Magazin der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Jänner 2009

Dem Liedgesang immer näher

Angelika Kirchschlager

Mit ihrem Namen verbinden Musikfreunde zunächst vor allem wunderbare Opernabende. Im Brahms-Saal verleiht Angelika Kirchschlager nun einmal mehr ihrer stetig wachsenden Liebe zum Liedgesang Ausdruck – mit Werken von Schubert, Korngold und Weill.

„Vergebliches Müh’n, die beiden zu trennen. In eins verschmolzen sind Worte und Töne“, so heißt es in „“ von Richard Strauss. Als Clairon stand Angelika Kirchschlage erst im Herbst auf der Bühne der Wiener Staatsoper – in einer Rolle, die sie sich vor kurzem erarbeitet hat und in der sie es verstand, trotz legendärer Rollenvorgängerinnen Kritik und Publikum in höchstem Maß zu überzeugen.

Die Frage nach dem Vorrang von Wort oder Musik beherrscht das Konversationsstück, in dem es darauf ankommt, die Sänger auch gut zu verstehen. Eine Anforderung, die Angelika Kirchschlager wohl entgegenkommt, verlegt sich der Schwerpunkt ihrer Auftritte verstärkt in Richtung Konzert- und Liedpodium, wo das Wort eben doch etwas mehr bedeutet als auf der Opernbühne.

Start auf heimatlichen Bühnen Auf der Opernbühne allerdings hat die große, internationale Karriere der Österreicherin begonnen. Bereits als Massenets „Cherubin“ in der Wiener Kammeroper zeigte sie ihr enormes Talent. Ihr erster Octavian an der Grazer Oper war eine weitere Wegmarke der Karriere, in der 1994 das Debüt als Mozarts Cherubino an der Wiener Staatsoper folgte. Das Wiener Haus wurde ihr eine wichtige Heimat, wo sie viele der großen Partien ihres Faches gesungen hat, darunter die Dorabella in Mozarts „Così fan tutte“, die Zerlina im „“ und den Idamante im „“ sowie den Orlofsky in der „Fledermaus“, Nicklausse in „Hoffmanns Erzählungen“, den Octavian im „Rosenkavalier“, den Komponisten in „“, aber auch eine Rolle wie Peter Pan im gleichnamigen Kinderopernerfolg.

Langsame Annäherung Geboren wurde Angelika Kirchschlager in Salzburg. Ihre Heimatstadt weiß längst, was sie an ihr hat, und lud sie daher auch ein, als Gastprofessorin am Mozarteum zu unterrichten. Dort, wo Kirchschlager selbst ihre musikalische Ausbildung begann. Auch das Kapitel Salzburger Festspiele ist heute eines von beidseitiger Zuneigung.

Dabei, so erinnert sich die Sängerin, war es eine langsame Annährung: „Von den Festspielen nahm ich die ersten zehn Jahre meines Lebens so wenig wahr, als ob sie am Ende der Welt stattgefunden hätten. Das Wort ,Festspiele‘ hörte ich zum ersten Mal im Zusammenhang mit dem magischen Wort ,Generalprobenkarte‘. Weder meine Eltern noch ihre Freunde konnten sich reguläre Eintrittskarten leisten. Eine Generalprobenkarte fiel einem mit viel Glück zu, wenn man den Bekannten eines Bekannten eines Billeteurs oder Statisten kannte.“ Inzwischen wird sie selbst um die begehrten Generalprobenkarten gebeten. Amüsiert denkt sie auch zurück an die Zeit, als sie mit sechzehn Jahren Kuchenmädchen im

1 / 3 Magazin der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Jänner 2009

Café Fürst wurde und wohl so manchem Festspielgast, der sie heute auf der Bühne bewundert, die Mehlspeisen serviert oder den Tisch abgewischt hat. Zwei Sommer später kam sie der musikalischen Sache noch ein Stückchen näher und hat etwa Gösta Winbergh oder Thomas Hampson Tonträger im Salzburger Musikhaus Katholnigg verkauft.

Wohlüberlegte Auswahl Nach den Anfängen am Mozarteum ging Angelika Kirchschlager dann nach Wien, wo Walter Berry ihr Lehrer wurde – eine Begegnung, die sie tief geprägt hat.

Ihre Karriere führt jedoch weit über die beiden heimischen Bastionen Staatsoper und Festspiele hinaus. An Londons Covent Garden kreierte sie etwa die Titelrolle in der Uraufführung von Nicolas Maws Holocaust-Oper „Sophie’s Choice“ – eine Partie, in der sie danach auch an der Wiener Volksoper zu erleben war. Scala und Met, Glyndebourne und München, Berlin und Paris sind nur einige internationale Stationen der Sängerin, die in rekordverdächtig jungem Alter im Juni 2007 zur Wiener Kammersängerin ernannt wurde.

Ihre Opernrollen sucht sie inzwischen mit Bedacht aus, denn allzu lange Auslandaufenthalte und die damit verbundene Trennung von ihrem Sohn nimmt sie nur noch für besondere Projekte in Kauf. Darunter etwa für Händels „“ in Paris, eine Partie, mit der sie auch ihre enorme Bandbreite von Alter bis neuester Musik bewiesen hätte.

Liebe zum Lied Das Liederabend-Publikum jedenfalls freut ihre Zurückhaltung auf der Opernbühne; außerdem ihr Interesse an ungewöhnlichem Repertoire. So stellt sie bei ihrem Auftritt im Musikverein einer Schubert-Auswahl Erich Wolfgang Korngolds Fünf Liedern op. 38 gegenüber. Korngold hat diesen Zyklus 1948 nach Gedichten von Richard Dehmel, Joseph von Eichendorff, Howard Koch und William Shakespeare komponiert und Maria Jeritza gewidmet. Als Schlusspunkt interpretiert sie gemeinsam mit Helmut Deutsch schließlich einige Lieder von Kurt Weill. Zu dieser Programmauswahl und zu ihrer großen Affinität für den Liedgesang meint Angelika Kirchschlager:

„Ich möchte schon lange Kurt Weill singen. Er liegt mir sowohl stimmlich als auch emotional. Denn vor allem der Text ist bei ihm so wichtig und dominant! Die Auswahl von Liedern Korngolds passt zu denen von Weill – und Schubert beruhigt davor alle, die Korngold und Weill noch nie gehört haben.“

Wie erarbeiten Sie sich ein Liedprogramm und welchen Stellenwert nimmt hierbei der Liedbegleiter – in Ihrem Fall Helmut Deutsch – ein? Helmut Deutsch gestaltet sehr viele Programme – und er hat so viel Erfahrung darin! Meine Ideen sind dagegen meist etwas wirr und emotional. Helmut Deutsch bringt dann Ordnung in meine Vorschläge hinein. Wenn das Programm schließlich steht, heißt es dann: lernen, lernen, lernen! Die Texte, die Melodien, die Pausen, die Punktierungen … Das bedeutet sehr viel Arbeit!

Worin liegen für Sie die Herausforderungen bei einem Liederabend? Das Spannende an einem Liederabend ist die absolute Eigenverantwortung des Sängers. Der

2 / 3 Magazin der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien Jänner 2009

Umgang mit den anspruchsvollen Texten ist dabei eine große Herausforderung. Für mich ist die Behandlung des Textes durch die Komponisten besonders faszinierend. Mein Deutschlehrer schrieb noch in der achten Klasse unter meine Schularbeit: „Warum wählen Sie immer wieder das Interpretationsthema, wenn Sie doch wissen, dass Sie das nicht können?“ Anscheinend habe ich bis heute noch immer nicht aufgegeben!

Welches Gewicht haben Liederabende in Ihrem Terminkalender? Im vergangenen Jahr habe ich mich zehn Monate lang nur dem Lied gewidmet! Denn auf der Opernbühne zu stehen bedeutet vor allem sehr lange nicht zu Hause sein zu können. Inzwischen würde ich mich eigentlich schon eher als Liedsängerin bezeichnen, die auch Oper singt – vorausgesetzt, es ergibt sich ein schönes Projekt.

Gibt es besonders wichtige Vorbilder für Sie auf dem Liedpodium? Mein Lehrer Walter Berry hat mich während meines dreijährigen Studiums bei ihm auf immer und ewig geprägt. Alles, was ich heute im Liedgesang tue, baut auf seinen Inspirationen auf.

Wie sollte Ihrer Meinung nach ein idealer Liederabend gestaltet sein? Was möchten Sie dem Publikum vermitteln? Ich liebe abwechslungsreiche, lebendige Programme. Die Belehrung des Publikums liegt mir nicht so sehr. Trotzdem sollte man eine gewisse Form einhalten. Ich will jedenfalls alles, nur keine Langeweile vermitteln. Denn Lieder sind genauso lebendig wie das Leben selbst. Ich versuche daher, so viele verschiedene Emotionen wie möglich bei meinem Publikum anzusprechen.

Stefan Musil Mag. Stefan Musil ist freier Kulturjournalist in Wien.

3 / 3

Powered by TCPDF (www.tcpdf.org)