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EMMANUEL TJEKNAVORIAN TONKÜNSTLER ORCHESTER NIKOLAI RIMSKI-KORSAKOW SCHEHERAZADE

ORCHESTER MICHAIL GLINKA (1804–1857) Gesamtlänge  63’51 Total length 1 Ouvertüre zur Oper «Ruslan und Ludmilla» Overture to the Opera «Ruslan and Lyudmila»  04’56 EMMANUEL TJEKNAVORIAN Dirigent | Conductor NIKOLAI RIMSKI-KORSAKOW (1844–1908) NIKOLAI RIMSKY-KORSAKOV KIRILL MAXIMOV «Scheherazade» Symphonische Suite für Orchester op. 35 Solovioline | Violin «Scheherazade» Symphonic Suite for Orchestra Op. 35

2 Das Meer und Sindbads Schiff I The Sea and Sinbad‘s Ship TONKÜNSTLER-ORCHESTER Largo e maestoso – Allegro non troppo  10’47 Tonkunstler Orchestra 3 Die Geschichte vom Prinzen Kalender I The Legend of the Kalendar Prince Lento – Andantino – Allegro molto  12’40 4 Der junge Prinz und die junge Prinzessin I The Young Prince and the Young Princess Andantino quasi allegretto – Pochissimo più mosso  10’59 5 Fest in Bagdad. Das Meer. Widmung  P 04 Das Schiff zerschellt an einer Klippe unter einem bronzenen Reiter Dedication  P 07 Festival at Baghdad. The Sea. Ship Breaks upon a Cliff Surmounted by a Bronze Horseman Werkbeschreibungen  P 08 Allegro molto – Vivo – Allegro non troppo maestoso  12’30 Descriptions of the Works  P 20

ALEXANDER BORODIN (1833–1887) Biografien  P 16 ALEKSANDR BORODIN Biographies  P 30

6 Polowetzer Tänze aus der Oper «Fürst Igor» Impressum | Imprint  P 35 Polovtsian Dances from the Opera «»  11’36

P 2 P 3 WIDMUNG

Es war das Jahr 2000. Fünf Jahre alt muss ich gewesen sein. Oft, die Sonne war noch nicht einmal aufgegangen, sprang ich aus dem Bett. So schnell wie möglich wollte ich an den Ort meiner Sehnsucht gelangen: meine Lieblingsecke in unserer Wohnung. Dort stand der Plattenspieler, dort stand das kleine Dirigierpodest, das mein Vater mir einmal mitgebracht hatte, Und dort lag die Platte, die ich von allen am liebsten mochte – die Aufnahme der «Scheherazade» mit meinem Vater und dem Symphony Orchestra von 1980. Rasch nahm ich die gewohnte Position ein und dirigierte so leidenschaftlich mit, bis ich mich komplett in der Musik aufgelöst zu haben glaubte. Hörte ich jemanden aufwachen, war alles verflogen, ließ ich die Hände sinken. Schien es mir zu viel Hingabe, habe ich mich geschämt für diese Gefühle?

Es ist das Jahr 2020. Nach ungezählten Auftritten mit dem Gesicht zum Zuschauerraum stehe ich nun mit dem Rücken zum Saal. Blicke in die Gesichter der Musikerinnen und Musiker. Gebe in die Stille hinein den ersten Einsatz, den ich so gut kenne. Und spüre, dass es sich noch immer so anfühlt wie damals, in meiner Lieblingsecke, vor dem Plattenspieler, in diesem Moment, bevor jemand wach wurde. Dann heben wir ab. Alle.

Für alle, die daran glauben, dass Träume wahr werden können.

Emmanuel Tjeknavorian

P 4 DEDICATION

It was the year 2000, and I must have been five years old. I would jump out of bed before dawn, heart pounding, without any time to waste in reaching my desire: there, in the most sacred corner of our flat was the record player, and next to it the little conductor’s podium my father had brought home for me. And there, too, was the record I loved more than any other: «Scheherazade», recorded by my father with the London Symphony Orchestra in 1980. I quickly took up my usual position on the podium and passionately conducted along with the recording until I felt myself completely at one with the music. If anyone woke up the rapture disappeared. My hands would fall to my sides. Did I think I might seem too devoted? Was I embarrassed by my feelings?

It is the year 2020. After countless performances facing the audience I’m standing now with my back to the hall. I gaze intently at the faces of the musicians. Amidst the silence I give my first cue, which I know so well. It still feels as it did in my favorite corner, in front of the record player, in that moment before anyone else was awake. And then, all together, we take off.

I dedicate this to all who believe that dreams come true.

Emmanuel Tjeknavorian

P 7 — EN MICHAIL GLINKA von ihnen, die sich selbst «Novatoren» nannten, aber bald ironisch als «Mächtiges Häuflein» Ouvertüre zur Oper «Ruslan und Ludmilla» bezeichnet wurden, war professioneller Musiker: Mili Balakirew, das intellektuelle Zentrum der Gruppe. Die anderen, der Marinekadett Nikolai Rimski-Korsakow, der Arzt und Chemi - NIKOLAI RIMSKI-KORSAKOW ker , der Militäringenieur César Cui und der Beamte Modest Mussorgski, «Scheherazade» Symphonische Suite für Orchester op. 35 pfiffen vorerst auf eine einschlägige Ausbildung – denn sie wollten die russische ALEXANDER BORODIN Musik aus bewusst dilettantischer, dafür genuin nationaler Position aus erneuern. Ihre Werke Polowetzer Tänze aus der Oper «Fürst Igor» sollten nicht mehr westeuropäischen akademischen Regeln gehorchen, sondern auf der Basis russischer Volksmusik zu neuem Ausdruck finden. In einem Treppenwitz der Musikgeschichte mussten diese gleichsam ungebändigten Genies von eigenen Gnaden schließlich erkennen, «Alle neuen Petersburger Komponisten sind sehr begabt, aber sie zeichnen sich durch eine furcht- dass Meister nicht vom Himmel zu fallen pflegen und jeder Komponist gut beraten ist, sein bare Überheblichkeit aus und glauben auf ganz dilettantische Art, sie wären der übrigen Musikwelt Handwerk möglichst gründlich zu beherrschen. Dass ausgerechnet Rimski-Korsakow 1871 überlegen», schrieb Pjotr Iljitsch Tschaikowski einmal in sanfter Empörung an seine Mäzenin eine Professur am Petersburger Konservatorium annahm und dort zu einer Art Gralshüter von und Freundin Nadeschda von Meck. Ab den späten 1850er-Jahren, gerade zu Beginn von Tradition und Technik wurde, zeigt die Kurzlebigkeit der Einflusssphäre der «Novatoren», die Tschaikowskis Studienzeit, hatten sich im russischen Musikleben ästhetische Parteien gebil - gleichwohl maßgeblich zur russischen Musik beigetragen haben. Zwei von ihnen sind mit det, die wie so oft auch hier nationalpolitische Themen der Zeit widerspiegelten. Auf der berühmten Werken auf dieser CD vertreten, Borodin und Rimski-Korsakow. Der dritte im Bun - einen Seite standen prägende Gestalten wie etwa die Brüder Anton und Nikolaj Rubinstein, de ist der Ahnherr dieser nationalen russischen Schule: der 1857 verstorbene Michail Glinka. die mit der Gründung der Russischen Musikgesellschaft (1859) sowie der Konservatorien in St. Petersburg (1862) und Moskau (1866) das Musikleben des Zarenreichs auf internationalen Ein Prunkstück vom «Vater der russischen Musik» Rang zu heben wussten – modelliert nach westlichem Vorbild; zu ihnen sollte schließlich auch Tschaikowski gerechnet werden. Auf der anderen Seite aber formierte sich in St. Peters- Die «Novatoren» waren die ersten, die Michail Glinka in der Rückschau als den «Vater der burg auch eine Gruppe dissidenter Komponisten, deren Mitglieder sogar stolz darauf waren, russischen Musik» feierten, so wie sie diese verstanden wissen wollten – und sie sollten damit weitgehend aus anderen Disziplinen zu stammen: Einer ist ein kleiner Beamter im Verkehrs- die weitere Rezeptionsgeschichte prägen. Dabei hat Glinka erst aufgrund seiner auf mehreren und später im Landwirtschaftsministerium, ein anderer ist Marineleutnant in spe, ein dritter Auslandsreisen erworbenen, von der westeuropäischen Operntradition geprägten Bildung es unterrichtet Befestigungswesen an der Militärischen ingenieurtechnischen Universität, und verstanden, genuin russische Elemente nicht mehr bloß als exotische Zutaten zu verwenden, ein vierter bekleidet schon in jungen Jahren einen Lehrstuhl für organische Chemie. Nur einer sondern zur Grundlage großer Werke zu machen. Sein 1836 in St. Petersburg uraufgeführter

P 8 P 9 Märchenhafte Klänge, Abenteuer in Tönen

Opernerstling «Ein Leben für den Zaren» war die erste russische Oper, die ohne gesprochene «Der Sultan Schahriar, überzeugt von der Falschheit und Untreue der Frauen, hatte geschworen, Dialoge auskam und aus der Sicht des Volkes ein historisch basiertes, patriotisches Sujet auf jede seiner Frauen nach der ersten Nacht töten zu lassen. Aber die Sultanin Scheherazade rettete die Bühne brachte. Und trotz der langwierigen und von Verwerfungen geprägten Entstehungs - ihr Leben, indem sie sein Interesse fesselte durch die Märchen, die sie ihm währen 1001 Nächten geschichte, aus der sein Folgewerk hervorgehen sollte, «Ruslan und Ludmilla» nach einem erzählte. Unter dem Eindruck der Spannung schob der Sultan von Tag zu Tag die Vollstreckung des Poem Alexander Puschkins, uraufgeführt 1842 in St. Petersburg, konnte gerade diese Oper Todesurteils an seiner Frau auf, und endlich ließ er den grausamen Beschluß völlig fallen. Sehr modellhaft wirken: durch die Verbindung von nationalhistorischem Drama mit Märchenele - viele Wunder wurden dem Sultan Schahriar von der Sultanin Scheherazade erzählt. Für ihre menten, aber auch rein musikalisch durch den überlegten Einsatz von Leitmotivtechnik, Ganz - Erzählungen entlehnte die Sultanin den Dichtern die Verse, den Volksliedern die Worte, und sie tonleiter, Fünfvierteltakt sowie Orientalismen aus kaukasischer Volksmusik. Begonnen schob dieselben ineinander ein.» So lakonisch lautet das Vorwort der Partitur der 1888 ent - hatte Glinka bei der Komposition mit den großen Arien, das eigentliche Eröffnungsstück kam standenen symphonischen Suite «Scheherazade» aus der Feder von Nikolai Rimski-Korsakow. erst ganz am Schluss an die Reihe, zumal er darin auch auf Material zurückgreifen bzw. sie Zumindest außerhalb Russlands ist es sein wohl beliebtestes Werk geworden, in dem er seine aus Sicht des Publikums vorwegnehmen wollte: «Ich schrieb die Ouvertüre direkt für das außerordentliche Begabung für farbenprächtig-subtile Instrumentierung ebenso zu höchster Orchester, oft während der Proben im Zimmer des Regisseurs.» Sie wurde zu einem der popu- Blüte führte wie seine kunstvolle Fortspinnungstechnik. Nicht umsonst wird Rimski-Korsakow lärsten Stücke Glinkas, wenn nicht der russischen Musik überhaupt – und macht in kaum fünf gerne als der professionellste unter den Komponisten des «Mächtigen Häufleins» bezeichnet. Minuten klar, dass die Geschichte gut ausgehen wird. Gedrängt und mit einfachen Kunstgrif - Heute betrachten wir kritisch, dass er etliche unfertig gebliebene Werke der einstigen Mit - fen versehen, ist die Ouvertüre schlicht aufgebaut: Aus dem festlichen Presto-Schwung des streiter in eigenen, glänzend-glättenden Bearbeitungen veröffentlicht hat – obwohl etwa seine D-Dur-Hauptthemas leitet Glinka rasch in das zweite, lyrische F-Dur-Thema von Bratschen, Versionen der Opern Mussorgskys entscheidend zu deren Durchsetzung beigetragen und Celli und Fagotten über. Die dramatischen Wendungen der Geschichte zeichnen sich im Mit - längst wieder die Neugier auf deren Originalfassungen geweckt haben. Bei der Fertigstel- telteil der Ouvertüre ab. Die Reprise bringt das zweite Thema in D-Dur – Glinka kannte die lung der Oper «Fürst Igor», die Alexander Borodin bei seinem Tod 1887 unvollendet hinterlas - Regeln der «westlichen» Sonatensatzform genau – und streift den Mittelteil nur mehr leicht. sen hatte, fühlte sich der Märchenliebhaber Rimski-Korsakow durch die darin enthaltenen Der triumphale Schluss besteht aus einer letzten Bekräftigung des Hauptthemas, dessen Orientalismen angeregt, ein Stück «über das ‹Scheherazade›-Sujet aus ‹Tausendundeiner Nacht› Bedeutung erst am Ende der Oper aufgelöst wird, wenn es als Finalchor erklingt: «Es leben zu schreiben». Auch wenn damit ein literarischer Anstoß gegeben war, empfand der Kompo - unsere großen Götter! Es lebe unser Vaterland! Es leben Ruslan und seine Prinzessin!» nist selbst das Werk durchaus nicht in erster Linie als reine Programmmusik, wie er in seiner «Chronik meines musikalischen Lebens» detailliert ausführt – und dabei auch einen Leitfaden

P 10 P 11 durch die Komposition selbst gibt: «Das Programm, von dem ich mich bei der Komposition […] einerseits durch gemeinsame Themen und Motive innerlich geschlossen ist und andererseits leiten ließ, waren einzelne, nicht untereinander verbundene Episoden und Bilder aus ‹Tausendund- gleichsam eine kaleidoskopartige Folge von Märchenbildern orientalischen Gepräges bietet.» einer Nacht›, verteilt über alle vier Sätze der Suite: das Meer und Sindbads Schiff, die phantastische Ob das Ganze nun als veritable Programmmusik zu verstehen sei, das Orchester also ganz Erzählung des Prinzen Kalender, der Prinz und die Prinzessin, das Fest in Bagdad, das an dem konkrete Inhalte in logischer Folge schildern würde, ob die Klänge auf einer abstrakteren Felsen mit dem ehernen Reiter zerschellende Schiff. Der Verbindung dieser Bilder dienen die Intro- Ebene eher Stimmungen und Zustände einfingen, die mit der Märchenatmosphäre in Verbin- duktion zum ersten, zweiten und vierten Satz und das Intermezzo des dritten Satzes – vier kurze dung stünden, oder ob das Werk als möglichst unabhängig von allen Handlungselementen Abschnitte für Violine solo, die der Sultanin Scheherazade zugeordnet sind und gleichsam darstel- gehört werden solle, auf diese heikle Frage also wusste Rimski-Korsakow selbst nicht sofort len sollen, wie sie dem grimmen Sultan ihre wundersamen Märchen erzählt. Die Passage der eine befriedigende Antwort. Seine Idee, den einzelnen Sätzen neutrale Bezeichnungen voran- Solovioline am Schluss des vierten Satzes hat die gleiche Funktion. Leitmotive, die durchgehend zustellen und sie schlicht «Prélude», «Ballade», «Adagio» und «Finale» zu nennen, stieß bei stets mit ein und denselben poetischen Ideen verbunden sind, wird man in meiner Suite vergeblich seinem Schüler und Kollegen Anatolij Ljadow ebenso auf Ablehnung wie bei anderen Freunden. suchen. Die vermeintlichen Leitmotive sind vielmehr nichts anderes als rein musikalisches Material In einer Art Kompromiss entschied er sich daraufhin für programmatische Überschriften: «Das oder Motive zur sinfonischen Verarbeitung. Diese Motive ziehen sich – nacheinander oder miteinan- Meer und Sindbads Schiff», «Die Geschichte vom Prinzen Kalender», «Der junge Prinz und die der verflochten – durch alle vier Sätze, und zwar in der Weise, dass sie bei jedem Auftreten andere junge Prinzessin» sowie «Feier in Bagdad. Das Meer. Das Schiff zerschellt an einer Klippe Momente und Stimmungen ausdrücken und jedes Mal anderen Vorstellungen, Ereignissen und unter einem bronzenen Reiter». Diese Titel ermuntern das Publikum eher, die hierzulande Bildern entsprechen. So erklingt das markante Fanfarenmotiv (Posaune und gestopfte Trompete) weitgehend unbekannten Geschichten nachzuschlagen, als dass sie von vornherein preisgeben einmal in der Erzählung des Prinzen Kalender im zweiten Satz, dann aber auch im vierten bei der würden, was musikalisch zu erwarten sei. Dennoch tilgte Rimski-Korsakow bei einer Neu- Schilderung des Schiffsunterganges, obwohl diese Episode mit der Erzählung Kalenders überhaupt ausgabe der «Scheherazade» auch diese «verführerischen programmatischen Satzbezeichnun- nichts zu tun hat. Das Hauptthema der Erzählung Kalenders (h-Moll, Dreivierteltakt) und das The- gen», um auszuschließen, «dass die Hörer nach einem allzu konkreten Programm suchten … Mit ma der Prinzessin im dritten Satz (B-Dur, Sechsachteltakt, Klarinette) erscheinen – etwas verän- diesen programmatischen Andeutungen wollte ich nur die Phantasie des Hörers behutsam in eine dert und in schnellerem Tempo – als Seitenthemen bei der Schilderung des Festes in Bagdad, bestimmte Richtung lenken, während die Ausmalung der Details dem Vorstellungsvermögen jedes obwohl in ‹Tausendundeiner Nacht› kein Wort über die Teilnahme Kalenders und der Prinzessin an einzelnen Hörers überlassen bleiben sollte. Ich wollte lediglich dem Hörer, dem meine Suite als diesem Fest gesagt ist. Die Unisono-Phrase zu Beginn der Suite, die den grausamen Sultan sinfonische Musik gefällt, zu verstehen geben, dass hier allerlei orientalische Märchengeschichten Schahriar charakterisieren soll, kehrt im musikalischen Material der Erzählung Kalenders wieder, erzählt werden und es sich eben nicht bloß um vier aufeinanderfolgende Sätze mit gleichen musi- in der die Person des Sultans überhaupt nicht vorkommt. Auf der Grundlage der völlig freien Be- kalischen Themen handelt.» Den Generaltitel «Scheherazade» aber hat Rimski-Korsakow nie handlung des musikalischen Materials wollte ich eine viersätzige Orchestersuite schaffen, die in Zweifel gezogen: Er rückt die Erzählerin ins Zentrum und ihre verführerische Stimme, süß,

P 12 P 13 fesselnd und klug, wie sie die Solovioline verkörpert und ohne die kein orientalisches Märchen In gewisser Weise spiegelt das auch die eher episodische als dramatisch zielstrebige Anlage lebendig werden kann – ob nun in Worten oder Tönen. des Werks wider: Borodin wollte nach eigener Aussage eine «epische russische Oper» schaffen, die bewusst mehr ein Kaleidoskop von Schauplätzen, Stimmungen und Konfrontationen dar- Rhythmisch-melodische Eruptionen stellt als eine zentrale Handlung mit Konflikt und Lösung. Doch nicht nur die äußerliche Breite, sondern auch die Nähe zu verschiedenen folkloristischen Farben lässt erkennen, dass Borodin Alexander Borodin ist heute nur mehr mit einer halben Handvoll seiner Kompositionen im an das Vorbild von Glinkas «Ruslan und Ludmilla» anschließen wollte. Die besonders als sepa- Musikleben präsent. Dazu gehören die Oper «Fürst Igor» mit den «Polowetzer Tänzen», die rate, brillante Orchesternummer mit oder ohne Chor berühmt gewordenen «Polowetzer Tänze» zweite Symphonie sowie auch die symphonische Dichtung «Eine Steppenskizze aus Mittel- zeigen das durch den ausdrücklich orientalisch gefärbten Tonfall, mit dem Borodin das asiati- asien». Borodin, 1833 geboren, war allerdings in erster Linie nur «Nebenerwerbskomponist». sche Volk von der sewerischen Sphäre abhebt. Nach einer kurzen, von den Holzbläsern In St. Petersburg aufgewachsen, erlernte der begabte uneheliche Spross eines georgischen dominierten Einleitung stimmt zunächst die Oboe als ersten Tanz (Andantino) eine träumeri- Fürsten fünf Sprachen, Klavier, Flöte und Cello. Mit 17 Jahren trat er in die Militärakademie für sche Melodie an, die sich über Harfenarpeggi und sanften Synkopen erstreckt – kein Wunder Medizin und Chirurgie in St. Petersburg ein. 1858 promovierte er zum Doktor der Medizin, eigentlich, dass sich auch der Schlager dieses Ohrwurms bemächtigt hat, wie ja überhaupt der übernahm 1862 eine Professur für organische Chemie in St. Petersburg und widmete sich dort komplette «Fürst Igor» 1953 zum Musical «Kismet» ausgeschlachtet wurde. Das Tempo seinen Studien. Auf so musikfremden Gebieten wie der Polymerisation und Kondensation der beschleunigt sich im zweiten Tanz zum Allegro vivo, die Synkopen werden drängender und die Aldehyde sowie seiner Entdeckung der Aldol-Addition im Jahre 1872 machte sich Borodin in Klarinette stößt mit einem flirrenden Thema die erste orchestrale Steigerung los. Ein drama- wissenschaftlichen Kreisen einen klingenden Namen. Weit klangvoller noch sollte ihn aber tisch hämmerndes Crescendo der Pauken entfesselt daraufhin den dritten Tanz, ein rhythmisch sein schmales Œuvre in die Annalen der Musikgeschichte eingehen lassen: 1876 war seine elektrisierendes Allegro im Dreivierteltakt, dessen Hauptmotiv sich über stampfenden Bass- zweite Symphonie vollendet, 1890, über drei Jahre nach Borodins Herztod, wurde der Fragment tönen in die Höhe schraubt, um dann chromatisch abzusinken. Die nahezu ständige Betonung gebliebene «Fürst Igor» in der Ergänzung durch Rimski-Korsakow und Alexander Glasunow des zweiten Taktteils setzt dabei rituelle Kräfte frei, die sich im vierten Tanz in einem Presto im uraufgeführt – ein eminenter Meilenstein der russischen Musikgeschichte. Die Handlung geht Sechsachteltakt entladen: Borodin heizt einen musikalischen Hexenkessel an, in dessen Bro- auf das mittelalterliche Igorlied zurück, ein Epos über den Feldzug des Fürsten Igor deln auch die Themen der ersten beiden Tänze wieder vernehmbar werden, bevor die Coda dem Swjatoslawitsch von Sewerien –heute etwa Nordukraine und Südwestrussland – gegen das ekstatischen Treiben im Polowetzer Feldlager ein rauschendes Ende setzt. Walter Weidringer östliche Nomadenvolk der Polowzer (Polowetzer, auch Kumanen oder Kiptschaken) im Jahr Der Autor studierte in Wien Musikwissenschaft, Philosophie, Theaterwissenschaft und Geschichte. Er unterrichtete am Institut 1185. Igor scheitert und gerät in Gefangenschaft, kann sich aber befreien. Das grundlegende für Musikwissenschaft der Universität Wien, ist seit 1999 Musikkritiker der Tageszeitung «Die Presse», hält Einführungsvorträge, Thema der Dichtung ist die Klage über das Fehlen eines gesamtrussischen Reiches. gestaltet Radiosendungen und ist als freier Musikpublizist und Konzertdramaturg tätig.

P 14 P 15 E T M J EMMANUEL TJEKNAVORIAN M E Dirigent A K

Emmanuel Tjeknavorian gehört zu den großen Künstlerpersönlichkeiten seiner Generation. Der N N Musikgemeinschaft ist er schon lange als Violinist bekannt; seit 2018 begeistert er auch als Dirigent U A Publikum und Kritik mit seinem Tiefgang und seiner Vielseitigkeit. So debütiert er in der Saison E V 20–21 als Dirigent nicht nur beim Tonkünstler-Orchester, sondern auch beim Wiener Concert- L O Verein, bei der Camerata Salzburg und beim Sinfonieorchester Basel. Nachdem er bereits seit 2014 R bei seinem Vater, dem Komponisten und Dirigenten Loris Tjeknavorian, Dirigierunterricht nahm, und Meisterkurse in England und Italien besuchte, wird Tjeknavorian künftig seinen Fokus vermehrt auf I das Dirigieren legen. Emmanuel Tjeknavorian wurde 1995 in Wien geboren, erhielt ab dem Alter A von fünf Jahren Geigenunterricht und trat als Siebenjähriger erstmals öffentlich mit Orchester auf. N Als Solist gastiert Tjeknavorian 20–21 unter anderem im Concertgebouw Amsterdam beim Neder- lands Philharmonisch Orkest, beim Royal Stockholm Philharmonic Orchestra und beim Gewandhaus- orchester Leipzig. Als jüngster «Artist in Residence» in der Geschichte des Wiener Musikvereins gestaltete Tjeknavorian in der Saison 19–20 einen eigenen Zyklus. Zudem kehrte er als «Junger Wilder» ins Konzerthaus zurück und feierte sein Debüt als Dirigent im Wiener Konzert- haus mit dem Wiener Kammerorchester. Als «Rising Star» der European Concert Hall Organisation, als «Great Talent» des Wiener Konzerthauses sowie als Stipendiat der Orpheum Stiftung zur Förderung junger Solisten trat er in vergangenen Jahren in den renommiertesten Konzertstätten Europas auf. Regelmäßig konzertiert Emmanuel Tjeknavorian mit den großen Ensembles und Orchestern, darunter das Mahler Chamber Orchestra, das London Symphony Orchestra, das Tonhalle-Orchester Zürich und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin. Bei internationalen Klassikfestivals ist er ein gern gesehener Gast, etwa beim George Enescu Festival in Bukarest, Grafenegg Festival, Rheingau Musik Festival und bei den Festspielen Mecklenburg-Vorpommern.

P 16 P 17 TONKÜNSTLER-ORCHESTER

Das Tonkünstler-Orchester ist mit seinen drei Residenzen im Musikverein Wien, im Festspiel- Hugh Wolff, Jun Märkl, Michael Schønwandt, Dmitrij Kitajenko, Krzysztof Urban´ski und John haus St. Pölten und in Grafenegg einer der größten und wichtigsten musikalischen Botschafter Storgårds verbindet das Orchester eine teils langjährige und freundschaftliche Zusammenarbeit. Österreichs. Den Kernbereich der künstlerischen Arbeit bildet das traditionelle Orchesterreper- Zu seinen solistischen Partnerinnen und Partnern zählen neben vielen anderen Joyce DiDonato, toire von der Klassik über die Romantik bis zur Musik des 20. Jahrhunderts. Chefdirigent ist seit Alban Gerhardt, Sol Gabetta, Michael Schade und Cameron Carpenter sowie die Pianisten Rudolf der Saison 15–16 Yutaka Sado. Alternative Programmwege der Tonkünstler werden von Musi- Buchbinder, Fazıl Say, Lars Vogt und Lang Lang. Auch die Violinvirtuosinnen und -virtuosen zierenden, Publikum und Presse gleichermaßen geschätzt. Die Einbeziehung von Genres wie Augustin Hadelich, Christian Tetzlaff, Daishin Kashimoto und Arabella Steinbacher sowie der Jazz und Weltmusik im Rahmen der «Plugged-In»-Reihe sichert dem Orchester seit weit mehr Oboist Albrecht Mayer und die Klarinettistin Sabine Meyer traten mit den Tonkünstlern auf. als zehn Jahren einen fixen Platz am Puls der Zeit. Mit Aufführungen zeitgenössischer Komposi- Tourneen führten die Tonkünstler in den vergangenen Jahren nach Großbritannien, Deutschland, tionen stellen sich die Tonkünstler dem aktuellen Musikgeschehen. Ein Composer in Residence, Spanien, Slowenien, Tschechien, ins Baltikum und wiederholt nach . Zahlreiche CD-Auf- darunter Brett Dean, HK Gruber, Krzysztof Penderecki, Jörg Widmann und Konstantía Gourzí, nahmen spiegeln das künstlerische Profil des Orchesters wider. Im 2016 gegründeten Tonkünstler- arbeitet mit den Tonkünstlern jährlich beim Grafenegg Festival zusammen. Komponisten wie Eigenlabel erscheinen pro Jahr bis zu vier CDs und Filmaufnahmen als Eigenproduktionen und Arvo Pärt, Kurt Schwertsik, Bernd Richard Deutsch und Friedrich Cerha schrieben Auftrags- als Live-Mitschnitte vor allem aus dem Wiener Musikverein. tonkuenstler.at werke für das Orchester. Eine mehr als 70-jährige Tradition verbindet die Tonkünstler mit den Sonntagnachmittags-Konzerten im Wiener Musikverein. Das Festspielhaus St. Pölten wurde 1997 von den Tonkünstlern eröffnet. Seither gestalten sie als Residenzorchester mit Opern-, Tanz- und Vermittlungsprojekten und umfangreichen Konzertangeboten einen entscheidenden Anteil des künstlerischen Gesamtrepertoires in der niederösterreichischen Landeshauptstadt. In Grafenegg, wo mit dem Wolkenturm und dem Auditorium akustisch herausragende Spielstätten zur Verfügung stehen, konzertieren die Tonkünstler als Residenzorchester. Bedeutende Musi- kerpersönlichkeiten wie , Heinz Wallberg, , Kristjan Järvi und Andrés Orozco-Estrada waren Chefdirigenten der Tonkünstler. Mit angesehenen Orchesterleitern wie

P 18 P 19 MIKHAIL GLINKA Overture to the Opera «Ruslan and Lyudmila» and were later dubbed the «Mighty Handful», was a professional musician: Mili Balakirev, the NIKOLAI RIMSKY-KORSAKOV intellectual core of the group. The others, the naval cadet Nikolai Rimsky-Korsakov, the «Scheherazade» Symphonic Suite for Orchestra Op. 35 doctor and chemist Alexander Borodin, the military engineer César Cui and the civil servant ALEKSANDR BORODIN Modest Mussorgsky, initially rejected any musical training – because they wanted to renew Polovtsian Dances from the Opera «Prince Igor» Russian music from a deliberately amateur stance rooted in authentic national identity. They wanted their works no longer to obey western European academic rules but to find new ex - pression on the basis of Russian folk music. It is a noted irony that these rebelliously brilliant «All new Petersburg composers are very gifted but they are characterised by a dreadful arrogance men would themselves eventually realise that genius doesn’t tend to fall from the sky and that and believe in the most dilettante way they are superior to the rest of the musical world», wrote every composer would be well advised to learn their craft as rigorously as possible. The fact Pyotr Ilyich Tchaikovsky in restrained indignation to his patron and friend Nadezhda von Meck. that Rimsky-Korsakov, of all people, accepted a professorship at the Petersburg Conservatory Beginning in the 1850s, when Tchaikovsky was starting his studies, musical factions had been in 1871 and became a kind of guardian of tradition and technique there demonstrates just how forming within Russian musical life. As so often, they reflected the national and political short-lived the «Novators’» influence remained, even though the group made a major contri - themes of the time. On one side were leading figures such as the brothers Anton and bution to Russian music. Two of the group, Borodin and Rimsky-Korsakov, are represented on Nikolai Rubinstein, who managed to elevate the musical life of czarist to international this CD with famous works. The third in the brotherhood was the progenitor of this Russian level by founding the Russian Music Society (1859) and the conservatories in Saint Petersburg national school: Mikhail Glinka, who died in 1857. (1862) and Moscow (1866) – basing them on Western models. Tchaikovsky would eventually be seen as part of this movement. On the other side, however, a group of dissident composers was forming in Saint Petersburg, with members who for the most part came from other disci - A masterwork by the «father of Russian music» plines and were proud of it. One was a junior civil servant in the Ministry of Transport and later the Ministry of Agriculture, another was an aspiring naval officer, a third taught fortification The «Novators» were the first to celebrate Mikhail Glinka in retrospect as the «father of technique at the Military Engineering University and a fourth was a remarkably young profes - Russian music» – as they saw him – and they would go on to anchor this verdict in musical sor of organic chemistry. Only one of these men, who initially called themselves «Novators» historiography. And yet it was only after a training dominated by the western European opera

P 20 — EN P 21 — EN Fabulous sounds, adventures in notes tradition and involving many journeys abroad that Glinka had understood how to use genuinely «The Sultan Shahriar, convinced of the duplicity and infidelity of all women, vowed to slay each of Russian elements in his music, not just as exotic additions but as the basis of major works. his wives after the first night. The Sultana Scheherazade, however, saved her life by recounting to His first opera, premiered in 1836 in Saint Petersburg, «A Life for the Tsar», was the first the Sultan a succession of tales over a period of one thousand and one nights. Overcome by curios- Russian opera to eschew spoken dialogue and to stage a historically based, patriotic subject ity, the monarch postponed the execution of his wife from day to day, and ended by renouncing his from the perspective of the people. His next work, «Ruslan and Lyudmila», based on a poem sanguinary resolution altogether. Many were the marvels recounted to Shahriar by Scheherazade. by Pushkin and premiered in 1842 in Saint Petersburg, would in particular serve as a model, For the telling of these things she drew from the verses of the poets and the words of folk songs despite its long and turbulent journey from inception to completion. Its combination of nation - and tales, connecting her stories one with the other.» That was the laconic foreword to the al-historical drama with fairy-tale elements would prove influential, as, from a purely musical score of the symphonic suite «Scheherazade», penned by Nikolai Rimsky-Korsakov in 1888. It perspective, would its considered use of leitmotiv technique, whole-tone scales, five-four time has remained probably his most popular work, outside Russia at least, one in which he ele - and orientalisms from Caucasian music. Glinka had begun by composing the big arias. The vates his exceptional gifts to their peak: both in his colourful yet subtle instrumentation and in actual opening piece was in fact written last, particularly because he wanted to draw on previ - his threading together of narrative strands, with the oft-repeated themes constantly branching ous material (or, from the audience’s perspective, to anticipate future material): «I wrote the off in new directions. Rimsky-Korsakov’s reputation as the most professional of the «Mighty overture directly for the orchestra, often during the rehearsals in the conductor’s room.» It would Handful» composers was a well-earned one. Today we tend to be critical of his reworkings of become one of the most popular pieces in Glinka’s oeuvre, if not in the whole of Russian music countless unfinished pieces by his former comrades-in-arm in which he lends them his own – and made it clear in five minutes that the story would end well. Concise and constructed sleek and polished style. Nevertheless, such revisions as his versions of Mussorgsky’s operas around simple techniques, the overture has a straightforward structure: From the festive made a decisive contribution to their place in the canon and have long prompted curiosity presto sway of the D-major main theme, Glinka rapidly transitions into the second, lyrical about their original versions. Rimsky-Korsakov was already a lover of folk tales at the time F-major theme in the violas, cellos and bassoons. The dramatic turns of the plot appear in the he was completing the opera «Prince Igor», which Alexander Borodin had left unfinished on middle part of the overture. The reprise brings the second theme in D major – Glinka knew the his death in 1887. That work’s orientalisms prompted him «to write a piece about the rules of «Western» sonata movement form precisely – and only fleetingly brushes up against ‘Scheherazade’ subject from ‘Thousand and One Nights’». Even if this was a literary kind of the middle part. The triumphal conclusion consists of a last reinforcement of the main theme, inspiration, the composer himself saw the work as more than purely programmatic music, as whose meaning is only resolved at the end of the opera when, as a final chorus, the words ring he wrote in detail in his autobiography «My Musical Life» after some 18 years had passed – out: «Long live our great gods! Long live our motherland! Long live Ruslan and his princess!» which also serves as an outstanding guide through the composition itself.

P 22 — EN P 23 — EN «The programme that I let guide me in the composition [...] comprised individual, unconnected the whole thing be understood as programmatic music in the fullest sense, that is, with the episodes and images from ‘Thousand and One Nights’, scattered through all four movements of orchestra describing actual narrative content in a logical sequence? Or are the sounds intend - the suite: The Sea and Sinbad’s Ship, the fantastic tale of the Kalender Prince, The Young Prince ed to convey moods and scenarios on a more abstract level in the context of a folk-tale atmos - and The Young Princess, the Festival at Baghdad, The Ship Breaking against a Cliff Surmounted by phere? Or, indeed, should the work be heard as virtually independent of any plot elements at a Bronze Horseman. The linking of these pictures serves as an introduction to the first, second and all? To such tricky questions Rimsky-Korsakov himself offers no immediately satisfactory an - fourth movements and the intermezzo of the third movement – four brief sections for solo violin swer. His initial idea of appending each movement a neutral label, such as «Prélude», that are allocated to the Sultana Scheherazade and are intended to represent her telling of the «Ballade», «Adagio» or «Finale», was rejected by his student and colleague Anatoly Lyadov as wondrous tales to the grim sultan. The passage for the solo violin at the end of the fourth move- well as by other friends. In a kind of compromise, he then decided for programmatic headings, ment has the same function. You will search in vain in my suite for leitmotifs that are consistently but without giving any more details in the score: «The Sea and Sinbad’s Ship», «The Kalender associated with a single poetic idea. What seem like leitmotivs are in fact nothing but purely musi- Prince», «The Young Prince and the Young Princess» and «Festival at Baghdad. The Sea. The cal material or motifs for symphonic treatment. These motifs proceed – in sequence or interwoven Ship Breaks against a Cliff Surmounted by a Bronze Horseman». Western audiences are gen - with each other – through all four movements, but at each appearance they express different erally unfamiliar with these stories, so titles like these are more likely to prompt them to track aspects and moods, corresponding to different ideas, events and images. The distinctive fanfare the tales down than to give away the musical content in advance. Nevertheless, in a later motif (trombone and muted trumpet) sounds in the tale of the Kalender Prince in the second move- edition of «Scheherazade», Rimsky-Korsakov removed these «seductive programmatic move- ment, but also again in the fourth in the description of the shipwreck, even though this episode has ment descriptions» to prevent «listeners seeking an all too concrete programme... With these nothing to do with the tale of Kalender. The main theme of the tale of Kalender (B minor, three- programmatic hints, I wanted only to steer the listener’s fancy in a particular direction, while the four time) and the theme of the princess in the third movement (B flat major, six-eight time, clari- painting of the details was to be left to the imagination and the mood of each individual listener. net) appear – in a somewhat changed form and a faster tempo – as side themes in the description I wanted only to make the listener who liked my suite as symphonic music understand that all of the festival at Baghdad, although in the ‘Thousand and One Nights’ not a word is said about the manner of oriental folk-tales were being told here, and this was more than simply a sequence of presence of Kalender and the princess at this festival. The unison phrase at the beginning of the four movements with the same musical themes.» But Rimsky-Korsakov never had any doubts suite, which is intended to characterise the cruel sultan Shahriar, returns in its musical material about the general title «Scheherazade»: He places the storyteller at the centre along with her to the tale of Kalender, in which the character of the sultan does not appear at all. I wanted to seductive voice – sweet, gripping and clever, embodied by the solo violin. The kind of voice create a four-movement orchestral suite on the basis of the completely free treatment of the without which no oriental tale could come to life – whether in words or musical notes. musical material, one that is both inwardly self-contained thanks to common themes and motifs and a virtually kaleidoscope-like sequence of folk-tale images of an oriental character.» Can

P 24 — EN P 25 — EN Rhythmic-melodic eruptions

Today, Alexander Borodin’s presence in musical life is secured with only a tiny handful of his story with conflict and a resolution. But both the opera’s external breadth and its closeness to compositions. These include the opera «Prince Igor» with its «Polovtsian Dances», the Second various folkloric colours show that Borodin wanted to follow the model of Glinka’s «Ruslan Symphony and the symphonic poem «In the Steppes of Central Asia». Borodin, born in 1833, and Lyudmila». The opera’s «Polovtsian Dances», which became particularly famous in stan - was primarily a «part-time» composer. After growing up in Saint Petersburg, the gifted illegiti - dalone orchestral versions both with and without a choir, demonstrate the expressly oriental mate child of a Georgian prince learned five languages as well as piano, flute and cello. At the tone palette with which Borodin distinguishes the Asiatic people from the Severians. After a age of 17 he enrolled in the Military Academy for Medicine and Surgery in Saint Petersburg brief introduction dominated by the woodwinds, the oboe begins the first dance (Andantino), a – and discovered his passion for experimental chemistry. In 1858 he gained his medical dreamy melody stretching out over harp arpeggios and delicate syncopations – no wonder that degree, before spending some time abroad and, in 1862, taking up a chair in organic chemistry popular music has taken this catchy number to heart, along with «Prince Igor» as a whole, in Saint Petersburg and continuing his research. In such non-musical realms as the polymeri - which was cannibalised to produce the musical «Kismet» in 1953. The tempo accelerates in sation and condensation of the aldehydes and his discovery of the aldol reaction in 1872, the second dance to an allegro vivo; the syncopations become more urgent and the clarinet’s Borodin made a great name for himself in scientific circles. However, even with his small shimmering theme triggers the first orchestral escalation. A dramatic, hammering crescendo oeuvre, his name in the annals of musical history would become a much more resounding in the timpani then unleashes the third dance, a rhythmically electrifying allegro in three-four one. He completed his Second Symphony in 1876; in 1890 the opera «Prince Igor», left in frag - time with a main motif spiralling up over bass notes before floating chromatically back down. mentary form at the time of his sudden cardiac death three years previously, was premiered in The virtually constant emphasis on the second half of the bar releases ritual forces that erupt the version completed by Rimsky-Korsakov and – a prominent milestone in a presto six-eight time: Borodin boils up a seething musical witch’s cauldron in which the in Russian musical history. The story goes back to the Medieval «Song of Igor’s Campaign», an themes from the first two dances return before the coda brings the ecstatic goings-on to a epic about Igor Svyatoslavich, prince of – approximately present-day northern triumphant end in the Polovtsian warriors’ encampment. Walter Weidringer and south-western Russia – in his fight against the eastern nomad people the Polovtsians The author studied musicology, philosophy, theatre studies and history in Vienna. He has taught at the Institute of Musicology at (also known as the Kipchaks) in 1185. Igor fails and is captured, but manages to escape. The the University of Vienna and since 1999 has been a music critic for the Austrian newspaper Die Presse. He also gives introductory underlying theme of the poem is sorrow at the lack of a unified Russian empire. To a cer- lectures, creates radio programmes and works as a freelance music writer and concert dramaturg. tain extent, with its episodic and rather unfocused dramatic form, the work’s structure itself reflects this. By his own account, Borodin wanted to create an «epic Russian opera» that was deliberately more of a kaleidoscope of settings, moods and confrontations than a coherent

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EMMANUEL TJEKNAVORIAN Conductor

Despite his young age, Emmanuel Tjeknavorian is already one of the great artists of his genera- the Deutsches Symphonie-Orchester Berlin. He is also a frequent guest at international classical tion. The music community has long known him as a superb violinist; since 2018, he has also music festivals, including the Enescu Festival in Bucharest, Grafenegg Festival, Rheingau Music been impressing audiences and critics with his depth and versatility as a conductor. In the 20–21 Festival and the Mecklenburg-Vorpommern Festival. season, for example, he makes his conducting debut not only with the Tonkunstler Orchestra but also with the Wiener Concert-Verein, the Camerata Salzburg and the Sinfonieorchester Basel. Having taken conducting lessons with his father, composer and conductor Loris Tjeknavorian, since 2014, and attended master-classes in England and Italy, Tjeknavorian will focus more on conducting in the future. Born in Vienna in 1995, Emmanuel Tjeknavorian grew up in a family of musicians, took his first violin lessons at the age of five and gave his first public performance with an orchestra at the age of seven. As a soloist in the 20–21 season, Tjeknavorian will appear with the Nederlands Philharmonisch Orkest at the Concertgebouw Amsterdam, the Royal Stockholm Philharmonic Orchestra, Gewandhausorchester Leipzig under Franz Welser-Möst and several other orchestras. As the youngest Artist in Residence in the history of the Vienna Musik- verein, Tjeknavorian created his own cycle at the tradition-steeped house last season. He also returned to the Konzerthaus Dortmund as a «Rising Star» and made his debut as a conductor at the Vienna Konzerthaus with the Vienna Chamber Orchestra. Also a «Rising Star» of the Euro- pean Concert Hall Organisation, a «Great Talent» of the Vienna Konzerthaus and a protege of the Orpheum Foundation in Zürich, he has performed in Europe’s most prestigious concert halls. Tjeknavorian regularly performs with the world’s great ensembles and orchestras, including the Mahler Chamber Orchestra, the London Symphony Orchestra, the Tonhalle Orchestra Zürich and

P 30 — EN P 31 — EN TONKUNSTLER ORCHESTRA

With its residencies at the Musikverein Wien, Festspielhaus St. Pölten and in Grafenegg, the Orozco-Estrada. Globally recognised orchestra directors including Hugh Wolff, Jun Märkl, Tonkunstler Orchestra is one of Austria’s biggest and most important musical ambassadors. The Michael Schønwandt, Dmitri Kitayenko, Krzysztof Urban´ski and John Storgårds have repeatedly focus of its artistic work is the traditional orchestral repertoire, ranging from the Classical to the worked with the Tonkunstler, some of them over many years. Soloists who have collaborated Romantic periods through to the 20th century. Since the 15–16 season the Music Director has with the orchestra include Joyce DiDonato, Alban Gerhardt, Sol Gabetta, Michael Schade and been Yutaka Sado. The Tonkunstler’s unique approach to programming is appreciated by Cameron Carpenter as well as the pianists Rudolf Buchbinder, Fazıl Say, Lars Vogt, Kit musicians, audiences and press alike. The inclusion of genres such as jazz and world music as Armstrong and Lang Lang. The violin virtuosos Augustin Hadelich, Christian Tetzlaff, Daishin part of the «Plugged-In» series has been keeping the orchestra in touch with the pulse of mod- Kashimoto and Arabella Steinbacher, the oboist Albrecht Mayer and the clarinettist Sabine ern life for more than ten years. Performances of works by contemporary composers make the Meyer have also performed with the Tonkunstler. Recent tours have taken the Tonkunstler to Tonkunstler a key player on the current music scene. Each year, a Composer in Residence col- Britain, , Spain, Slovenia, the Czech Republic, the Baltic states and, repeatedly, to laborates with the orchestra for the Grafenegg Festival. So far, these have included Brett Dean, Japan. A wide range of CD recordings reflects the orchestra’s versatile artistic profile. The HK Gruber, Krzysztof Penderecki, Jörg Widmann and Konstantía Gourzí. Composers including Tonkunstler Orchestra’s own label, established in 2016, releases up to four CDs and film record- Arvo Pärt, Kurt Schwertsik, Friedrich Cerha and Bernd Richard Deutsch have written commis- ings per year as in-house studio productions and live recordings, especially from the Wiener sioned works for the orchestra. The Tonkunstler Orchestra’s traditional Sunday Afternoon Musikverein. tonkunstler.at concerts at the Wiener Musikverein go back more than 70 years. The Festspielhaus St. Pölten was officially opened by the Tonkunstler Orchestra in 1997. Since then, as resident orchestra, its opera, dance and educational projects, as well as an extensive range of concerts, have formed an integral part of the overall cultural repertoire in the Lower Austrian state capital. In Grafenegg, the Tonkunstler have two acoustically outstanding venues at their disposal in their capacity as festival orchestra: the Auditorium and the Wolkenturm. The latter was also officially opened by the orchestra. Former Music Directors of the Tonkunstler include such important figures of the music world as Walter Weller, Heinz Wallberg, Fabio Luisi, Kristjan Järvi and Andrés

P 32 — EN P 33 — EN K M I A R X I I L M L O V

ORCHESTER

Imprint Recorded at Auditorium Grafenegg, Lower Austria, 22 to 25 September 2020 | Recorded by Pegasus Musikproduktion Recording Producer: Florian B. Schmidt | Sound Engineer: Aki Matusch | Post Production: Florian B. Schmidt Design: parole München | Photographers: Uwe Arens, Lukas Beck, Tonkünstler-Orchester | Translations: Paul F. Richards Proof­reading: Friederike Gösweiner, Paul F. Richards | Booklet Editor: Ute van der Sanden | Executive Producer: Frank Druschel tonkuenstler.at

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