Neue Zeitung Für Einsiedler Mitteilungen Der Internationalen Arnim-Gesellschaft
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Neue Zeitung für Einsiedler Mitteilungen der Internationalen Arnim-Gesellschaft Jahrgang 8/9 (2008/2009) Herausgegeben von Walter Pape Köln 2010 Bilder vom 7. Kolloquium der Internationalen Arnim-Gesell- schaft, Haus Hainstein, Eisenach, 24.–27. Juli 2008 Anschrift der IAG: Internationale Arnim-Gesellschaft e. V. Prof. Dr. Dr. h.c. Walter Pape Universität zu Köln Institut für deutsche Sprache und Literatur I Albertus-Magnus-Platz D-50923 Köln Tel.: (0221) 470–2444/2460 Fax: 470–5107 E-Mail: [email protected] ISSN 1613–3366 © der Beiträge bei den Autoren Gedruckt mit Unterstützung der Universität zu Köln Druck: Print:Comm; Druckservice Jürgen Brandau; Köln Umschlagbild: Karl Friedrich Schinkel, Abenddämmerung (1813/14). Berlin, Staatliche Museen Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie Inhalt Aufsätze ULFERT RICKLEFS Ein Wunderhorn-Lied in Aufklärer-Lesart und politischem Kontext – Preußen 1808 und 1792 .......................................... 7 HEINZ HÄRTL Kleine Arnim-Chronik der Bildungsreise ........................................................ 20 BETTINA ZSCHIEDRICH »Und das Geschwätz hat eine Seele bekommen«: Johannes Daniel Falk und die »Wunderhornmänner« ..................................... 34 JÜRGEN KNAACK Arnim und der »Deutsche Beobachter« ........................................................... 51 FREDERICK BURWICK Coleridges »Faust«-Übersetzung ..................................................................... 68 Kleinere Beiträge URSULA HÄRTL Dieser »Brief« ist kein Brief: Zum Verständnis eines Arnim’schen Textes .... 79 HEINZ HÄRTL Drei zeitgenössische Arnim-Empfehlungen .................................................... 81 URS BÜTTNER Arnims Eintragungen in sein Handexemplar von »Hollin’s Liebeleben« ....... 87 YVONNE PIETSCH Ankauf eines Arnim-Briefes durch das Goethe- und Schiller-Archiv Weimar: Brief Arnims an Johann Friedrich Biester vom 27. Mai 1813 .......... 93 Bibliographie GERT THEILE Achim von Arnim-Bibliographie 2007/2009 ................................................... 99 4 Inhalt Mitteilungen Peter Anton von Arnim †: Bericht über meine Odyssee durch die verschiedenen Krankenhäuser in Gransee, Neu-Ruppin und Berlin ........ 127 Nachrufe ........................................................................................................ 136 Bericht über das von der DFG geförderte 7. Kolloquium der Internationalen Arnim-Gesellschaft, Haus Hainstein, Eisenach, 24.–27. Juli 2008 ............... 140 Bericht über das von der DFG geförderte 8. Kolloquium der Internationalen Arnim-Gesellschaft, in Kooperation mit dem Fachbereich Germanistik der Universität Salzburg, Edmundsburg, Salzburg , 15.–18. Juli 2010 ......... 141 Protokoll der Mitgliederversammlung in Weimar 2009 ................................ 143 Die Weimarer Arnim-Ausgabe ...................................................................... 144 Schriften der Internationalen Arnim-Gesellschaft ......................................... 147 Verzeichnis der Beiträgerinnen und Beiträger ............................................... 148 Aufsätze ULFERT RICKLEFS Ein Wunderhorn-Lied in Aufklärer-Lesart und politischem Kontext – Preußen 1808 und 1792 Georg Friedrich Rebmann (1768–1824) publizierte 1792 anonym die Briefe über Erlangen,1 zwei Teile in einem Band, mit dem Motto zum zweiten Teil: »Mein Vater hat euch mit Peitschen gezüchtiget, ich aber will euch mit Scorpionen züch- tigen. Buch der Könige, Cap. XII, v.14.« Der Jurastudent aus Sugenheim (Mittel- franken) promovierte nach dem Studium in Erlangen und Jena 1789 und veröf- fentlichte zwischen 1791 und 1795 den Ritterroman Heinrich von Neideck, die sozialkritischen Kosmopolitischen Wanderungen und drei satirisch-utopische Romane aus der Swift- und Holberg-Tradition, wobei er auch Texte Robespierres verwendete. Das neue graue Ungeheuer hieß die in Erfurt herausgegebene Revo- lutionszeitschrift.2 Das den Briefen über Erlangen am Schluss beigefügte Lied »Die aufgeklärte Zeit« hat Arnim 1808 in den dritten Band von Des Knaben Wunderhorn aufgenommen.3 Rebmanns Text als mögliche Quelle für den Wunderhorn-Druck war bis heute unbekannt und blieb so von der Forschung unbeachtet. Mit Datum 1. Febr. 1792 ist die »Apologie des Verfassers des ersten Theils« (II, 1–18) zu Beginn des zweiten Teils der Briefe über Erlangen unterzeichnet. Das Werk erschien zur Ostermesse 1792. Der erste Teil enthält 15 Briefe über die Universitätsstadt Erlangen, die im zweiten Teil vom Adressaten der Briefe, den Freund des Verfassers in 9 Briefen beantwortet, thematisch fokussiert und beur- teilt werden. Bericht, Beobachtung, Bestandsaufnahme, Analyse im ersten Teil, der auch als Studentenratgeber geeignet sei, Reflexion und Urteil in den Antwort- briefen des Freundes. Der erste Brief in Teil I ist zeitlich versetzt zu den berich- 1 Briefe über Erlangen. 171 u. 128 S. Frankfurt und Leipzig 1792. Faksimile der Ausgabe 1792 mit einem Nachwort von Ernst Schubert. Bibliotheca Franconia, hrsg. von Hans Baier. Bd. 9. Erlangen: Palm & Enke 1894. 2 Walter Grab: A. G. F. Rebmann. – In: Killy Literatur Lexikon. Bd. 9 (1991), S. 321–322. – Rainer Kawa: Georg Friedrich Rebmann (1768–1824). Studien zu Leben und Werk eines deutschen Jakobiners. Bonn: Bouvier 1980 (Abhdlgn. zur Kunst-, Musik- u. Literaturwiss. 290). – Elmar Wadie / Gerhard Sauder (Hrsg.): Georg Friedrich Rebmann (1768–1824). Autor, Jakobiner, Richter. Sigmaringen: Jan Thorbecke 1997.(Schriften der Siebenpfeiffer- Stiftung. 4). 3 Bd. III, S. 167–170. 8 Ulfert Ricklefs tenden Briefen 2–15. Der Verfasser der Berichtsbriefe ist vom Adressaten-Freund aufgefordert worden, die Druckerlaubnis zur Publikation der Verfasserbriefe zu geben. Die Fiktion spricht von der »Einwilligung zu dem Druck meiner schon vor einigen Jahren an Sie geschriebenen Briefe über Erlangen«, die »kein übles Ge- genstück zu dem Buch über Göttingen seyn möchten« (S. 3). Die Fußnote zu S. 8 erläutert: »Daß ich diese Briefe so eingerichtet habe, als ob ich sie gleich im An- fang meines Aufenthaltes zu Erlang geschrieben hätte«, dies sei geschehen, »um eine gewisse sonst nicht zu umgehende Trockenheit zu vermeiden«: »ich hatte aber immer lange Zeit beobachtet, und diese oder iene authentische Quelle zu Rathe gezogen, ehe ich meine Bemerkungen niederschrieb.« Jahr und Datum und die fiktiven Rücksichten dabei sind wegen des historischen Kontexts der Briefe und Ereignisse von einiger Bedeutung bei dem Buch, dessen Intention, fiktionale Einkleidung, satirische, polemische und reformerische Zielsetzung von der Rebmann-Forschung unterschiedlich gewertet und akzentuiert wurden.4 Die Briefe über Erlangen sind in ihrer betont literarischen Struktur und der Satire, Ironie und Polemik erstens ein Werk im Rahmen von Rebmanns Schrift- stellerkarriere, sie erfüllen zweitens, wie Rebmann häufig zu verstehen gibt, in ihrer detailliert realistischen Darstellung eine praktische Funktion als Universitätsstadt-Cicerone und Ratgeber für Studenten und deren Eltern, und ihr Hauptzweck scheint, drittens, darin zu liegen, den Autor – mag man diesen im Berichtsteil I oder im kritisch souveränen, reformorientierten Reflexionsteil II suchen – als Juristen für den höheren Verwaltungs- und Regierungsdienst Preu- ßens zu empfehlen. Dabei war in der Vorstellung Rebmanns das revolutionäre Frankreich ebenso Vorbild wie das aufgeklärte Preußen. Dazu fügt sich der Ab- druck der »Beylage« über den »Sündenschlaf« Preußens, den Arnim zwanzig Jahre später ebenfalls mit deutlichem Preußenbezug als »Fliegendes Blatt in Preu- ßen« in Des Knaben Wunderhorn aufnahm. Beide, Rebmann wie Arnim, bezie- hen den Text auf Preußen, beide lesen ihn politisch-zeitgeschichtlich,5 dies jedoch in diametral entgegengesetzter Richtung und Lesart: als Weckruf (Arnim) oder als selbstentlarvende Naivität der Frommen und indirektes Lob der Aufklärung (Rebmann). »Aufklärung« war 1808 kein eigentliches Reizwort mehr, doch 1792 konnte die schematische Licht-Dunkel-Metaphorik noch Fronten und Ziele kenn- 4 Vgl. Kawa 1980 in Anm. 2, und Klaus-Peter Schroeder 1997 in: Wadle/Sauder, S. 15–41, über Rebmanns Studienzeit in Erlangen; Ernst Schubert im Nachwort zum Reprint 1984, vgl. Anm. 2. 5 Das Lied Aufklärung (Wh. III, S. 167–170) bildet in Des Knaben Wunderhorn den Beginn einer Textreihe (Wh. III, S. 167–233), die von Arnim religiös und zeitgeschichtlich mehrfach kodiert ist. Ausführlich dazu: Ulfert Ricklefs: Kunstthematische und politische Rahmen- bildung in Des Knaben Wunderhorn. – In: Friedrich Strack (Hrsg.): 200 Jahre Heidelberger Romantik. Berlin, Heidelberg: Springer 2008 (Heidelberger Jahrbücher. 51), S. 119–159, zur Position des Fliegenden Blattes »Gedanken über die aufgeklärte Zeit« bes. S. 120 u. 137. Ein Wunderhorn-Lied in Aufklärer-Lesart 9 zeichnen, dies, obwohl z. B. Okt. 1792 und März 1793 der Merkur-Herausgeber Friedrich Justin Bertuch (1747–1822) in seinem Weimarer Journal des Luxus und der Moden mit dem probaten »Vorschlag das Mode-Wort, Aufklärung, abzuschaf- fen«,6 hervortrat und damit vielen aus dem Gemüte sprach. Satirische Intention in dem Text zu erkennen, wie Heinz Rölleke in der Reclam-Ausgabe seiner kriti- schen Edition (Bd. 3, S. 396: »Satire gegen die Verbreitung der Aufklärung [...] als Werk des Bösen und seiner Helfer«), verkennt wohl völlig den existenziellen Ernst, den Gestus des naiven Notrufs der frommen Seele »in dieser aufgeklärten Zeit«, dem in der intendierten Lesart des Wunderhorn-Liedes zwar nicht Polemik und Ironie, aber doch jede Satire einigermaßen fern liegt. Die objektive, gewagte Ironie vom »Fabelbuch«,