Die Triumereien Einiger Kunstliebender Klosterbruder
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LUCAS BURKART >>Die Triumereien einiger kunstliebender Klosterbruder...<< Zur Situation der Kulturwissenschaftlichen Bibliothek Warburg zwischen 1929 und I933"- Die Bibliothek Warburg wurde unlangst von wissenschaftliche Bibliothek Warburg musste einem ihrer besten Kenner als der bedeutendste mit ihren acht jiidischen Mitarbeitern I933 nach deutsche Beitrag zur internationalen Kulturwis- London emigrieren, wo sie seit 1944 an die Uni- senschaft des zwanzigsten Jahrhunderts bezeich- versitat angeschlossen wurde. Die Vertriebenen net.' Dass sich dieser Beitrag bis heute erhalten fanden im Ausland eine bessere Wiirdigung: Ed- hat, verdankt sich dem Wegzug der Bibliothek gar Wind, den Warburg als geistigen Erben an- und ihrer Mitarbeiter im Dezember I933; von sah, wurde der erste Lehrstuhlinhaber fur Kunst- Hamburg nach London verlegt widmet sie sich geschichte in Oxford und Montreal, Raimund bis heute als The Warburg Institute der Frage Klibansky Professor in Oxford und Montreal, ihres Begriinders Aby Warburg nach dem Fortle- Erwin Panofsky Professor in Princeton.< Mit ben der heidnischen Antike in der Kultur der diesen Satzen schilderten die Herausgeber eines europaischen Vormoderne. Angesichts der gros- jiingst erschienen Sammelbandes iiber Warburg sen Bedeutung der Bibliothek ist es angebracht, das Schicksal der Bibliothek und ihrer Mitarbei- in wissenschaftshistorischer Perspektive nach ter.2 Vergleichbar schrieb Michael Diers in einem Motiven, Voraussetzungen, Bedingungen und Beitrag 1993, der an den Wegzug der Bibliothek Folgen des Vorgangs zu fragen, dem sich die Er-60 Jahre zuvor erinnerte: >Das >Hitlerjahr 1933< haltung dieser einzigartigen wissenschaftlichen (Saxl) markiert das unfreiwillige Ende der Ge- Forschungsbibliothek verdankt. schichte der K.B.W. - ein Ende, das jedoch Das seit Mitte der achtziger Jahre wieder er- gleichzeitig ein neuer Anfang war.<<3 Diese Sicht- wachte Interesse an Arbeit und Methode Aby weise entspricht, kleinere Nuancen und Diffe- Warburgs fiihrte nicht zuletzt auch zu einem in-renzierungen vorbehalten, dem aktuellen For- tensivierten Blick auf dessen eigentliches Ver- schungsstand, der sich in einer rasant anwachsen- machtnis, auf die Kulturwissenschaftliche Biblio- den Zahl von Aufsatzen, Kolloquiumsbanden, thek. Dabei hat sich in uber sechzig Jahren, dieMonographien sowie im Editionsprojekt von seit dem Wegzug von Hamburg verstrichen sind, Warburgs Schriften und Arbeitsmaterialien eine Sichtweise auf dieses fur eine wissenschaftli- manifestiert.4 che Institution aussergew6hnliche Ereignis eta- Damit wird die Verlegung der KBW von bliert. >Die vom Bankhaus finanzierte Kultur- Hamburg nach London jedoch zur rein politi- :Als >Triumereien einiger kunstliebender Kloster- Bibliotheca Bibliographica Aureliana 163, Baden- briider< bezeichnete Edgar Wind einmal Zukunfts- Baden 1998, xi. plHne fur die Bibliothek Warburg. 2 R. Galitz, B. Reimers (Hg.), Aby M. Warburg. Verwendete Abkiirzungen: DBI = Dizionario Bio- >>Ekstatische Nymphe ... trauernder Flussgott<< Por- grafico Italiano, Rom I965f. KBW = Kulturwissen- trait eines Gelehrten, Hamburg I995. schaftliche Bibliothek Warburg. PSS = Paul Sacher 3 M. Diers, Portrat aus Biichern. Stichworte zur Ein- Stiftung, Basel. UB = Offentliche Bibliothek der fiihrung, in: M. Diers (Hg.), Portrat aus Biichern. Universitat Basel. WIA, GC = Warburg Institute Bibliothek Warburg & Warburg Institute. Hamburg Archives, General Correspondence, London. - I933 - London, Hamburg 1993, 14. i D. Wuttke, Aby M. Warburg-Bibliographie i866 bis 4 Den besten Uberblick iiber die Literatur zu War- I995. Werk und Wirkung. Mit Annotationen, in: burg bietet Wuttke (wie Anm. i). Zur Uberfiihrung 89 schen Geschichte, Wissenschaftsgeschichte wird disch waren und deren Begrunder einer der be- reduziert auf die Geschichte der politischen Er- deutendsten jiidisch-deutschen Bankiersfamilien eignisse. Das ist methodisch gleich in mehrfacher entstammte, hatte I933 in Deutschland keine Zu- Hinsicht problematisch. Die Bedeutung der poli- kunft mehr und musste deshalb das Land verlas- tischen Zusammenhange des Jahres 1933 fiir das sen. Das iiberzeugte ja bereits durch die zeitliche Schicksal der Bibliothek Warburg, ihrer Mitar- Koinzidenz der Ereignisse. Gerade aus dieser so beiter und der Familie Warburg soil keinesfalls unanzweifelbaren Einsicht bezieht diese Deu- bestritten werden; es soil im folgenden vielmehr tung ihre Uberzeugungskraft. Die Problematik versucht werden, die Bedeutung des Politischen dabei liegt jedoch im methodischen Vorgehen. nicht auf dessen Ereignishaftigkeit zu reduzieren. Mit einem erst im nachhinein so deutlich zutage Es besteht kein Zweifel daran, dass die Uber- getretenen Wissen um die zerst6rerischen Folgen fiuhrung der Bibliothek im Dezember 1933 zum der nationalsozialistischen Herrschaft zwischen letztm6glichen Zeitpunkt erfolgte und eine Ret- 1933 und I945 wird auf die Intention und Moti- tung vor der Zerst6rung durch die Nationalso- vation der Verlegung selbst riickgeschlossen.6 zialisten bedeutete. Nur zwei Wochen, nachdem Diese Interpretation der Institutsgeschichte die Bibliothek, auf zwei Schiffe verladen, in schliesst unverkennbar an die Beitrage der Bi- Hamburg abgelegt hatte, wurde die Zustandig- bliotheksmitarbeiter an. Fritz Saxl, Gertrud Bing keit fiir einen vergleichbaren Vorgang von den und Aby Warburgs Neffe Eric7 haben je einen kommunalen Verwaltungen an das Propaganda- Aufsatz zum Wegzug von Hamburg verfasst.8 ministerium Joseph Goebbels' in Berlin iibertra- Die Autoritat der Verfasser und die Unmittelbar- gen. Mit grosser Wahrscheinlichkeit hatten die keit ihrer Erfahrung haben wohl dazu gefiihrt, Nationalsozialisten den Handel nicht zugelassen, ihre Beitrage als zeitgen6ssische Quellen zur Ge- der zunachst eine dreijahrige Leihgabe der Bi- schichte der Verlegung zu begreifen, wahrend sie bliothek an die Universitat London vorsah, letzt- in Tat und Wahrheit allesamt zwischen I943 und lich aber den endgiiltigen Wegzug aus Hamburg I952 verfasst wurden, also die Ereignisse bereits prajudizierte.5 Die Machtergreifung der Natio- aus einer v6llig veranderten Perspektive deute- nalsozialisten im Januar I933 bildete in der For- ten. Trotz der relativen zeitlichen Nahe zur schung denn auch stets den Kontext, in dem die Uberfiihrung im Jahr I933 und der relativen Di- Verlegung der Bibliothek Warburg aus Deutsch- stanz zu heute hatte sich die Perspektive Saxls, land beleuchtet und gedeutet wurde. Eine Privat- Bings und Eric Warburgs stark an eine moderne bibliothek, deren Mitarbeiter gr6sstenteils ju- Sichtweise angenahert, weil zu diesem Zeitpunkt der Bibliothek nach London sind in den letzten Jah- die Bildtafeln, die fiir die Ausstellung iiber Stern- ren mehrere Beitrage erschienen. Vgl. D. Wuttke, glauben und Astrologie im Hamburger Planetarium Die Emigration der Kulturwissenschaftlichen Bi- zusammengestellt wurden. bliothek Warburg und die Anfange des Universitats- 6 Thomas Nipperdey hat die vereinfachende Vorge- faches Kunstgeschichte in Grossbritannien, in: Aby schichtsschreibung auf I933 hin als den >methodi- Warburg. Akten des internationalen Symposions schen Siindenfall< schlechthin bezeichnet; das gilt Hamburg I990, hg. v. H. Bredekamp, M. Diers, Ch. auch fiir eine vereinfachende Projektion der Ereig- Schoell-Glass, 141 -163. (mit wenigen Erganzungen nisse ex post. Nipperdeys Kritik richtet sich weniger wieder abgedruckt in: D. Wuttke, Dazwischen. Kul- gegen die Faktenauswahl an sich als gegen deren turwissenschaft auf Warburgs Spuren, Baden-Baden unangemessene Gewichtung. Vgl. Th. Nipperdey, 1996, 695-72I). B. Buschendorf, Auf dem Weg nach Deutsche Geschichte I866- 9 8, Bd. i, Arbeitswelt England - Edgar Wind und die Emigration der Bi- und Biirgergeist, Miinchen 1994, 813. bliothek Warburg, in: Diers (wie Anm. 3), 85 - 128. 7 Altester Sohn von Max Warburg, der seinen ange- 5 Der Wegzug von Hamburg betraf den gesamten stammten Vornamen Erich nach der Emigration aus Bestand der Bibliothek mit Ausnahme zweier Berei- Deutschland zugunsten des englischen Eric aufgab che. Erstens die etwa 2.000 Biicher und zahlreiche und dies auch nach seiner Riickkehr nach Hamburg Zeitschriften und Zeitungen umfassende Sammlung nicht riickgingig machte. der Schriften zum Ersten Weltkrieg und zweitens 8 Vgl. F Saxl, The History of Warburg's Library, in: 90 die furchtbaren Konsequenzen eines Ausharrens iiber den Tod Aby Warburgs hinaus ergibt sich der Bibliothek in Hamburg bereits abgeschatzt ein umfassenderes Bild der Bibliothek und ihrer werden konnten.9 Verlegung nach London. Es ist gepragt von me- Diese vielschichtigen und komplexen Zusam- thodischen Vorstellungen, Ansichten iiber wis- menhange zwischen Oberlieferung und Histo- senschaftliche Organisation und Funktion der riographie haben die Geschichte der KBW vor KBW sowie von Meinungen iiber ihre 6konomi- dem Hintergrund der nationalsozialistischen schen Bediirfnisse und Anspriiche. Machtergreifung zu einer Verlustgeschichte (Ga- Die reichhaltige Korrespondenz der Mitarbei- litz, Reimers) oder einer Rettungsgeschichte ter der Bibliothek, die im Archiv des Warburg (Diers) deutscher Wissenschaft gemacht. Institute verwahrt wird und gr6sstenteils unver- Der Fokus auf die Ereignisse, mit dem die Ver- 6ffentlicht ist, und auf die sich dieser Beitrag legung der Bibliothek als politisch motivierte stiitzt, macht es m6glich, die Geschichte der Emigration gedeutet wurde, beleuchtet aber Uberfiihrung von Hamburg nach London in nicht nur, sondern wirft auch Schatten. Als jiidi- ihrem urspriinglichen Kontext