die 1931 übergangsweise die Leitung übernahm, erarbeitete sich aber auch Freiräume und er- Handwerk, , Industrie schloss die Bildwelten präkolumbianischer Völker für einen autonomen textilen Ausdruck. Bereits in war ein eigener Produkti- Die Ausstellung „Das Handwerk wird modern. Vom Herstellen am Bauhaus“ in onsbereich eingerichtet worden, Gropius ließ mit bildet den Auftakt zum 100-jährigen Jubiläum des Bauhauses Text Bettina Maria Brosowsky dem Umzug nach Dessau die Rechte an 180 tex- tilen Erzeugnissen sichern. Individualstile wur- den nun weniger gefördert, Augenmerk galt dem Erziehung am Fließband? Verwendungszweck eines Textils und seiner auf dem Hoch- Modellhaftigkeit für die industrielle Herstellung. Ausgezeichnet webstuhl: Die Weberei war eine der profitableren Aber eine systematische Marktorientierung un- Werkstätten am Bauhaus. terblieb, etwa durch Sortimentsbildung, und Trotz des verfolgten In- auch die Mechanisierung durch Jacquard-Web- dus triecharakter der Lehre, ästhetisch eigneten sich nicht alle stühle entfachte Kontroversen. Neben die Lehr- Entwürfe für die Serienpro- werkstatt trat eine (mit vier Angestellten wohl duktion. unterbesetzte) Produktion, häufig wurden Studie- Fotos: Bauhaus-Archiv Ber- lin © Yamawaki Iwao & Mi- rende hinzugezogen. 1928 beklagte Margaretha chiko Archives; Stiftung Bau- Reichardt, die mit der Entwicklung von Eisen- haus Dessau, © Thomas garngewebe zur Bespannung von Stahlrohrmö- Meyer/Ostkreuz beln stark in den Verwertungsprozess einge- bunden war, in einer Collage zur Semesterab- schlussausstellung den Produktionsdruck in der Weberei, gar eine „Erziehung am Fließband”, die kaum Zeit für Versuchsarbeit ließe. Exemplarisch kulminiert hier der Widerspruch zwischen staat- licher Hochschule und privatrechtlichem Wirt- schaftsbetrieb, seit November 1925 Bauhaus GmbH, der sich ab etwa 1928 durch eine Alumini- ummarke auch sichtbar auf größeren Textilien dokumentierte. Eine Ausstellung im Bauhaus Dessau geht eini- Prinzip der Blendfreiheit antizipierte, formal ver- Mit ihrer Kritik war nicht gen Aspekten und Widersprüchen nach. In der wandt den weiter optimierten skandinavischen allein. Ebenfalls 1928 quittierte László Moholy- Sogenannte Drittmittel und ihr Konflikt mit einer ehemaligen Weberei illustrieren vier Themenblö- Fabrikaten aus den späten 50er Jahren. Und der Nagy seinen Dienst als Formmeister der Metall- zweckfreien Lehre und Forschung sind kein neu- cke das Handwerk im Curriculum des Bauhauses Tischlerei-Werkmeister Karl Bökenheide kombi- werkstatt und fand dazu klare Worte: „Wir sind artiges Problem heutiger Hochschulen. Schon sowie im Marketing. Ein Prolog beschäftigt sich nierte 1932 Stahlrohr, Holzkorpus und Glasplatte in unmittelbarer Gefahr, genau das zu werden, das notorisch unterfinanzierte Bauhaus musste mit heutigen politisierten bis aktivistischen Aus- zu einem Frisierschränkchen, ganz im Geiste was wir als Revolutionäre bekämpften: eine be- in Weimar wie Dessau versuchen, einen Teil des legungen handwerklicher Praxis in Schwellen- des Formmeisters und seiner Ent- rufliche Ausbildungsschule, die nur das End- Etats mit eigenen Produkten sowie Entwürfen ländern, auch als konsumkritische Position. würfe für die Firma Thonet. Gleichwohl mag es produkt bewertet und die Gesamtentwicklung und Prototypen für die Industrie zu erwirtschaf- Der Umzug des Bauhauses von Weimar nach Konfliktpotential gegeben haben, wie es perso- des Menschen ignoriert. (...) Ich kann es mir we- ten. Gründungsdirektor erhob die Dessau bedeutete 1926 seine Anerkennung als nelle Fluktuationen erahnen lassen. der schöpferisch noch menschlich leisten, auf Not zur programmatischen Tugend, beschwor, staatliche Hochschule mit eigenem Diplom. Neben der Metallwerkstatt, hier etwa durch dieser spezialisierten, rein objektiven und nutz- forciert ab 1923, einen neuen Typ Entwerfer, der Vorher konnte lediglich die verpflichtende Hand- die „Kandem”-Leuchten von Marianne Brandt Webunterricht bei Gunta baren Basis weiterzumachen. (…) Der Geist der Stölzl Helene Meyer- die zeitgemäße Industrieform zum Ziel avancier- werkslehre mit dem Gesellenbrief absolviert und Hin Bredendieck für einen Leipziger Herstel- Bergners Mitschrift mit Konstruktion ist durch die Tendenz der Anwen- ter Gestaltung erhob. Auch nach dem Tod von werden. Dem Hochschulstatus folgte die Kons- ler, war erstaunlicherweise die Weberei, die man Patronenzeichnungen dung ersetzt worden.” Gropius gelang es, den Erfolg dieser Idee des tituierung fachspezifischer Abteilungen. Die eher mit handgefertigten Unikaten dekorativer und Stoffbeispielen aus der Leider erfährt man in der Ausstellung wenig Jacquardweberei, 1927. Bauhauses anhand einer kleinen Zahl ikonischer handwerkliche Ausbildung blieb obligatorisch, Architekturausstattung assoziiert, eine der pro- Foto: Stiftung Bauhaus vom späteren Bauhaus, etwa zur Konzentration Entwürfe und Designklassiker unter Beweis zu auch wenn die Werkstätten nun als „Laborato- fitableren Werkstätten. Dabei entstand sie laut Dessau dreier Werkstätten als architektonische Ausbau- Hervorragende Gestaltungsmöglichkeiten stellen. Dabei blendete man interne wirtschafts- rien” zur Herstellung von Modellen für die Indus- Schilderungen von Gunta Stölzl, ab 1927 Gesamt- abteilung unter . Auch die (kom- für anspruchsvolle Architektur wie institutionskritische Vorbehalte ebenso aus trie interpretiert wurden. Gleich blieb auch die leiterin der Weberei, per Zufall, als sich in Weimar merziell erfolgreichen) Bauhaus-Tapeten bleiben wie wohl die Mehrheit, nicht als Serienprodukt Leitung durch je zwei Personen: ein Handwerker Webstühle fanden, eine Kollegin und sie darauf unerwähnt, ebenso die ab 1931 nun durch indus- Colt Shadoglass – ist ein ästhetisches Sonnenschutzsystem für konzipierter oder herangereifter Entwürfe. Wil- als „Werkmeister” und ein Künstler als „Form- experimentierten und sich das handwerkliche trielle Webereien gefertigten Meterwaren, ent- Fassaden, welches dem Verlauf der Sonne automatisch folgt. helm Wagenfeld hat einmal die ersten Reaktio- meister” (nun im Rang eines Professors). Die Rüstzeug in der Webereifachschule Krefeld an- worfen von Otti Berger und Lily Reich. Die variabel gestaltbaren Lamellen dienen der präzisen Licht- nen auf den Prototyp seiner kleinen Tischleuchte Ausstellung tituliert sie als „Ungleiche Paare” in eigneten. Ästhetisch prägend wurden die expe- lenkung, der Verschattung und dem Sichtschutz. geschildert. Auf der Leipziger Herbstmesse der Hierarchie der Bauhauslehre, zeigt aber an- rimentelle Grundlehre von Johannes Itten mit 1924 erntete sie nur den Spott der Händler und hand eigener Arbeiten der Werkmeister durch- einfachen Geometrien und Kontrasten sowie die Das Handwerk wird modern. Vom Herstellen am Bauhaus 9RWIV&IMXVEKJ‚VIRIVKMIIJ½^MIRXIYRHREGLLEPXMKI+IFmYHIXIGLRMO Fabrikanten: Sie sähe zwar billig aus wie Maschi- aus bemerkenswert künstlerische Auslegungen Formenlehre durch – er war zudem Bauhaus, Gropiusallee 38, 06846 Dessau-Roßlau nenarbeit, wäre aber teures Kunsthandwerk. ihrer Gewerke. Der Metall-Werkmeister Alfred kurzeitig Meister der Weberei – in stärkerer Har- Bis 7. Januar 2018 Erfahren Sie hier mehr über Colt Shadoglass und Colt: Und das ist die legendäre Bauhausleuchte ge- Schäfter etwa entwickelte 1931 eine Leuchte aus monie und fein abgestuften Farbwerten. Eine Der Katalog erscheint im Kerber Verlag, 35 Euro im Bau- www.colt-info.de blieben. Aluminium, die mit einer Schirm-Kaskade das künstlerisch vielfältige Studentin wie , haus, 45 Euro im Buchhandel

8 MAGAZIN Bauwelt 11.2017 Bauwelt 11.2017

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