Christoph Brüll Belgien Im Nachkriegsdeutschland Besatzung, Annäherung, Ausgleich (1944–1958)
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Christoph Brüll Belgien im Nachkriegsdeutschland Besatzung, Annäherung, Ausgleich (1944–1958) Christoph Brüll Belgien im Nachkriegsdeutschland Besatzung, Annäherung, Ausgleich (1944–1958) Die Titelabbildung zeigt [???] Zugl. Diss. Phil., Universität Jena, 2008 1. Auflage [??? November 2009] Satz und Gestaltung: Klartext Medienwerkstatt GmbH, Essen Umschlaggestaltung: Volker Pecher, Essen Druck und Bindung: Majuskel Medienproduktion GmbH, Wetzlar © Klartext Verlag, Essen 2009 ISBN 978-3-8375-0252-7 Alle Rechte vorbehalten www.klartext-verlag.de Inhalt Einleitung . 7 Teil I Eine belgische Präsenzpolitik im besetzten Deutschland 1. Die letzten Kriegsmonate . 25 1.1 Belgische Pläne für ein Nachkriegseuropa mit dem Fokus auf der Zukunft Deutschlands . 25 1.2 Schritte zur Konkretisierung: auf dem Weg zum Eden-Spaak Abkommen vom November 1944 . 37 1.3 Die belgische Beteiligung an der Besetzung Deutschlands . 44 2. Die Reparationsfrage (1945–1947) . 57 3. Die militärische Präsenzpolitik im besetzten Deutschland . 99 3.1 Eine belgische Unterbesatzungszone in der britischen Besatzungszone . 99 3.2 Die Besatzungsarmee als Garant der belgischen Interessen in Deutschland . 116 4. Die belgischen Reparationsforderungen in der Diskussion von Diplomaten und Grenzbevölkerung . 151 4.1 Die Alliierten und die belgischen Forderungen . 151 4.2 An der Grenze . 165 5. Um die deutsche Westgrenze (1948–1949) . 185 5.1 Die Pariser Besprechungen . 185 5.2 Diskussionen an und um die deutsche Westgrenze . 192 5.3 Entscheidungen im Westen . 214 5.4 Die Auftragsverwaltung in den »übertragenen Gebieten« . 234 6. Fazit . 247 Teil II: Die »Europäisierung« der deutsch-belgischen Beziehungen 1. Belgiens Platz im neuen Besatzungsstatut . 255 1.1 Truppenstatut, bilaterale Abkommen, Stationierungsverträge . 255 1.2 Von der »Belgischen Besatzungsarmee« zu den »Belgischen Streitkräften in Deutschland« . 276 2. Auf dem Weg zu einer schwierigen Normalisierung . 291 2.1 Die Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Belgien und der Bundesrepublik . 291 2.2 Erste bilaterale Grenzverhandlungen: ein möglicher Ausgleich? . 299 3. Belgien und die Westintegration der Bundesrepublik . 319 4. »Im europäischen Geist«: Der deutsch-belgische Ausgleichsvertrag vom September 1956 . 343 4.1 Ein langer Vorlauf . 343 4.2 Auf dem Weg nach Brüssel: Die Verhandlungsphase (November 1955 bis August 1956) . 350 4.3 Von Brüssel nach Bildchen: Unterzeichnung und Ratifizierungsprozess . 366 5. Fazit . 381 Schluss . 383 Dank . 395 Quellenverzeichnis . 397 Literaturverzeichnis . 405 Personenverzeichnis . 431 Abkürzungen . 433 Über den Autor . 435 7 Einleitung Am 24. September 1956 unterzeichneten der belgische Außenminister Paul-Henri Spaak und sein deutscher Amtskollege Heinrich von Brentano in Brüssel den deutsch-belgi- schen Ausgleichsvertrag. Mit diesem Dokument regelten die beiden Nachbarländer ihre vordringlichsten Nachkriegsprobleme – darunter die Grenzziehung. Auch Bundeskanz- ler Konrad Adenauer wohnte der Zeremonie im Grünen Salon des Außenministeriums bei. Dabei handelte es sich um die erste Visite eines deutschen Regierungschefs in Bel- gien seit der Staatsgründung 1830. Staatssekretär Walter Hallstein und Botschafter Carl Friedrich Ophüls vervollständigten die deutsche Delegation. Auf belgischer Seite waren Premierminister Achille van Acker, Unterrichtsminister Léo Collard und der Botschafter in Bonn, Hervé de Gruben, anwesend.1 Spöttisch hatte der Verfasser eines Vorberichts im Germinal das Gefühl vieler Belgier auf den Punkt gebracht, als er einerseits seine Erleichterung darüber ausdrückte, dass sich Adenauer wohl kaum so verhalten werde wie ehedem Kaiser Wilhelm II. bei einem Besuch im Jahr 1912, sich auf der anderen Seite jedoch von Seiten des Bundeskanzlers das nötige Taktgefühl erhoffte, den Staats- sekretär im Ministerium für Gesamtdeutsche Fragen, Franz Thedieck, in Bonn zurück- zulassen.2 Letzterer hatte während der Besatzungszeit als Oberkriegsverwaltungsrat in Brüssel amtiert. Die in der Sonntagsausgabe der sozialistischen Tageszeitung Le Peuple formulierte Bitte war erhört worden. Die Zwiespältigkeit jedoch, auch in anderen Pres- seorganen greifbar, war eine ständige Begleiterin der deutsch-belgischen Annäherung, zumal bei den seltenen Gelegenheiten, zu denen diese öffentlich zur Schau gestellt wurde. Die beiden Weltkriege, die für Belgien innerhalb eines Vierteljahrhunderts zwei Besatzungen durch deutsche Truppen bedeutet hatten, waren als Kontext der deutsch- belgischen Beziehungen der 1950er Jahre selbstverständlich allgegenwärtig. Daran änderte die nunmehr gleichsam vertraglich fixierte Annäherung ebenso wenig etwas, wie die europäische Rhetorik, die ihr innewohnte und die Kanzler Adenauer bei einer Grundsatzrede am nächsten Tag bekräftigen sollte – wohl wissend und kalkulierend, dass die europäische Integration zwingend für die politische Souveränität der Bundesre- publik war. Der Erste Weltkrieg mit dem blutigen Monat August 1914 hatte tiefe Spuren hinterlassen. Der Streit um die Franktireur-Psychose und die Zuschreibung Belgiens als »Märtyrernation« belasteten das Verhältnis in der Zeit nach 1918 in schwerwiegender 1 Grenz-Echo, 25.9.1956, S. 1 und 5. 2 Germinal, 23.9.1956. 8 Einleitung Weise.3 Nur vor diesem Hintergrund sind auch die belgischen Reaktionen auf die zweite Besatzungszeit zwischen 1940 und 1944 zu verstehen.4 Noch während des Ersten Weltkriegs waren in Kreisen belgischer Nationalisten Annexionsforderungen auf deutsche Gebiete formuliert worden.5 Auf den Friedenskon- ferenzen hatte die belgische Regierung sich wesentliche Teile dieser Ansprüche zueigen gemacht.6 Letztlich wurden neben dem seit 1815 von Preußen und den Niederlanden (seit 1830 Belgien) verwalteten Neutral-Moresnet die beiden preußischen Kreise Eupen und Malmedy nach einer im Versailler Vertrag festgelegten und von belgischen Beamten durchgeführten Volksbefragung belgisch.7 Die wirtschaftlichen Reparationen sollten auch durch die Präsenz belgischer Truppen im Rheinland und später auch im Ruhr- gebiet gesichert werden.8 Wenn auch die Abtretung Eupen-Malmedys an Belgien in Bezug auf Fläche und Bevölkerung gegenüber den anderen Gebietsverlusten kaum ins Gewicht fiel, bildete die Region doch ein Objekt deutscher Rückgabeforderungen, die von der deutschen Volkstumsforschung in der Zwischenkriegszeit unterstützt wurden.9 3 Vgl. John Horne und Alan Cramer, German Atrocities 1914. A History of Denial, New Haven/Lon- don, 2001. 4 Vgl. in der deutschsprachigen Literatur: Benoît Majerus, Von von Falkenhausen (Ludwig) zu von Falkenhausen (Alexander). Die deutsche Verwaltung Belgiens in den zwei Weltkriegen – Brüche, Kontinuitäten und Lernprozesse, in: Günter Kronenbitter, Markus Pöhlmann und Dierk Walter (Hg.), Besatzung. Funktion und Gestalt militärischer Fremdherrschaft von der Antike bis zum 20. Jahr- hundert, Paderborn u. a., 2006, S. 131–133; ders., Vorstellungen von der Besetzung Belgiens, Luxem- burgs und der Niederlande (1933–1944), in: Jörg Echternkamp und Stefan Martens (Hg.), Der Zweite Weltkrieg in Europa. Erfahrung und Erinnerung, Paderborn, 2007, S. 35–43. 5 Vgl. Maria de Waele, Naar en groter België! De belgische territoriale eisen tijdens en na de Eerste Wereldoorlog, unveröffentl. Diss., Universität Gent, 1989; Dies., België en Nederland tussen twee Wereldoorlogen. Nationale gevoelen en botsende ambities, in: CHTP/BEG, 1 (1996), S. 199–205. 6 Robert Devleeshouwer, L’opinion publique et les revendications territoriales belges à la fin de la Première Guerre mondiale, in: Mélanges offerts à G. Jacquemyns, Brüssel, 1968, S. 207–238. 7 Vgl. Christoph Brüll, Un passé mouvementé: l’histoire de la Communauté germanophone de Bel- gique, in: Katrin Stangherlin (Hg.), La Communauté germanophone de Belgique – Die Deutschsprachige Gemeinschaft Belgiens, Brüssel, 2005, S. 17–47, hier: S. 22–24. Dort auch weitere Literaturverweise. 8 Vgl. Rolande Depoortere, La question des réparations allemandes dans la politique étrangère de la Belgique après la première guerre mondiale, 1919–1925, Brüssel, 1997; Laurence van Ypersele, Belgien und die Ruhrbesetzung: Wagnisse und Erwartungen, in: Gerd Krumeich und Joachim Schröder (Hg.), Der Schatten des Weltkriegs. Die Ruhrbesetzung 1923, (= Düsseldorfer Schriften zur Neueren Landesgeschichte und zur Geschichte Nordrhein-Westfalens, 69), Essen, 2004, S. 99–118. 9 Vgl. Carlo Lejeune, »Des Deutschtums fernster Westen«. Eupen-Malmedy und die deutschen Dialekt redenden Gemeinden um Arlon und Montzen und die Westforschung, in: Burkhard Dietz u. a. (Hg.), Griff nach dem Westen. Die Westforschung und die völkisch-nationalen Wissenschaften zum nordwesteuropäischen Raum (1919–1960), Bd. 1, Münster, 2003, S. 493–538. Einleitung 9 Die Schockwirkung des Ersten Weltkriegs und seiner Auswirkungen auf das Verhält- nis zweier Länder, die sich bis dahin eher als wohlwollende Nachbarn präsentiert hatten, hat auch die Historiker nicht losgelassen. Dass Forschungen für die Entwicklung der deutsch-belgischen Beziehungen in der Zeit nach 1945 dahingegen bisher kaum vorhan- den sind, bildet den Ausgangspunkt für die folgenden Seiten. Am Anfang stand dabei nicht zuletzt die Beobachtung eines deutschen Historikers: »Nach dem Krieg schien sich das Jahr 1918 im Rheinland wiederholen zu wollen. Wiederum gab es, diesmal unter englischem Oberbefehl, belgische Besatzungssoldaten, wurden deutsche Kriegs- verbrecher bestraft und wurden materielle und territoriale Reparationsforderungen erhoben«.10 Wie wurden nach 1945 zum zweiten Mal innerhalb eines Vierteljahrhun- derts die Kriegsfolgen