PSYCHOTHERAPEUTISCHE BERATUNGSSTELLE FÜR STUDENTEN (PBS) STUDENTENWERK KARLSRUHE

Rudolfstr. 20 76131 Karlsruhe Tel.: 0721/93 34 060 Dipl.Psych.J.Dieker-Müting Studentenwerk Karlsruhe © Korrekturdatei Stand 10.99

Vom Anbaggern zum Flirten Flirten als Lebensform

Der folgende Text ist eine Zusammenfassung von Notizen und Über- legungen aus und zu Flirtkursen mit Studenten der Hochschulen in Karls- ruhe. Der Text ist im Entwurf und bezüglich Gestaltung und Recht- schreibung nicht überarbeitet. Die Gliederung (am Ende) enthält keine gültigen Seitenzahlen sowie noch unbearbeitete Punkte. Die angefügten Übungen sind ebenfalls eher skizziert als ausgearbeitet. Es ist besser, sie dem Sinn nach zu verwenden, und nicht als Anleitung.

Vorwort A. Einstein meinte, die liebevollen Beziehungen zwischen Menschen seien für die Menschheit wichtiger als jede wissenschaftliche Erkenntnis. Um so mehr wundere er sich darüber, daß er selber stets eher ein Einzelgänger gewesen sei. Das Know how zur Aufnahme und Entwicklung zwischen- menschlicher Beziehungen wird im Gegensatz zur Ausbildung in den Wissenschaften nicht öffentlich gefördert, obwohl die Präambeln von Schulen und Hochschulen dies eigentlich fordern. Die Kirchen als einzige Institutionen, die sich systematisch damit befassen, behandeln das Thema mehr normativ: Wie soll man miteinander umgehen. Es bleibt offen , wie man dahin kommt.

Die Psychotherapeutische Beratungsstelle des Studentenwerkes Karlsruhe wird daher oft wegen Problemen im Bereich der Beziehungsaufnahme, der Beziehungsgestaltung und Lösung von Beziehungen aufgesucht. Dabei handelt es sich sowohl um Freundschaften, kollegiale und nachbarschaft-

1 liche Beziehungen, Liebesbeziehungen sowie Beziehungen zu Eltern. Manchen gelingen zwar Freundschaften, aber keine Liebesbeziehungen, andere haben gute Kollegen aber keine Freunde. Aus verschiedenen Gründen wurde der Kurs nur für Männer angeboten: Speziell an der Hoch- schule in Karlsruhe haben in etlichen Fakultäten besonders Männer nur geringe Chance, in ihrem Fachbereich eine Freundin zu finden, da der An- teil der Frauen verschwindend gering ist. Auf diese Weise bietet der Alltag wenig einfache Möglichkeiten in Kontakt zum anderen Geschlecht zu kommen. Hinzu kommt, daß an Naturwissenschaften interessierte Männer sich ohnehin eher Dingen als Menschen zuzuwenden pflegen, und so oft wenig Erfahrungen mit Menschen haben. In einer großen Befragung von Studierenden gaben fast die Hälfte aller Physiker und Mathematiker an, keinen Menschen zu haben, mit dem sie persönliche Dinge besprechen können. Männer haben auch in allen Beziehungsformen mehr Probleme als Frauen, in Kontakt zu kommen. Auf Anregung von Mitarbeitern des Arbeitskreises für Kommunikation und Kultur bot die PBS daher einige Male einen Flirtkurs an, um Männern einen zusätzlichen Weg zur Kontaktaufnahme zu vermitteln.

Dieser Kurs unterscheidet sich wesentlich von den meisten auf dem Markt befindlichen Flirtanleitungen. Diese garantieren die Erreichung zweier wichtiger Ziele:

1. Wie bekomme ich den anderen ins Bett.(Flirten als Mittel zur Er- langung von Triebbefriedigung) (C. Elsner 1994, 17e "Wie man einen Mann aufreißt", 1994, 18e "Wie man eine Frau aufreißt")

2. Wie gewinne ich den begehrten Menschen als Freund und Lover. (Flirten als Weg zur Partnergewinnung). Regina Hamburger "Aller Liebe Anfang" (1994), E. Fromm "Die Kunst des Liebens"1956/1994, Ovid "Liebeskunst 1 AD, P. Hollinger "Flirten - der kurze Blick zum kleinen Glück". Diese Flirtanleitungen leben alle davon, daß sie sehr viel versprechen. (Papillon "Unwiderstehlich Flirten"1997).

Das ist sehr bedauerlich, denn durch diese Instrumentalisierung des Flirtes wird er sofort mit Erwartungshaltungen überfrachtet - und genau das ist sein Tod. Die vielen nützlichen Anregungen, die in diesen Büchern enthalten sind, gehen dadurch unter. Des weiteren wird immer der Eindruck erweckt, als wenn man nur einen bestimmten Trick kennen müßte, um ans Ziel der Träume und Sehnsüchte zu kommen. Auch dieses ist irreführend, denn auch Flirten hat viel mit Lernen, Üben und Erfahrung zu tun, und, wie sich zeigen wird, mit Selbstbewußtsein im wörtlichen Sinne: Dem Bewußtsein dessen, was man in einem bestimmten Moment ist, tut, fühlt, denkt, träumt.... Ebenso irreführend ist es zu glauben, man bräuchte nur das falsche Ver- halten zu unterlassen, um dann sicher ans Ziel der Träume zu kommen.

2 Das ist verlockend, das Unterlassen eines Verhaltens ist vergleichsweise einfach. Es ist viel leichter, nichts zu sagen, als das richtige zu sagen. Aber die Abwesenheit von Negativem macht einen Menschen nicht liebenswert sondern allenfalls praktisch, bequem, angenehm bis lang- weilig, neutral und uninteressant.

In diesem Flirtkurs wird daher ein anderer Weg eingeschlagen. Flirten wird weitaus umfassender als eine Lebenshaltung anderen Menschen und sich selber gegenüber verstanden. Das Anbandeln ist nach diesem Verständnis zwar ein sehr wichtiges, aber nicht das ein- zige Ziel unter vielen möglichen anderen Zielen. Auch Freundschaften, Nachbarschaften, Bekanntschaften, kollegiale Beziehungen oder Interessengemeinschaften können auf diesem Wege angebahnt werden. Diese Auffassung unterscheidet das vorliegende Konzept des "Flirtenlernens" von dem guten Dutzend der vorliegenden Selbsthilfe- bücher zu diesem Thema. Im Gespräch mit KollegInnen über Kurse zum Flirten kristallisierten sich stets zwei Wege heraus. Entweder, man macht einen klar strukturierten Kurs mit gut aufgebauten Übungen. Oder der Gruppenleiter flirtet mit dem Kurs selber und improvisiert je nach Lage der Dinge. Er wendet sozusagen das Flirtmodell dieses Kurses auf den Kurs selber an. Letzterer Weg hat sich bewährt, sicherlich auch, weil er meinen eigenen Neigungen und Möglichkeiten entspricht. Der starre Ablauf ist der Tod eines Flirts und führt eher zu Tragödien und Dramen, bestenfalls zu Komödien.

Was für den Kurs gilt, habe ich für diese Niederschrift gelten lassen. Sie würde mißverstanden, wenn sie als starre Theorie und sichere Rezeptur verstanden würde. Es ist ein Spiel mit Gedanken, Phantasien, Über- legungen, Ideen, Vorstellungen, Erfahrungen. Bislang hat jeder weitere Kurs dazu geführt, daß zahlreiche Ergänzungen hinzukamen und anderes entfiel. Und je nach Gruppe und eigener Befindlichkeit, gebe ich mal mehr dem einen Aspekt, mal einem anderen den Vorrang. Die Lebendigkeit ist wichtiger als die Systematik. Sehr viel Material liegt noch unintegriert teils auf der physikalischen, teils auf der seelischen Festplatte. Es spricht also gar nichts dagegen, wenn Sie zwischendrin vorbeischauen, und sich die letzte Version kopieren. Wem dieses alles zu vage und unverbindlich ist, der wähle die Kurz- anleitung von Pütjer und Schnierda, Flirten für Studierende.

1. Flirten?- Qu'est ce que c'est?

3 Über das Flirten wird viel gesprochen, viel geschrieben. Nicht nur, daß Bücher und Kurse angeboten werden, selbst die Kontaktanzeigen in Zeitungen schmücken sich mit dem Titel Flirt, obwohl sie eher dem Gegenteil dienen, diesen überflüssig zu machen. Woher kommt dieses Interesse? Einige Autoren geben Gründe an: Die Nachfrage ist groß (Hollinger 1994), Hilfe für Partnersuchende (Hamburger 1993), Aufreiß- hilfen (Elsner 1983/94), Lebensbereicherung (Bönnen 1989), Hilfe für un- begabte Flirtwillige (Lucas 1994). Den gewichtigsten Grund lieferte jedoch kürzlich der Spiegel in einem Beitrag zur Entstehung des Menschen. Der Autor befaßte sich mit der Frage, was den Menschen dazu bewogen hat, nach der Entwicklung des aufrechten Ganges seinen Kopf mit Hirn zu füllen, und kommt zu einem überraschenden Ergebnis: „Was aber war die Antriebskraft des zweiten Entwicklungsschubes auf dem Wege zum Menschen? Waren es, wie viele Forscher mutmaßten, Schaber, Messer und Hammer aus Stein? War es die erlesene Kost? Oder die Kunst des Flirtens?“

Keine Frage, sie war es! Und es ist ein Verdienst des Spiegels, wieder einmal die einfache Wahrheit auch einfach, und dazu noch bescheiden in Form einer Frage, auf den Begriff gebracht zu haben! Durch was sonst sollten der Egoismus des Triebes und die Indifferenz des Verstandes ihre lebenserhaltende Richtung bekommen, wenn nicht durch die Fähigkeit, aneinander Freude und füreinander Respekt zu haben? Erst auf dem Hintergrund der sozialen und emotionalen Intelligenz konnte sich das abstrakte Denken entwickeln. War das jetzt Ernst oder Satire? Der alte Grantler Arthur Schopenhauer hat bereits Anfang des letzten Jahrhunderts die Tätigkeit der Phantasie in der Kunst und der Liebe als deren wesent- lichstes Element bezeichnet. Was die Liebe anbetraf schien ihm das auch nur gerecht: Denn es gäbe ja kein wichtigeres Ziel als die Erzeugung der nächsten Generation - verdanken wir doch selber diesem Interesse unser Dasein!

Kafka, der selber zur Einsiedelei neigte, sagte zu einem Freund: „Ein- siedelei ist widerlich, man beiße lieber ins Leben statt in seine Zunge.“ Recht hat er! Da man dabei aber Gefahr läuft, auch seine Zunge zwischen die Zähne zu bekommen, ist Kühnheit und Vorsicht geboten. Flirten hat immer mit beidem zu tun.

Es soll gezeigt werden, daß mit der Fähigkeit zu Flirten Menschen in gute Beziehungen geraten und vorhandene Beziehungen wesentlich verbessern können. Flirten kann manchen Bedarf an psychologischer Beratung und Therapie überflüssig machen, denn es fördert direkt die persönliche und die soziale Lebensqualität und hilft so seelisches Leid zu senken und neuerlichem vorzu- beugen. Das fiel einer Redakteurin von Radio Bruchsal auf, die eine Schwerpunktsendung zum Thema Flirt machte: Beim Flirten macht man ja dasselbe wie in einer Therapie: Man gewinnt

4 Lebensfreude, wird unabhängig, selbstbewußt, authentisch, kreativ, kontaktfreudig usw. In der Tat!.

1.1Die Vorgehensweise ist allerdings anders als beim "Probleme lösen" oder "Heilen von Beschwerden". Beim Flirten fragt man nicht viel danach, warum man einsam ist und Mühe hat, in Kontakt zu kommen oder ihn weiterzuführen. Man fängt unmittelbar damit an und läßt sich überraschen und verzaubern.

1.2Umgangssprache Umgangssprachlich wird mit dem Ausdruck Flirt meist eine erotisch gefärbte Tändelei oder ein Anbandeln ohne ernste Absichten be- schrieben. Der Schwerpunkt liegt auf Tändelei, denn eine ernsthafte Liebeserklärung wird nicht als Flirt bezeichnet, alle übrigen Arten von sozialen Begegnungen auch nicht. Websters Dictonary definiert „to flirt“ als: „To act amorously without serious intentions“. Alle übrigen Lexika definieren das Flirten ähnlich..

Jedoch auch „Anmachen, Anbaggern, Angraben, Umwerben oder Ver- führen“ wird als eine Form des Flirtens verstanden, obwohl hier die Ab- sichten durchaus ernst sein können. Ein anderer abwertender Ausdruck für dieses Verständnis von Flirt lautete „Poussieren“, abgeleitet vom französischen Wort pousser (stoßen). In diesen Fällen befaßt sich der An- macher nur mit seinem Vergnügen, das dann eintritt, wenn der/die An- gemachte so blöd war, sich anmachen zu lassen oder zumindest das Spiel auf gleiche Weise erwidert. Sich necken oder herausfordern ist die positivere Version dieser Begegnung. (Was sich neckt, liebt sich). Der Ausdruck Flirten wird aber durchaus auch auf andere Bereiche an- gewendet: Etwa, wenn VW mit Rolls Royce flirtet, und BMW einen Korb bekommt, und daraufhin beleidigt seine Motorenlieferung einstellt...

1.3Etymologie: Das Wort Flirten entspricht der Eindeutschung des englischen Worts „to flirt“, das seinerseits vom französischen Wort „Fleur“ für Blumen, bzw. „fleureter“, Blumen geben, hergeleitet werden kann. In Comic- Zeichnungen werden in den Sprechblasen zweier miteinander flirtender Menschen gerne Herzen und Blumen statt Worte gezeichnet. Man läßt Blumen sprechen, um jemandem seine Zuneigung auszudrücken. In ge- wisser Weise übrigens eine sehr deutliche Art, denn eine Blume ist eine sehr dekorative Anordnung männlicher und weiblicher Geschlechtsorgane, oder, wie es jemand spöttisch nannte, eine vegetarische Peepshow.

5 1.4Flirten und anderer Umgang Flirten unterscheidet sich wesentlich von einer normalen Begegnung, wie wir sie täglich antreffen. Wenn eine solche Begegnung in einen klassischen Flirt übergehen soll, müssen vier Merkmale hinzukommen:

1. Beide Flirtpartner stellen bei sich - und möglichst auch bei ihrem Gegenüber - positive Reaktionsmöglichkeiten fest. Das können z.B. Gefühle (warm, aufgeregt), Gedanken (ich mag ihn), Vorstellungen (wie sie wohl tanzt?) oder Urteile (der ist interessant) oder Aktionen (Zu- wendung , Lächeln) sein. Man nimmt solche Möglichkeiten bei sich wahr, ohne recht wissen zu wollen oder zu müssen, wie relevant sie eigentlich sind. Zum Flirten gehört auf jeden Fall die mindestens einseitige Bereit- schaft, sich positiv anregen zu lassen und der Wunsch, daß es zu einer Beidseitigkeit kommt. Unerheblich, und nicht selten unklärbar ist, wer beginnt. So bestehen einige Forscher darauf, daß grundsätzlich die Frauen mit ermutigenden Blicken beginnen. Nun, das mag sein, aber was tut ein Mann, damit eine Frau ihn ermutigt? Für den Flirt ist es letztlich unerheb- lich, wer beginnt. Unerheblich ist sogar, welche Gefühlsqualität, welche Absichten, Wünsche, Hoffnungen, Sehnsüchte usw. dabei eine Rolle spielen. In jedem Fall setzt der Flirt voraus, daß ich auf einen anderen Menschen positiv reagiere und bereit bin, etwas für ihn zu tun. Der totale Flirtkiller besteht darin, auf Menschen negativ zu reagieren und nur etwas zu fordern. Das ist z.B. der Fall, wenn Sie beleidigt oder nur trübselig auf einem Fest sitzen und darauf warten, daß jemand Sie erlöst. Sie sind dann allenfalls eine Herausforderung für ein Helfersyndrom, z.B. in Form eines Therapeuten (Vorsicht! Die stellen Rechnungen!).

2. Zwei Menschen (oder nur der eine dem anderen) teilen diese positiven Interessen nicht direkt mit, sondern signalisieren sie einander. Sie be- fassen sich nach außen z.B. mit dem ganz normalen Kontakt, spielen Tischtennis, reden über Gott und die Welt oder befinden sich nur ge- meinsam an einem Ort. Mit Blicken, der Stimme, der Körperhaltung, dem zugewandten Interesse oder auch Provokationen erhält der Flirtpartner Hinweise auf „mehr“, aber eben nur Hin- und keine Beweise, u.U. noch nicht einmal dafür, daß es sich bereits um einen Flirt handelt. Unter Kinder und Jugendlichen ist es geradezu ein Sport herauszufinden, wer an wem interessiert ist - und ihn dann zu „outen“, also bloßzustellen. Später wird dies in Form von Tratsch und Klatsch weiter praktiziert. Der Bloß- gestellte wiederum kann dementieren, wütend reagieren, geschmeichelt sein oder mit der Regel "Der Kavalier genießt und schweigt" reagieren. Um den Flirt in Gang zu bringen, ist es also notwendig, dem Anderen in irgendeiner Weise Hinweise zu geben, auf der anderen Seite aber auch etwas zurückzuhalten. Das kann zu einem offenen und lebendigen Spiel werden - beide genießen ihre Flirtmacht. Es kann zu einem manipulativen Spiel werden, der eine versucht den anderen auszutricksen. Da es immer nur Hinweise gibt, sind Bücher über Ausdrucksverhalten beliebt. Da wird einem dann „verraten“ woran man todsicher erkennen könne, ob der

6 andere zugänglich ist oder nicht. Alles leere Versprechungen! Denn im einen Fall kann es stimmen, im anderen nicht. Und derjenige der weiß, daß ich weiß, daß er weiß - kann mich ja beliebig täuschen. Hinzu kommt, daß jeder Mensch bezüglich eigener interner und externer Situationen sehr verschiedene Stilformen anwenden kann.

3. Beide spielen mit den vorhandenen Möglichkeiten und erkunden sie darüber. Ein Ziel des Spieles ist es, Gemeinsamkeit und Überein- stimmung bei vorhandenen Möglichkeiten herauszufinden. Das Erleben dabei entspricht der Vorfreude auf kommende schöne Ereignisse, wobei es noch nicht ganz sicher ist, ob diese Vorfreude berechtigt, kühn, tollkühn oder gar verrückt ist. Die Kunst des Flirtens besteht dann darin, dieses Spiel zu genießen und auszureizen. Die Teilnehmer lernen ihre Stärken kennen. Man könnte natürlich die Karten einfach auf den Tisch legen und dann feststellen, ob man übereinstimmt oder nicht. Es ist jedoch spannender und die Phantasie anregender, Gefühle füreinander zu er- raten, als sie offenzulegen. Im Übrigen verhindert dieses vorsichtige Aufeinanderzugehen, daß sich der eine oder andere - oder beide - im Überschwang der Gefühle völlig verrennen. Wer möchte schon in der lächerlichen Position des Rotkehlchens sein, daß ein rotes Wattebäusch- chen angeht, oder des Stieres, dem zur Paarung bereits ein Fell auf einem Gestell reicht?

4. Das Reizvollste am Flirt besteht jedoch darin, daß über den Flirt nicht nur vorhandene, sondern auch die Entwicklung ganz neuer Möglich- keiten angeregt werden. D.h., im Flirt liegt immer auch eine Ver- heißung, eine Versprechung, eine Provokation und Anregung. Gerade die Tatsache, daß „noch nichts“ passiert, erlaubt dem einen, alle möglichen Ideen und Phantasien anzuregen, und dem anderen sie aufzunehmen und ihnen auf der Phantasieebene nachzugehen. Es werden damit Begehren, Wünsche, Sehnsüchte einem konkreten Menschen gegenüber entwickelt, die vorher noch gar nicht da waren. Aus diesem Grund wäre es auch falsch oder gar unmöglich, sich einfach dem anderen zu öffnen - es ist vielleicht noch gar nichts richtig da. Irgendwann merken die Beteiligten dann plötzlich, daß etwas entstanden ist: Ella Fizgerald besingt dies in: „This was the end of a wonderful friendship, and just a beginning of love." Das gleiche Thema bei K. Lage in: "Tausendmal berührt, tausend mal ist nichts passiert, plötzlich einer Nacht, hat es zoom gemacht.“

5. Ein Flirt ist somit immer ein Spiel mit Distanz und Nähe. Mit jeder signalisierten Bereitschaft zur Nähe wird zugleich eine Distanz hergestellt: Im Verlaufe eines intensiven persönlichen Gespräches läßt der eine ein- fließen, daß er sich am Abend mit seiner Freundin treffen wird - ein Distanzsignal an den anderen. Mit jeder signalisierten Distanz wird zu- gleich eine Annäherung praktiziert: Eine Studentin teilt einem Kommilitonen mit, wie froh sie sei zur Zeit ohne Freund und damit völlig unabhängig zu sein. Zugleich umarmt sie ihn zum Abschied aber zärtlich

7 und gibt ihm einen Kuß auf den Mund - der nun zu allerlei Phantasien an- regt - ein gelungener Flirt.

Politiker und Werber, die sozusagen nur eine Marktforschung nach vor- handenen Bedürfnissen machen, verfehlen in der Regel das Ziel. Viel wichtiger ist, bei den Menschen die Entwicklung von Visionen und Ge- fühlen zu fördern. Eine Ware verkauft sich oft nur über das damit erzeugte Image, das zur Ware selber nur eine sehr entfernte Beziehung hat. Man nennt das auch „Bedürfnisse wecken“. In der Liebe spricht man von Ver- locken oder Verführen. Berühmtes klassisches Vorbild ist die Be- gegnung von Odysseus mit den Sirenen oder der Besuch bei der Zauberin Circe (jemanden becircen). Ob man den Appetit auf ein Essen durch schöne Umgebung, erlesene Bedienung und appetitliche Anrichtung er- höht, oder die Sehnsucht eines Menschen durch verführerische Kleidung, Mimik, Gestik oder Umgangsweisen weckt, kommt auf dasselbe heraus, es werden Bedürfnisse geweckt. Selbst die Herrschaft über Menschen findet wirksamer durch Herrschaft über die Entwicklung ihrer Bedürfnisse und Wünsche als über Herrschaft über die Mittel zur Befriedigung statt. Die Kirche hätte nie Macht über Tod und Leben von Menschen (Hexenverfolgung, Kreuzzüge, Religionskriege) gehabt, wenn sie nicht die Sehnsucht nach Erlösung gefördert und Er- füllung um den Preis von Verzicht und Anpassung an Normen versprochen hätte. Seuchen und Naturkatastrophen wurden und werden noch heute als göttliche Strafen auf sexuelle Freizügigkeit hin gedeutet (die Sintflut, Sodom und Gomorrah, die Ödipussage, Hexenverfolgung , muslimische Fundamentalisten), und deren Einschränkung als Abwehr gegen diese Plagen angestrebt. Die Religiosität nimmt mit der Armut zu und mit dem Reichtum ab: Der Reiche ist weniger erlösungsbedürftig, er leidet weniger. Der ursprüngliche Buddhismus (Siddharta Gotama, 560-480 v.Ch.) sieht im Verzicht auf Be- gierden und Leidenschaften (nebst beenden von Unwissenheit) den Königsweg heraus aus dem Leiden. Hätte sich diese Haltung in Indien durchsetzen können, wäre sie eine machtvolle Gegenbewegung gegen das Kastensystem geworden, das die Herrschaft der arischen Einwanderer über die unterdrückten Völker sicherte. Flirten hat daher viel mit der Entwicklung von Bedürfnissen, Wünschen, Hoffnungen, Sehnsüchten zu tun. Ein völlig saturierter oder asketischer Mensch flirtet nicht mehr. Das Geheimnis des guten Flirts besteht viel eher in seiner Eignung, Bedürfnisse zu wecken und zu entwickeln, als vor- handene zu befriedigen. Flirten findet daher nicht nur in erotischen, sondern in allen Beziehungen statt, in denen noch offen ist, was Menschen miteinander voneinander wollen oder wünschen. Die experimentelle Forschung (Tramitz z.B.) ist ziemlich langweilig und unergiebig. Sie läßt dem Flirt gar keine Zeit (zu teuer und zu schwer zu untersuchen), sondern will alles über den Flirt in einer wenige Minuten dauernden Begegnung herausfinden. Es kommen dann so unsinnige Er- gebnisse heraus wie "Irren ist männlich" oder "Die Frau beginnt den Flirt".

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Flirten unterscheidet sich von Verliebtheit. Wenn man verliebt ist, kann man zwar auch flirten und wird das wohl auch meist tun. Aber nicht jeder der flirtet, ist verliebt, und nicht jeder, der verliebt ist, flirtet. Ein wesent- licher Unterschied besteht darin, daß der Verliebte schon weiß, daß er den anderen will, der Flirter weiß nur, daß er vielleicht wollen könnte, wenn er täte wie er fühlte wie er merkte, daß er sah wie sie guckte..ach! und überhaupt!.. Im Moment der "Liebe auf den ersten Blick", vor allem, wenn sie gegen- seitig ist, sehen etliche den effizientesten Flirt überhaupt, sozusagen den Treffer im Lotto. Dieses Verständnis von Flirt ist einer der Gründe, warum so viele Menschen nicht mehr flirten: Sie warten auf den großen Durch- bruch. Wenn zwei miteinander flirten, sind sie sich irgendwie einig und lassen es langsam - und beim heißen Flirt schneller - angehen. Die nicht beteiligten Partner reagieren dann z.B. eifersüchtig, die Anderen, die auch gerne flirten würden, erfreut, amüsiert oder auch neidisch. Auf jeden Fall sind sich die Flirtenden einig, daß der Flirt etwas sehr Schönes ist, das auf Gegenseitigkeit beruht und beide bereichert.. Während die meisten Menschen kein Problem mit einem laufenden Flirt haben, tun sich viele doch enorm schwer, in einen solchen überhaupt hereinzukommen, und das ist der Grund, Flirtkurse anzubieten oder Bücher darüber zu schreiben. Ein Flirt wird nämlich leicht als Anmache erlebt, wenn er ein- seitig ist und/oder der Flirtende dies nicht bemerkt oder nicht bemerken will, bzw. der Flirtende hat Angst, daß dies geschieht. Heimlichkeit oder Exklusivität sind keine notwendigen Merkmale des Flirtens. Flirts finden öffentlich statt, wenn jemand keine negativen Folgen zu befürchten hat. Wem das Herz voll ist, dem fließt der Mund über. Man kann außerdem mit mehreren Menschen nahezu gleichzeitig flirten. Man sagt dann, sie (oder er) verdrehte allen möglichen Leuten den Kopf. So flirtet dann der Popstar mit seinen Fans. Diese wenden dann alles an, um auf die eine oder andere Weise mit ihm zu flirten (hinter die Bühne zu kommen, schreiben, ihn im Hotel oder auf der Straße treffen usw.). Die erotische Komponente spielt bei vielen Flirts eine wesentliche Rolle, sie ist aber keineswegs notwendig und bei vielen Flirtarten auch völlig ab- wegig. Das ist die Quelle vieler Mißverständnisse.

1.5Flirten und Nebenwirkungen

1.5.1Die positiven Auswirkungen eines Flirtes sind vielfältig.

Man fängt an, vom Gegenüber zu träumen, denkt an ihn, trägt sein Bild in der Vorstellung herum und hat Freude an diesem Bild. Ideen und Phantasien einer Begegnung entwickeln sich spielerisch und von alleine. Die Stimmung wird angehoben, ist freudig, optimistisch, gut gelaunt. Der Humor läuft leichter an, man kann mehr lächeln und mehr lachen und nimmt täglichen Ärger nicht mehr so ernst. Auch anderen Menschen be- gegnet man entspannter, großzügiger und freundlicher. Statt selbst-

9 bezogen herumzugrübeln und an sich zu zweifeln richtet sich die Aufmerk- samkeit mehr auf die Welt und man wird neugierig auf die Person des anderen. Wenn der Flirt wechselseitig ist, fühlt man sich begehrt und attraktiv und genießt es, den Anderen zu begehren. Das Leben lockt plötz- lich und sieht in mir und um mich herum strahlender aus - wenn es ein guter Flirt ist. Und, merkwürdigerweise, der gerade noch verzweifelt ge- suchte Sinn im Leben ist gar kein Problem mehr - seit das Leben sinnlicher geworden ist. Selbst die „sinnlose Arbeit“, die man noch kurz zuvor für die Ursache allen Übels hielt, hat nichts Erdrückendes mehr, sondern kann einfach erledigt werden. Die Welt erscheint nicht mehr so erdrückend, überfordernd, leer und lustlos. Bei vielen sinkt der Alkohol-, Zigaretten- und Fernsehkonsum und der Kühlschrank stellt so wenig eine Bedrohung dar wie eine Boutique. Tägliche Konflikte werden leicht, souverän und großzügig gelöst. Man entscheidet beruflich intuitiver und wird eher bereit., Verantwortung zu übernehmen. Und es erstaunt nicht besonders, daß gute Flirts schnell weitere Flirts nach sich ziehen. Menschen gehen mehr auf einen zu. In amüsanter Form hat Soschteschenko diese Auswirkungen in einigen Kurzgeschichten be- schrieben (z.B. 1967, Der Flieder blüht, Goldmann).

1.5.2Unerwünschte Nebenwirkungen Obwohl Flirten „nur“ ein Spiel mit Möglichkeiten ist, sind sich die Flirtenden in der Regel sehr bewußt, daß ein Flirt „unerwünschte Neben- wirkungen“ haben kann, besonders wenn der Flirt sich auf die Liebe und die Erotik bezieht.

Denn im Moment des Flirtens zeigt man etwas von sich, wird sichtbarer und damit verletzbarer. Man läßt Gefühle, Wünsche, Sehnsüchte und Phantasien bei sich zu - und kann darüber ganz schön durcheinander ge- raten. Liebesgefühle z.B. können so stark werden, daß sämtliche anderen Lebensinteressen und Pflichten zweitrangig oder irrelevant werden. Beispiel: Ein Elektrotechnik-Student verliebt sich nach einem heißen Flirt im Urlaub Hals über Kopf in ein Mädchen, das für ein Jahr nach Australien geht. Diese (erste) Liebe absorbiert ihn dermaßen, daß sein Studium ins Hängen gerät und er im Vordiplom nur mit allergrößter Mühe und schlechten Noten durchkommt. Eine Architekturstudentin weist aus diesem Grund eine Flirtchance zurück: "Ich kenne mich, wenn ich jetzt damit anfange, kann ich meine Diplom- arbeit abschreiben. Ich will erst die Arbeit fertig haben, dann kümmere ich mich um die Liebe." Nicht wenige Studenten beginnen daher mit der Liebe erst nach Abschluß ihrer Dissertation, z.B. mit 3O.

Aus erfolgloser Verliebtheit können auch tiefste Enttäuschung, Schmerz, Entwertungsgefühle, Verzweiflung, Sinnlosigkeitserleben, Einsamkeit oder

10 auch nur Chaos und Desorientierung entstehen. Der Flirt als Spiel mit positiven Möglichkeiten wird zum blumengeschmückten Tor zur Hölle, wenn ein Flirter sich verliebt, der andere aber nicht, und aus seiner Ver- liebtheit nicht mehr heraus kann oder will. Fehlende Übereinstimmungen in den Beziehungserwartungen können zu Verzweiflung auf der einen Seite und Schuldgefühlen auf der anderen führen. Ein schöner Abend, ein Kuß, eine sexuelle Begegnung stellt nicht selten für den einen Partner nur einen Flirt mit der Möglichkeit einer Liebesbeziehung oder nur ein Macht- spiel dar, während sie für den anderen Partner bereits Ausdruck einer Liebe und Verheißung einer Zukunft ist (Garcia Lorca: "Jede Leidenschaft schreit nach mehr").

Ein bislang hochmotivierter Student der Informatik wirbt nach einem wunderschönen gemeinsamen Flirt in der Cafeteria vergeblich um das Mädchen. Er träumt tage- und nächtelang von ihr, versucht vergeblich, sie zu treffen, zweifelt an sich und seinem Wert und bricht darüber nicht nur in seiner Stimmung, sondern auch seinem Studium völlig ein. Das Leben kommt ihm plötzlich sinnlos und leer vor. Das engagiert betriebene interessante Studium wird zur mühseligen, faden, auferlegten Pflicht. Goethe stellt in Werthers Leiden die Folgen eines aussichtslosen Flirts dar - Werther erschießt sich. Auch Hesses Held im Steppenwolf kommt nach einem aussichtslosen Flirt um.

Hoffnungslose Verliebtheit entsteht vor allem dann, wenn jemand sehr schnell einen Flirt bereits mit Verliebtheit verwechselt. Die Weigerung des Umschwärmten, sich auf eine Beziehung einzulassen, regt seine Phantasie nur noch mehr an, bzw. beschränkt sein Gefühlsleben auf die Phantasie. Manche Menschen können so Jahre damit verbringen, sich um jemanden zu bemühen - der nicht will, aber sie auch nicht entschieden zurückweist. Im Extremfall gerät ein Mensch in einen Liebeswahn, ohne daß der Um- schwärmte etwas davon wissen muß oder nachvollziehen können muß, was er dazu beigetragen haben soll. Beispiel: Ein junger Mann stolpert in der Diskothek über die provozierend ausgestreckten Beine eines Mädchens. Auf dem Heimweg erinnert er sich an die Szene und das Lachen des Mädchens. Er gelangt zur festen Über- zeugung, sie habe ihm absichtlich das Bein gestellt, um ihm ein Zeichen zu geben, und rennt zurück um sie zu suchen. Weder jetzt noch in den nächsten Monaten gelingt es ihm, sie wiederzufinden. Noch nach Jahren hat er das Gefühl, die Frau seines Lebens verpaßt zu haben. Viele bereuen es bitter, nicht rechtzeitig den Mund aufbekommen zu haben. Für diese immer etwas zu spät schlagfertigen Menschen sind schon Radiosendungen gemacht worden, in denen sie dann über den Äther ihre Ruf- und Such- meldung abgeben können.

Die Verzweiflung richtet sich aber auch gegen andere: Der verschmähte Flirter reagiert mit Unglauben, Haß und dem Entschluß, daß niemand sonst den Gegenstand seines Begehrens haben soll und bringt die be- gehrte Frau um (Tom Dooley: But the gall refused me, so I stabbed her

11 with my knife). Letztlich wurde in der Presse der Totschlag eines Mädchens durch einen verschmähten 15 Jährigen berichtet. Weil eine Gruppe von Jungs bei einer Mädchengruppe in der Heidelberger Jugend- herberge nicht ankam, provozierten sie eine Rauferei, in deren Verlauf einer der Abgewiesenen einen Jugendlichen erstach. In den USA kommt sehr häufig der „date-rape“ vor. Ein Mann glaubt, sexuelle Ansprüche an ein Mädchen zu haben, wenn es mit ihm ausgeht und vergewaltigt sie im Falle einer Weigerung.

Der reale Partner eines Flirtenden reagiert mit Eifersucht, Ärger, Aggressivität. Auch hier sind Mord- und Totschlag sowohl gegen die Liebste als auch den Rivalen nicht selten (Udo Lindenberg: Mach meinen Engel nicht an, sonst kriegst Du dermaßen eins auf die Schnauze). (Lied: Frankie and Jonny: He was her man, but he done her wrong). Neidische und moralisierende Nachbarn und Kollegen können durch üble Nachrede einen unschuldigen Flirt zu einer explodierenden Tretmine machen, vor deren umherfliegenden Splittern sich das Opfer nicht schützen kann. Frauen kommen dabei meist noch schlechter weg als Männer und urteilen auch härter. Extreme Abwertung kann jemand erleben, der in der Öffentlichkeit in konservativen Ländern flirtet, wobei Frauen wesentlich härter beurteilt werden als Männer.

Jedes Liebesbegehren löst auch die Angst vor Enttäuschung und Schmerz im Falle des Scheiterns oder die Angst vor der Bindung und der damit un- vermeidlichen Einschränkung der eigenen Lebensmöglichkeiten aus (Riemann, Grundformen der Angst). Wer sich mühsam aus einer leidvollen Beziehung herausgelöst hat, umgibt sich daher nicht selten mit einer spröden, abweisenden Aura, um nicht durch Flirts erneut in die Ver- suchung geführt zu werden. Die Sorge vor einem „Raus aus den Kartoffeln, rein in die Kartoffeln“ ist dominierend. Deutet jemand einen Flirt stets als Bemühung um eine Liebesbeziehung, so wird sein Flirtver- halten auch erheblich durch die Gefahren der Liebe mitbestimmt. Nach zwei gescheiterten Beziehungen mit extrem bevormundenden Männern lehnt eine junge Frau alle weiteren Annäherungsversuche ab. „Macker vertrag ich nicht, die anderen sind mir zu langweilig. Ich muß erst wissen, was ich eigentlich will.“ Ironischerweise hat sie seitdem mehr Flirtchancen als je zuvor und kann sich das nicht erklären.

Ein Flirt als Spiel mit Möglichkeiten enthält wenig Verbindlichkeit. Jeder kann jederzeit gehen oder kommen. Es bestehen über die Beziehung keine Absprachen. Einige nutzen die Unverbindlichkeit eines Flirtes und leben ihn als ausschließliche Beziehungsform: „Wenn wir zusammenziehen würden, also, richtig als Paar auftreten oder gar heiraten, dann würde alles kaputt gehen.“ So ein Flirt ist für jemanden, der eine verbindliche Beziehung sucht, weder Fisch noch Fleisch und sie lehnen solche Flirts grundsätzlich ab.

12 Zwischen zwei Mitgliedern einer Skigruppe entwickelt sich ein stürmischer Flirt, der auch nach dem Urlaub weitergeht. Das Mädchen stellt den Mann vor folgende Alternative: Ich habe keine Lust zu spielen, meine Zeit ist mir zu kostbar. Wenn Du mich willst, sag ja, wenn nicht, geh! Weiteres Flirten wird als unerwünschtes „Herummachen“ gewertet. In diesem konkreten Falle sagte der Mann übrigens ja und hat es nicht bereut. Andere sagen: Ich habe mich drängen lassen, ich hätte mehr Zeit be- nötigt.

Flirts mit dem Ziel einer bestimmten Position in der sozialen Ordnung oder mit dem Ziel der Nähe zu einem Menschen - unabhängig von der erotischen Beziehung - scheinen den meisten Menschen ungefährlich und unproblematisch. Das ist aber nicht richtig. Die Warnung "Spiel nicht mit den Schmuddelkindern" hat durchaus ihre Berechtigung, vom Standpunkt der Warner auf jeden Fall. Jemand kann sich in Rivalitäten völlig verzetteln und die freundschaft- lichen und erotischen Aspekte völlig vernachlässigen. Er ist dann z.B. erfolgreich - aber es mag ihn keiner mehr - ein häufiges Männerrisiko. Andere klammern sich intensiv an einen Freund oder eine Freundin, haften an ihren Eltern und tun alles, um die nahe und gute Beziehung zu erhalten und zu entwickeln. Sie sind nicht mehr offen für erotische Beziehungen und/oder vernachlässigen erheblich ihre berufliche Interessen. Dies ist ein typisches Frauenrisiko.

2 Kann - muß man das Flirten lernen?

2.1Flirten früher: Früher sprach man nicht von Flirten, sondern von der Kunst der Liebe. Flirten war stets eingeschränkt auf seine Eignung, Liebesbeziehungen her- zustellen. In den „Kama Sutras“, den Aphorismen über die Liebe, hat im 3. Jahr- hundert nach Christus der Brahmane Vatsyayana aus alten Schriften An- leitungen zur Aufnahme und Gestaltung von Liebesbeziehungen zu- sammengestellt. Flirt und Sexualität werden untrennbar mit dem spirituellen und sozialen Moment verbunden, während Sexualität als selbstbezogener und nur der eigenen Lust dienender Akt als brutal und dumm galt. Ein guter Flirt hängt weitgehend von der Geduld, Sorgfalt, Ausdauer und Einfühlungsfähigkeit des Flirtenden ab. Der Flirt wird bei ihm immer als Vorläufer einer sexuellen Beziehung und oder Bindung ge- sehen. Mit 19 Jahren schrieb Ovid seine Liebeselegien, mit 4O seine „Kunst der Liebe“. Im ersten Teil gibt er Anleitungen, wie man einen Partner findet, im zweiten, wie man ihn gewinnt und im dritten, wie man ihn hält. Auch

13 er hebt Rücksicht auf den Partner, Geduld, Liebe zum Detail und - last not least - Anstrengung hervor (Labor). Goethe, dessen Gedichte sich vor allem großenteils auf die Liebe beziehen, hatte seinen ersten Verkehr mit 4O. In seinen Lebenserinnerungen (Dichtung und Wahrheit) beschreibt er den enormen Aufwand, den er für Flirts betrieben hat. Eine hübsche kleine Flirtgeschichte beschreibt Eichendorf in "Aus dem Leben eines Tauge- nichts". Im Laufe der Jahrhunderte gab es in den verschiedenen Gesellschafts- schichten verschiedene Stile. Da gab es den galanten französischen Stil bei Hofe, den christlichen frommen Stil in bürgerlichen Familien, den rituellen Stil in reichen Bürgerhäusern, bei denen Hochzeiten arrangiert wurden, die romantische Verklärung und Schwärmerei (Werthers Leiden). Immer wurden auch rituelle Begegnungen ermöglicht, bei denen sich die Menschen kennenlernen konnten: die religiösen Feste, Jahrmärkte, Karneval vor allem, Erntefeste, Tanzstunden, Hochzeiten usw..

2.2Flirten heute In der Neuzeit gibt es zahllose Schriften, von Erichs Fromms berühmten Buch über die Kunst der Liebe im Allgemeinen bis hin zu zahlreichen Büchern über das Flirten im Besonderen. In zahlreichen Städten der BRD gibt es Flirtschulen und werden Flirtkurse angeboten. Zeitschriften verfassen Leitartikel darüber und Rundfunksender und Fern- sehen stellen Sendungen darüber her. Es gibt verschiedene Bücher über die „nichtsprachliche Kommunikation“, speziell die Sprache von Gestik und Mimik. Man erhofft sich, die bewußten oder unbewußten Signale des anderen entziffern zu können, um so risikoloser in eine Beziehung zu ge- raten oder ihr aus dem Wege gehen zu können. In verschiedenen wissen- schaftlichen Experimenten wird versucht, daß Flirtverhalten zwischen Männern und Frauen zu dechiffrieren. Es werden Belege für die Unter- schiede zwischen Männern und Frauen gesammelt. Aber es wurden bis- lang keine „Signale“ gefunden, die eindeutig erkennen lassen, wem es in einer Begegnung um was eigentlich geht. Der Kontext ist meist wichtiger als die absolute Bedeutung von Signalen. Ein gutes Dutzend Bücher über das Thema Flirten sind in den letzten Jahren erschienen.

Über Kontaktannoncen und Vermittlungsinstitute haben Menschen schon immer versucht, in Kontakt zu kommen. Oft werden Leute für bestimmte Hobbys wie Musik, Sport, Reisen, Wohngemeinschaften oder Bürger- initiativen gesucht. Am häufigsten geht es um Partnerschaften. Inzwischen sind die Partnerschaftsanzeigen um einen Flirtmarkt erweitert worden. In der weitverbreiteten Anzeigenzeitschrift für gebrauchte Gegenstände, "Sperrmüll," gibt es verschiedene Möglichkeiten, Flirts zu arrangieren: über die Flirtbox, die Flirt-Mail-Box, und last not least über eine spezielle Anzeigenrubrik für alle diejenigen, die erst zehn Minuten später schlag- fertig sind. Sie können hier nach dem Menschen suchen, mit dem Sie einen freundlichen Blick - aber leider keine Telefonnummern ausgetauscht

14 haben. Wer nicht rechtzeitig den Mund aufbekommen hat und nun dem verpaßten Flirt nachtrauert, kann z.B. über Radio Regenbogen Sonntags 16-18.00 Uhr unter Nummer 0138/8000 "Die heiße Spur - Wo bist Du" seinem/ihrem Schwarm nachspüren.

In etlichen Städten gibt es schon lange spezielle Cafés, in denen sich Menschen mit Kontaktinteresse treffen, wie der „Ball der einsamen Herzen“ oder eigens organisierte Singlefeste. Z.B. mit dem Titel „Fisch sucht Fahrrad“. Das ist eine ironische Anspielung auf den

Wenn sich viele Menschen bei einem gemeinsamen Anlaß treffen, wie z.B. bei Kirchentagen, Demonstrationen, Popfestivals, im Theater oder im Schwimmbad, dient das auch der Möglichkeit, sich zu begegnen und Flirtmöglichkeiten zu entwickeln. Kämpferischer Spruch: Eine Frau ohne Mann ist wie ein Fisch ohne Fahrrad. Wer sich in einer Stadt auskennt, kennt die Wirtschaften, Stellen in den Bädern oder auf den öffentlichen Grünanlagen,. an denen sich Menschen mit Interesse an Flirtkontakten aufhalten. Andere suchen den Club Med oder den Robinson Club auf bzw. gehen regelmäßig nach Mallorca in den Ballermann 6 oder eine andere Wirtschaft, in der Flirten hoch im Kurs steht.

Die eingangs gestellte Frage, ob man Flirten lernen müsse oder könne ist faktisch beantwortet. Gäbe es keinen Bedarf, gäbe es die angeführten An- gebote nicht. Es ist deutlich, daß immer dann, wenn explizit von Flirten die Rede ist, die Anbahnung einer Partnerschaft oder sexuellen Beziehung gemeint ist. Das wird noch deutlicher, wenn inzwischen nicht mehr von Flirten, sondern von "Dating" die Rede ist. Die Zeitschrift "Cosmopolitan" titelt entsprechend "Besser als Flirten: Dating. Die klügsten Strategien für das neue Spiel mit der Liebe."

In unseren heutigen Arbeits- und Lebensformen ist es nicht immer leicht, sich zu begegnen, wenn man erst einmal die koedukative Schule ver- lassen hat. Die einen fühlen sich in der Enge und Kontrolle des Dorfes ausgebremst, die anderen sich in der Anonymität der Städte verloren, in denen die Menschen sich hinter Mauern und Masken verbergen. In manchen Stadtvierteln kann es einem passieren, daß man nicht einmal jemanden auf der Straße trifft, um nach dem Wege zu fragen. Die vor- handenen Menschen sausen in Blech eingepackt an einem vorbei. Von daher ist es naheliegende, den früheren Dorfball und die jährliche Messe um neuere und angemessene Begegnungsformen zu ergänzen. Diese Angebote sind alle ähnlich konstruiert: Durch eine bestimmte Organisationsform wie z.B. Chiffreanzeige oder den Telefonkontakt soll möglichst keine beschämende Zurückweisung möglich sein, so daß ohne Risiko eine Annäherung möglich ist. Es wird dabei jedoch sehr leicht übersehen, daß dadurch auch die An- spruchshaltung und die Erwartungen an den anderen steigen - beides

15 hochwirksame Flirtkiller, die vor allem der Entwicklung neuer Gefühle im Wege stehen. Außerdem wird so aus der anfänglichen Situation "Ich be- gehre Dich, mag Dich, bewundere Dich, freue mich über Deine Gegen- wart" ein "Bringt mir das was" oder "finde ich den richtigen/die richtige (für welchen Zweck auch immer)"? Diese Konsumhaltung ist ein weiterer wirksamer Flirtkiller, weil sie das Spiel zugunsten eines möglichst günstigen Einkaufs gründlich verdirbt. Kaum ist der Einkauf nämlich erledigt, ist das Spiel, und damit sein Reiz, zu Ende. Sehr eindrücklich be- schreibt N. Leskov diesen Effekt in der Erzählung der verzauberte Pilger.(1961, S.73ff)

Wie auch immer: Es besteht ein enormes Interesse daran, mit dem jeweils begehrten anderen oder auch eigenen Geschlecht in einen guten Kontakt zu kommen und die Chancen dazu zu verbessern. Der Flirt als eine eigene Begegnungsform bietet eine verlockende Perspektive: Er verspricht mehr Chancen, in Beziehungen zu kommen, als wenn man nur warten würde. Er erfordert andererseits jedoch noch nicht, daß man schon in eine Be- ziehung einwilligt.

Auffällig ist, daß Flirten zu allen Zeiten fast ausschließlich als der kurze Weg zum langen Glück einer sexuellen Liebesbeziehung ge- sehen wurde. Diese Sichtweise ist verengt und dadurch irre- führend. Sie ist mit einer der Gründe dafür, daß vielen Menschen das Flirten so schwer fällt und sie sich so schwer tun, das Flirten zu lernen bzw. zu praktizieren (was denken denn die Leute!). Tatsächlich ist der Flirt mit erotischen oder Liebesgefühlen nur ein spezieller Fall des Flirts, aber keineswegs der einzige, mög- licherweise nicht einmal der entscheidende. Zunächst also etwas über einige psychologische Hintergründe des Flirtens.

2.3Flirts sind Ausdruck von Beziehungswünschen Flirts sind nur auf dem Hintergrund unserer Wünsche nach Begegnungen und Beziehungen möglich. Glück und Zufriedenheit hängt für die meisten Menschen von guten Beziehungen zu Kollegen, Nachbarn, Freunden, der Familie und Liebespartnern ab. Tatsächlich sind solche Beziehungen oft nicht leicht zu erreichen und nicht leicht zu erhalten. Wie oft sieht man jemanden und würde ihn oder sie gerne näher kennenlernen, schafft aber den Schritt über diesen entsetzlichen leeren Zwischenraum nicht. Was denkt der Andere, wenn er erstmal merkt, oder gar sicher weiß, daß ich ihn mag oder begehre? Wer kennt nicht die Angst vor einem Korb, einer Zurückweisung, einer Enttäuschung? Hinzu kommt die Sorge, daß man sich todsichere Chancen durch ein unbedachtes Vor- gehen vermasseln könnte. Wer kennt nicht die endlosen inneren oder mit Freunden angestellten Überlegungen, wie ich den begehrten Menschen dahin bringen kann, mich zu mögen, zu achten, zu begehren und Dinge des Lebens mit mir zu teilen?.

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2.3.1Der Machtflirt: Du sollst mich mögen und nicht zurückweisen. Von einem Machtflirt ist dann die Rede, wenn der Flirt nur als ein Trick, als eine Strategie verstanden wird, Beziehungsinteressen beim anderen Menschen durchzusetzen. Der Machtflirt soll die Freiheit eines anderen Menschen in zwei wichtigen Punkten einschränken: 1. Er soll mich lieben und nicht die Freiheit haben, mich abzulehnen, zu ignorieren oder zu ver- lassen. 2. Er soll meine Liebe annehmen, und sie nicht zurückweisen oder gering- schätzen. Aus diesem Grunde versuchen Menschen, ihre Macht und Kontrolle über den Anderen zu verstärken. Drei Strategien sind dabei gut unterscheidbar:

1. Begehrlichkeit wecken: Man weckt die Interessen und Begierden des Anderen, indem man sich attraktiv, schön, verführerisch und anziehend macht - bis daß der Andere nicht anders kann als mich zu mögen. Die Überlegene sagt dann: „Männer umschwirren mich, wie die Motten das Licht, und wenn sie verbrennen, dafür kann ich nicht.“ Der Unterlegene sagt dann wie in dem alten Volkslied: “Das hat Deine Schönheit gemacht, die hat mich ans Lieben gebracht, mit heißem Verlangen.“ Sexuelle Gewalt wird von Männern oft damit gerechtfertigt, daß die Frau den Mann mit ihren Reizen nachgerade zur Gewalt genötigt habe. Das Urteil der Frau galt bis in jüngste Zeit hinein weniger als das der Männer und in vielen Ländern wurde die Frau als Opfer nicht weniger bestraft als der Täter. Inzwischen geht ein Trend in die gegenteilige Richtung: Die außerordentlich starke und hoch kultivierte Reizwirkung von Frauen auf Männer wird als eigener Machtfaktor geleugnet, oder die Frauen nur als Opfer gesehen (sie sind so auf Druck der Männer). Bei wechselseitiger Sehnsucht verfallen beide einander, müssen sich des- halb aber noch lange nicht frei und lebendig fühlen. Die Machtlosigkeit liegt darin, daß einer oder beide sich den Reizen des anderen ausgeliefert erlebt und sich nicht mehr frei fühlt. Nicht wenige halten das für die echte Liebe und Leidenschaft.

2. Abhängigkeiten herstellen: Man versucht, sich eine materielle, rechtliche oder physische Macht über den Anderen zu verschaffen und appelliert an dessen Lust, sich unterzuordnen, sich abhängig zu machen, oder nutzt seine faktische Abhängigkeit oder Schwäche aus. Der Über- legene sagt dann: „Ohne mich bist Du nichts, alles was Du bist, bist Du durch mich," oder: „Ich habe ein Recht auf Dich.“ Der Unterlegene sagt: „Ich brauche Dich doch so,“ oder „Ich kann nichts machen, ich bin wehr- los." Im günstigsten Falle wird ein Handel abgeschlossen. Ein Partner bringt sein Geld in eine Beziehung, der andere seine Schönheit. Die Beziehung bleibt stabil, solange der Deal aufrecht erhalten werden kann. (Comic Unternehmer-Sekretärin). Die Machtlosigkeit besteht darin, daß jeder in

17 Bezug auf seinen Gegenüber machtlos ist und nur durch „Dagegenhalten“ einen Ausgleich herstellen kann.

3. Versorgungswünsche wecken: Man versucht, sich unentbehrlich zu machen: tüchtig zu sein, hilfreich, kompetent, interessant, unterhaltsam und bietet so den entsprechenden Wünschen und Bedürfnissen der anderen etwas an. Der Überlegene sagt „Ich will Dir noch nur helfen, etwas schenken, meine es gut mit Dir, bin für Dich da, usw. Der Unter- legene sagt: Ich bewundere Dich, hilf mir, was soll ich jetzt tun, kannst Du mir mal helfen." Wenn der Blinde dem Lahmen hilft, kann das Verhält- nis ausgeglichen sein.

Eine 7O-jährige Amerikanerin richtete ihr ganzes Lebenskonzept nach diesen Aspekten aus: Wenn Du jung bist, mußt Du schön sein (attraktiv), wenn Du erwachsen bist, mußt Du interessant sein (unentbehrlich), wenn Du alt bist, mußt Du reich sein (mächtig). Sie hat sich an dieses Konzept gehalten, in dem die Liebe als Machtkampf selbstverständlich vorausgesetzt wird. Das war in ihrer Lebensgeschichte nicht verwunderlich: Sie wanderte in den zwanziger Jahren als 18-Jährige aus einer aussichtslos armen, kinderreichen Familien in die USA aus und biß sich dort durch.

Wir werden das Flirten, das aus dieser Haltung heraus vorgenommen wird, den Machtflirt nennen. Er ist der häufigste Flirttyp in westlichen Filmen und verspricht immer Erfolg.

In der Tat kann man nicht bestreiten, daß man durch gezielten und ge- schickten Einsatz seiner persönlichen Macht (stärker, schöner, klüger, reicher, charmanter, etc.) viele Arten von angestrebten Beziehungen er- reichen kann. Jedoch merkt derjenige mit der größeren Macht in der Regel sehr schnell, daß seine Macht wertlos ist, wenn er keine Abhängigen und Bewunderer hat. Außerdem kann er nie sicher sein, daß seine Macht wirk- lich ausreicht. Der Abhängige könnte jederzeit gehen - wenn seine Macht zunimmt und er frei wird. Schließlich merkt er, daß seine Achtung für den Abhängigen abnimmt und ihm dessen Bewunderung nichts nutzt, da sein eigenes Herz kalt ist. Was ich besitze und kontrolliere, begehre ich nicht mehr, es ist wie Essen ohne Hunger und Appetit. Viele sexuelle Perversionen sind Versuche, mit noch mehr Kontrolle und Macht doch noch Abenteuer und Aufregung zu erleben. Und es sind vergebliche, tragische Versuche, weil immer die freie Person des Anderen aus- geschaltet ist. Auch die bizarrsten Inszenierungen sind nur das: In- szenierungen, und daher bemitleidenswert.

Der Abhängige und Bewunderer andererseits merkt sehr schnell, daß seine Sicherheit trügerisch und verloren ist, wenn der Starke geht. Er merkt weiter, daß er auf seine Stärke verzichten muß, wenn er in dieser Rolle bleiben will. Der König verlangt Untertanengeist. Er bleibt dadurch in

18 der kindlichen Rolle des zu Versorgenden, und muß seine eigene Leiden- schaft und Autonomie aufgeben.

Beide, der Dominierende wie der Dominierte, beäugen sich daher mit intensivem Mißtrauen, das schnell zu heftiger Eifersucht und Gewalttätig- keit sich selbst oder dem anderen gegenüber ausarten kann.

Der Machtflirt enthält also immer eine Art Plan, wie die Wirklichkeit zu sein hat. D.h., aus Sehnsüchten, Wünschen, Visionen und Hoffnungen werden Erwartungen und Ansprüche. Im ersten Fall lasse ich dem Schicksal seinen Lauf, im zweiten Falle mache ich ihm Vorschriften. Statt mit offener Neugier auf ein Fest zu gehen, geht jemand mit der Er- wartung „ Heute treffe ich die Frau meines Lebens." (Bild Schuhreklame). Solche Erwartungen sind ähnlich dumm, wie: „Heute gewinne ich im Lotto.". Der Frust ist vorprogrammiert. Sie werden den anderen Menschen gar nicht mehr in seiner realen Situation sehen, sondern nur nach Maß- gabe seiner Eignung, Ihren Befürchtungen oder Erwartungen zu ent- sprechen. Tragisch ist, daß der andere von diesen in der Regel nicht aus- gesprochenen Erwartungen nichts weiß. Vielleicht treibt er ähnlichen Un- fug wie Sie und hat die Erwartung, daß Sie Erwartungen haben - ohne daß dieses zutrifft. Vielleicht ist es noch schlimmer: Sie haben fälschlich die Erwartung, daß der andere die Erwartung hat, daß Sie eine Erwartung an ihn haben. Das ist der Fall, wenn Sie z.B. versuchen „asexuell“ zu wirken, in der Annahme, Ihr Gegenüber wäre sowieso abgestoßen von dem Ge- danken, daß Sie nichts anderes als Sex im Kopf hätten. Sollte Ihr Gegen- über diesen Schwachsinn „erkennen“ und Ihnen nun signalisieren wollen, daß er/sie gar nichts gegen erotische Momente hat, werden Sie vermutlich denken, daß er/sie nur testen wolle, um herauszufinden, was für ein Schwein Sie sind...usw. Wenn Sie mit starren Erwartungen auf Menschen zugehen, wird es Ihnen wie Donald Duck gehen, der ein Grundstück mit reichem Silbervorkommen billigst an Dagobert abgibt, weil das dort erwartete Gold nicht anzutreffen war. Wenn es mir gelingt, auf unsinnige Erwartungen zu verzichten, erhöhe ich die unvermeidbare Angst und den unvermeidbaren Schmerz in mensch- lichen Begegnungen nicht noch um das zusätzliche Leid der eigenen In- effizienz und Unfähigkeit. Erwartungen sollte man nur dann entwickeln, wenn sie mit wirklichen Erfolgsaussichten versehen sind: „Ich erwarte, daß Du Dich an die Abmachung hältst und kommst." Der am Trapez erwartet, daß der Fänger im richtigen Moment da ist. Er wird sich kaum mit einem Wunsch oder einer Hoffnung zufrieden geben. D.h., Er- wartungen haben viel mit Vorhersage, Berechenbarkeit und Kontrolle zu tun. Im Flirt als Spiel mit Eventualitäten haben sie daher nichts zu suchen.

19 4. Angst und Gefügigkeit wecken: Ein wesentliches Ziel vieler Macht- flirts (Imponiergehabe, Einschüchterung, Drohung, Gewalt, Anzüglich- keiten), vor allem von Männern Frauen gegenüber, dient dazu, sexuelle Interessen und Herrschaftsinteressen Frauen gegenüber durchzusetzen. Auch der subtilste Machtflirt hat dieses Ziel, weshalb der "Verführer" oft ähnlich bestraft wurde wie der Gewaltanwender. Noch heute sind zahllose Männer der Ansicht, Frauen wünschten diese Art der Annäherung ins- geheim. Der Ethnologe H.P. Duerr weist in einem vierbändigen Werk (1. Band 1988) nach, daß sich vor allem Männer zu allen Zeiten und in fast allen Kulturen so verhalten haben. Er berichtet aber auch z.B. vom ungläubigen Entsetzen der Nharo-Buschleute über Vergewaltigung in den sogenannten zivilisierten Ländern. Sie wußten weder, daß es so etwas gab, noch konnten sie sich vorstellen, daß ein Mann dazu fähig ist (Duerr 1995, Band 2, S.241). In einem ähnlichen Irrtum befinden sich europäische Männer wenn sie es für unmöglich halten, daß eine Frau einen Mann ver- gewaltigen könne (Duerr 1995, Band 2, S.134 ff).

Es gibt eine vom Machtflirt sehr verschiedene Möglichkeit des Flirtens: Diese soll den Schwerpunkt der Ausführungen bilden.

2.3.2Die Flirtlust an der Flirtmacht

An die voreiligen Verbindungsstifter Jeder wandle für sich und wisse nichts von dem andern, Wandern nur beide gerad`, finden sich beide gewiß.

Goethe-Schiller, Xenien, Wegner, Hamburg 1964, S. 215

Jeder hat die Flirtlust an der Flirtmacht schon einmal beherrscht und kennt sicher auch Situationen, in denen er es heute noch erlebt. Es handelt sich dabei um eine angeborene Fähigkeit, die bei Kindern oft schon ab dem 6. Monat, manchmal sogar früher beobachtet werden kann. Besonders gut können es Kinder zwischen 1-2 Jahren. Das ist der Augen- flirt mit Lächeln, Wegsehen, wieder Hinsehen, tun als wenn nichts wäre, heimlich gucken und wieder lachen. Kinder können jedoch auch anders flirten: Sie drücken jemandem ganz überraschend einen Keks in die Hand, provozieren ihn mit einem Ballwurf, betteln einen kunstvoll an oder laufen davon, um ein Nachlaufen hervorzurufen. Es gibt einige Kinder, die das extrem gut können, andere sind da zurückhaltender. Kinder werden durch ihre Fähigkeit zu flirten wesentlich beliebter, als durch angepaßtes Verhalten oder ein hübsches Gesicht. Der Lausbub oder Pipi Langstrumpf werden im Gegenteil eher als nicht hübsch dargestellt. Die Flirtmacht

20 resultiert aus dem aktiven Lebensinteresse der Kinder und ihrer Freude am Neuen und am Spiel.

Flirten in diesem Sinne stellt eine Lebenshaltung dar: eine unmittelbare und spontane Freude am Spiel mit einer Begegnung mit einem anderen Menschen. Und dieses Spiel ist vor allem dadurch ausgezeichnet, daß es sich selber genügt, vergnüglich an sich ist und nicht erst dann erfreulich, wenn es als Mittel zum Zweck zu einer Beziehung geführt oder von einer Enttäuschung abgehalten hat. Das Kind lebt seine Stärke, ohne deswegen jemand zu besiegen oder sich vor etwas geschützt zu haben. Es hat Macht, ohne sie gegen jemanden einzusetzen. Wird jetzt wieder das Kind in romantischer Verklärung als das friedliche und glückliche Wesen idealisiert? Keineswegs! Das Kind leidet auch erheblich im Falle von Enttäuschungen und Zurückweisungen. Es wird dann langsam zum berechnenden Erwachsenen, der dann zwar nicht mehr so leidet - aber entsprechend weniger lebt. Wer von den Kindern lernen will, muß auch deren Leid und Kummer hinnehmen. Ein Flirt kann Nebenwirkungen haben, je größer und je heftiger der Flirt ist. Es soll noch gezeigt werden, daß diese Tatsache nur auf der Oberfläche ein „lästiges“ Risiko ist. In Wirklichkeit ist sie für den Flirt so wichtig, wie der Hunger für den Essgenuß. Das gleiche gilt für die Liebe zwischen Menschen, die ohne die Liebe zu Menschen und zum Leben überhaupt nicht möglich ist (siehe Fromm, Kunst des Liebens).

2.3.3Flirtmacht macht Flirtlust, Machtflirt macht Streß.

Die beiden verschiedenen Arten zu flirten sollen noch einmal gegenüber gestellt werden:

Beim Machtflirt üben Sie Kontrolle über den anderen und über sich aus. Machtflirt: Darunter werden sämtliche Tricks verstanden, mit denen man versucht, jemanden herumzukriegen. Und es ist schon erstaunlich, wie dämlich Menschen in dieser Beziehung sind - sowohl was die "Rum- kriegenden" als auch die "Rumgekriegten" anbetrifft. Die bekannteste Rolle ist die des Heiratsschwindlers, der dieses Metier professionell be- treibt. Aber nicht wenige Frauen, auf der Suche nach einer guten Partie, siegen ebenfalls - mit den Waffen einer Frau. Beim Machtflirt geht es um Sieg und Niederlage! Statt roher Gewalt wird eine subtilere Form ge- sucht, aber sie hat immer mit Macht über den anderen zu tun: Die Grund- frage lautet: Wie kann ich den anderen so manipulieren, daß er sich ver- hält, wie ich es gerne wünsche (mich liebt, begehrt, bewundert, unter- hält...). Die meisten Dramen und Tragödien in der Liebe entstehen aus diesen Haltungen. In Ihrem Buch „Masken der Sexualität“ vertritt Camille Paglia die Ansicht, daß es kein wirkliches Entrinnen aus dieser Lage gibt, auch wenn es die Psychologen noch so sehr behaupten.

21 Zum Machtflirt gehören folgende Strategien, um den anderen zu kontrollieren: Anquatschen, abschleppen, aufreißen, anbaggern, angraben, anmachen, erobern, rumkriegen, gewinnen (verlieren), sich durchsetzen können, den Macker/die Mieze machen, cool sein, lässig sein, andere abwerten (es gibt keine guten Frauen/Männer) oder sich abwerten (ich habe gar keine Lust), berechnen, einschätzen, alles schon wissen. Um sich selber zu kontrollieren, setzt der Machtflirter eine Fassade auf, täuscht etwas vor, verändert mit Drogen seine Gefühle in die gewünschte Richtung, erzeugt ein Bild von sich, etc. etc.

Zur Flirtlust gehören alle Verhaltensweisen, die die Autonomie ihres Gegenübers und ihre eigene berücksichtigen und respektieren. Zum Machtflirt gehören alle Bemühungen, diese Autonomie einzuschränken. Der Unterschied wird durch folgende Tabelle noch einmal verdeutlicht:

FLIRTLUST MACHTFLIRT sich attraktiv machen, pflegen Gockel, Schönling, Mieze.. mitreißen, engagiert sein, interessieren angeben, aufschneiden, dominieren, unterhalten bequatschen kooperativ, hilfsbereit, aufmerksam Opportunist, Softy, Kriecher, Diener empfindsam, offen, verletzlich, verklemmt, abwehrend, Fassade, zu hilfsbereit, erdrückend, einengend leidenschaftlich, sehnsüchtig gierig, Eigene Meinung, Position, Standpunkt rechthaberisch, egozentrisch, ohne Einfühlung Angst vor Trennung, besorgt eifersüchtig, kontrollierend originell, kreativ, lebendig verschroben, verbissen, fanatisch, fundamentalistisch. aufmerksam, interessiert aufdringlich, lästig, penetrant echt, stimmig, direkt, unmittelbar, verschlossen, rückt nichts raus, zeigt nichts, pokert, schauspielern, lügen dezent, wahrt Abstand, läßt Raum und Zeit, plump, fällt mit Tür ins Haus, distanzlos, wertschätzend, respektvoll bewertend, beurteilend, ein- schätzend, berechnend. lächeln, humorvoll, freundlich grinsen, sarkastisch, schmeicheln genießen, Freude, Überraschung Verputzen, selbstzufrieden, wußte schon alles aufgeregt, Schwalbe im Bauch, berührt Gestreßt, gespannt, nervös, ver- klemmt

22 Risiko, wagt etwas, ist angreifbar berechnet, schätzt ab, ist defensiv oder aggressiv großzügig, entgegenkommend engherzig oder überschüttend, zurückhaltend

Diese Gegenüberstellung ließe sich noch lange fortsetzen.

Es ist nicht immer einfach festzustellen, ob man sich gerade mehr der Flirtlust oder dem Machtflirt widmet. Zum einen beziehen sich Flirtlust und Machtflirt auf die gleichen Fähigkeiten: Ich kann mit Großzügigkeit jemand bereichern (Flirtlust) oder erdrücken (Machtflirt). Zum anderen ist der Machtflirt auch durchaus verlockend und verliert einiges von seinem abstoßenden Charakter, wenn er von beiden mit einem gewissen Humor als Spiel betrieben wird. Die Mehrzahl der Flirtereignisse ist zudem nicht so dramatisch und prägnant, daß immer leicht zu entscheiden wäre, was man eigentlich gerade tut.

Wer sich jetzt auf der Seite der Machtflirter erkennt, braucht nicht zu ver- zweifeln: Zum einen ist das der häufigste Stil überhaupt. Jeder kennt ihn und weiß mehr oder weniger um seine Grenzen und Möglichkeiten. Wenn sich zwei darüber begegnen, haben sie die Chance, großzügig und tolerant über den Unfug hinwegzusehen. Die Aufmerksamkeit wird dann mehr auf den guten Kern in der Geschichte gelenkt. Es ist erstaunlich, wie hoch die Toleranz von Menschen in diesem Bereich ist. Wenn beide sich zudem der Tat- sache des Machtflirtes bewußt sind und z.B. einen Ausgleich schaffen, kann durchaus auch Flirtlust daraus entstehen. Die Gegenüberstellung Flirtlust - Machtflirt ist offenkundig moralisierend und gehört gegen den Strich gebürstet: es widerspricht bereits der Idee der Flirtlust, in "alles oder nichts", "entweder - oder", "immer oder nie" - Kategorien zu denken und zu handeln. Es gibt keine wirksamere Flirt- bremse als Prinzipienreiterei. Das Leben besteht in der Regel aus "sowohl als auch" oder "mehr oder weniger". Die Gegenüberstellung dient lediglich der Verdeutlichung des Unterschiedes zweier verschiedener Haltungen, die letztlich immer beide mit in einen Flirt eingehen. Außerdem kann man zu jedem Zeitpunkt vom Machtflirt in die Flirtmacht zurückkehren, wenn man das will. Meistens rückt man dann einfach mit der Wahrheit heraus und riskiert einen Korb, gewinnt auf jeden Fall eine Ent - Täuschung. Man täuscht sich und den Anderen nicht mehr und befindet sich im er- frischenden (bis abkühlenden) Zustand der Aufklärung aus einer an- sonsten selbstverschuldeten Unmündigkeit.

Nur angedeutet sei, daß politische Umstände möglicherweise großen Einfluß auf bevorzugte Flirtarten haben. Während des Nationalsozialismus wurde vermutlich der Machtflirt bevorzugt (Führer befahl, wir folgten), in der Romantik (Werthers Leiden) eher die Flirtmacht. In unterschiedlichen

23 Kulturen hat das Flirten sehr verschiedene Rahmenbedingungen. In Afrika gehört es weitaus mehr zum guten Ton als in Europa, in arabischen Ländern kann es lebensgefährlich werden (s.a.....ethnische Umstände). In England, heißt es, bedeutet der Kommentar "einen reizenden Putzlumpen hast Du an" die unausgesprochene Bewunderung für den Träger des- selben. In Frankreich hätte man damit eine Freundschaft zerschlagen.

Der Machtflirt wird vor allem aus zwei Gründen anderen Flirtarten vor- gezogen: zum einen kann es einfach lustvoll sein, sich seiner Macht über einen anderen zu vergewissern. D.h., es geht gar nicht darum, mit jemanden eine gute Begegnung herzustellen, sondern darum, einen Punkt zu machen. Selbst Ovid, der dringend rät, nichts anbrennen zu lassen, rät von diesem Verhalten ab, da es langfristig für alle Beteiligten ruf- schädigend ist. Der andere Grund besteht in dem dringenden Wunsch nach einer sexuellen und/oder Liebesbeziehung zu einem bestimmten Menschen. Die „Liebeskunst“ von Ovid und die Kamasutra von Vatsyayana sind zwei klassische, aus diesem Geiste heraus geschriebene Werke. Beide betrachten das Flirten als listige Wege, den oder die Er- sehnte zu gewinnen. Constanze Elsner hat es mit den Titel „Wie reiße ich einen Mann auf?“ bzw. „Wie reiße ich eine Frau auf“ geschafft, alle Dummheiten und Platitüden des Machtflirtes zusammenzustellen. Wer also in diese Richtung flirten will, sollte sich diese Anleitungen zu Herzen nehmen, da sie eine glühende Verfechterin dieser Art des Umganges ist. Wer nicht, soll sie zur Abschreckung lesen. Wie groß das Interesse am Machtflirt ist kann man daran erkennen, daß diese Anleitung an die 2O Auflagen erlebt hat! Der Psychiater Erich Berne hat 1964 in dem kleinen Band "Games people play" (dt. bei rororo) dargestellt, wie sich solche Machtspiele auf den einzelnen und die Menschen um ihn herum auswirken, wenn sie zu Lebenshaltungen werden. Kurzfristigen Gewinnen stehen langfristig neurotische Lebens- gestaltungen mit geringer Lebensqualität gegenüber.

2.3.4Wie kommt man vom Machtflirt in die Flirtlust hinein?

Erinnerung (Goethe, Werke, Band 1, S. 133, Wegner, Hamburg 1964)

Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen, Denn das Glück ist immer da.

1. Wenn es mir gelingt, den angeflirteten Menschen zu respektieren, neu- gierig zu sein, ihm Raum für seine Möglichkeiten lassen, kann ich nicht viel falsch machen.

24 Versuche ich hingegen, den anderen zu manipulieren, ihn auszutricksen, einzuschränken usw., dann habe ich nicht mehr viel Chancen, etwas richtig zu machen.

2. Den gleichen Respekt wie für meinen Gegenüber muß ich allerdings mir selber zukommen lassen. D.h., ich darf mich selber ebenfalls nicht über- gehen, abwerten, manipulieren, mir eine Fassade zumuten, mich einengen usw. Wir tun so etwas auch nur einem anderen Ziel zuliebe: da ins Flirten sehr oft intensive Wünsche, Hoffnungen und Sehnsüchte an den Anderen eingehen, kann entsprechend die Angst vor einem Mißerfolg beträchtlich sein, um so mehr, wenn die Gefühle und Gedanken auch noch diffus oder widersprüchlich sind. Diese Situation ist jedoch un- abänderlich und muß auch so sein: Wie sollten Sie sicher sein, wenn Sie intensive, unklare Gefühle und Gedanken haben und wenn ein anderer Mensch so eindrucksvoll ist, daß Ihnen die Knie weich werden, es Ihnen die Sprache verschlägt oder Sie wie ein Trottel herumstammeln. Das wertet Sie keineswegs ab! Im Gegenteil: Es demonstriert Ihnen Ihre Lebendigkeit und dem Anderen seine Reizwirkung. Fänden Sie es nicht auch schön, wenn jemand Ihnen so begegnete?

Gibt es ein größeres Kompliment an Ihr Gegenüber als die Intensität der Gefühle, die er auslöst? Das ist das wahre Kapital, mit dem Sie flirten können. Daher: Ihre Schüchternheit ist Ihre größte Kraftquelle, darin liegt nämlich die Fähigkeit enthalten, sich vom Gegenüber beeindrucken zu lassen. Es ist sehr viel schwerer - wenn auch nicht unmöglich - flirten zu lernen, wenn Sie von anderen Menschen nicht beeindruckt werden können.

Also geht es darum mit Ihrer Angst, Ihrer Sorge, Ihrer Befangenheit in eine Situation zu gehen, und nicht darum, sich so lange zu manipulieren, bis sie cool und „ohne daß Ihnen das was ausmacht“ mit jemand in Kontakt kommen. Das kann nicht gehen - wenn es um etwas geht. Und: sowie Sie Aufregung verspüren, geht es um etwas, sonst wären Sie nicht aufgeregt, auch wenn Sie sich zehnmal sagen „es gibt keinen Grund“. Es gibt ihn, auch wenn Sie ihn nicht kennen oder kennen wollen, weil er Ihnen nicht in den Kram paßt. Was soll es verlockend machen, mit dem was man hat zu flirten, statt zu versuchen ein Anderer zu sein? Ganz einfach: wenn Sie dann auf Sympathie stoßen sind Sie wirklich gemeint und brauchen keine Angst mehr vor Enttarnung und Entlarvung haben. Sie können sich unbefangen bewegen und dadurch weitere Sympathien auf sich ziehen - aber eben auch Abgrenzungen. Denn der Eine oder Andere wird auch deutlicher er- kennen: Mit dem will ich nicht. Es ist besser, das zu erkennen, als unter falschen Voraussetzungen eine Begegnung aufrechtzuerhalten. Das schließt nicht aus, daß Sie sich bemühen (siehe Punkt... ), eine Situation zu gestalten. Sie sollen lediglich darauf verzichten, Erwartungen und Be- dingungen zu stellen, die Sie erst real oder scheinbar erfüllen müssen, bevor Sie handeln dürfen.

25 Die Furcht, chancenlos zu sein und abgelehnt zu werden, wenn man nicht den maximalen Normen entspricht oder sich gar auf der Minusseite des Lebens befindet, ist weitverbreitet. Wenige würden jedoch ihrerseits einen Menschen ablehnen, der mit lebendigen und intensiven Gefühlen befaßt ist. Wenn aber jeder glaubt, daß er ein offener und großzügiger Mensch ist, kann es so ganz schlecht um uns insgesamt nicht stehen und ist die Angst vor Ablehnung in weiten Bereichen unrealistisch. Sie ist gleichwohl nicht ganz unrealistisch. Aber, um es zu wiederholen, was verliert man schon, wenn man von jemanden abgelehnt wird, der dumm, kalt, rücksichtslos, engherzig, kleinkariert, egoistisch, gedankenlos etc. ist? Eine Illusion sehr wahrscheinlich, und um sie ist es nicht un- bedingt schade. Häufiger als eine üble Reaktion werden Sie eher wenig oder keine Reaktion bekommen. Na und? Ist jeder verpflichtet, sich für Sie zu interessieren und begeistert auf Ihr Angebot einzugehen? In jedem Falle erfahren Sie etwas über Ihre Fähigkeit zu begehren, zu wünschen, zu sehnen, zu hoffen, kurz: etwas über ihre besten Seiten, sowie die Information, daß der betreffende Mensch vor ihnen der falsche Adressat für sie ist. Das entwertet weder Sie noch den Anderen, sondern ist ledig- lich eine Tatsache, vielleicht eine traurige.

Die entscheidende Voraussetzung für einen lebendigen und guten Flirt dürfte deutlich geworden sein: Ohne Risiko kann es keinen guten Flirt geben. Ein Flirt ohne Risiko ist eine leere Masche und tote Hose, die eher Toleranz von Ihren Flirtpartnern erfordert, als daß sie Zuneigung auslöst. Wer sich selber den Wind aus den Segeln nimmt oder in eine sichere Flaute hineinsegelt, wird nicht mehr kentern,. aber auch nicht mehr weiterkommen. Alle Anleitungen zum Flirt, die bislang geschrieben wurden, haben diesem Punkt zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Entweder wurde selbstver- ständlich vorausgesetzt, daß diese Angst durch irgendwelche Tricks (Kama Sutras, Ars Amatori, Flirtschulen), beseitigt werden muß, oder es wurde nur darauf hingewiesen, daß man sich von seiner Angst nicht ins Bocks- horn jagen lassen solle: „so schlimm sei es nicht“. Das ist weit gefehlt. Je intensiver und umfassender eines Menschen Gefühle, Sehnsüchte und Visionen durch einen anderen angeregt werden, um so bewegender und auch erschreckender kann die Begegnung für ihn werden. Selbst die Begegnung mit einem liebevollen und gnädigen Gott oder gar nur seinem abgesandten Engel konnten sich Menschen immer nur auch erschreckend und furchterregend vorstellen. Dieser Schrecken war stets so selbstverständlich, daß er nie erklärt wurde. Dabei gibt es doch keinen Grund, dem gütigen Schöpfer (wenn man tatsächlich an ihn glaubt) zu mißtrauen. Angst ist doch schon Ausdruck von Unglauben(Der ungläubige Thomas). Und das ist natürlich der kritische Punkt: ein anderer Mensch ist eben nie berechenbar. Und selbst dem treuesten Knecht Hiob ersparen Treue und Glaube das Unglück nicht: Eine „Hiobsbotschaft“ jagt die nächste.

26 Wer das Flirten erlernen will, kommt mit keinem Trick um diese Angst herum. Das Spiel wird schal und langweilig, wenn Sie versuchen , die Mitspieler auszutricksen und das Spiel zu unterlaufen. Selbst, wenn das Schicksal Ihnen gute Karten mitgegeben hat, Sie über eine große Flirtmacht verfügen, nutzt Sie Ihnen nichts, wenn Sie damit herumtricksen. Und selbst wenn das Schicksal Ihnen miese Karten ge- geben hat, können Sie ein grandioses Spiel machen, wenn Sie sich wirk- lich auf das Spiel einlassen. „Ich muß erst mehr Mut, Selbstsicherheit, Ausgeglichenheit, Selbstver- trauen haben, um flirten zu können." Diese Dinge kann man sich nicht literweise einfüllen. Mut hat man nicht, sondern Mut entsteht über das häufig eingegangene Risiko. Selbstsicherheit hat man nicht, sie entsteht über vielfache Beweise, daß ich lerne und vorankomme. Selbstvertrauen hat man nicht einfach oder „bekommt“ es, es ist vielmehr eine Folge des Wissens um mein Können. Ich habe großes Selbstvertrauen in meine Bereitschaft vom Fünfer zu springen. Aber nicht vom Zehner! Wenn ich es ein paar mal gemacht habe, wird mein Selbstvertrauen dafür steigen. Je häufiger Sie bereit sind, sich auch Gefühlen wie Schmerz, Trauer, Angst und Verletzung oder einfach „nur“ Scham und Enttäuschung auszusetzen, um so mehr werden Sie begründeten Anlaß haben, Mut und Selbstver- trauen zu haben. Und wenn es Sie kalt erwischt, dann ist es schlimm. Ob gläubig oder nicht, Sie können dann nur den alten Psalm beten: Herr, schütze mich vor falschem Trost.

Gefühle von Ärger, Zorn, Trauer, Verletztsein oder Schmerz gehören daher mit in den echten Kontakt, auf dessen fruchtbarer Erde sich die Blume des Flirts so unversehens entfalten kann, wie Korn- und Mohn- blumen auf einem Schutthaufen neben der Straße. Dieser Behauptung wird meist sofort widersprochen: beim Flirt muß man gut drauf sein, locker sein und Selbstvertrauen haben. Unvorstellbar daß schlechte Laune einen Flirt auslösen können soll! Freundliches und angepaßtes Verhalten löst durchaus leichter Sympathie aus, als Ärger oder Auseinandersetzungen. Wenn diese einem Flirt im Wege stehen - kommt man um sie nicht herum, und, schwupp, sind sie bereits der Beginn eines Flirts. -Wenn Sie jemanden mit Ihrem Ärger begegnen, Ihre Positionen darlegen, sich auseinandersetzen mit ihm, zeigen Sie Ihre Autonomie und Stärke und trauen dem anderen zu, daß er sich auseinandersetzen kann. Sie geben ihm die Chance, Sie zu mögen oder abzulehnen. -Wenn Sie jemanden mit Ihrer Trauer oder Ihrem Schmerz begegnen, hat der andere die Chance, sein Mitgefühl, seine Hilfsbereitschaft oder sein Interesse kennenzulernen, also seine Stärken. Er hat wiederum die Chance, Sie zu mögen oder sie abzulehnen. -Wenn Sie jemanden mit Unschlüssigkeit und Desorientierung begegnen, kann dieser seine Führungsqualitäten entdecken und daß er Ver- antwortung übernehmen kann.

27 -Wenn Sie eine häßliche Kröte sind, hat der Andere die Chance, einen originellen Geschmack zu entwickeln. D.h., die Schwäche in einem Bereich kann zu einer Stärke in einem anderen werden. Ein Machtflirt ist gleichwohl auch auf diesem Wege mög- lich: bekannt sind z.B. die bequeme Frau, die sich betont unfähig in technischen Dingen zeigt, um einen Mann dazu zu animieren, ihren Drecksreifen zu wechseln, oder der Mann, der so demonstrativ mies oder chaotisch kocht, daß er nicht mehr in die Küche gelassen wird. Es gibt Menschen, die ihre ganzen Beziehungen durch geschicktes Umgehen mit ihren Schwächen gestalten. Für den kleinen Hund ist es egal, ob er durch „Kehle zeigen“ Bißhemmung auslöst oder durch stärker sein als der andere. Das Ergebnis ist in einem entscheidenden Punkt gleich: Er wird nicht gebissen. Umgekehrt kann die Stärke zu einer Schwäche werden: Jemand ist reich, schön, intelligent - und niemand wagt es, ihm zu be- gegnen, weil er sich nicht gleichwertig fühlt und einen Machflirt fürchtet, der von Beginn an verloren ist.

Das heißt nun keineswegs, daß ich mich so blöd lassen muß wie ich bin, etwa mit dem Argument: Liebe schreckt nicht einmal vor mir zurück. Es heißt lediglich, daß man immer schon genug ist, um flirten zu können. Es spricht aber nichts dagegen, wenn Sie außerdem aus Freude am Leben wachsen, Ihre Flirtmacht steigern und damit die Möglichkeiten, in einen guten Flirt zu geraten, zu vermehren. Es spricht nichts dagegen, mit dieser Macht die Wünsche Ihres Gegenübers zu wecken, sein Begehren auszulösen, sein Desinteresse in Interesse zu verwandeln oder seine Ab- neigung in Zuneigung. Wir kultivieren unsere Arbeit, unseren Wohnstil, unsere Kleidung, Essen und Urlaubsverhalten und unseren Verstand - warum also nicht unseren Umgang miteinander? Es wird später gezeigt, wie Sie Ihre Flirtmacht steigern können, ohne deswegen in einen Macht- flirt geraten zu müssen. Resümee bis hierhin: Um Ihre Flirtlust zu re- animieren, müssen sie kein Anderer werden, sondern lediglich lernen, Ihre vorhandenen Möglichkeiten wahrzunehmen und in Gebrauch zu nehmen.

2.4Gilt das Gesagte auch für Problemflirter?

Wir haben schon einen Problemflirter skizziert: ein Mensch mit Er- wartungen, der kein Risiko eingehen will. Es gibt zahlreiche andere, die sich durch ein oder mehrere kritische Merkmale auszeichnen:

Extrem schweigsame Menschen: Sie verbringen Tage damit, nicht zu sprechen und haben kein Interesse und auch keine Freude am Sprechen miteinander. Obwohl sie schriftlich durchaus kompetent sein können, mangelt es ihnen an Übung und Erfahrung im Miteinander sprechen., be- sonders wegen ihrer guten Intelligenz und ihres klaren Urteilsvermögens beschämt es sie nicht selten, im Kontakt den Mund nicht aufbekommen zu

28 können oder wirres Zeug zu reden. Nicht selten führt Mangel an Sprecher- fahrung aber auch insgesamt zu einer inneren Verarmung. Im Extremfall kann das zu tragisch-komischen Situationen führen: Ein Mann in einer kleinen Wirtschaft in Norddeutschland starrt einige Stunden die Bedienung hinter der Theke an und fragt sie dann unvermittelt: „Lilo, wullt Du mit mi slopen“. Lilo erwidert schroff: „Nee“. Nach weiteren Stunden, kurz vor Schließen des Lokals fragt er: „Warum nicht“? Es gibt nur sehr wenige Frauen, die eine Liebe für diese minimalistische Kommunikation haben.

Extrem schüchterne Menschen: Sie sind so aufgeregt, daß sie kein Wort herausbringen, in der Nähe eines attraktiven Menschen völlig ge- lähmt sind und sie meiden. Sie fürchten, zu Recht oder zu Unrecht, leicht und unkontrollierbar von Tränen, rasendem Herzklopfen, Schwindel oder Hitzewallungen, Zittern, Gedankenwirrwar usw. heimgesucht zu werden. Weder dem Schüchternen noch dem Schweigsamen mangelt es an Zu- neigung und Interesse an anderen Menschen, sie sind lediglich nicht fähig, es mitzuteilen.

Emotional extreme Menschen: Die einen sind schnell jähzornig, die anderen beleidigt, andere haben ständig sexuelle Phantasien im Kopf, andere ertrinken in depressiver Mutlosigkeit oder sind von unterschiedlichsten Ängsten ge- hetzt. Manche leiden unter traumatischen Erinnerungen und Reaktionen, als Folge von Mißhandlungen, Vergewaltigung, schwerer Kindheit oder Krankheiten. Andere sind insofern extrem, weil sie keine Gefühle wahr- nehmen: „Liebe, nee, also, ich liebe meine Arbeit, da ist keine Zeit, nee, fehlt mir nicht, habe ich mich noch nicht mit beschäftigt." Dies sagte ein 27 jähriger Chemiestudent, der mit seinen Eltern zusammenwohnt und überhaupt keine Freunde hat.

Wenn die jungen Männchen einer australischen Goldschakalfamilie keinen Platz für ein eigenes Revier finden, bleiben sie in der Familie und helfen im Haushalt. In dieser Zeit entwickeln sich ihre Hoden nicht zur Geschlechtsreife. Das findet erst dann statt, wenn sie den Bau verlassen, und sich um ein eigenes Revier kümmern.

Die einen haben somit einen Überschuß an Gefühlen, die anderen zu wenig. Mehr als andere geraten sie in Konflikte zwischen eigenen Er- wartungen und der Wirklichkeit.

Rigide Menschen: Eine weitere Gruppe von Problemflirtern sind Menschen mit einer sehr festgefügten eigenen Welt, die sie von anderen abtrennt. Sie wirken leicht verschroben, fanatisch, komisch, egozentrisch, in einem Umfang anders, daß andere wenig Möglichkeiten sehen, ihnen näherzukommen. Sie sind in der Regel wenig „gebe-bereit“. Das heißt, sie lassen zu, daß jemand sich ihnen annähert, wenn es sie nicht stört, tun selber aber wenig dafür. Schwer haben es weiter Menschen, die kleinen Sekten oder Klicken mit eigenen Normen und Werten zugehören. Für sie ist die Auswahl an Flirt-

29 partner gering. Dazu zählen Menschen mit abweichenden und ge- sellschaftlich wenig geachteten sexuellen Fixierungen (Sadismus, Masochismus, Fetischismus, Päderastie etc.)

Behinderte Menschen: Menschen mit Einschränkungen können ebenfalls Problemflirter sein, wenn sie mit diesen Einschränkungen bzw. den Re- aktionen der anderen Menschen nicht umgehen können. Dazu gehören: Hörschäden, verringertes oder fehlendes Sehvermögen, Lähmungen, Spasmen, Entstellungen durch Unfälle oder Krankheiten, durch Verlust von Gliedern beeinträchtigte Bewegungsfreiheit, Hautkrankheiten, Sprach- fehler. Nicht immer muß man diese Einschränkungen sehen: Frauen und Männer, die ungewollt unfruchtbar sind, eine vererbbare oder ansteckende Krankheit haben, ein Lebensgeheimnis haben, das niemand erfahren darf usw., haben es schwerer als andere, leicht ins Flirten zu kommen. Auch extreme Körpergröße, Kleinheit oder extremes Übergewicht können Anlaß für Probleme beim Flirt ergeben. Besonders schwierig ist es, wenn jemand eine schwere psychiatrische Krankheit hat. Allen Betroffenen ist gemeinsam, daß sie geringere Flirtmacht als andere und daher geringere Risikobereitschaft haben bzw. mehr Bedingungen stellen, unter denen sie bereit wären, sich auf einen Flirt einzulassen. Der Blinde kann natürlich nicht mit den Augen flirten, sowenig wie der Taube mit dem Gehör oder der Lahme mit einem Walzer!. Diese Ein- schränkungen erschweren den Kontakt mit anderen Menschen, die ihrer- seits sehen, hören und laufen können, erheblich. Das zu leugnen und zu tun, als wäre man wie die anderen, wäre der erste Flirtkiller. Der ein- geschränkte Mensch ist Profi in seinem Bereich, kennt sich aus und hat seine Routine damit. Der ihm erstmals begegnende andere Mensch ist überrascht. Er ist dann selber in ähnlicher Weise behindert, wie wenn er im Ausland plötzlich mit seiner Sprache nicht mehr ankommt und auf fremde Sitten stößt. Also keine aussichtslose Situation, sondern eine Un- gewohnte. Beide haben natürlich eine Möglichkeit, diese Situation zu ver- bessern. Beide könnten auch befremdet voneinander sein, und sich aus dem Wege gehen. Keineswegs muß der Sehende nur dem Blinden helfen. Auch dieser muß dem Sehenden in dessen Behinderung im Umgang mit einem Blinden helfen. Der Sehende kann nur sehr eingeschränkt wissen, wie es dem Blinden geht.

In der Straßenbahn schaut mich ein 5-jähriges Mädchen unverwandt und streng an, ohne auf meine Versuche, über ein Lächeln eine Reaktion aus- zulösen, einzugehen. Ungeduldig fragt sie mich plötzlich(zur Beschämung ihrer Mutter): Was ist mit Deinen Augen? Auf meine Antwort: „Das linke steht nicht in der Mitte, sondern nach innen, ich schiele immer“, sagt sie nur „ach so“ und wendet sich dann ab.

Ein achtjähriger fragt einen sich aus dem Auto mühenden einbeinigen Mann: „Wo ist Dein anders Bein?“ „Das habe ich bei einem Unfall verloren.“

30 „Hast du es nicht gesucht?“ „Doch, aber es war kaputt“ Der Junge schaute auf das übriggebliebene Bein und sagte nach einer Weile: „Dann brauchst du ja immer nur einen Schuh kaufen!“ „Ja, aber leider muß ich den Linken auch immer kaufen.“ „Gibst du den dann jemand, der nur ein linkes Bein hat?“ Zufällig gingen die Eltern mit den Jungen in die gleiche Wirtschaft wie der Einbeinige. Es fiel auf, daß der Junge und der Mann sich verschiedene Male richtig nett zulächelten. Beide spielten offensichtlich mit dem Ge- danken an eine Fortsetzung der Begegnung - ließen es dann aber dabei bis auf einen Abschiedsgruß, als die Eltern mit dem Jungen gingen. Wie gesagt, Kinder können bereits flirten, sie tendieren dazu, ihre Aktivität im Laufe der Jahre zurückzunehmen zugunsten berechnenden Verhaltens. "Was könnte der andere denken, wenn ich ihn frage... ."

Je mehr Einschränkungen ein Mensch hat, um so geringer ist seine Flirt- macht, und um so weniger Optionen gibt es beim Flirten. Wer nur Schlag- zeug spielt, hat viel weniger Chancen in einer Band zu spielen, als jemand, der außerdem singen und einige andere Instrumente spielen kann. Es ist zwecklos, das zu leugnen. Es gehört im Gegenteil mit zu den wirksamsten Flirtkillern, so zu tun als wenn nichts wäre - und es ist eben doch etwas. Das verklemmt die Atmosphäre, und macht einen Flirt un- möglich. Entsprechend falsch ist es auch, die Bedeutung der Flirtmacht schlichtweg zu leugnen. Die Gruppe „Die Doofen“ hat diese Haltung sehr schön in dem Lied „Mief“ karikiert: Wenn Du mich liebst, kann ich stinken wie ich will.

Im Wesentlichen gelten für die Problemflirter die gleichen Regeln wie für alle anderen Menschen auch. Flirten hilft dazu, den Rahmen, der einem zur Verfügung steht, auszuloten. Flirten kann den Rahmen jedoch nicht überschreiten. Aus einem Schweineohr kann man kein Seidenkleid machen.

Gelegentlich gehen durch die Presse die Flirts sehr eingeschränkter prominenter Menschen, vor allem, wenn sie mit einer Ehe enden. Auf- sehen erregte die Scheidung des im Rollstuhl sitzenden und unter anderem sprachgelähmten Physikers Hawkings, der/den seine Pflegerin geheiratet hat. Im Fernsehen wurde dargestellt, wie Flirts und Ehen zwischen schwer körperbehinderten und gesunden Menschen zustande kommen. Auch, wenn die Zahl der Optionen durch Behinderungen eingeschränkt ist, heißt das nicht, daß mit den anderen nicht geflirtet werden kann. Dazu ist jedoch oft erforderlich, daß der von der Norm abweichende Mensch auf- grund seines Spezialistentums den anderen behilflich sein muß. Ein beträchtlich gehörgeschädigter Student vereinsamt zunehmend und kann sich das Desinteresse der anderen an sich nicht erklären. Grund: Er gibt den anderen keine Hinweise

31 über den Umfang des jeweils Verstandenen. Es kommt ständig zu erheb- lichen Mißverständnissen und unangenehmen Peinlichkeiten - denen die anderen dann ausweichen. Der gleiche Effekt widerfährt Ausländern mit schlechten Deutschkennt- nissen. Diese verhindern ein Vertiefen des Miteinanders, da dies weit- gehend, wie bei Studenten üblich, über Sprache läuft.

Eine etwas andere Rolle spielen Merkmale, die jemand fälschlich als sozial abgelehnte Einschränkungen erlebt Ein Student hielt sich jahrelang vom Flirt fern, weil er fürchtete, daß sein Toupet dabei entdeckt werden könnte. Ein Bankkaufmann mied Flirts aus Angst vor sexuellen Be- gegnungen, da er sicher war, sein Penis sei geradezu lächerlich klein. Zahlreiche Menschen meiden öffentliche Bäder aus Scham über ihren vermeintlich abstoßenden Körper.

Menschen mit einer extrem abweichenden Persönlichkeit und einem abweichenden Erleben: Manche Menschen haben, oft schon von klein auf, Persönlichkeiten und Erlebensweisen von der Welt, die es Ihnen schwer macht, in Kontakt zu kommen oder ihn zu halten. Sie nehmen die Welt, vom Standpunkt der anderen Menschen aus gesehen, wahnhaft, verzerrt oder einseitig wahr. Der kleinste Flirt kann zur rausch- haften Liebe hochstilisiert werden, die größte Liebe zu einer wesenlosen fernen Erinnerung, von der sich dieser Mensch abgeschnitten fühlt. Ihre Wertvorstellungen und die Verwendung der Sprache ist ungewöhnlich und weicht vom Durchschnitt erheblich ab. Es ist nicht leicht, einem Menschen mit einem Liebeswahn wirksam auf Abstand zu halten. Es ist oft unmög- lich, einem Menschen mit Eifersuchtswahn von der Unrichtigkeit der Vor- würfe zu überzeugen. Wer in depressiver Versunkenheit sich als wertlos erlebt, wird auch den heißesten angebotenen Flirt eher für einen tragischen Irrtum halten, dem er sich besser nicht aussetzt.

Eine verzweifelt vor sich hinweinende junge Frau berichtet, ein sehr guter Freund von ihr habe amüsiert und erstaunt erzählt, er habe sie im Traum vergewaltigt.. Das Ereignis lag schon Wochen zurück, und sie erlebte diese Erzählung , als wenn das Ereignis wirklich stattgefunden hätte und sich jederzeit wiederholen könnte. Dieser Freund wußte nichts von ihrer Reaktion. Sie mied jeden Kontakt aus Angst vor weiteren Erlebnissen dieser Art. Das Hauptproblem für Menschen mit solchen extremen Erlebnisweisen ist, daß die beim Flirten verwendeten Mittel der Kommunikation bei ihnen andere Bedeutung haben. Darüber hinaus sind sie so voller (ängstlicher, aggressiver, depressiver) Erwartungen, daß sie wenig gebend sind, d.h. dem anderen nicht leicht Freude und Interesse an seiner Person mitteilen können. Ein 25-jähriger Mann, der noch nie eine Freundin hatte, geht mit einer Nachbarin, die seine Lage sehr gut kennt, Kleider einkaufen. Zu seinem hilflosen, freudigen Schrecken probiert sie ein Dessous nach dem anderen aus und läßt es von ihm begutachten - leugnet die erotische Situation

32 aber schlichtweg und tut, als sprächen sie über das Wetter. Sie beutet seine Flirtbereitschaft aus und kann diese ohne Probleme, da sie selber keine Wünsche an ihn hat.

Für Problemflirter wie alle anderen gilt als erste Voraussetzung für einen guten Flirt, daß man Interesse, Zuneigung, Sympathie, Neugier, Wert- schätzung und Engagement für andere Menschen aufbringt. Wer diese nur oder als Vorleistung erwartet,. wird nicht ins Flirten kommen. Es kann sich zwar jemand in ihn verlieben und sich um ihn bemühen, aber er wird Mühe haben, in einen symmetrischen Flirt zu geraten. Die „Kunst des Liebens“ von Erich Fromm baut wesentlich auf der Tatsache auf, daß eine Liebesbeziehung immer mit dem eigenen Lieben (der eigenen Person, des anderen) beginnt. Es ist unmöglich „die richtige Frau“ zu suchen, wenn man seine Liebe zu Menschen solange zurückhält - bis man "die richtige" gefunden hat. Wie soll man denn im Dunkeln ohne Lampe etwas finden? Die zweite Voraussetzung für einen guten Flirt besteht in der Bereitschaft, Angst, Schmerz und Scham in der Begegnung auszuhalten. Sonst bleibt man auf seinen Wünschen sitzen oder tötet die Lust durch einen an- gestrengten Machtflirt.

Die Problemflirter sind Menschen, die sich mit diesen beiden Voraussetzungen besonders schwer tun. Nicht starke Gefühle, extreme Persönlichkeiten, Behinderungen oder rigide Weltbilder an sich erschweren das Flirten, sondern die mangelnde Bereitschaft oder Fähig- keit, sich für das Leben zu interessieren, die eigene Position zu erkennen und zunächst einmal anzunehmen und Risiken einzugehen. Während der „normale“ Mensch dies für sich relativ leicht einsehen kann, unterliegt der Problemflirter immer der Versuchung, seinen Ein- schränkungen die Verantwortung zuzuschieben. Solange Sie über- haupt noch bewußt ihre Augendeckel bewegen können und Sie an einem anderer Mensch Freude haben können, können Sie auch flirten. Es lohnt sich, psychotherapeutische Hilfe aufzusuchen, wenn man mit seinen eigenen Bemühungen nicht zu Rande kommt und auch ein Flirtkurs keine Hilfe ist. Unnötig hervorzuheben, daß Gruppentherapie zu bevor- zugen ist - schließlich handelt es sich um ein Problem zwischen Menschen.

3Verschiedene Vorurteile über das Flirten erschweren es, das Flirten zu lernen.

Das bislang Gesagte soll unter dem Thema „Vorurteile über das Flirten" in einigen wichtigen Punkten zusammengefaßt werden:

1. Vorurteil:

33 Flirten wird oft als eine Art Naturphänomen wie Verliebtheit betrachtet. Auch diese „trifft“ einen eher, als daß man sie „einüben kann“, und da Flirten vom Erleben her dem Verliebtsein oft vorausgeht, und von der Ge- fühlsqualität dem Verliebtsein oft gar nicht unähnlich ist, ist diese Auf- fassung naheliegend. Viele weigern sich, das Flirten zu lernen aus Angst, ihre Spontaneität damit zu verbiegen und haben Sorge, als Trickser noch verklemmter zu sein als sonst. Die unangenehme Folge dieser Haltung ist, daß man warten muß, bis „es“ von alleine irgendwie passiert, und wenn nicht, hat man eben Pech ge- habt. Man kommt so gar nicht mehr auf die Idee, daß man Flirten lernen könne und wartet eben, bis das Glück sich von alleine einstellt. Der wahre Kern an dieser Haltung ist: Richtiges Flirten enthält immer und notwendigerweise überraschende Momente, die ich nicht vorhersagen, folglich auch nicht einüben kann (ich wäre dann wieder im Machtflirt, wie grabe ich eine Schnecke an?). Weiter ist es sehr praktisch und öko- nomisch, wenn meine Intuition mir unfehlbar signalisiert, mit wem ich am ehesten einen (möglichst zukunftsträchtigen) Flirt beginnen kann. Das er- spart Umwege und Risiken. Falsch ist, daß ich nur warten kann. Alles, was wir spontan gut können, hat eine lange Lerngeschichte hinter sich. Aller Anfang ist schwer. Auch das spontane Kind muß lernen, sein selbstvergessenes Flirten auf die soziale Situation so anzupassen, daß es sich weder völlig zurückzieht, noch abgrenzungslos auf jeden zugeht. Der erste Weg zum erfolgreichen Flirten lautet daher: Flirtmacht steigern. Dazu nutze ich die unendlich vielen Möglichkeiten, meine Beziehungen zu Menschen zu entwickeln. Aus diesen Begegnungen entstehen schon von ganz alleine zahlreiche Flirt- möglichkeiten. Also verlassen Sie z.B. ihren Fernseher oder PC und spielen mit einem Kommilitonen heftig Tischtennis, Skat, Doppelkopf oder be- teiligen Sie sich an Öffentlichkeit, Kultur, Politik und Gemeinschaft. Da Flirten etwas Gemeinsames ist, benötigen Sie Gemeinschaft. Da Flirten mit Interesse und Zuwendung zum Leben zu tun hat - leben Sie! Auf diese Weise sind Sie sichtbar für andere Menschen und geben ihnen eine Chance, Sie kennenzulernen. Weiter können Sie sich selber ihren eigenen Gefühlen, Gedanken, Phantasien und Impulsen anderen Menschen gegen- über aussetzen und Ihre eigenen Flirtmöglichkeiten kennenlernen.

2. Vorurteil: Wer flirtet, strebt eine Liebesbeziehung an. Das allgemeine Verständnis von „Flirt“ als Vorform von Verliebtheit und Weg zur Partnerbeziehung überfrachtet das Flirten mit hohen Erwartungen und Ansprüchen an sich und den Partner. Wird mein Trick funktionieren? Werde ich ankommen? Lächelt sie (oder er)zurück? Hat er schon eine Freundin? Tod oder Leben hängen hier von einer richtigen Entscheidung ab! Und da der Betreffende alle die notwendigen Informationen zu seiner Sicherheit nicht hat - ver- zichtet er lieber auf den Flirt. Dazu gehört ebenfalls: „Ich weiß ja gar nicht, ob ich wirklich mit dem/der eine Beziehung haben will, daher fange ich lieber gar nichts an, nachher bildet der/die sich noch was ein." Man nennt das auch eine Saure-Trauben-Reaktion: da die Trauben zu hoch

34 hängen, redet man sie sich sauer. Andere räumen resigniert das Feld. Wieder andere weichen auf den Machtflirt aus. Im einen wie anderen Fall wird auf die Flirtgelegenheit verzichtet und nichts Neues gelernt.

Wahr daran ist, daß Flirten durchaus vereinbar mit dem Wunsch nach einer Beziehung ist und solchen oft voraus geht. Falsch ist, daß Flirten nur zu diesem Zweck da ist und zwangsläufig dazu führt. Betrachtet man den Flirt wirklich als eine Art Minaturverliebtheit mit einem eigenen Lebens- recht, kann man ihn unbeschwerter genießen und praktizieren. Man kann ja auch die Natur lieben, ein kühles Bier, einen wundervollen Tratsch, seinen Hund oder seine Oma. Warum also nicht etwas Liebenswertes an meinen Kommilitonen neben mir finden und genießen? Lassen Sie jedem Moment in der Begegnung seine eigene Würde und mißbrauchen ihn nicht als Mittel zum Zweck.

Der zweite Weg zum erfolgreichen Flirten lautet daher: Flirten wird dann erfolgreich, wenn Sie über den Moment des Flirtens hinaus nichts weiter anstreben als nur diesen Moment. Und dann erst, wenn überhaupt, einen weiteren und dann erst - wenn überhaupt, einen weiteren. Wer diese beiden Wege beschreitet, kann einem erfolgreichen Flirt praktisch nicht mehr entkommen. Sie müßten dafür lediglich auf das Ziel verzichten, im Voraus wissen zu wollen, wie die Sache ausgeht. Da sie jederzeit innehalten oder zurückgehen können, ist das Risiko ziemlich gering. Je häufiger man gute Erfahrungen mit dem Verzicht auf Erwartungen und Berechnungen macht, um so leichter wird dieser Verzicht fallen.

3 Vorurteil: Flirten heißt immer, daß jemand ein sexuelles Interesse an seinem Gegenüber hat. Richtig daran ist, daß auch ein sexuelles Interesse beim Flirt eine Rolle spielen kann. Falsch ist, daß dies zwangsläufig und immer der Fall ist. Die flirtenden Kinder haben in der Regel absolut kein sexuelles Interesse, und Menschen mit sexuellem Interesse flirten keineswegs immer. Der dritte Weg, das Flirten zu erlernen lautet daher: Beschränken Sie das Flirten nicht auf die erotische Begegnung, sondern weiten Sie es auf Menschen überhaupt an. Wer nämlich in allen möglichen Beziehungstypen flirten kann, kann es auch in erotischen Beziehungen, und wer es in all- täglichen Begegnungen nicht kann, kann es in erotischen Beziehungen erst recht nicht. Wer dies als einen lästigen Umweg betrachtet, hat schon verloren. Er steht dann nämlich wie das sprichwörtlich dumme Huhn vor der Glasscheibe, hinter der das Futter liegt und kann, gebannt vom An- blick des Futters, den Umweg um die Scheibe herum nicht gehen. Dabei auftretende andere Möglichkeiten erkennt es dann schon gar nicht. Übrigens: Hähne sind dabei noch ungeschickter als Hühner.

In der erotischen Liebesbeziehung sind alle drei hauptsächlichen Be- ziehungsziele eines Menschen verdichtet: Wunsch nach Nähe, Wunsch

35 nach Sexualität, Wunsch nach sozialer Bedeutung und Macht. Da man sozusagen drei Fliegen mit einer Klappe schlagen kann, also einen Freund, einen Lover und einen sozialen Status zugleich bekommen kann, konzentrieren viele Menschen ihr Flirten auf dieses eine Ziel. Ist es einmal erreicht, hört das Flirten auf. Zum einen glauben sie, bereits alles Wesent- liche zu haben. Zum anderen setzen sie sich ungerne dem Verdacht aus, weitere Partner suchen zu wollen. Viele Menschen gehen nicht mehr auf Feste oder stellen das Tanzen ein, sowie sie eine „feste Beziehung“ haben. Auf einem Fest bleiben sie stets in der Nähe des Partners oder tanzen nur noch mit diesem.

Auch wenn das Flirten so verschiedene Ziele haben kann wie eine kurze Begegnung, eine Nachbarschaft, eine kollegiale Beziehung, eine Freund- schaft, eine Rivalität, eine Liebesbeziehung, werden diese Unterschiede im vorliegenden Skript nicht besonders berücksichtigt. Grund: Das Flirten selber unterscheidet sich gar nicht besonders bei verschiedenen Zielen. Das Flirten ebnet überhaupt erst den Boden für das ein oder andere Ziel. Den aufgeführten Übungen und Anleitungen können Sie in der Regel nicht entnehmen, welches Beziehungsziel Sie momentan oder auf längere Sicht hin haben. Um es in einem Vergleich zu sagen: Wenn Sie das Autofahren erlernen, müssen Sie nicht wissen, ob Sie anschließen nach Süden, Norden, Osten oder Westen verreisen wollen. Ein Flirt legt so wenig fest, was aus ihm wird, wie die bloße Tatsache, daß Sie ins Auto steigen und starten, erraten läßt, wohin Sie fahren werden.

4.. Vorurteil: In diesem Vorurteil sind die vorgenannten zusammengefaßt: Flirten ist ein Vorspiel einer sexuellen oder sonstwie gearteten Liebesbeziehung und hat nur als dieses Vorspiel seinen Sinn. Richtig ist vielmehr, daß das Flirten Ausdruck einer fundamentalen Fähig- keit fast aller höheren Lebewesen ist und in sämtlichen sozialen Be- gegnungen auftreten kann. Dieser Gedanke soll ausführlicher dargestellt werden, um mehr Mut zum Flirten als Begegnungsform überhaupt zu machen.

4Flirten ist der Ausdruck einer fundamentalen Fähigkeit

4.1Alle höheren Lebewesen flirten Unser Bestreben ist immer danach ausgerichtet, einen wünschenswerten Zustand zu erreichen. Kurz: Her mit dem Glück und weg mit dem Elend! Dazu sind Beziehungen zu anderen Menschen notwendig. Ein Säugling könnte ohne diese gar nicht leben. Ein Paradies ist nichts wert, in dem man alleine oder mit den falschen Leuten lebt.

36 Flirten ist ein universelles , von allen höheren Lebewesen praktiziertes Verhalten, um herauszufinden, bei welchen Wünschen und Bedürfnissen sie sich entgegenkommen können oder zumindest willkommen sind - und bei welchen nicht.

Der Flirt als „Spiel mit Möglichkeiten“ erlaubt den Mitspielern, etwas über die eigenen und die Möglichkeiten des anderen herauszufinden, ohne, daß der „Ernstfall“ dazu nötig ist. Dadurch werden sowohl die angeborenen Möglichkeiten des Verhaltens miteinander überprüft, als auch die, die in einer bestimmten Zeit jeweils nützlich oder erwünscht sind. Man ist sich sowohl der eigenen als auch der möglichen Verhaltensweisen des Gegen- übers bewußt. Flirten wird hier als eine Art „Als-Ob-Verhalten“ gedeutet. Man probiert aus, tut so als ob man bereits innerhalb der einen oder anderen Beziehungsart wäre. So erlernt man spielerisch seine Möglich- keiten und Grenzen in zahllosen Situationen. Wichtig ist beim Flirten immer, daß sowohl Nähe als auch Distanz angeboten wird, und der andere nicht genau weiß, wo die Grenze ist, diese somit spielerisch gesucht werden und keiner wissen kann, wer wann wo Stop sagt. Zum einen offenbaren die Beteiligten ihre Bedürfnisse und Ziele bzw. ihre Angebote. Im Wesentlichen geht es aber darum, Wünsche, Sehnsüchte, Hoffnungen und Visionen sowie Wege zur Realisierung erst einmal zu entwickeln. Es gibt Hinweise darauf, daß es sich um eine fundamentale Fähigkeit handelt: fällt diese Fähigkeit aus und kann ein Mensch nicht flirten gerät er in eine beträchtliche Isolation. Menschen, die an der schweren Er- krankung „Autismus“ leiden, haben z.B. extreme Schwierigkeiten, in eine „mitschwingende“ Beziehung zu einem anderen Menschen zu kommen. Sie können sich nicht vorstellen, wie sich ein anderer Mensch fühlt, was er denkt, daß ich denke daß er denkt..... Sie fühlen sich eigentümlich isoliert und fremd, und erleben die anderen eher als Plage und Bedräng- nis. Ein großer Teil der ersten Verhaltensweisen eines Menschen einem Säugling gegenüber besteht aus Flirtversuchen des Erwachsenen mit dem Säugling - der ihm noch fremd und unbekannt ist. Auf Außenstehende wirkt das dann oft kindisch und lächerlich, wie generell Spiele und Rituale, an denen man selber gerade nicht beteiligt ist. Für die Beteiligten ist das sehr lustvoll und jedesmal ist die Freude groß, wenn ein Versuch gelingt, und das Kind z.B. lächelt oder in irgendeiner Art mitspielt. Dieses Ver- halten wird dem Kind jedoch nicht „beigebracht“, sondern der Erwachsene appelliert an oder reagiert auf diese Fähigkeit des Kindes und ist ziemlich verstört und ratlos, wenn es nicht mitspielt. Kleinkinder können bereits erkennen, ob ihr Gegenüber dabei etwas vorspielt oder echt ist, also sein Erleben und sein Verhalten übereinstimmen. Besonders junge Tiere, Hunde vor allem, lösen bei Menschen so viel Sympathie aus, weil sie so offenkundig und direkt flirten und selten be- leidigt reagieren und praktisch nie nachtragend sind (Schwanzwedeln, Interesse bekunden, Provozieren zum Spiel...)

37 4.2Die Art der Beziehungswünsche bestimmt das Flirten

Wird der Flirt nur als Anbahnung einer Liebesbeziehung“ verstanden, wird die allgemeine Funktion des Flirts als Weg der Beziehungsklärung und Gestaltung leicht vernachlässigt, und der Sonderfall zum Ausschließlichen erklärt. Etliche denken daher, Flirten „darf“ nur innerhalb dieses Be- reiches auftreten, bzw., wenn es auftritt, findet es innerhalb dieses Be- reiches statt. Es lassen sich jedoch zumindest drei sehr verschiedene Schwerpunkte in den Beziehungen zu Menschen unterscheiden. Folglich kann der Flirt auch auf sehr verschiedene Beziehungen hinauslaufen.

4.2.1Der Wunsch nach Nähe, Freundschaft, Zugehörigkeit, Bindung. Dieser Wunsch entspricht der Zugehörigkeit des Kindes zu den Eltern. Durch den Flirt kann das Ausmaß an gegenseitigem Interesse erkannt werden.. Das sind z.B.: Wunsch nach Nähe, Zärtlichkeit, Zugehörigkeit, Vertrautheit, Kooperation, Hilfsbereitschaft und Hilfe. Entsprechend kann durch den Flirt auch Abneigung, Widerwille, Desinteresse, Fremdheit, Gleichgültigkeit und Trennungswunsch erkennbar werden. Kurz: das Be- dürfnis nach Abstand und vom anderen verschont zu sein, bzw. die eigene Autonomie zu entwickeln. Jesus wies selbst seine Mutter zurück: „Weib was habe ich mit Dir zu schaffen,“ um seiner Berufung nachzugehen. In der Bindung gibt man immer etwas von seiner Autonomie auf, in der Autonomie etwas von der Geborgenheit und Bindung. Schon sehr kleine Kinder haben ein starkes Bedürfnis nach Bindung und Geborgenheit auf der einen Seite und Freiheit und Ungebundenheit auf der anderen. Beides zugleich ist in ein und derselben Situation nicht zu verwirklichen. Nur ein Hintereinander ist möglich. Mit der Freiheit wird jedoch auch das Risiko der Einsamkeit und Verlassenheit eingegangen, mit der Bindung das Risiko der Abhängigkeit und Beschränkung. Die beteiligten Gefühle können außerordentlich stark sein und an Leidenschaftlichkeit den sexuellen Wünschen in nichts nachstehen. Die Auseinandersetzung zwischen Kindern und Eltern oder innerhalb eines Liebespaares kann oft als Versuch gesehen werden, Freiheit und Geborgenheit zu jedem Zeit- punkt unter Umgehung von Abhängigkeit und Einsamkeit zu haben. Wem gelingt es? Beim Flirten wird versucht, diesen Risiken dadurch aus dem Wege zu gehen und sich zugleich der Chancen zu versichern, indem solange mit Möglichkeiten gespielt wird, bis man sicher ist, den nächsten Schritt auch wirklich vollziehen zu wollen. Das erfordert allerdings immer ein Risiko, denn der Übergang von der Möglichkeit zur Wirklichkeit ist ein qualitativer Sprung. Flirten innerhalb dieser Beziehungswünsche verhindert somit zu schnelles Wegbleiben, aber auch zu schnelles Drauflosgehen. Man bleibt mit dem

38 Leben in Kontakt, ohne sich gleich in ihm zu verlieren. Man gibt, ohne sich zu verausgaben und man nimmt, ohne auszubeuten.

Es ist auch ersichtlich, daß Flirten hier außerhalb einer erotischen Be- gegnung stattfinden kann. Bindungen können mit allen möglichen Menschen stattfinden. Jemandem eine Absage erteilen kann genauso auf- regend sein, wie jemandem seine Zuneigung zu gestehen. Eifersucht, Trennungsangst, Schüchternheit, Sehnsucht und Hoffnung können hier nicht weniger intensiv auftreten als in sexuellen- und Machtbeziehungen. Dieses Flirtverhalten unterscheidet sich von einem sexuell motivierten Flirt ausschließlich durch Fehlen dieser sexuellen Komponente. Das ist eine der Ursachen vieler Mißverständnisse zwischen Menschen. Diese Beziehungsziele können nicht kämpferisch, sondern nur auf dem Wege der Hingabe, der Öffnung, des Risikos, des Gebens, sich Anbietens usw. realisiert werden. Wer hier Defizite hat, ist oft nicht attraktiv für erotische Beziehungen und wird auch im Wettbewerb nicht gerne gesehen. Er mag dann vielleicht ein guter Kämpfer sein, ist aber z.B. kalt oder nicht fair, zu ehrgeizig usw. Wer sich umgekehrt auf diesen Bereich beschränkt, wirkt leicht kindlich und wird im Wettbewerb nicht ernst genommen. Auch seine sexuelle Attraktivität kann dadurch geringer sein. Beliebte Flirthaltungen sind: Ich biete jemandem Freundschaft, Nähe, Hilfe, Geborgenheit usw. an, d.h. ich trete als Gebender auf. Ich lade z.B. einen mir sympathischen Menschen ein, mit auf eine Skihütte zu fahren oder einfach nur sein Herz auszuschütten. Der Kontakt kann umgekehrt verlaufen: jemand bittet einen anderen um Hilfe, Freundschaft oder Auf- merksamkeit (Ich sei, gewährt mir die bitte, in euerem Bunde der Dritte). Manchmal treten sich beide als Gebende gegenüber: z.B. zwei Frauen be- schließen bereits nach einem ersten Abend, gemeinsam in den Urlaub zu fahren, da sie beide gerne klettern. Ebenso gibt es den Fall, daß sich zwei arme Seelen treffen und feststellen, daß geteiltes Leid halbes Leid ist (Ein jeder trage des anderen Last). Viele studentische Freundschaften entstehen in den ersten Semestern, wo ein starker Bedarf nach Zugehörigkeit vorhanden ist. Die später Kommenden haben dann oft das Gefühl, nur noch auf geschlossene Cliquen zu stoßen. Es wird deutlich, daß jemand mit Flirtlust nicht umhin kommt, seine eigenen Wünsche und Bedürfnisse genauso wahrzunehmen, wie die seines Gegenübers, damit es zu einem gelungenen Flirt kommt. Nichts ist natür- lich schöner, als wenn dies automatisch und ohne Zutun geschieht. Wenn dies nicht der Fall ist, bleibt einem nichts anderes übrig, als es zu lernen. Ein Student aus einem sehr kleinen Dorf in Mali fühlte sich trotz ver- schiedener Einladungen in Deutschland völlig alleine und verlassen. Sowie er in sein Dorf heimkehrte „sahen“ vor allem die Frauen ihm an, was er brauchte und wie er aufgenommen werden konnte - und sie veranlaßten das Nötige. In Deutschland hingegen war er dabei völlig auf sich an- gewiesen, und erlebte das als Zurückweisung. Er muß also hier von Grund

39 auf lernen, wie er anderen seine Bedürfnisse oder seine Bedürftigkeit mit- teilen kann, falls er nicht vereinsamen will.

4.2.2Soziale Position, Rolle und Funktion in der sozialen Ordnung und Hierarchie.

Dieses Bedürfnis wird analog zu dem Wunsch des Kindes nach starken Eltern und einer sozialen Ordnung verstanden. Wer ist wie schön, wie klug, wie reich, wie beliebt, wie anerkannt? Flirten kann einem Menschen dazu verhelfen, seine persönliche Macht in Beziehung zu anderen Menschen kennenzulernen und zu entwickeln. Je nach Lage wird man dem anderen signalisieren, daß man stärker als er ist - oder des anderen Überlegenheit anerkennen. Im erfolgreichen Falle ist man stolz, glücklich, fühlt sich anerkannt und orientiert in der sozialen Hierarchie: man weiß wohin man gehört. Der Verlust einer solchen Position ist mit Scham, Verzweiflung, Hilflosigkeit oder auch Wut, Haß und Eifersucht verbunden: Der Arbeitsplatz geht ver- loren, der Partner verläßt einen, eine Leistung wird nicht erbracht, man nimmt mal wieder zu, ein Flirt mißlingt, in den man große Hoffnungen gesetzt hatte. Das Bedürfnis nach Macht und Stärke in Beziehungen beginnt wohl schon mit der Geburt, und drückt sich als Flirt sehr früh aus. Kleine Kinder können viel Zeit mit dem Spiel "Wer ist der Größte" verbringen - und sich köstlich amüsieren, wenn es gar nicht stimmt. Es gibt Hinweise, daß die Bereitschaft und Fähigkeit, zu dominieren oder sich unterzuordnen, eine genetische Komponente hat. Erwähnt wurde bereits das Flirtspiel sehr kleiner Kinder mit Hinsehen, Wegsehen, Lächeln, „sich genieren“, neugierig sein, die Neugier ver- stecken usw. Das Kind lernt damit seine Macht über den anderen, und die eigene Macht, sich der des anderen zu entziehen, kennen. Es ist wie ein Ballspiel, in dem man seinen Gegenüber „abtrifft“ und sich dem anderen zwar aussetzt, aber versucht nicht getroffen zu werden. Mit drei Jahren bereits können Kinder schon so hinreißend kokett flirten und sich daran vergnügen, daß selbst griesgrämigste Leute ihnen ein Lächeln nicht ver- sagen können. Ein Kind hat in diesen Momenten weder das Bedürfnis nach einer sexuellen noch nach einer Liebes- oder freundschaftlichen Beziehung: herzlos können sie sich umdrehen und den Flirtpartner sitzen lassen und vergessen, ohne daß ihnen etwas fehlt. Flirten in dieser Funktion hat daher möglicherweise etwas mit dem Erleben der eigenen Unabhängigkeit zu tun. Das Kind benötigt daher eine sichere Position, um so flirten zu können. Es wird das bevorzugt vom Arm der Eltern aus tun, oder im Wissen um die Rückendeckung der Eltern, hinter denen es sich notfalls verstecken kann. Die Couch im Wohnzimmer, unter die ihm niemand folgen kann, tut es auch schon.

40 Es gibt zahlreiche andere ritualisierte Kontexte, die für diese Art des Flirtens den sicheren Hintergrund bieten: beim Karneval schaffen Ver- kleidung und Masken Distanz und Sicherheit, und jetzt kann man beliebig jemanden anflirten oder sich anflirten lassen und wieder gehen. Schon lange im Vorfeld kann man sich drauf einstellen und mit den eigenen inneren Möglichkeiten spielen.. Bei gemeinsamen Tanzveranstaltungen ist es ähnlich. Es wird große körperliche Nähe unter dem Vorwand des Tanzens hergestellt, so daß beide überprüfen können, ob auch „mehr“ an Reaktionen möglich ist. Ähnlich zu sehen sind Arztspiele der Kinder, das Gerangel der Teenies um eine Mütze. Die Küche ist auf Feten immer be- liebt, weil es dort in Form von Essen/Trinken einen guten Vorwand für mehr Nähe gibt, die in der Enge der meisten Küchen schnell herzustellen ist. Wie langweilig ist es im großen Nebenzimmer, wo sich alle auf Angst- distanz halten und nichts ausprobieren, wie groß die Erleichterung, wenn der Raum sich füllt. Daher: Lieber kleine Räume als zu große, wenn Ihnen das Flirten wichtig ist. Für den Flirt ist es wichtig, die rituell gebotene Nähe und Distanz nicht zu mißbrauchen. Es wäre abwegig, in der Enge einer Straßenbahn zu versuchen, der 1O cm vor Ihnen stehenden Frau ihre erotischen Wünsche durch einen tiefen Blick aufs Auge zu drücken unter Ausnutzung eben dieser Enge. Manchen Menschen ist es wesentlich wichtiger, ihre Macht in diesem „Als-Ob-Spiel“ zu spüren, als sich darum zu bemühen, sie wirklich auszunutzen.

Der provokative und der aggressive Flirt können für dieses Machtspiel ein- gesetzt werden. In der aggressiven Beziehung schütze ich mich und den anderen vor Näheansprüchen. Gleichzeitig ist man in Kontakt und kann feststellen, ob auch andere Reaktionen möglich sind, und schnell kann das Klima dann kippen. Diese Art des Flirtens ist vor allem angesagt, wenn jemand Annäherungen grundsätzlich nicht verträgt oder gleich mit Rück- zug reagiert. Es kann für die Zufriedenheit in einer bestimmten Situation völlig aus- reichen zu wissen, daß man wirkt und daß andere wirken. Nicht selten kann ein einziges Lächeln den ganzen Tag verschönern. Es geht darum herauszufinden, ob man Macht über den anderen hat, oder der Macht eines Anderen ausgesetzt ist. Wer ist stärker, größer, reicher, klüger, gewitzter, erfolgreicher, schöner, attraktiver? Wer kann es sich leisten „Nein“ zu sagen oder wer muß als erster „Ja“ sagen? In der Regel kann der Stärkere seine Wünsche und Interessen besser durchsetzen. Die Macht des Stärkeren besteht jedoch nur dann, wenn der Andere sie an- erkennt. Das wird er dann tun, wenn die Macht seines Gegenübers darin besteht, daß er Wünsche und Bedürfnisse erfüllen oder verweigern kann. Wer extrem verliebt ist, fühlt sich schnell abhängig vom anderen und ohnmächtig dessen Launen ausgesetzt - vor allem, wenn der Betreffende nicht verliebt ist. Die Ohnmacht kann so groß sein, daß ein Mensch lieber Gewalt in Kauf nimmt als auf seine Wünsche an den anderen zu ver- zichten. D.h., ohne die Wünsche des einen ist die Macht des anderen nicht denkbar und umgekehrt, beide sind aufeinander angewiesen. Man könnte auch sagen, daß sie zwei sehr unterschiedliche Machtmittel benutzen: Der

41 eine bringt sein Begehren ein und die Anerkennung für den anderen, der andere befriedigt die Wünsche seines Partners. Während in der Politik nicht mehr viele Menschen das „Führer befiehl, wir folgen“ anziehend finden, ist das in der Liebe anders, die Unterordnung wird aufgesucht und nötigt dem anderen Verantwortung auf. Für den Flirt heißt das, daß beide herausfinden können, ob sie diese Rollen haben wollen oder nicht. Sie sind für beide verlockend - und bedrohlich. Stimmen beide mit der Rollenverteilung überein, kann es zu einem guten Flirt und einer guten Beziehung kommen. Tun sie es nicht, wird der eine sich immer abhängig und ausgeliefert, der andere sich immer überfordert und um das eigene Begehren gebracht fühlen. Der Flirt erleichtert es heraus- zufinden, was man sich zutrauen kann. In der Regel bemühen sich Menschen eher um ausgeglichene Machtverhältnisse, um Angst vor dem Stärkeren oder Verachtung des Schwächeren zu vermeiden. Meistens wird im Gespräch herausgefunden, wo jeweils der andere steht und über welche „Mittel“ er verfügt. Menschen flirten oft ausschließlich mit dem Ziel, sich ihrer Flirtmacht zu vergewissern, also zur Hebung ihres Selbst- wertgefühles: „Ich werde noch begehrt“. Tragisch ist es, wenn der „Ver- führte“ dann glaubt, dem entspräche nun auch ein Begehren seitens des Verführers. Diesem Irrtum unterliegen Männer oft, wenn sie sich um eine aufreizende Frau bemühen. Sie täten besser dran, für die Frau selber auf- reizend zu wirken. Natürlich kann auch ihre Bewunderung für sie eine Ver- lockung sein, um derentwillen sie in eine Beziehung einwilligt. Das ist riskant, da das Begehren des einen von dem des anderen abhängt. Be- gehren sich zwei Menschen unabhängig davon, ist ihre Beziehung wesent- lich stärker. Auch das tollste Essen ist Dreck mit Soße, wenn Sie keinen Appetit haben, und der älteste Brotkanten ist eine Delikatesse, wenn Sie genügend Hunger haben. Und umgekehrt: es nützt einem begehrten Menschen nicht, wenn ihm die Welt zu Füßen liegt - solange seine eigene Sehnsucht und sein Begehren abwesend sind. D.h., letztlich haben Sie eine stärkere Machtposition, wenn Sie eine vielfältige leidenschaftliche Beziehung zur Welt haben, als wenn Sie umgekehrt diese Leidenschaft bei anderen aus- lösen, sie aber selber nicht haben.

◊Solange das Beziehungsziel beider nur darin besteht, herauszufinden, wieviel Flirtmacht sie haben, gibt es keine Probleme. Erst, wenn die Ziele anders sind: der eine sucht seine Macht und der andere eine Liebes- beziehung, dann gibt es Tragödien.

◊Der Begehrende erlebt sich sogar im Gegenteil oft als machtlos, be- sonders, wenn seine Wünsche nicht erfüllt werden. Er fühlt sich dann den Qualen des Tantalus ausgesetzt. Das muß aber keineswegs der Fall sein. Die Qualen entstehen nicht durch das unerfüllte Begehren an sich, sondern durch die Erwartung, daß es in einer bestimmten Situation von einem bestimmten Menschen erfüllt werden soll. D.h., die Erwartungen bestimmen das Leid. Würde der Betreffende seine Sehnsucht als Ausdruck seiner Liebe zum Leben hinnehmen, ohne die Erwartung dran zu knüpfen, daß sie von dem bestimmten Menschen erfüllt wird, ist er frei für andere Chancen. Auch wenn eine junge Frau ihre Jugend und Schönheit und ein

42 wesentlich älterer Mann seine Erfahrung und seinen Wohlstand in eine Be- ziehung bringen, wird dies erst dann ein Machtflirt, wenn die Hörigkeit des einen und die materielle Abhängigkeit des anderen die Mitte bilden. Bringen aber beide einen verschiedenen Schatz in die Beziehung, kann das eine gute Begegnung werden. D.h., Flirtmacht und Machtflirt können nicht von der äußeren Situation her abgeleitet werden, sondern nur von der Beziehungsgestaltung. Bleiben gegenseitige Achtung und Wert- schätzung erhalten, und bringt jeder seine eigene Flirtmacht herein, gibt es einen guten Flirt. Ist dem nicht so, wird ein Machtflirt praktiziert

Unstreitig wird die Attraktivität einer Ware durch Verpackung und Präsentation oft stärker bestimmt, als durch ihre funktionalen Werte. Jeder ist daher geneigt, schmerzlich erlebte Mängel durch zweckmäßig verändertes layout zu verändern. In den Frauenzeitschriften heißt das: „aus seinem Typ etwas machen“ oder „Problemzonen überdecken“. Entsprechend gibt es Tips und Tricks, was man wie und wem wo sagt oder besser unterläßt, um so den vermuteten Ansprüchen und Wünschen des Gegenübers zu entsprechen, und auf diese Weise zur Erfüllung der eigenen Wünsche zu kommen. Es ist keineswegs klar, wer im Erfolgsfalle eigentlich die Macht hatte, und wenn ja, welche: die einen sprechen von Konsumterror und entsprechend werden Frauen für ihre Wirkung auf die Männer verantwortlich gemacht. Es passiert immer noch, daß ein Ver- gewaltiger milde Urteile bekommt, weil er geltend machte, die Frau haben ihn „gereizt“ und damit ihr Einverständnis signalisiert. Die anderen sprechen jedoch von Konsumrausch oder Sexismus und machen aus- schließlich den Konsumenten oder den Mann verantwortlich. Ist der Mann ein dressiertes Wesen, wie E. Villar vermutet, oder hat er es mit seiner Macht geschafft, die Frauen dazu zu bringen, sich seinen Wünschen ge- mäß zu verhalten und einen großen Teil ihres Lebens ihrer Schönheit und sexuellen Attraktivität zu widmen? Es handelt sich dabei keineswegs um müßige Fragen, allenfalls um schlecht gestellte. Diese Frageform unter- stellt, daß es eine wahre und eine falsche Antwort gibt. Ein Mann bemüht sich mit unendlicher Geduld, die Ängste und Empfindlichkeiten seiner Freundin zu berücksichtigen und stellt seine „eigenen Wünsche“ weit- gehend zurück. So verzichtet er z.B. jahrelang vollständig auf die Er- füllung seiner sexuellen Wünsche. Dann trennt sich die Frau von ihm und geht mit einem anderen eine Partnerschaft ein, in der es zu sexuellen Be- gegnungen ohne Probleme kommt. Der Mann fühlt sich jetzt ausgenutzt und schlecht behandelt. Er nimmt sich für die nächste Beziehung vor „mehr seinen eigenen Wünschen" zu folgen und „nicht immer auf die der Partnerin einzugehen“. Er irrt sich offenkundig. Richtiger wäre: in einer neuen Beziehung wird er auf andere Weise versuchen, seine Wünsche durchzusetzen. Er wird nämlich auch solche Wünsche anmelden, die im Konflikt zu denen der Freundin stehen, statt wie bisher nur solche, die ihm eine äußerlich harmonische, - aber unerfüllte Beziehung garantieren. Denn der Verzicht war keineswegs nur ein großzügiges Geschenk, sondern durchaus auch eine Strategie, für die er selber die Verantwortung über-

43 nehmen kann. Es zwingt ihn ja keiner, seine Wünsche zurückzustellen und so lange auszuharren.

Im Sinne der Flirtmachtsteigerung ist es wesentlich besser, selber die Verantwortung für eine Situation zu übernehmen. Es macht dann keinen Sinn, wehmütig und sehnsüchtig begehrenswerten Frauen oder Männern nachzusehen und sich einer Erregung auszusetzen, ohne daß es zu einer Erfüllung kommen kann. Wer kennt nicht das hilflose und ausgelieferte Gefühl auf der einen Seite, und das Gefühl von Belästigung, wenn ein un- erwünschter Mensch einem zu dicht auf den Pelz rückt?

Es gibt hier verschiedene schwierige Flirtsituationen: Sie fühlen sich den Reizen eines Menschen hilflos ausgeliefert; Sie reagieren überhaupt nicht auf die Reize eines anderen; Sie lösen ihrerseits unwiderstehliche An- ziehung auf jemanden aus.

Zum ersten Fall: Als erstes müssen Sie sich auf ihre eigene Macht besinnen, d.h. sich un- abhängig vom Anderen machen. Das geht in der Regel nur darüber, daß Sie sich einer Sache widmen, über die sie die Kontrolle haben und die sie ausfüllt oder ausfüllen könnte. Es hilft auf einem Fest z.B. bereits, wenn Sie sich um solche Kontakte bemühen, von denen sie deutlich merken, daß sie gut gehen. Dafür wenden Sie sich von ihrem „Wunschflirt“ ab, wenn Sie merken, daß Sie in eine abhängige Lage kommen und in Passivi- tät geraten. Erst, wenn Sie sich wieder sicherer wissen, können Sie in dieser Richtung wieder mehr wagen.

Es ist deutlich, daß es immer wieder um Erwartungshaltungen geht, denen ich mich ausliefere, und die mein Verhalten bremsen. Die Bremse ist un- vermeidbar, denn ich kann nie wissen, ob mein Verhalten die ge- wünschten Wirkungen erzielt oder nicht. Das Flirten besteht darin, solche Pläne beiseite zu stellen und mit Wirkungen zu experimentieren - bei sich und dem anderen.

Selbstverständlich hat derjenige mehr Flirtmacht, der schöner, freier, offener, reicher, sicherer, bescheidener, leidenschaftlicher, respektvoller, intelligenter usw. ist als ein anderer, der dies alles nicht hat bzw. nicht ist. Aber man kann davon ausgehen, daß ins Flirten ja eher Menschen mit vergleichbarer Macht kommen, und die Situation für den mit den guten Karten nicht anders ist als für den mit den schlechten, denn beide werden gleichartige Spielpartner suchen und sich daran erfreuen können. D.h. nicht, daß der Unschöne sich mit einer Unschönen „begnügen“ muß, sondern daß er voraussichtlich an ihr mehr Freude hat, weil ihre Macht der seinen ausgeglichen gegenübersteht. Von außen ist nie ersichtlich, welche Größen dabei die jeweiligen in die Waagschale werfen. Nicht selten

44 staunen die anderen, wer sich als Paar zusammenfindet und wer es schafft in eine schöne Flirtsituation oder eine Beziehung zu kommen. Auch hier wird deutlich, daß der Flirt sich keineswegs auf erotische Be- gegnungen beschränkt. Es kann sogar so sein, daß der Flirt zwar einen erotischen Inhalt hat, es in Wirklichkeit aber darum geht, wer der Stärkere oder Mächtigere ist. Die Auseinandersetzungen um die eigene Position in der sozialen Rang- ordnung werden sehr häufig über Flirts ausgetragen.

Jetzt wird auch deutlicher, warum der Machtflirt so beliebt und weit ver- breitet ist. Es geht keineswegs immer um die Liebe und Nähe, sondern manchen Menschen auch vorwiegend um die Macht über eine andere Person. Der Machtflirt ist dann durchaus ein funktionierender Weg. Auch der Unterlegene hat gute Gründe, seine Freude daran zu haben. Menschen sehnen sich nicht nach Abhängigkeit, sondern nach einem starken Anderen, vielleicht einer Elternfigur, die dann als Garant für die Sicherheit im Leben steht, wie etwa nach der Unterjochung durch die Römer die Pax Romana eine wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung zur Folge hatte.

Ist der Machtflirt jetzt etwas Gutes oder etwas Schlechtes? Das ist leider eine falsche Fragestellung. Der Machtflirt kann wie jede Macht mißbraucht werden. Das ist offenkundig der Fall, wenn ein Mann glaubt, das Recht auf eine Ver- gewaltigung zu haben, wenn eine Frau mit ihm geflirtet hat. Respektiert jedoch der Mächtigere den Schwächeren, kann es zu einer beidseitigen Bereicherung kommen: die erfahrene potente Frau genießt ihr Wissen und Können, wenn Sie einen jungen Mann in die Liebe einführt. Dieser wiederum bekommt etwas geschenkt, das er sich nicht selber erarbeiten muß. In Griechenland, zur Zeit Homers und danach, galt der Flirt zwischen Knabe und Mann sowie die Liebe zwischen beiden als wertvoller als die heterosexuelle Liebe. In allen Kulturen wird jedoch die sexuelle Beziehung zwischen offenkundig Mächtigen und offenkundig Schwächeren ambivalent bewertet. Wenn ein sehr reicher alter Mann einer jungen Frau den Hof macht, oder ein Geistesriese wie Goethe die einfache Frau Vulpius zur Frau nimmt, wird das angesichts der Macht dieser Männer nicht immer sehr laut, aber letztlich doch abgelehnt. Die Liebe zwischen Erwachsenen und Minderjährigen wird in westlichen Ländern strafrechtlich verfolgt, insbesondere wenn der Erwachsene noch über weitere Macht- positionen gegenüber Schutzbefohlenen und Abhängigen verfügt, etwa als Polizist, Lehrer, Arzt, Therapeut, Heimleiter oder Vorgesetzter und nicht zuletzt als Eltern gegenüber den Kindern. Der Flirt selber wird weniger sanktioniert, zumal er unauffälliger und weniger nachweisbar ist - es gibt eben nur Hin- und keine Beweise. Der Machtflirt wird weiterhin gesellschaftlich nicht sanktioniert, wenn er ohne eine sexuelle Komponente abläuft. Wenn Eltern ihre Kinder in eine emotionale Abhängigkeit, z.B. zur Stützung ihrer Person oder Ehe ein- binden, wird das allenfalls von Psychotherapeuten und Ärzten beklagt -

45 und natürlich von den betroffenen Kindern, aber sie haben keine Lobby dafür. Die Gegenüberstellung von Machtflirt und Flirtmacht unter 2.3.3 stellt also den Mißbrauch von Flirtmacht einseitig dar und diskreditiert damit das Machtspiel per se. Das ist so dumm, wie einen Hammer wegzuwerfen, weil er als Waffe benutzt werden könnte. Es erfordert eine eigene Betrachtung, Machtbeziehungen als attraktive Lebensformen von unattraktiven abzu- grenzen. Nach dem Mißbrauch von Macht im Nationalsozialismus und um- gekehrt, nach der Enttäuschung eines großen Teils der Deutschen über die Mächtigen und ihre eigene Vertrauensseligkeit, versprach die Demokratie als romantische Idee gleicher Menschen eine Alternative. Brecht be- schreibt in seinem Lied „Solidarität“ diesen Gedanken:

Und weil der Mensch ein Mensch ist Hat er Stiefel im Gesicht nicht gern Hat nicht gern Knechte unter sich und über sich keinen Herrn.

Mit der berechtigten Ablehnung des Machtmißbrauches wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet, und der Nutzen und das Verlockende an Macht- beziehungen geleugnet. Schon in kleinsten Kindergruppen bilden sich Rangreihen und Führer heraus, die neben dem Ruhm die Plage haben, und Anhänger, die neben der Entlastung die Abhängigkeit haben. Diese Situation ist wunderschön in den beiden klassischen Jugendbüchern „Kampf der Tertia“ und „Die Rote Zora“ dargestellt. Die Eltern genießen ihre Macht über ihre Kinder, diese den Schutzschild der Eltern. Der Unternehmer genießt seine Macht über seine Firma, seine Angestellten genießen, daß sie keine Verantwortung für den Laden haben. Der Pfarrer genießt die Macht über die Seelen seiner Gemeinde, diese, daß der Pfarrer den Glauben vertritt und die Zweifel beseitigt. Bei uns ist es üblich, daß der Schüler oder Student seinen Eltern oder „verehrten Lehrern“ dankt. Im Zen-Buddhismus heißt es, daß der Lehrer sich beim Schüler bedankt, wenn dieser richtig gelernt hat - denn er hat ihn als Lehrer damit anerkannt. Das könnte für unsere Schulen eine Be- reicherung darstellen.

In dem Maße, als Mächtige und Ohnmächtige ihrer gegenseitigen Ab- hängigkeit erkennen, können das Machtspiel und der Machtflirt wunder- schön werden. Es ist dabei gleichgültig, ob die dabei realisierten Be- ziehungswünsche lediglich mit Nähe und Bindung, mit Position in der Hierarchie, mit Sexualität oder mit Kampf und Auseinandersetzung oder einem Konglomerat zu tun haben.

Wenn es um die soziale Position geht, ist der Flirt stark durch Kampf oder Fluchtverhalten geprägt: Kritik, Forderungen stellen, Argumentieren, sich durchsetzen, Standpunkte beziehen, Interessen vertreten, Verantwortung übernehmen, sich auseinandersetzen und Streiten, Standhalten und nicht Aufgeben, zu seinem Zorn und Ärger stehen, Konflikte zugeben und aus-

46 halten. Das findet durchaus auch zwischen Eltern und Kindern, innerhalb von Liebesbeziehungen und zwischen Freunden statt. Deutlich ist hier, daß es sich dabei in der Regel um einen Machtflirt handelt. Und wenn man keinen Erfolg hat, oder der andere stärker ist, tendiert man zur Flucht, Resignation, Aufgabe, Verzichten, Vermeiden oder sich so geschickt ver- bergen, daß der andere keinen Angriff mehr starten kann.

Das erste Flirtspiel der Jungtiere besteht aus spielerischen Angriffen, Ver- teidigung und Flucht. Über sie werden langfristig die Machtverhältnisse geklärt und die „Hackordnung" herausgearbeitet. Bei vielen Begegnungen necken, provozieren, fordern Menschen sich, ganz unabhängig davon, wie ihre Wünsche nach Nähe sind, gegenseitig heraus. Nicht immer ist deutlich, daß dabei kokettiert wird; manche können so überzeugend flirten, daß der Als-Ob-Charakter gar nicht mehr ersichtlich ist. Dann wundern sich die anderen, wenn jemand keine Konsequenzen aus einer Kritik zieht und den zuvor fertig gemachten zum Abschied herz- lich küßt. Für einen erfolgreichen Flirt kann das eine bessere Ausgangs- situation sein als Schwärmerei und Komplimente, weil Distanz eingehalten wird und darüber jeder sein eigenes Begehren entwickeln kann. Unter Jugendlicher ist dieser Flirtyp der häufigste. Er schützt sie vor dem Schmerz der Zurückweisung. „Wenn du mich auch dann noch magst, wenn ich so eklig zu Dir bin, mußt Du mich ziemlich mögen“. D.h., innerhalb dieses Beziehungszieles spielt der Wettbewerb und der Kampf eine große Rolle. Es geht in der Regel nicht um Sieg oder Nieder- lage, sondern um die Position in einer Rangreihe, die jemand ausfüllen kann. Diese Rangreihen sind oft informell, werden aber auch nicht selten ausdiskutiert. Etwa wenn zwei Mannschaftsführer beim Fußball ab- wechselnd einen Mitspieler aus dem Pool wählen, werden sie sich ganz wesentlich nach der Spielstärke richten. Unser ganzes Schulsystem (Noten!) und Wirtschaftssystem (Marktwirtschaft) wird durch Wettbewerb und Kampf bestimmt. Wer in diesem Bereich kompetent ist, hat für den Bereich Liebesbeziehungen und Freundschaften wesentlich bessere Karten. Wer sich auf diesen Kampfbereich beschränkt, mag sehr viel Erfolg im wirtschaftlichen und politischen Leben haben, aber Freunde und die Liebe gehen an ihm vorbei. Für viele Menschen ist es unverständlich, daß sie über erfolgreiches Rivalisieren nicht Freundschaften und Liebes- beziehungen zugleich erreichen. Wenn dann der Chor beendet ist und alle heimgehen, gibt es über das gemeinsame Singen hinaus plötzlich keine weiteren Beziehungen. Sie ergeben sich nicht automatisch.

4.2.3Erotische und sexuelle Begegnung

In diesem Falle dient das Flirten dem Interesse an einer Paarung. Ohne den sexuellen Trieb würde diese Art des Flirtens praktisch nicht auftreten. Es geht darum, gegenseitige Paarungsbereitschaft zu signalisieren und wahrzunehmen und zugleich feindselige Absichten zu dementieren.

47 Der durchschnittliche Liebesroman besteht immer aus der aufregenden Geschichte vor der Paarung und endet mit dieser, ist also sozusagen ein erotischer Flirt in epischer Breite. Ein erotischer Flirt muß aber nicht zur Paarung führen, er tut es sogar häufiger nicht, als daß er gelingt. Selbst bei vielen Tieren sind die Paarungsriten aufwendig und langwierig und insbesondere viele Männchen kommen nie zum Zuge. In Bezug auf den Flirt heißt das auch, daß die Paarungszeit interessanter und spannender ist als die Paarzeit. Paare machen Parties leicht zu lang- weiligen "Paarteas", verglichen mit Parties, wo wenig Paare vorhanden sind. Das gibt bereits Hinweise darauf, wie Paare wieder Leben in die Bude bringen und die alte Liebe füreinander wecken könn(t)en. Geflirtet wird auch dann, wenn Paarung rituell ausgeschlossen ist, dann sogar erst recht, wie Degenhard in seinem Lied "Sonntags in der kleinen Stadt" singt: „Wenn die Bratendüfte wehen Jungfraun den Kaplan um- stehen, der so nette Witzchen macht und wenn es dann so harmlos lacht“. Es geht dann deshalb um so besser, weil „offiziell“ ja nichts passieren darf und wird, man sich also seinen Gefühlen um so sicherer überlassen können. Der Ausdruck „Paarung“ wird hier bewußt verwendet, um den triebhaften Charakter des Geschehens, den wir mit den Tieren gemeinsam haben, hervorzuheben. Unsere geistige Existenz enthebt uns dieser Tatsache keineswegs und entehrt uns auch nicht. Für den „triebnahen“ Charakter des Flirtens spricht, das die meisten Menschen es sofort einstellen, bzw. die Einstellung vom Partner verlangen, sowie sie sich als Paar verstehen. In den meisten Gesellschaften spielt die sexuelle Exklusivität eines Paares eine große Rolle. Beginnt ein Partner daher zu flirten, wird das leicht als Ausdruck einer Störung der Beziehung und als Bedrohung erlebt und Eifersucht entsteht blitzschnell. Die Angst vor dem Flirten hängt mit dieser Möglichkeit zusammen. Wehret den Anfängen! Wer seines Nächsten Frau gar nicht erst begehrt, kann die Ehe auch nicht brechen. Das ist natürlich weitgehend richtig. Das heißt aber noch keineswegs, daß damit von der Ehe die Gefahr abgewendet ist. Eine Beziehung gerät viel stärker und öfter in Gefahr, wenn die Partner das Flirten einstellen, als wenn sie es fördern. Das erhellt sich aus folgender Überlegung: Wenn ein Paar sich seinen Re- aktionen anderen Menschen gegenüber öffnet und sie zuläßt, werden diese Beziehungen auch lebendiger und reicher. Wenn die Liebes- beziehung gleichwohl bleibt, ist sie um so sicherer. Wenn sie davon in Ge- fahr gerät, heißt das auch, daß mangels Alternativen etwas aufrecht- erhalten wurde. (Was ich nicht weiß...) Wer lieber dumm sterben möchte, kann sich entscheiden, aber seine Ruhe ist nicht garantiert. Wieviele bürgerliche Ehen sind üble Konstruktionen, nur durch die gegenseitige Be- schränkung der Partner aufrechterhalten, aus Angst vor Trennung?. D.h., der Flirt als Spiel mit Eventualitäten zeigt, daß auch eine Beziehung keine garantierte und sichere Sache ist. Den anderen im Flirten be- schränken heißt, die eigene Angst dadurch zu kontrollieren, daß man sein Gegenüber einschränkt. Besser wäre es für die Beziehung, das nicht zu

48 tun, und sich lieber auf seine Entscheidung und Liebe zum Partner zu ver- lassen, bzw. seine Entscheidungen auch zu revidieren, wenn man merkt, daß man falsch entschieden hat. Wer seine erotischen Momente vernachlässigt und nicht pflegt, wirkt darüber lebloser und weniger attraktiv. Er hat durchaus mehr Schwierig- keiten, in den anderen Beziehungsbereichen zu werben. Und umgekehrt, wer sich seiner erotischen Gefühle sicher ist und damit leben kann, hat bessere Karten in den Bereichen Macht und Freundschaft. Wer sich hin- gegen ausschließlich auf diesen Bereich beschränkt, wird wenig Freunde haben und keine Zeit für andere Dinge. Er ist dann ein Don Juan, Casanova oder eine Nymphomanin - also ein sehr einseitiger Mensch.

4.2.4 Unklare und komplexe Wünsche

Es gibt viele sehr klare und eindeutige Beziehungswünsche. Es besteht auch keine Notwendigkeit, diese über einen Flirt zu beginnen, der direkte Weg kann der bessere sein. So kann man jemanden bitten, in einer Arbeitsgruppe mitzumachen, eine Reise mit einem selbst zu unternehmen oder in eine Liebesbeziehung zu treten. Selbstverständlich kann eine solche Begegnung auch über einen Flirt be- gonnen werden. Sehr häufig ist der folgende Fall: Man beginnt eine eindeutige Beziehung z.B. über eine Nachbarschaft, eine gemeinsame Arbeit, oder eine Verliebt- heit. Und während dieser Begegnungen entstehen Phantasien - Flirts - über weitere Begegnungsmöglichkeiten. So kann eine Arbeitsbeziehung zu einer erotischen Begegnungen oder diese um eine Arbeitsbeziehung aus- geweitet werden. Es macht gerade den Reiz des Flirtens aus, als Spiel mit den Möglich- keiten, sich offen zu halten, zu spüren und zu erkennen, welche Wünsche noch berührt werden - beim anderen wie bei mir. Für viele Menschen ist ein Flirt oft nur dann möglich, wenn eine andere „klare“ Beziehung bereits besteht. Das kann flirterleichternd sein, muß es aber nicht. Klare Beziehungen setzen auch Grenzen, die dann oft auch dann nicht mehr überschritten werden, wenn ein Flirt möglich ist. So flirten sehr gute Bekannte in einem Verein oder einer Nachbarschaft oft nur scheinbar miteinander. Sie wissen sehr genau, daß sie ihren Beziehungsrahmen nicht verändern werden. Dann wird eher ein Spiel mit den Unmöglichkeiten betrieben. Das kann dann witzig sein, hat aber in der Regel nicht die Dynamik und Lebendig- keit eines echten Flirts, der eben ein Spiel mit den Möglichkeiten ist. „Mit wem würde ich gerne auf einer einsamen Insel ausgesetzt werden?“ Wenn Sie dabei jemanden ansehen, mit dem Sie das sowieso nie tun würden, fühlen Sie - und der andere - sich wesentlich anders, als wenn Sie der Möglichkeit wirklich eine Chance geben.

49 Sowenig aber ein Flirt als Spiel mit den Möglichkeiten zu einer sexuellen oder Liebesbeziehung führen muß, sowenig muß ein Machtflirt zu einem Sieg oder Freundschaftsflirt zu einer Freundschaft führen. Deshalb ist der Flirt auch ein Selbstzweck, eine Umgangsweise mit- einander, die eben dieser Unklarheit Rechnung trägt und zugleich ein Weg ist herauszufinden, welche der Möglichkeiten wahrscheinlicher ist. als eine andere. Geht es eher um Rivalität, um Sex, um Liebe oder alle zu- sammen? Das Flirten entspricht dann den phantasievollen Rollenspielen der Kinder, in denen alle Beziehungstypen mit großer Wonne gespielt werden, während sie sehr zurückhaltend sind, wenn es ernst wird. Und dieses Spiel ist zugleich ein Kennenlernen der bereits vorhandenen Möglichkeiten, als auch ein Weiterentwickeln von Ansätzen und Möglich- keiten. Kurz und drastisch drückt es der sarkastische Spruch aus: „Aus Spaß wurde Ernst, und Ernst kann jetzt schon laufen.“

Erwachsene spezialisieren sich häufig:

-Die einen befassen sich mehr mit Beziehungen, Freundschaften bzw. halten sich möglichst fern davon. (Literatur Goethe, Asketen) -Die anderen orientieren sich an erotischen und leidenschaftlichen Zielen - oder halten sich fern davon. (Casanova, Don Juan - Der Mann ohne Eigenschaften) -Schließlich gibt es jene, die nur ihrem Beruf nachhängen (I. Kant)- oder sie verzichten völlig drauf (Aus dem Leben eines Taugenichts). -Anderen ist nichts wichtiger als ihre Religion und politische Über- zeugung, denen sie alles andere nachordnen ("Mutter Therese in Kalkutta") - andere sind völlig unbeleckt in diesem Punkt und sehen in ihrer Briefmarkensammlung den Mittelpunkt der Welt. -Schließlich gibt es diejenigen, denen vor allem ihr eigenes Seelenheil am Herzen liegt, sei es religiös gesehen oder psychologisch. (Comic Mann um Laterne).

Es gibt komische, tragische und tragisch-komische Paarungen, wenn sich solche Spezialisten untereinander oder über Kreuz treffen und weder den Verstand noch den Humor besitzen, dieser Tatsache Rechnung zu tragen. Die Paartherapeuten leben davon.

Wirkliche Begegnungen und Flirts sind also selten „eindeutig“. Das führt auch dazu, daß die Angst vor den negativen Folgen einer Begegnung oft diffus und komplex ist. Die betreffenden erleben sie auch selten als Angst oder Furcht, sondern viel eher als Scham. Das Flirtspiel der Kinder wird auch als „Schamspiel“ bezeichnet. Das wechselnd vergnügt und „gschamig“ hinter der Mutter verschwindende Kind wird scherzhaft als „Chemiker“ bezeichnet. Kinder können den konstruktiven Aspekt der Scham noch frei ausleben - sie meiden die Situation nicht nachhaltig, sondern nur jeweils

50 für kurze Zeit - dann siegt wieder die Neugier. Erwachsene entziehen sich der Situation oft völlig: Ein 24-jähriger Maschinenbaustudent schaffte es seit dem 14. Lebensjahr erfolgreich, alle Flirtangebote zu ignorieren, zu leugnen, umzudeuten oder ihnen schon aus dem Wege zu gehen, bevor sie ihn erreichen konnten. Er fürchtete, in einen Flirt verwickelt zu werden, dann in eine nähere Beziehung - und es könnte ihm passieren daß er verlassen wird. Scham wird zum Flirtkiller, wenn sie Anlaß ist, eine Begegnung zu meiden, zu ignorieren, zu leugnen oder umzudeuten. Sie wird jedoch zu einer belebenden und gestaltenden Kraft, wenn sie in die Begegnung mit hineingenommen wird. (Cartoon mit Schulterpolstern raussuchen).

4.2.5Andere Lebensbereiche: Beziehungsziele und öffentliche Rolle

Manche Menschen widmen sich dem einen oder anderen Beziehungsziel mit solcher Ausschließlichkeit, daß da heraus bestimmte öffentliche Rollen entstehen. Diese können informell sein, wie eine Freundschaft, oder formell, wie eine therapeutische Beziehung.

Kamerad, Freund, Eltern, Familie, Genosse, Pate, Therapeut: diese Rollen dienen der Herstellung von Nähe, Gemeinschaft, Geborgenheit, Sicherheit, ohne eine Hierarchie. Die Autonomie des Einzelnen ist so wichtig wie die des Anderen.

Funktionär, Betriebsnudel, Peer: Es ist ihnen ein Bedürfnis „mit anderen etwas zu machen“. Sie sind früh Klassensprecher, im Schülerrat, im Studentenparlament oder später in der Politik, im Betriebsrat, in der Orts- partei. Kein Verein kann ohne sie bestehen. In der Clique haben sie eine führende Position und sorgen für das Bestehen der Clique.

Händler: Er wirbt für seine Produkte und verspricht „Spaß, Freude, Lust, Erfüllung, Identität, Zugehörigkeit, eigentlich alles was man sich wünschen kann. Er preist Produkte an, die Wünsche und Sehnsüchte wachrufen und mobilisieren. Er verlangt, daß man seine Produkte kauft. Der Händler war schon immer der Verbinder zwischen den Menschen.

Politiker: Er verspricht, an unserer Stelle unsere Wünsche und Interessen zu vertreten und durchzusetzen, besser noch, als wir es selber könnten. Er verheißt eine gute Zukunft auf Erden:„Vielen soll es besser und niemandem soll es schlechter gehen." Wenn er nicht „visionär“ ist und kein Charisma hat, scheitert er. Er verlangt, daß wir ihn wählen und ihm glauben.

51 Guru, Missionar, Führer: Er verspricht Erlösung, Heilung, Glückseligkeit, den richtigen Weg durchs Leben und als selbstverständliche Dreingabe soziale Zugehörigkeit (Herr Gott, ich danke Dir, daß ich nicht bin wie jener) und Macht (nur die Auserwählten werden überleben). Er verlangt dafür, daß man ihm glaubt, folgt, Beiträge zahlt, für ihn arbeitet und sich nach ihm richtet. Im Unterschied zum Ziel „Nähe und Gemeinschaft“ gibt es hier immer starke Hierarchien, die mit Gewalt und Macht aufrecht- erhalten werden. Das Auskämpfen der Rangreihen kann mehr Zeit in An- spruch nehmen, als das inhaltliche Ziel der Gruppierung. Sekten und Untergruppen der großen Kirchen wie der Opus dei gehören dazu.

Lover: Er verspricht sexuelle Erfüllung, sinnliche Leidenschaft und als selbstverständliche Zugabe Liebe und Schutz. Er verlangt dafür, daß der andere ja sagt und sich hingibt bzw. ihn in gleicher Weise begehrt. Alle übrigen Lebensziele sind diesem Ziel jeweils untergeordnet.

Es geht keineswegs nur um den Austausch von Geld gegen Waren, um ge- rechte Rangordnungen, um den wahren Glauben oder die gerechte Politik oder die echte Leidenschaft. Es geht immer darum, daß lustvolle Visionen an- geregt werden. Ein lediglich informierender Verkäufer wird so wenig Erfolg haben, wie ein sachliche Programme abliefernder Politiker. Es reicht auch nicht, Heilsversprechungen zu machen oder zu behaupten, man sei der Lover comme il faut. Der Erfolg hängt davon ab, diese Ideen beim anderen auszulösen. Einige Menschen schaffen es, verschiedene Rollen auf sich zu vereinen und mit allen Mitteln zu flirten. Große persönliche Macht und ein hoher Status bei großem Sex Appeal und guten Fähigkeiten zu Freundschaften machen sie dann unwiderstehlich. Kennedy z.B. zählte dazu. Und dann gibt es die Underdogs, die Loser, die keiner mag, die der Staub unter den Füßen der Tüchtigen sind, ausgestattet mit dem Sex- Appeal einer Scheibe trockenen Brotes, der Macht eines Blattes im Winde und der Wärme einer zugigen Moorkatze. Damit letzere aber wirklich chancenlos beim Flirten sind, müssen sie selber von ihrer Chancenlosigkeit überzeugt sein und darauf achten, daß das wirkliche Leben sie nicht widerlegt. (Einem Verein, der jemand wie mich aufnimmt, würde ich nie beitreten). Die SPD ist sehr gut darin, tüchtige Funktionäre ohne jedes Charisma an ihre Spitzen zu wählen.

Unabhängig vom Ziel einer Beziehung, sei es Liebe, Macht oder Sexualität, haben die genannten Rollen doch etwas Wesentliches gemeinsam, das in den extremen Ausprägungen besonders deutlich wird: Das intensive Interesse am Menschen, am anderen wie an sich selber. Wer also seine Flirtmacht vermehren will, kommt nicht umhin, seine Zeit und Mühe mehr auf den Kontakt und den Umgang mit anderen Menschen und sich selber zu verwenden. Die Übernahme fester Rollen stehen jedoch einem Flirten im Wege, da „Festlegungen“ und Flirten sich widersprechen. Das merken diejenigen schmerzlich, die sich auf der Suche nach einer Liebesbeziehung in Vereine oder Parteien begeben, um dann automatisch

52 „mehr unter Leuten zu sein“ und die richtigen Leute kennenzulernen. Zu ihrer Enttäuschung haben sie dann oft nur mehr Arbeit, aber nicht mehr Beziehungen, da es eben um festgelegte Rollen geht. Für das Beziehungs- ziel „Zugehörigkeit“ oder „Platz in einer Hierarchie“ haben sie dann etwas getan, für die Liebe jedoch noch gar nichts.

Wer sich daher mehr für Wohlstand, Erwerb von Wissen, Entwicklung seiner fachlicher Kompetenzen, und dem Ausbau seiner Kakteensammlung interessiert, wird es sehr viel schwerer haben, Freude und Erfolg beim Flirten zu haben.

Nicht wenige behaupten, soziales Interesse und Emotionalität seien an- geborene Eigenschaften oder zumindest früh erworbene, die, einmal fest- gelegt, sich durch weiteres Lernen und neue Erfahrungen nicht wesentlich verändern. Es spricht vieles dafür, daß Interesse an sich und anderen mit zu den genetisch mitbedingten und früh geprägten Möglichkeiten eines Menschen gehört. Es spricht aber nicht weniger dafür, daß Lernen und Praxis diese Möglichkeiten zeitlebens umgestalten können. Häufig sind es lediglich stabile, schlechte Angewohnheiten, die Menschen von der konstruktiven Beschäftigung mit ihren Beziehungen abhalten. Unter dem Kapitel „Problemflirter“ bzw. den „Flirtkiller-Verhaltensweisen“ sind einige zusammengestellt worden. Unveränderbarkeit wird leicht immer dann angenommen, wenn eine Ver- änderung mit Mühe, Arbeit und Üben verbunden ist, ein Erfolg sich somit nicht sofort einstellt bzw. nicht gleich stabil ist. Wenn jedoch schon so etwas Simples wie das gute Spiel auf der Blockflöte Jahre des Übens und Praktizierens benötigt, warum sollte das Flirten eigentlich von jetzt auf gleich gehen? Außerdem: die Entwicklung eines Interesses dauert in der Regel wesentlich länger als die einer Fertigkeit. Anfangen kann man mit beiden Tätigkeiten allerdings jederzeit.

Flirten und Scham

Scham erleben Kinder schon mit drei Jahren (Lewis1995), Flirten können sie allerdings schon vorher. Flirten ist ein guter Weg, das eigene Schamgefühl und das seines Gegen- übers wertzuschätzen. Wenn ein Mensch verstummt, errötet, sich ab- wendet, zusammensinkt, eine Begegnung vermeidet, uns durch Gestik und Mimik vermuten läßt, er sei verlegen, nehmen wir an, daß er sich schämt. Eine erlebte Scham kann so intensiv sein, daß sich ein Mensch umbringt, um sie zu beenden, oder eine Lebensgefahr eingeht, um ihr nicht ausgesetzt zu sein. Immer handelt es sich dabei um tatsächliche oder mögliche menschliche Begegnungen des oben erwähnten Typs. So gibt es Scham im sexuellen Bereich, im Bereich der Freundschaft und Liebe sowie der Macht. Bei der sexuellen Scham geht es im Wesentlichen um die Körperscham, aber auch um Gefühle. Kinder schämen sich oft

53 furchtbar, wenn schamlose Erwachsene kichernd und laut darauf hin- weisen, daß ihr kleiner Sohn sich in irgendein Mädchen verliebt hat. Wenn ein junger Mann sich umbringt, weil er durch eine Prüfung gefallen ist oder straffällig geworden ist, so ist intensive Scham oft der Grund. Und auch erwachsene Menschen erleben intensive Scham in solchen Momenten, selbst, wenn niemand sie "outet". Man verliert nämlich im Moment der Scham die Kontrolle über für wichtig erachtete Momente der Wirklichkeit. D.h., Scham ist ein wichtiges soziales Regulativ. Ein Mensch bewahrt damit seine Integrität, und die seines Gegenübers. H. P. Duerr konnte überzeugend zeigen, daß Scham universell auf der ganzen Welt und zu allen Zeiten Bestandteil menschlicher Gemeinschaften war und ist. Lediglich die Dinge, auf die die Scham sich bezog, konnten verschieden sein. So würden sich manche Menschen wesentlich mehr schämen, bei einem Fest falsch angezogen zu sein, als sich nackt am Strand oder in einer Sauna aufzuhalten. Duerr weist z.B. darauf hin, daß sich heutzutage manche Menschen vor allem ihrer Scham schämen - ihre Selbstachtung hängt davon ab, "cool" zu erscheinen - was immer auch passiert. Nicht wenige fühlen sich durch Schamgefühle am Flirten gehindert und hoffen, einmal flirten zu können, "ohne daß es ihnen etwas ausmacht". Dieser verständliche Wunsch wäre ein Pyrrhussieg. Mit dem Verlust der Scham verlöre doch der betreffende Mensch das Gefühl für seine Integri- tät und die des anderen. Wie soll es da zu einer intensiven und liebevollen Begegnung kommen? Gut Flirten heißt, mit der eigenen und der Scham des anderen achtungs- voll und wertschätzend umzugehen. Tue ich das nicht - gleichgültig auf was sich meine oder die Scham meines Gegenübers bezieht, gerate ich in einen Machtflirt und überrumpele den anderen, reiße ihn auf, grabe ihn an, usw. Das Erleben der Scham im Zusammenhang mit einem Flirt intensiviert diesen auf eine wunderschöne Weise. Denn die Scham ist ja kein Mangel, sondern Ausdruck der Wertschätzung, die ein Mensch für be- stimmte Aspekte seiner Person und einer Beziehung hat. Das heißt keinesfalls, daß damit etwas festgeschrieben ist. Im Laufe des Flirtes oder der Begegnung können sich ja die Schamschwellen wesentlich verschieben. Entscheidend ist ja nur, ob es aus freiem Entschluß ge- schieht, oder ob jemand genötigt und damit beschämt wird.

4.2.6 Transzendente Beziehungswünsche und Autonomie. Eine transzendente Beziehung überschreitet die konkreten Beziehungen in Raum und Zeit. Dazu gehört also die religiöse und historische Bindung. In der religiösen (Re-ligio, Rückbindung) sucht ein Mensch die Gemeinsam- keit mit Gott oder Göttern, Wesenheiten, die kategorial verschieden von den konkreten Beziehungen sind. In der historischen Bindung sucht jemand die Zugehörigkeit zu seiner Familien- geschichte, Volksgeschichte oder Phylogenese überhaupt. Dazu gehört also auch die Suche nach den "Roots", d.h. seinen Vorfahren. Der Vorteil solcher Zugehörigkeiten ist, daß sie wesentlich unvergänglicher sind als die alltäglichen Beziehungen und es damit erleichtern, Krisen in diesen durchzuhalten.

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Beziehungswünschen steht der Wunsch nach Autonomie gegenüber, also der Freiheit von Beziehungen. Tatsächlich sind gesunde Beziehungen ohne Autonomie auch gar nicht möglich, man hätte andernfalls Symbiosen, Hörigkeiten, Abhängigkeiten usw. Autonomie kann auch als Beziehung zu sich selber verstanden werden: die Suche nach der eigenen Identität, nach der Übereinstimmung mit sich selber, nach seiner eigenen Mitte. Diese Bindung zu sich selber erlaubt es ebenfalls, Krisen aller Art durchzu- stehen. Eindrucksvoll ist etwa die Klage Hiobs nach Verlust allen Besitzes und aller Bindungen. Er besteht gegen alle Kritik darauf, zu Unrecht so schlecht vom Schicksal behandelt worden zu sein. D.h., er weigert sich, sich selbst in Frage stellen zu lassen. Viele Menschen, die von ihrem Liebsten verlassen worden sind, von ihrer Gemeinschaft ausgeschlossen wurden oder ihre soziale Position verloren haben stellen sich grundsätzlich in Frage und können sich so wertlos und verzweifelt fühlen, daß sie den Tod vorziehen. Wenn jemand zu sich steht, unabhängig davon, wie er nun tatsächlich beschaffen ist, wird es da wesentlich leichter haben. Diese Beziehungstypen geben einem Menschen mehr innere Freiheit, mit anderen Beziehungen zu flirten, weil nicht von jeder Begegnung gleich das ganze Leben abhängt. Aus diesem Grund ist auch Flirt fördernd, vor einer Begegnung für sich selber zu sorgen. Der Flirtende wird dadurch lebendiger und anregender für den anderen und der Flirt damit vielseitiger und reicher. Wo wenig Lebensmöglichkeiten sind, bestehen auch nur wenig Flirtmöglichkeiten.

5Flirtbremser, Flirtkiller und Helfer

5.1Definition Als Flirtkiller und Flirtbremser werden Denkweisen und Verhaltensweisen bezeichnet, die einen Flirt schon im Ansatz verhindern oder ihn ruinieren, was sehr häufig ist. Flirtkiller sind heimtückisch: wer von ihnen heim- gesucht wird, merkt es meist sehr schnell und fühlt sich hilflos. Das Lästige an Flirtkillern ist nämlich, daß sie als Flirthelfer gedacht sind, von wenigen Ausnahmen abgesehen, und daher nicht gleich erkannt wird, daß sie dieses meist nur in der Theorie oder kurzfristig sind, langfristig jedoch sich als Killer herausstellen. In der Regel macht man dann den Fehler, nach der Methode „mehr desselben“ vorzugehen. D.h., die vergebliche Strategie wird noch ausdauernder realisiert. (Sauf -comic)

Beispiel für einen Flirtkiller: „Ich fall mal nicht mit der Tür ins Haus und fang mal mit was Unverfänglichem an...“Studierst Du auch in Karlsruhe?““ Der/die Angesprochene spürt das Desinteresse an der Frage und antwortet entsprechend gelangweilt „ja“ - ein gutes Signal für den nächsten Flirtkiller: „Ich hab’s befürchtet, die /der will nichts von mir

55 wissen, sonst hätte er/sie ja nicht so gelangweilt geantwortet.“ Unter dem Begriff „Machtflirt“ wurden bereits einige Flirtkiller aufgeführt. Eine Gemeinsamkeit fast aller Flirtkiller besteht in unzutreffenden Er- wartungen, bzw. überhaupt Erwartungen. 1. Sie gehen mit hohen positiven Erwartungshaltungen, Idealisierungen Vorurteilen und Forderungen an sich und Andere in eine potentielle Flirt- situation. Diesen Fehler machen auch jene Menschen, die versuchen, über „konsequentes positives Denken“ dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen und sich Erfolge zu garantieren. Die Wahrscheinlichkeit, daß Sie Enttäuschungen, Frust, Angst, Streß, Nervosität usw. erleben werden, ist ziemlich groß, vor allem, wenn Ihr Gegenüber die gleiche Strategie fährt. Sie nageln dann mehr oder weniger dicht aneinander vorbei oder krachen ineinander. Auch vorübergehende Treffen sind kritisch, denn irgendwann kommen die Enttäuschungen und das böse Erwachen.

2. Sie gehen mit hohen negativen Erwartungen, mit Resignation, mit Skepsis, Vorbehalten, Vorurteilen, Mißerfolgserwartungen und Distanz in eine potentielle Flirtsituation. Diese Haltung nehmen vor allem Menschen ein, die aus unterschiedlichen Gründen eine Enttäuschungen vermeiden wollen. Das ist bedauerlich, denn Ent - Täuschung heißt auch Aufklärung. So wird aus dem Versuch einer Behütung eine Verhütung. Keine Disteln und Dornen mehr im Garten Ihrer Seele - aber auch keine Blumen. Hoch erhobenen Hauptes - oder mit verkniffener, verbitterter oder auch nur trauriger Miene gehen Sie an Ihrem Glück dicht vorbei wie jener deutsche Tourist, der in der Wüste zehn Meter vor einem Brunnen verdurstet, weil er ihn für eine Fata Morgana hielt.

Flirthelfer sind entsprechend Denk- und Verhaltensweisen, die sich eignen, einen Flirt in Gang zu setzen und zu unterhalten. Beispiel Flirthelfer: „Ich klopfe mal an, mal sehn was passiert“; „Guten Morgen - darf ich mich dazu setzen? (Antwort :Ja, bitte“). Der Betreffende setzt sich und genießt die Situation da zu sitzen, wo er gerne sitzen möchte - ihm fällt dabei auf, wie leer der Hörsaal ist. Er wendet sich an den/die Nachbarin: „Wieso ist das eigentlich so leer hier? (Antwort: “Keine Ahnung- ist es meistens glaube ich“. Mehr muß nicht passieren! Wenn Sie sich jetzt unter Druck setzen, das Gespräch mit Gewalt fortzusetzen, praktizieren Sie wieder einen Flirtkiller. Sollten Sie sich hingegen ent- scheiden, anderen Menschen mit Ihrem Interesse, Ihrer Zuneigung, Ihrer Neugier, Ihren Ideen, Ihren Gefühlen, Ihren Impulsen, Ihren Reaktionen auf sie zu begegnen, müßte es mit dem Teufel zugehen, wenn der Flirt sie dann noch verfehlen könnte. Zugegeben: der Zeitpunkt ist nicht planbar oder vorhersehbar, nicht einmal, welche Person schließlich Ihr Flirtpartner wird. Unter dem Begriff Flirtmacht wurden oben bereits einige Helfer an- gekündigt.

56 5.2Es gibt zwei Arten, über die Helfer nachzudenken. Man überlegt sich Tricks, Kniffe oder Methoden, um eine bestimmte Situation zu gestalten. Z.B. überlegt man sich Formulierungen, die mög- lichst gut ankommen und unverfänglich sind. (Ist hier noch was frei?) Daneben gibt es Regeln, Einstellungen oder Haltungen, an denen man sich orientieren kann. Eine Regel ist viel umfassender und bezieht zahlreiche Einzelfälle mit ein. Wenn man sie oft verwendet und verinnerlicht hat, wird sie zu einer bleibenden Einstellung und Haltung. Ich brauche die Regel dann nicht mehr bewußt einzusetzen, ich tue automatisch das Richtige.

5.2.1Tricks, Methoden, Kniffe. Das Gegenstück dazu sind: Ungeschicklichkeiten, Flops, Sackgassen, Fehler. Ob ein Flirtversuch sich als gelungener Kniff oder als Flop heraus- stellt, hängt entscheidend von den Haltungen und Einstellungen ab, aus denen heraus er „gestartet“ wird. Wenn A mit dem Satz „Oh, Du rauchst auch Rothändle “ Erfolg hat, B hingegen nicht, liegt es häufig lediglich daran, daß A tatsächlich überrascht ist, B es aber nur spielt. Das Original ist eben meist attraktiver als die Kopie. Kniffe und Tricks zu lernen ist daher nur sinnvoll, wenn sie mit bestimmten Haltungen und Einstellungen verbunden sind. Diese erlauben, den jeweiligen Kontext richtig zu berück- sichtigen. Tricks sind schnell erlernbar. Es reicht in der Regel, sie zu kennen, um sie zu können. Haltungen und Einstellungen entstehen jedoch eher aus viel Übung und praktischer Erfahrung. Es dauert eine ganze Zeit, bis eine Regel in eine Haltung übergegangen ist. Die schlechte Nachricht daran: Es dauert alles ziemlich lange und eine Schwalbe macht noch keinen Sommer. Die gute Nachricht daran: Ein Flop ist keine Katastrophe, und Sie haben viel Zeit.

5.2.2Grundhaltungen, Regeln, Einstellungen. (Bezug auf Grund- bedürfnisse und Beziehungserwartungen!)

5.2.2.1Interesse an sich und anderen entwickeln

Ein guter Flirt gelingt relativ leicht, wenn Sie ein Interesse an sich und Ihrem Leben sowie vor allem an anderen Menschen haben. Wenn Sie also einen Menschen ansehen, ansprechen, mit ihm etwas unternehmen wollen, hängt der Erfolg wesentlich davon ab, ob Sie ein überzeugendes Interesse am anderen haben. Sind Sie hingegen gelangweilt, abgeneigt, des- interessiert usw., sind Sie „reizarm“ für Ihr Gegenüber, und er hat Mühe, mit Ihnen in einen Flirtkontakt zu kommen. Natürlich, auch die Wüste lebt, aber das Land wo die Zitronen blühen ist bei weitem beliebter. Treten Sie also immer mit dem auf, was Sie jetzt schon interessiert, be-

57 rührt, fasziniert, beschäftigt. Suchen sie ein paar gute Gründe, warum sich jemand für Sie oder Sie sich für jemand anders interessieren sollte. Das läßt sich lernen. Flirtkiller: Erst, wenn sich jemand für mich interessiert, habe ich Lust, mich für andere und die Welt zu interessieren.

5.2.2.2Die Gegenwart zählt. Ein guter Flirt beginnt am besten dort, wo ich mich bereits gedanklich, emotional, imaginativ und wahrnehmend befinde, nicht hingegen da, wo ich lieber wäre oder denke, daß ich mich befinden müßte. Ein guter Ball- wechsel beim Tischtennis z.B. findet unmittelbar und im Moment statt, nicht in den Wunschphantasien, wie ich eigentlich spielen können müßte. Flirt ist immer ein Spiel mit den unmittelbaren äußeren Wirklichkeiten. Diese haben den höchsten Reizwert für Sie und Ihr Gegenüber und tragen somit die Situation weiter. D.h. vor allem, daß Sie bereits - solange Sie bei Bewußtsein sind - alle Voraussetzungen erfüllen, um flirten zu können, solange Sie eben bereit sind an Ihrer Gegenwart anzuknüpfen. Es geht daher nicht darum, „gute“ von „schlechten“ Gelegenheiten zu unter- scheiden, sondern überhaupt eine Gelegenheit zur Kenntnis zu nehmen, und sich ihrer eigenen Dynamik bereitwillig zu überlassen. D.h. nun keineswegs, daß Sie quasi automatisch alles von sich geben, was Ihre Phantasie, Ihr Denken, Ihre Gefühle, Ihre Wahrnehmung oder Ihr Hand- lungswunsch Ihnen eingibt. Sie werden nämlich feststellen, daß sie zahl- reiche Möglichkeiten haben, echt und unmittelbar zu sein. Es gehören noch die weiteren Haltungen dazu, um entscheiden zu können, was Sie dann wirklich tun werden. Lassen Sie Versäumtes ruhen, nachdem Sie es betrauert haben, und öffnen Ihre Augen für Möglichkeiten, die Sie haben, statt sie mit dem Brett der Möglichkeiten, die Sie nicht haben, zu vernageln. Hören Sie etwa auf zu Laufen, zu Essen, zu schlafen, bloß weil es Leute gibt, die dies alles viel besser können als Sie? Stehen Sie so zu sich wie Sie sind, vielleicht ein Langweiler, hübsch wie eine Heuschrecke, eloquent wie eine Auster, und mitreißend wie ein Stück Torf. Wenn Sie diese Möglichkeiten richtig nutzen, werden sie zur Stärke: Sie lassen dem anderen viel Raum, können dessen Stärken hemmungslos bewundern und erschlagen ihn/sie nicht mit Charisma. Der gute Flirt setzt nicht voraus, daß Sie angstfrei, souverän, sicher, locker, frei, un- gezwungen, witzig, schön, attraktiv sind.

Michael Ende beschreibt in seinem Buch „Momo“ den Erfolg eines kleinen Mädchen mit „schweigen und anderen Raum geben“, und die Schwierigkeiten für einen ständig kämpfenden Jungen, wirklich zu siegen.

Der dazu gehörige Flirtkiller: Sie befassen sich ausgiebig mit allen Be- dingungen, die Sie erst erfüllen müßten aber leider nicht erfüllen, um einen guten Flirt zu praktizieren. Ein ganz perfider Flirtkiller besteht in Überlegungen der Art „Zehn Minuten später war ich schlagfertig.“ Dazu

58 gehört auch: sich viel Gedanken machen, was sie alles versäumt haben und wieviel besser es gewesen wäre, wenn sie es anders gemacht hätten. Meistens hat das Selbstgespräch oder Gespräch mit anderen die Form: Wenn ich dies und das gesagt hätte, wäre alles viel besser geworden, ich hätte es sagen können, das nächste mal werde ich es sagen usw.(Irreale Bedingungssätze, "Hätt' der Hund nicht geschissen, hätt' er den Hasen gehabt")..

Killergründe:

1. Irrealer Bedingungssatz: Es ist völliger Unfug, daß Sie auch etwas anderes hätten sagen können. Es fehlte nämlich die Bedingung, die er- forderlich gewesen wäre, um zu sprechen: Ich hätte können...wenn. Es besteht in Aussagen dieser Art nicht mehr Wahrheit als in folgendem Satz. Wenn ich den Satz A gesagt hätte, hätte ich den Satz A gesagt. (habe ich aber nicht!) Und dann können Sie immer weiter zurückschreiten: die Bedingung A fand nicht statt, weil die Bedingung B nicht stattfand usw. usw. Sie können Geschichte nicht umschreiben. Geschickter wäre es sich zu fragen, im Sinne einer verstehenden und aufklärenden Geschichte: was hat mich dazu veranlaßt, die gewählte Option (z.B. nichts zu sagen) zu wählen, was habe ich ge- nutzt, um eine Chance eher gehen zu lassen statt sie in Anspruch zu nehmen. Sie meckern dann nicht in sinnloser Selbstzerfleischung mit sich herum, sondern verstehen sich. Das ist eine bessere Ausgangsbasis, um in einer kommenden Situation auch andere Optionen wählen zu können. 2. Der zweite Killergrund ist nämlich: es gibt keine zweite gleiche Situation. Deshalb können Sie auch aus einer unbefriedigenden ersten nur sehr selten auf eine zweite schließen. Ort, Umstände, Personen, Stimmungen, alles ist irgendwie auch anders. Sie geraten dann in Gefahr, mit dem nachträglich produzierten Satz aus einer veralteten Situation etwas Neues bewältigen zu wollen und wundern sich, daß der Satz Ihnen wieder nicht über die Lippen kommt. Da ist es geschickter, die Situation in ihrer Einmaligkeit zu sehen, und auf diesen Moment zu reagieren. Dann ist zwar nicht so vorhersehbar, mit was und über was Sie einen Flirt beginnen, aber das macht den Flirt ja auch zu einem solchen und unterscheidet ihn von einer Konversation, einem höflichen Smalltalk, einem nichtssagendem Gespräch usw.

Sie lernen also durchaus aus einer Situation. Aber Sie lernen keine uni- versellen Tricks, sondern Sie lernen sich kennen und darüber freier über sich und ihre Fähigkeiten verfügen.

Dieser Vorgang ist nicht immer einfach durchzuführen. Denn sich ver- stehen heißt auch, sich damit zu konfrontieren, daß man ist wie man ist und keineswegs so, wie man gerne wäre und denkt, sein zu müssen. Aber

59 keine Sorge: Nur vom Standpunkt des unerfüllten Solls aus sind Sie eine Null. In dem Moment, wo Sie Ihre eigene Position beziehen und sich dazu stellen, sind Sie eine Größe, an der keiner mehr vorbeigehen kann - nicht einmal Sie selber. Der Bedarf dazu sinkt dann auch rapide und Sie beginnen, sich das Recht auf Ihre eigenen Eindrücke, Gefühle, Gedanken, Wertvorstellungen usw. zu nehmen. Man kann die Grundhaltung hier in der Regel zusammenfassen: Lieber echt blöd als falsch gut.

5.2.2.3Kooperation geht vor Durchsetzen oder Flucht. Ein Flirt gelingt - wie ein guter Tanz - immer dann, wenn Sie Ihre eigenen Gefühle, Wahrnehmungen, Gedanken, Interessen usw. genauso berück- sichtigen wie die Ihres Gegenüber. Ein Flirt ist also immer etwas Ge- meinsames, das folglich auch nur gemeinsam gelingen kann. Der Flirt bleibt solange gut, wie es gelingt, diese Gemeinsamkeit herzustellen. Flirtkiller: Ich werden hingegen zum Spielverderber, wenn ich mich klein mache und aufgebe (Softy, Mieze), den anderen zu dominieren versuche (Macker,), oder gar fluchtartig das Feld räume (Penner, Feigling) bzw. mich unsichtbar mache (Mauerblümchen). Gemeinsam heißt nicht, daß Sie keine Vorschläge machen dürfen oder eigene Positionen vertreten und nur noch Wünsche zulassen, die sie garantiert nicht in Konflikt mit Ihrem Gegenüber bringen (gegenseitige Anpassung). Es heißt lediglich, daß Sie sich jeweils, von Fall zu Fall, drüber einigen sollten, welchen Tanz Sie miteinander tanzen wollen oder können.

5.2.2.4Großzügigkeit und Risiko gehen vor Berechnung und Ab- sicherung. Ein Flirt gelingt am ehesten, wenn Sie großzügig sind, ein Risiko eingehen, dem anderen die Freiheit lassen, Ja oder Nein zu sagen, ohne ihn zu be- urteilen oder gar zu verurteilen, wenn er seine Freiheit nutzt. Er darf einen Korb geben, darf desinteressiert sein, darf merken, daß ich verlegen bin usw. Der Flirt gelingt hingegen seltener, wenn Sie Forderungen und Er- wartungen haben, wie er und wie Ihr Schwarm reagieren oder nicht reagieren soll. Sie schränken Ihn und sich dann ein und sind sauer, wenn Ihre Erwartungen sich nicht erfüllen. Beschränken Sie sich auf das, was Sie sehen und hören und fragen Sie lieber nach, statt sich den Kopf Ihres Gegenübers zu zerbrechen. Lassen Sie ihm/ihr die Freiheit, zu fühlen und zu denken, was Sie wollen, und bleiben Sie interessiert, neugierig und überrascht, was er/sie tut. Der dazugehörige Flirtbremser und Killer: sie befassen sich ständig mit Vermutungen darüber, was Ihr Gegenüber denkt, fühlt, glaubt, meint, will usw., denken sich dann aus, was sie möchten, daß Ihr Gegenüber in dieser Beziehung tun soll und was nicht. Auf diesen wüsten Haufen von

60 Spekulationen reagieren sie dann ähnlich wüst. Sie haben dann gute Chancen, den Flirt nicht erst entstehen oder frühzeitig sterben zu lassen. Ein besonders guter Killer besteht aus Phantasien über das Hohngelächter und die beschämende folgende Situation, in die Ihr Gegenüber Sie bringt, wenn Sie sich offen mitteilen. (Frage ist, warum Sie sich für derartig bös- artige Leute interessieren).

5.2.2.5Die Würde des Momentes geht vor seinem Nutzen. Ein Flirt gelingt am ehesten dann, wenn Sie jedem Moment darin eine Selbständigkeit und ein Existenzrecht zubilligen. Schon ein Lächeln ist ein vollständiger Flirt, aus dem nichts weiter folgen muß (aber darf), ein weiterer Blick ist ein Folgeflirt, ein Gespräch ein weiterer (usw.). D.h., ein Flirt ist sehr dem Moment und der Unmittelbarkeit, der Wahrnehmung und der Sinnlichkeit verpflichtet. Ein Flirt gerät hingegen schnell unter schäd- lichen Druck, wenn er stets als Mittel zum Zweck für den nächsten Schritt gesehen wird. Ein Flirt gelingt daher sehr viel besser, wenn er eher als eine Art des „In der Welt seins“, und nicht als Strategie „wie grabe ich eine Schnecke an“ verstanden und praktiziert wird. Sie freuen sich ja auch dann an Kunst, Kultur und schönen Dingen, wenn Sie diese weder be- sitzen wollen noch können. In diesem Sinne kann ein Flirt als ein Ge- schenk verstanden werden, für das man nichts zurück erwartet. bis hier, 9.09.98

5.2.2.6Der wirkliche Flirt geht vor dem Idealen. Unterscheiden Sie zwischen Ihren Idealen, Sehnsüchten, Wünschen Hoffnungen, Phantasien (angeregt durch einen Menschen) und der realen Situation, in der Sie einem Menschen begegnen. Die Ideale haben ihre eigenen Existenzberechtigung als eine Art Orientierung und Leitfaden für Ihr Leben, sie müssen jedoch nicht und werden in der Regel auch nicht, und schon gar nicht in dem Moment, in dem sie angeregt werden, realisiert. Andernfalls könnte Ihnen folgende Situation widerfahren: „Du bist genau die Frau, die ich mir immer vorgestellt habe“ - „Du irrst Dich, ich bin Eva“. Da es nicht nur eine Handvoll sondern ein ganzes Land voll gibt, können auch andere Menschen (so Sie Ihnen die Chance dazu geben) lebhafte Wünsche und Sehnsüchte auslösen. Diese Grundhaltung ist nicht gerade die leichteste, aber sehr hilfreich auch für andere Lebens- situationen: Sie müssen dann ihre Wünsche und Phantasien nicht scham- voll wegdrängen: „Oh Gott, die darf nicht merken, was ich gerade ge- dacht haben“, setzen sich aber auch nicht unter Druck:„Ich muß alles ge- stehen, was ich denke“. Ziehen Sie die Haltung unter Punkt 2 hinzu, könnte sich z.B. ergeben, daß Sie einfach nur rot anlaufen und Ihr Gegen- über bewundernd ansehen (Augenflirt). Flirtkiller: Versinken Sie in Tagträumen, Grübeln und Phantasien möglichst in Abwesenheit des begehrten Menschen, schreiben Sie Gedichte und „Letters never meant to be send,“ um in täglichen Tests wieder festzu-

61 stellen, wie unmöglich es ist, zur Geliebten zu kommen, das Wasser ist viel zu tief (von den falschen Nönnchen ganz abgesehen). Stellen Sie immer wieder fest, daß Ihr Traummann oder die Traumfrau noch nicht ge- kommen sind, und vergeuden Sie ja keine Zeit mit Menschen, die diesem Ideal nicht entsprechen. Lieber gut geträumt als sich der unklaren Arbeit des Lebens aussetzen. Möglicherweise wachen Sie noch auf! Ein weiter wirksamer Killer: Beschränken Sie sich auf Freunde, ihre Hobbys, die Schule, Ihren Verein - aber lassen Sie die Finger von der Liebe. Gehen Sie davon aus, daß Sie mit 3O Jahren, einem guten Ein- kommen und einem eigenen Haus so unwiderstehlich sind, daß dann alles von alleine geht.

5.2.2.7Der Situation Kredit geben statt Mißtrauen üben. Ein Flirt gelingt eher, wenn Sie ihre inneren Antennen eher auf „Es könnte etwas Schönes passieren“ ausrichten als auf „Hoffentlich passiert mir nicht wieder was Mieses“. Glück entsteht nicht durch die Abwesenheit von Unglück, aber Glück kann helfen manches Unglück leichter hinzunehmen. Halten Sie sich bei Begegnungen mit Menschen folglich nicht mit Merkmalen auf, die Sie ablehnen, sondern eher mit Merkmalen, denen sie zustimmen. Mißtrauen, Vorsicht, Vorbehalte usw. sind wenig reizvoll. D.h. keineswegs, daß Sie sich blauäugig nur auf die Blumen beschränken und die Disteln übersehen, sondern lediglich, daß Sie ihren Schwerpunkt auf die Blumen verlegen. Wenn es mehr Freude macht, eine halbe Flasche Wein als „prima, noch halb voll“ statt als „schade, schon halb leer“ aufzu- fassen, warum sollten Sie nicht die schönere Version nehmen, auch wenn beide wahr sind? Die Flirtbereitschaft kann auch als eine Art „Kredit geben“ an die Situation verstanden werden. Ein Flirtkiller besteht darin, grundsätzlich Ablehnungen anzunehmen. Ein anderer, solange zu warten, bis man sich absolut sicher ist, daß aus dem Flirt etwas Positives herauskommen wird.

5.2.2.8Das Spiel mit Möglichkeiten ist bereits der Erfolg.

Ein guter Flirt enthält immer ein Spiel mit positiven Eventualitäten, ohne daß der Fall wirklich eintreten muß. Sie überlassen sich z.B. einem erotisierten Gefühl, ohne im geringsten damit eine Vorentscheidung zu fällen, ob Sie sich mit einem anderen in eine Beziehung einlassen wollen. Es ist im Grund das Rollenspiel der Kinder, von Erwachsenen gespielt. „Wenn wir jetzt ein Interesse aneinander hätten, was würden wir dann tun, denken, sagen, fühlen? “Sie haben dadurch die Chance, Ihr Reagieren aufeinander zu erfahren und kennenzulernen, ohne daß gleich folgenschwere Entscheidungen getroffen werden müssen. Wenn ich mit etwas liebäugele, heißt das immer, daß ich noch am Probieren bin, was und ob ich will. Diese Haltung eignet sich ausgezeichnet für die Gestaltung

62 von mündlichen Prüfungen oder von Bewerbungsgesprächen, also Situationen, in denen erotische Aspekte gar keine Rolle spielen, sehr wohl aber Frage, was man miteinander beginnen will. Wenn Sie der Haltung folgen, gestalten sie die Prüfung und die Bewerbung mit und konzentrieren sich auf die konstruktiven Momente. Der Killer lautet ent- sprechend: Bleiben sie defensiv und zurückhaltend und vermuten, daß der Prüfer oder der Arbeitgeber Sie reinlegen will. Ein weiterer Flirtkiller be- steht darin anzunehmen, daß Flirten nur positive Gefühle enthalten muß. Auch eine engagierte kämpferische Auseinandersetzung mit jemanden kann Menschen zueinanderbringen. So kann der Ausdruck, jemand sei ein harter Brocken, durchaus ein Kompliment sein, die Zuschreibung, er sei "ganz nett" hingegen eher abfällig sein.

5.2.2.9Erfahrung und Üben gehen vor Einsicht und Erkennen. Flirten hat mit Praxis, Lernen, Üben und viel Erfahrung zu tun. Man lernt im Leben nie aus und immer etwas Neues hinzu, da die Welt und man sich selber selbst auch ständig ändern. Flirten geht somit in kleinen konkreten Schritten vor sich und ist nicht das Ergebnis einer einmaligen Bemühung. Suchen Sie aus jedem Versuch heraus, was gut gegangen ist, und wo sie bei einer kommenden Gelegenheit einen weiteren Schritt tun können. Flirtkiller: Jetzt habe ich es probiert, und prompt hat „es“ nicht geklappt. Es lohnt sich nicht, ich habe kein Talent (usw.). Eile, Druck, Zwang und Hektik sind der Tod eines Flirts.

Das Verhältnis zwischen Flirten lernen und Flirten läßt sich mit einem Ver- gleich klären: Es ist kein großes Kunststück, aus einer frischen Quelle zu trinken oder einen Wasserhahn aufzudrehen. Beim Genießen eines kühlen Trankes wird nicht mehr wahrgenommen, wieviel Aufwand er- forderlich ist, eine Quelle oder einen Wasserhahn in diesen Zustand zu versetzen. Man kommt nicht umhin, beim Flirtenlernen beträchtliche Umwege zu gehen. Zum einen ist erforderlich, eigene innere Konzepte, Einstellungen und Bewertungen zu verändern oder zu entwickeln. Zum Zweiten ist es nötig, diesen auch Taten folgen zu lassen und Erfahrungen zu sammeln. Auch ein Genie entwickelt sich zu 9O% aus Transpiration und zu 10% aus Inspiration.

5.2.2.10Erotische Reaktionen: Es kommt drauf an, was man damit macht. Wenn jemand erotische Phantasien und Gefühle auch dann zuläßt, wenn noch keine tiefe persönliche Bindung vorliegt, wirkt er auf andere attraktiver und gerät schneller in einen Flirt. Das scheint kein Wunder. Erotisch berührt kann man in wenigen Sekunden werden, tiefe Bindungen erfordern hingegen sehr viel mehr Zeit und gemeinsame Erfahrungen..

63 Wie wäre es im umgekehrten Falle? Erotische Berührung entstünde viel leichter auf eine tiefe Begegnung hin und käme ohne sie kaum zustande? Dann würde man sich auch nicht wundern: Da die erotische Begegnung folgenschwer sein kann, hätte unsere Natur vorgesorgt und die Bedingung der tiefen Beziehung dazwischen gelegt. Dem ist nun aber nicht so. Faktisch löst ein Mensch eher einen Flirt aus, wenn er schnell Zugang zu seinen erotischen Wünschen hat und keine großen Bedingungen daran knüpft. Viele Männer und Frauen leugnen vor sich selber erotische Empfindungen, Phantasien und Reaktionen, beseitigen sie moralisierend, ignorieren sie usw. Sie halten sich an das Denkverbot des Neuen Testa- mentes: So Du schon die Frau (etc.) eines anderen begehrst, hast Du schon die Ehe gebrochen (eine Sünde begangen usw.). In der säkularen Form werfen sich Männer vor oder es wird ihnen vor- geworfen „immer nur an das eine zu denken“. Frauen haben leicht Sorge, abgewertet zu werden, wenn sie spontane und unbedingte sexuelle Re- aktionen auf einen Mann erleben, ohne eine vorgängige feste Beziehung zu ihm zu haben. Zugang zu seinen erotischen Gefühlen heißt keineswegs, daß sich jemand mit lüsternen Blicken, anzüglichen Sprüchen und aufdringlichem Verhalten darum bemüht, möglichst schnell ans Ziel seiner Wünsche zu kommen. Es heißt lediglich, daß man Gefühle, Phantasien und Wünsche zuläßt. Es springt ja auch so schnell keiner von einer hohen Klippe herunter, wenn er die Phantasie und den Wunsch zu fliegen in sich verspürt. Er würde sich den Wunsch jedoch auch nicht verbieten aus Angst, er könnte in un- kontrollierter Impulshandlung versuchen, wirklich loszufliegen. Läßt ein Menschen seine erotischen Reaktionen zu, prägt das seinen Ausdruck und seine Ausstrahlung. Sie teilt dem anderen mit, daß er liebenswert, attraktiv und begehrenswert ist, also über eine Macht in der Begegnung verfügt. Das ermutigt ihn natürlich schneller zu einem Flirt, denn er kann sich sicher fühlen. Nichts hemmt ja einen Flirt mehr als Zurückweisung und Ablehnung - oder schon nur der Gedanke daran, daß es passieren könnte.

5.2.2.11Ein Flirt richtet sich auf die Außenwelt. Wenn ein Mensch seine Wahrnehmung mehr nach Außen lenkt und sich mit seinem Gegenüber befaßt, gerät er leichter in einen Flirt, als wenn er sich vorwiegend mit seinen eigenen inneren Gedanken, Vorstellungen und Phantasien befaßt. Befindet er sich zwar einem Menschen real gegenüber, ist aber immer mit seiner Innenwelt beschäftigt, wird er für den anderen schwerer wahrnehmbar sein und wirken wie ein zugeschlagenes Buch. Der andere fühlt sich - zu Recht - nicht wahrgenommen, oder wenn, dann erst an zweiter Stelle. Folglich wird er nicht so leicht geneigt sein, einen Flirt zu beginnen, da er nicht ermutigt wird. Entsprechend: Wenn Sie im Ge- spräch stets von sich sprechen, nötigen Sie dem anderen Aufmerksamkeit ab, sie tun aber nichts für ihn, geben ihm keinen Raum. Sie wirken dann attraktiver, wenn Sie sich auf die Welt Ihres Gegenübers einlassen und sie auf sich wirken lassen. In der Umgangssprache gibt es den spöttischen

64 Spruch: „Reden Sie nicht so viel über sich, das erledigen wir schon, wenn Sie gegangen sind.“

5.2.2.12Annäherung und Begegnung geht vor Flucht und Ver- meidung. Schließlich ist es für einen Flirt förderlicher, wenn Sie trotz Ihrer Gefühle von Hemmung, Angst, und Schüchternheit auf jemanden zugehen. (Be- wältigung durch Annäherung und Begegnung statt Flucht und Meiden). Auch das signalisiert dem Anderen, daß er über Macht verfügt und Wirkung auslöst. Es ermutigt ihn eher zu einem Flirt, als wenn Sie fliehen und ausweichen. Er kann im Begegnungsfalle die Schüchternheit positiv als Interesse und Beeindrucktsein erleben. Weichen Sie hingegen aus, kann er nicht unterscheiden, ob Sie nur ängstlich sind oder ablehnend. Es ist so erkennbar, daß es Voraussetzungen gibt, die einen Flirt eher fördern, und solche, die einen Flirt eher hindern. Man sollte sich aber immer klarmachen, daß es dabei nicht um ein Entweder - Oder bzw. Alles - oder - Nichts geht Auch wenn Sie von Ihrer Art her eher schüchtern sind, sich lieber mit Ihren eigenen Gedanken als mit dem befassen, was Sie um sich herum wahrnehmen, wenn Sie erotische Gefühle am liebsten ignorieren und wenn Sie aus Angst vor Zurückweisung lieber gleich auf- geben, können Sie in einen guten Flirt geraten. Der erste Schritt besteht dann darin festzustellen, wo Sie sich gerade be- finden (z.B. auf der Flucht). Was sollte Sie davon abhalten, im Wegrennen dem Menschen, an dem Sie interessiert sind, einen Zettel zukommen zu lassen, daß Sie sich über einen Anruf freuen würden?. Das einzige, was wirklich mit einem Flirt unvereinbar ist, ist - nicht Flirten. Sie können also jederzeit versuchen, ihr Verhalten einem anderen Menschen gegenüber in die ein oder andere Richtung hin so zu entwickeln, daß Ihr Gegenüber zu einem Flirt ermutigt wird. Vielleicht kommt etwas zurück. Und wenn nicht, dann haben Sie sich zumindest in Gegenwart eines angenehmen Menschen wohlgefühlt.

6Wo - Wer - Wofür - Womit - Wie

Um das Flirten zu lernen, kann man an zahlreichen konkreten Gegeben- heiten seines Alltags ansetzen. Um unsere Flirtmacht zu verbessern können wir 1. Orte aufsuchen oder bereitstellen an denen wir flirten. Wir können uns 2. Gedanken um die Menschen und um die Beziehungsziele machen, mit denen wir ihnen begegnen. 3. Wir können einzelne unserer Fähigkeiten verbessern oder 4. unseren persönlichen Stil entwickeln.

65 Sie können so Ihre Flirtmacht verstärken, aber vermeiden Sie es, in einen Machtflirt zu kommen, wie es folgender Kommilitone schilderte:

„Na ja, das hat man ja raus wies geht. Da mietste halt n fesches Auto, führst sie zum Essen auf die Burg ins Elsaß und machst n schönen Abend. Ein Nümerken ist dann immer drin“ Der Nachsatz zu diesem Zitat lautete: „Aber das bringt’s auch nicht mehr, das kennt man ja schon alles.“.

Flirtlust und Machtflirt verwenden die gleichen Fähigkeiten und Gelegen- heiten. Während die Flirtlust ein Spiel mit positiven Eventualitäten in konkreten Be- gegnungen mit Menschen ist, versucht der Machtflirter, aus Eventualitäten Sicherheiten in seinem Sinne zu machen. Der Machtflirter macht mit der Flasche Wein jemand betrunken, die der Flirtmächtige gemeinsam mit jemanden leert. Die Machtflirterin regt mit ihren Reizen jemandes sexuelle Begehrlichkeit an, die Flirtmächtige gestaltet damit die Situation und die Beziehung.

6.1Wo: Orte, an denen Sie flirten können

In der BRD findet Flirten verglichen mit seiner Häufigkeit sehr selten in der Öffentlichkeit statt. Man könnte auch sagen, es gibt keine richtige öffentliche Kultur der Sehnsucht und des Begehrens, sie findet öffentlich mehr in Film und Fernsehen statt. in manchen islamischen Ländern werden schon kleinste öffentliche Flirtandeutungen schwerst bestraft. Wenn bei uns ein Flirt in der Öffentlichkeit stattfindet, dann bemühen sich die Beteiligten oft, ihn vor anderen geheimzuhalten. Teils, weil sie nicht gestört werden wollen, teils, weil es sich um eine Intimität handelt, die so einen Ausschluß automatisch vornimmt. Öffentlich ist lediglich das Be- mühen, schön und attraktiv auf Andere zu wirken. Sie können unter Umständen ein Jahr lang Straßenbahn fahren, ohne eines Flirts gewahr zu werden. Sie können auf einen Uniball gehen und sehen viele aufregende Leute, aber wenig Flirts. In der großen Stadt wird „weggesehen“, um sich gegen die Unzahl von Menschen abgrenzen zu können, im Dorf wird kein Flirtgefühl zugelassen, um üble Nachrede zu vermeiden. Auf der anderen Seite besteht ausgerechnet in Ländern mit öffentlichem Flirtverbot eine intensive Blickkontaktkultur, Z.B. in Indonesien. Dabei gibt es tausend Orte, deren spezielle Merkmale Anlässe für Flirts geben können. Daheim, im Kaufhaus oder Geschäft, auf der Straße, in der Bahn, im Schloßpark, im Hörsaal, in der Mensa, der Cafeteria, im Theater oder Kino, der Kneipe, am Telephon, im Straßenverkehr., beim Sport oder in der Sauna, im Schwimmbad, am Arbeitsplatz: Jeder Ort hat seine eigenen Chancen und Grenzen. Wenn Sie die Orte auf sich wirken lassen, sich mit Ihnen befassen (und nicht innerlich immer woanders sind) können Sie diese Chancen nutzen. Es ist ein berüchtigter Flirtkiller, sich auf einen Ort (Stammkneipe, Verein, zu Hause, Uni) zu beschränken. Nicht weniger

66 wirksam ist es, alle anderen Orte abzuwerten: Es lohnt sich nicht, ein Ge- spräch zu beginnen, ich steige die nächste Station aus. Ein gutes Lächeln kann gute Laune für einige Stunden geben, dafür braucht man nicht ein- mal drei Sekunden, und es ist unerheblich, wo es stattfindet.

Im Allgemeinen lohnt es nicht, sich ortsspezifische Flirttricks zu merken. entweder wirken sie dann schematisch oder sie sind nicht anwendbar - weil es doch immer irgendwie anders ist. Wenn Sie sich Ihres Interesses an diesen Orten versichern, erwächst da heraus genügend Anlaß für einen Kontakt. Es ist immer zweckmäßig an jedem neuen Ort einen Platz aufzu- suchen, an dem Sie sich wohl fühlen, und von dem aus Sie sich orientieren können. Dafür ist Zeit und Muße nötig. Stellen Sie sich z.B. im Restaurant an einen guten Platz, sodaß Sie den Raum und die Menschen darin übersehen können. Suchen Sie sorgfältig den Platz, an dem Sie sich wohl fühlen werden und dem sie gerne sitzen möchten. Weichen Sie Blicken nicht aus, sondern wenden Sie den Blicken Ihr Gesicht zu.

Des weiteren sollte man immer ein inneres Projekt mitbringen, das Ihnen erlaubt, sich wohlzufühlen, ganz unabhängig davon, ob sich eine Flirt- gelegenheit ergibt oder nicht. Sonst sitzen oder stehen Sie immer da wie ein vernachlässigtes und irgendwann trotziges und pampiges Kind. Das erfordert dann schon Mut von anderen, sich an Sie zu wenden. Wenn Sie feststellen, daß Sie keine richtigen Interessen vorfinden, ist es schwer, zu flirten und fast leichter, ein totes Pferd mit der Peitsche auf die Beine zu bringen. .Dann müßten Sie diesem Punkt zunächst Aufmerksamkeit schenken. Vielleicht sind Sie nicht tot, sondern nur ein Bär im Winter- schlaf, und es wird Zeit, aus der Höhle zu kriechen. Der Urlaubsflirt: Im Urlaub ist das Flirten manchmal leichter. Zum einen ist man auf der Durchreise, zum anderen ist vieles neu und man hat gute Gründe, sich an andere Menschen zu wenden. Die Situation muß man im Kopf behalten, es kann sein, daß Sie mit den gleichen Menschen nicht mehr viel anfangen können, wenn Sie sie zu Hause besuchen. Der gleiche Flirt am anderen Platz kann unpassend und peinlich werden. Flirthelfer: Wenn Sie sich nach dem Urlaub auch bei sich zu Hause treffen, beginnen Sie den Flirt von Neuem und versuchen sie nicht, am alten Punkt anzu- setzen.

6.2Mit wem?: Menschen, mit denen Sie flirten können. Im Prinzip gilt das über das Flirten Gesagte für alle Menschen unbesehen Alter, Stand, Geschlecht und Nationalität. Es gibt aber Unterschiede, die es wert sind, bedacht zu werden.

1. Wunsch und Wirklichkeit Es ist ungeschickt, sich ein inneres Bild zu machen und zu warten, daß es jemand ausfüllt. Etwa „Ich suche eine Freundin/einen Freund“. Das geht nur, wenn Sie schon jemand haben, und dieser gerade verschwunden ist. Nehmen Sie statt dessen die

67 Menschen, denen Sie begegnen, oder suchen Sie jemand gezielt auf, den Sie kennen. Wenn Sie partout niemanden finden, verfügen Sie wahr- scheinlich über eine wirksame Flirtkillerstrategie: Sie stellen an sich oder andere die Forderungen so hoch oder so ungenau, daß niemand sie er- füllen kann. Jeder Mensch wird mit wenigen Fragen getestet und für un- tauglich oder unerreichbar befunden. Das ist so nützlich wie die Selbstversenkung eines Schiffes, damit es im Sturm nicht kentern kann. Auf Anhieb attraktive Menschen können sich als Mogelpackungen herausstellen, und in manchem Frosch steckt wirklich ein Prinz. Ohne wirkliche Versuche der Begegnung werden Sie nicht herausfinden, was der Fall ist. Schränken Sie sich nicht auf die Menschen ein, die Vision vom Traummann oder der Traumfrau auslösen. Flirten Sie grundsätzlich mit Menschen. Betrachten Sie sie als mögliche Quelle guter Begegnungen, wer weiß, wo es Sie hin- führt. Denken Sie an das Frau Holle - Märchen (und etliche andere). Be- gegnen Sie Menschen auf der Ebene potentieller guter Begegnungen, haben Sie große Chancen, daß die ein oder andere dann wirklich statt- findet.

2. Männer und Frauen: Gemeinsames. Die Grundhaltungen zum Flirten gelten für Männer wie Frauen. bzw. bei gleichgeschlechtlichen Paaren für beide Partner, da es um eine unmittelbare positive Begegnung mit spielerischem Umgang mit Eventualitäten geht. Darüber hinaus gibt es aber etliche Unterschiede, die man bedenken und berücksichtigen sollte.

3. Frauen akzeptieren Flirts ,- solange sich der „Richtige“ meldet bzw. ihre Signale aufnimmt. Alle anderen werden als Belästigung definiert und mit abgewendetem Gesicht, mit Blasiertheit oder nur Unsicherheit und Angst auf Abstand gehalten. Sowie sie einen festen Partner haben, geben sie das Flirten oft völlig auf. Teils signalisieren sie damit dem Manne, daß es keinen anderen außer ihm gibt und erwarten, daß er sich ebenfalls dran hält. Es werden dann zwar freundliche Beziehungen geduldet, aber sie müssen definitiv neutral sein, also ohne Ansehung des Geschlechtes. Teils haben Sie Angst vor Gerede, ihren eigenen Gefühlen oder Vorwürfen von Partnern oder Familie. Deutlich ist auch der kirchliche Hintergrund zu sehen: so du schon eines anderen (Partner) begehrst, hast Du schon die Ehe gebrochen.

Es besteht eine große Angst vor den Gefühlen des Mannes wie auch den eigenen. Der Mann wird abgewertet als „sexistisch“, die Frauen werten sich (oder andere) als Flittchen ab, wenn sie sich drauf einließen. Dadurch werden spontane sexuelle Reizwirkungen von Mengen aufeinander tabuiert, ohne daß sie dadurch allerdings seltener werden. Die Atmosphäre wird nur schlecht und es gibt Durchbruchshandlungen auf beiden Seiten.

68

Eine Frau aus einem schwäbischen Dorfe erzählte, daß junge Witwen ein Jahr lang geduldet werden, da sie innerhalb des Trauerjahrs keine Gefahr darstellen. Anschließend werden sie nicht mehr eingeladen, da sie jetzt als potentielle Flirterinnen Unruhe in die festen Dorfstrukturen bringen könnten. Ihre einzige Bleibechance wäre, möglichst schnell wieder zu heiraten. (vgl. auch Film Alexis Sorbas)

4. Männer akzeptieren sehr viel eher Flirts, vor allem, wenn es sich um erotische Angebote handelt, und sie sind nachgewiesenermaßen wesent- lich breiter und bereiter in ihren Möglichkeiten als Frauen Umgekehrt sperren sich Männer aber sehr schnell gegen Flirts, wenn sie Beziehungsverpflichtungen vor der sexuellen Begegnung spüren. Sie reagieren mit großer Eifersucht, wenn ihre Partnerin flirtet und reagieren öfter als diese mit Gewalt. Wo Frauen bereits das Gefühl eines Gegen- übers blockieren, überziehen Männer ihr Gefühl und glauben zu oft, aus einer sexuellen Attraktion auf einen Beziehungswunsch schließen zu können. Sie knüpfen dann hohe Erwartungen an jeden Eindruck, und um denen zu entkommen, blockieren die Frauen am liebsten schon das Ent- stehen jeden Gefühls (der soll sich bloß nichts einbilden, was will der eigentlich von mir).

Die Männer erschlagen vor allem den erotischen Flirt als Spiel mit Eventualitäten dadurch, daß sie schon so tun, als könnten oder wollten sie auch etwas tun. Die Frauen erschlagen ihn, indem Sie, um diesem Ansinnen zu ent- kommen, schon im Vorfeld keine Flirtsituation entstehen lassen.

Bereits Ovid klagte über diese Situation und riet den Männern, ihr Ver- halten konsequent zu ändern: : (Ovid, Die erotischen Dichtungen,. v. Marnitz, Kröner Verlag Stuttgart 1967)

„Denn wie dem Manne gefällt auch dem Weib das geheime Ge- nießen, er verstellt sich nur schlecht, jene verborgener wünscht, Wären wir Männer einig, niemals als erste zu bitten, würde bezwungen die Frau spielen den bittenden Teil.“

Wer glaubt ständig drängen und drücken zu müssen, überfordert sich leicht, wie dem Dichter Peter Rosegger aufgefallen ist: (Rosegger, Werke, z.T. nach Kinder, Die Klassische Sau, 1994, (1986 Haffmann Zürich)).

„Das Weib ist eine Nuß Die man aufbeißen muß; Dem Manne Gott genad, Der keine Zähne hat.“

69

Der Machtflirt ist daher sehr wahrscheinlich nicht nur eine schlechte An- gewohnheit - sondern ähnlich Unvermeidliches wie Rivalität und Aggression. Das Beziehungsziel dieser Machtflirts ist - Machtausüben im Bereich sexueller Beziehungen.

Wenn die gleiche Klage über allen Kulturwandel hinweg seit zwei tausend Jahren erklingt, spricht einiges dafür, daß Wesensverschiedenheiten zwischen Mann und Frau die Ursache sind, und nicht nur eine bloße männ- liche oder weibliche historisch bedingte List oder Dummheit. Geschickter wäre es: Wenn Frauen und Männer es als natürlich und normal hinnähmen, daß sie eine ästhetische. und/oder sinnliche Wirkung aufeinander haben, sich daran freuen und sie genießen, wie man sich über tausend Dinge freut - die man ja auch nicht alle zu besitzen versucht. Es wird die These diskutiert, daß der Machtflirt lediglich Ausdruck all- gemeinen männlichen Bemächtigungsverhalten zu verstehen ist und in mutterrechtlichen Gesellschaften so wenig auftritt wie Eifersucht, Dieb- stahl, Ausbeutung, Unterdrückung usw. Wenn Frauen mitspielen, dann mehr auf Grund jahrhundertelanger Nötigung durch die Männer. (Bruck 1990). Hier kommt die Grundhaltung zum Tragen, klar zwischen Möglichkeit und Handlung zu unterscheiden. Der Möglichkeit Raum geben, aber klar ab- grenzen, was passieren soll.

Die biologische Ausgangssituation für Frauen und Männer ist ziemlich ver- schieden, ein Punkt, der beim Flirten immer wieder unterschätzt wird, ob- wohl er doch offenkundig ist.

1. Frauen können Kinder zur Welt bringen und benötigen dazu keinen speziellen Mann, während umgekehrt Männer jeweils auf eine spezielle Frau angewiesen sind. Aus diesem Grund wäre auch z.B. eine weibliche Genealogie viel logischer als eine männliche, wie es meistens praktiziert wird. Diese Tatsache wird gerne von Männern verkleinert und bagatellisiert, aus unterschiedlichen Gründen von den Frauen auch, so daß so schwachsinnige Ausdrücke wie „Und dann wurden wir schwanger“ in die Welt gesetzt wurden und Männer in Schwangerschaftsgruppen und an Atemübungen zu Preßwehen teilnahmen. (Es gab Zeiten, in denen Männer sich selber kastrierten, um als Priester der mütterlichen Gottheit näher zu sein).

In einer Konfliktsituation kann sich umgekehrt der Mann davonmachen, während die Frau an ihre Schwangerschaft gebunden bleibt. Ein Großteil der Aus- einandersetzung um den Schwangerschaftsabbruch ist durch den Wunsch der Männer be- stimmt, die Herrschaft über die Fruchtbarkeit der Frau zu behalten, da er selber nicht in dieser Weise fruchtbar sein kann. Unser Glück als Männer ist, daß die Frauen ihre tatsächliche Macht in diesem Bereich noch nicht in

70 eine politische Macht umgesetzt haben. Es ist sogar umgekehrt, die Männer haben es geschafft, den Frauen das Bewußtsein zu geben, daß es sich dabei um eine Schwäche oder einen Mangel handelt. Im Geschäfts- leben werden Frauen wegen Kindern oder der Möglichkeit welche zu be- kommen Schwierigkeiten gemacht. Die hohe Bevölkerungsdichte auf der Welt dient als weiterer Grund, die Fruchtbarkeit eher als Fluch denn als Segen zu betrachten. Nicht wenige Frauen schließen sich dieser Überzeugung an, und betrachten Kinder als etwas, das mit Selbstver- wirklichung und erfülltem Leben in Widerspruch steht. Entsprechend wurde der Satz geprägt: Zur Frau wird man nicht geboren, zur Frau wird man erzogen. Der biologische Unterschied wird damit für unwichtig er- klärt. Unbestritten legen Erziehung und Kultur das Verhalten von Frauen und Männern fest. Es spricht aber Etliches dafür, daß durch die biologische Festlegung des Geschlechtes auch Wesensmerkmale bestimmt werden. Das heißt nicht, daß Männer und Frauen grundsätzlich in ihrem Wesen verschieden sind, sondern lediglich, daß bestimmte Merkmale im einen Geschlecht häufiger oder stärker ausgeprägt sind als im anderen. Die größere Aggressivität von Männern und die frühere Sprachreife von Frauen, die sexuelle Orientierung usw. können nicht durch Erziehung und Kultur erklärt werden. Selbst, wenn der Unterschied bei Frauen und Männern nur 1O % betragen würde, würde er doch reichen, derartige Differenzierungen auszulösen. Das schließt natürlich nicht aus, daß es im ein oder anderen Falle umgekehrt ist, bzw. durch Lernen umgekehrte Ver- hältnisse entstehen könnten. Es wäre falsch, die Unterschiede gleichwohl leugnen zu wollen.

Für homosexuelle Männer und Frauen ergibt sich aus der Fruchtbarkeit der Frau ein wesentlicher Unterschied. Ein lesbisches Paar kann ohne Probleme Kinder bekommen und aufziehen. Ein homosexuelles Paar hat diese Möglichkeit nicht und kann daher auch nicht so leicht eine an die Familie geknüpfte dauerhafte Paarbeziehung anstreben. Das homosexuelle Paar stirbt sozusagen jeweils aus, es kann keine Familiengeschichten und Traditionen entwickeln. Auch wenn ein lesbisches Paar dieses nicht vor hat - es hat zumindest diese Option. Für beide gilt: Sie rivalisieren mit gleicher körperlicher Ausstattung in der Beziehung, während das hetero- sexuelle Paar jeweils mit seiner speziellen Geschlechtlichkeit konkurrenz- los ist. Im Großen und Ganzen dürfte es für Frauen wie Männer gleich einfach oder schwer sein, zu einer dauerhaften guten Paarbeziehung zu kommen. Für die sexuell motivierte Beziehung bestehen jedoch wesentliche Unter- schiede. Frauen dürften es ca. fünf bis zehnmal so leicht haben wie Männer, eine sexuell motivierte Beziehung zu entwickeln. Oder anders ausgedrückt: Die Männer haben ein fünf- bis zehnmal so häufiges Interesse an einer sexuell motivierten Begegnung als Frauen. Als biologische Ursache wird oft an- gegeben: Die Frau kann jeweils nur einmal innerhalb von neun Monaten schwanger werden - der Mann könnte zahlreiche Frauen schwängern - wenn man ihn ließe.

71 Und auch: Auch wenn eine Frau sich einen Harem mit zehn Männern hielte - sie könnte nicht sehr viel häufiger schwanger werden.

Wenn eine attraktive Frau bei einem ersten Kontakt einem Mann eine sexuelle Be- gegnung anbietet, sagen 8O% der angesprochenen Männer zu. Bietet umgekehrt ein entsprechender Mann Frauen eine sexuelle Begegnung an, stimmen nur 1O% zu. (Quelle beigeben).

Auf Grund der wesentlich größeren biologischen Affinität der Frau zum Kind spricht auch einiges dafür, daß die Natur sie mit dem entsprechenden psychologischen Voraussetzungen ausgestattet hat, diese Kinder auch aufzuziehen, Ausnahmen bestätigen die Regel. Umgekehrt ist es für den Mann nicht notwendig, und wäre gerade die größere Unabhängigkeit vom „Bruttrieb“ für ihn viel nützlicher. Es ist eine weit verbreitete Unsitte, aus solchen biologischen Unter- schieden das Recht abzuleiten, Verpflichtungen und Grenzen für Menschen zu ziehen. „Da eine Frau Kinder bekommt, ist es ihrem Wesen gemäß und daher ihre Pflicht, diese auch aufzuziehen, oder kürzer: Frau „müssen“ Kinder bekommen, das ist ihre Bestimmung, Frauen müssen sie auf- ziehen, das entspricht ihrem Wesen.) Und umgekehrt: Männer müssen in den Beruf und Lebenskampf. (Glocke: Der Mann muß hinaus ins feindliche Leben - und drinnen waltet die fleißige Hausfrau, die Mutter der Kinder.).Diese Unsitte geht soweit, daß nicht selten das Verhalten irgend welcher willkürlich herausgesuchter Tiere genommen wird, um solche Ver- pflichtungen für Menschen abzuleiten. Da schon Graugänse treu sind - müssen es Menschen wohl erst recht sein. Wenn dann die Mäuse sich quer und häufig durcheinander paaren heißt es: Der Mensch ist schließlich kein Tier, das sich dermaßen verhält.

Im berechtigten Kampf gegen diese blödsinnigen Schlußfolgerungen wird aber leicht das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Der Mißbrauch eines Unterschiedes sollte nicht dazu führen, ihn zu leugnen, sondern eher einen guten Gebrauch davon zu machen, ihn zu berücksichtigen. Für das Flirten könnte das bedeuten: Frauen flirten aus einer anderen biologischen und damit existentiellen Situation heraus und verfügen über andere Zielhorizonte als Männer. So kann es für sie nützlich sein, hoch- gradig attraktiv zu sein, um sich den Mann aussuchen zu können den sie haben wollen und ihn möglichst noch vor einer sexuellen Begegnung zu binden. Für Männer umgekehrt könnte es attraktiv sein, möglichst viele Frauen kennenzulernen und sie in eine zumindest sexuelle Beziehung zu verwickeln. Das heißt keineswegs, daß nicht Frauen auch sehr weitgefächerte sexuelle Interessen darüber hinaus haben können, bzw. Männer nicht die Möglich- keiten hätten, ihre sexuellen Reaktionen auf eine einzige Partnerin voll- ständig einzuschränken. Es heißt lediglich, daß die inneren Optionen für diese Möglichkeiten für die Geschlechter unterschiedlich verteilt sind.

72 Beim Flirten führt diese Differenz zu gelegentlichen Mißverständnissen, die C. Tamitz dazu veranlaßten zu behaupten, beim Flirten sei „Irren männ- lich“. Und zwar würden Männer das lediglich als beruhigend und versöhn- lich gemeinte freundliche Verhalten der Frauen bereits als erotischen Flirt deuten. Sie fühlen sich dann aufgefordert, Avancen zu machen, oder gar sich mit Gewalt nehmen zu dürfen, was ihnen dann verweigert wird. Männliche Gewalt auf Mißverständnisse und Irrtümer zurückführen zu wollen ist jedoch ein Unfug. Tramitz fällt da lediglich auf Entschuldigungen und Rechtfertigungen ein, die Männer für ihr übles Verhalten angeben. Denn wenn ein Mann, in seinem Irrtum aufgeklärt, gleichwohl Gewalt an- wendet, kann er anschließend keinen Irrtum geltend machen. Er könnte seine Gewalt ja auch nicht dann rechtfertigen, wenn er sich nicht geirrt hat, die Betreffende also tatsächlich ein Interesse an ihm hatte. Die Tat- sache der Gewalt selber schließt bereits die Möglichkeit aus, sie zu recht- fertigen. Es wäre richtiger zu sagen: Menschen haben oft sehr oft extrem gegenläufige Interessen und neigen dazu, sie mit Gewalt durchzusetzen ohne Rücksicht auf die Bedürfnisse des Anderen. Es wird viel erklärt, wie diese Gewalt zustande kommt. Man sollte mehr erklären, warum sie eigentlich so selten ist und die große Mehrzahl der Menschen keine Gewalt ausübt sondern sich um solidarische oder gemeinschaftliche Gestaltung ihrer Welt bemühen. Es gibt Hinweise dafür, daß dieser Lebensstil langfristig eine weitaus größere Überlebenswahrscheinlichkeit hat als der gewalttätige, der immer nur kurzfristig siegt. Beim Flirten kann man eher davon ausgehen, daß Frauen und Männer ihre Macht unterschiedlich einsetzen. Männer werben eher mit ihrer Tüchtig- keit, Zuverlässigkeit, wirtschaftlichen Kraft, männlichen Stärke und ihrem sexuellen Begehren. Frauen werben eher mit ihrer erotischen Attraktivi- tät, ihrer Wärme,. ihrem Verständnis, ihrer Zärtlichkeit und Anhänglich- keit. Es spricht einiges dafür, daß ins Flirten alte archetypischen Bedürf- nisse eingehen.

Es kann nicht geleugnet werden, daß die äußere Attraktivität der Frauen in unserer Kultur eine wesentlich größere Rolle spielt als die der Männer. Darauf weisen als untrügliche Zeichen sowohl die zahllosen damit befaßten Frauenzeitschriften sowie die Kosmetikindustrie und Mode hin. Auf ca. 1OOO verschiedene Schuhmodelle für Frauen dürfte es 1OO für Männer geben. Im Bereich Kleider ist es noch extremer. Während Frauen mit wenigen Ausnahmen die gesamte Männermode inklusive Kampfanzüge und Krawatten zur Verfügung stehen, ist das Angebot für Männer knapp. Lediglich im Krawattenbereich ist die Vielfalt unendlich. Die Frauen ver- fügen also über die Möglichkeit, sich attraktiv zu machen, über eine be- trächtliche Macht, sie können die Begehrlichkeit der Männer damit an- stacheln. (S.a. E. Villar Der dressierte Mann ). Männer machen dann oft den Fehler, aus dem „scharfen Aussehen“ einer Frau drauf zu schließen, daß sie auch „scharf sei“. Das Gegenteil ist weitaus häufiger der Fall: Frauen, die ihre Flirtmacht auf ihre Schönheit und sexuelle Ausstrahlung

73 gründen, stellen das eigene Begehren eher zurück oder vernachlässigen es. Andernfalls riskierten sie, in die gleiche „Tantalusfalle“ zu kommen, in der sie die Männer wähnen.

Tantalus erhielt als Strafe für...... bis zu den Lippen in einem klaren Wasser zu stehen und von furchtbarem Durst gequält zu sein. sowie er trinken wollte, wich das Wasser zurück. entsprechend wichen die Zweige zurück, die die schönsten Früchte dicht vor seinem Mund hängen ließen. Das Besondere an der Strafe war, daß er nicht wie Hunger- streiker aufhören konnte zu begehren.

In manchen Kulturen wird daher auch den Frauen jedes Schmücken verboten, um ihnen diese Macht zu nehmen. Es sieht allerdings nicht so aus, als ob es den Männer damit gelingen würde, ihr Begehren zu reduzieren. Es ist dann mehr in den Phantasiebereich gedrängt. Umgekehrt haben Männer kaum eine eigene Kultur entwickelt, das Be- gehren der Frauen im sexuellen Bereich zu entwickeln. Sie haben hin- gegen viel Geschick entwickelt, sich durch ihre Stärke und Leistungsfähig- keit attraktiv zu machen. (Ein Mann muß nicht immer schön sein), und wenn schon nicht dadurch, dann durch seine Beschützerhaltung, seine Rücksicht, Treue usw.

Es ist für viele offenkundig, daß Schönheit Ausdruck und oft angewandte Macht ist. Die Reaktionen auf sie sind dann nicht selten aggressiv und zeigen die (vergeblichen) Versuche, sich gegen die Macht zu behaupten. Zur Zeit gehen die Blondinenwitze herum. Das Niveau dieser Witze ist immer gleich niedrig. (Sprechen sie bitte langsam,. ich bin blond). Der Neid auf die schöne Blondine bricht sich Bahn im höhnischen „aber dafür ist sie (wenigstens) blöd. Von einem prachtvoll gebauten athletischen 1.90 Mann mit blauen Augen heißt es dann entweder, er sei ein Brutalnik, ein Zuhälter, ein Schönling, oder analog zur Blondinen „aber der Kopf ist etwas klein“ wie weiland Archill mit dem apfelgleichen Haupt. Wieso sollte eigentlich jemand, der schön ist, auch noch klug und charmant sein? Wirft jemand Rosen weg, bloß weil sie sich nicht zu Apfel- mus kochen lassen? Andere feindselige Reaktionen: Alles Anabolika, der trägt sein Geld ins Fitness-Studio, zum Möbelpacken geeignet. Bei Frauen: Alles Schminke, Färbung und Produkt eines Schönheitschirurgen. die hat’s nötig, hat ja sonst nichts. Für beide: Auf Schönheit kommt es gar nicht an, die sind ja nur oberflächlich, die sind eitel und denken, sie seien was Besseres usw. Selbst wenn diese schönen Menschen ihre schöne Macht demonstrieren, was spricht denn dagegen? Macht es die Welt nicht bunter und lebendiger, als wenn alle Menschen wie zu Maos Zeiten in einer Einheitskluft herum- laufen mußten? Ist es nicht besser, die eigene Macht zu pflegen, als die der anderen neidisch und kleinlich zu zerstören? Wenn Sie mit einem Menschen flirten wollen, und zu diesem Zwecke über einen sehr schönen Menschen herziehen, praktizieren Sie einen Flirtkiller. Erstens schleimen Sie herum: „Ich finde Dich viel besser als diesen Schönling“. Zweitens sind sie defensiv und nicht glaubwürdig, ein Brillant verliert seinen Wert nicht

74 schon deshalb, wenn er keine Fassung hat. Drittens weiß ihr Partner nicht genau, wann Sie über ihn herziehen. Ein Flirthelfer wäre hingegen: Sie bewundern ungeniert und ehrlich die Schönheit eines Anderen - und be- fassen sich nicht weniger aufmerksam mit Ihrem Flirt. Er wird ja nicht erst dadurch interessant, daß jemand anders blöd ist. Wenn Ihre Partnerin ein Moppel ist und die gerade erspähte Schöne eine Gazelle (dürre Geiß sagen die Neidischen) ist es unsinnig, die Anerkennung zu unterlassen aus Sorge, der Moppel würde sich dadurch abgewertet fühlen. Er weiß ja selber, daß er ein Moppel ist und kann folglich auf diesem Gebiet nicht konkurrieren. Sehr wahrscheinlich ist das auch nicht nötig. Denn bislang ist noch gar nicht darüber gesprochen worden, welche Rolle die Schönheit denn für den Fortgang des Flirts hat. Tatsächlich hat sie ihre größte Potenz im Vorfeld, und sie verliert sehr stark an Bedeutung, wenn der Kontakt näher wird. Ab da treten dann Fragen der emotionalen, seelischen und geistigen Übereinstimmung mehr in den Vordergrund. Auch das macht die Schönheit nicht unschön oder den Moppel nicht dünner. Das ist aber auch gar nicht nötig. Zum einen könnte es sein, daß der jeweilige Flirter sowohl Schlanke als auch Moppel, Kleine wie Große schön finden kann. Zum anderen kann es sein, daß er anfängt Moppel schön zu finden - weil er mit diesem gerade aus- gezeichnete Erfahrungen macht. Schließlich kann es sein, daß der Moppel mit seinem Vergnügen an seinem körperlichen Stil neue Maßstäbe setzt und Begehren in Gang setzt, mit dem der Flirter gar nicht gerechnet hat. Alles schon passiert und passiert immer wieder. Wie oft regen sich Menschen über Äußerlichkeiten auf (Frauen in Hosen, lange Haare, Hippiekleider, Twiggies oder Biggies), um dann nicht viel später in genau diesem Layout aufzutreten. Ohrringe für Männer, ein absolutes Igitt vor Jahren ist inzwischen völlig üblich. - Eine Untersuchung zeigt z.B., daß fülligere Menschen sich in sexuellen Beziehungen sehr viel einfallsreicher und aktiver erleben als schlanke Menschen. Eine Psychologin in Heidelberg fand vor einigen Jahre heraus, daß Männer und Frauen über die Form der idealen Brust im großen und ganzen gleiche Vorstellungen haben und die Brust der jeweiligen Frauen und Partnerinnen meistens davon abwichen. Wenn es aber darum ging, welche Brust die größere erotische Reizwirkung hatte - war es diejenige der jeweiligen Partnerin. Das zeigt, daß Schönheit etwas sehr Idealisiertes sein kann und im Umgang mit einem realen Menschen keine Rolle spielen muß.

In diesem Zusammenhang wird oft von der „Macht“ der Männer ge- sprochen, die sie über die Frauen unbestreitbar ausüben. Das ist nicht verwunderlich, denn ohne diese Machtposition ist seine Situation ungleich: Über die Fruchtbarkeit hat die Frau eine Macht in der Hand, um die der Mann nicht rivalisieren kann, die er höchstens akzeptieren kann. Es geht also, wie oben gesagt, auch darum, den Frauen das Gefühl der Macht- losigkeit in diesem Bereich zu geben. Die wirkliche Bedrohung für die Männer liegt auf Dauer gar nicht in der beruflichen und der gesellschaft- lichen, sondern vielmehr in der reproduktivem Ungleichheit. Wenn Ehen mit Kindern scheitern, zieht deshalb häufig der Mann den Kürzeren in dem Maße er die Kinder verliert - das war früher immer so, und ist heute noch die Regel. Die Männer sind sehr daran interessiert, den Frauen das

75 Recht auf die Kinder zu nehmen und die Tatsache, daß sie geboren haben, gleichrangig zur Tatsache, daß sie bei der Befruchtung teilnahmen. Der Ausdruck Zeugung durch den Mann ist irreführend, die Frau zeugt eher Kinder, als daß der Mann es tut. Es gibt noch einen phylogenetischen Hinweis. Einige Pflanzen und Tiere verwandeln sich in der Paarungszeit in Männchen, sind in der übrigen Zeit aber Weibchen. Ein Hinweis darauf, daß die männliche Aspekt der Fort- pflanzung phylogenetisch viel später ist als der weibliche. Und: Es gibt zwar eine Jungfernzeugung, aber es gibt keine vergleichbare für den Mann. Bei vielen Pflanzen entscheidet stets die Stammpflanze über die Frucht, nicht aber die Art der Pollen, die von sehr verschiedenen Pflanzen kommen kann

Kurz und Klein: Wenn Sie als Mann in eine Flirtsituation kommen, wundern Sie sich nicht über ihre erotischen Reaktionen und deren Ab- wesenheit bei der Frau. Wundern Sie sich weiter nicht über die Interessen der Frau an einem guten Gespräch und Kontakt und ihre Mühe, das ent- spannt zu tun, während Sie mit erotischen Gefühlen ausgefüllt sind. So ist es nun mal, auch wenn es nicht immer so ist und manchmal um- gekehrt. Sie brauchen als Mann deshalb ihre erotischen Gefühle nicht leugnen oder „wegmachen“, aber Sie sollten sie auch nicht gleich in die Tat umsetzen wollen. . Gleiches gilt für die Beziehungsimpulse bei der Frau, dem entspricht keineswegs ein gleiches Interesse bei den Männern, d.h. nicht, daß sie das leugnen oder wegmachen sollten. Diese Spannung kann positiv gesehen werden, denn eine Beziehung hat eine gute Dynamik, wenn Beziehungsaspekte und erotische Aspekte beide enthalten sind. Was spricht dagegen, daß der eine im einen und der anderen im anderen Bereich mehr Erfahrung hat? Für den Verlauf der Begegnung ist es besser, wenn der Mann erotische Avancen erst dann macht, wenn er sich in dieser Hinsicht ebenfalls be- gehrt sieht (und nicht nur in Beziehungshinsicht) und auf die Beziehungs- interessen der Frau eingehen kann.. Für die gute Beziehung wäre es be- deutend besser, wenn die Frau sich auf Beziehung erst einließe, wenn der Mann genügend darin bietet und sie seinen sexuellen Wünschen genügend eigene entgegenzusetzen weiß. Sonst passiert der häufige Fall, daß der Mann eine Beziehung wegen der erotischen Qualitäten und die Frau die Erotik wegen der Beziehungsqualitäten hinnimmt - beide aber frustriert vom Partner sind. Der eine, weil er nicht Partner genug ist, der andere, weil er nicht sexuell genug ist. Für Männer: Es ist völlig in Ordnung, das erotische Begehren vor sich selber zunächst und auch vor dem Flirt nicht zu verbergen. Solange aber keine entsprechende Reaktion darauf entsteht, sollte dieser Teil noch im Hintergrund bleiben. Es gibt zahlreiche andere Bereiche, in denen ein Flirt möglich ist, und während derer ihre Partnerin feststellen kann, ob sie ebenfalls in einen erotischen Flirt einwilligen will. Wenn Sie eine zärtliche Situation bevorzugen würden, ihre Partnerin aber vielleicht einen Abend mit Ihnen und anderen Freunden, müssen Sie sehen, wo Sie Gemeinsam-

76 keiten haben (Grundregel Kooperation). D.h. also nicht, daß Sie tun müssen was sie will, sondern daß Sie sich beschränken auf das, was Sie gemeinsam machen können oder auf das Sie sich einigen können. Bücher: Willi, Paglia, E.Villar.

Gute Flirtkiller von Männern wie Frauen unterschiedlich benutzt: Der andere denkt, ich hab’s nötig, nachzulaufen. Ich will nicht ins Gerede kommen „mannstoll“ zu sein, ich werde für nuttig gehalten. Wenn ich aktiv flirte, vergebe ich mir was und werde ausgenutzt. Mit der Liebe spielt man nicht. Wenn ich flirte, werde ich die nicht mehr los. Wenn ich flirte, laufen die davon, Männer vertragen keine selbstbewußten Frauen.

Die denkt, ich will nur das eine, Sicher hat die schon einen Freund, wenn die was wollte, hätte Sie mir das gezeigt, die findet mich sowie blöd, die könnte bessere haben usw., andere flirten viel besser als ich. Ich will sowieso keinen Partner, ich habe schon einen In K. gibt es keine Frauen, Mit der/dem könnte ich keine Kinder haben .. Alle haben gemeinsam: Es wird mit einem noch gar nicht relevanten Be- ziehungsziel die Flirtmöglichkeit insgesamt abgebrochen, das Kind also mit dem Bade ausgeschüttet.

Ein Student berichtet, daß er nach Jahren völliger Abstinenz auf Grund sehr verletzender Beziehungen eine Frau kennengelernt hat, der es gegangen sei wie ihm und die es genauso gemacht habe wie er. Er hatte bemerkt, daß sie in ihrem Lasagne genauso herumstocherte wie er in seinen Ravioli, darüber kamen sie ins Gespräch. Es sei toll, wie sehr sie in tausend Dingen übereinstimmten. Vier Wochen später berichtet er mit be- legter Stimme, daß sie beschlossen hätten, sich nicht mehr zu sehen, weil aus ihnen doch kein Paar werden könnte. Die Trennung sei beiden sehr schwer gefallen. Hier werfen zwei Trottel eine Goldader weg, weil sie auf der Suche nach Diamanten waren Die Geschichte hatte ein Happy End. Die beiden hatten den Kontakt wieder aufgenommen und eine wunderbare Freundschaft begonnen. Jeder neue Liebhaber wird es schwer haben, auf diese Beziehung nicht eifersüchtig zu werden.

6.3Wann?: Das Lebensalter Das Lebensalter hat einen Einfluß: Wie schon erwähnt, flirten Menschen in jedem Lebensalter. Im Kamasutra wird empfohlen, mit sehr jungen Mädchen Spiele zu spielen, sich größeren gegenüber kompetent zu ver- halten und bei erwachsenen einen Mittler einzuschalten, um Vertrauen zu gewinnen. Da die Lebenserfahrungen und Interessen in den verschiedenen Lebensaltern verschieden sind, sind auch die „Möglichkeiten“, die im Flirt angeregt werden, verschieden. Jedes Alter hat seine Chancen - und seine Grenzen. Der Flirt ist um so leichter, je mehr Optionen Sie noch offen haben. Je gebundener Sie in Ihren Lebensinteressen sind, um so weniger Flirtmöglichkeiten haben Sie. Solange aber überhaupt Beziehungs-

77 interessen bestehen - können Sie über diese auch flirten. Wie oben er- wähnt: Wenn Sie mit 3O immer noch befangen sind bei einem Flirt, können Sie stolz auf sich sein - Sie sind immer noch nicht abgebrüht und cool. In der Flirtsituation wirkt nicht Ihre Befangenheit abstoßend, sondern Ihre Selbstabwertung wegen Ihrer Befangenheit. Selbstbewußtsein heißt nicht unbesiegbar zu erscheinen, sondern sich der Person bewußt zu sein und zu der zu stehen, die man gerade bei sich antrifft. Ihre Befangenheit ist zugleich ein Respekt vor der Stärke des Anderen. Es ist völlig unsinnig zu erwarten, man müßte, je älter, je lockerer flirten. Es gibt nichts Abscheu- licheres, als den routinierten Süßholzraspler und Sülzer, der sich einer emotionalen Situation gar nicht mehr aussetzt. Altersunterschiede spielen beim Flirten selber keine besondere Rolle, wenn die Beteiligten sich der unterschiedlichen Interessen und Ziele (s. Punkt 3) klar sind. Solange der Flirt im Bereich der Möglichkeiten bleibt und dies auch deutlich gemacht wird, gibt es ohnedies keine Probleme. Auch Omas flirten gut und gerne mit ihren Enkeln (ich wollte meine lange Zeit heiraten). Selbst, wenn ein Flirt vom Bereich der Möglichkeiten in den Be- reich der Tatsächlichkeiten kommt, entstehen solange keine Probleme, als beide die Regel des Respektes füreinander und sich selber beachten.

6.4Wann?: Der Einfluß der Lebenssituation. Die Lebenssituation der Leute ist wichtig. Wer ohne Partner ist, aber offen für eine Partnerschaft, flirtet in der Regel wesentlich bereitwilliger als jemand, der das nicht ist. Außerdem bieten Sie Ihrem Flirt natürlich die Phantasie einer Partnerschaft. Das muß jedoch nicht für jeden Flirt nützlich sein. Wenn Ihr Flirtpartner z.B. ein Beziehungsinteresse ausschließt, wäre ein Flirt leichter zu riskieren. Besonders Frauen haben oft Sorge, sie werden den Betreffenden „nicht mehr los“, wenn sie sich auf einen Flirt einlassen. Dieser Sorge wären sie natürlich enthoben, wenn der Betreffende ge- bunden wäre. Es ist mit Teil des Flirts herauszufinden, welche Interessen füreinander möglich sind. Es gibt keine Situation, die per se besser oder schlechter ist als eine andere. Es gehört mit zu den folgenschweren Flirt- killern, per Vorurteil Flirts anzustreben oder zu meiden: „Die hat einen Freund, das hat gar keinen Sinn“. Und umgekehrt: Die hat keinen Freund, da könnte man’s versuchen. Oft ist es genau umgekehrt. Wie will man herausbekommen, was der Fall ist - außer durch ausprobieren? Beliebt ist die Methode, dem Aasgeruch verwesender Beziehungen nach- zuspüren. Die Konkurrenz schläft noch und die/der Betreffende merkt sozusagen gar nicht, daß man sich leise still und heimlich an den leeren Platz geschlichen hat. Aus dem harmlosen tröstenden Freund wird so plötzlich ein neuer Verehrer. Flirts scheitern, die die Tatsache der Trennung oder vorausgegangen Konflikte übergehen. Man geht mit Er- wartungen in die Situation, statt offen zu sein für die Wirklichkeit Ihres Gegenübers, sie geraten wieder in einen Machtflirt.

78 (Siehe Film: Während Du schliefst.) Die meisten machen die Erfahrung, daß sie wesentlich besser und erfolgreicher flirten können, wenn sie einen Partner haben, als wenn nicht. Warum? Sie haben dann die Sicherheit des Kindes mit den Eltern im Rücken und können leichter mit den Möglich- keiten spielen, da sie keinen dringenden Bedarf haben. Daraus wird er- sichtlich, daß der Flirt dann wirklich leichter läuft, aber er hat auch nicht so viel Power, als wenn ihr Begehren real und heftig ist. Vorübergehende Trennungen von einem Partner oder einer vertrauten Lebenssituation: Jeder chronisch Eifersüchtige fürchtet sich davor: Sein Schatz ist alleine im Urlaub, in der Kur oder zu Hause, während er auf einer Dienstreise ist (oder sie.). Die einen flirten dann um so mehr, die anderen verfallen ins Gegenteil, und flirten um so weniger. In der Regel beschränken sich solche Flirts auf das sich Vergewissern, daß man attraktiv ist und „könnte wenn man wollte“, aber es geht natürlich auch anders. Flirthelfer: Wie immer ist es wichtig, sich im Gespräch klarzuwerden, welchen Beziehungszielhorizont ihr Flirtpartner hat (siehe Punkt 3). Beginnen Sie Gespräche über die Liebe und die Treue, im Allgemeinen oder an Hand eines Beispieles, und Sie werden etwas über diese Horizonte erfahren. Rang und Rolle ihrer Partner haben Einfluß. Vorgesetze, Untergebene, Kollegen, Verwandte, Nachbarn. Sehr viele Flirts und Beziehungen entstehen während der Arbeit. Der Vor- gesetzte wie Untergebene müssen sich vergegenwärtigen, daß die Re- aktionen des Flirtpartners wesentlich durch das Abhängigkeitsverhältnis bestimmt sind. Ein guter Flirt erfordert Machtgleichheit. Wenn der eine dem anderen Anweisungen und Beurteilungen erteilen muß, ist diese Gleichheit aufgehoben. Wie soll die Situation aussehen, wenn der Flirt scheitert? Die Arbeit soll ja weiter gehen. D.h., Kränkungen und Ent- täuschungen können die Arbeit sehr erschweren. Dieser üble Fall tritt vor allem leicht ein, wenn Machtflirts produziert werden. Wenn es den Be- teiligten jedoch gelingt, Arbeit und persönliche Beziehungen voneinander zu unterscheiden und außerdem fair (wertschätzend, kooperativ) mit- einander umzugehen, treten keine Probleme auf. Weder muß ein ab- gewiesener Chef fürchten, lächerlich vor den anderen dazustehen, noch ein Untergebener fürchten, Nachteile für eine Abweisung zu erhalten. Es dürfte eher umgekehrt sein: Wenn es Mitarbeitern gelingt auf eine offene und wertschätzende Art miteinander zu flirten, senkt das die Eifersucht und die Intrigen im Betrieb und erzeugt gegen die funktionale Hierarchie der Arbeitsbeziehungen einen schönen Gegenpol aus persönlichen Be- ziehungen. Man geht dann wesentlich lieber zur Arbeit, als wenn die Atmosphäre völlig auf die Arbeitsbeziehungen reduziert wären. Nachbarn. Wenn Sie insgesamt offen (und nicht heimlich flirten), ist es schwer, üble Nachrede zu produzieren. Wenn Sie den Grundsatz der Ge- meinsamkeit beachten, werden Sie sich nicht verrennen und zu sehr aus dem Fenster hängen. Ethnische Unterschiede: Die können ganz beträchtlich sind. Oft ist es viel leichter, mit Menschen anderer Völker zu flirten, weil sie verschieden sind

79 und damit unsere Muster an Verklemmtheiten auflösen. Das gilt für jede Nation. Daher gibt es oft Menschen, die grundsätzlich nur ausländische Partner haben oder mit diesen leichter flirten, weil sie auf sie schneller bereit sind, zuzugehen. Die meisten Unterschiede beruhen auf Vorurteilen. Wenn diese negativ sind (Norddeutsche sind stur, Süddeutsche spielen was vor, Amis sind oberflächlich und Engländer distanziert), wirken sie negativ . Flirthelfer: Mit positiven Vorurteilen sind Sie besser dran, auch wenn sie nicht weniger falsch sind wie die positiven. Sie bringen Sie jedoch in eine offene und freundliche Haltung. Die Wahrscheinlichkeit, daß Sie damit gute Erfahrungen machen, ist ziemlich groß - nicht weil die Leute so „sind“, sondern, weil Sie Ihnen so begegnen. Also: Die Nord- deutschen haben die Ruhe weg, die Süddeutschen können fünf grad sein lassen, die Amis sind kontaktfreudig und die Engländer rücksichtsvoll und tolerant.

6.5Wohin? Die Beziehungswünsche der Flirtbeteiligten. Werden Sie aufmerksam für Ihre unausgesprochenen Beziehungswünsche und Phantasien in der Begegnung mit einem bestimmten Menschen. Welche sind eingeschlossen, und welches ausgeschlossen? Bei welchen stimmen Sie mit Ihrem Gegenüber übereinstimmen und mit welchem nicht.

Liegt der Schwerpunkt mehr im Bereich „Nähe“, im Bereich Macht und Rang oder im Bereich Erotik oder alles zusammen und durcheinander? (s. S. ) Die meisten groben Schwierigkeiten beim Flirten entstehen über Unklar- heiten in der Selbst- und Fremdwahrnehmung bezüglich dieser Fragen. Viele Menschen sind sich ihrer Gefühle und Empfindungen, Phantasien und Gedanken zu einem anderen Menschen nicht weniger unklar, als über die Gefühle, Phantasien und Gedanken ihres Gegenübers. Sie tendieren dann dazu, diese Unklarheit mittels „Checken“ und „Einschätzungen“, Ver- mutungen und Interpretationen zu beseitigen. So begegnen sie dann nicht mehr dem wirklichen Gegenüber, sondern ihrer Deutung desselben. Flirten heißt jedoch, diese Unsicherheit zu respektieren, sie als normal und un- vermeidbar zu erkennen und sie auf eine spielerische Weise zu genießen. Zu erinnern ist immer wieder: Diese Wünsche trifft man eher bei sich oder einem anderen an. Auf keinen Fall folgen automatisch Ziele und Pläne aus ihnen heraus. Der Grund ist offensichtlich: Ein Ziel und ein Plan nehmen auf alle übrigen Wünsche sowie die Bedingungen der Situation Rücksicht. Einem spontanen Gefühl ist dieses völlig egal. So können Sie auf einen Menschen schlagartig sexuelle reagieren

. Geht es um nachbarschaftliche, kollegiale, freundschaftliche, ver- wandtschaftliche, geschäftliche oder rechtliche Beziehungen? Wenn es um Liebesbeziehungen geht, welcher Art? Sollen vorhandene Rivalitäten, Über- oder Unterordnungen, Abhängigkeiten oder Unabhängigkeiten,

80 Nähen oder Distanzen verändert oder vergrößert werden? Wie unter „Grundhaltungen „ erwähnt, sind diese Beziehungsziele nicht als Ziele zu verstehen, die „zielstrebig“ verwirklicht werden sollen, sondern als Orientierungen, innerhalb derer Sie sich bewegen. Die Flirtkiller hier lassen sich unterscheiden in solche, die durch Nichtberücksichtigung einer fehlenden Übereinstimmung. und solche, die durch falsche Vorstellungen sowie durch falsches Verhalten entstehen: Ein Flirt gelingt natürlich um so eher bei gleichartigen Zielkontexten: Wenn der eine z.B. eine Liebes- beziehung ausschließt, der andere sie aber herbeisehnt, mißlingt ein Flirt eher, als wenn beide eine solche Beziehung herbeisehnen oder beide nicht. Es versteht sich, daß dabei wiederum völlig offen ist, was nun tat- sächlich dabei herauskommt, Änderungen sind jederzeit zulässig. So kann es komisch wirken, wenn ein Teenie einen Erwachsenen oder dieser einen Teenie mit dem Zielhorizont einer Beziehung anflirtet. Falsche Vor- stellungen können darin bestehen, jemanden auf Grund eines Vorurteils von einem Zielhorizont auszuschließen. (Die wird keinen Partner wollen, die hat schon einen. Was wissen Sie denn, wie dicht dieser Partner vor der Kündigung steht?) Schließlich gibt es auch das ungeeignete Verhalten. Sie streben etwa in Form eines Machtflirtes durch offene Dominanz über oder Unterordnung unter den anderen Kontrolle über ihn zu bekommen. Männer versuchen „Kreide zu fressen“ und nur das zu sagen oder mitzuteilen, von dem sie glauben, daß es willkommen und genehm ist. Man nennt es auch schleimen, sülzen, Süßholz raspeln, unter den Rock kriechen, sich an- passen. Frauen machen sich ähnlich klein, süß, sexy, nett und bewundern hemmungslos ihr Gegenüber - nach außen. Mit ihren Freundinnen reden sie dann unter Umständen ziemlich anders. Die anderen versuchen unan- greifbar zu sein, oben zu bleiben, unberührt, immer das letzte Wort zu haben oder nichts zuzugeben, oder unnahbar, cool.

Und wen sie kriegt, den will sie nicht und wen sie will, den kriegt sie nicht. Auf Anhieb sieht es hier nach einem guten Flirt aus: Zielstrebig wird mit Jemandem geflirtet, der allerdings zunächst auf jeden Fall diesen Flirt nicht erwidert, und dies ist das Signal für weiterflirten. Umgekehrt, sowie der Betreffende zurückflirten würde, wäre dies das Ende des Flirts. Man nennt solche Menschen auch „Allumettes“, Streichhölzer. Sie zünden einen an - aber sie brennen nicht lange. D.h., hier passiert etwas Ähnliches wie beim Flirten mit der Idee des Traummannes, nur daß jemand nicht vor sich hinträumt, sondern sich eine reale Person aussucht, die sich eignet. Die Eignung besteht darin, unerreichbar zu sein oder unmöglich. Unerreichbar: Z.B. weit weg. Unmögliche Person: Man stellt Bedingungen, die sie nicht erfüllen kann. Tragisch daran: Der Betreffende merkt das nicht, da nur diejenigen übrig- bleiben, die den Flirt nicht erwidern und ihn glauben lassen, das seien die wahren Lover, wenn sie nur zurückflirten würden. Sie erkennen nicht, daß sie hier maximal geschützt sind in ihren Gefühlen: Sie können praktisch nie von der Wirklichkeit überprüft werden, da es nie richtig dazu kommt.

81 Umgekehrt sind die Schwärmer, die gnadenlos einen Schwarm an- schwärmen, und es ist ihnen dafür egal, ob eine Antwort kommt oder nicht. Man kann es ja versuchen und wer weiß, vielleicht klappt es ja doch eines Tages. Während das bei Teenies noch eine normale Reaktion ist, wird das bedenklich, wenn das jemand als Erwachsener immer noch so macht. Das Tragische ist hier also, daß sowohl der Schwärmer als auch der An- geschwärmte unglücklich bleiben. Man könnte sie sich im Kreis aufgestellt vorstellen, wo jeder seinen Vordermann, und der eben nur seinen Vordermann anschwärmt, und so kommt es nie zu einer Begegnung. Und das ist der Sinn der Sache, eine solche mit all ihren Risiken zu vermeiden: Liebe ohne Partnerschaft und Reue. Man kann dem Traumbild des Partners nicht nur nachjagen, sondern sich im Glauben wiegen, es gäbe den Betreffenden, und es fehlte nur ein Weniges, um ihn dazu zu bringen,. ins Glück einzuwilligen.

Da Liebe sehr kreativ ist, ist es keineswegs ausgeschlossen, daß diese Strategien auch manchmal funktionieren. Sie werden dann in der Presse stärker ausgewalzt als Blattgold. Etwa, wenn der schwedische Thronfolger das einfache Bürgermädchen Sylvia aus Heidelberg heimführt.

6.6Womit?: Entwickeln der persönlichen Flirtstärken. Überlegen Sie oder entscheiden Sie, mit welcher Ihrer Fähigkeiten Sie einen Flirt beginnen oder fortsetzen wollen. Welche Fähigkeit können Sie ausbauen, welche miteinander kombinieren? D.h. schränken Sie sich nicht auf ein Merkmal, ihr Aussehen, Ihre Augen, Ihre Sprechweise usw. ein. Lernen Sie, mit allen „Kanälen“ zu senden und zu empfangen. Es ist ein- facher, seine Fähigkeiten einzeln und hintereinander zu entwickeln, als in einer bestimmten Situation alle gleichzeitig fördern zu wollen.

6.6.1Augenflirt Wenn von Flirten die Rede ist, meinen die meisten Menschen das Flirten über Blicke. Es gibt eine Menge empirische Sozialforschung darüber (Übersicht Tramitz 1995, Bossi 1995). Die Liebe auf den ersten Blick ver- spricht, daß keine mühseligen Irrfahrten nötig sind, um die Liebe für die Ewigkeit zu erlangen. Ein Blick, und alles ist klar! Nicht wenige behaupten, daß sie auf einen Blick wüßten, ob sie mit einem Menschen gut könnten oder nicht. und sie fühlen sich durch ihre Erfahrung bestätigt. Der Vorteil ist, daß man gleich ein Vorurteil zur Hand hat, das hilft, eine Auswahl zu treffen. Das positive Vorurteil hilft sehr viel leichter zu guten Beziehungen (dem Reinen ist alles rein) als das negative Vorurteil (dem Schwein ist alles Schwein). Stellen Sie sich bei einem Menschen, der Ihnen auf Anhieb sympathisch ist, z.B. auf einem Fest, vor, er sei wegen Kindesmißhandlung und Hochstapelei belangt worden und nur wenig be-

82 straft, weil er für den Verfassungsschutz arbeitet. Es ist aber ein Geheim- nis, und keiner weiß davon.. Oder machen Sie es umgekehrt: Stellen Sie sich vor, ein sturzlangweiliger Mensch sei gerade von einer Expedition durch Alaska zurück. Verrückt? Keineswegs. Wir stellen solche Ver- mutungen täglich an. Schon bei einem Säugling wollen wir wissen, ob es ein Junge oder Mädchen ist. Bei Erwachsenen wollen wir wissen, welchen Beruf sie haben. Wie auch immer die Antwort ausfällt, sie wird unsere Urteile und Vorurteile prägen. Hochstapler und Betrüger leben davon, aber auch die Werbung. Genau besehen geht es hier aber nicht mehr um Blicke, sondern um die gedankliche Verarbeitung des Gesehenen. Daher zunächst zurück zum Blick im engeren Sinne. Die richtige Deutung eines Blickes wird dadurch erschwert, daß es deren unzählige gibt.

Nehmen wir als erstes die Flirtkillerblicke: Der kalte Blick, der stechende Blick, der schleimige Blick, der süßliche Blick, der trübe Blick, der geile Blick Andere sind gelangweilt, der hinterhältig, zweideutig, anzüglich, taxierend, musternd, ausziehend, höhnisch, spöttisch, arrogant, gemein, fies, kriecherisch, gleisnerisch, taxierend, abschätzend, ausziehend, lauernd. Der ausdruckslose Blick (Pokerface) ist da noch die harmloseste Variante. Solche Blicke stoßen einen Menschen eher zurück. Sie treten am ehesten im Machtflirt auf.

Die flirtenden Blicke sind da ganz anders: Sie sind neugierig, heraus- fordernd, auffordernd, bedeutungsvoll, kokettierend, vielsagend, vielver- sprechend, aufregend, sehnsüchtig, liebevoll, hingebungsvoll, unruhig, aufgeregt, schmachtend, provozierend, flirrend, erotisch, heiß, neugierig, interessiert, zugewendet, strahlend, glücklich, aufmerksam, berührt, be- wegt, getroffen, wartend, unschlüssig, zaudernd, verlangend, schüchtern, leidenschaftlich, wehmütig , verträumt, kurze oder lange Blicke, sinnlich usw. Für solche Blicke gilt am ehesten Tucholskis Vers: „Wir faßten uns mit den Augen bei den Händen.“

Nehmen Sie einfach irgendein Gefühl, eine Empfindung oder eine Eigen- schaft, und hängen das Wort Blick hinten an und Sie haben die Liste aller möglichen Blicke. Es dürfte keine Schwierigkeit machen, auf einige hundert zu kommen. Jeder eignet sich zum Flirten, wenn er die Option zu einer Beziehung enthält.

Das Interessante ist nun, daß der Augen-Blick in Wirklichkeit ziemlich wenig Informationen enthält. Auch die Weitung der Pupillen kann viel- fältige Gründe haben! Wenn ein Gesicht bis auf den Augenschlitz ver- schleiert ist, hat man praktisch keine Möglichkeit mehr, die Gefühls- stimmung des betreffenden Menschen zu erfassen. Das ist jedoch viel leichter möglich, wenn nur die Mund und Wangenpartie zu sehen ist. Wir haben aber bedeutend weniger Begriffe für den Ausdrucksgehalt des Mundes. Wir benutzen die Augen mehr als Landeplatz für unsere eigenen

83 Blicke (tief in die Augen sehen), nehmen aber die tatsächlichen Informationen über das ganze Gesicht und die dazu gehörige Körper- haltung wahr, oft völlig unbewußt. Müßten wir erklären, auf was genau unsere Eindrücke basierten, gerieten wir in Schwierigkeiten. Daher wird letztlich gar nicht mit den Augen geflirtet, sondern mit dem mimischen und gestischen Ausdruck unseres Körpers. Verschiedene Bücher über das Ausdrucksverhalten versprechen dem Leser nach Lektüre des Buches die Fähigkeit, die Seele seines Gegenübers lesen zu können, wenn er sein Ausdrucksverhalten richtig deutet. Richtig ist, daß sich unser Gefühlsleben in Mimik und Gestik widerspiegelt. Falsch ist, daß ein anderer auf Grund einer allgemein gültigen Gebrauchsanweisung unsere Gefühle oder gar Gedanken und Motive erkennen könne. Um das zu können ist nämlich erforderlich, den jeweils hoch individuellen Dialekt des Einzelnen kennenzulernen. Und das geht nur mit dessen Einverständ- nis. Wenn unser Gegenüber nicht offen ist und bereit sich mitzuteilen, haben wir bestenfalls Hypothesen über ihn, aber auf keinen Fall ein nutz- bares Wissen. Gleichwohl ist es nützlich, etwas über Ausdrucksverhalten zu wissen, da ihm bestimmte Bedeutungen auch dann zugeordnet werden, wenn sie gar nicht zustimmen. Wer unruhig in seinem Sessel herumrutscht, weil er Kreuzbeschwerden hat, muß wissen, daß das Gegenüber dies fälschlich als Verlegenheit, Unsicherheit, Nervosität oder Fluchtwunsch deutet oder einfach nur als unangenehm erlebt. Wer lächelt, um sein Gegenüber ver- söhnlich zu stimmen, muß damit rechnen, daß dieser das Lächeln als freundliche Zustimmung zu seinen Ansichten deutet. Mit anderen Worten: Zwar kann man nicht ohne weiteres einem bestimmten Ausdrucksver- halten eine bestimmte Bedeutung zuordnen, aber es wird trotzdem getan. Man sollte wissen, wie und womit man "ankommt" oder eben auch nicht. Wenn zurückhaltende Blicke als Desinteresse, aufmerksame Blicke als ab- schätzend, freundliche Blicke als erotisch mißverstanden werden, wird der Flirt scheitern.

Obwohl es nun auf den Augenbereich beschränkte Flirts gar nicht gibt, werden doch bestimmte Ausdrucksweisen als "Blickflirts" vor allem dann betrachtet, wenn erotische Phantasien damit verbunden werden.

Wenn eine Frau Ihnen mit leicht verhangenen Augen von der Seite einen langen verträumten Blick zuwirft, dies wiederholt, schnell weg sieht, wenn sie Ihren Blick bemerkt, und Ihnen im Vorbeigehen einen strahlenden Blick zuwirft, dann werden Sie, wie 9O% aller Männer, annehmen, daß diese Frau mit Ihnen heftig flirtet. Kaum einer wird auf die Idee kommen, daß diese Frau von der Psychologin C. Tramitz im Rahmen ihrer Doktor- arbeit als Lockvogel angestellt wurde, um zu prüfen, wie sie Männern einen Flirteindruck auch dann vermitteln kann, wenn sie es gar nicht so meint. Ein Lächeln heißt in der Tat nicht, daß da jemand flirtet. Viele Menschen lächeln aus Angst, Verlegenheit, Höflichkeit, Angewohnheit, um eine gute Atmosphäre herzustellen, aber keineswegs um zu flirten. Ein Grund, warum ein Nein einer Frau von Männern oft nicht ernst ge-

84 nommen wird ist, daß dieses Nein oft freundlich oder lächelnd kommt, um ihm seine Schärfe zu nehmen ,- aber nicht, um es zu entkräften. Umgekehrt heißt kein Lächeln nicht, daß jemand einem Flirt abgeneigt ist. Vielleicht muß der Betreffende etwas motiviert und mitgerissen werden. Würde es Ihnen nicht auch gefallen, wenn jemand die Trübsal Ihres Ge- sichtes zum Anlaß nimmt, mit Ihnen zu flirten?

Der spezielle erotische Flirtblick ist jedoch nur einer unter vielen. Er ent- steht dann, wenn Sie erotisiert sind und dieses Gefühl bei sich willkommen heißen. Drücken Sie es nicht beiseite, sondern lassen Sie es in Ihr Gesicht und Ihre Augen fließen oder sich ausbreiten. Vielleicht wird Ihnen dabei warm oder Ihr Gesicht färbt sich rot, das ist durchaus an- gemessen. Es ist ebenfalls angemessen, wenn Sie sich , vom Gefühl überwältigt, zur Seite schauen und sich erholen. Ihr Gegenüber hat die Möglichkeit anzunehmen (mehr nicht), daß er/sie bei Ihnen eine Wirkung ausgelöst hat. Vielleicht freut es, beunruhigt es, bestürzt es, verunsichert es, macht es neugierig, löst ein gleiches Gefühl aus? Zu einem Flirt wird das Ganze aber erst dadurch, daß es Ihnen gelingt, mit Blick und Gefühl in einen Kontakt zu treten. Zunächst ist der Blick nur ein Angebot. Sie können es im Laufe eines Abends ein oder zweimal wiederholen. Sollte Sie aber überhaupt keine Resonanz bekommen, besteht für diese direkte Art des Flirtes nur eine geringe Chance - aus welchen Gründen auch immer. Da es zahllose andere gibt, besteht kein Grund, sich auf ihn zu versteifen. Es ist eher ein Flirtkiller, wenn Sie versuchen, ihre Gefühle vor sich und vor allem dem anderen gezielt geheim zu halten oder einfach zu leugnen bzw. sich sachlich und neutral machen. Dann blicken weder Sie noch Ihr Gegenüber durch und der Frust ist sehr wahrscheinlich. Lassen Sie hin- gegen Ihre Gefühle unverstellt zu, können Sie auch so leichter feststellen, was Ihr Gegenüber Ihnen bedeutet, welche Interessen Sie für ihn ver- spüren, bei was Sie ihm entgegenkommen wollen usw.

Was für die Musik die Pause, ist für den Blick das Wegblicken. Wenn Sie wegsehen, hat der Andere eine Chance hinzusehen. Wenn beide weg- sehen, haben beide eine Chance, sich Zeit für ihre eigenen Gefühle, Phantasien und Gedanken zu machen. Nichts tötet einen Flirt mehr als Hektik und Eile. Es spricht nichts dagegen, das Hin- und Wegsehen ab- sichtlich zu dosieren. Sie werden dann merken, daß das Spiel auch Ihnen gut tut. Sie geraten nicht so leicht in Versuchung, ins Glotzen und Starren zu kommen. Sie werden nicht so leicht abhängig vom angeschwärmten Gegenüber. Sie signalisieren sich selber, daß der Flirt nur ein Teil ist, und daß es noch anderes im Leben gibt. Durch die Art und Weise des Weg- sehens und partiellen Hinsehens können sie so unter Umständen mehr über sich und Ihre Gefühle erfahren, als wenn Sie wie ein hypnotisiertes Kaninchen auf das vermeintliche Ziel Ihrer Träume starren. Möglicher- weise kontert Ihr Schwarm dann irgendwann mal:

„Du erinnerst mich an ´nen Stierkampf" „Wieso, bin ich so schön wie ein Torero?"

85 „Nee, das nicht, aber Du stierst mich so an."

Daher ist es besser, großzügig mit den Pausen umzugehen und diese gut zu nutzen für andere Dinge . In dieser Zeit sind Sie dann auch eher wieder eine Herausforderung für Ihren Schwarm. Der hat jetzt wieder eine Chance, sich zu überlegen, ob Sie nun wirklich interessiert sind oder nicht. Ob er selber auch etwas tun muß, oder Ihnen alles überlassen kann. Eine Pause ist auch dann wichtig, wenn Sie bemerken, daß Sie mit Ihrem Blick jemanden in Verlegenheit setzen. Es gibt so holzherzige Menschen, die dann gönnerhaft sagen „aber Du brauchst doch nicht verlegen zu werden“. Es ist dann viel besser, mehr auf Abstand zu gehen und mit sehr kurzen Blicken dem anderen zu begegnen. Das ist unbedingt nötig, wenn man mit Kindern flirtet. Da sie eine geringe Macht haben, mögen sie eine aufgenötigte Nähe gar nicht. Es gibt viele Gründe, einen Blickflirt nicht zu erwidern: Ihr Gegenüber findet sie optisch langweilig oder un- schön, ist kurzsichtig, geniert sich bei Blicken, ist unsicher über die eigenen Interessen, befaßt sich gerade mit jemand anders usw. Speziell Männer sollten mit Blicken eher zurückhaltend sein und sich vergewissern, daß sie beantwortet werden. Werden Blicke wenig oder nicht beantwortet, ist es unter Umständen besser, den Kontakt über ein Gespräch oder eine Form des indirekten Flirtes zu beginnen.

You are my Destiny: Ein Riesenfehler beim Flirten besteht darin, keinen anderen mehr anzusehen als nur noch den umschwärmten Menschen. Selbst wenn es Ihre große Liebe wäre und diese auf Gegenseitigkeit be- stünde, wäre es besser, auch anderen die Ehre zu geben. Wenn Ihr Schwarm sieht, daß auch andere Menschen freundliche Blicke bekommen, ist er eher herausgefordert, seinerseits etwas zu tun. Die Kunst des Flirtens besteht ja gerade darin, ein Begehren beim Anderen auszulösen. Das andere Signal lautet: „Wenn ich Dich nur haben kann, schau ich keine andere an, wenn ich Dich nur hätt, sugar baby“. Damit flirten Sie nicht mehr, sondern fallen mit der Tür ins Haus, und überlassen jetzt Ihrem Gegenüber das Ja oder Nein. Flirten heißt Gegenseitigkeit, und nicht Ein- seitigkeit.

Der freundschaftliche Blickflirt: Da der Blick wesentlich mit einem Gefühl zusammen verstanden wird, sollten Sie diesem Bereich auch ihre Auf- merksamkeit zuwenden. Das Gefühl fällt nicht vom Himmel, sondern ist wesentlich eine Reaktion auf die Art, wie Sie mit der Welt umgehen. Wenn Sie ängstlich und mißtrauisch Ihr Gegenüber ansehen in der Annahme, einen Korb zu bekommen, wird Ihr Gegenüber nicht Ihr Interesse, sondern Ihr Mißtrauen wahrnehmen und Ihnen einen Korb geben. Sie müssen in so einer Situation Ihre Angst konstruktiv und nicht defensiv nutzen. Sowie Sie merken, daß Sie Angst vor einem Korb haben, sagen Sie sich innerlich, den Blick dabei zum betreffenden Menschen gewendet: „Es würde mich freuen, wenn ich Dir willkommen bin, es würde mich freuen, wenn Du mich wahrnimmst, Du gefällst mir, , ich überlege gerade, was ich mir wünsche...“Es spricht einiges dafür, daß Ihr Gesicht einen

86 freundlicheren Ausdruck annimmt und somit eher freundliche Gefühle aus- löst. Es unterstützt diese Haltung, wenn Sie sich - ebenfalls innerlich - sagen: Ein Korb ist auch ok, den Schreck halte ich aus. Am Rande er- wähnt sei, daß es in der Regel nicht die Körbe sind, die man fürchtet, sondern das damit verbundene Gefühl von Scham. Mein Wohlbefinden liegt scheinbar in der Hand meines Gegenübers, und der weiß es oft noch nicht einmal. Das macht mich hilflos, passiv und abwartend, oder defensiv und mißtrauisch. Wie bereits erwähnt, ist es hilfreicher , das eigene Gefühl wertzuschätzen, und mit dieser Scham zu handeln. Sie bewirkt, daß man nicht plump und gefühllos ist. Ginge mein Gegenüber damit roh um, was recht selten ist, fiele es mehr auf ihn als mich zurück. Sollte Ihnen, weil ihr Flirtgegenüber von hypnotischer Macht ist, das Ge- sicht stehengeblieben sein und sie fühlen sich völlig erstarrt, dann lösen Sie sich von der Situation und erholen sich bei etwas Schönen, zu dem Sie eindeutigen Zugang haben (möglichst keinen Alkohol oder Zigaretten). Sehen sie z.B. jemand anders an, den Sie gerne ansehen. Und werfen sie dann von dem dabei neu entstehenden Vorrat an gutem Befinden dem Menschen einen freundlichen Blick zu, mit dem Sie flirten wollen. Das funktioniert auch dann, wenn niemand da ist: Denken Sie einfach an ihn. Die Blickdistanz ist oft der Grund mißlungener Kontakte. Manchmal werden Sie merken, daß der Flirt leichter gelingt, wenn Sie einfach mehr Abstand halten. Es kommt dabei weniger auf die physische Distanz als die praktische an: Sie könnten z.B. neben einem Auto halten und mit dem Beifahrer flirten, obwohl Sie nur einen Meter auseinander sind. Der Flirt hat eine niedrigere Schwelle, weil beide sicher sind, daß er gleich zu Ende ist. Man erkennt an dieser Situation auch wieder, daß der Flirt davon lebt, daß er nicht als Mittel zum Zweck lanciert wird, sondern ein lustvolles Er- eignis per se ist. Daher lohnt es sich auch, solche Situationen gezielt für Flirts zu nutzen. Teenies nutzen diese Gelegenheit gerne, wenn sie in der Gruppe im Bus oder der Bahn reisen. Des weiteren kommt es auf den Zusammenhang der Situation an. Wenn sie mit einem Mädchen vor Ihnen flirten, und dann unauffällig an ihr vorbei oder hinter ihrem Rücken mit jemand anders flirten, tun Sie sich keinen Gefallen. Unter Umständen verderben Sie es sich mit Beiden. Wer wird schon gerne hintergangen und vor Anderen so bloßgestellt? Auch beim Tanzen ist es völlig daneben, mit jemand anders zu flirten. Man wartet besser damit, bis der Tanz zu Ende ist. Entsprechend ist es ziem- lich übel, erst dann einen Flirt zu wagen, wenn keine Zeugen dabei sind, und ihn gleich wieder zu beenden, wenn diese dazukommen. Wenn sie einen Flirt mit einem verschmierten Gewissen machen, praktizieren sie einen Machtflirt. Also, wenn schon, dann so, daß es jeder sehen kann.

Bekanntschaftsflirt: Blicken und Zuwenden: Es ist sinnvoll zu lernen, sein Gesicht einem anderen Menschen zuzuwenden, ohne ihn bewußt und ge- zielt anzusehen. Das kann man täglich und an allen möglichen Orten üben. Sie verlieren dadurch die Angst vor der Blickbegegnung und lernen schneller, mit Ihrem jeweiligen Zustand aufzutreten, ohne ihn vor anderen

87 oder sich verbergen zu müssen. Verkäufer, Therapeuten, Vertreter, Lehrer usw. tun dies schon automatisch. Wer sich vorwiegend mit Büchern und dem PC befaßt, hat da mehr Probleme. Der zugewendete absichtslose Blick erlaubt so eine Art periphere Wahrnehmung. Man konzentriert sich nicht auf einen Punkt und ist offen für alle Möglichkeiten. Es ist oft hilf- reich, sich innerlich dabei zu sagen:„Ihr dürft mich alle ansehen. Ich werde alle guten Dinge aufmerksam aufnehmen. Ihr dürft Euch über mich denken was Ihr wollt“. Lassen Sie zwischendurch den Blick wieder auf den Zwischenräumen oder anderen Menschen ruhen. Es ist meist ein Flirtkiller, wenn Sie erst Ihre Brille aufsetzen, um jemanden anzusehen. Der andere fühlt sich dann leicht als merkwürdiges Insekt, das jetzt genauer beäugt wird. Also eine Pause zwischen Brille auf und Hinsehen legen. Witzigerweise wirkt es anders, wenn Sie die Brille absetzen, um hinzusehen, obwohl Sie möglicherweise dann gar nichts sehen. Warum wohl? Blicksucht Es gibt etliche Menschen, deren Flirtverhalten sich in Blicken erschöpft. Sie können Tage damit zubringen und es reicht ihnen. Alles darüber hin aus wäre ihnen zu viel. Mit niemanden kann man das Flirten mit den Augen so gut lernen, wie mit ihnen. Manchmal geht das sehr gut mit Kindern. Auch Teenies sind darin oft ziemliche Spezialisten. Manche kommen über das Blicken nicht hinaus, würden es aber gerne tun. Wenn sich zwar Blickflirts ergeben, aber nie mehr, dann irrt sich der Flirter: Er sendet sehr wahrscheinlich ein Signal aus der Art: Wartet noch, ich komme, don’t call me, I call You. In diesem Fall sollte er seinem Herzen einen Stoß geben, und mehr riskieren - oder versuchen andere Botschaften zu senden: Z.B. jemanden anzuschauen, sich zuzuwenden und innerlich zum anderen zu sprechen: Es würde mich ja so freuen, wenn Du her- kommen und mich ansprechen würdest....usw.

Blicke können Flirts erleichtern oder erschweren oder sich darin er- schöpfen. Es wäre auf jeden Fall falsch zu glauben, aus Blicken könnte man zuverlässige Schlüsse ziehen. Es ist auf Dauer besser, man geht noch auf andere Weisen in einen Kontakt und überprüft seine Meinungen und Urteile. Es spricht zwar einiges dafür, daß sich Sympathien auf den ersten Blick auch langfristig bewähren. Fehlende Sympathie hingegen heißt gar nichts, Abneigung sehr oft nichts. Letztere macht sich oft an irgendeiner Äußerlichkeit fest - wenn sie dann irgend- wann einmal in den Hintergrund tritt, sieht die Person ganz anders aus.

6.6.2Wahrnehmen, Sehen, Hören und Lernen, Verstehen: Es gibt viele Arten zuzuhören und viele Dinge anzuhören und viele ver- schiedene Arten. Der Hörflirt hat viele Vorteile. Sie signalisieren dem Anderen Aufmerksamkeit, Interesse. Sie erfahren etwas über ihn. Selbst, wenn Sie dem anderen bislang gar nicht sonderlich aufgefallen sind, kann

88 ihm auffallen, daß Sie von ihm etwas wissen und sich mit ihm befassen. Für die meisten Menschen ist es sehr angenehm, zur Kenntnis genommen zu werden. Sie betrachten es als Wertschätzung, wenn Sie Dinge wissen, die den anderen angehen und ihn berühren. Es ist dabei hilfreich, die letzten oder wichtigen Worte, die jemand spricht zu wiederholen, das er- laubt einem selber festzustellen, ob man verstanden hat, und teilt dem anderen mit, daß er verstanden wurde. Man kann die gleichen oder andere Worte nehmen. Merken Sie sich Gesichter und die zugehörigen Namen sowie Informationen, die dem betreffenden Menschen selber wichtig sind. Wenn Sie nach vier Wochen noch wissen, daß ihr Gegenüber Michael heißt, seine Katze 18 Jahre alt ist und er ungewöhnlicherweise gerne Pils ohne Schaum trinkt, wenn Sie sich weiterhin erinnern , daß er gerade eine Prüfung hinter sich haben müßte (usw.) erfährt der andere - daß er Ihnen offenkundig nicht gleichgültig ist. Beschränken Sie ihr Interesse möglichst nicht auf einen Menschen, sondern bleiben Sie offen für viele. Nicht nur in der Landwirtschaft erfordert die Monokultur eine höhere Gewalttätigkeit gegen die Natur, um die Ertragsstärke aufrecht zu erhalten.

6.6.3Handlungsflirt: Flirten durch Tun. Wir haben nicht nur Lust und Freude an Beziehungen, sondern auch an unseren handwerklichen, musischen, sportlichen und anderen Fähigkeiten Hier geht es um gemeinsame Aktivitäten: Tanzen, Spielen, Arbeiten, Reisen, Feste feiern, Kochen, Kulturelle Veranstaltungen, Politik. Es kann aber einfacher sein: Jemanden eine Tür aufhalten, etwas tragen helfen, Platz machen, sich dazu setzen oder stellen Besonders beliebt sind dabei Darstellungen: Durch bestimmte Tätigkeiten lenken Sie die Aufmerksam- keit des anderen auf sich. Sie errichten ein Kartenhaus, kleiden sich schön, stellen sich sichtbar hin. Vielleicht spielen Sie ein Instrument, können ein Zauberkunststück, oder einen Salto rückwärts, können gut Tanzen oder Kochen? Sie geben dadurch dem anderen die Möglichkeit, ein Interesse an Ihnen oder Ihren Tätigkeiten zu entwickeln. Berüchtigte Flirtkiller sind dabei: Aufschneiden, dick auftragen, den Gockel oder die Mieze spielen oder umgekehrt: Sein Licht unter den Scheffel stellen, und sich trotzig- bescheiden zurückhalten (der/der muß auch so sehn, daß ich gut bin). Handlungsflirts können vor allem wirksam sein, wenn Sie in einer ge- meinsamen Situation Verantwortung übernehmen - oder Sie jemand anders gezielt überlassen . Schießen Sie oder lassen Sie sich eine Rose auf dem Jahrmarkt schießen, einen Kaffee bestellen, eine Reparatur durchführen, eine Aufgabe erklären! Neben der Lust an der Fähigkeit gibt es auch die Lust am sich überlassen und am Verlieren der Kontrolle, sich von der Achterbahn, dem Karussell oder eine wilden Brandung durchwirbeln zu lassen, am Gummiseil eine Schlucht hinunterzuspringen oder das Verlieren im Spielkasino zu üben. Sie können aber durch den Regen laufen und sich einfach naßregnen lassen, ohne irgendeine Hektik zu entfalten.

89 Diese Bereiche eignen sich ausgezeichnet zum Flirten, weil Sie darin Ihre Beziehungsmöglichkeiten abbilden und dem Gegenüber mitteilen. Sie drücken dann durch ihr Verhalten (statt durch Worte) aus, was sie mögen und was nicht. Spielen Sie mit Ihrem Schwarm Tischtennis, Federball oder Doppelkopf, und sie haben traumhafte Flirtmöglichkeiten (es geht ja „nur“ um das Spiel). Die beliebteste Methode, die Kontrolle aufzugeben besteht im Alkohol und Drogenrausch. Alkohol eignet sich nur in kleinen Dosierungen. Da er Ge- fühle stark vergröbert oder reduziert, hat das im Rausch Realisierte oft keinen Bezug zur nüchternen Realität, das kann dann ziemlich peinlich werden. Last not least: Erzeugen Sie Chaos oder nutzen Sie vorhandenes Chaos, um starre Muster zu unterbrechen und dem Flirten wieder Platz zu geben.

In jeglicher Form von Chaos kommen sich Menschen leichter und schneller näher, ignorieren gewohnte Grenzen und Befangenheiten und treffen gewohnte Ängste und Befangenheiten nicht mehr an. Auf einem Bahnsteig stehen seit zehn Minuten ein Mann und eine Frau nebeneinander und würdigen sich keines (offenen) Blickes. Es ist völlig unklar, ob sie es bevorzugen sich zu ignorieren, oder ob sie darin wetteifern, wer der Befangenere ist. Ein kalter und nasser Wind fegt durch den Bahnhof und trägt zur ungemüt- lichen Atmosphäre kräftig bei, die durch die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher unterbrochen wird: Wir bitten um Entschuldigung, daß der Interregio 3O Minuten später ankommen wird. Die Frau blickt verärgert nach rechts und links, sieht dabei dem Mann ins Gesicht, der ebenfalls enttäuscht ist und sagt: In einer halben Stunde bin ich hier festgefroren. Und damit war das Eis gebrochen. Immer wenn gewohnte Ordnungen durchbrochen sind: Ein Fahrstuhl bleibt stecken oder alle müssen laufen , eine Straßenbahn kann nicht weiter oder kommt nicht, ein Unfall hat stattgefunden, es gibt Hochwasser oder ein Haus brennt, es ist jemand erkrankt oder gestorben. Sie stehen in einem Geschäft und schauen un- gläubig auf einem exorbitanten hohen oder niedrigen Preis, ein phantastisches Gerät oder einen furchtbaren Schrott: Und dabei können Sie erkennen, was am oder im Chaos das Flirten er- leichtert: Das Ereignis löst zur situativen übrigen Befangenheit oder Angst konkurrierende starke Eindrücke und Gefühle aus, die leichter ausgedrückt oder mitgeteilt werden können. Sie und Ihr Gegenüber teilen im optimalen Falle einen nach außen gerichteten Eindruck. Sie treffen sich somit sowohl echt und lebendig an, aber auch wieder nicht so konfrontativ, sondern eben nach außen gerichtet. Das Chaos hat den Vorteil, als bewegendes Gesprächsthema nicht so schnell zu Ende zu sein, und Sie haben somit beide anhaltendere Gelegenheit, darüber in Kontakt zu kommen. Was spricht gegen Versuche näherzukommen: Wo fahren Sie hin, was halten Sie von dem Ereignis, wo kommen Sie her,, Sie können etwas erzählen usw.

90 Oder auch: Sie drücken ihre Freude aus, bei dieser Gelegenheit eine neue Bekanntschaft gemacht zu haben und ihr Interesse an einer gemeinsamen Weiterfahrt oder einem weiteren Treffen. Im Volksmund sagt man auch: Wo viel Not ist, ist auch viel Hilfe. Nicht wenige Freundschaften und Nach- barschaften entstehen darüber, daß diese Menschen durch chaotische Situationen zusammengeführt wurden: Ein Ekel im Haus, ein terroristischer Vermieter, ein nervtötender Betrieb, ein Brand oder Rohr- bruch usw. Im Studium kann das ein ineffizienter Dozent sein, eine ungerechte Prüfung. Für nicht wenige sind es auch politische Umstände, wenn Solidarisierungen für oder gegen stattfinden.

Sie können Chaos aber auch mehr oder weniger gezielt stattfinden lassen: - Veranstalten Sie ein Fest und laden Sie einfach mehr Leute ein, als in ihre Bude reingehen. - Machen Sie sich nichts daraus jemand einzuladen. an dem sich andere stoßen. Nichts schweißt zwei Leute schneller zusammen als ein ge- meinsamer Feind. Ebenso; Wenn Ihnen mitten im Geschäft ihre Tüte reißt und alle Kartoffeln herumrennen. Ein guter Grund verdattert zu gucken oder souverän, und nur zu grinsen, vielleicht hilft ihr Flirt beim Einsammeln. Wichtig dabei: Keine Hektik! Genießen Sie das Durcheinander und schauen es sich erstmal genüßlich an und achten drauf, auch ihrem Flirt einen Blick zu gönnen. Ihre Besorgnis. möglicherweise ungeschickt oder lächerlich zu wirken, ist völlig berechtigt, Sie wirken wahrscheinlich so. Ihre Besorgnis jedoch, daß dies ein Nachteil ist, ist meistens falsch. In der Regel entspannen Sie damit eine steife Atmosphäre, tragen zur Unter- haltung bei und übernehmen ein Risiko, machen es also den anderen etwas leichter.

Reagieren Sie hingegen auf ein versehentliches oder geplantes Ungeschick ihrerseits mit Befangenheit und Scham, versuchen innerlich in den Erd- boden zu versinken oder sonstwie den Eindruck zu erwecken, nichts sei passiert, teilt sich das natürlich den anderen mit. Höflich wie sie sind, schauen sie dann ebenfalls beiseite und bemühen sich, Sie zu ignorieren, womit eine gute Flirtchance verloren ist. Ihre Unfähigkeit ist zugleich eine Chance für die anderen, die eigene Fähigkeit zu erleben und Ihnen gegenüber sich gut zu fühlen. Das ist ein großzügiger und guter Anfang. Also versuchen Sie nicht alles selber und alleine zu machen, sondern bitten Sie den potentiellen Flirt so früh wie möglich, Ihnen behilflich zu sein - unabhängig davon, ob Sie Mann oder Frau sind. Natürlich können Sie alle Gepäckstücke in eine Hand nehmen und eine Tür selber aufmachen, Sie können auch in jede Hand eines nehmen und jemand anders bitten.

91 Alle Ereignisse und Umstände, die normale Routine und Muster durch- oder unterbrechen, eignen sich daher sehr gut für einen Flirt. Es ist teil- weise einfach eine Frage ihrer Kreativität, solche Unterbrechungen herzu- stellen. Sie brauchen dann keine Gefühle vorzuspielen oder andere zu verbergen. die plötzliche Situation löst sie zuverlässig aus und Sie haben dann eine gute Möglichkeit, jemand zu begegnen. Daher eignen sich be- sonders Situationen, in denen Sie va banque spielen mit kalkuliertem Risiko. Machen Sie sich nichts draus, Ihre Kaffeetasse so voll zu schütten, daß Sie sehr wahrscheinlich etwas verschütten, wenn Sie trinken. Be- haupten Sie einfach, daß Sie es hinbekommen werden. Wenn es klappt, stehen Sie gut da. Wenn nicht, tragen Sie zur Unterhaltung bei. Mit Grandezza pfuschen oder versagen entspannt kolossal.

Unglücklicherweise versuchen Menschen oft das Gegenteil: Sie versuchen, alles perfekt zu machen, um nicht anzuecken. Sie bemühen sich darum, irgendwelchen vermuteten Erwartungen gerecht zu werden, um weder Lacher, noch Kritik oder Amüsement auszulösen. Dadurch wird die Situation immer verkrampfter und unnatürlicher. Im Übrigen ist es hier wie generell im Leben: Die Abwesenheit von Unglück (Kritik, Fehlern) bewirkt noch keine Anwesenheit von Anerkennung und Zuneigung. Letztere erlauben es, mit Kritik und Fehlern sehr viel leichter umzugehen. Es gibt einen alten (rumänischen?) Brauch: Wenn der Tisch perfekt mit weißer Decke gedeckt ist und alle am Tisch sitzen, reicht die Gastgeberin Rotwein auf dem Tisch herum, damit die Gäste entspannt und mit Ver- gnügen essen können. Wahrnehmen, Sprechen und Träumen eröffnen andere Möglichkeiten als Handlungen. Goethe drückt das in Wilhelm Meisters Lehrjahre so aus: (Werke Band 7, S.550): Der Sinn erweitert aber lähmt, die Tat belebt, aber beschränkt. Offensichtlich kommt es auf den Wechsel an. Wer nur betrachtet, nachdenkt und zuhört ohne zu Handeln, verliert sich in der Weite der Welt. Wer aktionistisch von einer Tat zur anderen schreitet ohne Sinn und Verstand, läuft wie ein Pferd mit Scheuklappen, ständig in Bewegung ohne feststellen zu können wohin und woher. Wenn ein Blick einmal erwidert ist, gehört nicht mehr viel Mut dazu, es weiterhin mit Blicken zu versuchen. Wenn Sie einmal feststellen, daß Sie mit einem bestimmten Menschen gut tanzen können, gehört nicht viel Mut dazu, ihn zu einem weiteren Tanz aufzufordern. Schwieriger ist es, von einem zum anderen zu wechseln, also etwas Neues zu beginnen: Also seinen Tanzpartner einmal richtig anzusehen, oder seinen Augenflirt zum Tanzen aufzufordern. Noch schwieriger ist es für die meisten, vom Be- ziehungswunsch Nähe, Wertschätzung, Interesse, Gemeinsamkeit zum Wunsch nach erotischer Begegnung überzugehen. Goethe wird der drastische Spruch zugeschrieben:: Manchmal ist ein schneller Griff in die Bluse richtiger als ein langwieriges und mühsam gesetztes Sonett“. In den meisten Filmen wird der Übergang durch einen Kuß und/oder eine innige Umarmung hergestellt - und das Spannende ist immer: Wer macht den Anfang.

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Nachdem ein junger Mann seinem Flirt bereits einige Wochen den Hof machte, lud er sie zu einem gemeinsamen Essen zu sich nach Hause ein. Zärtlich umarmt hörten sie der Musik zu, die sie beide schätzten. Irgendwann sagte sie zu ihm: Meinst Du, das ist alles, was eine Frau von einem Mann erwartet? Das senkte das Risiko, einen Schritt weiterzugehen für ihn erheblich - einen Teil hat sie übernommen. Nirgendwo ist die Ver- letzlichkeit so groß wie in dem Moment, wo jemand seine erotischen Interessen verrät. (Siehe auch weiter unten: Erotische Flirts).

Beim Flirt bewährt hat sie die minimale Handlung oder Berührung: Es geht darum Kontaktmöglichkeiten bei sich und beim anderen aus- probieren. Das ist natürlich beim Tanzen und gemeinsamen Sport, beim Spiel und Raufen relativ einfach. Es gibt aber Möglichkeiten, wenn man sich gegenüber sitzt oder zusammensteht. Sie verwenden irgend etwas aus ihrer Sphäre, und nähern es der des anderen an, so minimal, daß der andere erraten muß, ob es eine Annäherung ist oder nicht. Nähern Sie im Gespräch oder auch ohne, irgend etwas aus ihrer Sphäre der des anderen an, achten Sie auf die Reaktionen des anderen. : - Rücken Sie Ihr Glas oder Ihre Tasse in seine Nähe (wird es geduldet, ist es schon zu nah, ist es willkommen?) - Schieben Sie ein Buch, Bleistift, Bierdeckel an den ihres Gegen- übers(spielt der andere mit?) -Zupfen Sie ihr Gegenüber minimal am Ärmel oder berühren ihn minimal mit dem Finger und: (bleibt die Haltung des anderen freundlich, kommt er näher, oder geht er auf Abstand?) -Rücken Sie die Gegenstände wieder weg, wiederholen Sie es auf unter- schiedliche Art.(Verändert das etwas, bleibt es wie es ist oder wird frostiger). -Stellen Sie Ihr Glas auf vier Bierdeckel und stellen es neben das des anderen, dann gehen Sie mit dem Glas zurück und lassen eine Bierdeckel- straße liegen, die sie sogleich wieder einsammeln. - Malen Sie auf den Bierdeckel oder ein Blatt Symbole, die etwas mit dem Flirt zu tun haben: zwei Kreise, die sich begegnen oder zwei Pfeile, Wellen mit zwei Fischen darin, zwei Vögel, vielleicht auch drei oder vier, aber zwei heben sich heraus.. Schreiben Sie: "Ich liebe Dich" auf chinesisch und sagen, es sei irgend etwas Romantisches...).(geht jemand drauf ein, macht einen Kommentar? -Gehen Sie minimal auf jemanden zu, wenn Sie Kontakt aufnehmen im Gespräch. Beugen Sie sich gelegentlich vor (und wieder zurück), gehen Sie einen kleinen Schritt vor - und wieder zurück. -Berühren Sie einen Gegenstand zärtlich - aber nicht plump

Es geht nicht um Anschleichen und Anbaggern, sondern um minimale Hinweise, die Ihnen selber Ihr Interesse verdeutlichen und dem anderen eine Möglichkeit geben, darauf einzugehen - oder nicht.

93 Ausgezeichnet läßt sich ein Flirt durch Geschenke verwirklichen. Kleine Geschenke erhalten die Freundschaft! Warum? Wenn sie gut ausgesucht sind, beweisen sie dem Beschenkten, daß er wahrgenommen, beachtet, wertgeschätzt und verstanden wurde. Daher ist es sinnvoll, bei Treffen eine Art "Aufmerksamkeitskultur" zu pflegen. Dies gelingt um so besser, je mehr ich mich in die Lage meines Gastgebers hineinversetzen kann. Ich versuche mir vorzustellen, worüber er überrascht oder erfreut sein könnte. Dazu muß ich mir allerdings vor- stellen können, was der andere macht, denkt, fühlt, anstrebt, fürchtet usw. Geschenke oder Aufmerksamkeiten dieser Art wirken nicht durch ihren materiellen Wert, sondern durch Treffsicherheit. Eine andere Möglichkeit besteht darin, Geschenke (Aufmerksamkeiten) zu machen, die ausschließlich mit Ihnen selber zu tun haben. Sie bringen etwas von sich. Das kann ein Wein sein, den Sie besonders lieben oder eine Teesorte, eine spezielle Blume, ein Mineral, ein Buch oder ihre Lieblingspralinen.

Aufmerksamkeiten wirken um so flirtiger, je unerwarteter sie sind. Üblicherweise bringt man Geschenke zum Geburtstag oder bei einer Ein- ladung zu einem Fest. . Das mit einem Flirt zu verbinden ist nicht immer einfach, aber natürlich möglich. Besser sind völlig unerwartete Aufmerk- samkeiten.

Jemand hängt dem Mädchen, um das er sich bemüht, einen schönen Blumenstrauß an die Türklinke ohne Absender. Als sie ihn fragt, ob er der Absender war, streitet er es so ab, daß sie ihm nicht glaubt, aber auch nicht sicher ist. Er hat dieses Ereignis nie aufgeklärt - sondern stets in der Schwebe gelassen, obwohl immer mal wieder die Rede davon war. Eine Aufklärung hätte diesen wunderschönen Dauerflirt auch be- endet.

Eine Frau erwähnte einem Freund gegenüber kurz vor ihrem Verlobungsfest, Ver- lobung heiße "Festnageln und Weitersuchen". Er brachte auf das Fest einen Streusel- kuchen, auf dem ein 30cm langer geschmiedeter alter Nagel von einem Abrißhaus und ein drei Kilo Hammer lag. Ihr Weitersuchen war erfolgreich: Sie hat wirklich einen anderen geheiratet!

Ein Student läuft stets schwarz gekleidet mit weißen Hemden herum. Die Kommilitonin, die sich für ihn interessiert, schenkt ihm gelegentlich einen Bleistift, der in Längsrichtung schwarz-weiß gefärbt ist. (Andere ihrer Ideen: Eine Reklame von Black and White, eine Flasche davon, ein Yin- und Yang Symbol, )

Ein junger Mann lädt einige Leute - unter anderem das Mädchen, für das er sich interessiert, zu einem Kohlrolladenessen, das er sehr gut herrichten kann, ein. Von ihrer Skepsis läßt er sich nicht beunruhigen. Sie war die einzige, der die Rolladen nicht gemundet haben. Das war ein guter Anlaß, sie aufzufordern, ihrerseits ihr Lieblingsessen anzubieten!.

Ein Kommilitone (Hobbyschreiner) schiebt einem Mädchen, deren Parfüms ihm auf- fielen, während der Vorlesung einen Würfel, den er aus Wacholder, Eiche, Sandelholz und Kiefer, Duftzeder und Walnuß zusammengeleimt hatte. Diese Aufmerksamkeit trifft einerseits ihre Interessen, drückt aber auch die Interessen des Gebers aus.

94 Ein junger Mann verliebt sich in ein Mädchen, wagt aber nicht etwas zu sagen oder zu fragen. Er bringt ihr gelbe, rote und weiße Rosen und bittet sie, sich eine auszu- suchen. (Sie nahm gelbe).

Zum Flirten durch Tun gehört auch das Flirten mit seinem Äußeren. Das heißt, ich kann mich selber so herrichten, daß andere Menschen die Möglichkeit haben, Phantasien zu entwickeln. Zahlreiche Frauenmoden eignen sich hervorragend, um erotische Phantasien bei Männern auszulösen. Die Männer fallen da ziemlich ab, wenn man von homosexuellen Männern einmal absieht. Es lohnt sich, sich Helfer zu holen. Besonders für Männer ist es außerordentlich schwer, ein ansprechendes und ihre eigene Person hervorhebendes Äußeres zu ent- wickeln. Das Äußere wird überschätzt und unterschätzt.. Es wird überschätzt: Tatsächlich lebt der Inhalt nicht von der Verpackung. Spätestens wenn ein Geschenk ausgepackt wird, ist die Verpackung hin und überflüssig. Es wird unterschätzt: Das Auge ißt immer mit. Die Verpackung oder das Äußere ist ein Entgegenkommen an die Sinne und die Sinnlich- keit. Ein Mensch, der sich zwar zum Heiraten eignet, aber nicht zum Ver- lieben, hat es immer schwer. Der umgekehrte Fall ist allerdings auch nicht toll: Jemand eignet sich nur zum Verlieben, aber zu mehr nicht. Last not least der häufigste "Tu-Flirt zwischen Männern und Frauen: Der Mann demonstriert seine tatsächliche Macht auf eine überzeugende und gute Weise - er zeigt, was er kann und was er hat. Also nicht: angeben, aufschneiden, bluffen, sich aufspielen, Jemanden beeindrucken wollen. Sondern: Sein Licht nicht unter den Scheffel stellen. Wenn das noch mit Risiko (ohne Leichtsinn und Tollkühnheit) verbunden ist, um so besser.

Aus einer Gruppe von ungefähr 2O Studenten machen sich einige Jungs daran, sich an einem über drei Meter tiefen und acht Meter breiten Graben hängenden Seil über den Graben zu schwingen. Die Mädchen schauen zu, beteiligen sich aber nicht daran, es ist in diesem Moment ein Spiel der Jungs Irgendwann wird das Spiel reizlos, bis es zwei gleichzeitig versuchen. Dann geht es darum, das herübergeworfene Seil im Flug zu fangen. Der Geschickteste von allen versucht dann, mit einem Anlauf, tarzanmäßig, das still hängende Seil im Sprung zu fassen und herüberzuschwingen. Gespannte Stille und Sorge entsteht, denn der Bach ist flach und voller Steine, ein Sturz da hinein ist keineswegs ungefährlich. Der Sprung gelang, das Seil wurde ge- packt, aber die Kraft reichte nicht es festzuhalten. und er stürzte ins Bachbett. Schreck, betretenes Schweigen und Erleichterung, als er mit eigener Kraft wieder herauskam, ersichtlich seinen Schmerz herunterschluckte. Er war nun erst recht der Held.

Jerim ist erst 12, aber, wie die Mütter auf der Freizeit sagen, "schon ein richtiger Mann". Er hat selber beim Jugendamt durchgesetzt, daß er von zu Hause weg in ein Heim kommt. Er ist Mittelstürmer beim Fußball und gefürchtet, da er sich im Kampf selber völlig vergißt. Zu den Mädchen ist er freundlich, aber kümmert sich nicht die Bohne. Das Merkwürdige ist: Wenn er irgendwo sitzt, sitzt über kurz oder lang ein Mädchen neben ihm und flirtet ihn offensichtlich an. Er reagiert immer charmant und freundlich - aber nicht mehr und kann sich auch aus dem Stand heraus wegdrehen und gehen.

An diese Stelle den Bericht aus der Zeit.

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6.6.4Träumen, Entwickeln von Flirtphantasien. Der Traum-Flirt: Insofern Flirten ein Spiel mit Eventualitäten ist, ist jeder Flirt ein Traumflirt, d.h. wird immer irgend etwas gedacht und phantasiert, während man miteinander umgeht. Man kann das aber kultivieren. Sie können mit Jemanden zusammensitzen, sich gegenseitig zur Kenntnis nehmen und Träumen voneinander. Optimal ist, wenn jeder das vom anderen merkt, z.B. an unmerklichem Lächeln, gelegentlichem Hinsehen und Wegsehen. Das Träumen unterscheidet sich vom Ausbilden von Erwartungen erheb- lich. So, wie Sie Ihre Gefühle zulassen können, können Sie auch Ihre inneren Bilder zulassen und genießen, solange Ihnen klar bleibt - daß sie von Ihnen geschaffene Bilder sind. Sie können dann jederzeit wieder in die äußere Wirklichkeit zurückkehren und auf diese eingehen. Der Traumflirt entlastet vom sofortigen Reagieren-müssen, erlaubt emotionale Re- aktionen, gibt dem anderen Zeit, die Wirkung auf sich wahrzunehmen und mit den eigenen anderen Gefühlen zu integrieren usw. Er wird jedoch zum Flirtkiller, wenn Sie konsequent abdriften, und statt in Kontakt zu treten im Traum bleiben, ständig darauf wartend, daß er end- lich Wirklichkeit werden möge. Dann entsteht wieder der Erwartungsdruck auf alle Beteiligten als wirksamer Flirtkiller.

6.6.5Der Emotionale Flirt Für diesen gilt das Gleiche wie für den Traum-Flirt. Sie überlassen sich Ihren Gefühlen und Empfindungen, spüren Ihnen nach, während Sie einem anderen Menschen zugewandt sind. Auf irgendeine Weise spürt dieser, daß Sie berührt sind, und hat Zeit, es auf sich wirken zu lassen. Je länger es andauert, um so überzeugender ist es. Ein guter Flirt wird daher in der Regel viel stärker als durch Eloquenz durch die Intensität und Erkennbarkeit Ihrer Gefühle für einen anderen Menschen lebendig und schön. Daher können manche Menschen nicht mehr flirten, wenn Sie einen Liebhaber haben - ihre Gefühle sind dann so auf diesen zentriert, daß für Andere gar keine Wahrnehmung besteht. Der emotionale Flirt führt zu Frust und sich verzehren, wenn Sie es dabei beruhen lassen. Wenn Sie die Gefühle hingegen ignorieren, wegdrängen oder überspielen, haben Sie Musik ohne Klang. Männer neigen oft zu dieser Variante im Irr- glauben, dadurch mehr Kontrolle über die Situation zu haben. Das ist ein Irrtum. Kontrolle erfordert ja, daß Sie Ihre Gefühle spüren und kennen, nicht, daß Sie sie ignorieren.

Sprechflirts: "Le secret d'etre ennuyeux, c'est de tout dire" (Voltaire, nach Schopenhauer 1844 S. 984). In der Kunst und in der Liebe spielt die schöpferische Phantasie eine größere Rolle als die

96 nackte "Wahrheit. Daher ist eine perfekte Wachsfigur eigentüm- lich langweilig, denn sie regt nichts an. Zum Flirt werden die folgenden Optionen dann, wenn Sie nur einen Teil der Situation ansprechen - und den anderen Teil unausgesprochen lassen, so daß er Phantasien auslöst.

Man kann sich natürlich auf sein spontanes Sprechverhalten verlassen und reden, wie einem der Schnabel gewachsen ist. Wenn man jedoch seine Möglichkeiten verbreitern will, also lernen und üben will, ist es sinnvoll, sich die zahllosen Sprechsituationen ein wenig zu ordnen. So lassen sie sich bewußter und erfolgreicher üben. Sie werden feststellen, daß Sie sich dadurch klarer machen, selbstbewu8ßter, d.h., wissen, wer und wie Sie in dem Moment sind. Beim Flirt schätzt man den anderen nicht ein, sondern allenfalls sich selber - was traue ich mir zu, wer bin ich (wahrscheinlich)?. - Sie könnten Statements machen ("Schön heute"..), und dabei auf das Wetter verweisen, aber die Tatsache der Anwesenheit ihres Gegenübers genießen. Vielleicht kommt etwas von dieser Freude rüber und ist willkommen! Sie sollten jeweils für Sie zutreffend sein, d.h. Dinge und Umstände oder Gefühle betreffen, die Sie wirklich in dem Moment haben. - Sie können Interviewen: Was, wo, wie, wann, womit, warum, wozu, woher, wohin. Meiden Sie Ja-Nein Fragen, die Antworten fallen dann evtl. sehr kurz aus. Das Interview in diesem Sinne bezieht sich immer auf die Person, das Tun, Denken, Fühlen, Interesse, Planen usw. des Gegen- übers. Und während Sie fragen, können Sie zugeneigt und erfreut den anderen ansehen. Aber fragen Sie nur, wenn Sie wirklich an den Antworten interessiert sind. Nehmen Sie sich alle Zeit der Welt, zuzu- hören, die Antwort bei sich wirken zu lassen, mit ihr innerlich spielen und sich in die Lage des Gegenübers hineinzuversetzen. Das erlaubt ein harmonisches Weiterfragen. -Informations-Fragen: Sie wollen bestimmte Dinge wissen, zum Studium, zu Leuten, zu Themen, zur Situation. Vermeiden Sie blödsinnige Fragen wie „Ist hier noch frei?“ wenn der Tisch oder ein Abteil völlig frei sind. Fragen Sie, ob Sie sich dazusitzen dürfen. Sollte der Tisch reserviert sein, werden Sie es dann erfahren. Antwort: „Wie schade“, ein Lächeln und Sie gehen weiter.... Informationsfragen sind scheinbar sachlich und flirtfremd. Das macht sie aber besonders reizvoll. Wenn Sie jemanden mit einem interessanten Hund an der Leine nach der Rasse des Tieres fragen und dabei gleichzeitig interessiert denken - wer und wie ist der Besitzer, wird das auf eine unschuldige Weise ein Interesse mitteilen können. Manche Menschen können nur so Kontakt aufnehmen. Wenn er scheitert, kann man sich dann darauf zurückziehen, daß es ja nur um eine Sache ging.

- Erzählen: Vielleicht fällt Ihnen eine Geschichte, eine Assoziation, ein Er- lebnis ein, das Sie erzählen könnten? Beziehen Sie Gefühle immer mit ein, das färbt die Stimme und belebt das Ganze wesentlich. Erzählen Sie nur Dinge, an denen sie selber wirklich interessiert sind, und wählen Sie

97 solche aus, die in Beziehung zu Ihrem Flirtwunsch stehen, z.B. Geschichten in denen etwa in Film, Funk und Theater oder Literatur, etwas über die Liebe oder das Leben dargestellt wird. Sie können natürlich auch von sich sprechen, der indirekte Flirt ist jedoch in der Regel besser. Achten Sie auf die Reaktion Ihres Gegenübers! , Wenn das Interesse und die Aufmerksamkeit in höfliche Geduld oder Erschöpfung übergehen wird aus dem Flirt leicht eine verbale Materialschlacht mit einem Pyrrhussieg am Ende: Noch so einer und Sie sind verloren. Das kann vor allem passieren, , wenn Sie sachlich und neutral sprechen, Ihre Stimme wird dann ebenfalls farblos.

- Die Bitte: Oder Sie haben eine Bitte, die Sie an Ihr Gegenüber stellen (etwas zu tun, zu lassen, zu erzählen). Flirtkiller: Hätten Sie vielleicht, würden Sie vielleicht, könntest Du vielleicht." Besonders abturnend ist der Zusatz: "aber nur, wenn es Dir nichts ausmacht". Im Gegenteil! Eine ge- währte Bitte ist doch erst schön, wenn Sie gerne erfüllt wird - also wenn Sie dem anderen was ausmacht. “Sagen Sie, was Sie wünschen und suchen Sie nach der Formulierung, die dem Wunsch entspricht. Wenn Sie sich irgendwo zusetzen wollen , bitten Sie „Darf ich mich dazusitzen? Sie können um eine Hilfe, eine Aufmerksamkeit bitten. Die Bitte um Feuer ist durchaus symbolisch stellbar: Entflamme mich. - Diskussion: Oder Sie beginnen oder beteiligen sich an einer Diskussion über ein Thema, das Sie interessiert. Man lernt darüber Ansichten anderer Menschen kennen, stellt fest, inwieweit die eigenen kompatibel sind - und findet Ansätze, das Thema persönlicher werden zu lassen und "anzu- schärfen". - Mitteilung: Sie erzählen etwas von sich, das sie berührt, betrifft. Das eignet sich für einen Flirt vor allem dann, wenn es dem anderen erlaubt Sie interessant zu finden, nicht aber, wenn es den anderen zwingt, Sie zu bewundern oder zu bemitleiden. Mitteilungen können vor allem gut in- direkt gemacht werden, man spricht einen Menschen an, meint aber einen anderen. Es gibt zahlreiche Auskünfte und Mitteilungen, die sich zum Flirten wenig eignen. Man muß einfach die Frage beachten: Welche Phantasien löst es aus - sind es die, die Ihnen willkommen wären? Am besten eigenen sich Mitteilungen, die weder Sie noch andere auf- oder abwerten, sondern vielmehr sichtbar, verstehbar und nachvollziehbar machen. Dazu sind die emotionalen Aspekte und die ästhetischen besonders wichtig. "Ich war furchtbar deprimiert nach der Klausur" ist besser als "Die Klausur war total Scheiße". - Problemgespräch: Sie stellen ein Problem in die Mitte oder helfen an der Lösung eines von anderen in den Raum gestellten Problems. Auch hier ist das Thema sachlich und kooperativ und eignet sich vorzüglich, parallel dazu sich an der Anwesenheit des anderen zu freuen, seinen Anblick zu genießen, seine Stimme zu hören. Falsch wäre es, sich wirklich sachlich zu machen. Oft ist gar nicht die inhaltliche Leistung, die einem anderen Menschen hilft, sondern die engagierte, freundschaftliche, wertschätzende und erfreute Haltung dabei.

98 - Der Ausdruck: Oder sie drücken einfach nur Ihre Stimmung aus (Lachen, Staunen, Verblüfft sein,, fluchen, Bewunderung und An- erkennung...). Das kann besonders wirksam sein, wenn Sie ansonsten durchaus eloquent sind. Ihr Gegenüber merkt, daß "da was ist", hat aber sehr wenig Hinweise und damit riesig viel Raum zum Nachdenken. Sie machen sich dann etwas geheimnisvoll - Die Aufforderung (zum Tanzen, zur Arbeit, zu einer Unternehmung). Anders als bei einer Bitte übernehmen Sie hier mehr Verantwortung, hängen sich sozusagen mehr aus dem Fenster und riskieren mehr. Der Vorteil ist, daß der andere nur mitzumachen braucht und Sie eine Chance haben, ihn mitzureißen. Also statt "Hättest Du Lust mit ins Kino zu kommen" - eine Frage zwischen Bitte und Interview, sage ich: "Komm mit ins Kino, ich würde mich sehr darüber freuen..." - Vielleicht singen Sie ein Lied? Vielleicht kennen Sie Gedichte oder gute Zitate und Sprüche? Jemand fordert Sie auf und Sie antworten "Halb zieht es mich, halb sink ich hin...". Kann außerordentlich wirksam sein, da kaum jemand Dichter an Sprachkompetenz in bestimmten Themen über- treffen kann. (Spricht die Seele, ach, so spricht schon die Seele nicht mehr). Sie zitieren damit auch jemanden und sagen nicht direkt, daß Sie das meinen. Fast alle Schlager drehen sich um die Liebe, und oft tauchen Situationen und Namen darin auf, die sich gut nutzen lassen. - Der Spott, Scherz, Witz. Die Situation kann dadurch aufgelockert werden, ein Lachen ist leichter möglich, Verspannung wird gelöst. Er wird meist überschätzt in seiner Wirkung. Grund: Er geht leicht auf Kosten anderer und verdeckt eher den Scherzenden, auf diese Weise wirkt vielleicht der Witz, nicht aber die witzereißende Person. Das Gleiche gilt für die schlagfertige Antwort. Der Witz wirkt am besten, wenn er auf einen selbst bezogen wird. Ein Mann bekommt als zweifelhaftes Kompliment, daß er ja immer sehr nett sei (im Gegensatz zu einigen Chauvis. Er antwortet, Das stimmt, ich bin ein Mann im Frauenpelz.. Der Witz kann ein Flirtkiller werden, wenn er in Ironie, Sarkasmus, Zynismus, übergeht und wenn damit Gefühle von Nähe, Sanftheit, Scham, Erregung bagatellisiert und verdeckt werden. Viele ärgern sich, daß sie immer zu spät die gute Idee haben nach der Methode: „zehn Minuten später war ich schlagfertig“. Humor und Witz will geübt sein wie ein Musikinstrument. Auch hier sind die Anfänger sehr langsam. Witz dient der Unterhaltung und Entlastung, und stellt noch selber keinen Flirt dar. Unfreiwillige Komik ist daher oft der beste Flirt: Zwei Jungs wollen sich zu zwei Frauen an den Tisch setzen und versprechen sich in der Aufregung "Dürfen wir Euch zu uns an den Tisch setzen"?. Das ist schon gut verwirrend, und lockert die Situation auf. Wenn ein 14 jähriger Schüler (blond) mit einem T-Shirt Aufdruck herumläuft "Reden Sie bitte langsam, ich bin blond", ist das ge- lungen. Wenn eine Frau sagt: "Alle Menschen sind gleich intelligent, die Ausnahmen haben die Regel" kann das gelingen, wenn ein Mann den gleichen Witz macht, voll daneben liegen und kränken. Wenn ein Mann fragt, was ein gelöstes Problem sei (ein Mann in Salzsäure). wirkt das anders, als wenn eine Frau es sagt. Daher generell wichtig, beim Witz darauf achten, daß sie gute Gefühle auslösen, Mut machen, entspannen,

99 Großzügigkeit auslösen. und im Falle einer Provokation den anderen nicht demütigen oder herabsetzen. Ein ziemlicher Flirtkiller ist burschikoses Reden, das witzig oder souverän sein soll. Es nervt enorm schnell, zumal es oft ein Gruppenstil ist. Es verhindert vor allem erotische und verliebte Gefühle eher, als daß sie dadurch entstünden.

Nur zu Erinnerung: Abwerten, Belehren, totschwätzen, nicht zu- hören, lügen, labern, sind eher Flirtkiller. Wenn Sie aus Gesprächen Ihre emotionale Beteiligung heraushatten, sich cool machen, werden Sie fade und langweilig.

Offenkundig wird keiner nur mit einer isolierten Fähigkeit flirten sondern alle irgendwie beteiligen. Gleichwohl sind Schwerpunkte möglich und können diese Schwerpunkte auch getrennt geübt werden.

7Flirtstile, Typen

Schließen Sie keinen persönlichen Stil aus, der Ihnen zugänglich ist, oder den sie ausprobieren könnten. Mit dem persönlichen Stil ist hier vor allem auch der emotionale Anteil einer Situation gemeint, die Stimmungen und Gefühle, die Sie mit hineinbringen. die gleiche äußere Flirtsituation kann völlig anders aussehen, wenn Sie erschöpft, traurig, fröhlich, aus- gelassen, wütend oder sachlich interessiert sind, erotisiert oder das nun gerade nicht.

7.1Der direkte und der indirekte Stil

Ein wesentlicher Unterschied zwischen Flirten und anderen Verhaltens- weisen besteht in der indirekten Kommunikation. Indirekt heißt in diesem Zusammenhang, daß der andere Hinweise bekommt, aber keine Beweise, für das, was ich ihm mitteile. Ich deute an, ich spiele an, ich signalisiere irgendwie, inszeniere oder provoziere ihn. Das „Reizen“ beim Skatspielen, das Mitgehen beim Pokern, das berühmte Doppelpaßspiel beim Fußball oder das Spiel über Bande beim Billard sind im Spiel ritualisierte Formen dieser indirekten Kommunikation. Indirekt bezieht sich somit auf eine Absicht. Man teilt direkt eine Absicht mit „Darf ich mich dazu setzen?“ und indirekt „ich wünsche mir eine gute Begegnung“. Direkt teilt man mit „Haben Sie Feuer“ und indirekt, z.B. durch den Blick „Du interessierst mich“. Zu erinnern ist: Die indirekt mitgeteilten Gefühle, Eindrücke, und Phantasien werden erst dann akzeptabel, wenn Sie hinter den direkt geäußerten Absichten wirk- lich stehen und keinen Schmäh erzählen. Es wäre also dumm zu rauchen, um jemand um Feuer bitten zu können, um ihm zu signalisieren, daß man

100 an ihm interessiert ist. Das ist auch dann dumm, wenn es alltäglich so ge- handhabt wird. Der Machtflirter steht meist nicht hinter dem, was er tut und sagt. Es geht ihm um die mehr oder weniger verdeckten Absichten. „Gehen wir erst ins Kino oder gleich ins Bett“? So könnte er sich das Kino sparen. D.h., wenn sie indirekt etwas tun, versichern Sie sich, daß Sie dieses wirklich tun wollen. Abgewandelt trifft diese Maßgabe auch für den Fall zu, daß Sie Ihren Flirtpartner noch gar nicht kennen. In diesem Fall müßten Sie sich selber klar werden, was Sie ehrlich in der Situation in- direkt - für sich oder andere tun können. Das ist entlastend für den Menschen, den Sie anflirten wollen . Würden Sie allerdings nur be- wundernd und schmachtend dastehen und irgendwie auf die Gelegenheit warten, daß "es" zum Big Bang kommt, sind ihre Chancen gering. Indirekt heißt immer, etwas tun.

Für die indirekte Kommunikation ist der Ausdruck „Absicht“ insofern irre- führend, weil ich als guter Flirter meiner Absichten noch gar nicht gewiß sein kann und folglich auch nicht sein sollte. Dazu müßte ich jeweils erst die Reaktion meines Gegenübers erfahren haben. Ich käme ansonsten schnell in eine Erwartungshaltung hinein und wäre dann frustriert, wenn der andere meine Erwartungen nicht erfüllt. Die Absicht ist also noch sehr unbestimmt, offen, und flexibel. Es handelt sich mehr um ein Angebot, eine Chance geben, eine Idee aufleben lassen, etwas aus- probieren, sich in ein „wie wäre es wenn" versetzen.

Manchmal ist es besser direkt zu werden, manchmal besser indirekt. Es ist eine Sache der persönlichen Vorlieben, der sozialen Umgebung und der persönlichen Erfahrung oder auch momentanen Verfassung, sich für das eine oder andere zu entscheiden. Man kann das Wechselspiel zwischen direkter und indirekter Kommunikation richtig üben. Es reicht in der Regel aber schon, wenn man seine Aufmerksamkeit auf diesen Unterschied lenkt. Denn praktisch finden immer beide Formen statt. Wichtiger, als diese Formen nach Belieben einzusetzen ist es, sich bewußt zu werden, in welchem Ausmaße die Beteiligten sie in einem be- stimmten Moment realisieren. Versteift man sich zu sehr auf das Üben, kommt der Teil des Flirtens zu kurz, der absichtslos „entsteht“. Dann haben die Flirtpartner einander etwas mitgeteilt, ohne daß sie sich dessen bewußt geworden sind.

1. Wünsche indirekt aussprechen Direkt: „Ich möchte Dich gerne wiedersehen, Ich möchte gerne mit Dir essen gehen, spazierengehen, ins Konzert gehen, Dich einladen Direkt - Indirekt „Wie sag ich Dir bloß, daß ich gerne mit Dir...Ich wage nicht Dir zu sagen, daß ...sag ichs Dir jetzt oder erst morgen, daß

101 ich Dich wiedersehen möchte? Wenn ich Dir jetzt sagen würde, daß ich Dich wiedersehen möchte, käme ich mir schon kühn vor.

Flirtkiller: Man sollte die larmoyante Form unterlassen: „Wenn ich es Dir jetzt nicht sage, werde ich mich später furchtbar ärgern, daher, gehst Du mit mir ins Kino?“ Generell sind alle Begründungen schlecht, auch wenn sie ohne Larmoyanz vorgetragen werden: „Es war schön mit Dir zu sprechen, daher möchte ich Dich gerne wiedersehen!“ Die Begründung ist nicht zwingend und löst allenfalls Erwartungen aus. Besser: „Wann sehen wir uns wieder?(Lächeln). Oder: „Ich habe mich richtig wohl gefühlt“! Man läßt dann in „der Luft“, daß man sich wiedersieht.

Direkt „Ich möchte gerne mit Dir ins Kino gehen, ins Theater, Spazieren. Wie hältst Du es mit der Religion, bist Du links oder rechts, Findest Du WGS besser oder alleine Wohnen, Heiraten oder freie Liebe?

Direkt-Indirekt Erzählen Sie direkt von Dingen, die Sie gerne mit anderen tun wollen: „Ich gehe gerne mit anderen ins Theater, ins Kino, spazieren, in den Urlaub, in die Mensa, arbeite zusammen usw. Teilen Sie Ihre Ansichten über die Welt mit. Schauen Sie im Verlaufe solcher Statements Ihr Gegenüber an versuchen Sie, seine Reaktionen zu erkennen und zu ver- stehen. Wechseln Sie das Thema, wenn es kein Interesse auslöst. Indirekt ist hier Ihre Frage „Hast Du ähnliche Interessen, würdest Du mit mir etwas zusammen unternehmen wollen? Wenn Ihr Gegenüber ähnliche Interessen hat und Ideen entwickelt, ob er sie mit Ihnen zusammen realisieren könnte, werden Sie wahrscheinlich interessierte und freund- liche Anteilnahme wahrnehmen können. Sollten Sie noch mitteilen, daß Sie am 21.11. mit Sicherheit auf ein bestimmtes Fest gehen, erfahren Sie vielleicht, daß Ihr Gegenüber das auch tun will. Vielleicht treffen Sie ihn aber auch überraschend dort an und können jetzt rätseln, ob er Ihret- wegen gekommen ist, auch Ihretwegen, obwohl Sie da sind oder völlig unabhängig davon. Flirtkiller: Wenn Sie irgend etwas erzählen, ohne sich damit zu befassen, was Ihr Gegenüber interessieren könnte. Wenn Sie sich herumstreiten über irgend etwas und glauben, sich behaupten zu müssen. Wenn Sie dem anderen nach dem Munde reden. „Mitleidstour“ Sie erzählen von Ihren Problemen, um auf indirekte Weise den anderen für sich zu gewinnen „Ich würde gerne mit Leuten ins Kino gehen, aber ich wage es nicht, jemanden anzusprechen, ich denke, mich mag sowieso keiner, ich glaube ich bin total langweilig“ usw. Das zwingt den anderen unter Umständen eine therapeutische Haltung auf, die er nicht haben möchte. „Wieso, Du bist doch gar nicht so langweilig...“.Solche Themen gehören mit Freunden besprochen. Im Flirt müssen sie in konstruktive Wünsche umgeformt werden: KILLER: „Ich habe Angst, jemanden aufzufordern.“ KILLERKILLER: „Am liebsten ist mir, ich werde aufgefordert, ich freue mich, wenn mich jemand

102 auffordert, ich lasse mich gerne mitreißen, Ich finde es schön, mitzu- machen, wenn jemand Ideen hat.“. KILLER: Ich finde mich nicht attraktiv, ich weiß nie, was ich sagen soll: KILLERKILLER: „Ich bekomme gerne Komplimente, ich finde es schön, befragt zu werden, wenn sich jemand aktiv für mich interessiert.“ Flirtkiller: Genauso abwegig ist es, Ihre Selbstzweifel in Form von Kritik an anderen loswerden zu wollen. Wenn Sie Sorge haben, lang- weilig zu sein, sprechen Sie nicht herabsetzend über diese „Typen, die immer im Mittelpunkt stehen wollen“. Menschen neigen dazu, das an anderen bevorzugt abzulehnen, was Sie an sich selber ablehnen. Sie strahlen dann nur Ablehnung und Abwehr aus. KILLERKILLER: Richtiger ist es, diejenigen anerkennend hervorzuheben, die Ihrem Ideal entsprechen. „So würde ich mich auch gerne mal in den Mittelpunkt stellen können“.

Flirtkiller: Meiden Sie vor allem, Interesse und Zuneigung für Ihr Gegenüber durch Herabsetzen von Anderen auszudrücken. Lügen Sie nicht, um Ihrem Gesprächspartner indirekt zu schmeicheln. Also keine Sätze der Art: „Ich finde Frauen scheußlich, die sich so aufgedonnert an- ziehen (die so spießig herumlaufen. ) KILLERKILLER: Sie können allenfalls positiv über diejenigen sprechen, die Ihnen gefallen. Ihr Gegenüber wird schon merken, daß er dazugehört. Es ist auch manchmal besser, selber die Verantwortung für eine Abneigung zu übernehmen. Statt dann zu sagen „Ich mag so aufgedonnerte Leute nicht“, sagen Sie dann „Ich tue mich im Umgang mit diesen Menschen schwer.“

Direkt: Wünsche direkt zu äußern, tun Sie dies innerlich im Selbst- gespräch. Man schaut dabei dem anderen in die Augen und denkt sich „freundliche“ Gedanken." Grund: Freundliche wie unfreundliche Gedanken prägen unseren Aus- druck. Unser Gegenüber kann nicht unsere Gedanken und unsere Gefühle lesen, sondern nur unseren Ausdruck. Statt dann laut zu sagen „Erzähl mir bitte etwas von dir“ sagen wir das innerlich zum anderen und sehen ihn / sie dabei an. Unser Ausdruck ist dabei zwangsläufig offen und einladend.

„Ich sah sie an, und sie gab den Blick zurück: wir faßten uns mit den Augen bei den Händen.“ K. Tucholsky nach Elsner 1982, S.14

Was macht angstvolle Gedanken so abschreckend für den anderen? Sie signalisieren dem anderen: „Du bist gefährlich, Du tust mir was an, ich traue dir nicht“. Ihr Gesicht wird folglich eher Mißtrauen, Verschlossenheit, Rückzug, Abweisung ausstrahlen, obwohl ihr Wunsch eher in Richtung Nähe und Kontakt geht. Ihr Gegenüber kann das nicht wissen und wird folglich dazu tendieren, auf die wahrgenommene Abweisung mit Rückzug zu reagieren.

103 Tramitz weist darauf hin, daß schüchterner Rückzug von Männern von Frauen fälschlich als Abweisung gedeutet wird. Trickreiche Gedanken (wie krieg ich die rum, was sag ich bloß, damit sie sich für mich interessiert, hoffentlich sag ich nichts Falsches“ gehen in die gleiche Richtung. Sie lassen sich auch als „Ich will nicht, daß Du denkst und fühlst was du willst, sondern Du sollst so denken und fühlen wie ich das will“ verstehen. In Ihrem Gesicht wird dann genau diese Ver- schlagenheit und Selbstsucht zu erkennen sein und Ihr Gegenüber wenn schon nicht abschrecken, so doch auch nicht gerade für Sie erwärmen.

Schüchternheit ist jedoch dann auffordernd, wenn der Blickkontakt er- halten bleibt und der innere Monolog eher in Richtung „Ich bin offen, ich lasse Dir Raum, Du bist willkommen, ich brauche Deine Hilfe, ich brauche Deine Großzügigkeit und Freundlich- keit, ich werde mich über Entgegenkommen freuen“ geht. Hilflose Gedanken können in gleiche Richtung gehen: „Ich habe keine Ahnung, was ich für Dich tun kann, aber ich würde gerne etwas tun, sagen.

Larmoyante Gedanken wie „Ich krieg sicher wieder nichts raus, mir fällt nichts ein, ich bin zu dick, ich bin zu langweilig“ verschaffen ihnen ein jämmerliches Gesicht. Sie sehen dann wie ein getretener Hund aus und könnten dann einen engagierten Tierschützer animieren. (Fritz the cat, comic mit der Zangengeburt in total versaut). Diese Klagen sollten Sie für sich alleine oder unter guten Freunden ausleben. Auch wenn sie der Wahrheit entsprechen sollten, müssen Sie beim Flirten innerlich anders auftreten. Z.B. „So ist es nun mal, heute werde ich so sein wie ich bin, und ich freue mich über jeden, der sich meiner annimmt.“. Aus dem fordernd-anklagenden Gesicht wird dann recht schnell ein bescheiden freundliches, das eher Neugier auslöst. Vielleicht staunen Sie, daß manche Menschen sich immer noch für Sie interessieren? Vielleicht haben diese Menschen einen schlechten Geschmack oder sind blind? Dann gälte für Sie die Warnung, niemals einem Klub beizutreten, der bereit ist, Leute wie Sie aufzunehmen. Es gibt einige verdammt gute Gründe, sich auch für einen Langweiler zu interessieren, und es wäre erstaunlich, wenn Sie nicht selber schon Er- fahrungen mit diesen Gründen gemacht hätten: 1. Nicht jedem Acker sieht man an, daß Gold drin liegt. Und wenn dieses nicht, dann vielleicht etwas überraschend Anderes, vielleicht einfach, weil Sie präsent sind. Andere Menschen haben nicht den gleichen Geschmack und die gleichen Interessen wie Sie. Möglicherweise sind Sie als Lang- weiler sympathisch, weil Ihr Gegenüber sich von charismatischen Menschen zu schnell an die Wand gedrückt fühlt! 2. Begegnungen von Menschen sind immer kreativ. Das langweilige und unscheinbare Samenkorn kann sich in der richtigen Umgebung über- raschend entfalten. Das war dann der Fall, wenn Bekannte Ihnen sagen „So kenn’ ich Dich ja gar nicht“. Ihre „Langweiligkeit „ kann auch heißen,

104 daß Sie noch offen für alles Mögliche sind und auf diese Weise der Andere eine Chance hat, Sie mitzureißen. 3. Wenn jemand angefangen hat, sich zu interessieren, gibt er nicht immer gleich auf nach dem Motto: „Das kann doch nicht sein, daß ich mich so geirrt haben soll“ Diese Ausdauer kann lohnend sein. Sie sind dann vielleicht auch auf Dauer gar nicht „interessant“, aber auf attraktive Weise zuverlässig oder herzlich oder aufmerksam oder großzügig oder ge- duldig oder oder...

Direkt: Sie küssen Ihren Partner auf den Mund! Direkt - Indirekt: „Ich küsse Ihre Hand Madame, und denk es wär Ihr Mund“. Dieser alte deutsche Schlagertitel drückt das hier Gemeinte sehr gut aus. Direkt können

Direkt: „Ich würde gerne irgend etwas mit Dir zusammen machen“ Hier wird kein Zweifel offen gelassen, daß es auf die Nähe zueinander ankommt und alles andere nachgeordnet ist.

Direkt - Indirekt: Sie laden jemanden direkt zu einem Spaziergang an einem Ort ein, den Sie selber sehr lieben. Indirekt teilen Sie ihm über Ihre Freude an einer Zusage mit, daß die Nähe zu ihm eine besondere Bereicherung darstellt. Auch die umgekehrte Form ist natürlich möglich: Sie bitten um eine Ein- ladung: Ladet mich doch ein, wenn Ihr wieder ein Fest macht, ins Elsaß fahrt...“Für alle Beteiligten bleibt damit offen, ob es „nur“ um das Unter- nehmen geht, auch um die Beziehung, oder vorwiegend um die Be- ziehung. Wichtig in jedem Fall: An dem Unternehmen muß ein echtes Interesse be- stehen. Sollte Ihr Gegenüber mitkommen wollen, obwohl sein Interesse an dem Unternehmen eher sehr dünn ist, ist das schon ein ziemlich deut- licher Hinweis auf ein Interesse an Ihnen. Nicht wenige provozieren daher solche „Liebesbeweise“ und schlagen am liebsten Dinge vor, die mit Sicherheit dem andren gegen den Strich gehen, um ihn zu testen. Dann geht der Flirt schnell wieder in einen Machtflirt über.

Bei allen Begegnungen ist das Entscheidende:

Halten Sie alle Sinne für die Reaktionen Ihres Gegenübers wach, aber interpretieren Sie nicht zu viel hinein oder hinaus. Bleiben Sie dicht an der Wahrnehmung - die ist schon schwierig genug. Dazu ist nicht weniger wichtig, für die eigenen Reaktionen wach und aufmerksam zu sein. Dazu gehören nicht nur die Gedanken, sondern auch die Phantasien, Ideen, Assoziationen, und vor allem die Empfindungen und Ge- fühle.

105 Empfindungen sind z. B. Müdigkeit, Druck, Nervosität, Beklemmung. Gefühle sind Freude, Ärger, Gereiztheit, Ungeduld, Gerührtsein, traurig sein.

Es ist sehr schwer, die entsprechenden Gefühle eines Menschen wahrzu- nehmen, wenn man blind bei seinen eigenen ist. Um gekehrt ist es fast unmöglich, die Gefühle eines anderen Menschen zu übergehen, wenn man wach für seine eigenen ist.

Bereits in den Kama Sutra wurde der indirekt inszenierte Flirt als gute Begegungsform dargestellt. direkt: Sie berühren Ihr Gegenüber, machen ihm ein Kompliment, teilen ihm einen Eindruck mit. Um einen Flirt handelt es sich natürlich nur dann, wenn damit zugleich mehr und anderes signalisiert wird als man aus- drückt. indirekt: Sie berühren einen Gegenstand, sich selber, den Hund ihres Gegenübers oder einen anderen Menschen. In diesem Falle kann man direkt aussprechen, was man dem anderen direkt so schnell nicht sagen könnte oder wollte. "Ach Gott, ist das ein süßer Hund ( ein hübsches Kind)" und niemand weiß so genau, warum der Hund hingebungsvoll gekrault wird, wer noch alles damit gemeint sein könnte - möglicherweise nicht einmal man selber. Diese Art des Flirts wird vor allem im Rahmen des Machtflirtes gerne ver- wendet. Man sülzt den anderen mit allen möglichen Komplimenten über alles mögliche voll, meint aber in Wirklichkeit immer nur ein und dasselbe. Direkt und treffend wird dieses Verfahren auch Süßholzraspeln oder "Rumschleimen" genannt.

7.2Der Flirt mit der Schönheit.

Äußere Schönheit und Sex Appeal sind sehr geeignet, bei anderen Menschen Phantasien und Wünsche auszulösen. Über Mode, Body- shaping, im Fitness-Center, Kosmetik, Beleuchtung, Einüben von Gestik und Mimik sowie Schmuck versucht man, die Begehrlichkeit der anderen Menschen zu wecken. Sie brauchen unter Umständen gar nicht mehr zu- sätzlich zu flirten, das erledigt schon derjenige, der Ihrer Schönheit zum Opfer fällt. Flirten ohne jedes Risiko und dabei die Konkurrenz neidisch machen, das ist schon eine gute Chance für einen Machflirt: Die Tochter kommt heulend nach Hause: Die Männer sind eklig. Alle pfeifen mir nach, glotzen dumm rum und wollen was von mir. .Die andere Tochter kommt auch heulend nach Haus: Die Männer sind dumm und blöd. Niemand pfeift, keiner glotzt, keiner sagt was. Insbesondere Frauen, aber zunehmend auch Männer behaupten vor sich und anderen, daß sie ihr Aussehen nur „für sich selber“ pflegen, und daß es ihnen ganz egal ist, was die anderen dazu sagen. Dieser Unfug hat

106 einen wahren Kern: Sie wollen nicht unbedingt einen bestimmten Menschen anmachen. Sie würden mit großer Sicherheit ihr Äußeres aber verändern, wenn sie nirgendwo damit ankämen. Es ist nicht ganz verständlich, warum nicht selbstbewußter und ehrlicher mit der Schönheit geflirtet wird. Es ist doch offenkundig, daß ein schöner Anblick Freude macht und Menschen, denen wir eine Freude machen, eher zu uns in Kontakt treten. Grundsätzlich gibt es zwei verschiedene Möglichkeiten, wie Sie Ihre Flirtmacht hier fördern können: 1. Sie achten darauf, Ihr Äußeres so zu gestalten, daß Sie damit Wünsche und Sehnsüchte anderer Menschen anregen. Beobachten Sie, was Menschen mögen, an denen Ihnen liegt und genieren Sie sich nicht, sich entsprechend auszustaffieren. Daraus müssen Sie nicht einmal ein Geheimnis machen. Wenn Sie herausfinden wollen, welche Aspekte ein bestimmter Mensch schön findet, interviewen sie ihn. Zeigen Sie ihm ver- schiedene Leute, (deren Outfit oder Figur in dem Rahmen liegt, den Sie sich zutrauen) und fragen nach seinen / Ihren Meinungen. Experimentieren Sie dann mit den Ergebnissen. Das Äußere schafft natür- lich keine Beziehungen, aber es bietet einen angenehmen Blickfang und macht Freude. Was man für das Servieren eines Essen für selbstverständ- lich erachtet, sollte doch für den Umgang miteinander nicht weniger gültig sein. Im Machtflirt tun Sie diese Dinge aus Berechnung, und Ihre persönliche Meinung dazu kann völlig verschieden von Ihren Taten sein. Im Flirtlust- falle verkleiden Sie sich aus Lust an der Freude und am Ergebnis und stimmen damit überein. 2. Achten Sie darauf, daß Sie Ihr Äußeres so gestalten, daß Sie damit selber unabhängig von den Meinungen der anderen Menschen überein- stimmen, und Ihre Freude daran haben. Das bewirkt, daß Sie Maßstäbe setzen (mehr oder weniger breitenwirksam) und damit wiederum Interesse an sich auslösen, das vielleicht nicht entstanden wäre, wenn sie sich nur an den bereits bekannten Wünschen orientiert hätten. Hier ist be- sonders sinnvoll, etwas zu wählen, das mit Ihrer Person und Ihren Über- zeugungen eng zusammenhängt und für Sie typisch ist.: Es ist Ihr persön- liches Logo. Da Sie eine unverwechselbare Person in zahllosen Aspekten sind, ist es auch sinnvoll, dafür einen persönlichen Ausdruck zu finden. Das kann ein Aspekt Ihrer Frisur sein, Ihrer Kleidung, Ihres Schmuckes oder die Hervorhebung eines bestimmten Teiles. Es ist dafür keineswegs erforderlich, daß Sie dabei einem Schönheitsideal entsprechen - das ist nur ein Weg von vielen und nicht einmal immer der Beste. Vermeiden Sie es, aus einem Schweineohr ein Seidenkleid machen zu wollen. D.h., arbeiten Sie nicht gegen Ihr Äußeres an, sondern unter- stützen Sie es. Wenn Sie versuchen, als etwas zu erscheinen, das Sie nicht sind, beginnt die Angst vor Entlarvung. Eine kraftvolle Wildsau ist immer noch attraktiver als ein mißlungener Beau.

Eine Studentin litt lange darunter, daß sie mit ihren 1.8O Meter Mühe hatte, Partner zu finden, die größer waren als sie. Da sie in diesem Punkt (Größe) nicht mehr viel verderben konnte, begann sie sie überzubetonen

107 und trug zudem hohe Absätze. Die Zunahme an guten Kontakten kam nun nicht darüber, daß sie größer war, sondern daß sie selbstbewußter mit ihrer Größe auftat, sich sozusagen hinter sich stellte. Früher trug sie mög- lichst flache Schuhe und versuchte, durch Hängenlassen der Schultern kleiner zu wirken.

Ein ziemlich mittelloser Schüler in einem Internat, angefüllt mit Kindern wohlhabender Eltern, trug konsequent seine Gegenstände in einer Ein- kaufsplastiktüte durch die Gegend. Kein Spott konnte ihn davon ab- bringen. Das beeindruckte die anderen Schüler und gab Ihnen zu denken. Es dauerte kein halbes Jahr, und es begann die Mode, mit einer Plastiktüte herumzurennen. Er änderte seinen Stil jedoch auch dann nicht, als diese Mode wieder abebbte Der Vorteil: Wer sich Ihnen dann zuwendet, meint Sie auch. Der Nachteil: Mancher dreht sich gleich weg. Auf einer Faschingsfete bekam ein mit nichts als einem Smoking mit ab- geschnittenen Beinen gekleideter Mann, die dicken, weißen und haarigen Waden mit einem Tauchermesser geschmückt und Schwimmflossen an den Füßen, das Gesicht mit Zahnpaste zugeschmiert und die Lider mit Kohle geschwärzt, den ersten Preis. Verwundert meinte er zu seinem Kumpel: „Komisch, sonst habe ich kein Glück bei den Frauen. Aber heute, wo ich nur eklig aussehe (die Zahnpasta und Kohle war derweil übel ver- laufen), fallen sie mir um den Hals und liebäugeln. Was soll ich davon halten?“ Mir ging es ähnlich auf dem gleichen Fest, auf dem ich als griesgrämige böse Oma auftrat - genauso fühlte ich mich an diesem Tage nämlich. Das Flirten fiel ihm wie mir leicht und stieß auf Resonanz- weil wir nichts zu verlieren hatten - wir waren so, wie wir uns fühlten und hatten das durch die Kleidung zum Ausdruck gebracht.

Diese Quelle der Flirtmacht wird immer erst dann eine Sackgasse, wenn ich sie als Machtmittel einsetze, mich schön mache und jetzt erwarte, daß mir alles zufliegt.

7.3Der humorvolle Flirt: Es wird geneckt, gescherzt, Witze gemacht, ironisiert, provoziert, para- doxe Geschichten erzählt, „offen gelogen“, übertrieben oder untertrieben, mit Wortspielen gearbeitet usw. Regeln: Sich nicht selber schonen, wenn Sie andere auf den Arm nehmen, den Anderen nicht verletzen, nicht ins nervtötende Witzeln verfallen (Merken, wann Schluß ist). Das muß man alles nicht können, kann man alles lernen. Schlagfertigkeit ist Ergebnis langer und vieler Übungen und keineswegs angeboren, wie die auf den Mund gefallenen immer gerne glauben, um nicht selber aktiv werden zu müssen. Und das heißt auch wieder: Mißerfolge riskieren, verpatzte Pointen, unangemessene Witze, solche die nicht zünden usw.

108 Es ist Flirtkiller, wenn Sie den Clown machen oder umgekehrt, moralisierend den Tiefsinn vertreten, um als besonders ernsthaft zu gelten. Der Clown schützt sich vor dem Ernst und der Tragöde vor dem Lächerlichen , beide sich vor der offenen Situation des Flirts. Ein typischer Flirt im amerikanischen Film fängt mit einer kalten oder frechen Zurückweisung eines Flirts an:

„Darf ich mich hierher setzen?“ „Weiß Ihre Mama denn, was Sie hier machen? Oh, der Sozialdienst be- findet sich beim Bahnhof! Selbstverständlich! (und die Betreffende geht) Ich kann Sie nicht daran hindern... Der Mann muß dann möglichst witzig und schlagfertig antworten, und seinen Flirt entwaffnen oder zugänglich „machen.“ Dabei kann er der frechen Antwort die Spitze nehmen (Ja, ich habe heute frei) oder die Spitze erwidern (So nett wie Sie können die gar nicht sein, da bleibe ich lieber gleich hier). In Flirtbüchern werden zahlreiche one-shot designs für solche Situationen angeboten. Die befreiende Bemerkung soll mir die Schmach ersparen, wie ein Trottel dazustehen und mich zu einem unwiderstehlichen Witzbold machen, der irgendwann dann doch siegt und die Angeflirtete zum Dahin- schmelzen bringt. Selten werden die Rollen umgekehrt dargestellt, und wenn, dann siegt die Frau nicht.

Die meisten dieser Witze sind peinlich und dumm, wie die Reaktion auf ein heruntergefallenes 1O Pfennigstück: Das könnten wir doch jetzt ge- meinsam verprassen. Besonders peinlich ist es, wenn dieser Witz häufig verwendet oder willkürlich herbeigeführt wird. Die Schleimspur des An- machers ist dann nicht mehr zum übersehen, möge er darauf ausrutschen und sich eines Besseren besinnen. Ein guter Flirt ist wesentlich durch seine humorvollen überraschenden Wendungen charakterisiert. Und, da es ja nur um das Spiel mit Be- ziehungsoptionen geht, können Sie Ihrer Kreativität freien Lauf lassen. leichter gesagt als getan? Sowie Sie das Ziel aufgeben, eine sichere Kontrolle über die Situation haben zu wollen, haben ‘Sie wieder eine Chance. In einer Physik-Prüfung blockierte eine Studentin total. Der Prüfer, ein weißhaariger, den Studenten stets wohlgesonnener Professor der alten Schule, gab sich völlig vergebens alle Mühe, etwas aus der Studentin herauszubekommen. Auch auf die einfachsten Fragen starrte sie ihn nur hilflos an. Schließlich zog er in seiner Ratlosigkeit die an einer Kette befestigte Taschenuhr aus seiner Weste, ließ sie hin und baumeln und fragte, in der Erwartung etwas über Pendelgesetze und die Schwerkraft zu hören, „Was fällt Ihnen dazu ein?,“. Die gepeinigte Studentin platzte in ihrer nicht minder großen Ratlosigkeit heraus: „Es ist nicht alles Gold was glänzt“. Der Professor lachte schallend und sagte erleichtert: Also, ich weiß nicht, was Sie von Physik wissen. Aber ich weiß, daß viele Erkenntnisse in der Physik eher durch eine schlagfertige Antwort als durch akademische Kenntnisse ge-

109 wonnen wurden . Daher werde ich Ihnen jetzt eine drei geben. Aber es wäre schon gut, wenn Sie Ihr Verhalten in Prüfungen noch ein wenig weiterentwickeln würden.“.

7.4Der provokative Flirt: Es ist natürlich ein Merkmal des Flirtens überhaupt, zu provozieren. Hier ist aber mehr der herausfordernde Stil gemeint Er erfreut sich großer Be- liebtheit und steht dem humorvollen und dem aggressiven Flirt sehr nahe. Von englischen Flirtern wird behauptet, daß dies ihre normale Praxis sei: „Mein Gott, in dem Kleid siehst Du ja aus wie ausgespuckte Maus“ ist eine offene Liebeserklärung. (Es positiv zu sagen, wäre zu plump). Sehr ge- eignet ist ein Herumgerangel um einen Ball (besonders im Wasser). Scheinbar geht es um Kampf, und Sie können spüren, wieviel Nähe und Kontakt zugelassen wird. man provoziert, d.h. ruft etwas hervor, das an- sonsten nicht zustande gekommen wäre. Sie betonen, wie scheußlich Sie heute wieder aussehen, was für ein ab- gefeimter Langweiler Sie sind und wie Sie wieder herumgeloost haben. Das erlaubt einem anderen das Gegenteil zu behaupten, vor allem wenn es zutrifft - und schon haben Sie ein Kompliment provoziert. Man nennt das auch „Fishing for compliments.“ Ein Kommilitone berichtet: Um eine enorm attraktive Frau stand ein Haufen Verehrer herum und machten ihr den Hof. Ich wollte mich nicht einreihen und untergehen, stellte mich dazu und sagte, als sich unsere Blicke für einen Moment trafen anerkennend: „Du hast Deine Akne prima im Griff“. Die Provokation hob sich einfach erfrischend von dem unterwürfigen Verhalten der anderen ab, und so provozierte er die Aufmerksamkeit für sich. und war zugleich eine Herausforderung. Eine Frau ging auf einen von etlichen un- widerstehlichen Frauen umrahmten umschwärmten Studenten zu und teilte ihm kurz und trocken mit, sie sei „eine der Erikson Töchter“ - und ging. Das weckte die Neugier, und irgendwann erkundigte der Betreffende sich und nahm den provozierten Kontakt auf. Es wird von einer glücklichen Ehe berichtet, die sich da heraus ergab. Dieser Flirt arbeitet also mit Über- raschungen, Übertreibungen oder Untertreibungen,

7.5Der Erotische Flirt: Der erotische Flirt setzt immer voraus, daß Sie selber sexuell berührt sind. Er setzt weiter voraus, daß Sie bereit sind, sich diesem Gefühl zu über- lassen, es zuzulassen, wertzuschätzen und zu genießen. Das erotische Moment kann natürlich auf zahlreiche Weisen eingeführt werden.

Sie überlassen sich Ihrem erotisierten Gefühl und wenden es Ihrem Gegenüber zu. Das Thema kommt fast immer auf Beziehungen, auf die

110 Liebe (in Kunst, Literatur und Ereignissen der Nachbarschaft). Es gibt Komplimente, Berührungen. Sie erlauben sich, rot zu werden, weiche Knie zu haben oder eine Schwalbe im Bauch und erlauben Ihrem Gegenüber, diese Reaktionen wahrzunehmen. Sie hören es an der eigenen Stimme und der Stimme Ihres Partners, ob ein Resonanz besteht oder nicht. Der erotische Flirt ist nicht zu verwechseln mit jemanden um- oder an- schwärmen. Das ist eine einseitige Geschichte und eher ein Flirtkiller als Helfer, da die jeweilige Reaktion des Gegenüber nicht mit einbezogen wird. Von großer Bedeutung sind körperliche Nähe und Berührungen. Diese können auf vielfältige Weisen herbeigeführt und "ausprobiert werden. Der erotische Flirt ist vor allem dann schwierig, wenn man noch keine oder sehr wenig sexuelle Erfahrungen, aber ein heftiges Verlangen danach hat. Es kann einem dann wie dem Wanderer in der Wüste gehen, der nach Tagen des Durstes glaubt, die Oase austrinken zu wollen und zu können. Gedanken und Phantasien kreisen dann nur noch um Trinken und Wasser. Wer seine Sexualität dann ausschließlich im Umgang mit Filmen, Literatur, Magazinen, der eigenen Phantasie und der Selbstbefriedigung praktiziert, gerät in Gefahr „oversexed and underfucked“ tatsächlich in der zwischen- menschlichen Begegnung immer nur „das Eine“ im Kopf zu haben. Das Problem wird auch nicht dadurch gelöst, daß jemand sich dann versucht zu disziplinieren und diese unangemessenen Gedanken und Phantasien nicht zu haben. Er wirkt dann düster, verklemmt, unoffen und schillernd, so daß sein Gegenüber Mühe hat, einfach und klar auf ihn zu reagieren.

7.6Der aggressive Flirt. Er funktioniert oft besser als man denkt. Wenn Sie Interesse an einem Menschen haben und sich durchaus aggressiv mit ihm auseinandersetzen, wird der Betreffende zumindest keine Sorge haben müssen, daß Sie Kreide gefressen haben, als Mann im Frauenpelz auftreten oder Sie um den Finger wickeln und verführen will. Die im Streit, einer Auseinander- setzung entstehende Distanz erlaubt oft besser, sich und sein Gegenüber kennenzulernen Sie können sich Ihre positiven Gefühle eingestehen - und sind durch einen Streit z.B. davor geschützt, daß es zu schnell vorangeht. Unter Teenies ist dies die häufigste Form der Anbahnung. Ein verächt- liches Heruntermachen eines anderen kann genau so gemeint sein, aber auch das Gegenteil bedeuten. Wenn eine Liebe scheitert, erinnern sich die Partner oft an diese Möglich- keit und nutzen sie dann, um voneinander Distanz zu gewinnen.

7.7Der Ausdauerflirt In dieser Situation können Sie alles Mögliche miteinander tun, arbeiten, Reisen, diskutieren usw. Sie konzentrieren Ihre Aufmerksamkeit auf diese

111 Dinge, lassen Ihre Bereitschaft zu einem Flirt aber immer „wach“, und lassen sie auch immer durchscheinen, aber Sie tun relativ wenig. Das ist vor allem wichtig, wenn Sie mit jemanden flirten wollen, der 1. um- schwärmt wird und 2. zahlreich Körbe verteilt. Vielleicht wollen Sie auch nur zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht flirten , sich aber auch nicht künstlich kühl stellen. Hektik und Handlungszwang sind Flirtkiller. Um diesen Flirtstil durchzuführen benötigt man einen guten und be- friedigenden Alltag, so daß man wirklich auch gehen kann und nicht dem Angeschwärmten ständig auf der Fußmatte liegt. Das wäre kein Warte- sondern ein Belagerungsflirt und stellt eher einen Flirtkiller da. Wer will schon wie Odysseus Hund warten, bis er dann, nach dem letzten be- glückten Schwanzwedeln auf seine Wiederkehr, in Ruhe sterben kann?

7.8Der Rollenflirt. Er gehört mit zu den am häufigsten verwendeten Flirtformen. Sie begeben sich dem Angeflirteten gegenüber in eine bestimmte Rolle und füllen diese aus. Der Betreffende weiß dann mehr oder weniger, oder ahnt, worum es geht, ist sich aber nicht sicher. Diese Unsicherheit gehört wesentlich mit zum Flirt. Bei der Wahl der Rollen sollte man nur solche nehmen, die man auch wirklich gerne ausfüllt, also auch dann, wenn man nicht flirten will. Füllt man sie nur als Mittel zum Zweck aus, wird das eines Tages offenbar und deckt die Manipulation auf.

Die häufigsten Rollen sind:

Helferrolle: Im Studium, im Alltag, sind Sie jemand behilflich oder bitten jemanden um Hilfe. Es ist gleich, ob Sie jemanden die Tür aufhalten, etwas aufheben, eine Hilfe im Studium anbieten oder erkenntlich machen, daß Sie bereit sind.

Arbeitsrollen Nicht umsonst entstehen viele Beziehungen am Arbeits- platz oder über die Arbeit bzw. das Studium. Wenn Sie mit verschiedenen Leuten arbeiten können - was sollte sie abhalten diejenigen zu bevor- zugen, mit denen ein Flirt möglich ist?(für den Öffentlichen Dienst: bei gleicher Qualifikation natürlich). Gute Arbeitsbeziehungen regen viele Phantasien und Möglichkeiten an. Lassen Sie diese Phantasien und Wünsche zu. Sie fließen dann als Eventualitäten in den Kontakt mit ein und können sich mit den Reaktionen Ihres Gegenübers aufschaukeln.

Öffentliche Rollen. Beim Tanzen, als Nachbar, als Kunde, Fahrgast, Be- sucher Alle diese Rollen haben gemeinsam, daß der Kontakt etwas Ritualisiertes ist. Jeder weiß, woran er ist, es gibt keine Unklarheiten. Daher erlaubt dieser Rahmen, alle möglichen Formen von Nähe auszuprobieren. Solange Sie diese Rollen ausfüllen, statt mit jemand zu flirten, werden sie zu zähen Flirtkillern. Es wird dann immer schwieriger, die Wendung zu einer be-

112 gehrenden oder wünschenden Haltung zu bekommen, bzw. sich diesen Wünschen zu öffnen. „Ich kann doch nicht ein Jahr lang den Harmlosen spielen und dann plötzlich mit Wünschen kommen!“ Doch, kann man! Und wenn man sie dann nicht beginnt mitzuteilen, kommt der andere wo- möglich nicht drauf. Wenn Sie die Rolle überschreiten wollen, brauchen Sie lediglich das, was Sie sonst darin tun, nur um Weniges zu ändern: Gelegentlich eine kleine Aufmerksamkeit hinzufügen, ein ungewohntes Kompliment machen, sich ein Gefühl zugestehen und es durch den Blick mitteilen, eine Berührung wagen oder irgendeine andere der Anregungen aus diesem Skript auf- greifen.

7.9Der traurige Flirt: Kein Widerspruch in sich! Wenn Sie oder Ihr Gegenüber traurig sind , ist es ziemlich daneben, z.B. mit Witzen zu kommen oder einen erotischen Flirt beginnen zu wollen. Lassen Sie sich von der Traurigkeit (Angst, Un- sicherheit, Unruhe, Nervosität) Ihres Gegenüber berühren oder lassen Sie ihn/Sie diese Gefühle wahrnehmen, teilen Sie sie mit. Wo viel Leid ist, ist viel Hilfe, - wenn Sie dem anderen eine Chance geben. Wenn Sie sich diesen Gefühlen oder denen des Gegenübers überlassen, ist das schon deshalb eine gute Möglichkeit, in ein Spiel mit Möglichkeiten zu kommen, weil der Betroffene mit sich und seinem Problem befaßt ist und die Phantasien übereinander nebenher laufen lassen kann. Es findet hier oft eine ähnliche Situation wie beim Flirt anläßlich eines chaotischen Situation statt. Flirtkiller sind: Jemanden anjammern und sein Leid als Mittel zum Zweck nutzen oder umgekehrt: sich im Kittel von Pfarrer, Pfleger oder Kranken- schwester unentbehrlich machen zu wollen. In dem Comic und Film dazu „Fritz the cat“ von Crumbs führt Fritz vor, wie man Frauen „rumkriegt“, indem man einen großen Tragöden spielt, im Film „Sommergäste“ wird gezeigt, wie sehr diese Taktik sich ins Gegenteil verkehren kann - wenn sie als Taktik einmal erkannt wird.

7.10Der romantische Flirt. Er erfreut sich großer Beliebtheit, und das zu Recht. Es geht darum eine Szene anzurichten, die sinnlich, schön, ästhetisch, poetisch und gefühlvoll ist. Uhrzeit, Ort, beteiligte Personen, Handlungen werden geschickt „an- gerichtet“, Musik, Geruch, Dekoration stimmen rundum. Bei kleinen Auf- merksamkeiten kommt es dann auf die Treffsicherheit an, nicht auf den Wert derselben. Nichts kann Phantasien mehr anregen und Ihnen er- lauben, Gefühle miteinander auszuprobieren. Der romantische Flirt hat vielmehr mit Sinnlichkeit und Wahrnehmung zu tun als mit geistreichen Gedanken tiefsinnigen Auseinandersetzungen. Er ist dann besonders er-

113 freulich, wenn der Flirter eine echte Zuneigung zu dieser Lebensweise hat. Wird sie hingegen nur als Mittel zum Zweck eingesetzt, wird Ihnen die Lust dazu sofort vergehen, wenn Sie ihr Ziel erreicht haben - und Ihr Partner ist zu Recht enttäuscht und fühlt sich betrogen - oder blöd, daß er reingefallen ist. Also ist es besser, seine eigene Romantik erst einmal zu pflegen und zu entwickeln, bevor Sie sie einem anderen antragen.

Man kann das zunächst einmal mit sich alleine ausprobieren (sich den Tisch z.B. schön decken, Licht und Musik richten etc., dann mit Freunden - und dann mit dem Menschen, mit dem man flirten möchte. Ein romantischer Flirt kann auch darin bestehen: Eine ausgesprochen hübsche Studentin pflegt sich völlig unscheinbar zu kleiden und zu geben. Sie hat die romantische Vorstellung, jemand (der Richtige) würde ihre Schönheit, deren sie sich durchaus bewußt ist, plötzlich oder langsam ent- decken und daran seine Freude haben.

7.11Der konservative Flirt: Hüten und Bewahren: Beständigkeit, Zuverlässigkeit, Berechenbarkeit. Sie flirten mit den festen Bindungen an die Welt, mit Ihren Werten, den Menschen und Dingen, die Sie lieben. Sie setzen damit Maßstäbe für das, was liebenswert und bedauernswert ist. Auch wenn Ihre Anhängerschaft nur klein ist, macht das nichts. Manchmal braucht die Menschheit länger, um den Wert einer Sache zu erkennen. Lassen Sie also keineswegs ein rituelles Treffen mit Ihrer Familie aus oder trennen sich von Ihren 12 Jahre alten Wanderschuhen und erzählen Sie weiterhin die Familien- geschichten bis ins 15. Jahrhundert. Die Stärke dieses Flirts liegt darin, daß Sie sich auf das beziehen können, was Sie ganz unabhängig von einem anderen Menschen wertschätzen. Für den anderen umgekehrt ist es wohltuend, daß Sie für etwas die Verantwortung übernehmen und darin mitreißend sind. Ihr Gegenüber kann also ausprobieren, ob es ihm auch gefallen könnte. Es gibt dabei einige Gefahren: Sie müssen aufpassen, daß Sie nicht in einem Museum ersticken, indem alles unter Glasvitrinen liegt und keiner mehr etwas verändern kann. Es ist ein ziemlicher Flirtkiller zu verlangen, die neue Freundin müsse sich ähnlich anziehen wie die vorherige und Briefmarkensammlungen genauso toll finden wie Sie. Sie können zwar Ihren Leidenschaften und Spleens nachgehen, aber die Interessen und Gefühle Ihres Gegenübers nicht aus dem Auge verlieren. So können sie auch den anderen in seiner Welt be- suchen und bewundern lernen. Wer einen anderen Menschen nicht in dessen Welt bewundern kann, kann nicht mit ihm flirten.

114 7.12Der revolutionäre Flirt: Abreißen und Erneuern: Liebe selber ist immer revolutionär. Der Prinz heiratet die Magd und der Schweinehirt die Prinzessin. Bringen Sie in den Flirt etwas Neues hinein, ein Abenteuer, eine ungewöhnliche Idee. Sie müssen es ja nicht Ihr Leben lang machen, es reicht, wenn es zwischen- drin einmal passiert. Also werfen Sie sich ins Auto oder ökologischer, auf die Bahn, laden Ihren Flirt ein, in Bremerhafen die Windjammerparade an- zusehen oder in Paris Disneyland. Färben Sie die Haare grün oder schneiden Sie sie ab. Vertreten Sie gewagte Thesen oder veranlassen ihren Schwarm, auf einer leeren Tanzfläche mit Ihnen zu tanzen. Eine Kommilitonin erzählte, daß Sie abends beim Tanzen einen Mann wahr- nahm, mit ihm ins Gespräch und einen sofortigen Flirt kam. Für beide un- gewöhnlich teilten sie sich ihr erotisches Interesse aneinander mit. Der Mann lud sie ein, am kommenden Tag mit ihr für ein Jahr auf eine Reise nach Südamerika mit aufzubrechen, die er schon länger geplant hatte und folgenden Tage antreten wollte. Aus diesem Abenteuer wurde allerdings nichts - sie hatte gerade in eine Doktorarbeit eingewilligt. Die Grenze ist erreicht, wenn Sie ein destruktiver Chaot sind und mehr anstrengend als abenteuerlich.

7.13Der heimliche Flirt: Er verdient eine eigene Erwähnung, denn er ist, obwohl naturgemäß schwer zu erkennen, sehr häufig. Oft verbirgt der eine vor dem anderen oder zwei voreinander die Tatsache ihrer Flirtbereitschaft und Reaktionen. Das kann so perfekt sein, daß jemand im Brustton der Überzeugung ab- streitet, zu flirten, obwohl es für Umherstehenden nicht zu übersehen ist, der Flirt also sozusagen nur noch vor dem Flirter selber ein Geheimnis ist. Vor allem, wenn Menschen Angst vor ihren Gefühlen und denen des Gegenübers haben, zudem noch Angst vor der Öffentlichkeit, entwickelt sich diese Flirtart. Dieser Flirt ist, vor allem wenn er gegenseitig stattfindet,. mit einer der intensivsten und folgenreichsten. Er verlangt viel Wahrnehmen und Hin- sehen bei gleichzeitig glücklichen und sehnsüchtigen Gefühlen - eine gute Voraussetzung für eine liebevolle und oder leidenschaftliche Beziehung. Es gibt noch eine weitere Version des heimlichen Flirtes: Nicht selten sind sich zwei des Flirtens durchaus bewußt, verheimlichen dies aber vor anderen. Diese die anderen ausschließende Intimität kann den Flirt ver- stärken und zu einem lustvollen gut gehüteten Geheimnis machen. Für diese Art gibt es viele Gründe: Andere würden den Flirt ablehnen oder stören, es ist lustvoll, andere „auszuschließen“, eine Intrige wird ge- sponnen oder zwei wollen erstmal ohne Einflüsse durch andere etwas aus- probieren.

115 7.14. Der Gelegenheitsflirt. Er kann als Grundlage des Flirtens überhaupt gelten. Man nutzt einfach jede kleine Gelegenheit zu einem kleinen Flirt, ohne daß dem eine Absicht vorausgeht oder folgt. Ein Lächeln in einem Aufzug, ein kurzer Blick an der Ampel, ein Kompliment zwischen Tür und Angel. Der Gelegenheitsflirt hat eine beträchtliche Wirkung für alle beteiligten Teilnehmer. Er tut gut und unterhält eine liebevolle Haltung zum Leben. Wer sozusagen zehnmal hintereinander Flirts dieser Art verwirklicht, kommt so schnell in die Stimmung hinein, bedeutendere Gelegenheiten zu erkennen und zu ge- stalten.

7.15Der Machtflirt Er wurde schon erwähnt. Es geht dabei in erster Linie darum, irgendeine Art von Verfügung über einen anderen Menschen zu erlangen, um die eigenen Bedürfnisse nach Kontrolle, Nähe und Erotik befriedigen zu können. Auch wenn jeder dazu neigt, in diese Richtung zu flirten, haben wir hier diesem Flirt einen Korb gegeben. Man sollte ihn schnellstens in einen besseren Flirt überführen. Der Grund ist, um es zu wiederholen, nicht in erster Linie moralischer Art sonder praktischer: Wenn mein Gegenüber frei ist, wird das gemeinsame Erleben wesentlich lebendiger und aufregender. In der anthropologischen Forschung gibt es die These, daß die Liebe, Freundschaft und Solidarität keiner göttlichen Autorität und Verordnung bedürfen: Sie funktionieren im Großen und Ganzen und auf Dauer einfach besser als Desinteresse, Feindschaft, Egoismus und Dominanz.

7.16Der Flirt um eine Freundschaft. Dieser Flirtstil gehört hervorgehoben, da das Flirten in der Regel nur auf die Liebesbeziehungen im engen Sinne bezogen wird. Viele Mißverständnisse zwischen den Geschlechtern entstehen darüber, daß der eine mit dem Beziehungsziel Freundschaft, der andere mit dem Be- ziehungsziel Liebe flirtet. Diese Mißverständnisse entstehen besonders dann leicht, wenn der eine seine erotischen Interesse über Freundschafts- dienste und der andere seine Freundschaftsinteressen durch erotische Dienste realisiert. Nicht wenige Paare entstehen durch einen derartigen Deal. Um solchen Mißverständnissen aus dem Wege zu gehen, suchen etliche Menschen Freunde nur innerhalb des eigenes Geschlechtes, in der Gewißheit, daß ihre sexuellen Bedürfnisse dort nicht tangiert werden. Es dürfte richtig sein, daß es sehr viel schwieriger ist, gute Freundschaften zu gestalten, als sexuelle Abenteuer herbeizuführen. Entsprechend ist das Flirten um eine Freundschaft auch langwieriger und schwieriger und wird öfter auf eine Probe gestellt. Im Liebesbereich können die starken sexuellen Gefühle leichter andere Bedenken übertönen.

116

7.17 Der Demonstrative Flirt. ER ist nicht weit vom Balzen ent- fernt und wirklich prima. - Wenn Sie an einer Frau (einem Mann) bereits interessiert sind und ein Gegen Interesse wecken wollen, müssen Sie irgendwie Aufmerksamkeit erregen und dem anderen die Chance geben Sie zu sehen, zu hören, sich Phantasien zu machen, zu träumen... D.h., der andere braucht Abstand, Raum und Zeit. Also wenden Sie sich nicht direkt an ihn , sondern entweder an eine Person direkt daneben, und noch besser, an das jeweilige eigene Geschlecht. Es kann extrem provozierend sein, wenn ein Mensch scheinbar auf Sie zukommt, und sich dann hingebungsvoll mit einem anderen neben oder hinter ihnen be- schäftigt - und Sie stehen selber daneben, besonders wenn er sich Ihnen selber nur minimal zuwendet - um zugleich zum anderen zu gehen. Hier wie überall kann das Spiel gut oder blöde sein. Für Männer ist es immer herausfordernd, wenn zwei Frau in ihrer freund- lichen und fürsorglichen Art vergnügt miteinander tanzen, ohne auch nur im Geringsten lesbisch zu sein. So was! Sollten die uns gar nicht brauchen? Keine Sorge! Den Frauen geht es auch nicht anders, wenn wir das Gleiche tun. Wie stets tritt dieser Effekt nur ein, wenn das, was man miteinander macht, auch wirklich echt ist.

7.18 Der Standardflirt Last not least. Ich verstecke ihn hier. Die meisten haben diesen Flirt im Kopf, wenn sie an Flirt denken, und wirklich wird er viel praktiziert. Nicht wenige gehen davon aus, daß er quasi biologisch begründet ist, wofür es nicht viele Beweise gibt. 1. Schritt: Signalphase: Durch offenen oder demonstrativ heimlichen Blickkontakt signalisiert die Frau dem Mann, daß er für sie interessant ist und eine Annäherung riskieren kann. Sie kann das durch Haare zurück- werfen, sich selber berühren, erotische Aspekte ihres Körpers sichtbar werden lassen verstärken., 2. Schritt: Annäherungsphase. In der Regel muß der Mann eine An- näherung machen und herausfindet, ob er die Signale richtig gedeutet hat. Falls er nichts tut, kann die Frau versuchen, ihr einladendes Verhalten zu verstärken. Wenn er weiter nicht kommt - wird sie nichts unter- nehmen. 3. Schritt: Kennenlernen: Der Mann muß sich an die Frau wenden, sie an- sprechen, sie zum Tanzen auffordern, ihr behilflich sein. Beide stellen fest, ob sie den Flirt fortsetzen wollen und wenn in welche Richtung. 4. Schritt: Der Mann versucht körperliche Annäherung nach Maßgabe der weiblichen Erlaubnis. Natürlich bekommt er was auf die Finger, aber nur ein bißchen oder nicht auf Dauer. Dieses Spiel kann ziemlich lange gehen und bewirkt, daß gegenseitiges Begehren sich entwickeln kann (Knödel machen, statt den Teig gleich zu fressen). 5. Schritt: Beendigung des Flirtes: 1. Er wird beendet, weil er nicht weitergeht. 2. Er wird beendet, weil er in eine veritable Beziehung über-

117 geht: Die beiden küssen sich oder gehen miteinander ins Bett geben sich ein Paarversprechen - d.h. sie teilen einander ihre bereits vorhandenen Möglichkeiten mit und realisieren sie, sie verständigen sich über mögliche Optionen.

Grundsätzlich wäre die Mann-Frau Reihenfolge im Heteroflirt natürlich um- kehrbar. Die Regel beim Standardflirt ist aber eben so, daß die Frau ja/nein signalisiert und der Mann aktiv werden muß. Im gleichgeschlecht- lichen Flirt existiert da eine weniger feste Regel. Faktisch dürften sehr viele Flirts auf diese Weise verlaufen. Das Problem ist, daß zahlreiche Menschen zu schüchtern sind um einladend zu agieren , und andere sind zu schüchtern, um aktiv auf eine Einladung zu reagieren. Andere bemerken eine Einladung gar nicht oder laden nicht ein - da sie das für Igitt halten.

8Flirter in der Geschichte, Kunst und Literatur, Film und Theater

Nicht wenige suchen sich ihre Vorbilder oder abschreckenden Beispiele aus Film, Fernsehen, Kunst, Literatur und Geschichte. Teils sind dort all- tägliche Rollen prägnant dargestellt In der Regel beschränken sich die Helden aber auf ein bestimmtes Merkmal, mit dem sie Riesenerfolg haben - oder eben auch scheitern.

118 8.1Pharao - Nofretete

8.2Jesus - Magdalena

8.3Cäsar/Antonius - Kleopatra

8.4Machiavelli - Venus/Aphrodite

8.5Don Juan - Kirke

8.6Odysseus -Sirenen

8.7Casanova Kant

8.8Faust v- Gretchen, Hamlet - Ophelia

8.9Romeo - Julia

8.10Bond und Bardot

8.11Vater und Mutter

8.12Herr und Sklave

8.13Winner und Looser

8.14Eltern und Kind

8.15Vamp(Sünder) und Heilige

9Flirttypen auf „psychologisch“

Psychologen arbeiten oft mit „Typen“. Sie erleichtern, die Vielfalt von ver- schiedenen Persönlichkeiten, Erlebnis- oder Verhaltensweisen zu ordnen, auch wenn der „reine Typ“ eher selten auftritt. Für diese Typen trifft Dostojewskis plastischer Spruch zu: Psychologie ist ein Stock mit zwei Enden. D.h., ein Typ kann durchaus eine angenehme und positive Er- scheinung sein, das wird hier die Plusversion genannt. Er kann aber auch zu einer ausgemachten Nervensäge werden, dann wird er zu einer Minus- version des Typs. Man kann mit dem gleichen Hammer einen Nagel oder Schädel einschlagen, um das Gemeinte drastischer zu sagen.

119 9.1Typen nach Störungsbildern:

9.1.1Depressive Flirter: Minusversion: Sie sind weinerlich, masochistisch, zurückweichend Alle Fehler und Mißerfolge sind Ihnen klar und schmerzlich bewußt, Erfolge und Qualitäten sind unwichtig und nichtswürdig. Sie leiden still vor sich, schreiben Ihre Tagebücher voll und kauen ihren Freunden oder Eltern mit endlosen Klagen ein Ohr ab. Die wirklichen Ereignisse im Leben sind weniger wichtig, als Ihre trüben Gedanken und Phantasien darüber. Selbstmitleid und Weltschmerz füllen sie aus. Ihre größte Wonne: Sich für den oder die Liebste zu erschießen, wenn sie schon nicht erhört werden:( Werthers Leiden). Man weiß nie, wann man Ihnen wieder ein Messer ins Herz gestoßen hat. Sie sind ständig sauer auf die aufgeblasenen Angeber, auf die die Mädchen auch noch reinfallen. Sie regen sich auf, daß die dämlichen Männer„auf die aufgetakelten Schnepfen“ fliegen. Wenn Sie dazu gehören, lernen Sie, selbstironisch zu werden, und mit Ihrem Schwachsinn zu spielen, wenn Sie ihn schon nicht verändern können. Erkennen Sie an, daß andere Menschen andere Qualitäten haben und lernen, mit Ihrem Pfunde (oder Pfündchen) zu wuchern. Wenn sie mit so einem Menschen flirten, widersprechen Sie ihm nicht, geben Sie seinem Jammern etwas Raum, und tanzen lieber mit ihm, statt mit ihm zu sprechen. Bleibt er bei seinem Lamento furioso, setzen Sie noch eins drauf und zwar solange bis er sich wehrt - oder selber mal lachen muß. Ausdauer ist unter Umständen erforderlich Plusversion: intensive Gefühle, ernst nehmend, Rück- sicht. Sie machen sich nicht so fertig, sind jedoch sehr bescheiden und können ohne Probleme die Qualitäten ihrer Mitmenschen erkennen und bewundern. Die mögliche Tragik der Liebe ist diesen Menschen immer gegenwärtig, sie sind zartfühlend, stellen keine großen Ansprüche und sind mit wenig zufrieden: Kleine Dinge erfreuen sie. Sie kämpfen selten gegen oder um jemanden, sind jedoch sehr geduldig und tolerant und geben anderen Menschen viel Freiraum. Wenn Sie selber so jemand sind, denken Sie dran, daß das Leben auch verdammt komisch sein kann und Lachen und Humor nicht weniger tief sind. Wenn Sie auf solche Menschen treffen, können Sie mit Ihnen wundervolle Gespräche über das Leben, die Liebe und die Kunst führen, sogenannte „tiefe Gespräche.“ Es kann schwer sein, von einem freundschaftlichen Flirt in einen erotischen Flirt überzugehen. Meistens müssen Sie dann an- fangen.

9.1.2Phobische Flirter: Minusversion: angstvoll, schüchtern, verklemmt, zurückgezogen. Diese Menschen verwickeln Freunde in endlose Gespräche, was alles passieren müßte, damit sie sich trauen könnten, die Gefahren sind vielfältig und

120 wechselnd. Sie können sich in stundenlangen Spekulationen darüber er- gehen, was Ihr Gegenüber gemeint haben könnte und was nicht. Sie stellen den Anspruch, sich nur bei totaler Sicherheit auf einen Flirt einzu- lassen. Sie sind ständig am Leiden, daß wieder eine Chance vorbei ist, und voller Neid, daß ein anderer „einfach mutiger war, und es war ganz ein- fach“. Stets nehmen Sie sich vor, beim nächsten Mal ganz gewiß den Mund aufzumachen, um dann wieder wie gewohnt zurückzuweichen und sich über sich zu ärgern. Wenn Sie so ein Mensch sind, haben Sie es schwer. Ihre tatsächlich er- lebte Angst im Kontakt ist quälend und unangenehm und beschämt Sie. Aber sie haben durchaus eine Chance, mit dieser Angst auf jemanden zu- zugehen, meistens geht es irgendwie gut aus. Auf 1O Situationen werden Sie einen richtigen miesen Flop ziehen. Wenn Sie mit so einem Menschen flirten, müssen Sie ihn aus seiner Höhle zerren, freiwillig kommt er nicht. Ignorieren Sie seine Angst und geben ihm einen Kuß, oder zerren ihn auf die Tanzfläche. Wenn Sie das alleine nicht schaffen, nehmen Sie einen Zweiten oder Dritten als Helfer hinzu! Das führt seine Abwehren ad absurdum. Es könnte allerdings passieren, daß er sich sofort und heftig in Sie verliebt. Plusversion: Vorsichtig, sich schützend, langsam. Sie rennen keine Türen ein und treten in keine Fettnäpfchen, verlieren sich nicht und übernehmen sich nicht. Dadurch bleibt Raum und Zeit für die kleinen Schritte, die sie sehr genießen können. Wenn Sie dazugehören, müssen Sie dem Partner öfter mal einen deut- lichen Hinweis geben, - sonst glaubt er, Sie seien nicht interessiert. Wenn Sie einem solchen Menschen begegnen, haben Sie gute Chancen, besonders, wenn Sie gerne träumen, Zeit brauchen und nicht alles sofort passieren muß, können Sie hier einen guten Flirtpartner finden. Es kann auch die positive Spannung eines Flirts sehr erhöhen. Der ängstliche Flirter bleibt Ihnen erhalten,.. auch wenn Sie sich anderen zuwenden, Sie haben also mehr Freiraum. Er ist wenig nachtragend.

9.1.3Hysterische Flirt Minusversion: Durcheinander, unkritisch, unvorsichtig. Diese Menschen hängen sich ziemlich aus dem Fenster, verführen auf Teufel kommt raus, ohne sich klar zu machen, ob sie den Folgen gewachsen sind , sie sind dabei widersprüchlich und sprunghaft und halten in der Regel nicht was sie versprechen Wenn Sie sich darin erkennen, müßten Sie lernen, sich abzugrenzen und den Anderen zu informieren, wenn er sich verrennt. Nehmen Sie sich mehr Zeit, lassen Sie den anderen mehr Raum tätig zu werden. Wer sich auf einen hysterischen Flirter einläßt, muß starke Nerven und innere Unabhängigkeit haben und nichts für bare Münze nehmen, dann kann es lustig werden. Plusversion: lebendig, farbig, bunt, interessant. Sie sind großzügig, ohne Vorurteile, schnell und direkt. Auf Feten sind sie ge-

121 fürchtete und beliebte Teilnehmer, da sie immer irgendwo für Durch- einander sorgen und ständig interessanten Gesprächsstoff bieten. Wenn Sie dazu gehören, denken Sie daran,. daß Sie nicht den ganzen Laden unterhalten müssen., Nutzen Sie ihre Möglichkeiten, die Anderen anzutriggern und dann die Aktivitäten der Anderen zu genießen. Als unerfahrener Flirter und Langweiler haben Sie eine Chance, ins Leben geküßt zu werden. (vgl. Hesse, Steppenwolf), überlassen Sie sich also so einem Flirt.

9.1.4Zwanghafte Flirt Minusversion: Pedantisch, leblos, einengend, penetrant. Sie bringen es fertig, ihren Flirtpartnern nachzuweisen, daß Sie sie liebten, aber nicht mutig genug sind , das zuzugeben. Sie halten einen Vortrag über die korrekte Durchführung einer Tanzfigur für erotisch und die offenkundige Langeweile Ihrer Zuhörer für eine Aufforderung, Ihren Vortrag zu präzisieren. Als Eifersüchtige sind Sie eine Heimsuchung, da Sie stunden- lange Beweisführungen für die Vergehen ihrer Partner anstellen. Wenn Sie neidisch sind, werden Sie zur Plage: Sie beweisen ausdauernd und haar- klein, daß Ihr Gegenüber oder wer und was auch immer, eine Null ist. 1.Wenn Sie dazugehören, haben Sie es schwer beim Flirten. Es gibt nicht viele, die Sie leiden können. Verlegen Sie sich mehr aufs Zuhören, Zu- sehen, Mitmachen, lassen sich anregen 2.und verzichten drauf, die Dinge immer unter Kontrolle zu haben. Vielleicht entsteht dann eine gute Flirtchance. 3.Wenn Sie mit solch einem Menschen flirten wollen, versuchen Sie es mit humorvoller Provokation. Schwärmen Sie vom souveränen Pfuschen, outen Sie sich als ineffiziente Null. 4.Sein Spiel geht dann nicht auf, es läuft ins Leere, und es kann lustige Momente geben. 5.Plusversion: Langsam, zuverlässig, ruhig, sorgfältig, aufmerksam. 6.Wenn Sie dazu gehören, denken Sie dran, auch fünf gerade sein zu lassen, sonst sind sie zu perfekt - und langweilig. 7.Wenn Sie diesem Menschen begegnen, fahren Sie mit ihm Achterbahn, gehen ins Wellenbad, 8.bevorzugen schnelle Tänze und volle Lokale, fordern Sie sie heraus. Da sie sorgfältig sind, werden sie schon selber für eine Grenze sorgen.

9.1.5Manische Flirter: Minusversion: Überdreht, maßlos, unangemessen. Ihre Blumensträuße sind zu groß, ihre Komplimente überzogen, das Lokal zu teuer und das Gedicht zum Geburtstag zu lang. Ein Lächeln löst Liebesträume aus, die durch nichts mehr widerlegt werden können.

122 Wenn Sie dazugehören, müßten Sie lernen, von Ihren Ideen öfter nur ein viertel, ein fünftel oder ein zehntel zu nehmen und zu sehen, ob das nicht schon reicht. Wenn Sie mit so einem Menschen flirten, benötigen Sie ziemlich viel Toleranz für verrücktes Verhalten. Plusversion: Mutig, temperamentvoll, kreativ, immer für eine Überraschung gut und meist gut gelaunt. Wenn Sie dazu gehören haben Sie gute Karten, da Sie viele Gelegenheiten nutzen und folglich auch viele Chancen erhalten. Ein Problem kann werden, daß Sie sich nicht entscheiden können und mehr erhalten, als Sie brauchen. Haben Sie rechtzeitig ein Auge auf die kritischen Aspekte der Situation und beziehen Sie mit ein. Wenn Sie mit diesen Menschen flirten, machen Sie es Ihnen leicht. Aber es kann passieren, daß Sie dabei passiv werden und Ihre eigene Initiative verlieren. Sie müßten sich dann abgrenzen und nein sagen können. Ihr Partner ist im Übrigen keineswegs immer so lustig, wie er sich gibt („ich sehe kein Problem“). Manchmal muß man Ihnen einen dunklen Fleck nachhaltig unter die Nase reiben, damit sie ihn wahrnehmen.

Kombiniert man nun jeden dieser 8 Typen mit jedem anderen, gibt es 36 verschiedene typische Begegnungen. Ganz offensichtlich flirten zwei De- pressive miteinander anders als ein Depressiver mit einem Hysterischen.

Die meisten Menschen beschränken sich in ihrem Flirtverhalten auf wenige Typen, man sagt auch „Der ist nicht mein Typ“ oder „ich falle immer auf denselben Typ rein.“. Der Grund ist keineswegs, daß es für eine bestimmte Persönlichkeit nur bestimmte dazu passende Typen gibt, sondern daß man einfach nichts anderes gelernt hat. Da man aber auch Fremdsprachen lernen kann, kann man andere Menschentypen kennenlernen. Und wer weiß, vielleicht, ist der scheinbar fernliegende Flirt auf Dauer der bessere?. In der griechischen Sage preßte der Riese Prokrustes alle bei ihm ein- kehrenden Wanderer in ein winziges Bett, wenn sie groß waren, oder streckt sie mit Gewalt in ein größeres , wenn sie klein waren . So würde es Ihnen ergehen, wenn Sie diese oder andere Typologien auf sich an- wenden. Typen existieren nämlich mehr in unseren Gedanken und Vor- stellungen als in der Wirklichkeit. Je näher Sie einen Menschen kennenlernen, je mehr verliert er das "Typische". Sind Sie erstmals in Japan, werden Sie vor lauter "typisch Japaner" Mühe haben, die Leute zu unterscheiden. Mit Deutschen hätten Sie da kein Problem. D.h. nicht, daß es keine typischen Merkmale gibt, sondern daß sie nur ein Merkmal eines Menschen sind, nicht einmal immer das wichtigste. Ein Flirt beginnt - oder scheitert allerdings oft an diesem "herausragenden" Merkmal. Daher ist es nützlich, für diese Merkmale offen zu sein.

Eine junge Frau erklärte ihrem Freund einige Jahre später, warum sie ihn plötzlich an- gesprochen hatte, obwohl sie ihn das ganze Jahr davor völlig ignoriert hatte: "Irgendwie

123 waren die hübschen Bubis plötzlich out, und die verrückten Typen in, die waren irgendwie interessanter. Und Du hast schon ziemlich abwegig ausgesehen. Der Betreffende brauchte einige Jahre, bis er verstand,. daß dies wirklich ein Kompliment war und keineswegs eine akute krankhafte Geschmacksverirrung seiner Freundin war. Noch etwas später erfuhr er dann: "Außerdem hatte meine beste Freundin die Nacht vorher ihren ersten richtigen Freund. Plötzlich war ich die letzte Jungfrau in unserer Clique, das hat mir enorm gestunken - und da kamst Du mir gerade recht." Ob ein Flirt beginnt, wann, und wohin er führt, hängt schon oft von sehr merkwürdigen Zufällen ab.

"Zufällig war sie da, und da hast du sie genommen, sonst wär das garantiert mit einer anderen so gekommen, ich weiß, das klingt nicht sehr schön, aber das kann man ja auch mal so sehn"... Und jetzt hat sie dich runtergebracht und du denkst, die Welt geht unter, Aber bald kommt eine andere Frau Und die macht dich wieder munter Ich weiß, das klingt nicht sehr schön, aber das kann man ja auch mal so sehn "

Wo er recht hat, hat er recht!.

Benutzen Sie diese Typen nur als Anregung, als öffnende Idee, als Hinweis auf ungenutzte Optionen. Wenn Sie sich zwischendrin als Esel bezeichnen oder jemand anders als Dumme Nuß, schreien Sie ja auch nicht Ih-Ahh und fressen Disteln , noch knacken Sie die Dumme Nuß mit einem Hammer. Gleichwohl kann man Recht haben, sich einen Esel, und jemand anders eine dumme Nuß zu nennen - weil es leider manchmal wahr ist.

9.2Typen nach Persönlichkeitsausprägungen.

Wenn Menschen sich über andere unterhalten, dann bemühen sie sich meist darum, ihn in irgend einer Weise zu typisieren. "Das ist ein ganz frecher, schüchterner, verschlossener, netter usw. Diese Charakterisierungen reduzieren natürlich einen Menschen auf ein be- stimmtes Merkmal. Andererseits haben etliche Menschen ihre Motive und Ziele auf ganz bestimmte Weise beschränkt oder extrem ausgeprägt. Das läßt sie als ausgeprägte Persönlichkeiten erscheinen und erleichtert das Flirten in vielen Bereichen, weil es sie sicher und kompetent macht. Das engt sie aber ein, weil sie wenig flexibel und ein seidig sind. Häufige Typen:

"Nicies" und Softies, versus Provos, Machos manche Menschen sind zu- traulich, immer freundlich, sie erwecken den Eindruck, als wenn sie „mit jedem könnten“. Sie bevorzugen Kaffeekränzchen, den geselligen Wein- abend und das gemeinsame Liegen am Strand. Wichtiger als ein be- stimmtes Projekt ist ihnen, daß es gemeinsam durchgeführt wird. Das sexuelle Interesse ist ihnen oft völlig nachrangig, der Machtaspekt (z.B.

124 wer bestimmt) völlig egal. Das Dabei-sein ist ihnen wichtiger als das Siegen. (Das Gegenstück ist der Einzelgänger). Sie sind an Harmonie interessiert und verzichten lieber auf eigene Standpunkte und Wünsche, wenn es zu Konflikten führen könnte. Diffuse Ablehnung und Distanz ver- tragen sie, sie sind oft verletzlich und gegen Kritik empfindlich. Ihr Selbstwertgefühl ist oft gering.

Andere streiten sich grundsätzlich, machen aus jeder Begegnung einen Kampf und fühlen sich nur wohl, wenn es um Wettbewerb und Aus- einandersetzung geht: Beliebt sind bei ihnen Gesellschaftsspiele in denen es um irgend etwas geht. Das Siegen ist ihnen wichtiger als das dabei sein. Sie führen gerne bzw. legen Wert drauf, daß Führung und Ordnung besteht und jeder seiner Verantwortung nachkommt. (Das Gegenstück ist Nachgeber, der sich jeglicher Konfrontation entzieht).

Lover" und Asketen Und dann gibt es die Dauercharmeure, professionelle Süßholzraspler, Don Juans oder Casanovas, die jede Begegnung zu einer potentiell erotischen machen. Machtaspekte oder Freundschaftsaspekte sind eher nebensächlich oder Mittel zum Zweck. Sie könnten ihre Zeit mit erotischen Phantasien und Werbefeldzügen verbringen und würden eine Gesellschaft eher meiden, in der sie dafür niemanden finden. Das Gegen- stück ist der geschlechtsneutrale Mensch, dessen Motto im Umgang lautet „es spielt keine Rolle, ob jemand ein Mann oder eine Frau ist", das Geschlechtlich ist tierisch und lächerlich (Augustinus)

Schwaller und Schweiger : Eine besondere Gattung. Sie sondern große Mengen an Texten ab , erzählen stundenlang irgendein Zeug, von dem keiner versteht, warum sie es erzählen, und es interessiert auch nicht be- sonders. Man spricht da auch von "Logorhoe", Wortdurchfall. (Sülz, Laber, Schwall). Das Gegenstück sind die Schweiger, die sozusagen an Verstopfung leiden und die den Mund nicht aufbekommen. Eine literarische Idealisierung für den Schweiger ist z.B. die Figur der Momo und eine Katastrophisierung der Held in dem Roman "Der Sperber von Maheux".

Hänger und Aktivisten: Die einen sind ständig auf Achse, Betriebsnudeln, nur zufrieden, wenn irgend etwas unternommen wird. Den anderen ist jede Hektik und Aktivität zuwider, sie kommen nie auf eine eigene Idee und würden anwachsen, wenn sie nicht bewegt würden.

Beauties und Uglies: Die einen sind bildschön, eine Augenweide und eine Zierde jeden Ortes, die anderen sind krötenhäßlich und unansehnlich. Die einen kümmern sich geradezu panisch und süchtig um die eigene Schön- heit und lassen sie sich viel Geld und Arbeit kosten. Die anderen meiden die Schönheit geradezu und pflegen ihre Häßlichkeit, hinter der sie sich trefflich verstecken können. Witzigerweise können letztere oft besser flirten als die ersteren - sie haben ja, in ihrem eigenen Bilde, nichts zu

125 verlieren. (Schweinepriester)Die Schönen leiden oft unter dem Effekt, daß sie ihre ganze Aktivität darauf richten, andere scharf zu machen - aber sie tun zu wenig für ihre eigene Schärfe. Die anderen laufen Gefahr, selber immer scharf zu sein, aber den anderen zu wenig Anlaß dafür zu bieten.

Optimisten, Pessimisten: Die einen verbreiten immer gute Laune und sehen im letzten Atemzug noch das volle Leben, die anderen befürchten immer das Schlimmste, sind in Habacht Stellung und sehen im ersten Atemzug schon die Ankündigung des Todes.

Hagestolze und Sozis: Die einen leben nach dem Motto "Verschon mich mit Freunden,. mit Feinden komme ich alleine klar". Der andere sagt, "Solange ich Freunde habe, ist mir jeder Feind gleichgültig.

Heilige und Sünder: Die einen beziehen alles auf eine religiöse Orientierung. Da sind die bigotten Frömmler auf der einen Seite und die Heiligen auf der anderen. Den anderen geht das am Steiß vorbei und sie lassen nichts anbrennen, nehmen was kommt und was gefällt.

Flirtmaschine und Pokerface, zwei Extreme ein und derselben Haltung: Angst vor Bindung, Nähe und dem Wechsel in einer Beziehung. Beides sind Formen des Machtflirtes, da sie manipulieren und tricksen. Der eine wartet auf Bedingungen, die nicht bestehen, der andere schließt Möglich- keiten aus und flirtet nicht echt, er spielt. nur. Das Pokerface ist zu in- flexibel in seinen Wünschen, die Flirtmaschine zu unspezifisch, so daß beide letztlich gar nichts wollen.

Zwei gleich ausgeprägte Typen treffen sich nicht so oft - Die Füchse kennen die Schliche der Füchse. Hingegen suchen sie leichter den Gegen- pol - Gegensätze ziehen sich an. Es gibt dann eine Arbeitsteilung, Jeder ist Spezialist in einem Bereich, in dem der andere wenig kann. Für alle Typen gilt: Sie existieren eher in Gedanken als in der Wirklichkeit. Je näher man einen Menschen kennenlernt, je weniger "typisch" und je individueller sieht er aus. Am ersten Tag in Japan sehen alle Menschen gleich aus, das ändert sich dann Tag für Tag. Das heißt nicht, daß die typischen Merkmale nicht bestünden, nur, daß sie weniger wichtig werden. Daher sollte man auch nicht unbedingt einen Flirt nur davon abhängig machen. Die typischen Merkmale sind möglicherweise nur eine Ver- packung, ein Outfit, hinter dem die verschiedensten Menschen stecken können.

10Übungen

126 Die Reihenfolge der Übungen spielt hier keine Rolle. Man sucht sich am besten diejenige heraus, zu der man am ehesten Zugang hat. Die Übungen zielen in zwei Richtungen: 1. Selber ein lebendiger Flirtpartner zu werden. 2. Dem Gegenüber zu ermöglichen, ein lebendiger Flirtpartner zu werden. Das ist jeweils ein Schwerpunkt. Das eine wird immer zwangsläufig auch mit dem anderen erreicht. Man kann alle Übungen zum Flirten auch als Anleitung betrachten, Zu- neigung und Interesse an Menschen zu gewinnen. Wenn Heiratsschwindler durch ihren Erfolg beweisen, daß es ohne Zuneigung geht, also über Tricks, dann zeigen sie lediglich, daß Menschen betrogen werden können. Das ist aber nur möglich, wenn die Betrogenen eigentlich ein Interesse an echten und guten Beziehungen haben. Man sollte also den Weg der guten Beziehungen auch dann gehen, wenn der betrügerische Weg möglich oder gar einfacher ist.

1.Übung: Wer bin ich? 1.1 Instruktion: Lehnen Sie sich zurück, schließen Sie die Augen. Entspannen Sie sich. Sie sollen einem anderen Menschen einen Brief schreiben, in dem Sie sich möglichst ausgiebig beschreiben.: Ihr Aus- sehen, Ihre Eigenschaften, Ihre Interessen, Ihre Geschichte, Ihre Visionen und Planung für die Zukunft. Was ist Ihnen wichtig, was gefällt Ihnen. Wenn Ihnen dabei Dinge einfallen, die Sie ablehnen bei sich, formulieren Sie es bitte als Wünsche und Hoffnungen. Man kann das schriftlich machen, in einem Dialog mit jemand anders oder für sich alleine in der Vorstellung. Gut ist folgende Variante: Sie fragen sich (ihr Gegenüber) Wer bin ich (Wer bis Du) und antworten nur mit einem kurzen Satz, fragen erneut und antworten wieder mit einem kurzen Satz usw. Das kann man zwanzig mal wiederholen. Dann läßt man das Ergebnis auf sich wirken und bezieht die Ergebnisse in die folgenden Begegnungen mit Menschen ein.

1.2 Ziel der Übung: Wahrnehmung der eigenen Person intensivieren, die Aufmerksamkeit weglenken von „wie sehen mich andere“, selbst wert- schätzender werden, eigene Ziele und Motive erhellen, Selbst- verbalisierung stärken. Das soll im Kontakt ermöglichen, offen für den anderen zu sein, einen eigenen Platz einzunehmen, Ansprüche und Wünsche zu formulieren, es als selbstverständlich ansehen, wahrnehmbar zu sein, anderen eine Chance zu geben mich zu mögen, zu glauben, wenn ich gemocht werde.

2. Übung: Kontakte bereichern

2.1 Instruktion: Erweitern Sie Kontakte mit Menschen um eine Kleinigkeit, die Sie in der Situation antreffen können. Wenn es in der

127 Bäckerei warm ist, ergänzen zur Brötchenbestellung: „Schön warm ist es hier“, „Es riecht hier sehr gut“, oder was immer Ihnen zur Situation in den Sinn kommt. Das können Gedanken,. Vorstellungen, Wahrnehmungen oder auch Bewegungen sein, z.B. einem anderen Kunden die Tür auf- halten. 2.2 Ziel der Übung: Die ersten Schritte im Umgang mit Spontaneität tun, feststellen, daß man das kann. Die eigenen vorhandenen Möglich- keiten ausprobieren und merken, daß es der Übung bedarf. Feststellen, wie wenig einem (anderen) schon gut tut. Feststellen, daß es nur sehr kleiner Aktionen bedarf, um einen angenehmen Moment herzustellen. Lernen, daß nichts weiteres folgen muß!

3.Übung: Erfolge nutzen

3.1 Instruktion: a. Erinnern Sie sich an eine Situation, in der Sie richtig schön geflirtet haben. b. Erinnern Sie sich an Menschen, die Ihnen viel bedeuten. c. Erinnern Sie sich an eine wichtige Liebesbeziehung. d. Erinnern Sie sich an eine wichtige Freundschaft Wann genau war das? Wo war das? Führen Sie sich Szenen aus diesen Begegnungen möglichst konkret und lebhaft vor Augen. Wer war beteiligt, wie lief das Ganze ab? Drehen Sie es wie einen Film vor Ihrem inneren Auge ab. Vielleicht fallen Ihnen statt Szenen Worte und Gedanken ein, berichten Sie, wie es war. Was haben Sie dort, bei diesen erfolgreichen Szenen anders gemacht, als heute wo es Ihnen oft nicht gelingen will.? Es ist unfruchtbar zu fragen "warum war es anders?", da es dann eine intellektuelle Überlegung wird. Es soll aus dem szenischen Gedächtnis geschöpft werden, nicht aus den Theorien. Diese Übung lebt daher davon, daß die Szenen möglichst konkret vorgestellt werden. Weiter, daß man die Frage "Was war anders?" so lange wiederholt, bis wirklich nichts mehr kommt. " Erst dann kann ich unterscheiden, was von den Unterschieden zu der gewünschten Situation beigetragen hat - und was davon in meiner Verfügung stand. Es folgt, "was kann ich heute entsprechend tun."

3.2 Ziel der Übung: Wegkommen von negativen Gedanken und Problemen hin zu Lösungen und Fähigkeiten, die man schon einmal hatte. Diese können dann JETZT genutzt werden, indem die gleichen Be- dingungen wie damals hergestellt werden, oder man sieht, daß heute schon Teile davon möglich sind. Vor allem gilt es, statt theoretischer Über- legungen mehr handlungsorientierte Ideen entwickeln. Aus "Müßte mehr auf Leute zugehen " wird dann "heute abend Christian anrufen".

4. Übung: Die eigenen Ziele und Wünsche klären und konkretisieren

4.1 Instruktion: Stellen Sie sich vor, Sie gehen heute abend ins Bett und schlafen ruhig ein. Über Nacht, geschieht ein Wunder, und Sie lernen das Flirten im Schlaf. Da es aber im Schlaf passiert, merken sie das gar nicht. Am nächsten Morgen wachen Sie auf und fragen Sich: Ist das Wunder passiert oder nicht? Woran würden Sie feststellen, daß es passiert ist.

128 woran merken andere, daß es passiert ist? Was würden Sie anders tun, sagen, unternehmen als bisher? Wichtig: Beschreiben Sie die Veränderung so konkret wie möglich. Wenn Sie andere Gefühle oder andere Gedanken feststellen, überlegen Sie weiter: Was tue ich dann anders als bisher, wenn meine Gefühle und Ge- danken anders geworden sind? Die Übung entsprecht der Übung Nummer 3, nur daß jetzt Phantasien für Gegenwart und Zukunft genutzt werden. 4.2 Ziel der Übung: Sie sollen konkrete Visionen in die Zukunft ent- wickeln , dabei einzelne und realisierbare Schritte visionieren statt all- gemeine große Ziele. So bleiben die Ziele im Bereich des Machbaren. Statt „mutiger werden“ entsteht dann z.B. „Nach dem Mensaessen heute Ralf bitten, noch eine halbe Stunde mit in die Cafeteria zu gehen“.

5. Übung: Klarheit der eigenen Wahrnehmung fördern

5.1 Instruktion In den kommenden Begegnungen halten Sie bitte Ihre Wahrnehmung auf „Empfang“. Sehen was geschieht, registrieren Sie Ihren inneren Bilder und Vorstellungen, nehmen Sie Gedanken und Ideen zur Kenntnis, stellen Sie Ihre Empfindungen und Gefühle fest - und lassen Sie diese geschehen, ohne viel einzugreifen. Verhalten Sie sich wie im Kino, dort können sie das Geschehen auch nicht beeinflussen. Sie können jedoch Ihre Aufmerksamkeit mal auf dem einen, mal auf dem anderen Aspekt ruhen lassen. 5.2 Ziel der Übung Statt verkrampft sich überlegen, was man wie am besten sagt oder eben nicht, sollen Sie erst einmal merken, wie vielfältig Sie reagieren können. Dann zeigt sich auch, daß spontan und intuitiv nicht heißt, auf eine Weise reagieren, sondern daß es viele gibt. Es ist dann eine Übungssache und Erfahrungssache herauszufinden, welchem Aspekt des eigenen Reagierens man sich überläßt und welchem lieber nicht. Spontan heißt also nicht blitz- schnell und sofort, und echt und direkt. Ich kann auch spontan zögern oder verstummen. Erst muß die Schere aus dem Kopf heraus.

6. Übung Vorurteile und Wahrnehmungen

6.1. Instruktion: a. Erinnern Sie sich bitte an einen Menschen, der Ihnen etwas be- deutet. b. Denken Sie an einen Menschen, den Sie kennenlernen möchten. c. Erinnern Sie sich an einen Menschen, den Sie nicht kennenlernen mögen. Versuchen Sie sich klarzuwerden, welche Einschätzungen , Urteile, Ver- mutungen, Annahmen Sie über diesen Menschen hatten, als Sie ihnen das erstemal begegneten. Was hat sich geändert, was ist geblieben. Was hat zum richtigen und was zum falschen Urteil geführt.

129 d. Man nimmt einen der Gruppe Unbekannten, z.B. Therapeuten, und stellt Ihn in der absolute Minusversion (Triebtäter) oder Wohltäter (Bundesverdienstkreuz) vor. Die eine Hälfte der Gruppe wird über die (scheinbare) Eigenschaft unterrichtet und gebeten zu schweigen. Den anderen wird der Betreffende neutral vorgestellt. Der Täter /Wohltäter tritt nur 5 Minuten auf, erzählt etwas Neutrales. Die Gruppenhälften sollen dann getrennt ihre Eindrücke von ihm zusammenfassen und wiedergeben. Man kann diese Übung selber machen: Man tritt in einer unbekannten Umgebung in einer Rolle auf, die man besonders fürchtet oder gerne hätte, also eine emotional bedeutsame Rolle. 6.2 Ziel der Übung: Urteile sind weitgehend Produkte der eigenen Person und nicht Eigenschaften des anderen. Man kann Kontakte dadurch künstlich herstellen oder dummerweise verzerren und unmöglich machen. Es ist besser, sich auf Erfahrungen und Wahrnehmungen zu verlassen, bzw. diese vorhergehen zu lassen, als die Welt über Vorurteile kennenzu- lernen. Das soll offener für Kontakte machen und Rationalisierungen wie „der ist eh blöd“ entkräften.

7. Übung: Auf Empfang gehen

7.1Instruktion:Wenn sie das nächste Mal unter Menschen sind, be- schränken Sie sich auf Empfang und Reagieren. Nehmen Sie sich also fest vor, nicht selber aktiv zu werden - auch wenn es noch so verlockend wäre. Sehen Sie aber Andere ruhig an, wenden Sie ihnen Ihren Blick zu. Sprechen Sie lediglich innerlich „ Du kannst mich ansehen, Dich interessieren, Dich abwenden - was du willst, ich bin neugierig, was Du tun wirst“. Stellen Sie sich lediglich zur Verfügung. Z.B. stellen sich auf einem Fest dazu oder setzten sich dazu, und lassen es beim Hinsehen. Er- lauben Sie sich lediglich, auf jemanden zu reagieren, der sich an Sie wendet. Es darf also etwas passieren - wenn die anderen sich bemühen, aber niemand muß. 7.2 Ziel der Übung: Vom Erwartungsdruck heruntergehen, daß man dauernd etwas tun muß, sich statt dessen offen halten für andere und „vielversprechender “ aussehen. Den anderen Raum und Zeit einräumen und sie so ermutigen . Die anderen können so Phantasien entwickeln - sie werden nicht durch ihre Aktivität oder Erwartungshaltung ge- bremst. Sie merken, daß es auch dann gut geht, wenn nicht erst bestimmte Erwartungen erfüllt werden. Es geht auch darum, Wünsche und Erwartungen unterscheiden. zu lernen. Wünsche helfen einem Flirt, Erwartungen schaden ihm. Sie schränken alle Beteiligten ein.

8. Übung: Was will ich eigentlich konkret und jetzt?

8.1 Instruktion: Die Übung ist in der Gruppe zu machen und als Aufgabe daheim. Die Gruppe bleibt im Kreis sitzen. „Stellen Sie sich vor, Sie würden sich in der Bahn gegenüber sitzen oder in der Cafeteria. Stellen Sie sich vor, Sie wollten auf jeden Fall mit diesem einen oder anderen Menschen in ein Gespräch kommen. Schauen/Sehen Sie bitte um sich herum, sehen Sie die Mitglieder der Gruppe an. Was möchten Sie von wem wissen, was wem mitteilen? Gibt es etwas, das sie vielleicht lieber

130 tun als sagen würden? Tun Sie es! Vielleicht fallen Ihnen verschiedene Möglichkeiten ein. 8.2 Ziel der Übung: Runter vom Satz “jemand ansprechen“ hin zum Konkreten und weg von der Formel hin zum echten und unmittelbaren. Wenn man nichts findet, kann man zwar verschiedene Wünsche und Interessen haben, aber keine, die real werden sollen. Dann macht sich auch keinen unnötigen Streß. Man lernt so zwischen realisierbaren (im Moment) und nicht oder noch nicht realisierbaren oder entscheidbaren zu unterscheiden. Während die Wünsche den Körper beleben und sinnlich machen, lassen ihn Erwartungen starr und zudringlich werden.

9. Übung: Was könnte ich wollen

9.1Instruktion: Denken Sie an eine bestimmte Person, die Sie gerne kennenlernen wollen. Legen Sie eine Liste mit allen Möglichkeiten an, die Ihnen einfallen, auch wenn Sie etwas verrückt sind. Bewerten sie nichts, schreiben Sie alles auf. Diese Übung kann gut in der kleinen Gruppe ge- macht werden. 9.2 Ziel der Übung: Es geht darum, die eigene Phantasie anzukurbeln, so daß sie in der konkreten Situation ebenfalls mehr Einfälle produziert. Das muß dann keiner aus der ursprünglichen Liste sein. Es geht also nur um flexibler werden und Kennenlernen der eigenen Reaktionsmöglichkeiten.

10. Übung :Kein Ruf wird nicht ruiniert.

10.1 Instruktion: a. Gehen Sie alleine oder mit Freunden in eine andere Stadt (oder nutzen den Urlaub ), wo die Chance gering ist, jemand zu kennen oder wiederzutreffen. Sprechen Sie den nächsten Menschen an, den Sie kennenlernen wollen, direkt und ohne viele Umstände. Wählen sie eine Form, die praktikabel ist: In einem Café bitten, sich dazu setzten zu dürfen. Fragen Sie , was Sie wissen wollen, teilen Sie mit, was Sie mit- teilen wollen. b. Nutzen sie den nächsten Maskenball Da Sie keiner kennt, können Sie sich frei benehmen. Gehen Sie am besten mindestens zu zweit. 10.2 Ziel der Übung: Die Gedanken vor den sozialen Konsequenzen für eine Weile außer Kraft setzen. Auch wenn es ein beschämendes Ereignis ist, niemand wird davon erfahren, bzw. die Chance geht gegen Null, daß dieses passiert. Das erlaubt mehr Risikobereitschaft. Wo kein Ruf ist, kann er auch nicht ruiniert werden.-

11. Übung: Was wäre wenn

11.1 Instruktion: Stellen Sie sich eine bestimmte Person vor, die Sie gerne kennenlernen wollen. Überlegen Sie, wie Sie es anfangen wollen. Was für negative Ereignisse befürchten Sie? Was für positive erhoffen Sie. Nehmen Sie sich gründlich Zeit.

131 Stellen Sie sich vor, sie würden die negativen Folgen riskieren, dem Schicksal zugestehen, daß es so mies ausgeht wie befürchtet. Wenn es er- träglich ist, riskieren Sie es und sagen sich jedesmal: "Das kann, das darf passieren." 11.2 Ziel der Übung: Sich klar werden, welche Erwartungen man hat, sich die Risiken klar machen, mit diesen Risiken in die Situation gehen statt immer zu warten, bis kein Risiko mehr da ist. Dem Feind ins Weise des Auges zu sehen und zu lernen, daß man das schafft. Nicht erst er- warten, daß einem alles egal sein muß, bevor man handelt.

12. Übung: Was brauche ich

12.1 Instruktion: Stellen Sie sich vor, Sie sähen sich selber als Kind, das in einen neuen Kindergarten kommt. Wie alt sind Sie da? Stellen Sie sich vor, Sie sitzen da scheu und alleine in der Ecke. Gehen Sie vorsichtig näher und fragen es behutsam, was es braucht, gerne hätte, wovor es sich fürchtet. Notieren Sie sich, was Sie erfahren. Manchmal kann es helfen, wenn man sich abwechselnd an den Platz des Kindes begibt, und dann wieder an den Platz des fragenden Erwachsenen. 12.2 Ziel der Übung: Die eigenen Wünsche und Sorgen erfahren. Dabei auch die Erwartungen erkennen, die einen lähmen. Aus der erwachsenen Situation kann man dann etwas für seine Wünsche tun - und ist nicht wie ein Kind darauf angewiesen, daß es die anderen machen.

13. Übung: Korb annehmen

13.1 Instruktion: Stellen Sie eine Liste mit Gründen zusammen, die einen Menschen dazu bewegen können, eine Annäherung von Ihnen in einer bestimmten Situation nicht zu beantworten oder abzulehnen, obwohl dieser Mensch nichts gegen Sie hat oder gar Sympathien für Sie hat. 13.2 Ziel der Übung: Sich klarmachen, daß es zahllose gute Gründe gibt, eine Annäherung nicht zu wollen, und daß dies nicht gegen einen sprechen muß. Das verhindert, daß man automatisch ein "Nein" gegen sich gerichtet deutet. Es bewirkt, daß man mehr offenläßt - und vielleicht auch nachfragt.

14. Übung: Das war gemein! 14.1 Instruktion: Stellen Sie zusammen, welche Ablehnungen sie kränken würden, welche Art von Ablehnungen sie ärgern würde. Erlauben Sie innerlich, in Form eines Satzes, Ihrem Gegenüber so zu reagieren. Suchen Sie nach einer Reaktion bei sich, mit der Sie übereinstimmen. Es ist immer hilfreich, dem

132 anderen nicht rachsüchtig mit gleicher Münze heimzuzahlen, das stünde auch im Widerspruch zur vorigen Avance. Man sollte in jedem Falle sein Bedauern ausdrücken. (Es wird selten notwendig sein, sich gegen wirklich Unverschämtheiten zu wappnen, sie geschehen sehr selten. ) 14.2 Ziel der Übung: Sie sollen die Situation bewältigen und es nicht nötig haben, die Reaktionsmöglichkeiten Ihres Gegenübers zu be- schränken. Das bringt sie aus der Lage des Abhängigen und des Opfers heraus und läßt Sie aktiv werden.

15. Übung: Sich anpreisen

15.1 Instruktion: Setzen Sie eine Annonce auf, in der Sie einen Menschen zwecks näherer Bekanntschaft - Liebe nicht ausgeschlossen - kennenlernen möchten. Bleiben Sie bei der Wahrheit. Als Gruppenübung: Die Teilnehmer sollen erraten, welche Anzeige von wem kommt. 15.2 Ziel der Übung Lernen zu sich zu stehen, Verantwortung für die eigenen Qualitäten übernehmen und nicht immer den anderen dazu nötigen aus der Asche meine Qualitäten zu erkennen. Sich damit auch an- greifbarer machen und die eigenen Qualitäten notfalls verteidigen lernen.

16. Übung: Wahrnehmen und darüber hinaus

16.1. Instruktion: Bilden Sie bitte Paare. Jeweils einer schaut sein Gegenüber an und sagt: „Ich sehe...(Du lächelst, Du be- wegst Dein Gesicht nicht, Du sitzt still...). Dann darauf: "Und ich denke" (Vermute, erinnere mich, stelle mir vor, glaube) Wie oben, aber: Und ich "fühle", (spüre, das löst bei mir aus, wünsche).

16.2 Ziel der Übung: Unterscheiden lernen zwischen Wahrnehmen und Deuten, eigenen Reaktionen und denen des Gegenübers. Bemerken, daß mein Gegenüber mehr als nur ein Merkmal hat. Je mehr ich sehe - je mehr Reaktionen habe ich auch selber. Hilft auch gegen Vorurteile.

17. Übung: Interesse an der Welt entwickeln .

17.1 Instruktion: Erinnern Sie sich an Situationen in Ihrem Leben, in denen Menschen Sie in irgendeiner Form mitgerissen haben, begeistert haben, interessiert haben für etwas auf dieser Welt. z.B. auf eine Reise in ein anderes Land, das Studium oder ein Hobby. Wie haben diese Menschen das geschafft?. Was haben Sie selber dazu beigetragen?

17.1.2 Instruktion Mit was für Interessen und Themen könnten Sie andere Menschen

133 mitreißen, sie interessieren und engagieren. 17.1.3 Instruktion Erinnern Sie sich dran, wann andere Menschen einen guten Flirt mit Ihnen begonnen haben bzw. wann Sie einen guten Flirt begonnen haben. Finden Sie heraus, wie die anderen bzw. Sie das angestellt haben. 17.2 Ziel der Übung: Feststellen, daß andere oder man selber etwas tun kann für andere, Verantwortung übernehmen kann, etwas geben kann und das angenommen wird. Erkennen, wie das abläuft, welchen Teil wer dazu beiträgt. Lernen am Modell des anderen.

18. Übung Sowohl als auch

18.1 Instruktion Nehmen Sie ein Oktavheft, und schreiben zeilenweise alles hinein, was für Sie spricht, sei es, daß Sie, sei es daß andere es so sehen und bewerten. Drehen Sie das Heft herum, und schreiben Sie alles zeilenweise hinein, was gegen Sie spricht, sei es, daß Sie es so sehen, sei es, daß andere es so sehen. Lesen Sie es immer mal wieder durch, erst die eine Seite, dann die andere, und lassen es auf sich wirken. Argumentieren Sie nicht, rechnen Sie nicht gegeneinander auf 18.2 Ziel der Übung Sich insgesamter annehmen, sich mehr akzeptieren, beide Seiten zusammen wirken lassen statt sich in einen richtigen guten und einen falschen schlechten teilen.

19. Übung: Für den Anderen da sein

19.1 Instruktion:„Bilden Sie bitte jeweils Paare. Suchen sie möglichst jemanden, den Sie noch nicht kennen. Machen Sie sich jeweils mit- einander bekannt. Sie haben dafür 5 Minuten Zeit. Abwechselnd soll der eine für den anderen oder umgekehrt „da“ sein. Für diesen: sagen Sie sich innerlich „ich bin für Dich da“ und sehen zum anderen hin. Versuchen Sie zu erkennen, was den anderen beschäftigt und bewegt, was er be- nötigt, wünscht, ablehnt. Sie können auch raten oder herumprobieren. Für den Anderen: Was beschäftigt Sie, was bewegt Sie, was brauchen Sie oder hätten Sie gerne von Ihrem Gegenüber?“ 19.2 Ziel der Übung: Verschiedene Rollen beim Flirten einnehmen und getrennt üben. Hier die Fähigkeit, sich etwas zu wünschen und die Fähig- keit, etwas zu geben.

20.Übung: Flirts finden überall statt. Anleitung: „Bleiben Sie bitte einige Minuten so sitzen, wie Sie jetzt gerade sitzen. Ich möchte Sie bitten, in einigen Minuten (zwei Gruppen, Trippel, Paare, ) zu bilden. Wie finden Sie heraus, wer mit wem zu- sammengehen will für die folgenden Übungen? Sprechen Sie dabei nicht,

134 sondern finden Sie für sich heraus, mit wem sie zusammengehen möchten. „ Beobachten Sie in den folgenden Tagen, mit welchen Menschen Sie einen Kontakt nicht aufnehmen, obwohl Sie es gerne täten. Nehmen Sie diesen Menschen gegenüber mal die eine, mal die andere Haltung ein. Be- obachten Sie, was sich verändert in der Beziehung und Ihrem Erleben. Anschließend: Wie haben Sie das gemacht, was fiel leicht, was schwer, wie haben Sie sich versichert, ob Ihr Gegenüber will...kommt Ihnen das bekannt vor aus erotischen Flirts, z.B. jemanden ansprechen oder beim Tanzen auffordern?

Ziel: Am Anfang einer Gruppe erlebbar machen, daß Flirten bei jedem Be- ziehungswunsch stattfindet und dort nicht weniger schwierig ist, als beim erotischen Flirten. Man kann es mit jedem lernen. Es kann genauso auf- regend zu sein, einen Kollegen zu finden, einen Nachbarn oder einen Liebsten. Man kann so auch herausfinden, welche Wünsche man aus- schließt, und man kann überprüfen, ob das wirklich so sein soll. Je weniger Wünsche man zuläßt, um so cooler kann man in der Be- gegnung sein.

21. Übung: Offenheit und Bereitschaft statt Forderungen und Erwartungen signalisieren. Frauen flirten anders als Männer im Durchschnitt, es gibt die aktive und passive Rolle, beide haben ihre Stärken. Instruktion: Gehen Sie in eine Wirtschaft, ein Café, die Mensa, kurz: irgendeinen Ort, an dem Menschen Sie sehen können. Nehmen Sie sich für den Abend vor: Ich werde mich heute abend den Blicken und dem Interesse anderer zur Verfügung stellen. Wer mich sehen will kann, wer nicht, ebenfalls. Wer mich ansprechen will, darf, wer nicht, darf es lassen. Ich werde mich vor allem dafür interessieren, was mir an anderen Menschen gefällt. Bei einem Blickkontakt sagen Sie sich innerlich: Du bist willkommen, wenn Du kommst.“. Darauf achten, was sich verändert, vor allem im eigenen Erleben, natürlich auch in der Umgebung. Ziel: Die Aufnahmebereitschaft erhöhen, dem anderen signalisieren, daß man offen und bereit ist. Dem anderen Mut machen. Durch die Selbst- gespräche drückt das Gesicht eher Freundlichkeit aus, als durch selbst- kritische oder ängstliche Selbstgespräche. Die Erwartungshaltung senken und damit auch die Frustrationen unerfüllter Erwartungen.

22. Übung: Lieber echt blöd als falsch gut Instruktion: Versichern Sie sich in einer bestimmten Flirtsituation ihrer unmittelbaren Reaktionen. Teilen Sie Ihrem Gegenüber diejenige mit, in

135 der Sie sich zwar blöd - aber echt fühlen, also geben sie sich keine Mühe. ("Mist, ich würde Dich gerne beeindrucken und mir fällt nichts ein! Was müßte jemand tun, der Dich kennenlernen will obwohl er schüchtern ist. ?) Ziel: Feststellen, daß man keine Vorbedingungen erfüllen muß für einen Flirt. So blöd kann man nicht sein, daß ein Flirt nicht stattfinden kann, wenn man echt bleibt. Aber alle Kunst nutzt einem nichts, wenn man eine Fassade aufsetzt und nicht echt ist. Meine Lieblingsübung!

23 Übung: Interview

Instruktion: 1.Zur Person (was machst Du, interessiert Dich, wo kommst Du her, wieso so und nicht anders.?..) Die goldenen Ws.: 2.zu einem aktuellen Thema (Was hältst Du von, denkst Du über, fällt Dir ein zu, wirst Du tun bei, hast Du gemacht bei?..) Keine Ja-Nein Fragen, sondern offene Fragen stellen: Was, wie, warum, wo, wodurch, womit, wohin, woher, warum, wer.. Falsch: “Bist Du (nicht) auch der Ansicht, daß die Reaktion von Kinkel auf den iranischen Außenminister empörend war?“ Richtig: „Was hältst du von Knittels Reaktion auf den iranischen Außenminister?“ Ja-Nein Fragen sind jedoch nützlich, wenn man sich des eigenen Ver- stehens versichert: „Warst Du dann nicht furchtbar wütend?“. Ihnen sollten möglichst wieder offene Fragen folgen: "Was hast Du dann ge- macht?" Was im Interview gut ist, muß es in anderen Bereichen nicht sein, z.B. beim Streiten, sich auseinandersetzen, sich unterhalten, Meinungen aus- tauschen usw. Das Ping-Pong Interview. Viele Menschen, die sich kennenlernen wollen, praktizieren das Ping-Pong Interview. „Ich war kürzlich in den Alpen“ - „Ich war dort letztes Jahr!“. „Diesmal hat’s mir gar nicht gefallen, viel zu voll“ „Mir auch nicht, ich gehe schon seit Jahren nur mit Vorbe- halt“. Ganz extrem ist dies der Fall, wenn jemand über persönliche Probleme spricht. Dann stellt der andere leicht seine eigenen dagegen. Noch unergiebiger ist das Interview. Man antwortet auf eine Äußerung oder Antwort auf eine Frage mit langen Ausführungen über das eigene Leben, so daß man zum Schluß vom anderen nichts erfährt. Das wird Männern oft vorgeworfen. ("Völlig zu Unrecht, bei mir ist das ganz anders, also ich..."): Deshalb will ich nächstes Jahr nach Korsika. „Ist dort auch nicht besser, da war ich schon“ usw. Der Nachteil an dieser Form ist, daß es schwer ist, sich zu merken, was den anderen interessiert, da man ständig mit sich beschäftigt ist.

136 Das eigene Erleben wird in diesem Interview kein Thema, sondern ledig- lich Quelle der Fragen und Statements. Falsch: „Ich würde mich da lieber nicht so aufregen, Das bringt nichts, sich da so aufzuregen usw.“ Richtig: „Wieso regst Du Dich da so auf? Was versprichst du dir davon?“ Wenn man vom eigenen Erleben so stark berührt ist, daß man keinen Platz für sein Gegenüber hat, muß man diesen Platz schaffen. Falsch: „Aber das kann man doch nicht so einfach sagen.... Richtig: „So siehst Du das (erlebst du das, bewertest Du das, machst Du das.) Machen Sie eine Pause und entspannen sich, stellen Sie die eigenen Ideen und Im- pulse beiseite...“Wie reagieren denn die Menschen deiner Umgebung auf so eine Meinung?“.

23.1 Ziel: Was interessiert mich an dem anderen, was beunruhigt mich, was fällt mir auf, was erstaunt mich, rührt mich, verwirrt mich, macht mich neugierig, beschäftigt mich, verstehe ich oder verstehe ich nicht? Die Fähigkeit zu flirten beruht auf der Fähigkeit, ein Interesse für andere Menschen zu entwickeln. Das Interview soll dem Anderen die Chance geben, sich darzustellen, etwas von sich mitzuteilen und festzu- stellen, ob er damit auf Interesse und Verstehen stößt. Umgekehrt können Sie feststellen, ob der andere Interesse bei Ihnen auslöst.

24. Übung Von was kann jemand bei Dir träumen (Alpträumen) Anleitung: a. Stellen Sie eine vollständige Liste von den Dingen auf, die andere Menschen an Ihnen mögen, die andere dazu veranlassen könnten, gerne an Sie zu denken und von Ihnen zu träumen. Je größer Ihre Flirtmacht ist, um so mehr Dinge werden Sie finden. Ergänzen Sie die Aufgabe um die „Möglichkeiten“, die Sie bei sich sehen, und die noch der Entfaltung harren. Positiv heißt: Themen, Umstände, Dinge, die Sie als Ihrem Leben zugehörig trachten, die Sie akzeptieren, nicht missen wollen. Das können sehr konkrete Dinge sein, wie Ihr Ohr- läppchen oder ein Ring, oder sehr allgemeine wie „Zuverlässigkeit“. In konkreten oder möglichen Flirtsituationen vergegenwärtigen Sie sich diese positiven Dinge. Da der Körper mitdenkt, wird er eine positive Aus- strahlung bekommen und anderen signalisieren: Es lohnt, dort hinzu- sehen. Versuchen sie herauszufinden, woran Sie Zuwendung, Anerkennung und Interesse anderer an Ihnen feststellen können. Also fordern Sie keine Be- weise, sondern suchen Sie nach Hinweisen Erscheinungsformen der Zu- wendung. Achten Sie darauf, wie Sie sich dabei fühlen, achten Sie auf die Reaktionen, die Sie auslösen.

137 b. Drehen Sie die Übung um und stellen sie sich vor, was für ein aus- gemachter Esel Sie sind, welch überflüssigen Mangel an Charme Sie be- sitzen, wie dumm geboren Sie sind und immer noch nichts dazugelernt haben, versehen mit einem Stumpfsinn, der seinem Triebleben umgekehrt proportional ist und dessen abstoßende Moral von der wohltuenden Un- durchsichtigkeit des knöchernen Schädels verdeckt ist (usw.):Kurz: Machen Sie sich nach allen Ihnen bekannten Regeln fertig und vergessen nicht Ihre unvorteilhafte Figur. Achten Sie darauf, woran sie merken, wie wenig Interesse Sie auslösen, wie Sie abgelehnt werden und wer Sie nicht mag und woran Sie das merken können. Entscheiden Sie am Ende, welche Version Ihnen wann vergnüglicher ist, und ziehen Sie diese dann vor. Es kann durchaus mal die eine und mal die andere sein.

Ziel: Offener mit den eigenen Ängsten und Wunschvorstellungen um- gehen und darüber souveräner werden. Die Wahrnehmung schärfen für Zuneigung und Abneigung, statt diese nur aus einem oder wenigen Zeichen zu erschließen.

25. Übung: Schätze suchen Anleitung: Finden Sie heraus, wie auch immer (s. Interview), was Sie an einem bestimmten Menschen alles mögen oder mögen könnten. Ver- suchen Sie dazu, herauszufinden, was diesen Menschen interessiert, be- geistert, was er ablehnt und haßt. D.h., regen Sie Gespräche an, in denen Sie etwas von der emotionalen Seite eines Menschen mitbekommen. Fühlen Sie sich dazu in den anderen ein und stellen Ihre eigenen Meinungen und Urteile beiseite, nehmen Teil am Anderen. Seine Re- aktionen auf Sie lassen Sie zu, aber gehen Ihnen weder nach noch ziehen Sie Konsequenzen daraus. Lassen Sie sich dabei viel Zeit. Es kann Tage dauern, bis die Dinge, die man von einem anderen Menschen erfährt, ihre Wirkung bei einem selber zeigen. Wiederholen Sie innerlich die gehörten und erkannten Eigenschaften des Anderen. Ziel: Sie können so Ihr Interesse an anderen Menschen als Voraussetzung für einen Flirt entwickeln und fördern.

26. Übung: Mit Dir könnte ich Pferde stehlen Wenn Sie noch nicht wissen, ob sie mit jemand Pferde stehlen wollen, können Sie das herausfinden: Anleitung: Machen Sie sich klar, was Sie mit Ihrem Gegenüber gerne unternehmen würden: Ins Kino, ein romantisches Abendessen zu Hause, gemeinsam Skifahren, leidenschaftliche oder zärtliche Stunden oder sich zusammen für die Prüfung vorbereiten. Aber Sie wissen noch nicht, ob Sie es wirklich wollen! Also erzählen Sie Ihrem Gegenüber, wie gerne Sie dies

138 oder jenes getan haben oder „irgendwann einmal“ tun würden. Also nicht jetzt sofort! Das wäre zu direkt. Wenn Ihr Gegenüber ähnliche Interessen erkennen läßt, widerspricht das zumindest nicht den Ihren. Sie können auch sagen, daß Sie zu denen gehören, die am liebsten aufgefordert werden oder mitgerissen. Sie können betonen, daß Sie da keine hohen Erwartungen haben und es einfach schön finden, wenn "jemand" eine Idee losmacht.. Geben Sie ihrem Gegenüber die Tage oder Wochen, die er braucht, um seinerseits feststellen zu können, ob er diese Option ergreifen will oder nicht. Vielleicht wollen Sie einen Hinweis, ob Ihr Gegenüber aufgefordert werden will: Teilen Sie ihm mit, daß Sie gerne auffordern, aber schrecklich schüchtern sind und es nicht wagen, wenn sie keinen Hinweis bekommen, daß Sie willkommen sind. Vielleicht setzen Sie hinzu: "Ich würde es z.B. nicht wagen Dich zu fragen, weil ich es bei Dir nie wüßte". Die Wahr- scheinlichkeit ist groß, daß Sie dann spätestens Hinweise bekommen . Es gibt zahlreiche Varianten dieser „indirekten“ Kommunikation: Sie erzählen jemanden, der den/die Betreffende gut kennt, daß Sie gerne mit ihm/ihr eine Radtour unternehmen wollten...vielleicht spricht es sich herum?

27.Übung Nehmen wir an, ich wäre verliebt in dich! Instruktion: Sie schauen Ihr Gegenüber an und lassen einen schönen Film mit ihm ablaufen, schauen ihm dabei zwangsläufig träumerisch in die Augen, da Sie ja gerade träumen. Vielleicht werden Sie gefragt, vielleicht sagen Sie einfach, daß Sie gerade etwas träumen. „Ich stelle mir gerade vor wie es wäre wenn...- Du mit einem stolzen Ritter liiert wärest, und ich würde versuchen, dich ihm auszuspannen. Müßte ich den Ritter erschlagen oder Dich klauen wie die Helena. -Ich käme aus meiner komfortablen Singelsituation heraus, und würde mich in Dich verlieben... Es spricht einiges dafür, daß Sie gefragt werden, was Sie sich dann als Folge vorstellen...Nun, Sie müssen nicht unbedingt etwas verraten, aber Sie können. Es ist unmöglich für den anderen herauszufinden, wie ernsthaft diese Vor- stellung ist. Wenn Sie aber irgendeine Art von Gegenliebe erzeugt haben oder antreffen, werden Sie das mit Sicherheit merken.

28. Übung: Andere sind viel schöner (toller, besser...) Wenn Sie mit Ihrem Schwarm zusammentreffen, suchen Sie dann Menschen heraus, die Sie als unbesiegbare Konkurrenz erleben und heben sorgfältig deren Qualitäten heraus, ihre Bewunderung dafür und wie gerne

139 Sie diese Qualitäten auch hätten. Heben Sie die Chancen hervor, die der/die Betreffende in der Liebe hat Sollte Ihr Schwarm einfach nur stumm sein, fragen Sie ihn nach der Meinung. Kommt da nichts, fragen Sie weiter: Vielleicht ist das Thema für den Betreffenden so irrelevant, wie der Katholizismus für die Kirchenmaus. Wahrscheinlicher ist, daß Sie über die Stellungnahme herausfinden, ob Sie Chancen haben oder nicht und welche Rolle es spielt, daß Ihre Flirtmacht in diesen Punkten eher mini ist. Ziel: Diese Übung eignet sich dazu, Neid abzubauen und sich zu dem zu stellen, was Sie sind, erdrückende Tabus abzubauen, Vorurteile zu zer- streuen, mehr Hinweise zu erhalten.

29. Übung: Mein Freund

29.1 Instruktion: Sie erzählen Ihrem Schwarm eine Geschichte von Ihrem Freund John, der allerdings in diesem Falle Sie sind. Warum sollten Sie nicht Ihr Freund sein? Und Sie erzählen alles Wichtige von sich, als wenn es von Ihrem Freund John wäre. Und Sie erzählen dann genau die Geschichte, über die Sie eine Meinung von Ihrem Schwarm haben wollen: "Ich frage mich , warum John diesem Mädchen nicht einfach seine Zu- neigung sagt, was soll denn schon passieren? Wie würdest Du reagieren? Es wäre dann schon fast frech zu sagen "Das hat natürlich nichts mit mir zu tun, das würde ich auch nie zugeben". Das läßt sich für alle Themen durchführen, von denen Sie eine Reaktion von Ihrem Schwarm haben wollen. 29.2 Ziel: Man kann auf diese indirekte Weise Themen in den Raum stellen, ohne daß der Bezug zu einem selber offen ist, also man gibt wieder Hin- aber keine Beweise. Entsprechend kann der Partner seine Re- aktionen ausprobieren, auch seine sind wieder Hin- aber keine Beweise. Weiter so!

30. Übung . Tanzen 30.1 Instruktion: Wer flirten will, soll Tanzen lernen. Man sollte mit möglichst vielen verschiedenen Menschen tanzen. Das Flirten beim Tanzen funktioniert am besten dann, wenn man in erster Linie Wert auf das Tanzen legt, und dann erst auf das Flirten. Grund: Das Ritual schützt nur, wenn es sorgfältig gehandhabt wird. Das gleiche gilt für körperbetonte Sportarten. 30.2 Ziel: Tanzen erlaubt, körperliche Nähe auszuprobieren, und zugleich geschützt zu sein durch das Tanzritual (Aus ähnlichen Gründen ist die Nacktheit in der Sauna oder am Nacktstrand ein schützendes Ritual, die

140 Leute lernen sich kennen und brauchen dann keine Angst mehr davor zu haben - entkleidet nicht mehr gemocht zu werden. ).

31. Übung: Wirkung überprüfen

Instruktion: Sie fragen in der Gruppe (oder bei anderen Menschen reihum): Welche Qualitäten schätzt du an mir? Was magst du an mir, was vermutest Du, welche guten Eigenschaften ich habe, was könntest du dir mit mir vor- stellen? Überprüfen Sie, welche positiven Reaktionen Sie bei Ihrem Gegenüber auslösen. Ziel: Das Ergebnis ist Ausdruck der Wechselwirkung zwischen Ihrer und der Flirtmacht ihres Gegenübers. Es ist wichtig, von diesen Kräften zu er- fahren, wenn Sie sie nutzen und genießen wollen.

32. Übung Abstand verringern und Kontakt aufnehmen Instruktion: Gruppen zu zweit oder maximal zu dritt und in den Schloßpark gehen. Suchen Sie sich einen Menschen oder eine Gruppe aus, die spontan und direkt Interesse, positive Gefühle, einen guten Eindruck auslösen. Gehen Sie zu den Betreffenden hin und nehmen einen lockeren Blickkontakt auf, d.h., er muß nicht stattfinden, es ist ein Angebot, und sehen Sie auch öfter woanders hin, d.h. bleiben Sie offen und fangen Sie nicht, an wie ein Tiger die Beute zu fixieren. Das engt alle ein. Gehen Sie dabei so näher, daß die Betreffenden Sie von vorne ankommen sehen, machen Sie notfalls einen Bogen, daß das möglich ist. Keine Sorge, die „Angenäherten "dürfen diesen Bogen bemerken, sie dürfen nicht nur, sie sollen die Annäherung auch merken, um sich einstellen zu können und die eigenen Reaktionen auf Sie merken zu können. (Gegenteil: Über- raschungsangriff). Dies Vorgehen nimmt Rücksicht auf das Abstand- bedürfnis dessen,. dem Sie sich annähern. Bleiben Sie in einer Entfernung stehen, in der Sie sich noch gut wohlfühlen, Grüßen Sie die Betreffenden und gehen Sie dabei in die Knie, so daß Sie nicht so auf die anderen herabsehen und diese nicht hochsehen müssen. Wenn Sie lieber stehen bleiben wollen, überschreiten Sie die „gute Distanz“ besser nicht, wenn Sie sie überschreiten, gehen Sie in die Knie: Ihr Gegenüber braucht diese Distanz, um sich nicht überfahren zu fühlen. Als Gruß reicht völlig „Guten Tag“, während ein Hallo meist entweder platt oder zu vertraulich wirkt. Sie „Halloen“ sich eigentlich noch nicht. Es ist völlig gleichgültig, ob Sie dabei lächeln oder nicht, lassen Sie sich von Ihrem Gesicht überraschen und dem des Gegenübers. Das ist echter, als ein gequältes Lächeln, mit dem sowohl Sie als auch Ihr Gegenüber sich unwohl fühlen werden. Beim Flirten muß man keineswegs immer feixen und witzig sein.

141 Lassen Sie den anderen wenigstens zwei bis drei Sekunden auf sich wirken, vielleicht, bis ein fragendes Gesicht entsteht oder eine Aufmerksamkeit festzustellen ist. Wenn der Betreffende in irgend etwas versunken war/ist, z.B. ein Buch, vor sich hin träumen, bitten Sie ihn, das zu unterbrechen. „Darf ich Deine Lektüre für eine Pause unterbrechen? In jedem Falle aber: Dürfen wir uns für einen Moment zu Dir/Euch setzen Gehen Sie davon aus, daß es ein völlig berechtigtes und selbstver- ständliches Interesse ist, einen Menschen kennenlernen zu wollen. Sie sind dafür keine Rechenschaft, Erklärung, Rechtfertigung, Ent- schuldigung usw. schuldig. 2. Werden Sie sich klar,. ob Sie etwas wissen oder etwas mitteilen wollen. Wissen: Was treibt Euch hierher? Wer seid Ihr? Bleibt Ihr noch ein bißchen, oder seid Ihr schon am Gehen? Besser: Wir hoffen, Ihr bleibt noch ein bißchen. Mitteilen: Ihr habt einen schönen Platz gefunden (falls dem so ist) Wir haben Euch von Weitem gesehen und uns vorgenommen, Euch anzu- sprechen Lassen Sie sich jeweils Zeit. Sie müssen kein Unterhalter sein, es dürfen Pausen eintreten, die um so entspannender sind, je mehr Sie in diesen Pausen entspannt sind. In diesen Pausen widmen Sie sich Ihren Ein- drücken und haben die Möglichkeit für die Fortsetzung des Kontaktes. Halten Sie sich jeweils vor Augen, in welchen Bereichen Sie flirten können, d.h., welche „Eventualitäten“ in Ihren Vorstellungen, Gefühlen, Gedanken und Ideen ausgelöst werden. Es besteht keine Notwendigkeit, sich diesen Dingen zuzuwenden (sie ver- sinken dann ins Träumen). Legen Sie vielmehr den Schwerpunkt Ihrer bewußten Aufmerksamkeit auf die Wahrnehmung der Menschen, mit denen sie zusammentreffen. Es spricht auch nichts dagegen über „abliegende Themen“ zu sprechen und damit die bewußte Aufmerksamkeit von der Situation wegzulenken, das kann entspannen. Man muß nur aufpassen, daß die Situation nicht in platte Konversation und small talk abgleitet, aus dem Sie dann schwer zurückkommen.. Die Situation verliert dann an Lebendigkeit und Spannung. Suchen Sie sich Themen, die mit der Situation zusammenhängen, mehr oder weniger direkt. Direkt: Soziale Klima in Karlsruhe, jemanden ansprechen, so wie Sie es gerade tun, sich ein feed back geben lassen.. Indirekt: Über einen Film, ein Buch, ein Theaterstück, ein Erlebnis sprechen, das mit Kontakt, Flirt usw. zusammenhängt. Wenn Sie einer

142 Figur begeisterte Zustimmung erteilen, Ihr Gegenüber aber totale Ab- lehnung erfahren Sie auch etwas über die Möglichkeit Ihrer Beziehung in diesem Moment. Dehnen Sie die Situation nicht zu lange aus, Sie haben sich nur für einen Moment eingeladen. Stellen Sie das fest: Jetzt haben wir uns für einen Moment hinsetzen wollen und sitzen schon..... hier. Warten Sie die Reaktion ab und reagieren Sie darauf! Versuchen Sie herauszufinden: Was Ihr Gegenüber besonders interessiert, berührt, fasziniert, bewegt, ärgert...Teilen Sie etwas mit, das Sie be- sonders bewegt und interessiert, am besten im Moment. Erlauben Sie sich und dem anderen Pausen und Schweigen Beginnen Sie dann einfach zu träumen, richten Ihre Augen auf den Horizont oder Dinge drum herum. Genießen Sie die Situation der Stille - Ihre Entspannung wird sich mitteilen. Der Vorteil: Sie kommen dann leichter intuitiv auf Themen, die „naheliegen“ und müssen sich nicht in ge- zwungene Themen und small talks flüchten. Bloß, weil Sie hingekommen sind, müssen Sie kein Unterhalter sein. Beenden Sie die Situation: So, wir machen uns mal wieder auf den Weg, War schön Dich/Euch kennengelernt zu haben, würde mich freuen, Dich/Euch einmal wiederzu- sehen. Sollten Sie weitergehende Ideen haben, spricht nichts dagegen: Ich/wir treffen uns morgen mit Leuten am Baggersee, würde mich freuen, wenn Ihr/Du auch kommt/st... „Wir sind regelmäßig...., wäre schön Dich dort einmal zu sehen. Ich möchte Dich gerne mal wieder treffen, darf ich Dir meine Telefon- nummer geben? Ruf mich doch einmal an. Gibst Du mir Deine Nummer, ich möchte Dich gerne mal anrufen... Vermeiden Sie verdeckte Fragen und „Würde Könnte“ Modus. (Vielleicht könntest Du mich mal anrufen?). Ziel: Kontakte zu bestimmten Menschen herstellen, seine Erfahrungen im Umgang ausweiten.

33. Übung: Flasche Wein halb voll oder halb leer.

Instruktion: Wer hat heute Freude an seinem eigenen Aussehen und Auftreten, an seinem Leben, an seinem Tag, wer hat Interesse und Achtung für sein Leben, unbesehen, ob er sich freut oder traurig ist, Wer ist bereit, sich seinem Leben heute zuzuwenden? Wer ist heute bereit, sich dem Leben überhaupt zuzuwenden? Fehlanzeige? Alles mies, resigniert, trostlos? anödend, langweilig. Wenn Sie zur Ansicht gekommen sind, daß Sie heute hinreichend Zeit mit den trostlosen Seiten des Lebens verbracht haben und weiter befinden , daß

143 Sie einer besseren Stimmung nicht abgeneigt wären, können Sie etwas dafür tun: Sprechen Sie von Menschen, die Sie mögen, erzählen Sie, was Sie heute trotz alledem schon Schönes gesehen haben. Vergegenwärtigen Sie sich alle Ihre Stärken. Vergegenwärtigen Sie sich die positiven Dinge in der Welt, die es den Menschen schon immer erlaubt haben zu überleben. Wenn es wahr ist, daß die Flasche halb leer ist, ist es auch wahr, daß sie halbvoll ist. Warum sollten Sie nicht die Version bevorzugen, die Ihnen besser tut? Ziel: Vermeiden Sie, in unrealistisch trostlose Gedanken zu kommen.

34. Übung Flirthelfer in Anspruch nehmen

Instruktion : Durchzählen. Jeder besitzt eine Zahl, jeder merkt sich den- jenigen mit der Zahl unter ihm. Wir gehen gemeinsam zum Schloßpark. Der erste gibt offenkundig den Weg an, Die Aufgabe des „Hintermannes“ ist es festzustellen, welche Menschen ihrem Vordermann einen Blick zuwerfen. Vielleicht können Sie feststellen, was diese Blicke bei Ihnen auslösen. In einer „Sitzsituation“ pflegen selten weniger als 2O% einem „Neuzu- gang“ einen Blick zuzuwerfen, selten mehr als 5O%, außer ein Raum sei recht leer. In einer Hauptstraße sinkt die Quote. Je mehr „flaniert wird“, je mehr Blicke gibt es, je weniger - je weniger. Wer in ein Buch vertieft ist, sieht die Welt um sich herum nicht. Jeder kann sich überlegen, ob er einen Blickfang darstellen will, und was er tun will dafür. Wer hat Ideen? Niemand kann von sich zuverlässig wissen, wie er vor allem Unbekannte wirkt. Hilfreich kann sein, wenn wir jeweils als Berater wirken und versuchen herauszufinden , wo die „Flirtstärken von jemanden liegen können. Also jeder ist jetzt einmal Opfer, und wir beraten ihn: 1. Wir stellen fest, was er gar nicht erst ändern muß, wo seine Möglich- keiten liegen... 2. Wir denken uns aus, was er aus dem vorhandenen machen kann. Aufgabe für zu Hause. Suchen Sie einen Bekannten/Bekannte, die als ästhetischer Berater fungiert. Ziel ist: Wie Sie sich wohl fühlen., nicht, wie Sie glauben, daß sie anderen gefallen.

35. Die minimale Berührung

Ziel: Kontaktmöglichkeiten ausprobieren bei sich und beim anderen. Situation: Sie sitzen, stehen mit jemanden zusammen, mit dem sie flirten wollen.. Nähern Sie im Gespräch oder auch ohne, irgend etwas aus ihrer Sphäre der des anderen an, achten Sie auf die Reaktionen des anderen. :

144 - Rücken Sie ihr Glas oder Ihre Tasse in seine Nähe (wird es geduldet, ist es schon zu nah, ist es willkommen?) - Schieben Sie ein Buch, Bleistift, Bierdeckel an den Ihres Gegenübers (spielt der andere mit?) -Zupfen Sie Ihr Gegenüber minimal am Ärmel oder berühren ihn minimal mit dem Finger und: (bleibt die Haltung des anderen freundlich, kommt er näher, oder geht er auf Abstand?) -Rücken Sie die Gegenstände wieder weg, wiederholen Sie es auf unter- schiedliche Art.(Verändert das etwas, bleibt es wie es ist oder wird frostiger). -Stellen Sie Ihr Glas auf vier Bierdeckel und stellen es neben das des anderen, dann gehen Sie mit dem Glas zurück und lassen eine Bierdeckel- straße liegen, die Sie sogleich wieder einsammeln. - malen Sie auf den Bierdeckel oder ein Blatt Symbole, die etwas mit dem Flirt zu tun haben: zwei Kreise, die sich begegnen oder zwei Pfeile, Wellen mit zwei Fischen darin, zwei Vögel, vielleicht auch drei oder vier, aber zwei heben sich heraus.. Schreiben Sie: "Ich liebe Dich" auf chinesisch und sagen, es sei irgend etwas Romantisches...).(geht jemand drauf ein, macht einen Kommentar? -. Beugen Sie sich im Gespräch gelegentlich vor (und wieder zurück), gehen Sie einen kleinen Schritt vor - und wieder zurück. -Berühren Sie einen Gegenstand zärtlich - aber nicht plump. Auch sämtliche Ausdrucksweisen wie Lächeln, den Kopf vor- oder schräg neigen, häufiger ab- und zuwenden gehören dazu. Ziel: Es geht nicht um Anschleichen und Anbaggern, sondern um minimale Hinweise, die Ihnen selber Ihr Interesse verdeutlichen und dem anderen eine Möglichkeit geben, darauf einzugehen - oder nicht, man verwendet nicht die Sprache sondern Ausdruck und Gestik.

36. Übung: Who ist who?

36.1 Instruktion: Nehmen Sie in einer beliebigen Gruppe, mit der sie zu tun haben, den nächsten naheliegenden Menschen und suchen nach charakteristischen Merkmalen. Dazu gehört vor allem sein Name, evtl. wichtige andere Dinge wie sein Wohnort, sein Studium oder ob er einen Hund hat. Jedesmal, wenn Sie ihn ansehen, führen Sie sich die aufgenommenen Informationen noch einmal innerlich vor. Gehen Sie dann zu einem weiteren Menschen über und machen dort dasselbe, dann zum nächsten und so weiter. Wiederholen Sie dabei des öfteren innerlich, indem sie den einen oder anderen ansehen, die zugehörigen Informationen. Vielleicht fallen Ihnen Fragen und Interessen ein, die Sie in einen be- stimmten erneuten Kontakt einbringen können.

36.2 Ziel der Übung Sie können reichhaltiger und differenzierter auf einen Menschen reagieren, wenn Sie etwas von ihm erfahren und ihn sich

145 vorstellen können. Das hieß nicht, sich ein Bild oder eine Einschätzung machen, also über ihn urteilen und ihn klassifizieren. Es geht um unver- stellte Informationen. Das bewirkt, daß Sie ihm lebendiger gegenüber- treten und der Betreffende sich wertgeschätzt und wahrgenommen fühlt - und zwar zu Recht. Da Sie so mehr von- und miteinander haben, bestehen so auch mehr Flirtchancen in weitere oder andere Richtungen. Dies ist mit eine der einfachsten und wirksamsten Übungen, sein Interesse an Menschen zu entwickeln.

37 Übung Gastgeschenke mitbringen Instruktion: Wenn Sie auf Menschen zugehen, bringen Sie immer etwas Schönes mit. Das kann tatsächlich eine Aufmerksamkeit für den einen oder anderen sein. Manche Menschen machen sich schön, so daß ihr An- blick den anderen eine Freude ist. Dritte tragen etwas zur Unterhaltung bei oder helfen bei etwas. Ziel: Im einen wie anderen Falle tun sie etwas für die vorhandene Wünsche bei anderen, oder sie entwickeln auf Ihr Angebot hin neue. Das erzeugt positive Stimmungen und Phantasien und ist eine gute Voraus- setzung für einen weiteren Flirt.

38. Übung Kenner kennen: Instruktion: Bevor Sie auf Leute zugehen, vergewissern Sie sich der- jenigen Dinge bei sich, zu denen Sie selber stehen, die Sie gut heißen, wertschätzen, sich daran freuen - was immer das auch ist und was immer auch andere davon halten mögen. Nehmen Sie immer auch Teile Ihres Äußeren dazu, also nicht nur Abstraktheiten wie "Ich bin zuverlässig". Pathetisch wird das oft genannt "Lieben Sie sich selber". Gemeint ist etwas handfestes: Wenn Sie jemand gegenüberstehen, ergreifen Sie ihre eigene Partei und betrachten sich wohlwollend, hören sich wohlwollend zu, halten ihre Anwesenheit für eine Richtige. Der eitle und selbstgefällige Mensch geht davon aus, daß die anderen ihn toll finden. Das ist hier nicht gemeint. Es geht lediglich darum, daß es zumindest einige Aspekte gibt, zu denen Sie gut stehen können, auch wenn Sie (noch) der einzige Fan in Ihrem Fanclub sein sollten. Die anderen dürfen im Übrigen denken was sie wollen. Ziel: Sie wirken damit anziehender und vielversprechender und laden eher ein. Wenn Sie nur mißtrauisch und abweisend schauen, laden Sie aus, auch wenn ihr Wunsch ganz gegenteilig ist. Wenn Sie nur ängstlich schauen, wirkt das leicht wie "rühr mich nicht an". Wer sich selber gar keinen Kredit geben kann, hat es schwer, bei anderen wohlwollende Phantasien auszulösen (außer, wie gesagt, bei jemand mit Helfer- syndrom).

39. Berührungen

146 Instruktion: Gewöhnen Sie sich an, andere Menschen unter dem Aspekt der Berührbarkeit anzusehen. Die Frage lautete dann jeweils: 1. An welcher Stelle wäre meinem Gegenüber eine Berührung willkommen, lust- voll, angenehm, gewünscht, erwartet? 2. Welche dieser Berührungen ent- sprechen auch meinem Wunsch. Berührungen sollen mit Genuß vor- genommen werden, nie hastig. Ziel der Übung: Körperkontakt herstellen, der mit großer Sicherheit willkommen ist. Meist beginnt man mit eigenen Wünschen und ist von deren Intensität so erfüllt, daß keine Einfühlung in mein Gegenüber mög- lich ist. In den Märchen aus 1001 Nacht wird dieser Effekt und seine ver- heerenden Folgen immer wieder geschildert. Hast bewirkt, daß man weder sich noch den anderen richtig wahrnimmt.

40. Übung: Kontakt knüpfen

Instruktion: Zwei sprechen sich ab, einer knüpft den Kontakt, der andere hält den Kontakt zu ihm aufrecht, mischt sich aber nicht direkt in den Kontakt zum ritten ein. Die Rollen werden beim nächsten Versuch gewechselt. Sie gehen dann in eine Wirtschaft und setzen sich an einen Tisch, an dem mindestens noch 2 Plätze frei sind. Auch wenn alle anderen sich frei sind - bitten Sie darum, sich dazu setzen zu dürfen. Bei sehr ab- lehnendem "ja" die Bitte wiederholen und anbieten, daß man sich auch woanders hinsetzen könne, wenn die Betreffenden alleine sitzen wollen. Es besteht keine Notwendigkeit, sofort ein Gespräch zu beginnen, dafür sind zwei da, daß sich miteinander befassen können. Beginnen Sie den Kontakt mit Blickkontakt und/oder mit Wahrnehmen dessen was Sie sehen, Hören, Riechen, Fühlen. Wählen Sie davon aus, was sie mitteilen oder fragen wollen. Eine Auswahl: "Das ist das schönste Draußensitz Café in Karlsruhe" "Bleibt Ihr noch ein bißchen, oder seid Ihr schon am gehen?" "Ist ja schon nicht ganz so üblich, sich zu jemanden zu setzen - wenn noch andere Tische frei sind, oder? "Ist der Kaffe empfehlenswert?" (Falls Sie wirklich einen wollen). "Erstaunlich leer hier, trotz des guten Wetters, woran liegt das?" "Darf ich fragen wie Ihr heißt?" (Was führt Euch heute hierher? "Einen bildschönen Ring hast du, sieht aus wie ein Erbstück"

Einfügen: evtl. zu Zitat Ovid, oder ohne

147 "Wir sind gestern ins Wien gegangen, ohne uns irgend etwas vorzunehmen, haben uns in die unmittelbare Nähe von zwei Frauen gestellt und begonnen intensiv miteinander zu sprechen. Wir sind ja das erste Mal zusammen ausgegangen. Eine von den beiden hat uns dann angesprochen, dann auch die andere. Wir haben geantwortet, dann aber weiter miteinander gesprochen. Kurz und klein: Die beiden haben es mehrfach versucht und schließlich haben wir uns dazu gesetzt und lange miteinander gesprochen, es war un- glaublich, wieviel Gemeinsamkeiten wir dabei entdeckten. Sie wollten uns schließlich sogar im Auto ein Stück mitnehmen. So etwas ist uns in 4 Jahre Karlsruhe nicht passiert. Liegt das jetzt am Flirtkurs? Wenig später, in einer anderen Kneipe, wir stehen wieder da und unterhalten uns, fragen uns zwei Frauen, ob sie sich dazu stellen können. Verstehe ich nicht, das ist früher nie passiert." Der Grund war nicht schwer zu finden: Die beiden haben zum einen keinen Erwartungsdruck auf die Frauen ausgeübt, waren miteinander engagiert und zufrieden - hingen also nicht herum wie hungrige Wölfe auf der Jagd oder eingeschnappte Kleinkinder, die jemand vergessen hat ab- zuholen, und sind auf die Kontaktbemühungen eingegangen. Eine Portion Glück kommt hinzu. Das Glück ist aber normalerweise mit den Tüchtigen.

Einfügen in: echt blöd statt falsch gut, Echtheit vor Fassade und Tricks usw.

Unmittelbar nachfühlbar ist, daß folgende Haltungen einem Flirt eher im Wegen stehen: verkopft, berechnend, undurchschaubar, manipulativ, intrigant, gehemmt, verklemmt, unoffen, Fassade, verstellt" usw. Dem wird Spontaneität und Echtheit gegenübergestellt. Diese Forderung an sich selber ist der Flirtkiller Nummer eins, ich kann mich schwerlich auf- fordern spontan zu sein - dann bin ich ja nicht mehr. Unter "spontan" ver- stehen in diesem Zusammenhang die meisten,. daß man sich offen, frei, ungehemmt und ungezwungen seinen Gefühlen und Impulsen einem anderen Menschen gegenüber überlassen kann, ohne viel herum- zurechnen und zu rechten, was der andere wohl darüber denkt. Andere Ausdrücke dafür sind: impulsiv, offen, direkt, gerade heraus, unverstellt, ehrlich, unmittelbar, emotional". Alle diese Ausdrücke klingen positiv, weil sie meist auf positive Gefühle und Bestrebungen angewendet werden. Man muß aber bedenken,. daß Haß, Aggression, Verachtung, Neid, Eifersucht, Gier, Bosheit, Gewalttätigkeit usw. genauso direkt, unmittelbar und "ehr- lich-spontan" ausgelebt werden können, in Kriegen wird das massenhaft praktiziert. Wenn bis vor wenigen Jahren die amerikanischen Marines noch das Lied "1,2,3,4 every night we pray for war, 5,6,7,8 rape kill mutilate" gesungen haben, wird da durchaus eine Vorfreude auf die erlaubte Ge- walttätigkeit eingeübt. In Friedenszeiten künden die Gefängnisse von den Folgen spontaner Gewalt. Das wird nicht besser, wenn jemand zu seiner Gewalt steht. Spontan wird somit auch gleichgesetzt mit "schnell" reagieren Tatsächlich verhält es sich anders: Ich kann auch spontan (schnell) ver- stummen, gehemmt sein, gelähmt sein, stottern, blockiert sein, verwirrt sein usw. D.h., spontan hat nichts mit "schnell handeln " zu tun und nichts mit der Art der Gefühle. Wenn gleichwohl "schnell mit spontan gleich-

148 gesetzt wird, dann aus folgendem Grund: Man ist leicht geneigt, dem schnell reagierenden Menschen zu glauben, daß er sich keine Hinter- gedanken gemacht hat, berechnend ist, manipuliert usw..- Das ist aber unberechtigt. Der professionelle Süßholzraspler und Charmeur oder die "Hasch mich ich bin der Frühling " junge Frau sind durchaus schnelle Rechner und manipulativ - sie neigen zum Machtflirt. In einer Comic Sprechblase würde man ihre sprachlichen Absonderungen mit "Sülz...Laber...Schwall" kennzeichnen. Ich kann daher auch spontan aus- weichen, vermeiden, mich bedeckt halten, lügen und täuschen. Hier kommt also noch ein Merkmal hinzu: Jeder reagiert natürlich schnell, z.B. erschrocken oder begeistert - aber es kann sein, daß er zugleich oder sehr schnell noch andere Reaktionen bei sich wahrnimmt wie: Angst, Unruhe, Unsicherheit. Wenn von spontan die Rede ist, meint man in der Regel, daß das Erlebte auch schnell und direkt mitgeteilt wird. Tatsächlich hilft uns der Begriff Echtheit natürlich auch nicht besonders weiter. Denn unter echt wird gerne das Eindeutige und Edle gemeint. Umgangssprachlich sind die Menschen weiter, indem sie jemanden als "echt blöd" bezeichnen. Damit ist gemeint, daß der andere nicht nur einen Ausrutscher produziert hat, sondern das Verhalten zu ihm originär zu- gehört. Wenn hier von Echtheit die Rede ist, ist damit gemeint, daß jemand hinter dem steht, was er macht und tut, also kongruent, stimmig ist. Das bin ich natürlich auch, wenn ich verstumme - weil ich hin- und hergerissen bin. Würde ich mich gewaltsam für eine Lösung entscheiden, würde ich die Zerrissenheit übergehen und eine Eindeutigkeit vorspielen, die ich gar nicht habe. Stehe ich hingegen dazu, bin ich wieder kongruent: :"Kommst Du morgen auf unser Fest?" "Ich weiß nicht recht, ich bin hin- und hergerissen....also ich sag jetzt einfach ja und probier’s mal." Eine unechte Antwort wäre: "Au ja gerne" oder "Nee, keine Lust".

Also reicht es nicht, spontan, ehrlich und zu sich stehend zu sein, um flirten zu können . die Grundhaltungen zeigen, was noch dazu gehört. Im Wesentlichen natürlich die Berücksichtigung der Bedürfnisse und der Menschenwürde meines Gegenübers.

Flirtkiller: 1.Endlos Fragen stellen, wenn man nicht bekommt, was man möchte und erst dann aufhören, wenn man die gewünschten Antworten bekommt. Fragen als obszöner und penetranter Versuch, sich durchzusetzen, als Nörgeln, Bohren usw. Typisch für Leute, die ihre Interessen verdeckt äußern. Bodenheimer: Obszönität des Fragens. "Ich möchte nur darüber reden...".

2. Flirtkiller: Mehr desselben. Häufig gehen Flirts daneben, weil der eine der beiden nicht respektiert, daß der andere aufhört, sich zurückzieht, eine Pause macht usw. Der Rückzug eines Menschen vom Flirt ist völlig

149 normal, wenn er nämlich gemerkt hat, daß er sich weiter aus dem Fenster gelehnt hat als er leben kann. Um noch einmal Hegel zu zitieren: (S.545)"Jeder Mensch zwar hat ein Herz für die Liebe und das Recht, dadurch glücklich zu werden; wenn er aber hier, gerade in diesem Falle, unter den und den Umständen, in betreff gerade auf dieses Mädchen, sein Ziel nicht erreicht, so ist damit kein Unrecht geschehen." Viele Flirter entwickeln ihre eigene Verliebtheit aber weiter und ergänzen sich einfach imaginativ, illusionär die fehlenden Teile beim anderen. Sie stellen dann penetrante Fragen der Art "Warum warst Du nicht da, willst Du nicht, kannst Du nicht, was ist anders, vorher war es doch auch gut usw. Damit verderben sie das Vorhandene und das Mögliche. Besser ist,: Sie ziehen sich ebenfalls ein Stück zurück, und zwar soweit, daß der andere seine wohltuende und sichere Distanz, die er sucht, wieder hat. Aus dieser Distanz heraus kann das vorhanden und gut ge- bliebene noch genossen werden. Dann kann der Flirt von vorne beginnen - wenn jeweils das Tempo des anderen respektiert wird. D.h., jetzt könnte das Spiel anders ausgehen, auf anderen Wegen, langsamer, wie auch immer. Leider passiert das Gegenteil oft. Gekränkt, verletzt, beleidigt, wütend, trotzig usw. zieht sich der vergebliche Lover zurück und zerstört somit das, was er doch vorher begehrt und gemocht hat. Einfacher wäre es, den Schmerz als die Ergebnis der Ent - Täuschung, also der Aufklärung zu er- kennen und anzuerkennen und eine neue Position zu suchen, die ihm er- laubt, sein Gegenüber zu mögen, ohne sich in sinnlosem Begehren zu ver- zehren. Dazu müßte er selber Distanz nehmen und sich mehr Dingen widmen, die ihn ausfüllen und beschäftigen, statt sich ausschließlich auf den begehrten Menschen zu kaprizieren.

Flirtatmosphäre/Fördernd: Hegel ( 1955 (1842) S. 545 Flirtbereitschaft entsteht also am besten da, wo noch nichts fest ent- schieden ist und die Beteiligten offen füreinander sind. Das ist nun am ehesten der Fall, wenn Menschen jung sind oder in Lebensumständen leben, die so eine Offenheit enthalten. So ist der Studienbeginn, der Aufenthalt im Ausland, der Umzug in eine neue Nachbarschaft, eine neue Arbeitsstelle usw. mit solchen Unsicher- heiten und Neuheiten verbunden. Aber auch im kleinen Bereich: Man bereitet ein Essen für Freunde vor, das einfach anbrennt - und muß nun improvisieren. Der vereinbarte Besuch im Kino fällt mangels Karten aus usw. In jedem Fall sind die Augen, Ohren und Herzen zwangsläufig offener für die eigenen Gefühle, und , wie Hegel scharfsinnig bemerkt, auch für die des anderen: "Die Jugend nun, wenn die Individuen noch in gemeinsamer Unbestimmtheit ihrer wirklichen Verhältnisse leben, ist die Zeit, in welcher

150 sie sich aneinanderschließen und so eng zu einer Gesinnung, einem Willen und einer Tätigkeit verbinden, daß dadurch jedes Unternehmen des einen zugleich zum Unternehmen des anderen wird. In der Freundschaft zwischen erwachsenen Männern sieht er das anders: Jeder geht dort seinen eigenen Weg. Nun ist das keineswegs ans Alter gebunden, sondern lediglich an die Bereitschaft, sich von eigenen Festlegungen herunterzubegeben und dem Neuen zu öffnen. Wenn die Freunde mit dem Alter abnehmen und immer weniger neue Freundschaften gefunden werden, so hängt das wesentlich daran,. daß die Menschen sich lieber ans Sichere, Feste halten, statt sich neuen Personen zu öffnen - und auch selber in Frage stellen zu lassen.. Daher kann ein Flirt nur dann lebendig und richtig sein, wenn man sich im Moment des Flirtens aus Berechnungen und Festlegungen heraus begibt, und den Unsicherheiten und Gefühlen, Gedanken und Phantasien, Im- pulsen und Hemmungen des Momentes überlässt.

Zur Rolle der Sexualität:

Der erotische Flirt: Die Beziehung zwischen Mann und Frau ist spezifisch ausschließlich durch den sexuellen Aspekt, zu dem der Aspekt der Fort- pflanzung gehört. Unsinnigerweise werden in Flirts, in denen es durchaus um den Aspekt der Paarung geht, völlig andere Gesichtspunkte in den Vordergrund gestellt: Freundschaft, Zärtlichkeit, gegenseitiges Verstehen, übereinstimmende Interessen usw. Natürlich kann eine Liebesbeziehung nicht gut ausgehen, die diese Bereiche nicht befriedigend gestaltet. Sie geht jedoch auch nicht besonders gut aus, wenn sie den sexuellen Aspekt vernachlässigt, also damit auch den Triebaspekt. Ohne diesen könnten sich alle möglichen Menschen zusammentun, wie dies ja auch in WGS z.B. geschieht. Beim Flirten heißt das lediglich, daß jemand sich un- befangen und mutig mit seinen sexuellen Gefühlen und Wünschen an eine andere Person befassen soll. Leugnet er dies, verdrängt es, bagatellisiert es usw. wird sein Flirt verkrampft, wenn nicht unoffen und unklar. Entsprechend gibt es unangenehme Flirts: Jemand flirtet mit seinem Geld - meint aber Sexualität, jemand flirtet mit seiner Sexualität - meint aber einen Versorger.

Dieser Text gibt keine Hinweise für homosexuelle und lesbische Be- ziehungen. Das Thema wäre für diese Menschen aber von großer Be- deutung: Während es für den Hetero schon schwierig ist, einen Partner zu finden, ist es für den H. in gewisser Weise schwieriger, weil niemand auf der Stirn trägt, ob er homo- oder heterosexuell ist. Während der Het. nur einen Korb bekommt, bekommt der H. oft noch Verachtung, nicht selten Schläge dazu, da Männer wesentlich gewalttätiger als Frauen sind und eine sexuelle Annäherung durch einen Mann als Beleidigung erleben. Als-Ob-Übung: Tun Sie so, als ob sie flirten - obwohl sie tatsächlich flirten. Nichts wird so wenig geglaubt wie die Wahrheit. Also sagen sie mit flirtender Ironie: "Ah, Klaus (Christine), der Abend ist gerettet" "Zu

151 meinem Glück brauchte ich eigentlich nur, daß Du mich liebst, ich tus ja sowieso schon." Ab einer gewissen Direktheit glaubt sie keiner mehr - und ist sich doch nicht sicher, obs nicht doch wahr ist. Also ein Flirt.

Erweiterungen/Änderungen Grund, warum Flirten immer einfach und doch auch schwer ist:

Da Flirten als Spiel mit Möglichkeiten aufgefaßt wird, setzt es keine be- sonderen Fähigkeiten voraus. Auch sprechen, singen, Wahrnehmen, Laufen setzen keine besonderen Fähigkeiten voraus, alle Menschen ver- fügen darüber, sofern sie nicht durch Krankheit und Unglück darin be- schränkt sind. Sofern ich also überhaupt über irgendeine Lebensmöglich- keit verfüge, kann ich damit flirten. Des weiteren kommen Menschen nicht umhin, sich zu ändern und zu entwickeln, wohin auch immer. Also kann ich auch immer mit meinen Möglichkeiten flirten. Was für mich zutrifft, trifft für mein Gegenüber zu. Diese Tatsachen veranlassen aber noch lange kein Flirten. Flirten entsteht ersteht erst durch Freude und Interesse am anderen Menschen. Wenn Casanova meint, ¾ der Liebe bestünde aus Neugier, hat er Recht. Denn Neugier, Interesse, Anteilnahme am anderen, an seinen Möglichkeiten und Wirklichkeiten ist eine Voraussetzung für die Liebe und das leidenschaft- liche Begehren. (Negative Form: Fanatische Eifersucht, die alles kontrolliert und wissen will). Nicht immer ist die Neugier willkommen, der Neugierige ist dann ein Spanner, Voyeuer, aufdringlich, die Grenze über- schreitend, penetrant, taktlos und Distanzlos usw. Der gute Flirt handelt also von der rücksichtsvollem und auf die Person des Gegenübers ab- gestellte Neugier und Interesse. Flirten lernen heißt daher immer auch, wenn nicht in erster Linie, das Interesse an anderen Menschen verstärken und entwickeln. Flirten ist somit weniger eine Sache des Könnens, des Anwendens geschickter Ver- haltensweisen, als eine Sache des Erlebens, sich Interessierens, Anteil- nehmens am anderen Menschen und an seiner eigenen Freude daran. Wenn man erfolgreiche Flirter und weniger Erfolgreiche betrachtet,. so wird man sehen, daß weder Reichtum noch Schönheit noch soziale Kompetenz den Künstler auszeichnen, sondern seine Fähigkeit, sich für andere zu begeistern. Und um gekehrt sind die wenig Erfolgreichen Menschen auf diesem Gebiet Menschen, die sich für alles mögliche, nicht aber für das Leben ihrer Mitmenschen interessieren. Flirten lernen heißt daher: Lernen, Freude an anderen Menschen haben. Warum heißt es immer: Man müsse sich selber annehmen und akzeptieren? Nun, wenn ich mich selber ablehne signalisiere ich anderen, daß ich ihr Interesse nicht wert bin. Ich werde also Angebote der anderen gar nicht wahrnehmen oder abtun: "Das kann nicht sein, daß so etwas Minderwertiges wie ich gemocht werden, gleich werden sie merken, daß ich eine Mogelpackung bin". Es ist dann gefährlich, sich für andere zu interessieren - es wird daneben gehen, denn es wird keine Erwiderung

152 geben. Daher wird zu Recht als Königsweg zum anderen der Umweg zu sich selber angeben. Das ist nun aber nicht so leicht. Wie sollte ich mich mögen, wenn ich die Erfahrung mache, daß ich der Einzige in meinem Fanclub bin? Und ist es nicht Zeichen des eitlen und aufgeblasenen Menschen, sich gut zu finden und nicht zu merken, daß es sonst niemand tut? Ist es nicht richtig, mit Selbstbewußtsein zu warten, bis die anderen einem signalisieren, daß man OK ist.? Wie immer liegt die Wahrheit nicht im Extrem - bzw. das nur in selten Momenten, sondern wechselnd in der Mitte ödere mal mehr zum einen oder Rande hin, und nicht selten sowohl als auch. D.h., die beiden schließen sich nicht aus. Zunächst wurde beschrieben, daß man "echt blöd sein soll". D.h. sich auch dann annehmen, wenn man feststellt, daß man nicht so toll ist wie man gerne wäre. Erst im Laufe der Zeit und Erfahrungen mit diesem Nichtsnutz wird man merken, daß man auch damit ziemlich weit kommt. Erst dann, durch Erfahrungen verändert man seine Wertvorstellungen und kann sich wertschätzen so wie man ist. Und umgekehrt muß man anderen die Chance einräumen, einen anderen Geschmack als man selber zu haben. Und da ist ja offenkundig, daß jemand, der eine Frau begehrt ihr zugestehen wird, daß sie es nicht tut, sondern einen Mann begehrt. Und es ist ebenso offenkundig, daß ein aus- schließlich heterosexueller Mann wenig Ahnung davon hat, was eine Frau an einem Mann begehren kann, wenn er dieses Begehren nicht selber hat. Und umgekehrt. (Berühmt ist der Monolog von Molly Bloom im Ulysses, in dem eine Frau sich wundert, was ein Mann an ihr findet). Aber, so wird man einwenden: Schönheit, Charme, Reichtum Intelligenz, Reden können, Tanzen können, Bildung, Sex Appeal sind doch alles Be- dingungen für sozialen Erfolg und Erfolg beim anderen Geschlecht. Das ist richtig, und das zu leugnen wäre so dumm, wie zu leugnen daß es reich- lich Bosheit und Dummheit in der Menschheit gibt. Jedoch: Flirten können heißt nicht, Chancen beim anderen Geschlecht haben. Die Paarungschancen hängen nicht ausschließlich und erster Linie vom richtigen Flirten ab. Aus einem Schweineohr ist kein Seidenkleid zu machen, egal, wie geschickt m an daran webt.

Wer also Flirten lernen will, soll dieses nicht verwechseln mit der Steigerung seiner persönlichen Ressourcen und Fähigkeiten. Dies bewirkt lediglich indirekt eine Steigerung seiner Flirtmöglichkeiten, seiner Flirt- macht. Er hat mehr Lebensbereiche, in denen er und mit denen er Flirten kann. Das Flirten selber jedoch hängt nicht von der Menge und dem Um- fang dieser Bereiche ab. In die Flirtkurse kommen mehr Menschen mit dem Ziel 1. Ihre Stärke zu erweitern. Also irgendwie anziehender zu werde, un- widerstehlicher als sie sind. Sie können verglichen werden mit Leuten, die Judo machen, um mit weniger Kraft mehr Effekt zu erzielen. 2. Ihre Stärke durch Tricks zu erweitern, wo es ihnen an Potenz fehlt. Sie können verglichen werden mit Leuten, die sich bewaffnen, wo es ihnen an Körperkraft fehlt.

153 3. Ihre Stärke anzuwenden, wo es ihnen an Kompetenz fehlt. Sie können verglichen werden mit Leuten, die ein besseres Marketing lernen wollen.

Irgendein altes Inhaltsverzeichnis.

1 Flirten

Literatur

Bönnen, R.: Flirten - aber wie? Humboldt Verlag, München 1994 (1989) (Nützlich, zielt auf Gewinnen einer Liebesbeziehung ab).

Bossi, Jeannette: Augen-Blicke Zur Psychologie des Flirts Huber: Bern, Göttingen u.a. (49.80, 187 Seiten) (langweilig und wenig nützlich)

Bruck, A. (1990)Sexuelle Eifersucht: Erscheinungsformen und Bewältigungsmöglichkeiten im Kulturvergleich Opladen: Westdeutscher Kulturverlag (wenig nützlich für das Thema Flirten)

Elsner, Constanze Wie man einen Mann aufreißt. Heyne München 1994 17e Auflage seit 1983 gleiche Autorin, Verlag und Jahr: Wie man eine Frau aufreißt

154 (verspricht mehr als sie hält, daher die vielen Auflagen. enthält viel Unsinn, vertritt den Machtflirt in erster Linie. Jedoch: wer sich raussuct, was er/sie brauchen kann, wird auch etwas finden.)

De Angelis, Barbara: Wie viele Frösche muß ich küssen? So finden Sie den richtigen Mann. München: Heyne 1996 Enthält Listen, nach denen man in Frage und nicht in Frage kommende Männer unterscheiden kann. Ziemlich blöd.

Fein, Ellen, Schneider, Sherie: Die Kunst, den Mann fürs Leben zu finden. Piper:München, Zürich 1997 (aus dem amerikanischen ) (ein Haufen flotter amerikanischer Unfug mit viel wahrem Kern. Das Flirten wird eingeschränkt auf seine Eignung, den Mann fürs Leben zu finden).

Fromm,. E.: die Kunst des Liebens. dtv München 1995 (1956) (Stellt in dem Ideal der Liebe die richtige Grundhaltung für das Flirten dar, über dieses selber aber wenig).

Hamburger, Regina: 1 mal 1 Des Flirtens Econ Verlag , Düsseldorf, Wien, 1994,2e, (Nützlich, enthält viele gute Gedanken und Ideen, ein wenig langweilig und mühsam geschrieben)

Hollinger, P.: Flirten . Der kurze Blick zum kleinen Glück. mvg Verlag München 1994, 34, (Nützlich, Partnersucheorientiert, Hollinger hat diverse Flirt- schulen in München, Wien und Düsseldorf gegründet. Fernseh- sendungen,. Funk, Presseauftritte. )

Leskov, N.: Der verzauberte Pilger RORORO Hamburg 1961 (Eine literar. Darstellung eines Flirts...)

Lewis, Michael: Scham Knaur, München 1995 (1992 engl. Shame - The Exposend Self) Viel Theorie zur Scham als Grundhaltung, nützlich, aber

155 weniger zum Flirten.

Lucas, M.: So kommt man sich näher. Die Kunst des Flirtens. Econ, Düsseldorf, Wien 1994, 2e Einige nützliche Gedanken und Hinweise, ein bißchen blaß und dünn.

Ovid: Liebeskunst Artemis: München Zürich, Insel Taschenbuch 1976 Mehr von historischem Interesse, aber Ratschläge ähneln heutigen!, z.B. dem Anderen Raum lassen statt ihn zu be- drängen.

Papillon, Marie: Unwiderstehlich flirten. Tausendundeine Liebesstrategie. Gondrom: Bindlach 1997 (aus dem amerikanischen) In über 500 zehn bis dreissig Zeilen Tips und Überlegungen zum lustvollen und guten Flirten inkl. internationalen Ortshinweisen. Mühsam zu lesen wegen der aphoristischen Darstellung, aber viel Zu- treffendes darin nützlich. Wie bei allen wird der Übungs- und Erfahrungsaspekt zu wenig bedacht.

Page, Susan: Ich finde mich toll - warum bin ich noch Single? Zehn Strategien, die Ihr einsames Dasein dauerhaft beenden. Gut gemeint, aber: Die wenigsten finden sich so toll und flirten deshalb nicht. München: Droemer Knaur 1992

Püttjer, C., Schnierda, U. Flirten für Studierende. Mehr Spaß im Studium. Sit Up!-Verlag: Kiel 1996 Gutes Buchcover, suggeriert flottes problemloses Flirten durch knappe Anleitung, kann man nutzen. Die Realität ist zäher.

Schopenhauer, A.: Die Welt als Wille und Vorstellung Atlas Verlag, Köln ohne Druckjahr, Nachdruck der zweiten Auf- lage von 1844 Darin: Von der Metaphysik er Geschlechtsliebe. Sehr amüsant

156 geschrieben. Danach wäre der Flirt nicht nur Lebensform, sondern lebensnotwendig.

Solschenycin Wenn der Flieder blüht Goldmann 1967 Eine schöne literarische Flirtgeschichte

Tramitz, Christiane: Auf den ersten Blick. Die ersten 30 Sekunden einer Begegnung von Mann und Frau. Econ: Düsseldorf, Wien 1992 Sterbenslangweilig und wenig geeignet als Flirthilfe, eine empirische Studie mit wenig aussagekräftiger Methodik und Er- gebnis.

Tramitz, Christiane: Irren ist männlich. Weibliche Körper- sprache und ihre Wirkung auf Männer. Goldmann: München 1995 Sterbenslangweilig und wenig geeignet als Flirthilfe. Zeigt nur, daß man Menschen täuschen kann.

Van Eijk, Inez: Zu dir oder zu mir? Das Buch der erotischen Etikette. Heyne: München 1994; Kabel: Hamburg 1998 Zahlreiche gute Einfälle und Hinweise, Thematisierung von Sexualität schlecht wie in allen Anleitungen!

von Hohenstein, Alexander: Eine kleine Gebrauchsanweisung zum Flirten. Liebäugeln, Anbandeln & Verlieben. Vom prickelnden Glück des Augenblicks. Südwest Verlag GmbH & Co KG: München. Ohne Jahresangabe. An die 200 1-zehnzeiler Spruchwahrheiten zum Flirten. Wahr, wenig hilfreich.

Vatsyayana, Mallanaga: Das Kamasutra. Heyne München 1995, 9.e Erstaunlich modern anmutende Flirttips, Volltextausgabe nehmen!

157 Wlodarek, Eva: Den richtigen Mann finden. Sechs Schritte zur passenden Partnerschaft. München: Fischer 1998

Zacker, Christina, Herr Alexander: Kleine Flirtschule. Mit einem Blick fängt alles an. Augustus, Augsburg 1997 Erläuterungen und gute Hausaufgaben, nützlich.

Zimbardo, P. (1991) Nicht so schüchtern München, Landsberg: mvg Verlag Liegt mir nicht vor.

Zunin, L.; Zunin, Natalie: Kontakt finden. Die ersten vier Minuten. München: Scherz Verlag 1989 Laut Wlodarek gute Beispiele, Übungen und Ratschläge

Vorwort 1

1. Flirten? Qu´est ce que c´est? 3

1.1 Die Vorgehensweise.... 4

1.2 Umgangssprache 4

1.3 Etymologie 5

1.4 Flirten und anderer Umgang 5

1.5 Flirten und Nebenwirkungen 8

1.5.1 Die positiven Auswirkungen eines Flirts sind vielfältig 8

1.5.2 Unerwünschte Nebenwirkungen 8

2. Kann – muß man das Flirten lernen? 11

158 2.1 Flirten früher 11

2.2 Flirten heute 11

2.3 Flirts sind Ausdruck von Beziehungswünschen 13

2.3.1 Der Machtflirt 14

2.3.2 Die Flirtlust an der Flirtmacht 16

2.3.3 Flirtmacht macht Flirtlust, Machtflirt macht Streß 17

2.3.4 Wie kommt man vom Machtflirt in die Flirtlust hinein? 20

2.4 Gilt das Gesagte auch für Problemflirter? 23

3. Verschiedene Vorurteile über das Flirten erschweren es, das Flirten zu lernen 27

4. Flirten ist der Ausdruck einer fundamentalen Fähigkeit 30

4.1 Alle höheren Lebewesen flirten 30

4.2 Die Art der Beziehungswünsche 30

4.2.1 Der Wunsch nach Nähe, Freundschaft, Zugehörigkeit, Bindung 31

4.2.2 Soziale Position, Rolle und Funktion in der sozialen Ordnung und Hierarchie 32

4.2.3 Erotische und sexuelle Begegnung 38

4.2.4 Unklare und komplexe Wünsche 39

4.2.5 Andere Lebensbereiche: Beziehungsziele und öffentliche Rolle 41

4.2.6 Transzendente Beziehungswünsche und Autonomie 44

5 Flirtbremser, Flirtkiller und Helfer 44

159 5.1 Definition 45

5.2 Es gibt zwei Arten, über die Helfer nachzudenken 46

5.2.1 Tricks, Methoden, Kniffe 46

5.2.2 Grundhaltungen, Regeln, Einstellungen (Bezug auf Grundbedürfnisse und Be- ziehungserwartungen) 46

5.2.2.1 Interesse an sich und anderen entwickeln 46

5.2.2.2 Die Gegenwart zählt 47

5.2.2.3 Kooperation geht vor Durchsetzen oder Flucht 48

5.2.2.4 Großzügigkeit und Risiko gehen vor Berechnung und Absicherung 49

5.2.2.5 Die Würde des Momentes geht vor seinem Nutzen 49

5.2.2.6 Der wirkliche Flirt geht vor dem Idealen 49

5.2.2.7 Der Situation Kredit geben statt Mißtrauen üben 50

5.2.2.8 Das Spiel mit den Möglichkeiten ist bereits der Erfolg 50

5.2.2.9 Erfahrung und Üben gehen vor Einsicht und Erkenntnis 51

5.2.2.10 Erotische Reaktionen: Es kommt darauf an, was man damit macht 51

5.2.2.11 Ein Flirt richtet sich auf die Außenwelt 52

5.2.2.12 Annäherung und Begegnung geht vor Flucht und Vermeidung 52

6 Wo – Wer – Wofür – Womit – Wie 53

6.1 Wo: Orte, an denen Sie flirten können 53

6.2 Mit wem?: Menschen, mit denen Sie flirten können 54

160 6.3 Wann?: Das Lebensalter 62

6.4 Wann? Der Einfluß der Lebenssituation 63

5.5 Wohin? Die Beziehungswünsche der Flirtbeteiligten 64 6.6 Womit?: Entwicklung der persönlichen Flirtstärken 66

6.6.1 Augenflirt 66

6.6.2 Wahrnehmen, Sehen, Hören und Lernen, Verstehen 71

6.6.3 Handlungsflirt: Flirten durch Tun 72

6.6.4 Träumen, Entwickeln von Flirtphantasien 77

6.6.5 Der emotionale Flirt 77

7. Flirtstile, Typen 80

7.1 Der direkte und der indirekte Stil 80

7.2 Der Flirt mit der Schönheit 85

7.3 Der humorvolle Flirt 87

7.4 Der provokative Flirt 88

7.5 der erotische Flirt 88

7.6 Der aggressive Flirt 89

7.7 Der Ausdauerflirt 89

7.8 Der Rollenflirt 90

7.9 Der traurige Flirt 90

7.10 Der romantische Flirt 91

7.11 Der konservative Flirt 91

161 7.12 Der revolutionäre Flirt 92

7.13 Der heimliche Flirt 92

7.14 Der Gelegenheitsflirt 93

7.15 Der Machtflirt 93

7.16 Der Flirt um eine Freundschaft 93

7.17 Der demonstrative Flirt 93

7.18 Der Standardflirt 94

8. Flirter in der Geschichte, Kunst und Literatur, Film und Theater 95

8.1 Pharao – Noferetete 95

8.2 Jesus – Magdalena 95

8.3 Cäsar/Antonius – Kleopatra 95

8.4 Machiavelle – Venus/Aphrodite 95

8.5 Don Chuan – Kirke 95

8.6 Odysseus – Sirenen 95

8.7 Casanova Kant 95

8.8 Romeo – Julia 95

8.9 Bond und Bardot 95

8.11 Vater und Mutter 95

8.12 Herr und Sklave 95

8.13 Winner und Looser 95

162 8.14 Eltern und Kinder 95

8.15 Vamp(Sünder) und Heilige 95

9. Flirttypen auf „psychologisch“ 95

9.1 Typen nach Störungsbildern 96

9.1.1 Depressiver Flirter 96

9.1.2 Phobischer Flirter 96

9.1.3 Hysterische Flirt 97

9.1.4 Zwanghafte Flirt 98

9.1.5 Manische Flirter 98

9.2 Typen nach Persönlichkeitsauprägungen 00

10 Übungen 101

Ü1. Wer bin ich? 102

Ü2. Kontakte bereichern 102

Ü3. Erfolge nutzen 102 Ü4. Eigene Ziele und Wünsche klären und konkretisieren 103

Ü5. Klarheit der eigenen Wahrnehmung fördern 103

Ü6. Vorurteile und Wahrnehmung 104

Ü7. Auf Empfang gehen 104

Ü8. Was will ich eigentlich konkret und jetzt 104

Ü9. Was könnte ich wollen? 105

163 Ü10. Kein Ruf wird nicht ruiniert 105

Ü11. Was wäre wenn 105

Ü12. Was ich brauche 106

Ü13. Korb annehmen 106

Ü14. Das war gemein 106

Ü15. Sich anpreisen 106

Ü16. Wahrnehmen und darüber hinaus 107

Ü17. Interesse an der Welt entwickeln 107

Ü18. Sowohl als auch 107

Ü19. Für den Anderen da sein 108

Ü20. Flirts finden überall statt 108

Ü21. Offenheit und Bereitschaft statt Forderungen und Erwartungen signalisieren 108

Ü22. Lieber echt blöd als falsch gut 109

Ü23. Interview 109

Ü24. Von was kann jemand bei Dir träumen (Alpträumen)? 110

Ü25. Schätze suchen 111

Ü26. Mit Dir könnte ich Pferde stehlen 111

Ü27. Nehmen wir an, ich wäre verliebt in Dich 112

Ü28. Andere sind viel schöner (toller, besser..) 112

Ü29. Mein Freund 112

164

Ü30. Tanzen 113

Ü31. Wirkung überprüfen 113

Ü32. Abstand verringern und Kontakt aufnehmen 113

Ü33. Flasche Wein halb voll oder halb leer 115

Ü34. Flirthelfer in Anspruch nehmen 116

Ü35. Die minimale Berührung 116

Ü36. Who is who? 117

Ü37. Gastgeschenke mitbringen 117

Ü38. Kenner kennen 117

Ü39. Berührungen 118

Ü40. Kontakt knüpfen 118

Noch anzufügende Textteile 122

11Literatur 125

165