Manuskript: Die Noble Nomadin
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
1 COPYRIGHT COPYRIGHT: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Es darf ohne Genehmigung nicht verwertetDieses Manuskriptwerden. Insbesondere ist urheberrechtlich darf es nicht geschützt. ganz oEders darf teilweise ohne Genehmigung oder in Auszügen nicht abgeschriebenverwertet werden. oder in Insbesondere sonstiger Weise darf esvervielfältig nicht ganzt werden.oder teilweise Für Rundfunkzwecke oder in Auszügen darf dasabgeschrieben Manuskript nur oder mit in Genehmigung sonstiger Weise von vervielfältig DeutschlandRt werden.adio /Für Funkhaus Rundfunkzwecke Berlin benutzt werden.darf das Manuskript nur mit Genehmigung von Deutschlandradio Kultur benutzt werden. Edelgard Abenstein Die noble Nomadin Sybille Bedfords literarische Erinnerungen an ein vergangenes Europa Musik Sprecherin 1 „ ‚Wie war es, Ihr jüngeres Ich?‘ – ‚Jung‘. – ‚Das ist kein Verbrechen.‘ – ‚Ach, ich weiß nicht.‘ – Flavia nahm einen Briefbeschwerer, legte ihn hin, hob die Hand. – ‚Man macht komische Sachen. Wissen Sie, wenn man jung ist, fühlt man sich noch nicht zugehörig, als Teil der Menschheit; man tut Dinge, die noch nicht endgültig sind. Alles ist wie eine Probe, die man nach Belieben wiederholen kann. In der man etwas korrigieren kann, bis es ernst wird und der Vorhang aufgeht. Doch eines Tages merkt man, dass der Vorhang die ganze Zeit auf war. Dass es die Aufführung war.‘“ Sprecherin 2 „Ein trügerischer Sommer“ heißt der Roman, in dem eine 50-jährige Schriftstellerin auf ihr Leben als Siebzehnjährige zurückblickt. Als sie ihn 1968 veröffentlichte, war Sybille Bedford Ende 50. Sie, die zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts geboren wurde und zu Beginn des neuen Jahrhunderts, vor wenigen Monaten, gestorben ist, hat sich eine 2 »Davongekommene« genannt. Glaubt man diesem Buch von ihr und allen anderen, so hat sie, die wir für ihre Weltläufigkeit bewundern, denn sie ist weit herumgekommen, vielleicht am intensivsten in jenen Jahren gelebt, die sie „Entre-Les-Guerres“, „Zwischen den Kriegen“ nennt. Ein schmaler Grat zwischen zwei Welten, der, als er zerbrach, das Leben vieler in mehr als zwei Teile zerbrach. Um 1930. Im Süden Frankreichs. Da hatten sich Menschen versammelt, die mit neuen Lebensstilen experimentierten. Montparnasse, Bloomsbury, Schwabing und das Romanische Café an der Côte d’Azur. Zunächst suchten sie nur Ruhe und Sonne, wie die Aldous Huxleys, die Meier-Graefes und die Schönebecks. Sprecherin 1 „ Dort verlebte ich das Ende meiner Kindheit, die Jahre der Adoleszenz, ein Jahrzehnt fast, eine Zeit, die in meinen Träumen nie vergehen sollte und nach der ich mich heute noch zurücksehne, meine glücklichsten Jahre... Das Glück an der Côte d‘ Azur hatte mit dem Ort zu tun, nicht mit Arbeit, nicht mit Ereignissen. Was dort geschah, war oft gut, zum Teil wunderbar, manches traumatisch. Mein Leben bestand aus Meer, Licht, Sonne, dem nächtlichen Konzert der Zikaden, ersten Liebesabenteuern, manche beglückend, manche hoffnungslos oder Irrtümer, einige Beziehungen überdauerten jede Veränderung.“ O-Ton 1 (Kreipe) Den Anfang haben Maler gemacht, deutsche oder österreichische Maler, an deren Namen man sich nicht mehr erinnert, Rudolf Levy, der im Grunde Montparnasse erst zu dem gemacht hat, was es am Vorabend des I. Weltkrieges war, Erich Klossowski, der Vater des berühmten Malers Balthus..., oder der Kunsthistoriker und Schriftsteller Meier- Graefe. Der war sozusagen der Quartiermacher. Sprecherin 2 Walter Kreipe kennt die Côte d’Azur genau. Als ehemaliger Französischlehrer organisiert er derzeit Stadtführungen in Berlin auf den Spuren von Künstlern, die 1933 ausgebürgert wurden, und er geht deren nach Frankreich führenden Wegen nach. O-Ton 1a (Kreipe) 3 Und die Türen wurden auch geöffnet von René Schickele, der zwischen dem Elsass und Baden hin- und herpendelte und auch schon vor 1933 in Sanary war. Sprecherin 2 Zuerst trafen diejenigen ein, die sich vor Mussolinis Schwarzhemden retten wollten, dann, als der Reichstag in Berlin brannte, kamen die Thomas Manns oder Feuchtwangers. Geflohen bis dorthin, wo Europa zuende war. Vor sich nur Meer und ein ungewisser Horizont. Sommergäste mit vorläufig unbegrenzter Aufenthaltszeit. Sie führten improvisierte Leben, in improvisierten Unterkünften, unter zeitweiligen Freunden. Hinter sich und als Aussicht viel Dunkles, aber hier doch vor allem ein hellschimmerndes Blau, es konnte vielleicht nur an dieser besonnten Küste passieren, dass sich für eine kleine Weile ein Gefühl von Sicherheit ergab, eine Atempause. Musik (kurz) Sprecherin 1 „Damals regnete es im Sommer nicht. Zwischen April und Oktober erwartete man keinen Regen, und es kam auch keiner. Kein frisches Grün spross, und nichts veränderte sich.... Trockenheit und Hitze; eine andere Zeit war nicht in Sicht, das Leben war jetzt, und jetzt war lang.“ Musik (kurz) O-Ton 2 (Kreipe) Sanary ist ein verträumter, ruhiger Ort, im Schatten der Glitzerstädte, des schicken Bandol, man hat dort seine Ruhe, es ist auch ein Ort, durch den nicht die Eisenbahn fährt, man wird nicht durch Autos oder Züge getrennt vom Meer. Man sitzt auch heute noch im Cafe de la Marine, die meisten heißen noch so wie früher.... man kann dort schreiben, spazierengehen, und Besuch kann ja jederzeit kommen. Sprecherin 1 „Die Landschaft da unten war ausnehmend schön – karg und weit. Olivenbäume und Fels. Und das Licht. Dieses beständige Licht. Und natürlich das Meer. Es packte einen mit Macht, man wurde Teil davon und hatte zum Schluss das Gefühl, man könne nirgendwo anders mehr leben. Es war wie Liebe.“ 4 Musik Sprecherin 2 Was für ein Leben hat diese Frau geführt: Halb Preußin, halb Britin wächst sie als deutsche Baroness in einem badischen Schloss auf. Ihr Vater, Maximilian von Schönebeck, ein verarmter Adliger, war ein Mann des 19. Jahrhunderts, Ästhet, Sammler von Antiquitäten und „Internationalist“. Frisch verwitwet, verlobte er sich mit der jungen Elizabeth Bernard, einer kapriziösen Engländerin aus einer vermögenden jüdischen Familie. Der Altersunterschied war groß, ihr Bräutigam exzentrisch und sie von flatterhaftem Wesen, kurzum: Sie hatte sich gerade entschlossen, die Verbindung zu lösen, da erschütterte die sogenannte Allenstein-Affäre, ein ausgemachter Sexskandal, die Familie Schönebeck, die Hocharistokratie in Berlin und das preußische Militär. Vom Tischende aus, der bestimmenden Perspektive ihrer Kindheit, so Sybille Bedford, habe sie die Erwachsenen davon sprechen hören. Aus diesem Stoff wurde ihr erster Roman, „A Legacy“, der nach seinem Erscheinen 1956 in England für Aufsehen sorgte, während er knapp 50 Jahre auf seine deutsche Übersetzung unter dem Titel „Das Vermächtnis“ warten musste. In ihren Erinnerungen fasst sie das Geschehen, dem sie schließlich ihr Leben verdankt, noch einmal zusammen: Sprecherin 1 „ Der ältere Bruder meines Vaters, Regimentskommandeur, war vom Liebhaber seiner Frau, einem Hauptmann seines Regiments, und mit ihrer Zustimmung erschossen worden. Sie selbst wurde alsbald zum Tode verurteilt, der Liebhaber erhängte sich in der Gefängniszelle. Diese Ereignisse (in der Elite des Militärs) lösten heftige Reaktionen der Öffentlichkeit aus, waren Wasser auf die Mühlen militärfeindlicher Gruppierungen und einer antisemitischen Bevölkerung – die Presse fiel über die Verbindungen meines Vaters her: steinreiche jüdische Schwiegereltern. Das wilhelminische Establishment wusste nicht, wie man die Sache vertuschen sollte, es gab einen politischen Skandal... Mein Vater reagierte distanziert und erschüttert... Meine Mutter fand, dass sie zu ihm halten müsse.“ Sprecherin 2 Und sie heiratete ihn. Vier Jahre später wird Sybille von Schönebeck geboren. 5 Musik (kurz) Der Erinnerungsband „Quicksands“- „Treibsand“, den die Vierundneunzigjährige wenige Monate vor ihrem Tod abschloss, bündelt ein ganzes Leben. Was Stoff für vier Romane bot, kann nicht langweilig gewesen sein. Ein Erinnerungsstrom voll kurioser Ereignisse und Begegnungen tut sich auf, aber auch ein Stück europäischer Kultur- und Mentalitätsgeschichte. Noch einmal taucht jene Welt auf, die die Autorin geprägt hat und die in den Umwälzungen des 20. Jahrhunderts unterging. Sprecherin 1 „Wir unternahmen diese langen, langsamen Zugfahrten durch ganz Deutschland, von Süd nach Nord, mit stundenlangen Aufenthalten in grauen, verdunkelten Bahnhöfen, weil wir uns 1915 aus unserem Schloss, nur wenige Minuten von der französischen Grenze entfernt, in das sichere Berlin flüchteten. Und dann wieder zurück, November 1918, mitten während der Matrosenaufstände. Schüsse fielen, ... unsere Mitreisenden riefen, dass man uns ....erschießen werde. Die meisten von uns kauerten auf dem Fußboden. Nicht so meine Mutter – sie stand auf, um einen Blick hinauszuwerfen. Die Soldaten, sagte sie entschlossen, hätten recht – es sei Zeit, das Kaiserreich sei am Ende. Meine Mutter besaß Mut (den ich nicht geerbt habe). Ich kroch hinter ihr her.“ Sprecherin 2 Die Ehe der Eltern war kein Erfolg. Nach dem Ende des Krieges trennten sie sich. Während Sybille beim Vater blieb, zog die Mutter nach Italien. Das Schloss, das sie für ihn gekauft hatte, überließ sie ihm am Ende. Aber Maximilian von Schönebeck, der eine Sammlung von kostbaren Antiquitäten besaß, verfügte über keine finanziellen Mittel, um das Anwesen zu unterhalten. Sprecherin 1 „Wir waren die Armen mit Besitz. Wir praktizierten Tauschhandel... ließen einen Teil des Rasens umpflügen und pflanzten Kartoffeln an...Es gab jede Menge Geflügel und einen übellaunigen Truthahn. Die Tiere hatten eine solche Hochachtung vor meinem Vater, dass sie uns andere, Lina und mich und den Briefträger,