Das Bibliothekskonzept Aby M. Warburgs Im Vergleich Mit Modernen Methoden Der Sacherschließung
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Das Bibliothekskonzept Aby M. Warburgs im Vergleich mit modernen Methoden der Sacherschließung * * * Arbeit zur Erlangung des Grades eines Diplom-Bibliothekars (FH) eingereicht von Daniel Schatz, Matrikel-Nr. 2239 im Oktober 2002 am Fachbereich Informationswissenschaften der Fachhochschule Potsdam * * * Erstkorrektor: Prof. Dr. Hans-Christoph Hobohm Zweitkorrektorin: Prof. Dr. Dagmar Jank 1 Inhaltsverzeichnis I. Einleitung 1 II. Die Person Aby Warburgs 3 II.1. Der familiäre Hintergrund 3 II.2. Warburgs Promotion und die daraus resultierenden Interessen 4 II.3. Warburgs Reise in die USA – Beginn der Kulturtheoretischen Arbeit 6 II.4. Die Theorie vom Menschen als zweipoligem Wesen 9 II.5. Die Ausdrucksformen des Menschen (Bild - Orientierung - Wort - 10 Handlung) II.6. Warburgs Persönlichkeit und sein Eindruck auf Mitarbeiter und Freunde 12 III. Die Kulturwissenschaftliche Bibliothek Warburg – Geschichte, 16 Aufbau, Organisation III.1. Der Beginn der Sammlung 16 III.2. Geschichte der Bibliothek bis zum Umzug ins eigene Haus 1926 16 III.3. Der Aufbau der neuen Bibliothek entsprechend Warburgs Theorien 21 III.4. Die Erwerbungspolitik 25 III.5. Aufstellung, Klassifizierung, Signierung der Bücher 28 III.6. Die Emigration nach London 1933 35 III.7. Die Wirkung der Bibliothek auf die jeweiligen Zeitgenossen 39 IV. Die bibliothekstheoretischen Methoden Warburgs – eine 45 Zusammenfassung V. Heutige Methoden der Sacherschließung – Anwendbarkeit im 50 Warburgschen Sinne V.1. Methoden der handwerklichen Sacherschließung 50 V.1.1. Die Schlagwortvergabe 50 V.1.2. Die Klassifikation 53 V.1.3. Die Facettenklassifikation 56 V.2. Methoden der automatischen Sacherschließung 60 V.2.1. Der historische Hintergrund 60 V.2.2. SMART – das Vektorraummodell 62 V.2.3. Suchstrategien für elektronische Datenbanken 71 V.3. Bewertungen und Zusammenfassungen 74 V.3.1. Die vorgestellten Methoden im Vergleich mit Warburg 74 V.3.2. Der aktuelle Stand der Forschung 77 V.3.3. Anwendbarkeit für den Nutzer 82 VI. Schlussfolgerungen 87 VII. Literaturliste 88 2 I. Einleitung Für berufliche oder private Zwecke macht man sich beinahe täglich auf die Suche nach Informationen. Um diese zu erhalten – ob in Archiv- oder Bibliotheksbeständen, in Dokumentationen, Datenbanken oder dem Internet – stets ist es notwendig, sich nicht nur mit dem Kontext des Wissens, dass man benötigt, sondern auch mit den Methoden der Erschließung dieses Wissens zu beschäftigen. Man schaut nach kontrolliertem Vokabular, nach Klassifikationssystemen oder einfach nur nach den richtigen Fachtermini. Da das Erlernen einer Indexierungssprache aber sehr zeitaufwendig und auch zur Erlangung der benötigten Informationen nicht immer notwendig ist, kommt es oft dazu, dass man sich beispielsweise in einer Bibliothek einfach an die Regale begibt und versucht, mit Hilfe des „browsings“ einiges herauszufinden. Dasselbe gilt für das Eingeben von frei gewählten Suchbegriffen in elektronische Systeme. Stößt man dann auf Treffer, welche dem Gewünschten ähnlich sind oder ihm sogar gleichen, kann man fast sicher sein, dass sich durch die Klassifizierung des Bestandes in Bibliotheken die nächsten relevanten Medien in der Nähe des ersten Treffers befinden. Bei elektronischen Publikationen sind es die Fachtermini, welchen man bei seiner Suche begegnet und welche man für eine neue Suche benutzen kann. Dieses Herangehen an eine Suche und die Methoden ihrer Erweiterung und Verbesserung durch assoziatives Vorgehen, wurde das erste Mal im großen Stil von dem Hamburger Kulturwissenschaftler Aby M. Warburg in seiner Privatbibliothek praktiziert. Alle Bereiche des Bibliothekslebens – von der Erwerbung bis zur Signierung und Aufstellung – wurden diesen Grundsätzen unterworfen. Ziel dieses Vorgehens war es, einen „Denkraum“ zu schaffen, welcher die konventionellen Fächergrenzen durchlässig werden lässt. Dieser Denkraum war durchaus sehr groß: Er umfasste das, was wir heute als die Geistes- und Sozialwissenschaften bezeichnen, sowie einen Teil der Naturwissenschaften. Alles musste mit den kulturellen Ausdrucksformen des Menschen, welche Warburg auch beschrieb und klassifizierte, zu tun haben. Aus diesem Projekt entstand nicht nur eine Bibliothek mit internationalem Ruf, sondern auch eine neue Art, Wissen zu organisieren und zu vermitteln. Mit der Person Aby Warburgs und mit seiner Bibliothek und ihren 3 Besonderheiten befassen sich die Kapitel II. und III. Darauf folgt eine Zusammenstellung bibliothekstheoretischer Besonderheiten in Warburgs Ansätzen, welche Kapitel IV. bildet. Diese Arbeit will nun einige aktuelle Instrumente der Wissenserschließung mit den Methoden Warburgs vergleichen, um zu zeigen, dass diese Art zu erschließen und zu suchen durchaus wieder modern geworden ist. Aufgrund vieler Fächerübergreifender Disziplinen, welche heute gelehrt werden, ist es bei der Erschließung nicht mehr so einfach, die dazugehörige Literatur in die dafür vorgesehene „Schublade“ zu stecken und dort für den Rest ihres Verbleibens in der Informationseinrichtung zu belassen. Deshalb wird sich das V. Kapitel mit den Methoden der Ähnlichkeitsanalyse sowie der Facettierung beschäftigen. Die Auswahl der beschriebenen Instrumente erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit, soll aber eine repräsentative Darstellung der Methoden für die Erschließung sowohl gedruckter als auch elektronischer Medien sein. 4 II. Die Person Aby Warburgs II. 1. Der familiäre Hintergrund Aby Moritz Warburg, welcher während seiner wissenschaftlichen Laufbahn so manche revolutionäre These aufstellen sollte, war ursprünglich für eine ganz andere Tätigkeit vorgesehen. Als 1866 geborener, ältester Sohn des Hamburger Bankiers Moritz M. Warburg und seiner Gattin Charlotte1 sollte er in das väterliche Bankhaus eintreten. Allerdings zeigte sich schon früh sein Interesse an der Wissenschaft sowie am Sammeln von Büchern. Eine recht häufig zitierte Anekdote erzählt, dass Warburg bereits als 13jähriger seinem Bruder Max angeboten haben soll, ihm das Erstgeborenenrecht abzutreten, wenn er alle Bücher bekommt, die er bräuchte.2,3 Gegen die familiären Regeln und mit einiger Überredungskunst schrieb er sich dann im Jahre 1886 an der Universität Bonn ein, um Kunstgeschichte zu studieren. Zu diesem Zeitpunkt beginnt er, über alle neu angeschafften Bücher detailliert Buch zu führen, was die Absicht einer Bibliotheksgründung andeutet. Zunächst allerdings gibt er sich unstet und besucht die Universität von München sowie die Stadt Florenz, bevor er nach Straßburg wechselt um dort sein Studium zu beenden sowie zu promovieren. Schon während seines Studiums hatte er sich intensiv um die Unterstützung seiner wohlhabenden Familie für die gezielte Anschaffung von Büchern bemüht, da er inzwischen den Anspruch hatte, dass er alles, was er zu Studienzwecken an Literatur benötigte, selbst besitzen wollte.4 Nun artikulierte er auch den Wunsch, gezielt eine Bibliothek aufzubauen. Die Verbindung mit seinen Brüdern, welche als Kuratoriumsmitglieder später die institutionalisierte Bibliothek begleiteten, war sein ganzes Leben hindurch fruchtbar. Nur durch das umfangreiche Vermögen seiner 1 Aby M. Warburg war der älteste von fünf Söhnen der Familie. Seine Brüder, welche später als Mitglieder des Kuratoriums seiner Bibliothek eine Rolle spielten, waren: Max M. (welcher als zweitältester das väterliche Bankhaus übernahm), Paul M., Felix M. sowie Fritz M. 2 Häufig zitierte Werke werden nur mit dem Namen des Autors bzw. einem Kurztitel benannt. Die genauen bibliographischen Daten bitte ich dem Literaturverzeichnis zu entnehmen. 3 vgl. Roeck, S. 30 4 vgl. Pfister, S. 15 5 Familie, zu dem er Zugang hatte, konnte er seinen Neigungen als Gelehrter nachgehen und war niemals darauf angewiesen, eine beamtete Stelle in einer wissenschaftlichen Institution anzunehmen.5 II. 2. Warburgs Promotion und die daraus resultierenden Interessen Warburgs erste Veröffentlichung, welche den neuen, „Warburgschen“ Denkansatz enthält, ist seine 1891 beendete und 1893 veröffentlichte6 Dissertation. In Straßburg gab es innerhalb der Universität und des kunstgeschichtlichen Seminars etwas, dass Warburgs Wesen und seinen breit gefächerten Interessen sehr entgegenkam: frei benutzbare Spezialbibliotheken. Das Element des Freihandbestandes wird später ein tragender Pfeiler seiner Bibliothekstheorie werden und stand für ihn bereits bei Gründung seiner eigenen Bibliothek fest. Angeregt von seiner Florenz-Reise wählte er als Thema der Promotion „Sandro Botticellis 'Geburt der Venus' und 'Frühling'. Eine Untersuchung über die Vorstellungen von der Antike in der italienischen Frührenaissance". In dieser Untersuchung versucht er nachzuweisen, dass es bei der Betrachtung von Kunst notwendig ist, nicht allgemein vom „anonymen und kollektiven Wirken von Geschmack, Stil und Stimmung“7 auszugehen, sondern das Kunstwerk innerhalb seiner Zeit zu betrachten und dies unter Zuhilfenahme aller relevanter Disziplinen. Diese Interdisziplinarität, dieses Herangehen an ein Problem der menschlichen Ausdruckformen unter verschiedenen Gesichtspunkten sollte später „Kulturwissenschaft“ heißen, wurde allerdings nie von Warburg theoretisch begründet. Aus dieser Fülle von Themen leitet sich auch später der Themenkreis seiner Bibliothek ab. Dieser Ansatz beinhaltet ausdrücklich auch die Betrachtung anderer Kunstformen neben der Malerei. Besonderen Stellenwert räumt er dem „Wort“ ein, welches Warburg auf eine Stufe mit dem „Bild“ stellt. In seiner späteren Bibliothek erhält daher die Literaturwissenschaft einen hohen Stellenwert. 5 vgl. Aby M. Warburg und seine Bibliothek.