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Western & Revolution

Mit den Jahren wurde unter Filmkennern die Beziehung Es war einmal in Italien von Cinephilie und den Ereignissen vom Pariser Mai 68 Es mag ein Klischee sein, den Western als amerika- mystifiziert. Nicht nur waren die protestierenden Stu- nischen Mythos zu bezeichnen. Nichtsdestotrotz ist es denten anscheinend alle kinoverrückt, sondern es wird wahr: Der traditionelle Hollywood-Western handelt von eine kausale Linie gezogen: Die Absetzung Henri Lang- der Besiedlung und Unterwerfung des Landes, der Er- lois’ als Leiter der Cinémathèque française im Februar richtung von Recht und Ordnung – ausgehend von der 1968 und die Proteste, die zu seiner Wiedereinsetzung Prämisse, dass dies ein rechtschaffenes Unterfangen geführt haben, werden zum Beispiel in Bernardo Ber- war. Frühe europäische Western haben seit Anbeginn toluccis Film THE DREAMERS (2003) zum Vorspiel der diese Sichtweise übernommen. Erst der Italo-Western Maiunruhen. Entsprechend nimmt die Cinémathèque in stellte sie – absichtlich oder unbewusst – in Frage. der Geschichte eine bedeutende Position ein. Zwar liefern auch diese Western eine Vision von Ameri- Dagegen werden Kinos, in denen die Filme liefen, ka, doch war diese nun ambivalent und brüchig. Gerade die die Studenten mit weitaus größerem Enthusiasmus in den europäischen Ländern, die unter US-amerikani- guckten als die Filme der Nouvelle Vague, viel weniger scher Besatzung gestanden hatten, wurde das ameri- beachtet. Dies betrifft insbesondere dle Italo-Western. kanische Selbstbildnis kritisch hinterfragt. Begeistert von der Ästhetik der Filme und fasziniert von lernte Amerikaner kennen, als sie ungeschönt zelebrierter Gewalt gehörten französische Rom befreiten, und es war für ihn eine Art Schock. Sei- Studenten zu den eifrigsten Enthusiasten des Mitte der ne Vorstellungen von Amerika waren vom Kino geprägt,

Western & Revolution Western 1960er Jahre aufblühenden Genres: Als Sergio Leones doch die Amerikaner, die er traf, entsprachen nicht den C’ERA UNA VOLTA IL WEST (1968) 1969 in die Pari- edlen Cowboys aus den Filmen: »Es waren ganz ge- 24 ser Kinos kam, war er beim studentischen Publikum wöhnliche Soldaten ... auf Vergnügen und irdische Gü- ein Riesenerfolg. Insofern sind Italo-Western Teil der ter aus ... sie haben unseren Frauen nachgestellt und filmischen Geschichte des Mai 68 und nicht bloß eine ihre Zigaretten auf dem Schwarzmarkt verkauft.« Doch Fußnote: Wie wir sehen werden, beschäftigten sich vie- diese Erfahrungen waren nicht die einzige Inspiration, le dieser Filme mit genau denselben Themen wie die die Leones Denken formte, als er seine ersten Western offensichtlicher radikalen französischen Autorenfilme, drehte. Vergessen wir nicht, wie stark er für PER UN die traditionellerweise mit den Unruhen in Verbindung PUGNO DI DOLLARI (1964) auf Akira Kurosawas YO- gebracht werden. JIMBO (1961) zurückgriff. Ein Gutteil des vielgelobten IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO IL BRUTTO, IL BUONO, »Zynismus«, den zeitgenössiche Kritiker in Leones Film Western & Revolution ausmachten, basiert auf Kurosawas ironischer Darstel- lung des Samuraikodex. In seinen nachfolgenden Filmen entwickelte Leone diese eher bittere Haltung weiter. Clint Eastwoods Figur in PER UN PUGNO DI DOLLARI weist immerhin noch einige Überreste der traditionellen Ritterlichkeit des Cowboys auf, die sich am offensichtlichsten in seinem Verhalten gegenüber Marianne Kochs Figur zeigt. In der Fortsetzung PER QUALCHE DOLLARO IN PIÙ (1965) geht es dem Kopfgeldjäger nur noch ums Geld. In die- sem Film gibt es immerhin noch als Gegenfigur den no- blen Colonel Mortimer (), wohingegen in

IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO (1966) sich alle drei WEST IL VOLTA D reharbeiten zu C'ERA UNA Titelhelden nur noch ihrem Geldbeutel verpflichtet füh- entdecken sie, dass die Eindringlinge Gold besitzen, da len. C’ERA UNA VOLTA IL WEST bietet eine komplexere lynchen sie sie auch schon und nehmen ihnen – ganz Sicht auf Kapitalismus und Fortschritt. Die unersättliche legal – ihre Besitztümer ab. Eisenbahn auf ihrem Weg zum Pazifik benutzte Männer Es war natürlich nicht nur die Politik, die diese Filme wie Frank (Henry Fonda), um »Hindernisse« (d.h. Men- in Italien so populär gemacht hat. Aber Leone und seine schen) aus dem Weg zu räumen. Frank hat seine eige- Nachfolger zeigten, wie Western implizit Gesellschafts- nen Ambitionen, zum Kapitalisten zu werden, aber die kritik enthalten konnten: Politisch radikal gesinnte Fil-

Zeit der Pistolenhelden geht zu Ende. Zum ersten Mal in memacher nutzten die Gelegenheit, auf diese Weise ein & Revolution Western Leones Westen siegt am Ende die moderne Zivilisation Massenpublikum zu erreichen. über das Recht des Stärkeren. 25 Leone hat die Grundlagen geschaffen, denen prak- Vor der Revolution tisch jeder andere Italo-Western gefolgt ist. Sein er- Die kommunistische Partei Italiens (PCI) hat dank ihres folgreichster Kollege war , der sowohl Vordenkers Antonio Gramsci stets mehr Wert auf Kultur die Gewalt als auch den Zynismus von Leones Filmen gelegt als die Kommunisten anderer Länder. Während weiter steigerte. Sein bekanntestes Werk ist DJANGO orthodoxe Marxisten der Ansicht waren, das Denken aus dem Jahr 1966 (Franco Nero, ein Sarg und ein werde von wirtschaftlichen Bedingungen bestimmt, Maschinengewehr), aber er hat auch den wohl düs- setzte Gramsci auf den Einfluss der Alltagskultur. Der tersten und nihilistischsten Italo-Western aller Zeiten Kapitalismus werde von der »kulturellen Hegemonie« gedreht: IL GRANDE SILENZIO (1968). Dies ist einer der der herrschenden Klasse aufrechterhalten, deren Werte entschiedensten Angriffe auf die »Werte der zivilisierten sich über Erziehung, Gesetzgebung und Kunst verbrei- Welt«, die den Kern des traditionellen Western bilden. ten und somit verewigen. Es war für die PCI von größter Hier werden alle Taten der mordenden Kopfgeldjäger Bedeutung, alternative Sichtweisen aufzuzeigen, um vom Recht und von den Ordnungsinstanzen geschützt, diese kulturelle Hegemonie zu durchbrechen und die ein korrupter Politiker macht sie sich zunutze, um seine Dinge nach ihren eigenen Vorstellungen umzuformen. eigenen »Hindernisse« loszuwerden. Der Western bot eine neue und sehr ergiebige Gelegen- Gesellschaftlich respektierte, aber tief korrupte Fi- heit, genau das zu tun. guren gehörten natürlich auch schon zum Repertoire Die Schlüsselfigur hierbei war Franco Solinas. Der der Hollywood-Western, aber die Italiener gehen einen Kommunist und Drehbuchautor hatte vorher schon entscheidenden Schritt weiter und verurteilen nicht nur an preisgekrönten Werken wie SALVATORE GIULIANO einzelne Individuen, sondern die gesamte Gesellschaft. (Francesco Rosi, 1962) und LA BATTAGLIA DI ALGERI In GIORNI DELL’IRA (Tonino Valerii, 1967) entdeckt ein (Gillo Pontecorvo, 1966) mitgeschrieben. Zum Western junger Mann, der mit einem älteren Revolverhelden kam er eher zufällig: Er hatte ein Treatment für einen zusammenarbeitet, dass alle angesehenen Leute sei- zeitgenössischen Film verfasst, der in Sardinien spie- ner Heimatstadt ihre Stellungen Diebstahl und Mord len und davon handeln sollte, wie ein Bauer einer Ver- verdanken. Ganz ähnlich terrorisieren in SE SEI VIVO gewaltigung beschuldigt und von einem abgebrühten SPARA (Giulio Questi, 1967) die aufrechten Städter Polizisten gejagt wird, der langsam erkennen muss, die gesetzlosen Banditen und nicht andersrum: Kaum dass sein Opfer unschuldig ist und ihm die Tat nur wegen seiner politischen Aktivitäten angehängt wurde. NARIO (1968), aber so, wie Sergio Corbucci sie verfilmt Die Produzenten zeigten allerdings kein Interesse, bis hat, ist sie weit weniger revolutionär als ursprünglich einer vorschlug, es in einen Western umzuwandeln. intendiert: Der von Franco Nero gespielte Titelheld ar- So wurde daraus LA RESA DEI CONTI (Sergio Sollima, beitet für die Revolution, aber sein Interesse ist aus- 1966) mit dem kubanischen Darsteller Tomás Milián als schließlich finanzieller Natur. Wie so oft bei Corbucci Bauer und Lee Van Cleef als Sheriff, der ihn verfolgt. herrscht Zynismus. Der Film zeigte erstmals, wie man Western für direk- te politische Aussagen nutzen konnte. Dann schrieb Die linke Schickeria Solinas QUIÉN SABE? (Damiano Damiani, 1966) über Italiener waren ganz sicher nicht die einzigen Filme- einen amerikanischen Agenten, der einen lästigen Re- macher, die Film als ein Verbreitungsmittel linker Ideen volutionär ermordet. Obwohl der Film in die Kinos kam, ansahen. Während sie eine Form des Genre-Kinos nutz- bevor die CIA Che Guevara in Bolivien gestellt hatte, ten, war die französische Linke exklusiver. Der bedeu- verurteilte er ganz direkt die Politik des amerikanischen tendste Filmemacher ist hier Jean-Luc Godard, dessen Imperialismus. Dies war insofern eher ungewöhnlich, Werke in den 1960er Jahren immer politischer wurden da eigentlich die politischen Italo-Western ganz ak- und immer größeres Interesse am Aktivismus zeigten. tuelle amerikanische Themen nur indirekt angingen. LA CHINOISE (1967) ist ein Film, der sich Gedanken um Der offensichtlichste Kommentar zu Vietnam ist Leo- politische Gewalt macht und lange Debatten über die nes IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO (1966), in dem Ethik dieser Dinge enthält. Offensichtlich hatte Godard die amoralischen Aktivitäten des titelgebenden Trios wahrgenommen, dass etwas in der Luft lag: 1967 (Eastwood, Van Cleef und Eli Wallach) den Gräueln drehte er WEEKEND, einen frontalen Angriff auf die des Sezessionskriegs gegenübergestellt wurden, eines Bourgeoisie und alle ihre Werte, der eine Gesellschaft

Western & Revolution Western Konflikts, der ohne Glanz und Gloria dargestellt wurde im Zusammenbruch zeigt. Als selbsternannter Maoist und noch weniger zu rechtfertigen war als der unge- begann Godard, die Welt zu bereisen und Aufruhr zu 26 schminkte Zynismus der Hauptfiguren: Diese wissen dokumentieren. In ONE PLUS ONE (1968) montierte er zumindest, wofür sie kämpfen. die Rolling Stones mit den Black Panthers zusammen, Linke Filmemacher, die an Western arbeiteten, wa- in BRITISH SOUNDS (1970) streikende Arbeiter, protes- ren in der Regel weniger an amerikanischer Politik als tierende Studenten und feministische Parolen. an ihnen näher liegenden Fragestellungen interessiert. Daniel Cohn-Bendit war einer der Studentenspre- Das wahre Thema des politischen Italo-Western ist cher bei den Pariser Unruhen im Mai 68. Er entwickelte das revolutionäre Bewusstsein, sie wollten zeigen, wie in Italien die Idee, einen Film ganz nach dem Vorbild die Bauern sich ihrer Unterdrückung bewusst werden jener Western zu drehen, die bei den Studenten so und anfangen sich zu wehren. In REQUIESCANT (Carlo beliebt waren. Und er war auch nicht der einzige: Von Lizzani, 1967) ist der Bösewicht zum Beispiel ein de- Jean-Pierre Gorin, Godards bevorzugtem Mitarbeiter kadenter Südstaatenaristokrat, der die Sklaverei recht- seiner revolutionären Phase, stammt der Ausspruch, fertigt, indem er sie den gierigen, unkontrollierten Fa- dass 1968 »jeder Marxist im Viertel einen Western briken im Norden gegenüberstellt, in denen Arbeiter nur drehen« wollte. Cohn-Bendits Drehbuch handelte von Maschinenfutter sind. Dieser Kommentar passt besser Bergleuten, die streiken, und von den brutalen Me- zur italienischen Nachkriegszeit als zur Phase der wirt- thoden ihres Bosses, mit denen er sie zurück an die schaftlichen und politischen Nachkriegsneuordnung Arbeit zwingt. Als Godard bei dem Projekt einstieg, der Südstaaten: Im italienischen »Wirtschaftswunder« wurde schnell klar, dass er an einer konventionellen emigrierten viele verarmte Süditaliener in die Fabriken Umsetzung des Drehbuchs kein Interesse hatte, son- des Nordens, während der Süden eine Bastion des dern eigene Ideen verfolgte. Cohn-Bendit verließ das Feudalismus blieb. In FACCIA A FACCIA (Sergio Sollima, Projekt. Dennoch kann der Film, der daraus entstand, 1967) kommt ein von Gian Maria Volontè gespielter immer noch als Western bezeichnet werden. LE VENT Nordstaatenprofessor wegen seiner Tuberkulose nach D’EST (1970) ist ein bewusst didaktisches Werk, das Texas. Dort lässt er sich mit einem Banditen ein (Tomás sich nicht leicht auf einen Nenner bringen lässt, in dem Milián) und langsam verschwimmen ihre Rollen. Wäh- aber Darsteller mal in Nordstaaten-Uniformen, mal in rend sich der Bandit als instinktiv anständig entpuppt, Indianerkostümen auftreten. wird der Professor zu einem Proto-Faschisten. Es ist jedenfalls eine explizite Ablehnung der itali- Wie bei vielen Autoren wurde auch Solinas' Werk enischen Idee, dass populäre Filme revolutionär sein bisweilen verändert. Er lieferte die Story zu IL MERCE- können: Jeder Film, der sich der korrupten bourgeoisen Darstellungskonzepte von Hollywoodfilmen bedient, be- retiker und misstraute instinktiv einem ungebremsten stätigt tatsächlich den Status quo, egal wie revolutionär Idealismus: »Im Krieg hatten wir Ideale, Träume, Hoff- die Absicht auch ist. Für Maoisten bedürfen radikale nungen. Sie haben sich nicht bewahrheitet. Sozialismus Ideen radikaler Filme. Wer im System bleibt, dient ihm ist als Idee gut, aber der Mensch ist schlecht. Heute bloß. herrscht in Italien die Anarchie. Wahre Freundschaft ist das einzige, was angesichts dieses Chaos’ bleibt. Zieh den Kopf ein Politik zerstört Freundschaft.« GIÙ LA TESTA spielt Aber der radikale Moment verging: Der Pariser Mai 68 während des mexikanischen Bürgerkriegs und erzählt wurde von einer Inspiration zu einer Erinnerung. 1974 die Geschichte einer Freundschaft zwischen einem stellte Gudie Lawaetz in ihrem umfassenden Doku- Banditen, der von Rod Steiger gespielt wird, und einem mentarfilm MAI 68 Aufnahmen von allen Seiten über Gringo, in diesem Fall James Coburn als ehemaliger die Ereignisse zusammen, die mittlerweile Geschichte IRA-Kämpfer auf der Flucht. Der Film steht sowohl der geworden waren. 1977 gestaltete Chris Marker mit LE Politik als auch dem Enthusiasmus für radikale Verän- FOND DE L’AIR EST ROUGE seine eigene Elegie auf den derungen skeptisch gegenüber. Selbst der Titel (»Zieh revolutionären Geist jener Tage und auf den versäum- den Kopf ein«) plädiert dafür, sich herauszuhalten – aus ten Wandel der Welt. Die politische Situation hatte sich der Reichweite der Explosion wie aus allem anderen. verändert. Wie von Godard in LA CHINOISE vorausge- ahnt, griffen radikale Gruppen zu extremeren Strategien Nach der Revolution und Taktiken. Die ersten Roten Brigaden wurden 1970 Und heute? Politik ist heute etwas ganz Anderes, und in Italien gegründet. Im selben Jahr baute der weit links unsere Sichtweise hat sich auch geändert. Es verblüfft, stehende Verleger Giangiacomo Feltrinelli seine eigene wie sehr diese Filme – die italienischen wie die franzö-

militante Organisation auf, die Gruppi d’Azione Parti- sischen – die wirklichen Revolutionen ihrer Tage unter- & Revolution Western giana. Dieser Stimmungsumschwung erschütterte das schätzt haben: den Feminismus und die Schwulenbe- schon in guten Zeiten immer politisch fragile Italien. wegung. In BRITISH SOUNDS illustrierte Godard einen 27 In diesem Klima drehte Sergio Leone seinen letzten feministischen Voice-over-Text mit Einstellungen einer Western GIÙ LA TESTA (1971). Leone war kein Theo- nackten jungen Frau und konterkarierte dadurch die ean-Luc Godard und Anne Wiazemski bei den Dreharbeiten zu ONE PLUS Anne J ean-Luc Godard und Botschaft (in späteren Jahren erinnerte sich Anne Wia- gemacht. Hier wird nicht einfach geschossen und ge- zemsky, die während Godards maoistischer Periode mit prügelt, vielmehr bemüht sich Sollima, ein Menschen- ihm verheiratet war und deren Erinnerungen dem Film schicksal glaubhaft und überzeugend zu gestalten. Hö- LE REDOUTABLE (Michel Hazanavicius, 2017) zugrun- hepunkt dieses atmosphärisch-dichten Farbwestern ist de liegen, an die Frauenfeindlichkeit Godards und die das Duell zwischen dem wirklichen und dem vermeintli- seiner Kollegen). Italo-Western sind sogar noch krasser chen Mörder – eine grandios komponierte Szenenfolge, und bringen einige der schlimmsten Exzesse mediter- die allerbeste Regieschule verrät.« (Alfred Pfaffenholz) ranen Machismos zum Ausdruck – Homosexualität gilt  Samstag, 24. März 2018, 21.00 Uhr als Gipfel der Degeneriertheit, Vergewaltigungen wer- den zur Unterhaltung und oft von vorgeblich sympathi- Django | Italien 1966 | R: Sergio Corbucci | B: Ser- schen Figuren verübt. gio & Bruno Corbucci, Piero Vivarelli, Franco Rossetti Wie ironisch, dass Filme, die revolutionär sein | K: Enzo Barboni | M: Luis Bacalov | D: Franco Nero, wollten, jetzt so reaktionär erscheinen. Diese Filme José Bódalo, Loredana Nusciak, Ángel Álvarez, Gino beschwören nicht einfach nur die Zeit, in der sie ent- Pernice, Simón Arriaga | 92 min | OmU | »Hier sind standen sind. Sie zeigen uns auch, wie viel sich seitdem die Zentralthemen des amerikanischen Western auf geändert hat und warum 1968 ins Gedächtnis gerufen ihre Essenz reduziert. Ein dubioser, bis zum Schluss und nicht romantisiert werden sollte. undurchschaubarer Held will sich in den Besitz einer James Oliver (Übersetzung: Andrea Kirchhartz) großen Menge Goldes bringen; er rächt sich an einem fanatischen, rassenhetzerischen Major, der vermutlich Per un pugno di dollari (Für eine Handvoll Dollar) | Italien 1964 | R: Sergio Leone | B: Sergio Leone, Duccio

Western & Revolution Western Tessari, Víctor Andrés Catena | K: Massimo Dallamano | M: | D: Clint Eastwood, Marianne Koch, 28 Gian Maria Volonté, Wolfgang Lukschy, Sieghardt Rupp, Joseph Egger | 100 min | engl. OF | »Mit unfehlbarer Sicherheit inszenierte der Cinemane und Westernfeti- schist Leone statt des Menschen einen aus unzähligen Versatzstücken zusammengesetzten Mythos: einen Mann ohne Namen und ohne Eigenschaften, bis auf die der absoluten Selbstbeherrschung und Professionalität als Gunfighter. Die Eindimensionalität erst ermöglicht die Stilisierung, zum Samurai, zum lakonischen Enig- ma, das von Ennio Morricones Sound ironisch umspielt wird, mit Flötentrillern und einem gepfiffenen Thema, musikalischen Effekten, die das Solistische der Figur betonen. Doch innerhalb von Sekunden kann die som- nambule Lässigkeit Eastwoods zu peitschenharter Prä- senz wechseln.« (Brigitte Desalm) in den Wirren des Krieges seine Frau erschossen hat,  Freitag, 23. März 2018, 21.00 Uhr nur weil sie Mexikanerin war, und er begegnet einer etwas zweifelhaften Frau, mit der er später vermutlich La resa dei conti (Der Gehetzte der Sierra Madre) zusammenleben wird. Wichtig ist nicht mehr die ›Ge- | Italien 1966 | R: Sergio Sollima | B: Sergio Donati, sinnung‹ oder die ›Ideologie‹ des Westerners, sondern Sergio Sollima | K: Carlo Carlini | M: Ennio Morricone seine pure Selbstbestätigung, sein Überleben. Sobald | D: Lee Van Cleef, Tomás Milián, Walter Barnes, Nie- der folklorische oder militaristische Zierrat vom Wes- ves Navarro, María Granada, Gérard Herter | 107 min | tern abfällt, tritt der wahre Charakter der Helden in OmU | »Ein neuer Zug in einem europäischen Western: nudo hervor.« (Franz Schöler) der Held, der einem Racheengel gleich auszieht, um  Sonntag, 25. März 2018, 21.00 Uhr einen Verbrecher zu fangen, wandelt sich vom uner- bittlichen Kopfgeldjäger zum humanen Menschen, der Per qualche dollaro in più (Für ein paar Dollar allmählich zu differenzieren weiß. Sergio Sollima hat ei- mehr) | Italien 1965 | R: Sergio Leone | B: Luciano Vin- nen erstaunlich guten, sorgfältig inszenierten Western cenzoni, Sergio Leone | K: Massimo Dallamano | M: En- nio Morricone | D: Clint Eastwood, Lee Van Cleef, Gian men: Eli Wallach. Die drei Männer suchen nach einem Maria Volontè, Mara Krupp, Luigi Pistilli, Klaus Kinski, Goldschatz, der auf einem Friedhof begraben liegt und Mario Brega | 133 min | engl. OF | »Sergio Leone ap- der sie in die Wirren des amerikanischen Bürgerkriegs pelliert nicht an optische Heldenklischees, er definiert treibt. Vor dem Hintergrund dieser Auseinandersetzung, seine Personen durch Schießkünste. Das Anschleichen, die in gigantischen Schlachtenbildern verdeutlicht wird, Abtasten, das Einkreisen, das feierlich-gespannte Ze- verblassen sogar die Taten des mörderischen Trios und remoniell der Vorbereitungen, das Hochtreiben der gewinnen eine neue Bedeutung.« (Thomas Jeier) Spannung bis zur Unerträglichkeit und die Entladung  Freitag, 30. März 2018, 21.00 Uhr im befreienden Kugelhagel, hat den Charakter einer se- xuellen Ersatzhandlung. Die Lust am Vollzug des einen Requiescant (Mögen sie in Frieden ruh’n) | Italien Vorganges lässt auch bei vielfacher Wiederholung nicht 1967 | R: Carlo Lizzani | B: Adriano Bolzoni, Armando nach, im Gegenteil, sie steigert sich zum Zwang. Die Crispino, Lucio Battistrada | K: Sandro Mancori | M: Schießballette garniert eine Handlung. Sie ist säuber- Riz Ortolani | D: Lou Castel, Mark Damon, Pier Paolo lich ausgeführt, sie motiviert die Aktionen hinreichend. Pasolini, Barbara Frey, Rossana Martini, Franco Citti, Zwei Kopfgeldjäger reisen durch die Lande, geraten auf Ninetto Davoli | 107 min | OmeU | »Der Held ist ein die gleiche Fährte, Konkurrenzneid flammt auf.« (Wer- reiner Tor, der im Stand der Gnade lebt – einer Gnade, ner Kließ) die ihn befähigt, sowohl aufrichtigen Herzens zu beten  Dienstag, 27. März 2018, 21.00 Uhr als auch todsicher zu schießen, ohne dass er es gelernt hat. Zunächst aus privaten Gründen gegen einen Groß- Quién sabe? (Töte Amigo) | Italien 1967 | R: Dami- grundbesitzer kämpfend, wird er zu einem Streiter der ano Damiani | B: Salvatore Laurani | K: Antonio Sec- sozialistischen Revolution, die die Kapitalisten beseitigt,

chi | M: Luis Bacalov | D: Gian Maria Volontè, Klaus die Bauern befreit und eine neue Ordnung begründet. & Revolution Western Kinski, Martine Beswick, Lou Castel, Jaime Fernández, Geistiger und moralischer Lenker ist ein Priester, der Andrea Checchi | 118 min | OmU | »TÖTE AMIGO spielt von Pier Paolo Pasolini gespielt wird, und wie bei Paso- 29 zur Zeit der mexikanischen Revolution. El Chuncho ist lini so wird auch bei seinem Freund Carlo Lizzani die der Anführer eines kleinen Rebellentrupps, der Mili- Symbiose zwischen Marxismus und Christentum voll- täreinheiten überfällt, um Waffen zu erbeuten und an zogen.« (Hans Peter Kochenrath) einen Revolutionsgeneral zu verkaufen. Ihm hat sich  Samstag, 31. März 2018, 21.00 Uhr ein Nordamerikaner angeschlossen, der sein Vertrauen errungen hat, sich dann aber als Verräter erweist. Das C'era una volta il West (Spiel mir das Lied vom Tod) Verhältnis zwischen Rebell, Revolutionär und Nordame- | Italien 1968 | R: Sergio Leone | B: Sergio Donati, Ser- rikaner steht modellhaft auch für heutige revolutionäre gio Leone | K: Tonino Delli Colli | M: Ennio Morricone Situationen in Lateinamerika. Der Nordamerikaner, ein | D: Henry Fonda, Claudia Cardinale, Jason Robards, getreues Abbild jener in Lateinamerika so unheilvoll , Paolo Stoppa, Woody Strode | 166 aktiven CIA-Agenten, wird schließlich von dem Re- min | engl. OmU | »C’ERA UNA VOLTA IL WEST ist der bellen erschossen, als dieser seinen ausbeuterischen Bericht von einer Reise in ein fernes Land, das Amerika und rassistischen Charakter durchschaut.« (Hans Peter heißt und Atlantis bedeutet. Paradise Lost. Von seiner Kochenrath) Reise hat Leone Bilder des Promised Land zurück-  Mittwoch, 28. März 2018, 21.00 Uhr gebracht, Bilder einer Sehnsucht und eines Traumes. Er hat diese Bilder mit den Mitteln einer populären Il buono, il brutto, il cattivo (Zwei glorreiche Ha- mediterranen Kunstform, der Oper, verknüpft. C’ERA lunken) | Italien 1966 | R: Sergio Leone | B: Agenore UNA VOLTA IL WEST ist Giuseppe Verdi gleichermaßen Incrocci, Furio Scarpelli, Luciano Vincenzoni, Sergio Le- verpflichtet wie John Ford. Und indem Leone ameri- one | K: Tonino Delli Colli | M: Ennio Morricone | D: Clint kanische Bilder einer europäischen Struktur verpflich- Eastwood, Eli Wallach, Lee Van Cleef, Aldo Giuffré, Luigi tet, macht er ihre Schönheit erfahrbar als die eines Pistilli, Mario Brega, Rada Rassimov | 179 min | engl. Traumes. Paradise Regained: Das in jeder Einstellung OmU | »IL BUONO, IL BRUTTO, IL CATTIVO hieß der drit- schmerzlich präsente Bewusstsein von der Vergeblich- te und zugleich beste Film von Leones Dollar-Trilogie. keit, den Traum ungebrochen zu reproduzieren, sichert Neben dem ›Guten‹, der kein guter ist (Clint Eastwood) dem Film die Authentizität des Unwirklichen.« (Hans C. und dem ›Bösen‹ (Lee Van Cleef) ist der ›Hässliche‹ und Blumenberg) damit ein weiterer amerikanischer Star hinzugekom-  Sonntag, 1. April 2018, 21.00 Uhr Il grande silenzio (Leichen pflastern seinen Weg) spätkapitalistischer kollektiver Korruption, die sich in | Italien 1968 | R: Sergio Corbucci | B: Sergio & Bru- einer rasanten Schlussbewegung zur apokalyptischen no Corbucci, Vittoriano Petrilli, Mario Amendola | K: Vision steigert und mit einer pathetischen, opernhaften Silvano Ippoliti | M: Ennio Morricone | D: Klaus Kinski, Schlussgebärde abbricht.« (Hans Peter Kochenrath) Jean-Louis Trintignant, Frank Wolff, Luigi Pistilli, Marisa  Dienstag, 3. April 2018, 21.00 Uhr Merlini | 105 min | engl. OF | »Der einsame Rächer ge- gen den blutrünstigen Killer – der Ablauf der Geschichte Se sei vivo spara (Töte Django) | Italien 1967 | scheint durch die Personenkonstellation determiniert. R: Giulio Questi | B: Franco Arcalli, Giulio Questi | K: Doch Corbucci entzieht sich den Regeln der herkömm- Franco Delli Colli | M: Ivan Vandor | D: Tomás Milián, lichen Dramaturgie. Lakonisch wird demonstriert, dass Marilù Tolo, Piero Lulli, Milo Quesada, Miguel Serrano, in einer Welt des Terrors allein der eine Chance hat da- Francisco Sanz | 117 min | OmU | »Questi addiert die vonzukommen, der sich nicht mehr um die Regeln spezifischen Muster, die das Genre abweichend vom schert. Seine kaltschnäuzige Authentizität weist den Hollywood-Western entwickelt hat, sinnvoll zu einer Film auch als Reflexion über aktuelle Zustände aus. Die makabren Anthologie, in der die gängigen Kinogräuel Erfahrungen von Vietnam sind unmittelbar in IL GRAN- mit dem Finger aufeinander zeigen. Dem herunterge- DE SILENZIO eingegangen, die Bilder evozieren biswei- kommenen Dorf irgendwo in der Wüste hat Questi auch len erschreckend präzis solche, die man von Vietnam noch jene negative Idyllik ausgetrieben, die es sonst kennt. Corbucci hat den perversen Reiz dieser Bilder ent- charakterisiert: In seinem Dorf malträtieren sich sogar deckt, verdichtet und filtert sie durch die Konventionen die Kinder, scheußliche, zahnlose Geschöpfe, die das des italienischen Trivialfilms.« (Hans C. Blumenberg) Schussgemetzel überleben – der Grabesfrieden, den  Montag, 2. April 2018, 21.00 Uhr Django mit dem Colt herstellt, ist trügerisch. Und das

Western & Revolution Western Motiv der Goldgier setzt hier nicht nur eine Handlung I giorni dell'ira (Der Tod ritt dienstags) | Italien 1967 in Gang, sondern zieht sich zentral durch den ganzen 30 | R: Tonino Valerii | B: Ernesto Gastaldi, Tonino Vale- Film. Zwar fehlen in Questis Film weder die Heroine rii, Renzo Genta, nach dem Roman von Rolf Becker | noch der Humor, aber das Mädchen, mit dem Django K: Enzo Serafin | M: Riz Ortolani | D: Giuliano Gemma, schläft, ist wahnsinnig, und der Humor ist vergiftet.« Lee Van Cleef, Walter Rilla, Yvonne Sanson, Christa (Uwe Nettelbeck) Linder, Lukas Ammann | 114 min | OmeU | »Tonino Va-  Mittwoch, 4. April 2018, 21.00 Uhr lerii knüpft ohne viel Erfolg an einen amerikanischen Standardtyp der amerikanischen Westernhandlung an: Faccia a faccia (Von Angesicht zu Angesicht) | Ita- Der alternde Pistolenheld Thelby befreit eine korrupte lien 1967 | R: Sergio Sollima | B: Sergio Donati, Sergio Stadt mit Hilfe des Nachwuchs-Pistoleros Scott von Sollima | K: Rafael Pachecho | M: Ennio Morricone | Verbrechern; der Junge erkennt, dass sein Lehrmeis- D: Gian Maria Volontè, Tomás Milián, William Berger, ter ein machtlüsterner Schurke ist, und besiegt ihn Jolanda Modio, Gianni Rizzo, Carole André | 111 min im Zweikampf. Präzise Schilderung eines Modellfalls | OmU | »Brad Fletcher, ein Lehrer aus Neuengland, FACCIA A FACCIA IL MERCENARIO

muss aus gesundheitlichen Gründen seinen Dienst größten Massenerschießungen der Filmgeschichte zu quittieren. In Texas, wohin er sich zur Kur begeben hat, zeigen.« (Klaus Bädekerl) gerät er in die Hand von Beau Bennet, einem anarchis-  Samstag, 7. April 2018, 21.00 Uhr tischen Desperado. Zunehmend zeigt sich Fletcher, der feinsinnige Intellektuelle und hüstelnde Ästhet, von der Il Mercenario (Mercenario – Der Gefürchtete) | Ita-

Gewalt und ihrer Ausübung fasziniert. Die Kombination lien 1968 | R: Sergio Corbucci | B: Luciano Vincenzo- & Revolution Western von überlegener Intelligenz und skrupelloser, von kei- ni, Sergio Spina, Adriano Bolzoni, Sergio Corbucci | K: ner Moral mehr gehemmter Machtanwendung, lässt Alejandro Ulloa | M: Ennio Morricone, | 31 ihn zum Faschisten werden, der aus einem Dorf von D: Franco Nero, Tony Musante, Jack Palance, Franco Anarchisten einen Zwangsstaat macht. Sollima erzählt Giacobini, Eduardo Fajardo, Franco Ressel | 106 min | seine Geschichte mit einem ausgeprägten Gespür für OmU | »IL MERCENARIO ist ein Film nicht so sehr über die Psychologie der Figuren und einer feinen Sensi- die Ursachen, als über die Bedingungen einer Revolu- bilität für die Schönheit der Landschaften. Nie drängt tion. Corbucci macht es sich nicht leicht. Im Gegen- sich das politische Stück lehrhaft in den Vordergrund.« satz zu allen vorherigen Filmen muss man den letzten (Hans Peter Kochenrath) geradezu geschwätzig nennen: so sehr dominiert der  Freitag, 6. April 2018, 21.00 Uhr Dialog, äußerst treffsicher, sarkastisch schillernd und von einer exorbitanten Süffisanz, die optisch zeitweilig Giù la testa (Todesmelodie) | Italien 1971 | R: Sergio unfassbar potenziert wird. Wer ist je auf den Einfall ge- Leone | B: Luciano Vincenzoni, Sergio Donati, Sergio kommen, das kapitalistische System an einem nackten Leone | K: Giuseppe Ruzzolini | M: Ennio Morricone | D: Frauenkörper zu erläutern? Corbucci überlagert Zirkus Rod Steiger, James Coburn, Romolo Valli, Maria Monti, und Revolution sicherlich nicht ohne tiefere Bedeutung; Rik Battaglia, Franco Graziosi | 157 min | engl. OmU bei allen blutigen ernsten Kämpfen zwischen Aufstän- | »Ein Revolutionsfilm mit James Coburn als Revolu- dischen und Feudalherren erklingt in Ennio Morricones tionär und Rod Steiger als Vater einer Banditensippe, ausgezeichnetem Soundtrack fröhlich-operettenhafte die von Coburn hereingelegt und so zum unfreiwilligen Mariachi-Musik.« (Horst Königstein) Volkshelden wird. In der Bank, die er berauben wollte,  Sonntag, 8. April 2018, 21.00 Uhr befanden sich nur politische Häftlinge. Und dann folgt die Bekehrung des Banditen zum Revolutionär, seine La chinoise (Die Chinesin) | Frankreich 1967 | R+B: Wandlung vom individuellen zum klassenbewussten Jean-Luc Godard | K: Raoul Coutard | D: Anne Wia- Widerstand, und das Maozitat, mit dem der Film be- zemsky, Jean-Pierre Léaud, Juliet Berto, Michel Seme- ginnt und das besagt, dass Revolution kein Deckensti- niako, Lex De Brujn | 96 min | OmeU | »LA CHINOISE cken ist, bekommt seine Illustration in Genrebildchen. spricht über China, die beiden Arten des Kommunis- Der Revolutionär und der Söldner, Theorie und Praxis. mus, über Vietnam, über die Revolution, über ein so- Ein teurer Italo-Western mit dem zweifelhaften Super- zialistisches Theater und das richtige Verstehen, über lativ, in zelebrierenden Kranfahrten die wahrscheinlich die Kommunen und die Kulturrevolution. Der Film be- WEEKEND schreibt die Kulturrevolution, indem er sie macht, in ei- schichte, unter dem die Zerstörung begann. Das kriti- nem Experiment, das durchaus auf der Höhe des Kom- sche Bewusstsein von seinen Mitteln verlässt Godard

Western & Revolution Western mune-Experiments seiner Figuren steht. Es herrscht nie.« (Enno Patalas) ein fließendes Gleichgewicht zwischen einer Theorie,  Samstag, 21. April 2018, 21.00 Uhr Mittwoch, 32 die die Methode bestimmt, und dem Ergebnis, das die 2. Mai 2018, 18.30 Uhr Theorie verändert. Gedanken werden in Entstehung ge- filmt. Godard nimmt Wörter als Ton und Materie, das One plus One (Eins plus eins) | Großbritannien 1968 kleine Mao-Buch als Verzeichnis von Sprüchen und | R+B: Jean-Luc Godard | K: Anthony B. Richmond | als roten Gegenstand. Er lässt seine Rotgardisten ihre Mit: Mick Jagger, Brian Jones, Keith Richards, Charlie Gedanken mit Kinderkriegsspielzeug und Streichfarben, Watts, Bill Wyman, Anne Wiazemsky, Iain Quarrier | 100 mit bemalten Sonnenbrillen und Masken ausführen.« min | OmU | »Godard nennt ONE PLUS ONE einen Film (Herbert Linder) über die Sprache, etwa über die Verschiedenheit der  Freitag, 20. April 2018, 21.00 Uhr  Mittwoch, schwarzen und der weißen Sprache; er will der Spra- 25. April 2018, 18.30 Uhr che der Black-Panther-Bewegung, der Sprache des Faschismus oder der Sprache der Beatmusik Gehör Weekend | Frankreich 1967 | R+B: Jean-Luc Godard verschaffen und auf sie aufmerksam machen. Wer die | K: Raoul Coutard | M: Antoine Duhamel | D: Mireil- Musik der Stones nicht mag, den werden die Szenen le Darc, Jean Yanne, Jean-Pierre Kalfon, Jean-Pierre mit ihnen schrecklich langweilen, weil sie so gar nichts Léaud, Juliet Berto, Anne Wiazemsky | 105 min | OmeU mit der üblichen keimfreien, bis zur Unkenntlichkeit ver- | Der Ausflug ins Wochenende, der zunächst in wüst gagten Art der Präsentation von Beat- und Popmusik ihre Aggressionen aushupende Autoschlangen führt, im Fernsehen zu tun haben. Hier wird nur die harte, landet mehr und mehr in einer entmenschten und ent- mühselige Entstehung der Musik gezeigt, nur der Ar- menschlichenden Trümmerlandschaft aus Autowracks, beitsprozess, nicht das Ergebnis. Auch Godard mag brennenden Fahrzeugen, Leichenfetzen und Charakte- seine fertigen Filme nicht, ihn interessiert nur die Arbeit ren mit Totalschaden. Am Ende steht der Kannibalis- an ihnen – die Stones, hat er gesagt, repräsentieren so mus. »Godards ›Film, auf dem Schrotthaufen gefunden‹ etwas wie den Künstler, wie ihn selbst.« (Wolf Donner) ist selber die zerfetzte Karosserie eines Wagens am  Freitag, 27. April 2018, 19.00 Uhr Rande der Autobahn, ein Trümmerstück der abendlän- dischen Kultur an Wege des Kapitalismus im Stadium Le vent d'est (Ostwind) | Frankreich 1969 | R: Jean- des Imperialismus. Die Trümmer wecken Wut und Lust: Luc Godard, Jean-Pierre Gorin | B: Sergio Bazzini, Da- Wut über das Begonnene, Lust, es zu vollenden. Die niel Cohn-Bendit, Jean-Luc Godard | K: Mario Vulpiani | Lust soll aber nicht blind sein wie das Gesetz der Ge- D: Gian Maria Volonté, Anne Wiazemsky, Cristiana Tul- lio-Altan, Allen Midgette, Glauber Rocha, Götz George | eigentliche Kommentar, in Form von acht Off-Stimmen 95 min | OmeU | »Mit dem Begriff ›Western‹ meint Go- und einiger spärlich platzierter Sätze des Autors selbst, dard nicht weniger als das gesamte realistische, nicht- illustriert, distanziert oder ironisiert die Ereignisse. Die revolutionäre Kino. Ihm setzt er mit dem konträren Titel Quintessenz: Die ›historische Wahrheit‹ ist fragwürdig, OSTWIND einen Antiwestern entgegen, seinen Ent- Geschichtsschreibung vergänglich, unser Erinnerungs- wurf eines fiktiven und revolutionären Kinos. Vorläufig vermögen relativ und unzuverlässig. Wahrhaft ist nur nimmt sich der allegorische Wildwest-Kampf der pro- der Blickwinkel des Augenblicks, der als solcher aus- letarischen mit den bürgerlichen oder revisionistischen gewiesen wird.« (Ursula Langmann) Kräften auf der grünen Wiese noch eher komisch aus,  Dienstag, 1. Mai 2018, 19.00 Uhr trotz des vielen Bluts, das da (als rote Farbe erkennbar) fließt und schüttet. Während seine Bilder noch stam- The Dreamers (Die Träumer) | Großbritannien 2003 meln, gibt es glücklicherweise die Wort-Sprache, in der | R: Bernardo Bertolucci | B: Gilbert Adair, nach sei- Godard sich weniger missverständlich mitteilt. Es liegt nem Roman | K: Fabio Cianchetti | D: Michael Pitt, Eva an der poetisch-sprachlich-essayistischen Leistung, Green, Louis Garrel, Anna Chancellor, Robin Renucci, wenn sein Cine-Traktat ernst zu nehmen ist.« (Egon Jean-Pierre Kalfon, Jean-Pierre Léaud | 115 min | OmU Netenjakob) | Drei junge Leute im Paris des Jahres 1968. »An-  Samstag, 28. April 2018, 21.00 Uhr ders als die meisten Filme über die 1968er sieht DIE TRÄUMER die Epoche nicht von einem tragischen oder Mai 68 | Frankreich 1974 | R+B: Gudie Lawaetz | K: trivialen Ende aus. Es ist nicht der Narziss Bertolucci, Jean Orjollet, Charlet Recors | M: Philippe Arthuys | der sich noch einmal in die süße Zeit vor der Revolu- 190 min | OmU | »Mit Auszügen aus Wochenschauen, tion träumt, es ist der erwachsene Künstler, der nach

aus Filmen ausländischer Fernsehanstalten, sogar aus dem Zusammenhang von Narzissmus, Kino und Revol- & Revolution Western Amateurfilmen und Streifen, die die Gewerkschaften te fragt. Und nicht bereut, mittendrin in der Groteske herausgebracht haben, und abgerundet durch später der tragischen Kinder gewesen zu sein. Was Bertolucci 33 abgegebene Stellungnahmen erzählt Gudie Lawaetz, definitiv nicht unternimmt, ist eine Untersuchung von englische Filmemacherin und Journalistin, vom Mai 1968 aus der Perspektive des politischen Sinns. Nach 1968 in Frankreich, insbesondere in Paris, von der Sor- den Regeln des Traums aber gibt diese Abfolge sehr bonne bis nach Billancourt und vom Elyséepalast bis viel mehr Sinn als nach den Regeln unseres gewohnten zum Odéon. Ein sehr wesentliches Merkmal des Films filmischen Behaviorismus.« (Georg Seeßlen) ist, dass das zusammengetragene Material sehr oft von  Sonntag, 22. April 2018, 21.00 Uhr Augenzeugen stammt, die keineswegs professionelle Presse- und Kameraleute sind. Die Unvollkommenheit Le redoutable (Der Gefürchtete) | Frankreich 2017 | dieser anonymen Dokumente wird vor allem durch ihre R+B: Michel Hazanavicius, nach der Autobiografie »Un unersetzliche Authentizität ausgeglichen. Das ist wirk- an après« von Anne Wiazemsky | K: Guillaume Schiff- lich Mai ’68, so wie man ihn nie vorher auf der Lein- man | D: Louis Garrel, Stacy Martin, Bérénice Bejo, wand gesehen hat.« (Le Monde) Micha Lescot, Grégory Gadebois, Romain Goupil, Félix  Dienstag, 24. April 2018, 19.00 Uhr Kysyl, Jean-Pierre Mocky, Michel Subor | 107 min | OmeU | 1967 heiratet Jean-Luc Godard seine zweite Le fond de l'air est rouge (Rot ist die blaue Luft) | Ehefrau Anne Wiazemsky, deren autobiografische Auf- Frankreich 1977/1993 | R+B: Chris Marker | K: Pier- zeichnungen die Grundlage für den Film bilden, stürzt re-William Glenn, Willy Kurant | M: Luciano Berio | 180 sich in die revolutionäre Agitation und schwört schließ- min | OmeU | »Drei Stunden lang wird der Zuschauer lich seinem eigenen Kino ab. »Provokativ und revoluti- konfrontiert mit den Befreiungsbewegungen der Sech- onär ist LE REDOUTABLE allenfalls darin, Godard nicht ziger und dem Vietnamkrieg, den Ereignissen des Mai zu verehren. Im Gegenteil: Hazanavicius macht sich ’68, dem Prager Frühling, der Guerilla in Lateinamerika unentwegt über den Regisseur lustig. Eine wirkliche bis zur Machtübernahme der Militärjunta in Chile und Auseinandersetzung mit dem Schaffen, die interes- den Demonstrationen zum 1. Mai in Frankreich. Die auf siert ihn nicht. Stattdessen ist die Adaption von Anne den ersten Blick oft zusammenhangslos erscheinende Wiazemskys Buch in erster Linie eine Komödie, die mit Montage von teilweise künstlich eingefärbten Bildern dem zeitlichen Kontext und den berühmten Namen ih- konfrontiert bewusst Gegensätzliches, nimmt aber zu- ren Spaß hat.« (Oliver Armknecht) gleich schon eine kommentierende Funktion ein. Der  Sonntag, 29. April 2018, 21.00 Uhr