Andere Blicke
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
ZUR KUNDE SÜDOSTEUROPAS II / 41 Herausgegeben vom Institut für Geschichte der Universität Graz , Fachbereich Südosteuropäische Geschichte Karl Kaser Karl Kaser Andere Blicke Religion und visuelle Kulturen auf dem Balkan und im Nahen Osten Böhlau Verlag Wien · Köln · Weimar Gedruckt mit Unterstützung durch den Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung Projekt-Nr. PUB 69-V21 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek : Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar. ISBN 978-3-205-78952-9 Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte , insbesondere die der Über- setzung , des Nachdruckes , der Entnahme von Abbildungen , der Funksendung , der Wiedergabe auf fotomechanischem oder ähnlichem Wege , der Wiedergabe im Internet und der Speicherung in Daten ver- arbeitungsanlagen , bleiben , auch bei nur auszugsweiser Verwertung , vorbehalten. © 2013 by Böhlau Verlag Ges. m. b. H. und Co. KG , Wien · Köln · Weimar http://www.boehlau-verlag.com Umschlaggestaltung : Michael Haderer Umschlagabbildung : © Photo by MCKoner Year of production : 2010 Location : Istanbul Quelle : http://streetfiles.org/photos/large/443021 Korrektorat : Magdalena Burghardt Gedruckt auf umweltfreundlichem , chlor- und säurefrei gebleichtem Papier. Druck : FINIDR, Tschechien Inhalt 9 : Vorwort 11 : Einleitung 24 : Medialisierung 28 : Visuelle Kultur 31 : Ansätze dezentrierter Theoriebildung 43 : I. DAS BILD IN VORSÄKULARER ZEIT 45 : 1. Kapitel : Bilderkult , Tod und Götter 46 : Urbild und Abbild , die Toten und die Ahnen 52 : Platons Bildtheorie 55 : Hellenistische und römische Bilderwelten 63 : 2. Kapitel : Bilderfeindliches Judentum 64 : Abrahamitische Religionen und das Bild 67 : Sich kein Bild machen dürfen 73 : Erweiterung jüdischen Kunstschaffens 81 : 3. Kapitel : Bilderskeptischer Islam 84 : Islam und Bild – Alhazen 93 : Bildschrift – die Kalligrafie 97 : Anfänge moderner Kunst 107 : 4. Kapitel : Bilderfreundliche Ostkirche 107 : Ideologie der Ikone und Umgang mit dem vorchristlichen Erbe 114 : Der Bilderstreit 121 : Säkularisierung 6 Inhalt 129 : II. ZWIESPÄLTIGE BEDEUTUNG DER FOTOGRAFIE 131 : 5. Kapitel : Die Fotografie – eine späte visuelle Revolution 132 : Herausbildung visueller Kulturen 137 : Faszinosum der neuen Medien 153 : Fotografie und Religionen 161 : Frühe Fotopioniere 171 : 6. Kapitel : Bild und Macht – Orientalismus und Balkanismus 172 : Kategorien der Vermessung 182 : Hegemoniale Fotodiskurse 192 : Widerstand und Eigenrepräsentation 203 : III. VISUELLE KULTUREN IN SEMISÄKULARER ZEIT 205 : 7. Kapitel : Bürgerliche Moderne 206 : Balkan 217 : Türkei 223 : Arabische Welt und Israel 235 : 8. Kapitel : Sozialistische Moderne 237 : Kino und Film 245 : Urbanisierung 253 : Führerkult 259 : 9. Kapitel : Visuelle Umbrüche 260 : Postsozialistische visuelle Kulturen 267 : Internet 271 : Werbung und Repräsentation der Geschlechter 277 : Fernsehen und Film 287 : 10. Kapitel : Der religiöse Blick im digitalen Zeitalter 287 : Die neuen Medien 291 : Wiedererstarken der Religionen 296 : Fundamentalismus Inhalt 7 307 : Schlussfolgerungen 323 : Literatur 351 : Quellenverzeichnis der Abbildungen 355 : Index Vorwort Nicht jedes Buch stellt ein Wagnis dar – sei es , weil es auf den Erfahrungen vieljäh- riger Forschungen beruht , weil der Autor oder die Autorin nicht den Mut hatte , gesichertes Terrain zu verlassen , oder sei es , weil einem die besten Freunde und Freundinnen von wissenschaftlichen Eskapaden abgeraten haben. Der vorliegen- de Band war für mich ein Wagnis , aber auch Herausforderung und Abenteuer. Die Herausforderung bestand darin , dass ich mich aus den mir vertrauten For- schungsfeldern deutlich hinauswagte und die meisten Sicherheitsleinen zu ihnen kappte , und das Abenteuer darin , dass ich mir erlaubte , ein bislang weithin un- bekanntes und komplexes multidisziplinäres Forschungsfeld zu explorieren. Dass ich dabei unglaublich viel gelernt habe , ist mir ein heimliches Vergnügen. Es kann allerdings nicht der alleinige Zweck einer Publikation sein , dass diese dem Verfasser zur Befriedigung seiner Lernbegierde dienlich war. Das Ziel , welches ich ab den ersten Vorbereitungsarbeiten zu diesem Buch verfolgte , war , ein Forschungsfeld aufzubereiten , das noch weithin brachliegt. Den zeitlichen und territorialen Schwer- punkt meiner Studie bilden die transkontinentalen Reiche der byzan tinischen und osmanischen Herrscher und Herrscherinnen sowie die postosmanische Staatenwelt – eine Region , die ich als Kleineurasien bezeichne und wo das Juden- und Christen- tum sowie der Islam seine Wurzeln haben. Den Zusammenhang zwischen den Re- ligionen und den mit ihnen viele Jahrhunderte hindurch stark verknüpften visuellen Kulturen in den Mittelpunkt zu rücken , lag daher auf der Hand. Die Studie hätte ohne meine kritischen Mitleserinnen nicht jene Gestalt ange- nommen , in der sie nun vorliegt. Dank gebührt daher meinen drei Mitarbeiterinnen im Forschungsprojekt Visualizing Family , Gender Relations , and the Body : The Balkans , approx. 1860–1950 Barbara Derler , Ana Djordjević und Anelia Kassabova. Nataša Mišković hat mich aus Basel mit konstruktiven Vorschlägen versorgt , und Michi Wolf ließ ihren feministischen Blick über das Manuskript schweifen. Zu Dank ver- pflichtet bin ich auch den mir anonym gebliebenen Gutachtern und Gutachterin- nen für den österreichischen Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung ( FWF ), dem FWF selbst , der die Drucklegung des Buchs finanziell ermöglichte , dem Böhlau Verlag , der sich wie schon so oft auf meine wissenschaftlichen Aben- teuer eingelassen hat , und den vielen Freunden und Freundinnen sowie Bekannten , die mich aus Gesprächen heraus spontan mit wertvollen Tipps versorgten. Graz , im Herbst 2012 Einleitung „Wir haben gemerkt , dass ihre Kultur und unsere einander sehr nah sind. Das erklärt wohl den Erfolg“, konstatierte Maia , eine Turkologiestudentin aus Sofia , welche die türkische Seifenoper Kavak Yelleri ( „Tagträumer“ ) ins Bulgarische übersetzte , im Jahr 2011 ( Bernath 2011 , 8 ). Die Studentin meint mit „ihre Kultur“ die türkische. Diese Aussage erstaunt , weil noch gut zwei Jahrzehnte zuvor die damals regieren- de kommunistische Partei die Bulgarisierung der türkischen Bevölkerung im Os- ten des Landes zu erzwingen versucht hatte. Türkische Frauen und Männer wur- den verpflichtet , bulgarische Namen anzunehmen ; der Gebrauch des Türkischen in der Öffentlichkeit wurde verboten. Die Partei stigmatisierte die türkische Kul- tur als rückständig und denunzierte sie als ein Hindernis auf dem Weg des Landes in den Sozialismus. Hunderttausende Türken und Türkinnen verkauften damals ihre Häuser zu Niedrigstpreisen und flüchteten in die Türkei , wo sie – sofern sie nicht bei Verwandten und Freunden unterkommen konnten – in provisorischen Zeltlagern einquartiert wurden. Das Klima zwischen Bulgarien und der Türkei war vergiftet. Niemand hätte sich damals vorstellen können , dass zwei Jahrzehnte spä- ter eine junge Bulgarin eine derartig aufgeschlossene , aus ihren biografischen Er- fahrungen abgeleitete Meinung wie die oben zitierte vertreten würde. Bei Kavak Yelleri handelt es sich um eine von vielen türkischen Seifenopern , die unter anderem transnationale Liebes- und Generationenbeziehungen vor dem historischen Hintergrund des Osmanischen Reichs oder der türkischen Republik thematisieren. Die meisten von ihnen stellen in den Ländern des ehemaligen Os- manischen Reichs „Straßenfeger“ ersten Ranges dar. Der absolute Schlager war Gümüş ( „Silber“ ), der für das arabische Publikum in Noor ( „Licht“ ), für das rumä- nische in Lubire de Argint ( „Silberliebe“ ) und für das slawische in Perla ( „Perle“ ) umbenannt wurde. Der Plot besteht darin , dass der Großvater Muhannads , eines jungen reichen Firmenerben , die Heirat mit der Hauptdarstellerin ( Noor oder wie auch immer ) arrangiert. Noor macht alle Höhen und Tiefen eines Liebeslebens mit. Die allgemeinen Ingredienzen einer Seifenoper sind mit traditionellen türki- schen Werten , die jedoch auch vom Balkan bis zur Arabischen Halbinsel Anklang finden , angereichert , etwa durch die Betonung der patriarchalen Beziehungen zu einem weisen Familienoberhaupt ( Muhannads Großvater ). Muhannad war be- reits einmal verheiratet und hat ein Kind aus dieser Ehe. Noor muss sich ständig mit Muhannads erster Frau messen ; melodramatische Ereignisse wie die Drohung 12 Einleitung eines Kidnappings , eine Entführung unter Waffengewalt und andere spannende Szenen lassen den Atem des Publikums stocken. Muhannad ist zärtlich , liebevoll , romantisch und zugleich verletzend. Die Ehe wird zwar nach traditionellem Mus- ter arrangiert , entwickelt sich jedoch partnerschaftlich , und er unterstützt ihre berufliche Karriere als Modedesignerin. Die handelnden Personen trinken Wein , küssen sich in aller Öffentlichkeit , und Frauen tragen kein Kopftuch ( Abu Rahhal 2010 ; Gümüş 2010 ). Gümüş bzw. Noor hatte vor allem in der arabischen Welt , weniger in der Türkei , hohe Einschaltquoten zur Folge. MBC 1 ( Middle East Broadcasting Center ) begann im Februar 2002 mit der Ausstrahlung türkischer Serien. Das Interesse war stark steigend – selbst in den männerdominierten Kaffeehäusern mit Fernsehgelegenheit. Wegen des Publikumserfolges sendete der Kanal die Serie ab Ende April des Jahres in der Primetime um 21 :30. Eine Noor-Mania setzte ein ; das Zuschauerinteresse explodierte. In Saudi-Arabien