1965 Die Düsseldorfer Kunstszene Vor 50 Jahren Ein Teamprojekt Des Instituts Für Kunstgeschichte Zeitraum Und Lokale Begrenzung
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1965 Die Düsseldorfer Kunstszene vor 50 Jahren Ein Teamprojekt des Instituts für Kunstgeschichte Zeitraum und lokale Begrenzung Mit dieser Ausstellung wollen wir versuchen, die Stimmung und das Lebensgefühl zu vermitteln, die in der Zeit um 1965 in der Kunstszene in Düsseldorf herrschten und die den Geist die- ser Jahre widerspiegeln. Welche Künstler traten mit welchen Aktionen auf, welche Galerien taten sich dabei besonders hervor und unterstützten und förderten die Projekte der damals noch jun- gen und unbekannten Akteure? Das kann sich dabei nicht nur genau auf das Kalenderjahr 1965 beziehen, sondern umfasst einen Zeitraum von Idee zum Projekt ungefähr 1962 bis 1967 und endet damit auch nicht präzise an der Stadtgrenze von Düsseldorf. Anlässlich der Vorbereitungen zu den Feierlichkeiten zum 50. Geburtstag der Aus dem AFORK, dem Archiv künstlerischer Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf initiierte Fotografie der rheinischen Kunstszene, konnten Frau Prof. Dr. Andrea von Hülsen-Esch ein Team- wir Werke aus diesem Zeitraum aussuchen, auf projekt mit der Idee, aus Werken, die zur Zeit der denen Künstler und ihre Aktivitäten dokumentiert Gründung der Universität entstanden sind, eine wurden. Die Auswahl der hier gezeigten Arbeiten Ausstellung zu kuratieren. Durch den Kontakt des und Aktionen ist nicht als ein repräsentativer Quer- Instituts für Kunstgeschichte mit dem Museum schnitt gedacht, sondern kann nur einige wenige Kunstpalast ergab sich die Chance einer Zusam- berücksichtigen, die uns aber einen kleinen Eindruck menarbeit, die es uns ermöglichte, mit den Leihga- von dem vermitteln, was sich in der Düsseldorfer ben des Museums diese Ausstellung zu bestücken. Kunstszene im Zeitraum um 1965 abspielte. (AH) 2 Foyer 1. Obergeschoss 2. Obergeschoss 3. Obergeschoss 1965. Die Düsseldorfer Kunstszene vor 50 Jahren Die Düsseldorfer „Szene“ Institutionen. Zu den Charakteristika der 1960er Jahre gehörte, dass die Kunst eben nicht mehr Von dem im Dezember 1949 unterzeichneten nur in den traditionellen Foren und Institutionen Abkommen über wirtschaftliche Zusammenarbeit anzutreffen war. Von den Inhalten der Kunst ist mit Amerika, dem Marshall-Plan und dem Ende damit wenig gesagt. Stephan von Wiese: „Die ‚Sze- der 1950er Jahre beginnenden Wohlstand des auf- ne’ ist vielmehr ein Phänomen der Kommunikati- kommenden Wirtschaftswunders durch die Politik on, ein gesellschaftliches Korsett, welches enorm Konrad Adenauers, hat gerade das Rheinland stark hilft, zu überleben und zu wissen, was wann und profitiert. Der Marshall-Plan trifft hier auf eine wo läuft.“1 Aufschwungphase der Konjunktur in West- Zur Infrastruktur dieser „Szene“ gehörten auch die deutschland. Durch die deutsche Teilung und Ateliergemeinschaften – häufig in Abbruchhäu- die Dezentralisierung wurde Düsseldorf mit sei- sern –, Treffpunkte waren die Eröffnungsrituale ner Kunstakademie einflussreiches Zentrum der der Galerien und der Institutionen wie Kunstver- Kunstszene. In Düsseldorf eröffneten in dieser ein, Kunsthalle, Kunstmuseum und Kunstsamm- Zeit die Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen, lung Nordrhein-Westfalen und natürlich als „Ur- die Kunsthalle und der Kunstverein und an der mutter“ die Kunstakademie, die auch für ständigen Kunstakademie zog Joseph Beuys 1961 mit seiner Nachwuchs an Künstlern sorgte. Wichtig war aller- Berufung zum Professor für Bildhauerei bis in die dings auch, dass den Künstlern engagierte Galeris- 1970er Jahre Studenten und unabhängige Künst- ten wie zum Beispiel Alfred Schmela, Jean-Pierre ler an das Institut. Wilhelm und Rudolf Jährling durch ihren Einsatz innovativ und beratend zur Seite standen. Düssel- Wenn wir von der „Düsseldorfer Szene“ dorf war dabei, wenn künstlerische Entscheidun- sprechen, so meinen wir damit nicht nur be- gen fielen, Entwicklungen nahmen von hier ihren stimmte Künstler, sondern vor allen Dingen ein Ausgang. Man war auf der Höhe der Zeit und hat spezielles Umfeld, das sich um einige Brenn- in vielen Fällen die Welt auf sich aufmerksam punkte gruppierte: Lokale, Straßen, Galerien und machen können. (AH) Foyer 1. Obergeschoss 2. Obergeschoss 3. Obergeschoss 3 Exponate im Foyer Katharina Sieverding, Eigenbewegung 001 – 232, 1969/2010, 231 Fotos auf dem Screen Ferdinand Kriwet, Poem Painting, 1965, Acryl und Bleistift auf Leinwand Ferdinand Kriwet, Poem Painting, 1965, Acryl und Bleistift auf Leinwand 4 Foyer 1. Obergeschoss 2. Obergeschoss 3. Obergeschoss 1965. Die Düsseldorfer Kunstszene vor 50 Jahren Das „24-Stunden-Happening“ Der Parnass, ein Gebirge in Griechenland, ist genes Architekturbüro eröffnet, sondern gleich- in der griechischen Mythologie dem Gott der zeitig einige Räume für Künstler zugänglich ge- Künste, Apollon, geweiht und dient den Mu- macht. Nach mehrfachen Umzügen gelang es sen der Künste als Heimat. Die einflussreiche schließlich der Galerie Parnass in den letzten vier Geschichte der Galerie Parnass beginnt im Jahren ihrer Bestehenszeit in die weiträumige Jahr 1949; sie wurde bis zu ihrem Ende 1965 Villa in der Moltkestraße zu ziehen. Hier maßgeblich von dem Architekten Rolf Jähr- entstanden viele Ausstellungen und auch das ling geprägt. Vor dem Hintergrund der frühen „24-Stunden-Happening“. Schnell entwickelte Nachkriegszeit, in der potenzielle Käufer von Kunst sich die Galerie Parnass zu einem „Hot-Spot“ im andere Sorgen und Nöte hatten, als das nächste Rheinland, zusammen mit den Galerien „Der Spie- bedeutende Werk eines Künstlers zu erwerben, gel“ in Köln und „Galerie 22“ in Düsseldorf. Die ist der Erfolg der Galerie erstaunlich: Die meisten Galerie Parnass jedoch stach aus der Masse von der damals ausgestellten Künstler sind heute im Galerien hervor, weil hier der Fokus von Happe- musealen Raum vertreten. Somit ist die Galerie nings in Deutschland war, denn an diesem Ort wur- Parnass selbst ein wichtiger Teil der rheinischen de aus der reinen Malerei eine real durchgeführte Kunstszene. Aktion in einem Galerieraum. Trotz der aus heuti- ger Sicht beeindruckenden Veranstaltungen mit In der damaligen Zeit wuchs den Galerien eine namentlich wichtigen Vertretern der Kunst wie neue Bedeutung zu: Spätestens in den 1960er Hundertwasser, Sandberg oder Schulze Velling- Jahren hatten sie die Funktion, Käufer und Interes- hausen, wurden häufig die Aktivitäten der Galerie senten über die aktuelle Kunst zu informieren und Parnass von der Öffentlichkeit und in der Presse diese außerdem zu vermitteln. Auch ein gewisser kritisiert. kommerzieller Erfolg konnte in den verschiedens- ten Galerien erzielt werden. Dieser Faktor spiel- Das „24-Stunden-Happening“ fand am Sams- te in der Galerie Parnass dagegen keine Rolle. tag den 5. Juni 1965 in der Moltkestraße 67 in Rolf Jährling wurde als Architekt immer erfolg- Wuppertal statt. Es dauerte – wie schon der reicher, es war ihm ein persönliches Bedürfnis, Name andeutet – einen ganzen Tag, und die zeitgenössische Kunst auszustellen und zu pu- Beobachter mussten einen Unkostenbeitrag von blizieren. Durch den Erwerb einer Immobilie in 10 DM zahlen. Vertreten waren Joseph Beuys, Wuppertal–Elberfeld, wurde nicht nur sein ei- Bazon Brock, Charlotte Moorman, Nam June Paik, Foyer 1. Obergeschoss 2. Obergeschoss 3. Obergeschoss 5 Eckart Rahn, Tomas Schmit und Wolf Vostell. Einzelne Aktionen im 24-Stunden-Happening Dieses Happening hat bis heute eine beson- dere Rolle in der Geschichte der Kunst. Das liegt vor allem daran, weil es sich auf einen Jeder Künstler präsentierte seine Aktion in einem „unmissverständlichen soziologischen Hinter- separaten Raum in der Galerie Parnass. Obwohl grund“ bezieht. Hier wurden politische Anmer- das Happening vierundzwanzig Stunden dauer- kungen gemacht und Ideologiekritik an den te, hielten nur die wenigsten Künstler die gesam- Betrachter heran getragen. Somit wird der Be- ten Stunden konstant in ihren Räumen durch. trachter ein Teil der Aktion und kann, beziehungs- weise soll diese mit seinen Gedanken beeinflussen. Nam June Paik und Charlotte Moormann Beide Künstler traten gemeinsam auf und ga- Ein weiteres wichtiges Merkmal ist, dass man ben unterschiedliche Interpretationen von Paiks eine bewusste Trennung zwischen Produ- Musikideen wieder. Nam June Paik spielte mit zent und Rezipient nicht länger hinnehmen seinen Unterarmen Klavier, Charlotte Moormann und die bestehende Grenzen aufheben wollte. Cello in einem transparenten Plastikkleid, das sie von Zeit zu Zeit nass machte. Ihre musikalische Darstellung unterbrach sie nur, um auf dem Rücken von Nam June Paik zu reiten oder um zu schlafen. Eine Situation blieb Paik vor allem in Erinnerung: Charlotte Moormann und er woll- ten ein Stück von John Cage spielen, aber die Künstlerin fiel in einen Schlaf und wachte aus diesem nicht mehr auf. Nach mehrfachen Ver- suchen sie zu wecken, spielte Nam June Paik schließlich allein ein Stück von La Monte Young. Charlotte Moorman erwachte schließlich um 2 Uhr morgens und gab eine ihrer besonderen Vorstellungen. 6 Foyer 1. Obergeschoss 2. Obergeschoss 3. Obergeschoss 1965. Die Düsseldorfer Kunstszene vor 50 Jahren Bazon Brock Eckart Rahn Bazon Brock präsentierte eine selbst gebastelte Eckart Rahn bespielte seinen Raum eben- Drehscheibe und setzte diese durch seine eige- so wie Nam June Paik und Charlotte Moor- ne Bewegung in Gang. Manchmal machte er auf mann mit Musik. Seine elektronischen Klän- dieser auch einen Kopfstand. Zur dieser Aktion ge waren ein Zusammenspiel von Kontrabass, gehört zudem ein Text, der sich aus einzelnen Mikrophon, Blockflöte und vielen Lautsprechern. Buchstaben zusammensetzt. Die einzelnen Buchsta- ben erschienen alle fünfzehn