1995), Dehner & Dornberger (1992), Dornber - gestuft. Als Ursache der Bestand rückgänge wird ger (1982), Härdi (1989), Lille (1996) und allgemein die Intensivierung der Landwirtschaft, Wallgren (1956). aber auch eine Ver schlech terung des Nahrungs - Aus vier unterschiedlichen Gebieten des angebots im Winter angesehen. Landkreises Aichach-Friedberg liegen bisher 50 Ornithol. Anz., 51, 2012

Tab. 1. Siedlungsdichte-Untersuchungen der Goldammer im Landkreis Aichach-Friedberg. – Popu - la tion density of Yellowhammers in the Aichach-Friedberg district.

Siedlungsdichte Ort/Habitat Jahr Untersucher 1,97 Reviere/10 ha auf 600 ha Ecknachtal/Bachwiesental 2000 Czermak 2001 1,59 Reviere/10 ha auf 100,7 ha Weilachtal/Bachwiesental 2001 Czermak 2003 1,9 Reviere/10 ha auf 180 ha Rederzhauser Moos, 2009 Bauer, unveröff. ca. 80%Wiesen 0,51 Reviere/10 ha auf 428 ha Friedberger Au, Feldflur mit 2010 Bauer& Mitarbeiter, ca. 80% Ackeranteil unveröff.

Siedlungs dichte-Untersuchungen vor (Tab. 1). 7731 Mering und teilweise 7732 Mammendorf Mit den Kenntnissen über die Brutzeitvor kom - beobachtet. Im Winter 2010/2011 wurden bei 54 men lassen sich die Winterdaten besser einordnen. Begehungen von November 2010 bis 30. März 2011 die Erhebungen dann zusätzlich auf die Untersuchungsgebiet Bereiche der MTB 7431 Thierhaupten, 7432 Pöttmes und 7533 Kühbach ausgedehnt und Der Landkreis Aichach-Friedberg (AIC) hat eine somit der gesamte Landkreis erfasst, wobei als Fläche von 78.000 ha bei einer Einwohnerzahl Wintermonate November bis Februar angese- von 128.180, das sind 163 Einwohner/km2, und hen wurden. Die Beobachtungen fanden auch weist 24 Gemeinden mit insgesamt 234 Orten noch im März statt. auf. Abzüglich der beiden Städte und der fünf In der Regel wurden die einzelnen Bereiche Märkte liegt die Durchschnittsgröße der übri- der MTB mit dem Auto aufgesucht und gen Ortschaften etwas über 2.000 Einwohner. anschließend mit dem Fahrrad systematisch Dies ist für das Wintervorkommen der Gold - abgefahren, meist halbtags bei einer durch- ammer insofern wichtig, als kleine Siedlungen schnittlichen Wegstrecke von 30 bis 40 km. Es wesentlich zahlreicher frequentiert werden als wurden ungefähr 3.000 km mit dem Fahrrad be- große. Neben Klima und Höhenlage sind die wältigt. Bei Bedarf wurden dabei auch Strecken Bodendeckung und ihre Bewirtschaftung für zu Fuß zurückgelegt. Während im Winter das Brut- und Wintervorkommen von Be deu - 2009/2010 kaum im Inneren von Ortschaften tung. Der Ackeranteil beträgt 56%, davon 11% beobachtet wurde, unterzog ich diese Bereiche kleinteilig, der Grünlandanteil beläuft sich auf im Winter 2010/2011 einer gezielten Kontrolle. 4,8% und der Waldanteil auf 22%, derjenige der Auch konnte ich zwei Beobachter (E. Kretsch - Siedlungs- und Verkehrsflächen auf 4,8%. Die mer, T. Scholze) gewinnen, die im Innenbereich Höhenlage liegt zwischen 400 und 550 m ü. NN. (Ecknach, Rederzhausen) an Vogelfutterstellen Die mittlere jährliche Niederschlagsmenge beobachteten, und einen Beobachter (J. Birn- be trägt 725 mm. Das Maximum der Nieder - dorfer), der in der Stadt Aichach aufzeichnete. schläge liegt im Juli, das Minimum im Februar. Weitere vier Beobachter (H. Demmel, H. G. Die mittleren Temperaturen im Januar betragen Goldscheider, G. Herzog) lieferten mir Beobach - -2,5°. Frosttage sind an 110 bis 120 Tagen, tungsdaten, davon ein Mitarbeiter (R. Krogull), Schneefalltage sind durchschnittlich 40/Jahr der in der Feldflur bei Ried einen großen Win - (alle Angaben aus: Arten- und Biotopschutz pro - terschwarm regelmäßig kontrollierte. gramm Bayern, Landkreis Aichach-Friedberg, Für die Erfassungen im gesamten Land kreis Stand September 2007). erwiesen sich die Voruntersuchungen im Winter 2009/2010 als sehr hilfreich, da ich die bevor- Methode zugten Nahrungsplätze der Goldammern ken- nen lernte, aber auch jene Bereiche, wo sich Zunächst wurde im Winter 2009/2010 auf einer keine Goldammern aufhielten: alle Waldungen, Fläche von ca. 380 km2 zwischen dem 22. De- ausgedehnte Ackerfluren, besonders bei Schnee- zember 2009 und dem 18. März 2010 im Bereich lage und die meisten Hecken im Außenbereich der Messtischblätter (MTB) 7631 Augsburg, in den Monaten November bis Februar. Außer- 7531 Gersthofen, 7632 Dasing, 7532 Aichach, dem lernte ich die Örtlichkeiten besser kennen. Bauer: Wintervorkommen der Goldammer im Lkr. Aichach-Friedberg 51

Alle Goldammer-Ansammlungen wurden Innenbereiche größerer Siedlungen (etwa ab nach Geschlechtern ausgezählt; Schätzungen 3.000 Einwohner), bei Schneelage auch die meis- wurden vermieden. Männchen waren in der Re - ten Ackerbereiche (schätzungsweise 80–90%) gel ohne Schwierigkeiten zu bestimmen, hinge- wurden offenbar völlig gemieden. Das Verhalten gen war es kaum möglich, Jungvögel und Weib- der Ammern, sich an bestimmten Futterstellen chen ausreichend zu trennen bzw. auszuzählen, im Schwarm einzufinden, erleichterte die Erfas - sodass den erfassten Männchen die weibchen - sung wesentlich, nachdem die einzelnen Futter- farbenen Exemplare gegenübergestellt wurden. habitate bekannt waren. Die Ermittlung des Anteils der Ge schlech ter ge - Die Wetterdaten wurden aus der „Augs bur - lang in der Regel bei kleinen Ansammlungen, ger Allgemeinen Zeitung“ entnommen, zu sätz - jedoch nicht für größere Schwärme. Hier wurde lich wurde das lokale Wettergeschehen täglich ein Teil der Individuen ausgezählt und das registriert. Verhältnis Männchen zu weibchenfarbenen Exemplaren ermittelt. Aufgrund der Färbung, Ergebnisse des unbelaubten Zustands der Hecken und Bäume, der Neigung zur Schwarm bildung, der Goldammerbeobachtungen im Winter 2009/2010 Konzentration an be stimmten Nahrungsplätzen Der Winter 2009/2010 war in Bezug auf das und des bevorzugten Aufenthaltes nach dem langjährige Mittel etwas zu kalt, der kälteste Auffliegen auf die obersten Etagen der Bäume Monat war der Januar, es gab geringfügig zu und Hecken, wurde das Auffinden der Tiere viel Niederschlag gegenüber dem langjährigen wesentlich erleichtert. Auch wurde notiert, wo Mittel und nur 60% des 30-jährigen Durch- keine Ammern angetroffen wurden, um das schnittswertes der Sonnenscheindauer wurden Verbreitungsmuster zu erkennen. erreicht. Alle naturräumlichen Untereinheiten konn- Die Erhebungen hatten stichprobenartigen ten erfasst werden, von den 234 Orten (Siedlun - Charakter. Es wurden 451 Individuen registriert gen) wurden 207 wenigstens einmal im Winter mit einer durchschnittlichen Schwarmgröße aufgesucht, bei den restlichen 27 zumindest die von 26,5 Individuen (n=14). Es lassen sich Umgebung derselben. Einige Gebiete wurden bereits solche Nahrungsplätze ausmachen, die regelmäßiger kontrolliert, um die Ortsbe we gun - ebenfalls im Winter 2010/2011 nachgewiesen gen der Ammern besser erfassen zu können. Bei wurden (s. unter Nahrungshabitate). Bemer- jeder Begehung wurde auch protokolliert, wo kenswert ist, dass sich an allen aufgeführten keine Ammern festgestellt wurden. Mindestens Beobachtungsorten auch im Winter 2010/2011 einmal wurde an zuvor negativen Orten eine Ammern einfanden. Kontrolle durchgeführt. Die Voruntersuchungen im Winter 2009/2010 waren insofern hilfreich, Goldammerbeobachtungen im Winter 2010/2011 als Verbreitungs muster –zumindest für Teil be - Im Dezember lag an 29 Tagen Schnee, bereits reiche – ausgemacht werden konnten. Wälder am 1.12. 6,5 cm Schneelage, die bis zur Monats- (22% der Landkreisgesamtfläche), die meisten mitte auf mehr als 11 cm anwuchs. Kältester

Tab. 2. Wetterdaten von Oktober 2010 bis März 2011. – Weather data from October 2010 to March 2011 (Station: Friedberg).

Monat Temperatur/l M Sonnenscheindauer/l M Niederschlag/l M Oktober 7,4°/8,4° 112,7 Stunden/116,1 St. 21,8 mm/47,5 mm November 4,5°/3,1° 66,4 Stunden/62,7 St. 60,8 mm/52,7 mm Dezember -2,7°/-0,3° 27,8 Stunden/48 St. 96,3 mm/43,0 mm Januar -0,2°/-1,5° 45,7 Stunden/55,8 St. 31,8 mm/37,0 mm Februar 0,9°/-0,1° 74,6 Stunden/82,1 St. 11,1 mm/38,8 mm März 4,7°/3,5° 186,3 Stunden/125,9 St. 34,5 mm/35,2 mm l M = langjähriges Mittel 52 Ornithol. Anz., 51, 2012

Dezembertag war der 4. mit -20,4° (Tab. 2). Im durchgeführt. Die Nullbeobachtungen in Zu - Januar wechselte deutliche Kälte mit unge- sammenhang mit den positiven Feststellungen wöhnlich lauen Temperaturen ab; vom 9. bis 17. lassen für alle Wintermonate die ermittelte herrschte milderes Wetter mit zeitweise Regen Gesamtzahl in einer durchaus realistischen bei Verschwinden der Schneedecke. Danach Größenordnung zum realen Gesamtbestand im erfolgte jedoch ein deutlicher Temperatur rück - Winter 2010/2011 erscheinen (Tab. 3). gang mit Schneefall. Dezember 2010. Bei elf Begehungen in 16 ver- Oktober 2010. Zwischen dem 5. und 28.10. wur- schiedenen Gebieten im Bereich der MTB 7731 den auf fünf stichprobenartigen Begehungen in Mering, 7631 Augsburg, 7531 Gersthofen, 7431 sechs verschiedenen Gebieten im Bereich der Thierhaupten, 7632 Dasing und 7532 Aichach MTB 7631 Augsburg und 7632 Dasing 71 In di - wurden 868 Individuen gezählt (Abb. 1). viduen festgestellt: Einzeltiere, Paare und kleine Bei der Futtersuche zeigten sich eindeutige Gruppen. Von 46 ausgezählten Exemplaren Tendenzen: zu der zuvor weitgehend genutzten waren 20 Männchen und 26 Weibchenfarbige. Feldflur kamen Örtlichkeiten hinzu, die sich in Für die einzelnen Gebiete ergaben sich folgende der landwirtschaftlichen Nutzung unterschie- Summen beobachteter Tiere: 3, 5, 7, 8, 8, 9, 10 den, wie Pferdehaltungen, Brachen, Stellen, an und 21. Es handelt sich um Mindestzahlen. Es denen Futter leicht erreichbar war, wie Fütte - fiel auf, dass Heckenbereiche, also die rungen und Futtervorkommen (vorwiegend Brutgebiete, bereits von den Ammern geräumt wohl Körner) am Boden. wurden und sich Hinweise ergaben, dass vor- 7x Pferdehaltung, 7x Vogelfütterung, je wiegend die offene Feldflur aufgesucht wurde. 4x Bauernhof und Acker, 3x Feldflur, je 2x nicht abgeerntetes Getreidefeld und Silo, je November 2010. Bei sechs Begehungen in sieben 1x Raiffeisenlagerplatz, Schweinemastbetrieb, räumlich deutlich voneinander unterschiedenen Stoppelfeld, Maisackerbrache, Dauerweide und Gebieten im Bereich der MTB 7631 Augsburg, Damhirschgehege. 7632 Dasing, 7731 Mering und 7732 Mam - mendorf wurden 436 Individuen festgestellt. Januar 2011. Bei 14 Begehungen in 21 räumlich Die beiden größten Schwärme wurden bei deutlich voneinander unterschiedenen Gebie - geschlossener Schneedecke beobachtet. Auch ten im Bereich der MTB 7631 Augsburg, 7531 jetzt gelangen in zusammenhängenden Hecken - Gersthofen,7431 Thierhaupten, 7432 Pöttmes, bereichen bzw. Brutgebieten (z. B. östlich 7433 Schrobenhausen, 7632 Dasing, 7532 Tödtenried/Sielenbach im Ecknachtal, in der Aichach und 7732 Mammendorf wurden 1028 Umgebung westlich Mering, um Rohrbach und Goldammern festgestellt (Abb. 2): Ottmaring) keine oder kaum Goldammer beob - 12x Bauernhof, 8x Pferdehaltung, 7x Vo - achtungen. Die beiden größten Ansammlungen gelfütterung und 5x Feldflur, 4x Acker und Silo, befanden sich auf nicht abgeernteten Getreide - je 2x nicht abgeerntetes Getreidefeld und brachen, ansonsten wurde Nahrung auf Rude- Ruderalflur, je 1x Damhirschgehege, Stoppel- ral- und Brachflächen, Äckern, auch frisch feld, Fasanenschütte, Maisackerbrache und umgepflügten, auf gras- und krautbewachsenen Schafstall. Flächen gesucht. 3x Feldflur (Hecken), 2x nicht abgeerntetes Februar 2011. Bei 16 Begehungen in 19 räum- Getreidefeld, je 1x Pferdehaltung, Acker und lich deutlich voneinander unterschiedenen Ruderalflur. Offenbar war das Nahrungsan - Gebieten im Bereich der MTB 7631 Augsburg, gebot noch breit gefächert, was sich darin zeigt, 7531 Gersthofen, 7431 Thierhaupten, 7732 dass später häufig aufgesuchte Nahrungs- Mammendorf, 7632 Dasing, 7532 Aichach, 7432 quellen jetzt noch nicht bevorzugt aufgesucht Pöttmes und 7533 Kühbach wurden 772 Indi- wurden, obwohl die Verfügbarkeit von Nah- viduen festgestellt (Abb. 3). rung dort bereits gegeben war. Obwohl immer noch die gleichen Örtlich- Regelmäßig wurde protokolliert, wo keine keiten zur Nahrungsaufnahme aufgesucht wur- Ammern festgestellt wurden. Kontrollen an den, fällt nun der höhere Anteil in der Feldflur zuvor mit negativem Ergebnis kontrollierten auf, was auf das Aufsuchen der späteren Orten wurden regelmäßig in einigen Bereichen Brutreviere (Heckenbereiche) hinweist. Bauer: Wintervorkommen der Goldammer im Lkr. Aichach-Friedberg 53

Tab. 3. Null-Beobachtungen von Goldammern bei Begehungen von Dezember 2010 bis Februar 2011 (Auswahl). – Zero-Values. km oder Anzahl Orte mit Null- (o) Gesamtzahl Beobachtungs- km2/Begehung und Positiv- (+) Goldammern/ gebiet Nachweis/Begehung Begehung 5 km2 1xo, 6x+ 60 mittleres Paartal 12 km2 5xo, 3x+ 52 mittleres Paartal 12 km2 7xo, 4x+ 80 nördl. Paartal 3,5 km2 1xo, 2x+ 46 oberes Ecknachtal 20 km 2xo, 6x+ 166 Ecknach- u. Schneitbachtal 11 km 6xo, 3x+ 6 nördl. Lechtal 31 km 6xo, 2x+ 112 nördl. Lechtal u. östlich davon 0,5 km2 3xo, 1x+ 35 mittleres Lechtal 16 km2 5xo, 1x+ 66 südl. Lechtal 3 km2 4xo, 3x+ 96 zwischen Lech- u. Paartal 9 km2 4xo, 1x+ 1 südl. Aichacher Hügelland 30 km 11xo, 2x+ 43 westl. Aichacher Hügelland 30 km 4xo, 1x+ 58 südöstl. Aichacher Hügelland 32 km 7xo, 2x+ 41 östl. Aichacher Hügelland 30 km 5xo, 1x+ 58 Südl. Aichacher Hügelland 35 km 5xo, 5x+ 15 Mittleres Aichacher Hügelland 32 km 4xo, 4x+ 78 nordwestl. Aichacher Hügelland 41 km 1xo, 8x+ 121 nördl. Friedberger Au 47 km 8xo, 1x+ 7 südl. Friedberger Au 41 km 0xo, 7x+ 117 Friedberger Au u. nördl. 32 km 6xo. 4x+ 86 Aindlinger Terrassentreppe 34 km 7xo, 5x+ 143 Aindlinger Terrassentreppe 17 km 7xo 0 Fürstenfeldbrucker Hügelland 25 km 8xo,2x+ 32 Weilachtal 10 km 6xo, 3x+ 114 Steinachtal 3,5 km2 1xo, 6x+ 100 Donaumoos

18x Feldflur, 8x Pferdehaltung, 8x Bauern - >50 Individuen betrug, war am 23.3. auf 30 Indi - hof, je 3x Acker, Maisackerbrache und Fasa - viduen zurückgegangen, auch in der Lech ebene nenschütte, 2x Ruderalflur, je 1x nicht abgeern- wurden auf weiten Strecken, wo zuvor Schwär - tetes Getreidefeld, Dauerweide, Silo, Dam- me auftraten bis auf den 30.3. (36 Individuen) hirsch gehege, Vogelfütterung und Schafstall. keine Ammern mehr gesichtet. Wurden größere Beobachtungszahlen in einem begrenzten Be - März 2011. Bei 18 Begehungen in 22 räumlich reich ermittelt, fanden sich die Ansammlungen deutlich voneinander unterschiedenen Gebie - verteilt über das Gebiet: z. B. im Donaumoos bei ten wurden im Bereich der MTB 7631 Augsburg; Grimolzhausen waren von 38 Exemplaren 19 auf 7531 Gersthofen, 7732 Mammendorf, 7632 Ackerflächen, 10 in Hecken und 9 an einer Fasa - Dasing, 7532 Aichach und 7432 Pöttmes 251 nenschütte. Von 27 Exemplaren bei Friedberg-St. Individuen registriert. Afra verteilten sich 13 auf Hecken und 14 fraßen Jetzt wurden vorwiegend kleine Ansamm - an einem Pferdemisthaufen. lungen unter 10 Individuen festgestellt (n = 19 16x Feldflur (Hecken), 5x Acker, 3x Streuobst - Orte), und zwar vorwiegend im Hecken bereich; wiese, 2x Fasanenschütte, je 1x nicht abgeernte- der Winterschwarm bei Ried, der am 8.3. noch tes Getreidefeld, Silo und Pferdehaltung. 54 Ornithol. Anz., 51, 2012

Abb. 1–3. Ergebnisse der Goldammer-Erfassung im Landkreis Aichach-Friedberg. Abb. 1: Dezem - ber 2010, Abb. 2: Januar 2011, Abb. 3: Februar 2011. – Results of Yellowhammer mapping in the Aichach- Friedberg district. Fig. 1: December 2010, Fig. 2: January 2011, Fig. 3: February 2011. Bauer: Wintervorkommen der Goldammer im Lkr. Aichach-Friedberg 55 56 Ornithol. Anz., 51, 2012 Bauer: Wintervorkommen der Goldammer im Lkr. Aichach-Friedberg 57

Durchgehende Beobachtungen an Vogel fut ter- schwanden um den 5./6.2. nach deutlichem plätzen. Die Erhebungen an Vogelfutterplätzen Temperaturanstieg ab 6.2. Auch am Vogelfutter - lassen erkennen, dass die Goldammer Innen- haus in Ecknach wurden nach dem 5.2. keine bereiche von Orten zur Futtersuche unterpro- Ammern mehr beobachtet. Hier waren Ammern portional aufsucht. So hatte der Autor an sei- ca. zwei Monate anwesend. nem Futterplatz im Garten in Augsburg-Hoch- zoll nur eine einzige Feststellung: am 4.12.10 Nahrungshabitate. Die nachgewiesenen Nah - erschien 1 bei Schneelage, fraß eher hastig vom rungsplätze der Erhebungen vom 22.12.2009 bis angebotenen Weizen und verschwand bald da- 18.3.2010 waren: 9x Feldflur (Hecken) – hier, wie rauf. Die nächsten Vorkommen liegen ca. 10 km auch im folgenden Winter, nicht immer beim Luftlinie südöstlich im Lkr. AIC. Die dazwi- Fressen beobachtet –4x Acker, je 3x Silo und schenliegenden Flächen wurden regelmäßig bei Ruderalflur, je 2x Bauernhof und Pferdehaltung, Kontrollen frequentiert. je 1x Dauerweide und Entenanfütterung (Abb. 4). An den von Mitarbeitern betreuten und kon trollierten Vogelfutterplätzen in vier Ort - Die Effektivität der einzelnen schaften wurden lediglich Maximalzahlen von Nahrungsplätze 3, 3, 12 und 20 Individuen beobachtet. Der Be- such der Futterplätze war stark von der Witte- Bauernhof. Immer noch erwiesen sich Bauern - rung abhängig: die Ammern erschienen meist höfe als wichtige Nahrungslieferanten, vor bei Schneelage und verschwanden bei Wetter- allem, wenn noch offene Misthaufen vorhanden besserung. Dieses Verhalten der Ammern konn- waren. Auch wurden Ammern bei der Nah- te auch an einem seit ca. 20 Jahren besetzten rungsaufnahme auf dem Boden beobachtet, wo Futterplatz beobachtet werden. verschüttetes Futter (vor allem Getreidekörner) Die Verweildauer am Vogelfutterhaus in zur Verfügung stand. Eindeutig war die Be vor - Rederzhausen betrug 72 Tage (mit tageweisen zugung von Bauernhöfen in Ortsrandlage oder Unterbrechungen bei fehlender Schneelage). im Außenbereich. Hier kam die Neigung der Die Ammern erschienen mit dem ersten Schnee- Gold ammer, den geschlossenen Sied lungs raum fall, dies war am 27. November der Fall, ver- weitgehend zu meiden, deutlich zum Vorschein.

/ Nahrungsplatz Anzahl / Goldammern 30 28 177 600 Abb. 4: Anzahl kartierter Nahrungs- 24 244 plätze und dort nachgewiesener 23 481 Goldammern von Dezember 2010 15 173 11 253 bis Februar 2011. – Number of observ- 6 251 450 ed feeding places and Yellowhammers 5 476 20 5 179 recorded there from December 2010 to 5 101 February 2011. 570 3 148 300 2 135 6 121

Anzahl Plätze 10 Anzahl Goldammern 150

0 0 Silo Acker Sonstige Bauernhof Ruderalflur Stoppelfeld Getreidef. Pferdehaltung Nicht abgeernt. Vogelfutterhaus Fasanenschütte Maisackerbrache Feldflur (Hecken) Damhirschgehege 58 Ornithol. Anz., 51, 2012

Pferdehaltung. Sowohl Zahl der Nahrungs- auf hohen Bäumen und nicht am Futterplatz plätze als auch Anzahl der angetroffenen Exem - registriert wurde, und an einem Futterhaus in plare weisen diese Orte als eine der wichtigsten einem Hausgarten (Ried), wo kaum Individuen Überwinterungs- bzw. Nahrungsplätze aus. Be- am Futterhaus erschienen, obwohl ca. 300 m ent- sonders bei Schneelage fanden sich regelmäßig fernt monatelang bis über 70 Individuen in einer Ammern ein, wobei hier Hafer als Nah rungs - Getreidebrache sich ernährten. Hasse (1995) er - grund lageleicht erreicht werden konnte. Regel - wähnt ausdrücklich, dass Winterfutterhäuschen mä ßiges Einfliegen in offene Ställe zur Nah - nur ausnahmsweise und sehr ängstlich beflogen rungsaufnahme und Nahrungssuche auf dem werden. Trotzdem sind Futterhäuschen als Nah- Boden waren augenfällig. Mit der Zu nah me der rungsquelle nicht unbedeutend, vor allem bei Pferdehaltung in den letzten Jahrzehn ten hat Schneelage. sich somit ein wichtiger Nahrungsplatz im Win- ter entwickelt, der den Rückgang der offenen Acker. Goldammern wurden auf nach der Ernte Misthaufen (auch bedingt durch Hof auf gabe) bearbeiteten oder brachliegenden Äckern beob- ganz offensichtlich kompensieren konnte. achtet. Der Großteil der Ackerflächen wird im Feldflur und Hecken. Dieser Brutzeit lebens - Winter infolge mangelnder Zugänglichkeit bei raum lag in den Wintermonaten Dezember bis Schneelage und offenbar unzureichender Nah- Februar mit 28 gefundenen Nahrungsplätzen an rung nicht genutzt; dies gilt sowohl für Ge - der Spitze derselben, erreichte jedoch mit 177 treide- als auch Mais- und Hackfruchtäcker (zur Exemplaren nur Rang 7 der in den Nahrungs - Eignung von Maisäckern s. unten). Äcker wer- habitaten nachgewiesenen Ammern. Der deutli- den meist dann besucht, wenn kurz zuvor eine che Anstieg im Februar und vor allem März (hier Bearbeitung stattfand (z. B. Pflügen, Einsaat, ge - mit 16 Ortsnachweisen, vorwiegend) zeigt an, legentlich Ausbringen von Stallmist) oder wenn dass vermehrt die zukünftigen Brut bereiche auf- sie seit der letzten Ernte unbearbeitet blieben. gesucht wurden. Bei der Nahrungssuche wur- Bei einem Ackeranteil von 56% der Landkreis - den deutlich weniger Ammern beobachtet, was fläche, erscheint der Nachweis von 9 bzw. 15 darauf hindeutet, dass die Bereiche vorwiegend fest gestellten Nahrungsplätzen niedrig. zum Verweilen, zum Schutz und zur (vorü- bergehenden) Revier besetzung aufgesucht wur- Ruderalflur. Der offensichtliche Mangel an den. Besonders bei Schneelage scheint dieser Be- bestandsbildenden Ruderalfluren zeigt sich in reich wenig ergiebig für die Nahrungs suche zu der geringen Anzahl von fünf gefundenen sein. Große Heckenbereiche sind im Winter Plätzen mit nahrungssuchenden Ammern. meist völlig frei von Goldammern. Entstehen je doch neue Ruderalfluren bei größe- ren Bodenbearbeitungen (z. B. Wegebau), wer- Vogelfutterhaus. Von dieser Nahrungsquelle ist den diese Stellen offenbar wegen des Samen- sicherlich nur ein Bruchteil erfasst, da vorwie- angebotes gezielt aufgesucht. So fanden sich im gend auf Privatgebiet der Zugang erschwert war Winter 2009/2010 und 2010/2011 auf Ruderal- bzw. die Futterhäuser nicht gefunden wurden. flächen zwischen Haberskirch und Dasing Bei den meisten Futterhäusern, die kontrolliert neben der A 8 Ammern jeweils dort ein, wo wurden (beim Durchfahren von Ortschaften zuvor Erdarbeiten in Zusammenhang mit dem wurden in der Regel jeweils einige Futter häuser Autobahn ausbau durchgeführt wurden. entdeckt), fanden sich keine Goldammern, alle im Innenbereich von Siedlungen. Die beiden ein- Nicht abgeerntetes Getreidefeld. Im Wesent - zigen mit beachtlichen Ansammlungen lagen im lichen waren es nur vier Getreidebrachen, die Siedlungs-Außenbereich. So mit muss einschrän- die Höchstzahl aller festgestellten Ammern auf- kend vermerkt werden, dass Vogelfutterhäuser wiesen. Es handelte sich um Getreideäcker, die nicht in dem Maße genutzt werden entsprechend aus unbekannten Gründen nicht abgeerntet wur- dem Angebot. Hier kommt wieder die Neigung den. Hier fanden sich auch die größten Schwär- zum Vorschein: Innenbe reiche von Siedlungen me ein. Diese Getreidebrachen haben aber werden gemieden. Sehr gut zeigte sich dies an nichts mit der derzeit üblichen landwirtschaft- einem kontrollierten Futter platz im Innenbereich lichen Nutzung zu tun, ebenso wie die zwei einer Ortschaft (Ecknach), wo die größere Anzahl gefundenen Stoppelfelder. Bauer: Wintervorkommen der Goldammer im Lkr. Aichach-Friedberg 59

Maisackerbrache. Auch diese Art der Acker - wurde durch die Möglichkeit, auf kurzem Weg brache leistete ihren Beitrag zur Winternahrung die nächste Deckung erreichen zu können, deut- und sollte eigentlich wegen der Zunahme des lich erhöht. In der Regel waren dies Hecken und Maisanbaus auch im Landkreis AIC noch einen besonders Bäume, bei letzteren wurden hohe höheren Anteil der Winternahrung haben. Hier bevorzugt. Dieses Schutzbe dürfnis scheint in zeigten sich Unterschiede, in welcher Form der einigen Fällen verhindert zu haben, anscheinend Mais zuvor geerntet wurde: es handelte sich um günstige Nahrungsplätze ohne das Vorhanden- Maisäcker, bei denen Körnermais zur Viehfütte - sein von Hecken und Bäumen aufzusuchen. Pen- rung geerntet wurde und bei denen die Mais - deln zwischen den einzelnen Nahrungsplätzen pflanzen nicht bis zum Boden herab entfernt konnte regelmäßig festgestellt werden, ebenso werden wie bei der Gewinnung für Silagen und (meist vorübergehende) Aufgabe des Futter plat - Biogasanlagen (Diskussion). zes, manchmal ausgelöst durch Präda tion (Sperber, Turmfalke und einmal Wanderfalke). Fasanenschütte. Die von mir kontrollierten Über den gesamten Landkreis waren Bereiche waren alle mit Hafer bestückt und damit für aus zumachen, die als Winterreviere eines die Goldammer als Nahrungsplatz optimal. Schwarms über längere Zeiträume bezeichnet Sicher lich habe ich nur einen Teil dieser Fut - werden können. Dies gilt für kleine und größere terquellen gefunden. Streng genommen wür- Ansammlungen. So konnte ich neben der obliga- den die Fasanen schütten unter die Rubrik ten Schwarmbil dung auch regelmäßig kleine Winterfutterplätze fallen, stellen aber einen Ansammlungen unter zehn Individuen, auch Sonderfall dar und sind wegen ihrer Lage im Einzelvögel, antreffen, obwohl nicht weit entfernt Außenbereich besonders attraktiv. Dornberger ein Schwarm sich aufhielt. (1982) hebt hervor, dass bei Nahrungseng- Beispiele Winter 2010/2011: Zwischen Ried pässen in Verbindung mit Wettereinflüssen und Holzburg wechselte ein Schwarm von Dreschabfälle, von Jägern für das Niederwild durchschnittlich 50 Individuen über eine Dis- ausgebracht, ausreichend Überlebensmöglich- tanz von 4,5 km Luftlinie. Hierzu wurden die keiten bieten. Futterplätze (Reitstall, Silo und Vogelfutter- platz in Holzburg und Brachfelder mit nicht Silo. Es ist erstaunlich, dass Silos nicht öfters abgeerntetem Getreide in Ried) jeweils zeitlich angenommen wurden ob ihrer Verbreitung und getrennt aufgesucht und Anwesenheit und Zugänglichkeit. Ein Grund könnte sein, dass Fehlen an einem der beiden Orte notiert. Es viele ohne Deckungsmöglichkeit in der Feldflur fanden auch simultane Beobachtungen durch liegen. Oder es könnte auch an der unterschied- den Autor und den Mitarbeiter R. Krogull statt. lichen Zusammensetzung liegen, da beim Gras - Die meiste Zeit hielten sich die Ammern jedoch silo wohl kaum Nahrung für die Goldammer zu bei Ried auf, wo in der Nähe ein dichter erwarten ist. Heckenkomplex als Ruhe- und Schlafplatz auf- gesucht werden konnte. Die Verweildauer von Damhirschgehege. Es wurden vier Gehege bis zu ca. 70 Indivi duen betrug bei Ried min- gefunden, von denen drei von Ammern besucht destens 86 Tage vom 28.12 bis 23.3., wobei am wurden, zwei davon mit 36 und 101 Ammern. 8.3. >50 und am 23.3. noch 30 Individuen fest- gestellt wurden. Ganzjahresweide, Schweinemastbetrieb, Schaf - In der Friedberger Au (Lechebene) nördlich stall und Raiffeisenlagerplatz. In allen vier des Friedberger Sees bis zur A 8 bzw. westlich Fällen handelt es sich um Einzelobjekte mit insge- der Ortschaften Wulfertshausen und Stätzling samt 118 Individuen. wur den bis zu maximal 100 Individuen im We - sentlichen an Pferdehaltungen, Silos, Dam- Ortsbewegungen und Verweildauer hirschgehege, Silageabfall- und Misthaufen und Tagsüber waren die Nahrungsplätze ausschlag- Getreidebrache beobachtet. Hierbei wurden Ent - gebend für das Vorkommen der Ammern. Hier fernungen bis zu 3 km Luftlinie zurückgelegt. konzentrierten sich die Ansammlungen. War das Die Nahrungsbereiche wurden von der Lechleite Futteraufkommen ausreichend, wurden mög- im Osten und der Umgehungsstraße im Westen lichst keine großen Ortsbewegungen durchge - bzw. vom Siedlungsbereich der Stadt Augsburg führt. Die Attraktivität eines Nahrungs platzes begrenzt. Die mir bekannten Futterplätze wur- 60 Ornithol. Anz., 51, 2012 den jeweils vollständig während einer Beobach - Schwarmgröße tungstour mit dem Fahrrad abgefahren und An - Von Dezember bis einschließlich Februar wurde wesenheit oder Fehlen von Ammern sofort no- eine durchschnittliche Schwarmgröße von 24,7 tiert. Die Verweildauer von bis zu 70 Individuen Individuen/Schwarm (n = 84) festgestellt. Die betrug mindestens 55 Tage vom 27.11. bis 20.1. Schwarmgröße schwankte zwischen sechs und (nächste Kontrolle erst wieder 10.2.) 83 Individuen. In diese Berechnung ging nicht In der Lechebene zwischen Derching und die höchste Schwarmgröße mit 269 Individuen Sand wurden bis zu 83 Individuen zwischen als Ausnahmeerscheinung ein. Unter Einbezug Pferdehaltung, Bauernhöfen, Silos, Brachäckern, dieses Schwarms ergeben sich 35,4 Indivi- Getreidebrache, Vogelfütterung und Raiffeisen - duen/Schwarm. Gemischte Schwärme (z. B. mit lager haus über eine Distanz von ca.12 km nach- Feldsperling, Grünling, Buchfink) wurden nicht gewiesen. Auch hier war eine Begrenzung durch beobachtet, nur gelegentlicher gemeinsamer die Lechleite im Osten und dem Lech auen wald Aufenthalt am Futterplatz. im Westen gegeben. Die Verweil dauer betrug Verteilt auf die einzelnen Monate, ergeben sich mindestens 73 Tage vom 14.12. bis 24.2., wobei folgende Unterschiede: Dezember: 25 (n = 24); Ja- ab 22.2. nicht mehr die Anzahl wie zuvor er - nuar 31 (n = 34) und Februar 18.1 (n = 26). reicht wurde und danach keine Schwarmbil - Im Vergleich zu verstreuten Angaben in der dung mehr festgestellt wurde, mit Ausnahme Literatur, liegen die ermittelten Schwarmwerte eines Schwarms von 36 Ammern bei Oberach recht niedrig. Dies könnte dadurch bedingt sein, am 30.3. dass genug Futterplätze zur Verfügung standen, Auch im Ecknachtal bedingten die land- sodass eine Konzentration an wenigen Plätzen schaftlichen Gegebenheiten eine vorwiegend nicht erforderlich war oder der Winterbestand lineare Ausbreitung und erleichterten die Fest- war bereits auf niedrige Werte gegenüber früher stellung der Ortsbewegungen. Hier wechselten abgesunken. Hierzu liegt mir eine Feststellung bis zu 57 Individuen zwischen Maisbrache, von Wüst (1949) vor, der für den benachbarten Brachacker, Futterhaus im Außenbereich und Landkreis Augsburg vermerkte, dass im Winter Bauernhöfen über eine Distanz von ca. 3 km. hundertköpfige Flüge gebildet werden. Dies Die Verweildauer betrug mindestens 81 Tage würde doch einiges über der Größenordnung vom 8.12. bis 16.2. Ab dem 11.3. wurde keine der von mir festgestellten Schwärme liegen. Es Schwarmbildung mehr beobachtet. könnte auch sein, dass wegen der zeitweise un - Es muss jedoch betont werden, dass die er- günstigen Witterung mehr Ammern abgezogen mittelten Ortsbewegungen bzw. Verweil dauern waren, allerdings hätte ich dann bei Wetter bes - nicht für Individuen gelten, da keine Farbbe - serung höhere Zahlen infolge Rückkehrer, er - ringung durchgeführt wurde. halten müssen. Hierzu fehlt bisher der Ver gleich Die festgestellte Zahl von 3355 Individuen zu einem milden Winter. macht es im Hinblick auf den geschätzten Brut- bestand wahrscheinlich, dass ein deutlicher An - Geschlechterverhältnis teil der Population in diesem Winter das Gebiet Während die Bestimmung der Männchen keine geräumt haben muss. Zink (1980) schreibt, dass Schwierigkeiten machte, war die Unterschei- im südlichen Teil des Verbreitungsgebietes dung von Weibchen und Jungvögeln meist nicht Goldammern eher Stand-, als Strich- oder Zug- möglich, sodass bei der folgenden Aufzäh lung vögel seien, jedoch dass neben Winteraufenthalt auf diese Differenzierung verzichtet wird. im Brut gebiet auch weiträumige Orts verän de - Das Verhältnis von Männchen zu weibchen- rungen stattfänden, die zugähnlichen Charakter farbenen Individuen betrug für November 2010 hätten, da sie häufig vor Einsetzen von Winter - bis einschließlich Februar 2011 1:2,5. Die Ände- flucht be wegungen aufträten; daneben gäbe es rung des Geschlechtsverhältnisses im Februar auch lokale Strichbewegungen. Die naheliegen- und März mit einer Zunahme der Männchen de An nahme, dass es vor allem Jungvögel seien, könnte damit erklärt werden, als jetzt mehr die weite Zugstrecken zurücklegen, werde Männchen in den Heckenbereichen auftauchen durch Ring funde nicht gestützt. Letzteres bestä- und die Weibchen besonders im März nach tigt die Feststellung, dass bei der vorliegenden Auflösung der Schwärme schlechter zu erfassen Unter suchung die weibchenfarbenen Exem - sind, oder weibchenfarbene Tiere werden zur plare überwogen. Brutzeit hin zu Männchen (Abnutzung des Bauer: Wintervorkommen der Goldammer im Lkr. Aichach-Friedberg 61

Tab. 4. Verhältnis Männchen/weibchenfarbenen Individuen. – Relation of male to female coloured individuals.

Monat Gesamt ♂♀-farben Verhältnis ♂/♀-farben November 83 23 60 1:2,6 Dezember 174 50 124 1:2,51 Januar 289 66 223 1:3,3 Februar 245 92 153 1:1,7 März 140 54 86 1:1,6

Kopfgefieders zu gelb). Dornberger (1982) kam umgepflügt, bleibt aber dann unbearbeitet lie- im Winter nach Fang zwecks Beringung in den gen bis zum Frühjahr. Somit ist das Nahrungs- Jahren 1976 bis 1981 auf ein Verhältnis von angebot hier über dem Winter reichhaltiger. Die 54,1% Weibchen und 45,9% Männchen bei 66 massive Zunahme des Maisanbaus fand auch Weibchen und 56 Männchen. im Landkreis statt, sodass der Anteil 24% der LF (von 9925 ha 1995 auf 11390 ha 2008) beträgt. Diskussion Verglichen mit anderen Gebieten, bewegt sich jedoch der Maisanbau im Landkreis auf mittle- In vorliegender Arbeit gilt zu klären, wie hat rem Niveau; so macht der Getreideanbau im- sich die Goldammer im Winter auf die jetzigen merhin noch 40% der LF aus. Als Winternah - landwirtschaftlichen Verhältnisse eingestellt rung spielt der Mais (in zerkleinertem Zustand und mit welcher Strategie kann sie im Winter nach der Bearbeitung auf dem Feld zurückge- überleben? blieben oder in den Silos) für die Goldammer Die Intensivierung in der Landwirtschaft eine wichtige Rolle. So negativ der Maisanbau (dokumentierter Zeitpunkt des Wandels in den für die Vielfalt in der Feldflur sein dürfte, bietet 80er Jahren) hat auch im Landkreis AIC stattge- er doch für die Ammern noch ausreichend funden (Ausführungen des Bayerischen Staats - Möglichkeiten als Winternahrung, hier an den ministeriums für Ernährung, Landwirtschaft Maissilos, aber auch auf manchen Äckern nach und Forsten für den Landkreis AIC 2011). Es der Ernte, wobei zu berücksichtigen ist, ob sind dies einmal die Veränderungen im Getrei - Körner- oder Silomais angebaut wird, denn bei deanbau, und zwar die nahezu völlige Um stel - ersterem verbleibt mehr Pflanzenmaterial auf lung von Sommergetreide auf Wintergetreide. dem Acker, sodass die Ent wicklung zu einem So beträgt der Anteil von Sommergerste nur Brachezustand gefördert wird. Auch scheint es noch 2,52% und derjenige von Sommerweizen für den Verbleib von Ernterückständen nicht 0,71% der landwirtschaftlichen Fläche (LF). So unerheblich zu sein, wie der Mais geerntet wird: ging die LF für Sommerweizen seit 2003 bis ob er auf dem Feld gedroschen wird (Körner 2008 von 721 ha auf 78 ha, die Sommergerste und Stroh getrennt werden), als Körnermais seit 1995 bis 2008 von 1557 ha auf 1176 ha. oder ob er gehäckselt wird für Silos und für zurück. Die Anbaufläche von Hafer (für die Biogasanlagen, wo bis zum Boden abgeerntet Goldammerernährung im Winter wichtigste wird. Es dürfte bei der Ernte von Körnermais Getreidenahrung) ging von 1995 bis 2008 von mehr Mais auf dem Feld zurückbleiben, wie auch 844 ha auf 357 ha zurück und liegt nur noch bei meine Beobachtungen beim systematischen 0,76% der Anbaufläche. Die Getreidean bau - Abgehen von Feldern nach der Ernte bestätigen. fläche insgesamt blieb jedoch seit 1995 (18.352 Einen wichtigen Faktor als Nahrungslieferant ha) bis 2008 (18.724 ha) weitgehend gleich und für die Winternahrung stellt die Rinderhaltung macht 40% der LF aus. Beim Wintergetreide dar. Wo noch Viehhaltung war und damit das (Winterweizen 22,14% der LF, Wintergerste Vorhandensein von Mist haufen, bot sich für die 11,83% der LF) wird in der Regel im August Goldammer ebenfalls eine Möglichkeit, Nah - nach der Ernte das Stoppelfeld flach umgepflügt rung zu finden. Die Haufen enthalten neben der (mit der Scheibenegge oder dem Grubber), im Einstreu auch Nahrungsreste. Misthaufen fallen September gepflügt und anschließend eingesät. an bei der Einstreu für das Vieh. Wird diese Ein- Auch beim Sommergetreide wird das Feld flach streu nicht mehr angewandt, verschwinden auch 62 Ornithol. Anz., 51, 2012 die Misthaufen. Die Zahl dieser scheint ganz er - Viele Senffelder bleiben jedoch den Winter hin- heblich zurückgegangen zu sein; bei meinen durch stehen und somit können sich Wildkräu - Fahrten durch Dörfer fand ich nur noch verein- ter, wie z. B. Vogelmiere, Knöterich und Kamille, zelt Mist haufen. Somit ist auch ein wichtiger entwickeln und sogar in milden Wintern Samen Nahrungsplatz für die Goldammer auf vielen bilden. Unklar blieb die Verfügbarkeit der Höfen verloren ge gangen. Allerdings gibt es auch Winterbegrünung als Nah rungs platz. Auf Raps- noch auf Bauernhöfen Abfallhaufen mit Futter - und Senfbrachen konnten kaum Ammern beob- resten. Das erklärt das Vorkommen von Ammern, achtet werden. Auf vielen war geringe zusätzli- wenn keine klassischen Misthaufen mehr anzu- che Begrünung festzustellen; lagen sie in ausge- treffen sind. Die Entsorgung der Exkremente räumten, großflächigen Bereichen mit fehlenden über Bodenspalten oder sog. Schapperentmis - Zufluchtsmöglich keiten in Form von Hecken, tung macht eine Einstreu nicht mehr erforderlich. wurden sie auch deshalb gemieden. Trotzdem Weiterhin liegen die Tiere in den Liegeboxen auf sollten auf diesen Flächen in Zukunft vermehrt Matten, auch Strohmatratzen, lediglich in Auf- Untersuchungen durchgeführt werden. zuchtboxen für die Kälberaufzucht, auf Biohöfen Weiterhin waren Damhirschgehege, wo (die Zahl der Ökobetriebe liegt im Landkreis bei Kraft futtermischungen mit verschiedenen Kör - 41 Betrieben bzw. bei 2,7% aller landwirtschaft - ner arten gefüttert werden, für Ammern attrak- lichen Betriebe), beim Weidebe trieb und bei tiv. Dornberger (1982 und unveröff.) und Härdi Pferdehaltungen wird regelmäßig Einstreu ver- (1989), die auch Angaben zur Winternahrung wendet. Hinzu kommt, dass die Zahl der Rinder- machen, erwähnen gleiche Futterplätze, doch halter stark zurückgegangen ist, und zwar seit ergeben sich zu meinen Untersuchungen Unter- 1982 bis 2008 um 66% bzw. seit 2000 um 28%; im schiede, die durch die Änderung der landwirt- Jahre 2008 wurden auf 744 Betrieben Rinder schaftlichen Nutzungen oder durch andere gehalten, 1982 waren es noch 2370. Verhältnisse des Landkreises AIC bedingt sein Als ganz wichtiger und zunächst nicht er- können. Es fällt auf, dass beide Autoren die warteter Nahrungsplatz entwickelte sich die Pferdehaltung nicht ausdrücklich erwähnen. Pferdehaltung zu Freizeitzwecken. Bei Frost Härdi (1989) meint, dass Pferdemist keine wich- und vor allem Schneelage sind Koppeln, Ställe tige Rolle mehr spiele, da der Hafer gequetscht und Misthaufen oftmals die einzigen Plätze, wo werde und somit weniger unverdaut im Kot zumindest zur Überbrückung von Nahrungs - erscheine. Es könnte aber auch sein, dass zum engpässen genug Futter zu holen war. Die Zahl damaligen Zeitpunkt die Pferdehaltung noch der Pferde nahm von 723 im Jahre 2000 auf 1034 nicht die Rolle wie heute spielt. Doch sind die im Jahre 2008 zu. Hingegen nahm die Zahl der von den Autoren genannten wichtigen Futter- Rinder von 85.800 im Jahre 1982 auf 52.348 im plätze wie Misthaufen und Dreschabfälle mitt- Jahre 2008 ab. lerweile so stark zurückgegangen, dass ein Nicht zu unterschätzen sind Fasanen schüt - Ausweichen auf obige Nahrungsquelle stattge- ten und Vogelfütterungen, wobei die Bedeu- funden hat. Auch Hühnerfutterplätze (Hasse tung der letzteren relativiert wird durch die 1995) und Kleintierhaltungen (Dornberger 1982) Eigenschaft der Goldammer, Siedlungsbereiche konnten nicht mehr als Nahrungsplätze nachge- weitgehend zu meiden. wiesen werden. Auf der anderen Seite zeigen Stilllegungsflächen waren bis 2007 obligato - sich Parallelen bei der Zusammenstellung der risch und werden seitdem aus Marktsteue rungs - Nahrung (Härdi 1989), wenn Ruderalflora, gründen nicht mehr gefördert. Ent spre chend Brachfelder mit Unkraut und Unkrautsamen als gingen diese Flächen zurück oder verschwanden wesentlicher Bestandteil der Winternahrung ganz und haben zu einer Reduktion des Nah- ausgemacht werden. Auch erwähnt dieser rungsangebotes im Winter geführt. Insofern war Autor bereits Mais als Nahrungsquelle, aller- die Erwartung groß, ob die geförderte Win ter - dings vorwiegend für den Monat September, begrünung (Senf, Kleegras, Körner erbse, Raps, während bei meiner Untersuchung den ganzen Weidelgras, dazwischen auch Hafer) für die Winter über Mais gefressen wird. Goldammer ein Ausgleich sein könnte. Dabei ist Obwohl ich keine amtlichen Zahlen erhalten zu berücksichtigen, wie lange die Grün düngung konnte, war der geringe Anteil von Stoppel - unbearbeitet verbleibt. Eine An zahl Zwischen - feldern, Brachestreifen an Wegrändern und früchte werden noch im Herbst umgepflügt. kräuterreichen Ackerbrachen augenscheinlich, Bauer: Wintervorkommen der Goldammer im Lkr. Aichach-Friedberg 63 und trotzdem wurden hier relativ viele Ammern Die Veränderungen der landwirtschaftli- bei der Nahrungssuche registriert, und diese chen Nutzungen im Landkreis AIC und ihre Habitate dürften ebenfalls zum Überleben des Auswirkungen auf das Wintervorkommen der Winterbestands wesentlich beigetragen haben. Goldammer werden diskutiert. Die Halme der Stoppeln enthalten eine Vielzahl von Kleintieren (über 100 Arten von Arthropo - Dank. Für die Überlassung von Beobachtungs - den, darunter Käfer, Dipteren Hymnopteren daten danke ich den Damen E. Kretschmer und und Spinnen), (Tischler 1968). Entsprechend T. Scholze, sowie den Herren J. Birndorfer, waren auch die wenigen von mir gefundenen H. Dem mel, Dr. H. G. Goldscheider, G. Herzog, Stoppelfelder, wozu auch die Getreidebrachen R. Krogull und R. Kugler, Herrn K. Hörl vom gerechnet werden müssen, von Goldammern Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten, bevorzugt frequentiert. Stadtbergen, für die Beratung zur landwirtschaft- Demnach wäre es dringend geboten, aus lichen Nutzung des Landkreises Aichach-Fried - Artenschutzgründen das eine oder andere Stop- berg und den Herren A. Klukas und G. Mayer für pelfeld bzw. einige Getreidebrachen über den die Anfertigung der Ab bildungen. Ganz herzlich Winter zu belassen. Ausgleichsflächen wä ren danke ich den Herren W. Dornberger und hierzu besonders geeignet und bieten sich gera- R. Pfeifer für die kritische Durchsicht des Manu - dezu an, dafür eingesetzt zu werden. skripts und für Verbes serungsvorschläge.

Zusammenfassung Literatur

Nach Voruntersuchungen in den Winter mo - Arten- und Biotopschutzprogramm Bayern, naten 2009/2010 wurde im gesamten Unter su - ABSP, Landkreis Aichach-Friedberg, Aktua - chungszeitraum von Oktober 2010 bis ein- li sierte Fassung, Stand September 2007. schließlich März 2011 bzw. in der relevanten Bauer, H. G. & P. Berthold (1996): Die Brutvögel Winterperiode von Dezember 2010 bis Februar Europas. Bestand und Gefährdung. Aula- 2011 der Winterbestand der Goldammer Embe - Ver lag, Wiesbaden. riza citrinella auf der Gesamtfläche von ca. 780 Bauer, H. G., M. Boschert & J. Hölzinger (1995): km2 bzw. an 207 von 234 Ortschaften des Die Vögel Baden-Württembergs. Bd. 5 Atlas Landkreises Aichach-Friedberg (Bayern) syste- der Winterverbreitung. Verlag E. Ulmer, matisch erfasst. Stuttgart. Von November 2010 bis einschließlich Feb- Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, ruar 2011 wurden 3.355 Goldammern gezählt, Landwirtschaft und Forsten (2011): Land - davon in den Wintermonaten Dezember, Januar kreis Aichach-Friedberg; Struktur der Land - und Februar 2.668 Individuen. wirtschaft, Tierhaltung, Bodennut zung, Be- Das Verhältnis Männchen zu weibchenfar- ra tung und Ausbildung. benen Individuen betrug für November 2010 bis Bellebaum, J. (2008): Röhricht, Kleegras, Stop - Februar 2011 1:2,5 (n = 791 Individuen). pelfeld – überwinternde Feldvögel auf nord- Die durchschnittliche Schwarmgröße belief deutschen Ökolandbauflächen. Vogelwelt sich auf 24,7 Individuen (n = 84 Schwärme), 129: 85–96. ohne Berücksichtigung des größten Schwarms Bezzel, E., G. v. Lossow, I. Geiersberger & R. Pfei- von 269 Individuen. Unter Einbeziehung des fer (2005): Brutvögel in Bayern, Ver breitung größten Schwarms belief sich die durchschnitt- 1996 bis 1999. Verlag E. Ulmer, Stuttgart. liche Schwarmgröße auf 35,4 Individuen. Czermak, J. (2001): Brutvogelkartierung im Eck - 17 unterschiedliche Nahrungshabitate wur- nachtal. LBV-Report der LBV-Kreisgruppe den nachgewiesen. Entscheidend für das Über- Aichach-Friedberg: 29–32. leben waren: Pferdehaltungen, Bauernhöfe, Czermak, J. (2003): Brutvögel der Weilach. LBV- nicht abgeerntete Getreidefelder, Äcker, Mais - Report der LBV-Kreisgruppe Aichach-Fried - silos, Maisackerbrachen und Vogelfutterhäuser; berg: 16–21. weiterhin Damhirschgehege, Stoppelfelder, Dehner, R. & W. Dornberger (1992): Massenvor- Fasanenschütten und Ruderalfluren. kommen von Singvögeln in einem mehrjähri- Es werden Beobachtungen zu Ortsbewegun - gen Brachacker bei Hollenbach, Hohen lo he - gen mitgeteilt. kreis. Faun. u. flor. Mitt. Taubergrund 10: 101. 64 Ornithol. Anz., 51, 2012

Dornberger, W. (1993): Bestandsentwicklung Sudfeldt, C., R. Dröschmeister, T. Langgemach der Goldammer von 1975 bis 1992 bei Nie- & J. Wahl (2010): Vögel in Deutschland 2010. derstetten. Vogelwelt 114: 130–133. DDA, BfN, LAG, VSW, Münster. Gatter, W. (2000): Vogelzug und Vogelbestände Tischler, W. (1968): Getreidestoppeln als Winter - in Mitteleuropa. Aula-Verlag, Wiesbaden. lager für Kleintiere. Zool. Jb. Syst. Bd. 95: Glutz von Blotzheim, U. N. & K. M. Bauer (1997): 523–541. Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Bd. Wallgren, H. (1956): Zur Biologie der Goldammer, 14/III: 1432–1485. Aula-Verlag, Wiesbaden. Emberiza citrinella L. Acta Soc. pro Fauna et Härdi, M. (1989): Zur Winterökologie der Gold - Flora Fennica 71: 1–44. ammer in der Schweiz. Ornithol. Beob. 86: Wüst, W. (1949): Die Vögel des Augsburger Wes- 309–217. tens. Abh. Naturw. Ver. f. Schwaben. Heft 4. Hasse, H. (1995): Die Goldammer (Emberiza Zink, G. (1980): Der Zug der europäischen Sing- citrinella). Neue Brehm Bücherei. Bd. 316. vögel. Bd. 2, Lfg. 4, hier: Goldammer: 1–8. Westarp Wissenschaften, Magdeburg. Aula-Verlag, Wiesbaden. Lille, R. (1996): Zur Bedeutung von Brach flächen für die Avifauna der Agrarlandschaft: Eine Eingereicht am 14. November 2011 nahrungsökologische Studie an der Gold - Revidierte Fassung eingereicht am 28. Dezember 2011 ammer. Agrarökologie 21: 1–150. Angenommen am 19. Februar 2012

Dr. Uwe Bauer, Internist, avifaunistische Erhebungen im Raum Augsburg, hierzu mehrere Veröffentlichungen, Verfasser des Buches „Die Brutvögel von Augsburg“. Kurze Mitteilungen 65

Kurze Mitteilungen

Ein thüringischer Nachweis vom Hakengimpel Pinicola enu- cleator aus dem 17. Jahrhundert

Eberhard Mey*, Robert Pfeifer, Hans-Heiner Bergmann und Sabine Hackethal

Abb. 1. Hakengimpel Pinicola enucleator. Links Weibchen, rechts Männchen. Beide sind zwischen 1603 und 1662 auf einem Vogelherd bei Oßla, heute ein Ortsteil von Wurzbach im Thüringischen Schiefer- gebirge, am Nordrand des Frankenwaldes, gefangen worden. – Pine Grosbeak Pinicola enucleator. Left female, right male. They were both captured some time between 1603 and 1662 on a fowling ground near Oßla, today a part of Wurzbach in the Thüringen shale hills [Schiefergebirge], on the northern edge of the Franken wald. Foto: E. Mey, aus dem „Gothaer Vogelbuch“. © Stiftung Schloss Friedenstein Gotha

A record of Pine Grosbeak Pinicola enucleator in Thüringen from the 17th century

A water colour painting from the ‘Gothaer Vogelbuch‘ [The bird book of Gotha] of a Pine Grosbeak pair from some time between 1603 and 1662, or even earlier, is dealt with here. The birds were cap- tured on a fowling ground near Oßla (Wurzbach) in the Thüringen shale hills [Schiefergebirge]. This is one of the first representations of Pine Grosbeak and is the earliest surviving record of the species in Central Europe. The ten records of Pine Grosbeak in Thüringen accepted to date are critically examined. Of them, four (from the years 1820, before 1853, 1885, and 1975) can be recognized as genuine records, while three (from around 1900, 1931, and 1956) appear open to question, and the credibility of a further three (from 1977 to 1979) should be re-examined. 66 Ornithol. Anz., 51, 2012

Key words: Pine Grosbeak, Pinicola enucleator, Thüringen, historical avifaunistics, 17th century

*korrespondierender Autor Dr. Eberhard Mey, Naturhistorisches Museum im Thüringer Landesmuseum Heidecksburg zu Rudol - stadt, Schlossbezirk 1, D-07407 Rudolstadt E-Mail: [email protected]

Robert Pfeifer, Dilchertstraße 8, 95444 Bayreuth E-Mail: [email protected]

Prof. Dr. Hans-Heiner Bergmann, Landstraße 44, D-34454 Bad Arolsen E-Mail: [email protected]

Dr. Sabine Hackethal, Museum für Naturkunde, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiver sitäts - forschung an der Humboldt-Universität zu Berlin, Invalidenstraße 43, 10115 Berlin E-Mail: [email protected]

Die Beschäftigung mit dem unikaten „Gothaer anderen Abbildungen vom Kernbeißer Cocco - Vogelbuch“ brachte eine Reihe von Nachwei - thraustes coccothraustes angegeben. Also, die sen besonders bemerkenswerter Arten zutage. Identität der Vogelart blieb ihnen, wie auch dem Ne ben datierten Porträts u. a. von Weißkopf- frankophonen Falkner des Landgrafen Fried - Ruder ente Oxyura leucocephala, Waldrapp rich zu Hessen, nach dessen Angaben jeweils Geronticus eremita, Nachtreiher Nycticorax nycti- die französischen resp. italienischen Trivial- corax, Ral lenreiher Ardeola ralloides und Mauer - namen bei vielen anderen Arten dazugeschrie- läufer Tichodroma muraria, enthält es undatierte ben worden sind, verborgen. Das verwundert von Rothuhn Alectoris rufa und Rostgans Ta dor - nicht sehr, denn z. B. weder Conrad Gessner na ferruginea. Die unvollendet gebliebene (1516–1565) (fide Springer & Kinzelbach 2009) Aqua rell-Sammlung von 110 in Großfolio-For - noch Markus zum Lamm (1544–1606) (fide mat abgebildeten Vogelarten ist, nach nur zehn Kinzelbach & Hölzinger 2000) kannten den mit Datum und/oder Ort versehenen Zeich- Haken gimpel. Erst im 18. Jahrhundert ist er von nungen, zwischen 1603 und 1662 in West- und Carl von Linné als „Loxia linea alarum duplici Südthüringen angelegt und bereits gegen Ende alba“ („Fauna suecica“, 1746) beschrieben, des 17. Jahr hun derts zu einem Buch gebun- schließlich aber nach schwedischen und kana- den worden. Es befindet sich in der Stiftung dischen Herkünften als „Loxia Enucleator“ Schloss Frieden stein in Gotha (Mey & Hacke - („Systema naturae“, 1758) getauft worden thal 2012). (siehe auch Buffon 1784). Ein in dieser Kollektion abgebildetes Pär- Der Fundort, von dem beide abgebildeten chen, das bislang für aberrante Fichtenkreuz - Vögel stammen, ist so angegeben (s. Abb. 1): schnäbel gehalten worden ist (Mey & Hackethal „Solcher Fögel. Zwene sint zu Oßla vffm 2012), erwies sich bei eingehender Betrachtung, Fogelhert gefangen worden.“ Bei „Oßla“ handelt zu der mehrere Kollegen angeregt hatten, ein- es sich um den heutigen Stadtteil von Wurzbach deutig dem Hakengimpel Pinicola enucleator im östlichen Thüringer Schiefergebirge, knapp zugehörig (Abb. 1). Daran lassen u. a. Flügel- 4 km von der bayerischen Grenze entfernt. Schwanz-Projektion, Schnabelform und Körper- Obwohl der Ortsname Oßla mehrfach vergeben färbung keinen Zweifel zu, auch wenn u. a. die ist, plädieren wir für das südostthüringische markante Flügelbänderung durch den (immer Oßla, da keiner der auf den Vogelporträts ge - noch unbekannten) Maler nicht deutlich genug nannten Orte (in den Herzogtümern Sachsen- dargestellt worden ist. Die Vögel sind vermut- Eisenach und Sachsen-Coburg) außerhalb der lich vom ornithophilen Künstler und/oder dem Grenzen des heutigen Thüringens liegt. Es ist fachverständigen „H. Löber“ als „Cocco - nicht sicher auszuschließen, dass manche thraustes. Kirschvogel, Kernbeißer“ benannt Zeichnung im „Gothaer Vogelbuch“, also auch worden. „Coccothraustes“ und „Kernbeißer“ die der Hakengimpel, schon vor 1603 entstan- (nicht aber „Kirschvogel“) sind auch auf zwei den ist (Mey & Hackethal 2012). Kurze Mitteilungen 67

Das Aquarell dokumentiert den nach bishe- Büttner meister Heinrich Wagner in Fehrenbach riger Kenntnis ersten und zugleich ältesten [im Thüringer Wald, N Eisfeld] zur Winterszeit Nachweis vom Vorkommen des Hakengimpels 1885 gefangen; ich erhielt ihn noch frisch im nicht nur in Thüringen, sondern wahrscheinlich Fleische zur Präparation. Im Jahre 1920 habe ich auch in Mitteleuropa. „Frühester überlieferter den Vogel als Belegstück in der Heimatsamm - Nachweis in Mitteleuropa ist der Fang eines von lung des Naturwissenschaftlichen Museums zu 5 Exemplaren im November 1767 bei Helmstedt Coburg aufgestellt, da mich H. von Boetticher [/Niedersachsen]“ (Du Roi 1779, Menzel 1909 auf die große Seltenheit des Tieres im Innern fide Glutz v. Blotzheim & Bauer 1997). Auch die Deutschlands aufmerksam machte“ (Brückner Zeichnung selbst dürfte zu den ersten über- 1926; in Niethammer 1937 ist dieser Nachweis haupt von dieser Vogelart gehören, ehe sie in irrtümlich auf Coburg bezogen worden). George Edwards „An natural history of birds“ Brückner (1926) übernimmt die Angabe von (1743–1751) oder in Mathurin Jacques Brissons Weiß (1908: 671), wonach der Hakengimpel bei „Ornithologie“ (1760) zur Abbildung gebracht Sonneberg [um 1900] von Rektor (nicht Prä - wurde. parator) Döbrich, Meiningen, beobachtet wor- Nach Bechstein (1795, 1807) war der Haken - den sei (dies bezieht sich nicht auf Brückner gimpel, den er als Fichtenkernbeißer oder als 1851, wie Leber 1986 irrtümlich erwägt). Noch Haaken-Kreuzschnabel bezeichnete, aus Thürin- fraglicher erscheinen die folgenden zwei, auch gen nicht bekannt. Die erste Erwähnung der Art von Leber (1986) aufgenommenen Mitteilungen. für Thüringen, allerdings ohne konkreten Beob - Und zwar sind es erstens die von einem Männ- achtungsbezug, findet sich bei Zenker (1836), chen, das am 12.3.1931 an einem Futterhaus in der schreibt: „Die Hakengimpel [. . .] dringen bis Weimar erschienen war (beobachtet von Zau - in unsere Gegend [um Jena].“ Christian Ludwig bitzer nach Gessner MS 1938 fide Heyer 1974), Brehm (1837) glaubt es besser zu wissen, wenn und zweitens von einem Trupp von 20 bis 25 er fast in einem kategorischen Imperativ fest- Individuen, die A. Roßbach am 7.10.1956 in stellt: „Die Hakengimpel verirren sich nie bis in einem Garten in Gera-Zwötzen bei der Nah- das mittlere Deutschland, also auch nicht bis rungs aufnahme an Sonnenblumen gesehen ha - Jena“ (fide Hildebrandt 1975). Damit wider- ben will. Günther (1969), der diese Nachricht spricht er sich aber selbst: „Nach Deutschland bekannt machte, lässt dazu jeden Kommentar kommt er nur selten. Vor 25 Jahren war er ziem- vermissen, während sie Grün & Heyer (1973) lich häufig an der pommerschen Küste und seit für fraglich halten, da eine Verwechslung mit 12 Jahren ist bis zum November 1820 nicht ein Fichtenkreuzschnäbeln nicht auszuschließen ist. einziger dort gesehn worden. In diesem Monate Im thüringisch-fränkischen Grenzgebiet bei erschien er wieder in Pommern, und wie mir Lichtenhain (unweit Gräfenthal im heutigen Herr Kühl [„Gymnasiast in Stralsund, ein treff- Landkreis Saalfeld-Rudolstadt) hielten sich etwa licher, viel versprechender junger Natur for - einen Monat, ab Mitte Februar 1975, zehn Haken- scher“] schreibt, besonders zahlreich in einem gimpel, vermutlich je fünf Männchen und Weib- Tannenwalde des Darßes. Er blieb aber nur kurze chen, auf (Münch 1979). Die etwa im gleichen Zeit da, denn in der Mitte des Decembers waren Zeitraum aus zweiter Hand H. Münch gemelde- alle verschwunden. Ins mitt[l]ere Deutsch land ten Beobachtungen vom oberfränkischen Zwei- verirrt sich dieser Vögel äußerst selten, nach wasser zwischen Nordhalben und Tschirn Holland und in die Schweiz kommt er nie“ (Land kreis Kronach) und Hof nimmt noch Wüst (Brehm 1822; von Müller 1987 ist dies unberück- (1986) unwidersprochen auf; doch muss ihnen sichtigt geblieben). wohl die Anerkennung versagt bleiben (Bezzel In Thüringen sind in diesem Invasionsjahr, 1990, Gubitz & Pfeifer 1993, s. auch Glutz v. 1820, im Hämmerer Forst [NW Sonneberg, bei Blotzheim & Bauer 1997). Steinach, Hämmern oder Steinheid] mehrmals Danach sind im thüringischen Mittel ge birgs - Hakengimpel geschossen worden (Brückner raum in drei aufeinanderfolgenden Wintern (!) 1851). Wenig später erwähnt Hellmann (1853), Hakengimpel festgestellt worden (Höland & dass ein oder mehrere Vertreter der Art [ohne Schmidt 1984, Leber 1986), und zwar 2 ♂ und Jahresangabe, also vor 1853] bei Erfurt (Thürin- 1 ♀ am 1.2.1977 an der Struth bei Suhl (J. Wag- ger Becken) geschossen worden sind. Belegt ist ner), 1 ♂ am 18.3.1978 bei Meiningen (F. Henkel ein Individuum: „Dieser Vogel wurde von & H. Tress) und 5 Individuen (davon 1 ♀ gefan- 68 Ornithol. Anz., 51, 2012 gen und wieder freigelassen) vom 7. bis Brehm, C. L. (1822): Beiträge zur Vögelkunde in 14.1.1979 bei Lichte (unweit Neuhaus am Renn- vollständigen Beschreibungen mehrerer neu weg, R. Jäger). Ob diese Beobachtungen ausrei- entdeckter und vieler seltener, oder nicht chend dokumentiert sind, ist nicht bekannt. Sie gehörig beobachteter deutscher Vögel … sollten auf den Prüfstand kommen. Zweiter Band. J. K. G. Wagner, Neustadt an Von den insgesamt zehn von Leber (1986) der Orla. aufgeführten Hakengimpel-Beobachtungen in Brückner, A. (1926): Die Tierwelt des Coburger Thüringen sind – nicht nur nach unserer Auf- Landes (Wirbeltiere). Pp. [12], 1–114. – Co - fassung – drei als fraglich anzusehen. Drei wei- bur ger Heimatkunde und Heimat geschichte. tere Meldungen bedürfen kritischer Betrach- Erster Teil: Heimatkunde. Drittes Heft: Tier- tung. So verdienen vorerst nur die Nachweise welt (Wirbeltiere, Weichtiere). aus den Jahren 1820, vor 1853, 1885 und 1975 Brückner, G. (1851): Landeskunde des Herzog - uneingeschränkte Anerkennung, nicht nur in thums Meiningen. Erster Theil. (Die allge- einer „Thüringer Vogelwelt“. Dazu gehört nun meinen Verhältnisse des Landes.) Brückner auch der hier vorgestellte Nachweis von Oßla & Renner, Meiningen. aus dem 17. Jahrhundert. Buffon, G. L. L., C. de (1784): Naturgeschichte der Vögel. Aus dem Französischen übersetzt, Dank. Wir danken Dr. Roland Krischke, Direk- mit Anmerkungen, Zusätzen und vielen tor für Kommunikation der Stiftung Schloss Kupfern vermehrt durch Bernhard Christian Friedenstein Gotha, für die Zustimmung, die Otto. Zehnter Band. Joachim Pauli, Berlin. Hakengimpel-Abbildung im „Gothaer Vogel - Glutz von Blotzheim, U. N. & K. M. Bauer buch“ hier erstmals veröffentlichen zu können. (1997): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Die Übersetzungen ins Englische besorgte Brian Band 14/II Passeriformes (5. Teil). Aula- Hillcoat (Berlin). Verlag, Wiesbaden. Grün, G. & J. Heyer (1973): Verzeichnis der Vö gel Thüringens 1945–1971. Thüringer ornitholo- Literatur gischer Rundbrief, Sonderheft Nr. 1. Gubitz, C. & R. Pfeifer (1993): Die Vogelwelt Bechstein, J. M. (1795): Gemeinnützige Natur - Ostoberfrankens. Grundlage für eine Avi - geschichte Deutschlands nach allen drey fau na. Beihefte zu den Berichten der Natur - Reichen. Ein Handbuch zur deutlichern und wissenschaftlichen Gesellschaft Bayreuth, vollständigern Selbstbelehrung besonders Heft 3. für Forstmänner, Jugendlehrer und Oeko- Günther, R. (1969): Die Vogelwelt Geras und nomen. Vierter Band, welcher die Singvögel, seiner Umgebung. Avifauna von Stadt und den Vogelkalender, einige Zusätze zu den Kreis Gera. Veröffentlichungen der Städti- vorhergehenden Bänden und das Register schen Museen Gera, Heft 1. über die drey Bände der Vögel Deutsch - Hellmann, A. (1853): Verzeichniß derjenigen lands enthält. Sieg fried Lebrecht Crusius, Vögel, welche als Stand-, Zug- oder Strich- Leipzig. Vögel in Thüringen – in dem Distrikt, wel- Bechstein, J. M. (1807): Gemeinnützige Natur- chen die Saale bis Naumburg, die Unstruth geschichte Deutschlands nach allen drey bis Artern, der Harz, die Linie von Ellrich Reichen. Ein Handbuch zur deutlichern und bis Witzenhausen und endlich die Linie von vollständigern Selbstbelehrung besonders für der Werra bis zum Fichtelgebirge einschliesst Forstmänner, Jugendlehrer und Oeko no - – vorkommen. Naumannia 3: 276–290. men. Dritter Band, welcher die sperlingsarti- Heyer, J. (1973): Vogelwelt um Weimar. Eine gen, Sing- und schwalbenartigen Vögel, die Avifauna des Kreises Weimar. Weimarer Tauben und hühnerartigen Vögel Deutsch- Schriften zur Heimatgeschichte und Natur- lands enthält. Zweyte vermehrte und ver- kunde, Heft 21. bes serte Auflage. Siegfried Lebrecht Cru - Hildebrandt, H. (1975): Ornis Thüringens. Aus sius, Leipzig. dem Nachlaß für den Druck bearbeitet von Bezzel, E. (1990): Seltene Vögel in Bayern. Kri - Willi Semmler. Teil 1 Passeriformes. Thürin- tische Durchsicht publizierter Einzeldaten. ger ornithologischer Rundbrief, Sonderheft Garm. vogelkdl. Ber. 19: 1–27. Nr. 2. Kurze Mitteilungen 69

Höland, J. & K. Schmidt (1984): Zur Vogelwelt Niethammer, H. (Hrsg., 1937): Handbuch der des Bezirkes Suhl 5. Teil: Grasmücken, Flie- deutschen Vogelkunde. Band I: Passeres. genschnäpper, Stelzen, Würger, Finkenvö - Aka demische Verlagsgesellschaft m. b. H., gel, Ammern u. a. Suhl. Leipzig. Kinzelbach, R. K. & J. Hölzinger (2000): Marcus Springer, K. B. & R. L. Kinzelbach (2009): Das zum Lamm (1544–1606) Die Vogelbücher Vogelbuch von Conrad Gessner (1516–1565). aus dem Thesaurus Picturarum. Verlag Ein Archiv für avifaunistische Daten. Sprin - Eugen Ulmer, Stuttgart. ger, Berlin & Heidelberg. Leber, N. (1986): Hakengimpel – Pinicola enu- Weiß, A. (1908): Neue Landeskunde des cleator (L., 1758). P. 293. In: Knorre, D. v., G. Herzogtums Sachsen-Meiningen. Heft 7: Grün, R. Günther & K. Schmidt (Hrsg.): Die Die Fauna (Tierwelt). I. Abteilung: Ver- Vogelwelt Thüringens – Bezirke Erfurt, tebrata (Wirbeltiere). Schriften des Vereins Gera, Suhl. VEB Gustav Fischer Verlag, Jena. für Sachsen-Meiningische Geschichte und Mey, E. & S. Hackethal (2012): Die im „Gothaer Landeskunde (Hildburghausen), 57. Heft, Vogelbuch“ dargestellten Arten: ein Zeugnis 619–710. für die thüringische Vogelwelt aus dem 17. Wüst, W. (1986): Avifauna Bavariae Die Vogel - Jahrhundert. Ökologie der Vögel 34: 75–140. welt Bayerns im Wandel der Zeit. Bd. II, Müller, S. (1987): Hakengimpel – Pinicola enu- Pterocli formes (Flughühner) bis Passerifor - cleator (L., 1758). P. 371. – In: Klafs, G. & J. mes (Sperlingsvögel). Ornithol. Ges. Bayern, Stübs (Hrsg.): Die Vogelwelt Mecklenburgs – München. Be zirke Rostock, Schwerin, Neubranden burg. Dritte, neubearbeitete Auflage. VEB Gustav Eingegangen am 6. Mai 2012 Fischer Verlag, Jena. Angenommen am 13. Mai 2012 Münch, H. (1979): Beobachtung von Haken gim - peln Pinicola enucleator (L.) im Thüringer Wald. Anzeiger der ornithologischen Gesell - schaft in Bayern 18: 63–65. 70 Ornithol. Anz., 51, 2012

Morphologische Unterscheidung von Guatemala-Quetzal Pharomachrus mocinno und Costa-Rica-Quetzal P. costaricensis anhand der Schmuckfedern

Ulrich Schulz und Knut Eisermann

Morphometric differentiation between Resplendent Quetzal Pharomachrus mocinno and Costa Rican Quetzal Pharomachrus costaricensis by the width of male upper tail coverts

Two subspecies of Resplendent Quetzal Pharomachrus mocinno were established by Ridgway (1911) based on morphological differences, P. m. mocinno of northern Central America and southern Mexico, and P. m. costaricensis of southern Central America. A recent genetic study (Solórzano & Oyama 2010) suggested that both taxa should be recognized as full species, Resplendent Quetzal P. mocinno and Costa Rican Quetzal P. costaricensis. This nomenclature is followed throughout this paper. Diffe ren - ces in the width of the upper tail coverts between Resplendent Quetzal and Costa Rican Quetzal were already mentioned by Salvin (1870) and Ridgway (1911), but no data supporting this statement were available. We provide a morphological separation based on measurements of specimens in several European museums. The data of 49 male quetzals show highly significant differences (p < 0,001) in the width of upper tail coverts of Resplendent Quetzal (Mean: 53.7 mm; SD: 9.2 mm; n = 30) and Costa Rican Quetzal (Mean: 37.7; SD: 4.9 mm; n = 19). These data support Solórzano & Oyama’s proposal to separate both taxa. Our data, however, show no significant difference in the length of the upper tail coverts (p = 0,2675). The differentiation between two quetzal species enhan- ces the importance of each cloud forest patch in Mesoamerica for the conservation of these species.

Key words: Resplendent Quetzal, Pharomachrus mocinno, Costa Rican Quetzal, Pharomachrus costari- censis, morphometric measurements, width of upper tail coverts

Prof. Dr. Ulrich Schulz (Dipl.-Biol.), Fachbereich Landschaftsnutzung und Naturschutz, Hochschule für nachhaltige Entwicklung Eberswalde (FH), Friedrich-Ebert-Str. 28, 16225 Eberswalde; E-Mail: [email protected]

Dipl.-Ing. Knut Eisermann, PROEVAL RAXMU Bird Monitoring Program, Cobán, Alta Verapaz, c/o P.O. Box 098 Periférico, Guatemala Ciudad/Guatemala; E-Mail: [email protected]

Einleitung und P. m. costaricensis geführt (American Orni - tho logists’ Union 1998, Collar 2001, Johnsgard Das Verbreitungsgebiet von Pharomachrus 2000, Forshaw & Gilbert 2009). mocinno de la Llave 1832 im Hochland von Süd- Aufgrund morphometrischer und moleku- Mexiko, Guatemala, Honduras, El Salvador und largenetischer Daten folgerten Solórzano & West-Nicaragua ist durch das Tiefland von Oyama (2010), dass es sich bei den beiden Taxa Nicaragua geographisch vom Areal des Pharo - um getrennte Arten handelt. Sie untersuchten machrus costaricensis Cabanis 1869 im Hochland bei 26 Tieren die Nukleotid-Variationen in vier von Costa Rica und West-Panama getrennt. mtDNA-Sequenzen. Hinzu kamen Messungen Informell ursprünglich als getrennte Arten der Körperlänge, Tarsuslänge, Schnabelmaße beschrieben (Cabanis in Frantzius 1869), wur- und Länge der Schmuckfedern bei Männchen. den beide Taxa aufgrund fehlender Daten als Obwohl bereits Salvin (1870) und Ridgway die Unterarten Pharomochrus mocinno mocinno (1911) auf die unterschiedliche Breite der Ober- Kurze Mitteilungen 71 schwanzdecken bei beiden Quetzaltaxa hinwie- sen, wurden bisher keine Daten dazu veröffent- licht. Im Folgenden sollen deshalb ergänzend zu Ridgway (1911) und Solórzano & Oyama (2010) Daten zur Breite der männlichen Schmuckfedern vorgestellt werden, die an Prä pa raten europäi- scher Sammlungen gemessen wurden. Sie wei- sen darauf hin, wie man die Männchen dieser beiden neu postulierten Arten auch äußerlich unterscheiden kann. Wegen der Holotypus- Lokalitäten und der Verbreitungsschwerpunkte, aber auch in Anlehnung an die bereits verwen- deten englischen Namen, werden dazu im Folgenden die Bezeichnungen Guatemala- Quetzal und Costa-Rica-Quetzal verwendet.

Methoden

In acht ornithologischen Sammlungen wurden insgesamt 85 Quetzal-Bälge vorgefunden (74 ♂, 10 ♀, 1 pullus). Von den 74 männlichen Exem- plaren mussten 25 für die Fragestellungen ausge- sondert werden, da die Fundortangaben nicht eindeutig oder die Schmuckfedern unvollständig bzw. beschädigt waren. Letztendlich wur den die Präparate von 49 männlichen Guatemala- Abb. 1. Zwei Quetzal-Männchen zum Vergleich Quetza len mit Fundorten in Guatemala (n = 21), (hier Präparate aus dem Naturhistoriska Riks- Chiapas/Mexiko (n = 6) und Honduras (n = 3) museet in Stockholm/Schweden), links ein und 19 Präparate männlicher Costa-Rica- Männchen aus Costa Rica, rechts ein Männchen Quetzale mit Fundorten in Costa Rica (n = 16) aus Guatemala; man beachte die Breite der lan- und Panama (n = 3) untersucht. Im Folgenden gen Schmuckfedern (unter gelbem Maßband). – sind die Sammlungen und Individuenzahlen der Two male Quetzals (mounts from Naturhistoriska ausgewerteten Männchen aufgelistet (mit An ga - Riksmuseet, Stockholm/Sweden) compared – a Costa ben zu Guatemala-Quetzal/Costa-Rica-Quetzal): Rican (left) and a Guatemalan bird (right). Note the Berlin – Museum für Naturkunde ZMB (3/5 Indi - width of the long tail coverts as shown on the yellow viduen), Bremen – Überseemuseum UMB (7/1), tape rule. Foto: Ulrich Schulz Frankfurt a. M. – Senckenberg-Museum SMFM (7/10), Hamburg – Zoolo gisches Museum der Universität ZMH (2/–), München – Zoologische Für die Untersuchung von Mittelwertun- Staatssammlung ZSM (4/–), Stockholm, Schwe- terschieden wurde ein Randomisierungstest den – Naturhistorika Riksmuseet NRM (3/1), (10 000 000 Permutationen) mit einem Signi fi - Stuttgart – Museum für Naturkunde SMNS (3/2) kanzniveau von p = 0,05 verwendet (Software und Uppsala, Schweden –Museum of Evolution SsS 2.0; Engel 2009). Mittelwerte werden zusam- ZMUU (1/–). Beide Quetzalarten haben meist men mit ihrer Standardabweichung (SD) ange- zwei Paar verlängerte Oberschwanzdecken, die geben. die Schwanzfedern weit überragen. Die jeweils längste Feder der Oberschwanzdecken der 49 Ergebnisse Männchen wurde mit einem Maßband in ihrer Gesamtlänge (Distanz von der Federspitze bis Die Oberschwanzdecken des Guatemala-Quet - zur Einfügung) und in ihrer Breite an der breites- zals waren mit einer durchschnittlichen Breite ten Stelle (ca. in der Mitte der Feder bis zur von 53,7 mm (SD: 9,2; n = 30) deutlich breiter Grenze zwischen erstem und zweitem Drittel der als die Oberschwanzdecken des Costa-Rica- Feder) gemessen (Abb. 1). Quetzals (Mittelwert: 37,7 mm; SD: 4,9; n = 19; 72 Ornithol. Anz., 51, 2012

90

75

60

45 Federbreite (mm)

30

15 0 300 600 900 1200 Federlänge (mm)

Abb. 2. Breite und Länge der jeweils längsten Schmuckfedern bei Guatemala-Quetzal (grüne Punkte) und Costa-Rica-Quetzal (rote Punkte). Quadrate: Mittelwerte, Linien: Standardab weichun - gen. Daten von Quetzalbälgen aus europäischen Sammlungen (Quellen s. Text). Das Inset zeigt ein Quetzalmännchen mit zwei typischen Schmuckfedern (verlängerte Oberschwanzdecken), die die Schwanzfedern überragen (Zeichnung: U. Kern). – Width and length of longest upper tail coverts for Resplendent Quetzal (green dots) and Costa Rican Quetzal (red dots). Squares: mean values, lines: standard error. Data obtained from mounts provided by European collections (for sources see text). The inset shows a male Quetzal with two characteristic decorative feathers (elongated upper tail coverts) extending beyond its tail (drawing by U. Kern).

Randomisierungstest auf Mittelwert unterschie - Diskussion de p < 0,0000005). Die Unterschiede sind illus- triert in den Punktwolken der Abb. 2. Es gibt einen signifikanten Unterschied in den Die Schmuckfedern des Guatemala-Quetzals Breiten der Oberschwanzdecken der Männchen waren maximal 99 cm lang und wiesen einen des Guatemala-Quetzals und des Costa-Rica- Mittelwert von 696 mm auf (SD: 165; n = 30). Quetzals (Abb. 2). Diese deutlichen morpholo- Beim Costa-Rica-Quetzal schwankten sie um gischen Unterschiede könnten ein weiterer Hin - einen Mittelwert von 645 mm (SD 129, n = 19). weis auf zwei verschiedene Arten des Quetzals Hier erreichte die längste gemessene Feder sein, wie sie von Solórzano & Oyama (2010) 86 cm. Der Randomisierungstest auf Mittel wert - postuliert werden. Eine plausible Erklärung für unterschiede zeigte, dass sich die Schmuck- die Aufspaltung der beiden Arten ist die geo- federn statistisch nicht hinsichtlich ihrer Länge grafische Trennung und der unterbrochene unterscheiden (p = 0,2675). Genfluss. Denn die Populationen des Guate- Kurze Mitteilungen 73 mala-Quetzals und des Costa-Rica-Quetzals als getrennte Arten verkleinert die Schutz- sind seit ca. 3 Millionen Jahren getrennt (Solór - einheiten (Größe des Verbreitungsgebietes, zano & Oyama 2010). Zwischen ihnen liegt die Anzahl der Individuen), was das potenzielle als biologische Grenzregion bekannte Senke Aussterberisiko erhöht. Verstärkte Schutz an - von Nicaragua (Weyl 1980). Migrationen des stren gungen müssen vor allem in die Nebel - Quetzals über diese Distanzen sind unwahr- wälder im nördlichen Mittelamerika investiert scheinlich, worauf auch Untersuchungen von werden, weil diese durch eine schnell wachsen- Powell & Bjork (1994) hindeuten. Allgemeine de Bevölkerungszahl zunehmend gefährdet Unterschiede im Verhalten oder in der Ökologie sind (Eisermann et al. 2006). der beiden Arten sind bisher nicht bekannt Abschließend sei noch vermerkt, dass diese (Solórzano & Oyama 2010), müssten aber noch Arbeit ein weiterer Beleg dafür ist, welchen genauer untersucht werden. hohen Stellenwert naturkundliche Sammlungen Der Guatemala-Quetzal zeichnet sich nach für Forschungen zur Biodiversität und zur Evo - Solórzano & Oyama (2010) nicht nur durch die lution aufweisen. Sie bieten ebenso wichtige maßgeblichen molekulargenetischen Unter - Grundlagen für naturschutzfachliche Planungen. schiede zum Costa-Rica-Quetzal aus, sondern auch durch ein größeres Gewicht, tiefere Schna- Dank. Herzlichen Dank an die folgenden Kus- belspalten, längere Zehen und längere Ober - toden und Mitarbeiter ornithologischer Samm- schwanz decken. Die längeren Schmuckfedern lungen für das Heraussuchen, Bereitstellen bei Männchen können durch die eigenen Daten und bisherige Pflegen der Quetzalpräparate nicht bestätigt werden (siehe Abb. 2), was unter- (in alphabetischer Reihenfolge der Städte): schiedliche Gründe haben kann. Womöglich ist Dr. S. Frahnert/P. Eckhoff (Berlin, ZMB), Dr. das europäische Sammlungsmaterial nicht re - P. R. Becker/ N. Richelmann (Bremen, UMB), prä sentativ oder die Auswahl der südlichen Dr. G. Mayr (Frankfurt a. M./Senckenberg-Mu - Quetzales durch Solórzano & Oyama (2010). Sie seum, SMFM), Prof. Dr. A. Haas/Fr. C. Bracker arbeiteten mit neun Tieren aus Panama, deren (Hamburg, Zoologisches Museum, ZMH), Prof. Oberschwanzdecken nur eine durchschnittliche Dr. J. Reichholf/Fr. R. Diesener (München, Länge von 503 mm aufwiesen. Nicht abgesi- ZSM), Dr. F. Woog, I. Heynen (Stuttgart, SMNS), chert ist auch das unterschiedliche Alter der bis- Dr. U. Johannson (Stockholm/Naturhistoriska her untersuchten Männchen. Es müssten in Riksmuseet, NRM), Dr. M. Eriksson (Uppsa- Zukunft mehr Daten zu den Federn gesammelt la/Museum of Evolution, ZMUU). Ebenso dan- werden. ken wir Dr. J. Engel (München) für die Kontrolle Die Daten stehen nicht im Widerspruch zu der statistischen Berechnungen und dem Di- der oft vertretenen Aussage, dass die längsten plom-Biologen David Unger aus München (jetzt Schmuckfedern bei den nördlichen Tieren zu fin- Guatemala). Er hat bereits 1989 beim Landes - den sind (Ridgway 1911, Johnsgard 2000, For- bund für Vogelschutz in Bayern eine Quetzal - shaw & Gilbert 2009). Auch wenn sich die expedition und dann ein Quetzalschutzprojekt Mittelwerte der Schmuckfederlängen nicht un - initiiert. U. Schulz bekam die Gelegenheiten, bei terscheiden, so sind die maximalen Schmuck- beiden teilzunehmen und wurde dadurch nach- federlängen mit bis zu 99 cm eher bei den nörd- haltig für das unerschöpfliche und vielseitige lichen Populationen vertreten (Abb. 2). Allge- Thema Quetzal begeistert. mein scheinen die Männchen und Weibchen des Guatemala-Quetzals größer und kräftiger zu sein Literatur (Forshaw & Gilbert 2009, Solórzano & Oyama 2010 und eigene Beobachtungen). Das sicherste American Ornithologists’ Union (1998): The Unterscheidungsmerkmal, das auch im Gelände American Ornithologists’ Union check-list of recht gut erkennbar ist, bleiben je doch die North American birds. Seventh Ed. Ame rican Breiten der Oberschwanzdecken. Ornithologists’ Union, Washington, D.C. Die Unterscheidung der beiden Quetzal - Collar, N.J. (2001): Trogonidae (Trogons). In: del arten steigert die Bedeutung jedes Nebelwald - Hoyo, J., A. Elliott, & J. Sargatal (Eds): Hand - gebietes in Mittelamerika für die Erhal tung die- book of the Birds of the World. Vol. 6: ser Arten. Beide Arten haben eine disjunkte Ver - Mousebirds to Hornbills. Lynx Edicions, breitung in Bergnebelwäldern. Die Betrachtung Barcelona, p. 80–129. 74 Ornithol. Anz., 51, 2012

Eisermann, K., N. Herrera & O. Komar (2006): Ridgway, R. (1911): The birds of North and Highland Guan (Penelopina nigra). In: D. M. Middle America. Part V. Bulletin of the Brooks (Ed.) Conserving Cracids: the most United States National Museum No. 50, threatened family of birds in the Americas. Smithsonian Institution, Washington, D.C. Miscellaneous Publications of the Houston Salvin, O. (1870): On some collections of birds Museum of Natural Science 6, p. 85–90. from Veragua, part II. Proc. Zool. Soc. Lon- Engel, J. (2009): SsS 2.0 Softwarepaket. Zoolu- don, 1870: 175–219. tion, Puchheim. Solórzano, S. & K. Oyama (2010): Morphometric Forshaw, J.M. & Gilbert, A.E. (2009): Trogons: a and molecular differentiation between quet- natural history of the Trogonidae. Lynx zal subspecies of Pharomachrus mocinno (Tro - Edicions, Barcelona. goniformes: Trogonidae). Rev. Biol. Trop. 58: Frantzius, A.V. (1869): Über die geographische 357–371. Verbreitung der Vögel Costa-Ricas und Weyl, R. (1980): Geology of Middle America. deren Lebensweise. J. Ornithol. 17: 289–318. Gebr. Borntraeger, Berlin and Stuttgart. Johnsgard, P.A. (2000): Trogons and quetzals of the world. Smithsonian Institution Press, Eingegangen am 30. März 2012 Washington, D.C. Angenommen am 8. April 2012 Powell, G.V.N. & R.D. Bjork (1994): Implications of altitudinal migration for conservation strategies to protect tropical biodiversity: a case study of the Quetzal Pharomachrus mocinno at Monteverde, Costa Rica. Bird Conservation International 4: 243–255. Kurze Mitteilungen 75

Ein Massenschlafplatz des Haussperlings Passer domesticus balearoibericus auf der Ionischen Insel Zákynthos

Eberhard Mey

A mass roost of House Sparrows Passer domesticus balearoibericus on the Ionian island of Zákynthos

On the 9th of August 2010, between 20:00 and 20:50 h, in the square called Platía Solomoú in Zákyn- thos Town in SW Greece, the arrival of a total of around 17 000 House Sparrows (apparently mainly birds of the year) was observed. The birds settled to roost for the night in palms and monkey-puzzle trees (Araucaria). Nearby in St. Mark’s Square there were further roosts of several hundred or even a thousand House Sparrows, and again there appeared to be no other bird species among them.

Key words: Passer domesticus balearoibericus, mass roost, Zákynthos

Dr. Eberhard Mey, Naturhistorisches Museum im Thüringer Landesmuseum Heidecksburg zu Rudol- stadt, Schlossbezirk 1, D-07407 Rudolstadt E-Mail: [email protected]

Auf der südlichsten der vier großen Ionischen Vom gewählten Beobachtungspunkt aus, an der Inseln, Zákynthos im Südwesten Griechenlands, vor allem von Autoverkehr stark frequentierten bot sich mir Anfang August 2010 die seltene Stráda Marína bei der Ágios-Nikólaos-Mole, ließ Gelegenheit, auf einen Massenschlafplatz des sich ab 20.00 Uhr, also eine halbe Stunde vor Haussperlings Passer domesticus balearoibericus v. Sonnenuntergang, der gruppenweise, nicht ab- Jordans aufmerksam zu werden. Zákyn thos (ca. reißen wollende Anflug der Haussperlinge recht 38° N, 21° E) befindet sich in den sommertrocke- gut überblicken (Abb. 1). Er mochte zu diesem nen Subtropen und ist etwa 410 km² groß (E-W- Zeitpunkt schon einige Minuten im Gange ge - Ausdehnung ca. 19 km, N-S-Aus deh nung ca. 40 wesen sein und vermutlich einige Hundert Sper- km). Nächstliegendes sichtbares Insel-Festland linge umfasst haben. Das Gros der am Solomós- ist 15,7 km (Kefalonia) und 17,6 km (Pelopon - Platz einfallenden Sperlinge konnte von mir nes) entfernt (Schwab & Schwab 2010). wahrscheinlich ermittelt werden. Unter mittel- Bei einem kurzen Aufenthalt im östlichen europäischen Verhältnissen erfolgt die Ankunft Teil der Insel, und zwar in Zákynthos-Stadt der Haussperlinge am Schlafplatz 2 h bis 30 min. (Chóra), in den am Solomós-Platz (Platía vor Sonnenuntergang und ist von Witterung Solomoú) stehenden Palmen und Araukarien, und Jahreszeit abhängig (Glutz v. Blotzheim & nur wenige Meter vom Meer entfernt, waren Bauer 1997). Von „Ber li ner“ Hausspatzen er- mir ungewöhnlich viele zum Nächtigen einflie- schie nen von August bis Oktober die ersten im gende Haussperlinge aufgefallen. Sie stimmten Durchschnitt 1 ½ h vor Sonnenuntergang am in ein lautstarkes Schilpkonzert ein, das von Za- Schlafplatz (Deckert 1969). kyn thern und Touristen, die den Solomós-Platz Der Anflug der Haussperlinge erfolgte dicht vom Abend bis zum frühen Morgen sehr beleb- über die Häuser aus dem südlichen Stadtgebiet. ten, scheinbar kaum bewusst als ein besonderes Etwa einhundert Meter vor dem Solomón-Platz Naturschauspiel wahrgenommen wurde. landeten die wohl zumeist in kleinen Gruppen Zwei Tage später, am 9. August, verschaffte (um 30 – 50 Individuen) anfliegenden Sperlinge ich mir dort ein genaueres Bild über das Ge- auf einem relativ flachen Dach (Abb. 1). Dort schehen. Die Anzahl der vom Sammelplatz die bildeten sich rasch größere Ansammlungen, die Bäume anfliegenden Sperlinge ließ sich nur bald darauf in großen langgezogenen Schwär - durch rasche Schätzung von angenommen „100- men im Direktanflug, manchmal auch noch Individuen-Trupps“ in einer Strichliste erfassen. Kreise über dem Platz ziehend, zu den Schlaf - 76 Ornithol. Anz., 51, 2012

Abb. 1 (links). Auf dem Gebäude mit rotem, relativ flachem Ziegeldach (am Solomós-Platz in Zá kyn - thos-Stadt) erfolgte ein kurzer Zwischenstopp der aus der Stadt ankommenden Haussper lin ge vor ihrem Weiterflug zum Schlafplatz. Dort, in einem fort, innerhalb von 50 Minuten (20.00 bis 20.50 Uhr), landeten die einen und starteten die anderen Gruppen. Den Hintergrund des Fotos bildet der die Stadt nach Westen begrenzende Kástro-Hügel. – The building with a red, relatively flat tile roof (on Platía Solomoú in Zákynthos Town) was used as a brief resting area by the House Sparrows arriving from the town before finally departing to their roost. Within a space of 50 minutes (20:00 to 20:50 h) there was a constant coming and going as one group arrived and another departed. The background of the photo shows the kástro hill on the western edge of the town. Foto: Eberhard Mey, vor Sonnenuntergang

Abb. 2 (rechts). Insgesamt 19 Palmen und drei Araukarien am sehr belebten Solomós-Platz und auf der sich daran anschließenden Mole in Zákynthos-Stadt nahmen rund 17.000 nächtigende Haussperlinge auf. Von ihnen waren etwa zwei Drittel vor und ein Drittel nach Sonnenuntergang in den Bäumen gelandet. – A total of 19 palms and 3 monkey-puzzle trees (Araucaria) on the very busy Platía Solomoú square, as well as the adjacent mole in Zákynthos Town, provided the nocturnal roost for around 17 000 House Sparrows. About two-thirds of them landed in the trees before sunset and about one- third after. Foto: Eberhard Mey, nach Sonnenuntergang

platz-Bäumen (Abb. 2) strebten und sogleich samt nur noch 5 400 Individuen hinzu, doch kul- nach ihrer Landung in ein lautes „Schilp-Kon - minierte in dieser Zeit innerhalb von 5 min. (20.26 zert“ einstimmten. Dieses hielt bis kurz nach bis 20.30 Uhr) der Sperlingseinflug (Abb. 4). Ge- Sonnenuntergang (20.48 Uhr) unvermindert an. gen 20.42 Uhr schaltete sich die Straßen- und Dann verstummte plötzlich die Schlafgesell- Platzbeleuchtung ein, und ab 20.50 Uhr wurde schaft, setzte aber ihr „Konzert“ nach gut einer kein einfliegender Sperling mehr bemerkt. Nur Minute wieder fort. Ab 20.55 Uhr wurde das noch einzelne Individuen wechselten ihren Schilpen deutlich leiser, viele schliefen bereits Schlafplatz-Baum. In 14 Palmen und drei Arau- (Kopf im Rückengefieder oder nur geschlossene karien am Solomón-Platz und in fünf weiteren Augen in Ruhestellung: Kopf und Schnabel Palmen auf der Mole nächtigten insgesamt etwa weisen nach vorn). Der Menschenlärm übertön- 17 000 Sperlinge. Weitere, vermutlich mehr als te das allmählich schwächer werdende Schilpen tausend, übernachteten in den Palmen am Mar - der sich nun ganz zur Ruhe anschickenden kusplatz, deren Einflug sich allerdings von mir Sperlinge. Die in einigen Fällen ermittelte Indi - nicht genauer beobachten ließ. vidualdistanz der auf den Palmenwedeln ru hen - Die Araukarien (Abb. 2) boten den Sperlin - den Sperlinge betrug zumeist etwa eine Körper - gen weniger Platz (und Sicherheit) als die länge ihrer Selbst (Abb. 3). Palmen, trotzdem waren sie im mittleren Baum- Bis zum Sonnenuntergang, innerhalb einer bereich von ihnen dicht besetzt. Die den Platz halben Stunde hatten zwei Drittel (10 630) der säumenden Sträucher und Hecken waren zu erfassten Sperlinge ihren Schlafplatz bezogen. klein, um als Schlafplatz für die Sperlinge in- Während der 20 Minuten danach kamen insge- frage zu kommen. Kurze Mitteilungen 77

Abb. 3. Die Individualdistanz zwischen den nächtigenden Haussperlingen betrug jeweils etwa eine Körperlänge. Manchmal war sie auch geringer, jedoch nicht bis Körperkontakt. Auf diesem von Vogelkot gefleckten Palmenwedel-Abschnitt ruhten mindestens 6 immature Individuen. – The indi- vidual distance between the roosting House Sparrows was around one body-length. Sometimes it was slight- ly less, but there was no body contact. On this dropping-spattered section of palm frond at least 6 immature individuals were roosting. Foto: Eberhard Mey

3000

2500

2000

1500

Individuen 1000

500

0

bis 20.04 bis 20.09 bis 20.12 bis 20.15 bis 20.20 bis 20.25 bis 20.30 bis 20.35 bis 20.42 bis 20.45 bis 20.50

20.00 20.05 20.10 20.13 20.16 20.21 20.26 20.31 20.36 20.43 20.46

Abb. 4. Zeitlicher Verlauf des Einfalls der Haussperlinge am Schlafplatz. Solomós-Platz in Zákynthos- Stadt am 9.8.2010. – The course of House Sparrow arrival at the roost over time. Platía Solomoú in Zákynthos Town on 9.8.2010. 78 Ornithol. Anz., 51, 2012

Wie Stichproben ergaben, bildeten den über- Einwohner der Insel siedelt, davon allein 10 000 wiegenden Teil der Schlafgemeinschaft diesjäh- in Zákynthos-Stadt (ohne Touristen) (Schwab & rige Vögel, was zu dem gegebenen Zeitpunkt Schwab 2010). Dort, in den Dörfern und der (am Ende der Brutperiode) nicht anders zu er- Stadt auf gut 140 km², würden mindestens 2 125 warten war. Brutpaare siedeln, wenn man annimmt, dass Bewusst wurde nach anderen Vogelarten Aus- etwa 25 % der Schlafplatzgesellschaft in Zákyn- schau gehalten, doch keine andere Spezies teilte thos-Stadt Altvögel waren. Das würde eine sich den Schlafplatz mit den Haussper lingen. Groß flächendichte von etwa 15 Brutpaaren pro Eine so große, auffällige Ansammlung sollte Quadratkilometer ergeben. Die tatsächliche Prädatoren anziehen. Doch weder Katzen noch Abundanz des Haussperlings auf Zákynthos Greifvögel oder Eulen wurden von mir in der dürfte indes viel höher sein. kurzen Beobachtungszeit bemerkt. Unter Bäumen und Hecken fand sich nirgends ein Riss Literatur oder eine Rupfung. Da die Sperlinge mauserten, war es kein Deckert, G. (1969): Zur Ethologie und Ökologie Wunder, dass viele kleine Körperfederchen aus des Haussperlings (Passer d. domesticus L.). den Bäumen im lauen, kaum spürbaren Abend - Beiträge zur Vogelkunde 15: 1 – 84. wind zum Hafen hinschwebten. Stichproben - Glutz von Blotzheim, U. N. & K. M. Bauer artig untersuchte ich sie auf Federlinge. Er - (1997): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. wartet wurden Vertreter aus den Gattungen Band 14/I Passeriformes. Aula Verlag, Wies - Myrsidea, Menacanthus, Philopterus, Rostrinirmus baden. und/oder Brueelia. Doch keines der etwa 30–40 Schwab, A. & G. Schwab (2010): Zakynthos. Federchen trug zufällig einen von ihnen. 4. komplett überarbeitete und aktualisierte Die hier beschriebene Konzentration lässt Auflage. Michael Müller Verlag GmbH, auf den Brutbestand des Haussperlings auf Za- Erlangen. kynthos rückschließen. Ein Drittel der Insel (im Osten und Südosten) nimmt unbewaldetes, landwirtschaftlich genutztes Flachland ein, wo Eingegangen am 13. Mai 2012 der überwiegende Teil der insgesamt 40000 Angenommen am 17. Mai 2012 Kurze Mitteilungen 79

Ungewöhnliche Baumbrut einer Graugans Anser anser im Ammersee-Gebiet

Ursula Wink

Unusual breeding place of a Greyleg Goose on a tree stump near Lake Ammersee

Key words: Greyleg Goose, treenet.

Dr. Ursula Wink, Ertlmühle 2, 82399 Raisting E-Mail: [email protected]

Graugänse bauen ihre Nester gewöhnlich in der Wiese hielt der Ganter Wache. Doch nach drei Nähe von Gewässern, meist am Boden in Gras, Tagen, wohl nachdem alle Eier gelegt waren, Schilf, Röhricht oder auf Seggenbülten. Stock - kam der Ganter nur noch gelegentlich in die ausschläge und Kopfweiden sind auch als Brut - Nähe des Brutbaums, während er die meiste platz bekannt, aber selten (Bauer, Bezzel & Zeit in Nachbarwiesen graste. Mit Brüten wird Fiedler 2005). nach der Ablage des letzten Eis begonnen. Nach Im Ammersee-Gebiet brüten etliche Grau - einigen Tagen verließ die Gans nur noch zur ganspaare (23 BP 2011 rund um den Ammeree, Nahrungssuche kurz den Brutplatz, meist in der Strehlow 2012). Auch in der Ebene südlich des Frühe und abends. Die normale Brutzeit beträgt Ammersees finden einige Bruten statt, z. B. am 27 bis 29 Tage. Bis zum 14.04. sah man die Zellsee und an den Weilheimer Torfteichen (je 6 Graugans mit angelegten Flügeln im Nest lie- BP 2009) und zwei kleinen Weihern bei Raisting gen, wobei sie meist den Kopf einsteckte. Ab (6 BP 2010) (eigene Beobachtungen seit 2000). dem 15.04. wurde sie unruhig, putzte sich oft Seit Jahren besteht ein mit 2–3 Paaren besetzter und hielt die Flügel zum Hudern breit ausge- Brutplatz am Plonner Weiher der Ertlmühle bei breitet. Daraus lässt sich folgern, dass ein Raisting. Dieser wird auf einer Seite durch einen Küken geschlüpft war. Gelegentlich stand sie Deich von der Rott getrennt, auf der anderen auf und rollte die verbliebenen Eier. Am 16. befinden sich ausgedehnte Schilfzonen und April konnte ich abends erstmals ein Gössel Kuhweiden. Am Ende des Weihers zweigt der sehen. Als am nächsten Morgen die Gans für Mühlbach ab, wo 2012 die hier beschriebene wenige Minuten nach unten zum Fressen flog, erfolgreiche Graugansbrut hoch oben auf einem sah ich noch ein ungeöffnetes Ei im Nest liegen. Baumstumpf stattfand, was für Graugänse un - Die Gans rollte dieses von Zeit zu Zeit und gewöhnlich ist. huderte sonst das Küken. Der Ganter war am 18.04. bis mittags noch nicht anwesend. Um Beobachtungen 15:50 Uhr hörte ich Gänserufe und der Sprung des Kükens aus dem Nest war schon erfolgt. 2012 entdeckte ich im März eine Graugans, die Unten stand unversehrt das Gössel zusammen etwa 6 m hoch oben auf einer abgebrochenen mit den Gänseeltern. Es war ein zwar kalter, Silberweide saß (Abb. 1). Hier hatte sie eine aber trockener Apriltag. Auf verdorrtem Gras Mulde, wie schon 2011, zum Nistplatz erkoren. am Abhang des Mühlgrabens huderte die Die Baumruine steht am Ufer des Mühlbachs. Gänsemutter zeitweise das Küken. Zum Nest Zu beiden Seiten befinden sich Wiesen, in einer zurückkehren, wie das sonst noch wochenlang grasen Ziegen und ein Esel. Bis zur Bahnlinie üblich ist, konnte sie ja nicht. und den Straßen ist das Gebiet eingezäunt und Etwa zwei Stunden später erschienen damit ungestört. Alle Beobachtungen konnte Raben krähen Corvus corone am Gänsenest. Die ich vom Garten oder vom Fenster meiner Woh- Gänse wechselten ans andere Ufer des nung aus 50 Metern Abstand machen. Mühlgrabens, was das Gössel schon schaffte. Ab dem 17.03.2012 saß die Gans fast den Eine Rabenkrähe holte sich ein im Nest verblie- ganzen Tag oben auf dem Baum. Unten in der benes Ei und verspeiste es in der Wiese. (Nach 80 Ornithol. Anz., 51, 2012

Abb. 1. Graugans-Brutplatz in 6 m Höhe auf einer abgebrochenen Silberweide. – Breeding place of a Greyleg Goose on a broken off white willow stump, 6 m above ground. Foto: Ursula Wink den Blutäderchen im Innern der Eischalen zu Diskussion urteilen, war es bebrütet, das Küken aber sicher abgestorben, denn sonst hätte es spätestens Nestflüchter, zu denen bekanntlich die Gänse einen Tag nach dem ersten schlüpfen müssen.) zählen, werden fast alle am Boden erbrütet. Die Kurz darauf erschien ein Schwarzmilan und Brutplatzwahl einer Graugans in ungewöhnli- attackierte die Rabenkrähen. Später schaute cher Höhe von 15 m auf einer Pappel in einem dann noch ein Rotmilan am Brutbaum vorbei. alten Nest eines Seeadlers Haliacetus albicilla Am nächsten Morgen schwamm die Gänsefa - wurde am 21.04.2001 am Chiemsee festgestellt milie im nahen Gartenteich. Doch sobald sich (Bezzel et al. 2005). Bei anderen Gänsearten wie die Gänse ans Ufer begaben, wurden sie von Rostgans Tadorna ferruginea und Nilgans Alo- einer Rabenkrähe verfolgt. Da alle Drohge bär - pochen aegyptiacus sind Baumbruten üblich. Nil- den des Ganters nichts nützten, verließen sie im gänse gibt es an der Nidda und im Hausener Au - Gänsemarsch den Garten, überquerten den Hof wald. 2010 fand dort in der Gegend sogar eine des Sägewerks und begaben sich in den 100 Brut auf dem Kirchturm in Fechenheim statt Meter entfernten Plonner Weiher. (www.hausener-auwald.de.tl/Nilgänse.htm). Bereits 2011 hatte sich eine Graugans oben Auch Gänsesäger Mergus merganser, Zwergsäger auf derselben Baumruine zum Brüten niederge- Mergellus albellus und Schellenten Bucephala clan- lassen, auf den Tag genau am 17. März. Der gula sind Höhlenbrüter. Gänsesäger brüten man- Ganter hielt sich auch damals in den ersten gels Höhlen auch an Felsbändern, in Nistkästen Tagen in der Nähe des Baumes auf. Aber am und sogar hoch an Gebäuden (Glutz von Blotz - 11.04.2011 wurde die Brut aufgegeben. Es ist heim & Bauer 1988). Siegner fand 1985 bei Nist - wahrscheinlich, dass es sich um dasselbe Paar kasten-Kontrollen eine Brut in 40 m Höhe in dem gehandelt hat, das 2012 erfolgreich brütete. Kirchturm der Klosterkirche Schäftlarn (Siegner Kurze Mitteilungen 81

1986). Als Nestflüchter, die nicht gefüttert wer- mer see einen ungewöhnlichen Platz zum Brü - den, müssen die Jungen wenige Tage nach dem ten. In der Mulde einer abgebrochenen Silber- Schlüpfen den Sprung in die Tiefe wa gen. Da weide legte sie das Nest in 6 Meter Höhe an. ihre Knochen dann noch weich sind, bestehen sie Vom 17. März bis zum 15. April 2012 unterbrach die „Bruchlandung“ meist unbeschadet. sie das Brüten nur kurz zum Fressen. Am 15.04. So stellt sich nun die Frage nach Vor- und war das erste Küken geschlüpft und wurde ge- Nachteilen von Boden- und Baumbruten. Bei all hu dert. Am 18.04. gegen 15:50 Uhr wagte es den den genannten Arten sind es meist Höhlen oder Sprung in die Tiefe. Ein im Nest verbliebenes, überdachte Plätze, die zur Brut gewählt wurden. angebrütetes Ei wurde wenig später von einer Während des Brütens oben auf einem Baum - Rabenkrähe entwendet und ausgefressen. 2011 stumpf ist das Nest, wenn die Gans es zur Nah - wurde die Brut nach drei Wochen aus unbe- rungssuche verlässt, sicher vor Bodenfein den, kannter Ursache abgebrochen. nicht aber vor Feinden aus der Luft. Raben - krähen, die es auf die Eier abgesehen haben, fan- den sich gleich zu Anfang der Brut am Nest ein. Literatur In luftiger Höhe war die Graugans voll dem Wettergeschehen ausgesetzt. Zum Schluss der Bauer, H. G., E. Bezzel & W. Fiedler (2005): Das Brutphase gab es starke Nachtfröste und zahlrei- Kompendium der Vögel Mitteleuropas. Non - che kalte Regentage. Am 8. April 2012 saß die passeriformes. Aula-Verlag, Wiesbaden. Graugans sogar einen Tag lang im Schnee- Bezzel, E., I. Geiersberger, G. v. Lossow & R. treiben. Das Wetter scheint sie nicht beinträch- Pfei fer (2005): Brutvögel in Bayern. Ver brei - tigt zu haben, möglicherweise aber den Brut- tung 1996 bis 1999. Stuttgart: Verlag Eugen erfolg, der mit nur einem Küken gering ist, Ulmer, Stuttgart. wenn man bedenkt, dass bei Graugänsen durch- Glutz von Blotzheim, U. N. & K. M. Bauer schnittlich um die fünf Gössel schlüpfen (Am (1988): Handbuch der Vögel Mitteleuropas. Zellsee sah ich am 19.04. allerdings auch bei Bd 4. Aula Verlag, Wiesbaden. zwei Brutpaaren nur je ein einziges, wenige Tage Siegner, J. (1986): Kirchturm-Brut des Gänse sä - altes Gössel). Auch das Fehlen des warmen, mit gers Mergus merganser. Anz. ornithol. Ges. Daunen ausgepolsterten Nestes, zu dem nach Bayern 25: 98-101. dem Schlüpfen zum Hudern und nachts zurück- Strehlow, J. (2012): Ornithologischer Rundbrief gekehrt werden kann, ist nicht optimal. für das Ammersee-Gebiet. Nr. 35. Unver öf - fentlicht. Zusammenfassung

2011 und 2012 wählte eine Graugans Anser anser Eingegangen am 22. April 2012 bei der Ertlmühle in Raisting südlich vom Am - Angenommen am 15. Mai 2012 82 Ornithol. Anz., 51, 2012

Nachruf

Ekkehard Czinczel (1938–2012)

Das langjährige Vorstandsmitglied unserer legte er das Abitur ab, dann folgte eine zweijäh- Gesellschaft, Ekkehard Czinczel, Wirtschafts - rige Maurerlehre, die er mit der Gesellen prü fung prüfer und Steuerberater, ist am 14. Februar 2012 abschloss. Da er in der DDR seinen Wunschbe - im 73. Lebensjahr in München nach schwerer ruf Architekt aus naheliegenden Gründen nicht Krankheit verstorben. Er wurde am 26. April realisieren konnte, sah er für sich keinen ande- 1938 in Nordhausen am Südrand des Harzes in ren Ausweg als die Flucht nach Westdeutsch- Thüringen geboren. Kindheit und Jugend stan- land. Im März 1958 fuhr er mit der S-Bahn in den ganz im Zeichen des Zweiten Weltkriegs den Westteil Berlins. Im Westen völlig auf sich und der Nachkriegszeit. Schon als Zweijähriger allein gestellt, musste er von Grund auf alles für musste er erleben, wie sein Vater an der Front im Lebensunterhalt und Studium selbst verdienen, norwegischen Skagerak fiel und nur sechs Jahre dennoch schaffte er es, auch noch seine Eltern zu später, als Achtjähriger, wie sein Großvater von unterstützen. Vom Studium des Bauingenieur - der russischen Besatzungsmacht wegen seiner wesens an der Technischen Hochschule Mün- antikommunistischen Haltung in das nun unter chen wechselte er nach einigen Semestern zum sowjetischem Regime weiterbetriebene KZ Studium der Betriebswirtschaftslehre. Buchenwald abtransportiert wurde und seitdem Der Verstorbene trat 1969 in unsere Ge sell - verschollen blieb. Von diesen Ereignis sen ge- schaft ein. Ich habe ihn zusammen mit seiner prägt, manifestierte sich in Ekkehard Czinczel Frau Susanne als regelmäßigen und aufmerksa- lebenslang ein deutlich sichtbares Misstrauen men Besucher der Vortragsabende erlebt. Ein gegenüber allen diktatorischen Tendenzen – ein erstes Mal findet sein Name schriftliche Er- strenger Antikommunist blieb er allemal. 1956 wähnung als einer der Kassenprüfer im Bericht Nachruf 83

über die Generalversammlung am 15. Februar humorvollen, von naturkundlichem, aber auch 1974. Am 17. Februar 1978 folgte seine Wahl universellem Interesse, Wissen und Emotionen zum Schatzmeister. Seitdem gehörte Ekkehard erfüllten Menschen zu erleben. Ekkehard Czinczel dem Vorstand an. In seiner Amtszeit Czinczel war aufgeschlossen für neue Technik, setzte er sich unter anderem mit fachkundiger wissenschaftlichen Fortschritt und aktuelle Be - Argumentation für die Herausgabe der „Avi- richt erstattung. Sein breites Interesse an Zu sam - fauna Bavariae“ ein. Er verstand es, sich in die menhängen in der Natur führte ihn von der Position des Schlichters zu begeben, schob in Vogelkunde auch zur Botanik und er hielt vieles Auseinandersetzungen bestehende Ressenti- an Gesehenem in der Natur und bei gesell- ments beiseite und ermöglichte so oft klarere schaftlichen Ereignissen mit dem Fotoapparat Gedanken. In vielerlei Hinsicht durfte man die fest. Ein alljährlicher Höhepunkt in seinem offene und direkte Art, mit der Ekkehard Ornithologenleben waren sicher neben unserer Czinczel sich an Diskussionen in der Vor stand - Mai-Exkursion zum Ismaninger Speichersee die schaft beteiligte, wertschätzen. Nach 16 Jahren, Monticola-Tagungen der Alpenornithologen. am 18. März 1994, legte er sein Amt in die Hände Dort hin wurde Ekkehard Czinczel fast immer seines Nachfolgers. Damit war aber sein Tun von seiner Frau begleitet. Im privaten Bereich und Wirken für die Ornithologische Gesell schaft werden die Stunden unseres Zusam men seins – in Bayern noch nicht zu Ende; er verstand sich oft erfüllt von Lachen – in der Erin ne rung blei- auch bei uns als „Senior consultant“, was die ben. Zwar kam die Nachricht vom Tod von Beratung seiner Nachfolger in behördlichen Ekkehard Czinczel für die Vorstand schaft nicht Angelegenheiten betraf, und dank seiner Hin - ganz überraschend, da wir Informationen über weise gelang es, fiskalische Klippen zu umschif- seine unheilvolle Krankheit von ihm persön- fen oder durch kluge Entscheidungen finanz- lich erhalten hatten. In beeindruckender Nüch- technische Irrwege zu meiden. Ekkehard tern heit schien er zumindest nach außen hin Czinczel unterstützte zusätzlich zu seinem seinem Schicksal entgegenzublicken. Bei den Wirken für die Ornithologische Gesellschaft in noch mit ihm geführten Telefongesprächen Bayern mit seinem Fachwissen auch den Lan- haben wir uns noch über seine – zwar einge- des bund für Vogelschutz in Bayern in seinen schränkten – aber unermüdlich weitergeführ - wichtigen Entwicklungsphasen. In seinem Vor- ten Gedanken über die Natur und die Umwelt standsamt, aber auch darüber hinaus in unse- gefreut. Die Ornithologische Gesell schaft ver- rem Vereinsleben, durften wir einen Mann mit liert mit Ekke hard Czinczel einen loyalen und Ecken und Kanten erleben, der trotz seiner höchst erfahrenen Ratgeber, der stets uneigen- Verpflichtungen als gut mit Arbeit ausgelasteter nützig weiterhalf. Uns war es jedes Mal eine Teilhaber einer renommierten Münchner Wirt- Freude, den humorvollen, von naturkundli- schaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesell - chem, aber auch universellem Interesse, Wissen schaft an vielen vogelkundlichen Unterneh - und Emotionen erfüllten Mann zu erleben. Die mungen teilgenommen hat – das war auch für Ornithologische Gesellschaft in Bayern und wir ihn ganz sicher die schönere Seite seiner Orni- als Freunde werden ihm ein ehrendes Anden - thologenrolle. Wir als Exkursionsgefährten hat- ken bewahren. ten dabei immer wieder Gelegenheit, einen Manfred Siering 84 Ornithol. Anz., 51, 2012

Nachrichten

9th Conference of the European Ornithologists’ Union 2013 (28–31 August 2013, University of East Anglia, Norwich, UK)

The European Ornithologists’ Union (EOU) has logists’ Union, Royal Society for the Protec - been founded as an equal partnership among tion of Birds and the University of East Anglia. avian biologists across Europe to provide an The conference aims to bring together a wide international forum for the advancement of range of researchers in ecology, behaviour, European ornithology in all its aspects. The bi- evolution, physiology, morphology, systema- annual conferences provide ideal platforms to tics and conservation biology of birds to get in contact, exchange ideas and disseminate exchange ideas and develop future research knowledge. The Council of the EOU and the projects. local organisers cordially invite you to join the 9th EOU conference to be held at the University of East Anglia, Norwich, UK, from 28-31 Information on the conference venue, dead- August 2013. lines, registration fees, excursions, contacts etc. This event will be jointly organized by the are available and will be further updated at British Trust for Ornithology, British Orni tho - http://www.norwich.eounion.org.

Station Randecker Maar - Vogelzug/Insektenwanderungen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen für Herbst 2012 gesucht

Auch für 2012 werden wieder ornithologisch und dabei Ihre und entomologisch interessierte Personen für feldornithologi- die Planbeobachtungen des sichtbaren Tagzugs schen oder entomo- von Vögeln und Insekten an dieser Station am logischen Kenntnisse nördlichen Steilabfall der Schwäbischen Alb um eine interessante (bei Kirchheim/Teck) gesucht. Komponente zu er - Für die Stationsleitung und die Stellver tre - weitern? Zum Bei- tung sind von 29. August 2012 bis 6. November spiel um die Fä - 2012 (gegebenenfalls unterteilbar in längere hig keit, kleinste Zeit ab schnitte) bezahlte Stellen zu vergeben. Vögel auf riesige Voraussetzung sind sehr gute feldornithologi- Entfernungen nach Truppform sche Kennt nisse, organisatorische Fähigkeiten und Flügelschlagfrequenz zu bestimmen oder und selbständiges Arbeiten. ziehende Schmetterlinge auf Distanz am Flug- Weitere Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, bild zu erkennen, auch ohne ihre Farben zu auch für kürzere Zeiträume sind willkommen sehen, dann sollten Sie einmal am Randecker (freie, einfachste Unterkunft in der Station). Maar mitarbeiten. Finan zielle Zuschüsse sind nach Absprache bei Bewerbungen unter Angabe des gewünsch- der An mel dung möglich. ten Zeitraums und der persönlichen Kenntnisse Weitere Informationen unter www.rand- sowie des Alters möglichst rasch an: ecker-maar.de Dr. h.c. Wulf Gatter, Hans-Thoma-Weg 31, Sind Sie daran interessiert, wandernde D-73230 Kirchheim/Teck Vögel und Insekten systematisch zu erfassen E-Mail: [email protected] Schriftenschau 85

Schriftenschau

Bücher Im zweiten Teil („Habitate“) wird auf die übergeordneten Lebensräume der Erde genau- Walters, M., 2011. Die Signale der Vögel. Was er eingegangen. Tropische Wäl der, Wälder ge - Vögel über ihre Umwelt verraten. 256 S., über mäßig ter Zonen, Wüsten, Gebirge, offene Gras- 1.000 Bilder und Illustrationen. ISBN 978-3-258- land schaften und Step pen, Busch- und Heide - 07682-9. Haupt-Verlag, Bern.1 landschaften, Feucht gebiete und Küsten sowie Ein tieferes Verständnis über das Verhalten der Inseln werden charakterisiert und ausgewählte Vögel in bestimmten Umweltsituatio nen? Der prominente Vertreter dieser Lebensraum typen Titel verspricht neue verhaltensbiologische Er- beschrieben. In eingeschobenen Zwischensek- kenntnisse über die Vögel in der heutigen Um- tionen wird auf ganz spezifische Regionen ein- welt. gegangen, etwa auf den Atlantischen Küstenre - Aber der deutsche Titel des Buches ist irre- gen wald in Südame rika oder auf das Usambara- führend. Auf Englisch gibt es zwei Ausgaben: Gebirge in Tansania. Des Weiteren werden ein einmal von New Holland Pub li shers (Austra - paar typische und besonders schützenswerte lia) unter dem Titel „Endangered Birds – A sur- Vogelarten vorgestellt. Wer sich allerdings einge- vey of planet earth’s changing ecosystems” und hender mit dem einen oder anderen Gebiet einmal von The Univer sity of Chicago Press befassen möchte, der muss sich konkretere (USA) unter dem Titel „Bird Watch – A survey Literatur suchen. Diesbezügliche Hinweise oder of planet earth’s changing ecosystems”. Allein Leseempfehlungen finden sich aber leider keine, der australische Titel weist mit „Bedrohte auch nicht am Ende des Buches. Vögel“ klar auf den tatsächlichen Inhalt des Im dritten Teil („Bedrohte Vogelarten“) wer- Buches hin. den sämtliche Familien, welche den bedrohten Es ist ein ambitioniertes Werk, das alle 1.227 Arten zuzuordnen sind, be schrie ben und Aus - Vogelarten, die derzeit auf der Roten Liste der kunft gegeben über die Familien sowie zu aus- IUCN geführt werden, erwähnt und den Ver - gewählten Arten ein Steckbrief angeführt, in such startet, die vielgestaltigen Lebensräume dem Artmerk male, Verbreitung, Häufigkeit und unserer Erde und deren Bedrohungen zu be- Haupt gefähr dungs ursachen genannt werden. schreiben. Die weltweiten Gefährdungsfak toren Der deutsche Untertitel „Was uns die Vögel lassen sich aber (leider) nicht auf 256 Seiten über die Umwelt verraten“ ist ziemlich hoch gewissenhaft abhandeln. Somit kann jedes ein- gegriffen, denn auch bei den Vogelporträts, die zelne Ka pitel nur einen kleinen Einblick in das den größten Teil des Buches ausmachen, wer- entsprechende Thema geben. Man könnte das den die diversen Gefährdungen nur in Stich - Werk deshalb als Übersichtslexikon sehen, das punkten zusammengefasst und Reaktionen der zu den einzelnen Inhalten ein paar wesentliche Vögel nicht wirklich thematisiert. Stichpunkte zusammenfasst. Im letzten Teil des Buches („Natur- und Im ersten Teil des Buches („Gefahren für Artenschutz“) wird ein knapper Überblick über Vögel“) wird die weltweite Verbreitung von Vö- Naturschutzerfolge bei einzelnen Vo gel arten geln skizziert und die einzelnen Gefährdungs - gegeben sowie konkrete Maßnahmen für See- faktoren beschrieben, außerdem die übergeord- und Waldvögel vorgestellt. BirdLife Interna tio - neten Lebensraum ty pen genannt und deren nal und die entsprechende Prioritätenliste sei- jeweilige Haupt bedrohungen aufgezählt. In die- ner Schlüssel funktionen werden im Folgenden sem Überblick werden alle aktuell relevanten auf einer Seite dargestellt sowie das Maßnah - Ge fah ren – von Landnutzungsänderungen, menprogramm, um dem weiteren Aussterben über Jagd, bis hin zum Klimawandel – ange- vorzubeugen. Das letzte Kapitel ist 47 beson- sprochen. Dann folgt eine Seite mit Erläu - ders empfehlenswerten Zielen für die Vogel - terungen zur von BirdLife International geführ- beobachtung gewidmet. Aufge listet werden te Globalen Vogel-Datenbank (World Bird Data Nationalparke und andere Gebiete weltweit, in Base) sowie zu Endemic Bird Areas und Impor - welchen man seltene und bedrohte Vogelarten tant Bird Areas. beobachten kann. Hinweise zum jeweiligen 86 Ornithol. Anz., 51, 2012

Lebensraumtyp und zu den zu erwartenden Zeichnungen im Artkapitel sind detailgetreu Vogelarten werden gegeben. und ansprechend. Sowohl die Vogelporträts als Das Buch ist eine Mischung aus einerseits auch die Landschafts aufnahmen sind sehr ein- relativ oberflächlichen Zusammen fassungen drucksvoll und sollen dem Betrachter den Wert der Fülle von Lebensräumen, Bedrohungen, der Arten und Habitate bzw. die Macht der Zer- bedrohten Vogelarten und entsprechenden störung vermitteln, was auch gut gelingt. Mög- Schutzmaßnahmen; es finden sich sehr häufig licherweise war es die Intention des Autors, schwammige Aussa gen wie beispielsweise: „Im eher Bilder als Worte sprechen zu lassen. Man […] Küsten re genwald leben mehrere vom könnte das Werk also auch als Bildband mit Aussterben bedrohte Vogelarten”, anstatt dass erweiterten Abbildungsbe schrei bungen anse- die konkrete Zahl genannt wird. hen, wodurch wohl die weniger wissensdursti- An manchen Stellen sind die Formulie - gen Leser angesprochen und vielleicht sogar rungen sehr unpräzise, wie z. B. „Die verbliebe- zum Nachdenken angeregt werden. nen Naturhabitate […] dienen dem Schutz Miriam Hansbauer unseres Planeten…“, wodurch es für den Laien zu Missverständnissen kommen kann. Anderer- Böhm, C. & K. Pegoraro, 2011. Der Waldrapp. 197 seits gibt es sehr spezifische Beschreibungen S., zahlr. Farb- und S-W-Abb., ISBN 978-3-89432- von Gebieten oder Arten, in denen Details sehr 915-0. Neue Brehm-Bücherei Bd. 659, Westarp genau ausgeführt werden. Wissenschaften-Verlagsgesellschaft mbH, Ho - Speziell die deutsche Übersetzung ist sprach - henwars le ben. 2 lich nicht immer gelungen und könnte dadurch „Schön ist er nicht – der Waldrapp.“ Mit die sem zu zusätzlicher Ver wir rung führen. Grund sätz - Satz, der von Besuchern im Alpenzoo Innsbruck lich gilt meine Kritik aber auch der englischen offenbar sehr häufig zu hören ist, leiten Chris- Originalaus gabe. tia ne Böhm und Karin Pegoraro ihre neue Dass „wie in vielen anderen Feuchtge bieten Waldr app-Mo nografie ein. Auch wenn viele ihn weltweit auch die Situation im Donaudelta nicht als schön empfinden mögen – er ist bizarr nicht ohne Probleme“ ist, ist überflüssig zu und extravagant und hat es so geschafft, ganze erwähnen, denn der Fokus des gesamten Reihen von Vogelkundlern und Nicht-Vogel - Buches liegt schließlich auf Bedrohungen und kundlern in seinen Bann zu ziehen. Problemen. In einem Satz werden hier beispiels- Die Geschichte dieser Art dürfte den meis- weise allgemeine Gefährdungsfaktoren wie ten Lesern in ihren Grundzügen bekannt sein: Straßenbau und Jagd genannt, um dann ab- einst weit verbreitet und auch in Mitteleuropa schließend einen sehr definierten, aber nur 12 brütend, ist die Art hier seit mindestens 400 km langen Abschnitt zu erwähnen, der vom Jahren verschollen. Auch die berühmte Kolonie Tourismus bedroht ist. Mir fehlt der konkretere in der Türkei ist mittlerweile erloschen und das Überblick über das gesamte Gebiet. Wie viel Vorkom men in Marokko auf eine kleine Restpo - Prozent des Donaudeltas sind vom Straßenbau pulation beschränkt. Im Gegensatz dazu boomt betroffen? Wie wird die Jagd geregelt bzw. nicht die Gefangenschaftspopulation. Der Waldrapp geregelt / was gibt es an illegalem Abschuss im lässt sich in Tiergärten relativ leicht züchten Gebiet? Wie wirkt sich der Tourismus generell und heute bevölkern über 1.200 Tiere 70 Tier - auf das Donaudelta aus? Dieser Spagat zwi- gärten in Europa, den USA und Japan. Schon schen grober Allgemein- und lokaler Detail- seit knapp 30 Jahren werden daher Ausbürge - Information, der sich an vielen Stellen des rungs- und Wiederansied lungs versuche unter- Buches findet, lässt mir zu viele unbeantworte- nommen. Heute sind es vor allem Projekte in te Fragen offen. Österreich, Spanien und Marokko, die sich viel- In diesem Werk steckt zweifelsohne sehr viel fach schon seit vielen Jahren mit der Thematik Recherchearbeit. Dennoch er schließen sich für befassen. Dass es bis heute nicht gelungen ist, mich nicht ganz die Kriterien der Auswahl der eine Freilandpopulation aufzubauen, liegt vor spezifischen Bei spiele – seien es Regionen oder allem am komplexen Sozial- und Migrations - die Vogelarten bei den Porträts. Mir erscheint verhalten der Art, sicherlich nicht am mangeln- die Auswahl eher willkürlich. den Engagement der Beteiligten. Ein großer Pluspunkt des Buches sind die Es ist kaum zu glauben, was alles zur Aus- vielen erstklassigen Fotos. Auch die vielen siedlung und Wiedereinbürgerung unternommen Schriftenschau 87 wurde. Jungtiere wurden von als Waldrappe Band, der im Vorwort der Herausgeber bereits verkleideten Men schen aufgezogen, Jungvögel erwähnt ist und wohl noch 2012 erscheinen per motorisiertem Drachenflieger bzw. Para- wird. Allerdings ist die Bandzählung des Ge - glider auf ihren Weg ins Winterquar tier geleitet samtwerks verwirrend und zudem fehlt in der („menschengeleitete Migration“), gekühltes Übersicht auf dem Vortitel – aus welchen Futter wurde ins Ausland exportiert, um es an Gründen auch immer – Band 6. bestimmten Stellen der Flugroute auszulegen. Band 2 ist nun nach der Zählung der He - Angesichts all dieser Bemühun gen und des raus geber Teil 1.2 der Nicht-Singvögel und doch immer noch sehr bescheidenen Erfol ges behandelt in systematischer Reihenfolge Arten sei die Frage erlaubt, ob all das finanzielle und vom Nandu bis hin zum Zwergflamingo. In ideelle Engage ment gerechtfertigt ist, oder ob es gewohnter Weise werden für jede Art Ab schnit - nicht besser in den Erhalt noch existierender te zum Status, Brutverbreitung bis hin zu Ge- Populationen (des Waldrapps oder anderer fährdungs ursachen und Schutzmaßnahmen bedrohter Arten) kanalisiert worden wäre. soweit nötig und möglich abgearbeitet. Am Christiane Böhm und Karin Pegoraro stehen Ende gibt es noch einen Anhang mit Ergän zun - zweifelsohne an der Spitze der Wald rapp-For - gen, in dem Vogelarten, die nach dem Erschei- schung und können auf langjährige Erfahrung nen der entsprechenden Bände in Baden-Würt - zurückblicken. Ihre Monografie gibt einen sehr temberg bzw. angrenzenden Gebieten nachge- guten Überblick über Biologie, Verhalten, Öko- wiesen bzw. als neue taxonomische Einheiten logie, Populationsentwicklung und natürlich abgetrennt wur den, behandelt sind. Die grafi- auch die Wiederausbürgerungsbemühun gen. sche Aufar beitung der Informationsfülle ist Das sauber recherchierte Buch fasst eine mittler- vorbildlich. Insbesondere die Darstellung der weile nur schwer überschaubare Menge an vertikalen Brutverbreitung in einer „Höhenras - Informationen zusammen und bewertet sie, terkarte im Geografischen Koordinatensystem“ was angesichts der Fülle an Daten sicher keine ist ein innovativer Weg, um die Verteilung der leichte Aufgabe war. Eine inkorrekte Angabe Höhen stufen über Baden-Württemberg und das zum Alter der Bireciker Waldrappkolonie ist Vorkommen einer Art in einer Abbildung erfas- nur eine Nebensächlichkeit. Die Überschriften sen zu können. Diese sollte zum Standard in sind oft betont journalistisch-locker (z. B. „Sex künftigen Avifaunen werden. in the City“, „Keine Tabus in Marokko“, Wie alle Bände der „Vögel Baden-Würt tem - „Seitensprünge und Kuckuckskinder“), der bergs“ leidet auch dieser Band an einer gewis- nachfolgende Text aber nüchtern und bisweilen sen „Überausführlichkeit“, die schon in Be- sogar etwas wissenschaftlich-trocken. Dieser sprechungen der bereits erschienenen Bände Stilbruch tut dem Werk aber keinen Abbruch. immer wieder angesprochen wurde. So ist es Das Buch ist lesenswert, durch zahlreiche unverständlich, dass für den Nandu mit einer Illustrationen aufgelockert. Empfehlenswert! Beobachtung für Baden-Württemberg eine volle Max Kasparek Druckseite verschwendet wird, auf der das Brutareal (mit Karte), Subspezies und Vorkom- Hölzinger, J. & H.-G. Bauer. 2011. Die Vögel men in Deutschland brav abgearbeitet werden. Baden-Württembergs Band 2.0: Nicht-Sing - Für solche Einzelbeobachtungen hätte eine vögel 1.1 Rheidae (Nandus) – Phoenicopteridae. Tabelle am Schluss des Buches genügt! Auch die 458 S.; 32 farbige Fotos, 368 Abb., 49 Tab. ISBN Artkapitel der Brutvögel hätten eine Straffung 978-3-8001-7565-9. Ulmer, Stuttgart.3 vertragen. Die Ausführungen zum Brutareal Man kann Baden-Württemberg nur beneiden: sowie zu den Subspezies sind überflüssig und Im Laufe der Jahre sind für mehr als zehn Ar- referieren nur das „Handbook of the Birds of ten gruppen (z. B. Pilze, Pflanzen, Schmetter - the World“. Den frei werdenden Raum hätte linge) Übersichten über die Verbreitung und man gut für eine vertiefte ökologische Inter - Biologie der in dort vorkommenden Arten pretation der vorliegenden Daten nutzen kön- erschienen. Seit 1987 erscheinen in „zwanglo- nen (z. B. Regulation von Populationen einzel- ser“ Folge auch Beiträge zur Avifauna dieses ner Arten, Konkurrenz zwischen Arten). Im Bundeslandes. Mit dem vorliegenden Band Falle der Lappentaucher hat diesbezüglich die erreicht das breit angelegte Werk nahezu seinen bereits 1974 erschienene „Vogelwelt Schleswig- Abschluss. Es fehlt anscheinend nur noch ein Holsteins“ Maßstäbe gesetzt (Ornithologische 88 Ornithol. Anz., 51, 2012

Arbeitsgemeinschaft für Schleswig-Holstein Bände der Ausgabe von 2005. Das erschließt und Hamburg e.V., 1974, Vogelwelt Schleswig- sich jedoch nicht auf den ersten Blick. Wenn Holsteins, 1. Band, Seetaucher bis Flamingo)! z. B. auf der Rückseite der einbändigen Ausgabe Nichtsdestoweniger, für Avifaunisten lohnt sich steht „Die für die zweite Auflage komplett neu die Anschaffung des vorliegenden Bandes alle- erstellten Verbreitungskarten …“, heißt das mal! nicht, dass Sie die zweite Auflage mit den neuen Roland Brandl Verbreitungskarten in den Händen halten. Die zweite Auflage war die von 2005. Die neue ein- Bauer, H.-G., E. Bezzel & W. Fielder, 2012, ein- bändige Ausgabe wurde also nicht durch aller- bändige Sonderausgabe der 2., vollständig über - neueste Kenntnisse aktualisiert, wie hier, hof- arbeiteten Auflage von 2005. Das Kompendium fentlich nicht mit Absicht, suggeriert wird. Die der Vögel Mitteleuropas. Ein umfassendes Verbreitungskarten waren allerdings auch 2005 Handbuch zur Biologie, Gefährdung und schon sehr informativ. Das Werk orientiert sich Schutz. 1.444 S., 440 Karten, zahlr. Tab., ISBN auch nicht an der „neuesten systematisch-taxo- 978-3-89104-758-3. Aula-Verlag, Wiebelsheim.4 nomischen Liste“, wie ein Vergleich mit dem Die Idee ist nicht neu – als Kind hatte ich einen neuen „Svensson“ zeigt. Hier gab es seit 2005 einbändigen Brehm. Jetzt hat der Aula-Verlag einige Änderungen, die vor allem die ein Buch herausgegeben, das auf einer der ers- Nomenklatur, aber auch die Taxonomie (siehe ten Seiten als die „Sonderausgabe in einem Blassspötter) betreffen. Band“ des Kompendiums der Vögel Mittel euro - Bei all diesen Irritationen sollte jedoch nicht pas bezeichnet wird. Vorsicht! Es ist eine Mogel - vergessen werden, einen Blick auf das Wesent - packung. Wer hier die Zusammenfassung der liche des Buches zu werfen: seinen Inhalt. Das bekannten drei Bände der gleichen Herausgeber dreibändige Kompendium hat K. Weixler an aus dem Jahre 2005 erwartet, wird enttäuschet dieser Stelle bereits 2006 besprochen (Ornithol. werden. Der dritte Band mit den Literaturhin- Anz. 45: 184-185). Hervorgehobene Punkte weisen und dem Anhang fehlt. Das ist ärgerlich waren die damals neuen Verbreitungskarten, für alle, die sich für den Kauf des einbändigen die Integration von Angaben zu Bestand und Kompendiums entschieden haben und an- Gefährdung, der gelungene Spagat zwischen schließend feststellen müssen, dass sie sich die Kompaktheit und umfassender Darstellung entsprechenden weiterführenden Quellen nicht und die übersichtliche und ansprechende Dar - erschließen können. Es bleibt in diesem Falle stellung der Texte, welches das Kompendium nur der Kauf eines weiteren Buches übrig, zur Standardlektüre und zu einem Muss in wobei ich allerdings die Trennung von langen jeder ornithologischen Bibliothek machen sollte. Tabellen und der Literaturliste vom Haupttext Weixlers Begeisterung für das damals komplett weiterhin für einen großen Vorteil halte. Was neue Werk ist auch heute nichts weiter hinzuzu- wäre jetzt aber der Vorteil der einbändigen fügen. Dass wir uns alle jetzt schon einige Jahre Ausgabe gegenüber den beiden Büchern von an das „neue“ Kompendium gewöhnen konn- 2005? Wenn Sie Ihre Bücher auf die klassische ten, und intensiv damit gearbeitet haben, sollte Weise hochkant ins Regal stellen, nimmt das nicht relativieren, dass wir auch mit der nur einbändige Werk bei gleicher Höhe und Tiefe kopierten einbändigen Ausgabe das zurzeit (24,5×17,0 cm) nur noch 6,0 cm gegenüber aktuellste deutschsprachige „umfassende Hand- 7,3 cm Raum ein und belastet die Bretter nur buch zur Biologie“ der mitteleuropäischen noch mit 2,8 kg statt mit 2,9 kg. Wenn wir dies Vögel in den Händen halten. Deswegen ist auch jetzt für einen potenziellen einbändigen „Glutz“ der Kauf dieses Buches allen uneingeschränkt hochrechnen würden, ergäbe sich eine ganze zu empfehlen, die sich für die Avifauna Mittel- Menge Platz- und Gewichtsersparnis. Das europas interessieren und die Ausgabe von 2005 „Handbuch“ ist im Aula-Verlag aber schon noch nicht besitzen. Sie sollten dann allerdings 2001 gleich als CD erschienen (ca. 14×12×1 cm, nicht vergessen, sich auch den dritten Band von ca. 90 g). Vielleicht wäre dies auch die bessere 2005 zu besorgen, der neben dem Literaturver - Alternative für das „Kompendium“ gewesen, zeichnis auch mit einer Reihe von Tabellen, z. B. anstatt ein neues Buch herauszugeben. Der über die in Mitteleuropa nachgewiesenen Inhalt der neuen einbändigen Ausgabe ist näm- Neozoen, den Schutzstatus mitteleuropäischer lich genau derselbe wie der der beiden ersten Vögel nach diversen Konventionen oder über Schriftenschau 89

Brutbestand und Bestandstrends informiert. Ein leistun gen, die man noch vor kurzem ins Reich vielleicht entscheidender Hinweis zum Schluss: der Fabel verwiesen hatte. Vögel wurden lange die einbändige Ausgabe gibt es im Internet- unterschätzt. Schön? Ja. Melodisch? Ja. Aber versand für 99,90 € und den dritten Band von intelligent? Schon der Spruch vom Spatzenhirn 2005 separat für 9,95 €, während alle drei Bände oder dem blinden Huhn, das auch mal ein Korn von 2005 zusammen für 168,00 € zu haben sind. findet, zeigt, wie wenig man dem Geist der Volker Salewski Vögel zutraut. Damit tut man schon Spat zen und Hühnern unrecht, vor allem aber den Birmelin, I., 2012. Von wegen Spatzenhirn! Die Krähenvögeln. erstaunlichen Fähigkeiten der Vögel. 207 S., Wer vierbeinige Haustiere hat, weiß mit 32 Farbfotos. ISBN 978-3-440-13022-3. Franckh- absoluter Sicherheit, dass Hunde, Katzen, Kosmos Verlags-GmbH & Co. KG, Stuttgart.5 Pferde und Ratten über eine beträchtliche Die Reihenfolge steht doch eigentlich fest: Erst Intelligenz verfügen, auch wenn diese in vielen kommen wir Menschen mit unseren giganti- Aspekten grundverschieden von dem ist, was schen Hirnleistungen, dann eine ganze Weile man gemeinhin als menschliche Gescheitheit, nichts und dann die Menschenaffen. Irgend - Klugheit und Lernfähigkeit zu bezeichnen wann später vielleicht Hund, Katze und die pflegt. Was jedoch unsere gefiederten Genossen Ratten. Vögel – Papageien – plappern doch nur betrifft, so hielt sich über einen sehr langen nach, was sie so gehört haben. Ganz lustig, doch Zeitraum die doch recht abwertende Ansicht, keine eigentliche Gehirnleistung. Mit diesem dass es sich bei Piepmätzen um eher mehr Vorurteil räumt Immanuel Birmelin gründlich schlichte Gemüter handeln würde. Weit gefehlt! auf. Vom Spatzenhirn bis zur dummen Gans Die neuesten Erkenntnisse auf dem Gebiet der werden die unterschiedlichsten Vogelarten auf Vogelforschung kommen zu wahrhaft verblüf- ihre Denkleistungen mit den modernsten wis- fenden Ergebnissen: Keas, eine neuseeländische senschaftlichen Methoden abgeklopft. Die Papageienart, seit jeher für ihre Pfiffigkeit Ergebnisse sind erstaunlich! Man muss vielen berühmt-berüchtigt, können wahrhaft meister- Vogelarten sogar logisches Denken und Überle- lich im Team zusammenarbeiten, Rabenvögel gungen zugestehen. Das schlüsselt Immanuel lernen durch Beobachtung, sind dazu in der Birmelin sehr genau auf, man kann es im Ein- Lage, Gut und Böse zu unterscheiden, leichte zelnen lesen und die klar aufgebauten Versuche mathematische Aufgaben schneller zu lösen als nachvollziehen. Wer ihn kennt, weiß, wie genau Menschenaffen, sie stellen andere sogar gele- und kritisch er arbeitet. Der Verhaltensforscher gentlich auf eine Vertrauensprobe, auch voraus- Dr. Immanuel Birmelin beschäftigt sich seit über schauendes Planen und Handeln ist ihnen nicht 25 Jahren intensiv mit der Intelligenz von fremd. Tölpel, Lummen und Möwen erkennen Wildtieren. Seine TV-Filme mit Volker Arzt über ihre Partner und Küken am Klang ihres Schreis Intelligenz bei Tieren sind Quotenrenner. Nach unter vielen tausenden Artgenossen. Vögel sind seinem Werk „Tierisch intelligent. Von zählen- tiefer Gefühle wie Trauer, Ärger, Angst, Miss - den Katzen und sprechenden Affen“ (zum glei- trauen, Vertrauen und Liebe fähig … chen Preis ebenfalls bei Kosmos erschienen) Manfred Siering widmet sich Immanuel Birmelin nun mit spür- barer Begeisterung der Vogelwelt und ihren Glandt, D., 2012. Kolkrabe & Co. Verhalten und geistigen Leistungen. Strategien intelligenter Überlebenskünstler. Ihr Gehirn ist nicht größer als eine Nuss, 160 S., 104 Farbfotos, 21 Strichzeichnungen, und dennoch sind ihre geistigen Fähigkeiten 2 Tab., ISBN 978-3-89104-760-6. Aula Verlag, mit denen von Schimpansen oder Walen ver- Wie belsheim.6 gleichbar: Vogel gehören zu den klügsten Tieren Das neue Buch des bekannten Autors und Ra- auf diesem Planeten. Krähen zum Beispiel trick- ben kenners kommt einem vielleicht bekannt sen ihre Artgenossen bewusst aus, um sich den vor. Zwar spendiert der Verlag dem Werk mit größten Futteranteil zu sichern. Und Kohlmei - seinem festen und veränderten Umschlag ein sen verstehen und lösen komplizierte Aufgaben neues Aussehen, jedoch sind große Abschnitte schneller als Hund und Katze. Mit Respekt, und (Teil-)Kapitel mit ganzen Tabellen und Witz und Bewunderung berichtet der bekannte Abbildungen dem Buch „Der Kolkrabe – Der Verhaltensforscher von den geistigen Glanz- schwarze Geselle kehrt zurück“ (Glandt, 2008, 90 Ornithol. Anz., 51, 2012

Aula Verlag, softcover) entnommen. Laut Titel nicht zu kurz. Gemeinsam finden und verteidi- und Untertitel wird der Inhalt jedoch um weite- gen die Junggesellentrupps ihre Nahrung und re Corviden sowie deren Verhaltensweisen aus- verraten Artgenossen ergiebige Nahrungsquel - gebaut. Der Umfang wächst von 131 auf 160 len. Dennoch wissen diese ebenso gut die Art - Seiten an. genossen zu täuschen, um das kostbare Gut in Das erste Kapitel „Rabenverwandtschaft“ ist ihren Verstecken für sich zu behalten. Dieter mit 18 Seiten etwas überdimensioniert. Eine drei- Glandt führt hier viele spannende Studien zu seitige Tabelle listet alle derzeit anerkannten Spe- einer guten Zusammenschau dieses Themen- zies namentlich auf. Zwar geben die vielen Farb- kom plexes auf. Dabei werden wir über For - fotos einen sehr guten Überblick über die Form- schungsergebnisse aus Nordamerika, Polen und Farbenvielfalt der weltweit etwa 120 Raben - oder Österreich unterrichtet. Deutlicher Schwer- vogelspezies, textlich wird jedoch lediglich auf punkt der Kapitel ist abermals der Kolkrabe die Verwandtschaft, das Aussehen und die und sein Nahrungserwerb, aber andere euro- Verbreitung einzelner Arten(-gruppen) einge- päische Spezies (etwa Saatkrähe und Tannen- gangen. Hinweise zur Verhaltensökologie (siehe häher) bleiben nicht unerwähnt. Warum sibiri- Untertitel des Buches) finden sich jedoch nicht. sche Tannenhäher in Europa verhungern, wenn Im zweiten Kapitel „Verhalten bei Raben- sie invasionsartig einfliegen? Dies erfahren Sie vögeln“ erhält man einen ersten Einblick in die aus den spannenden Informationen über die sehr anpassungsfähigen und vielseitigen Alles - Ökologie dieser Samenfresser. fresser. Auch hier illustrieren viele Farbfotos Die Tatsache, dass der Mensch „schwarzen den Nahrungserwerb oder etwa das Anlegen Vögeln“ nicht wirklich wohlgesonnen ist, muss- von Futterverstecken. Verschiedene Eigenheiten ten viele Rabenvögel aus der Gattung Corvus im Sozial-, Komfort- oder Spielverhalten wer- erfahren. In einigen Regionen haben sich diese den angesprochen. Wussten Sie, dass Saat- Arten jedoch wieder etabliert und suchen als krähen gerne schaukeln? Kulturfolger sogar die Nähe zum Menschen. Das dritte Kapitel beschäftigt sich aus- Anthropogene Brutplätze oder Nahrungs grund - schließlich mit Paarung, Brut und Jungen- lagen werden gerne angenommen. aufzucht des Kolkraben (siehe Glandt 2008). Im letzten Kapitel finden wir noch eine kleine Im vierten Kapitel erfahren wir Spannendes Übersicht zu Rabenvogel-Arten. Allerdings ent- über das kooperative Brüten bei Blauelstern, täuscht diese Übersicht, denn lediglich ausge- Amerikanerkrähen oder Rabenkrähen. Wäh - wählte Corvus-Arten, also typische schwarze rend die Altvögel der Rabenkrähen im Allge- Vertreter aus der Gattung, finden hier Einzug meinen ihren Nachwuchs alleine aufziehen, und dies auch nur in stichwortartigen Übersich- scheinen diese in Nordspanien eine besondere ten. Im Gegensatz zu den gut lesbaren „Verhal - Strategie entwickelt zu haben. Hier helfen Art - tens“-Kapiteln eher ein trockener Abschnitt. Hier genossen dem elterlichen Paar bei der Jungen - hätte man – zusammen mit dem Verwandschafts - aufzucht. Als Brutparasit scheint hier der kapitel – Platz sparen können, um dem Untertitel Häherkuckuck einen bedeutenden Einfluss zu des Buches noch eher gerecht zu werden. haben. Kurzum: Hier finden wir ein sehr span- Die Literaturarbeit des Autors zeigt sich nendes Kapitel zur Verhaltensökologie der wieder als sehr umfangreich, allerdings bleibt Rabenvögel. mir die kapitelbezogene und damit sehr redun- Im nächsten Kapitel erhalten wir anhand dante und platzfressende Zitierweise ein der Saat- und Geradschnabelkrähen beispiel- Rätsel. haft Einblick in die „frappierenden Hirnleistun - Abschließend lässt sich feststellen, dass das gen“ der Corviden. Der Schwerpunkt liegt ins- vorliegende Werk offensichtlich stark auf der besondere auf dem Gebrauch von Werkzeugen. vorhergehenden Monografie über den Kolk- Einige Verhaltensstudien aus dem Freiland und raben aus dem gleichen Verlagshaus basiert. aus Gefangenschaft werden angeführt. Ob es Sehr viele Elemente (u. a. auch in gleicherma- sich bei den beeindruckenden Leistungen um ßen schlechter Druckqualität) oder ganze Ab- angelerntes oder gar vererbtes Verhalten han- schnitte wurden aus dem vorhergehenden Buch delt? Lesen Sie selbst . . . recycelt (auch Graphen und Tabellen). Mir per- Die häufig zitierte „Intelligenz der Raben“ sönlich sind viele Abbildungen sowie Fotos zu kommt in den beiden nachfolgenden Kapiteln groß, Tabellen überdimensioniert sowie der Schriftenschau 91

Schriftgrad der Texte zu groß. Bei einer etwas tringharder und dem Rickelsbüller Koog, dem schlankeren Darstellung hätte man bei gleichem Cecilienkoog, dem Katinger Watt, dem Wöhrde - Umfang mehr inhaltliche Informationen zu ner Loch, dem Hauke-Haien- und dem Fried - europäischen Arten wie z. B. Elster oder Eichel- rich-Wilhelm-Lübke-Koog und – was mich per- häher unterbringen können. sönlich besonders berührt, weil ich vor 35 Jahren Wer auf der Suche nach spezieller Kolkra - dort als einsamer Zivi und Vogelwart gewirkt benliteratur ist, sollte sich daher vielleicht eher habe – aus Westerhever. Mehr als 50 Vogelarten, eine der vorhergehenden Ausgaben besorgen. dazu einige Pflanzen und Schafe, sind im Bild Aber für Rabenvogelfreunde, die beide vorher- festgehalten, immer „illustriert“ von kurzen gehenden Auflagen des Buches nicht kennen: Texten zu den besonderen Stimmungen und empfehlenswert. Erlebnissen des Tages. Einige bemerkenswerte Sascha Rösner Seltenheiten sind verewigt: Schnee-Eule, Ameri - kanischer Goldregenpfeifer, Wilsonwassertreter, Schmidt, C., 2011. Strandläufer. Natur - Grasläufer, Blauschwanz und Thorshühnchen. kundliche Impressionen von der Nordseeküste. Das Blatt über die Schnee-Eule ist für mich eins 88 S., zahlr. Aquarelle und Bleistiftzeichnungen. der schönsten im Buch. Nur ein anderes mag ich ISBN 978-3-931921-10-1. Natur in Buch und noch lieber: gleich auf der nächsten Seite ein Kunst, Versand und Verlag Dieter Prestel, Beiert Blick über den Beltringharder Koog mit einem 11a, 53809 Ruppichteroth. gelb-grauen Himmel über einem bei Hochwasser E-Mail: [email protected] vollgelaufenen Vorland. In diesem Buch geht es nur auf den ersten Blick Die Bilder lassen sich in drei Kategorien um Vögel. Eigentlich geht es um die Liebe. unterteilen: einmal die Bleistiftstudien – schnel- Da sitzt einer Stunden um Stunden auf dem le und sichere Momentaufnahmen, dann die Deich – sagen wir in der Meldorfer Bucht nörd- farblich ausgearbeiteten Skizzen – die allermeis- lich der Elbmündung – und schaut mit verlieb- ten im Buch und schließlich die „Kabinett- ten Augen auf das flache Land. Er sieht das stücke“, wie ich sie nennen möchte –, kunstvolle Licht und die Wolken über Gräben, Weiden und Blätter, die sicher zu Hause mit größter Sorgfalt Wiesen wandern, über Priele, Zäune, Buhnen- und Hingabe gestaltet wurden. Ich bin selber reihen, schläfrige Schafe und dösende Gold - Gestalter, Handwerker. So bleibt es nicht aus, regen pfeifer. „Ich merke, wie meine Gedanken dass ich mich beim Betrachten des Buches in die Welt dieser Vögel abschweifen, ihren Le- manchmal frage: „Wie hat er das gemacht?“ Die bensraum in der Tundra mit den Hügelketten, wenigsten Vögel werden so lange stillhalten, bis den Zwergsträuchern, den Mooren, den flech- der Kerl da oben auf dem Deich mit seinem Bild tenbewachsenen Steinen, den Schneeresten und fertig ist. Sie suchen nach Nahrung, laufen um- der Stille.“ Neben ihm steht sein Spektiv, das her, werden vom Wind in eine andere Stellung Fernglas liegt da und der Rucksack mit den gedrängt, putzen sich. Und manchmal – „Vögel Malutensilien. Nun nimmt er sein Skizzenbuch haben Flügel“, wie er selbst schreibt – fliegen sie und beginnt zu zeichnen. Nicht mit „ein paar einfach weg. Bringt er also zusätzlich Fotos mit wenigen Strichen“, wie man oft sagt, nein, mit nach Hause, um die Details noch mal in Ruhe vielen, die sich mit virtuoser Sicherheit zur rich- studieren zu können? Hat er eine Balgsamm- tigen Form verdichten. Das Wetter ist gnädig lung oder einen Schrank voller Stopfpräparate? heute, kein Wind fährt ihm in die Blätter (wie so Wie geht das, technisch, den „Film anzuhalten“ oft), kein Regen wellt ihm das Papier (wie so oft und in ein gemaltes „Still“ zu verwandeln? Aber an der Nordseeküste). So kann er auch seinen solche Fragen sind indiskret. Das ist das Ge - Aquarellkasten aufklappen und den Skizzen die heimnis des Künstlers. grauen stillen Farben dieser Landschaft und „Strandläufer“ ist nicht das erste Buch von dieser Vögel geben. Nur die Fliegen werden ihn Christopher Schmidt. Ein Helgoland-, zwei dabei stören, die es besonders auf das Elfen- Elbe-, ein Kranich- und ein Harzbuch sind bis- beinschwarz abgesehen haben und zu gern her erschienen. Alle Augenweiden. Dazu gibt es durch die frische Farbe laufen. Kalender, Postkarten und immer wieder Aus - In 23 Kapiteln, dem Jahreslauf folgend, sehen stel lun gen, die natürlich besonders dazu geeig- wir Zeichnungen und Aquarelle aus Eiderstedt, net sind, sich in den Details und Farben der oft mehrfach von der Meldorfer Bucht, dem Bel- großformatigen Bilder zu verlieren. 92 Ornithol. Anz., 51, 2012

Das Buch tut gut. Eben weil es um Liebe gefragt – keine leichte Aufgabe. Die beiden Au- geht. Um Liebe zu einer Landschaft, die oft toren haben dies mit einem sehr guten Konzept spröde und abweisend erscheint und die doch gemeistert. Artkapitel sucht man hier verge- mit einem solchen Reichtum an Leben gesegnet bens. Und das ist gut so! Denn das Buch ist nach und gottlob durch den Nationalpark Schleswig- anderen Gesichtspunkten gegliedert: Syste ma - Holsteinisches Wattenmeer weitgehend ge- tik, Habitat, Nahrungssuche, Ernährung und schützt ist. Habitatnutzung, Territorialität und Nischen - Das Buch tut auch gut, weil es für einen trennung, Gesang, Reproduktion, die Rolle der Moment vergessen lässt, dass in eben diesem Geschlechter, Zug, Inselökologie, Naturschutz Nationalpark weiter Öl gefördert und weiter und so weiter, innerhalb derer die Arten stets nach Öl gesucht wird, dass die Bohrinsel vergleichend abgehandelt werden. Hiermit er - Mittelplate kürzlich mit sehr viel Beton vor schließt sich ein neuer Zugang zu der Arten - einem frecherweise heranrückenden Priel ge - gruppe: Unterschiede oder Ähnlichkeiten wer- schützt wurde, dass die kommerzielle Muschel - den deutlich; die Rohrsänger werden zu einem zucht mal eben um weitere 15 Jahre verlängert Lehrbeispiel für allgemeine biologische Zusam - wurde und dass die letzten 40 mitteleuropäi- menhänge. So fehlen auch Kapitel zur Konver - schen Lachseeschwalbenpaare in Dithmarschen genz, zur Ökomorphologie und zur Parasitie- in den vergangenen beiden Brutperioden von rung der Rohrsänger durch den Kuckuck nicht. fußballspielenden Kindern und einem ortsbe- Freilich bieten sich die Rohrsänger für eine sol- kannten Naturschutzgegner massiv gestört che Betrachtung geradezu an: in der Artenzahl (und viele Gelege zerstört) wurden. überschaubar, auf den ersten Blick gut gegen Das Buch tut gut, weil es von Hingabe und andere Taxa abgrenzbar, aber doch sehr ver- Sorgfalt spricht, zwei unserer wertvollsten schieden. Eigenschaften, wenn es um den Schutz der Die Grafiken in dem Buch sind klar und Natur geht. logisch, die Fotos ausgezeichnet. Man spürt, Jean Paul fällt mir ein, und damit von der dass die Herzen der beiden Autoren – übrigens Küste zurück in meine oberfränkische Heimat: eine hervorragende Kombination aus einem „Das Leben gleicht einem Buche. Toren durch- professionellen Max-Planck-Wissenschaftler blättern es flüchtig, der Weise liest es mit Bedacht, und einem enthusiastischen Amateur – schon weil er weiß, daß er es nur einmal lesen kann.“ viele Jahre lang für die Rohrsänger schlagen. Matthias Fanck Dies wird im Postscript deutlich, in dem weder der Hinweis auf die inspirierende Wirkung von Leisler, B. & K. Schulze-Hagen, 2011. The Reed gemeinsamen Exkursionen für die Entwicklung Warblers. Diversity in a uniform bird family. neuer Ideen noch das staunende Gesicht eines 328 S., zahlr. Zeichnungen, Grafiken, Verbrei - Kindes bei der Freilassung eines beringten tungskarten und Farbfotos. ISBN 978-90-5011- Drosselrohrsängers fehlen: „The wonder in the 391-5. KNNV Publishing, Boulevard 12, NL- face of this child might perhaps light the fire of 3707 BM Zeist.8 a later passion for Nature“, steht in der Abbil - Ginge man nach der Devise „nicht geschimpft dungs unterschrift. Bernd Leisler und Karl ist genug gelobt“ vor, wäre die Rezension dieses Schulze-Hagen schaffen dies glatt noch bei Buches hier zu Ende. Denn es fällt schwer, darin einem Erwachsenen, denn sie präsentieren her- etwas zu finden über das man schimpfen könn- vorragende ornithologische Forschung, interes- te. Vielleicht darüber, dass in den Abbildungs- sant aufgemacht im eleganten Gewand. unterschriften und Tabellen nie die wissen- Nun habe ich das Buch doch sehr gelobt. schaftlichen Namen aufscheinen und der mit Wenn es aber ein Buch wirklich verdient hat, den englischen Namen seltener Arten weniger dann dieses. vertraute Nutzer Mühe hat, die betreffende Art Robert Pfeifer herauszufinden. Und das Buch ist etwas teuer. Aber sonst? Varesvuo, M., 2011. Vögel – magische Momen - In einer Zeit nach dem Glutz’schen Hand - te. 160 S., zahlr., z. T. ganzseitige Farbfotos. ISBN buch, der Neuen Brehm-Bücherei und dem 978-3-8001-7708-0. Ulmer Verlag, Stutt gart.9 Handbook of the Birds of the World ist eine Eine Hommage an die Vögel Europas soll dieses neue Form der ornithologischen Monografien Buch laut Klappentext sein. Und Vogelfoto- Schriftenschau 93 grafie vom Allerfeinsten bieten. Es handelt sich Ringbuch. Musste man bisher auf die Arbeiten um die deutsche Ausgabe eines 2011 bei New von Lars Svensson und die fast schon klassische Holland Publishers erschienenen Bildbandes Publikation von Leisler & Winkler (Ergebnisse mit Fotos des Naturfotografen Markus Vares- und Konzepte ökomorphologischer Unter - vou, der von der Gesellschaft deutscher Tier- suchungen an Vögeln, J. Ornithol. 132, 1991: fotografen als „Europäischer Naturfotograf des 373–425) zurückgreifen, liegt nun eine kompak- Jahres“ in der Kategorie Vögel ausgezeichnet te und übersichtliche Darstellung aller wichti- wurde. Man darf also einiges erwarten, was die gen Messstrecken, Zählweisen, Schemata für Qualität der Aufnahmen betrifft, und wird nicht die Einschätzung der Pneumatisation des enttäuscht. Die Bilder sind jenseits dessen, was Schädeldachs und der Fettdeposition bis hin zur noch vor wenigen Jahren als besonderes Vogel - genauen Beschreibung der Messgeräte vor. Es foto Aufsehen erregte. Sie fangen tatsächlich wendet sich daher vorrangig an Beringer und Momente aus dem Leben der Vögel ein. Ein Museumsornithologen. Trotzdem: jeder, der Sprosser singt mit weit aufgerissenem Schnabel sich ein wenig über das bloße „Schauen“ hinaus im blühenden Apfelbaum, eine Zwergmöwe mit dem Vogel beschäftigt, sollte sich des tippt auf spiegelglattes Wasser. Den Motiven Themas annehmen. Ich lege daher das Kapitel merkt man die nordische Heimat des Autors an, über Genauigkeit und Zuverlässigkeit von viele entstanden in Finnland. Nach einem Maßen jedem nahe, der sich in irgendeiner Lieblingsfoto befragt, fiele es mir schwer, eines Weise quantitativ in der Vogelkunde betätigt. zu benennen. Ein Kranich, der sein Nest gegen Selbst die beste nachfolgende statistische Ana - einen Fuchs verteidigt, während zwei Schell- lyse ist nur so gut wie die ihr zugrunde liegen- enten vorbeischwimmen? Oder Wintergold- den Daten! „Beachte den Unterschied zwischen hähn chen und Gelbbrauen-Laubsänger bei der Präzision und Richtigkeit … eine kaputte Uhr Nahrungssuche im Rüttelflug auf gegenüberlie- geht zweimal am Tag richtig“, werden zu Recht genden Seiten? Eindrucksvoll ist zweifellos Fowler & Cohen (1986) zitiert. auch der Fichtenkreuzschnabel, der einen Fich- Kurz zusammengefasst: das Buch sei nicht tenzapfen im verschneiten Baum losreißt, die nur dem empfohlen, der täglich Vögel vermisst, Sturmmöwe, die beim Verteidigen ihres Nestes sondern vor allem auch demjenigen, der gele- sich auf den Kopf eines fliegenden Seeadlers gentlich in die Verlegenheit kommt, an einem setzt und, und, und … besonderen Fund Maße zu entnehmen. Hier fin- Wünsche bleiben fast keine offen. Auch die det man eine genaue Anleitung dazu. Der güns- Aufnahmedaten sind in einem Anhang erläu- tige Preis und das praktische Format kommen tert. Ein paar mehr textliche Erläuterungen zu dem sehr entgegen. Es ist für den Geländeein - den gezeigten Verhaltensweisen wären da und satz bei jedem Wetter gedacht und auf Wasser dort wünschenswert gewesen. Ein schönes Buch abweisendem Papier gedruckt – ein Papier, das zum Zurücklehnen und Genießen. Vorausge - man sich auch für manches bei Regen und setzt, man findet oder nimmt sich die Zeit dazu. Schnee strapaziertes Vogelbestimmungsbuch Robert Pfeifer gewünscht hätte. In der Rezension einer Zeit- schrift für Feldornithologie wurde diesem Deutsche Ornithologen-Gesellschaft (Hrsg.), 2011. Papier kürzlich sogar die Resistenz gegenüber Measuring Birds | Vögel vermessen. 122 S., Rotweinflecken attestiert. Eigene Versuche zeig- zahlr. Abb. ISBN 978-3-923757-05-3. Bezug: Hans- ten, dass sich dieser Befund auch auf Bier erwei- Josef Christ, P.O. Box 110205, D-32405 Minden.10 tern lässt. Einer weiten Verbreitung des Büch- Will man einen Vogel beschreiben, so kann man leins steht also auch in Bayern nichts im Wege. dies auf unterschiedliche Art und Weise tun. Robert Pfeifer Manchmal genügt es, ihn liebevoll und wort- reich zu charakterisieren oder den besonderen Fritz, U., 2012. Die Schildkröten Europas. Ein Moment – neuerdings „jizz“ genannt – einzu- umfassendes Handbuch zur Biologie, Verbrei - fangen. Will man aber Form und Funktion eines tung und Bestimmung. 1.072 S., 13 farbige Abb., Organismus näher verstehen, bleiben nur die 57 Tab. ISBN 978-3-89104-761. Aula-Verlag, klassischen naturwissenschaftlichen Methoden: Wiebelsheim.11 Messen, Zählen, Wiegen. Und genau dazu die Auf den ersten Blick erweckt der vorliegen- erforderliche Anleitung bietet dieses praktische de Band den Eindruck, dass es sich um eine 94 Ornithol. Anz., 51, 2012

Neuerscheinung auf dem Büchermarkt handelt. dem Büchlein aber auch Interessantes und In Wirklichkeit ist dieses „Handbuch“ nur ein Sinnvolles. Es empfiehlt die Pflanzung von Nachdruck der beiden Schildkrötenbände des beerentragenden Sträuchern und die Anlage „Handbuch der Reptilien und Amphibien Euro - eines naturnahen Gartens, wirbt für „grüne pas“. Neu ist eigentlich nur, dass beide Bände in Wände“ und „wilde Ecken“ im Garten, bietet einem Band vereinigt wurden und nun 14 Farb- Tipps zum Nistkastenbau und charakterisiert fotos der behandelten Schildkröten am Ende die wichtigsten Gartenvögel in bebilderten eingefügt wurden. Also Vorsicht, wer das Hand- Artporträts. Als kleines Handbuch für den buch bereits besitzt, braucht hier nicht wei- Anfänger, für Kinder oder interessierte Haus- ter investieren! Was bringt der Band für poten- und Gartenbesitzer erfüllt es sicher seinen zielle Käufer, die das Handbuch noch nicht Zweck. besitzen? Da die beiden Bände des Handbuches Robert Pfeifer im Jahr 2001 und 2005 erschienen sind, ist na- türlich das vorliegende „neue Handbuch“ etwas Dierschke, J., V. Dierschke, K. Hüppop, O. veraltet. Trotzdem findet sich in den mehr als Hüppop & K.F. Jachmann, 2011. Die Vogelwelt 1000 Seiten eine Fülle von wissenschaftlicher der Insel Helgoland. 629 S., 505 Abb., 615 Fotos, Information, die von der großsystematischen 157 Karten. ISBN 978-3-00-035437-3. OAG Hel - Einordnung der Schildkröten bis hin zu den fos- goland, Postfach 869, 27490 Helgoland.13 silen Schildkröten Europas reicht. Gemäß dem 629 noch dazu bestens ausgestattete, durchge- Konzept des Handbuches, hat diese Information hend farbige Druckseiten für knapp zwei nur wenig an Aktualität verloren. Für den wis- Quadratkilometer Land – hat die neuerdings zu senschaftlich interessierten Reptilienfreund beobachtende Tendenz, Avifaunen als pracht- bzw. -halter könnte die Anschaffung lohnens- volle, dicke „Schinken“ herauszubringen, hier wert sein, zumal dieser Band viel billiger ist als einen neuen Höhepunkt erreicht? Man könnte die beiden Bände des Handbuches. Diese Käu- es meinen, würde es sich dabei nicht um ein fergruppe sollte aber prüfen, ob die deutlich ganz besonderes Stück Land handeln, noch preisgünstigere Reihe über die Schildkröten der dazu mit einer langen ornithologischen Tradi- Welt von Holger Vetter nicht auch die ge- tion, die diesen Aufwand rechtfertigt. Durch die wünschte Information liefert. Lage in der Nordsee, die übersichtliche Größe Roland Brandl und die hohe Beobachterintensität werden eben diese 1,7 km2 von Helgoland und Düne zu Egidius, H., 2011. Vögel füttern rund ums Jahr. einem der am besten untersuchten Flecken Erde 127 S., zahlr. farbige Abb. und Tabellen. ISBN in Mitteleuropa. 978-3-8001-7587-1. Verlag Eugen Ulmer KG, Einleitende Kapitel behandeln die Lebens- Stuttgart.12 räume, die Geschichte der Vogelforschung auf Das kleine Büchlein bietet mehr, als der Titel Helgoland, Brutvögel, Vogelzug, Wintergäste verspricht. Über Sinn und Unsinn der Ganz - und Seltenheiten. Das eigentliche Kernstück jahresfütterung lässt sich trefflich streiten und stellen die Artbearbeitungen dar – insofern ist Vogelfütterung ist inzwischen wieder zu einem es eine klassisch aufgebaute Avifauna, die in Thema geworden! Über manche Empfehlungen sehr elegantem Layout daherkommt. Drei Plus - und Aussagen des Autors wird man sicher punkte verdienen es aber, besonders herausge- geteilter Meinung sein, so zu den „sieben guten stellt zu werden. Erstens die kritische, präzise Gründen für die ganzjährige Fütterung“. Es ist Behandlung des umfangreichen Datenmaterials zweifellos richtig, dass die Futterstellen Gele - und dessen über die Arten hinweg konsequent genheit bieten, Vogelverhalten näher kennenzu- durchgehaltene Präsentation. Dies macht das lernen und Kinder für den Vogelschutz zu be - Buch auch für binnenländische Ornithologen geistern. Ob die Ganzjahresfütterung dazu bei- und Vogelbeobachter interessant. Zweitens die trägt, auch seltene Vogelarten zu unterstützen, durchgehend farbige Bebilderung mit hervorra- wage ich allerdings zu bezweifeln. Und dass genden Farbfotos, die alle (!) auf Helgoland ent- eine Mehlwurmzucht im Keller, wie hier be- standen und sämtlich mit Aufnahmedaten ver- schrieben, der richtige Weg ist, dem Mangel an sehen sind. Sie erhalten dadurch zusätzlich zum Insekten wirksam zu begegnen, ebenfalls. ästhetischen Genuss einen biologischen Aussa- Neben diesen fragwürdigen Inhalten steht in gewert als Dokumentationen. Und drittens sind Schriftenschau 95 informative Textblöcke zu einzelnen, übergrei- Berufsornithologen vor allem eine Vielzahl von fenden Themen wie Nordostatlantischer Oszil - Amateuren widmen. Die neuen Möglichkeiten la tion, nächtlichem Massenzug, Beobachtungs- der Technik (GPS- und Satellitentelemetrie, und Dokumentationsintensität und langfristige Rückstandsanalyse, Molekularbiologie, Inter - Entwicklung von Fangzahlen eingeschaltet, die net) und Datenverarbeitung und insbesondere zusätzliche, schnell greifbare Informationen die heutzutage möglich gewordenen persönli- anbieten. Allen Kapiteln sind farbig unterlegte chen Kontakte der Greifvogelkenner bei inter- englische Summaries beigefügt. nationalen Kooperationen und Workshops Offene Wünsche? Wie bei vielen umfangrei- haben zu einem Motivationsschub geführt, der chen Avifaunen hätte ich mir auf einer Seite die das Wissen um Greifvögel so rapide hat an- stark verdichtete Zusammenfassung aller wich- wachsen lassen und damit zu einer sich stei- tigen Fakten an leicht auffindbarer Stelle gernden Akzeptanz für Greife in der Öffentlich- gewünscht: Gebietsgröße, Zahl der nachgewie- keit geführt hat. So wendet sich dieses Sonder - senen Arten, Zahl der Brutvogelarten, Durch - heft mit seiner Vielzahl von attraktiven Farb- zügler, Seltenheiten. So muss man sich diese fotos an eine breite Leserschaft. Die Texte sind Informationen relativ mühsam aus den Kapiteln informativ und für jedermann leicht verständ- erschließen. lich geschrieben. Der Herausgeber hat es zuwe- Besonderheiten? Helgoland hat von alters ge gebracht, die verschiedenen Experten zeitlich her eine eigene Sprache, das „Halunder“. Ein zu koordinieren, um ein aktuelles Bild über Ver zeichnis helgoländischer Vogelnamen, selbst Greif vögel und Arbeit an Greifvögeln zusam- für seltene Arten wie Weißflügellerche („Wit - menzustellen. dijk ket loatsk“) und Gelbkopf-Schafstelze Dietrich Ristow („Giilhoaded Giilblabber“) sind Namen vorhan- den, rundet das Buch ab. Berichte zum Vogelschutz. Heft Nr. 47/48 Die „Vogelwelt der Insel Helgoland“ ist ein (2010/2011). 224 S. ISSN 0944-5730. Bezug: Lan- gutes Beispiel dafür, dass langjährige Team ar - desbund für Vogelschutz (LBV), Artenschutz- beit aus Hobby-Vogelbeobachtern, Berufsorni - Referat, Eisvogelweg 1, D-91161 Hilpoltstein. thologen und „Twitchern“ hervorragende Er - Internet: www.lbv-shop.de.15 gebnisse erzielen kann. Die Sache wird perfekt, Dieses Mal liegt ein umfangreiches Doppelheft wenn man das Preis-Leistungs-Verhältnis be - mit einer Fülle von Informationen aus dem trachtet. immer breiter gewordenen Arbeitsbereich des Robert Pfeifer Vogelschutzes vor. Da diese Ausgabe der Be- richte zum Vogelschutz als Doppelband erschie- Zeitschriftenschau nen ist, sind die Berichtsjahre 2010 und 2011 zusammengefasst. Die Geduld der Ornitho lo - Der Falke, Band 58 (2011), Sonderheft gen und Vogelschützer hat sich gelohnt. Auto- Greifvögel. 56 S.; über 70 Farbabb., ISSN 0323- ren aus Wissenschaft und Praxis befassen sich 357X. Aula-Verlag, Wiebelsheim.14 unter anderem mit dem Umgang mit Arten, die In einem knappen Dutzend Greifvogel-Auf- auch im Mittelpunkt öffentlicher Diskussionen sätzen werden wissenschaftliche Themen zu stehen. Hierzu zählt allen voran der Kormoran, Status (Rasterkartierung ADEBAR), Monitoring den NABU und LBV zum „Vogel des Jahres (MEROS), Fisch- und Seeadler in Süddeutsch- 2010“ gekürt hatten. Was damit erreicht werden land, Greifvogelzug in Georgien, Gänse-, konnte und was (noch) nicht, fasst eine umfang- Mönchs- und Schmutzgeier in der Extrema - reiche Bilanz von M. Nipkow, A. von Lindeiner dura, Gänsegeiereinflüge in Mitteleuropa sowie und H. Opitz zusammen. Ein weiterer Artikel Naturschutzthemen über Wiederansiedlungen, diskutiert Möglichkeiten, Fische durch Totholz - internationale Kooperationen, illegale Verfol - eintrag vor Kormoranen zu schützen. Ähnlich gung, Bleivergiftung und Falkenhybride behan- brisant erscheint die Frage, wie mit gebietsfrem- delt. Sogar ein ganz aktueller Bericht über den den und invasiven Vogelarten (Beispiele Raufußbussardeinflug im Okt./Nov. 2011 ist in Nandu, Schwarzkopf-Ruderente, Mandarin- diesem zum Jahresschluss erschienenen Son der - ente, diverse Gänsearten, Heiliger Ibis, Hals - heft bereits enthalten. Greifvögel sind eine faszi- band sittich) aus der Sicht des Naturschutzes nierende Vogelgruppe, der sich neben wenigen umzugehen sei. Dazu bietet die Ausgabe gleich 96 Ornithol. Anz., 51, 2012 drei Beiträge. Nach Lösungsmöglichkeiten wird 978-3-938147-19-1. Bezug: Musikverlag Edition auch gesucht, wenn es um die Eindämmung der AMPLE, Untere Bahnhofstraße 58, 82110 Ger - unzähligen Vogelverluste an Glasscheiben geht. mering, Tel. (089) 89428391, Fax (089) 89428392. Sogenanntes „UV-Glas“ bietet die vielfach Internet: www.ample.de, www.tierstimmen.de, gewünschte oder notwendige Transparenz und E-Mail: [email protected] kann gleichzeitig von den meisten Vogelarten Diese Audio-CD enthält alle wichtigen Vogel - als Hindernis wahrgenommen werden. Den - tipps, zusammengestellt und gesprochen von noch sind solche Gläser in die Kritik eines Autors dem erfahrenen Vogelkundler und Vogelstim - geraten. Die Massenirritation ziehender Sing- men-Imitator Uwe Westphal. Ob Nistkästen, vögel durch Straßenbeleuchtung ist ein wichtiges Winterfütterung, verlassene Jungvögel oder Thema, vor allem aber der Stumme Früh ling in vogelfreundliche Gartengestaltung – zu diesen der Feldflur; die Bedrohung der Agrarvögel und und vielen anderen Fragen erhält man fachlich politische Handlungsnotwendigkeiten müssen versierte Antworten, die im Beiheft zusätzlich jeden Ornithologen stark interessieren. Prakti - nachzulesen sind. Neben seinem Fachwissen ker im Vogelschutz und in der Landschafts- lässt Uwe Westphal den Hörer mit persönlichen planung werden auch die erstmals erfolgte Erlebnissen und imitierten Vogelstimmen teil- Zusammenstellung der Roten Listen aller Bun- haben an seiner Begeisterung für die Vogelwelt. desländer zu schätzen wissen. Weitere Artikel Der Rezensent, oft konfrontiert mit Fragen zum befassen sich mit ebenso charismatischen wie „richtigen“ Handeln bei Gartengestaltung und bedrohten Vogelarten, darunter Schreiadler, -pflege, unerwartet leer bleibenden Nistkästen, Rotmilan und Großtrappe. Andreas von Lind - ausbleibenden Gartenvogelarten, fehlenden einer informiert über neue Entwicklungen im Schwalben, Mauerseglern und Spatzen, kann Vogelschutz und Aktivitäten des Deutschen feststellen, dass die meisten der von Vogelfreun - Rates für Vogelschutz in den Jahren 2010 und den angesprochenen Problemfelder erschöp- 2011. fend beantwortet werden. Angenehm wird auch Manfred Siering die Präsentation und Abhandlung der Vogel - tipps auf der Audio-CD, ansprechend das Bei- Tonträger heft empfunden. Letzteres beinhaltet auch Empfehlungen für bei Vögeln besonders belieb- Westphal, U., 2012. Die wichtigsten Vogeltipps. te heimische Wildsträucher und Gehölze für Musikverlag Edition AMPLE. Audio-CD inklu- dornige Vogelschutzhecken sowie zwei Bauan- sive 32-seitigem Beiheft, 25 Kapitel. Spieldauer lei tungen für Nistkästen. 76:39 Minuten. Bestell-Nr. CD-147.191, ISBN Manfred Siering

1) € 39,90, 2) € 29,95, 3) € 49,90, 4) € 99,90, 5) € 19,95, 6) € 19,95, 7) € 24,80, 8) € 69,95, 9) € 29,90, 10) € 24,90, 11) € 99,90, 12) € 9,90, 13) € 55,–, 14) € 6,95, 15) Abonnement € 11,00, Einzelverkauf € 15,00 plus Porto, 16) € 14,95.