Harfe und Hakenkreuz Irland und die Nazis Von Manfred Fischer

eser von Heinrich Bölls „Irischem Tagebuch“ ken­ wieder aberkannt, befand sich nen die Szene: Kurz vor doch England im Krieg mit dem seiner Abreise in den Wes­ deutschen Kaiserreich (Irland ten Irlands wird der Autor war damals Teil des Vereinigten in Dublin beinahe von Königreichs!). einemL Lieferwagen der Wäscherei „Swastika“ angefahren. Zu seinem Zwischen den Entsetzen erkennt er ein Haken­ Weltkriegen kreuz auf dem Fahrzeug. Erleich­ Nicht so sehr geisteswissenschaft­ terung stellt sich bei ihm erst ein, lich, dafür umso mehr preußisch- als er bemerkt, dass die Firma das zackig ging es zu, als der Militär­ Emblem bereits seit 1912 als Logo musiker Fritz Brase 1923 nach verwendet und mit Nationalsozia­ Irland kam. In Deutschland und lismus nichts am Hut hat. Dänemark hatte er sich als Arran­ Ein oder zwei Jahrzehnte vor Bölls geur und Komponist von Marsch­ Irlandreise konnte man jedoch Ha­ musik sowohl für das Militär als kenkreuzen als Symbol für obsku­ auch für die Polizei einen Namen re NSDAP-Filialen durchaus in der gemacht. Der eben erst gegrün­ Umgebung Dublins begegnen. Wie dete Freistaat Irland bot ihm den kam es dazu? Posten als Leiter der musikali­ Deutschnationale Gesinnung und schen Abteilung der Militärschule keltologische Studien waren schon im Rang eines Oberst an. So ging seit den Zeiten des Sprachforschers Preuße Brase frisch ans Werk und Kuno Meyer (1858 – 1919) eng mit­ Versammlung der Hitler-Jugend arrangierte eifrig traditionelle Jigs einander verknüpft. Meyer war mit seiner in Hampton Hall, Balbriggan, Co. und Reels in imposante Märsche um. Als in Arbeit maßgeblich an der Wiederbelebung Dublin, 1936 seiner alten Heimat die nationalsozialistische der irischen Sprache beteiligt. Als Professor (Foto: ’s Nazi Nr. 1, Gerry Mullins) Bewegung immer mehr Fuß fasste, geriet Bra­ für keltische Sprachen an der Royal Irish se in einen Loyalitätskonflikt. Einerseits der Academy wurde er 1912 Ehrenbürger von nationalen Haltung und seinen Kontakten irischen Armee verpflichtet, andrerseits ein Dublin und Cork, diese Ehrenbürgerschaften zur irisch-republikanischen Organisation glühender Verehrer Hitlers, wandte er sich an wurden ihm wegen seiner extrem deutsch­ während des ersten Weltkriegs seinen Vorgesetzten General Michael Brenn­

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037-041_nazis.indd 37 02.03.2008 21:33:15 an mit der Bitte, in Irland eine „Ortsverein“ Medien einbrachte. Mahr hatte Beziehungen bald aus der Reihe der für ihre Wohltätigkeit der NSDAP gründen zu dürfen. Brennan hielt bis in die höchsten politischen Kreise der und Humanität bekannten Familie. Als in Ox­ dies mit Brases Dienst als Oberst für Irland irischen Gesellschaft, angeblich sei er auch ford graduierter Jurist konvertierte er zum unvereinbar und der Deutsche verzichtete mit Regierungschef Eamon de Valera freund­ Katholizismus und unterstützte die republika­ – zumindest offiziell – auf seine Nazizweig­ schaftlich verbunden gewesen. Es ist nicht nische Sache als (erfolgloser) Sinn-Fein-Kan­ stelle. In Wirklichkeit war er bereits 1932 nachweisbar, dass er Spionage für Deutsch­ didat in den Wahlen von 1918. Nach einem Mitglied der Partei geworden, versuchte dies land betrieben hat, unbestreitbar sind jedoch kurzen Gastspiel als Botschafter Irlands im aber möglichst geheimzuhalten. Als sein po­ seine propagandistischen Aktivitäten und sei­ Vatikan wurde er 1933 als Sondergesandter litisches Treiben doch durchsickerte, distan­ ne Versuche, deutsche Staatsbürger in Irland nach Berlin geschickt, wo er sich alsbald als zierte er sich von seinen Ideen als Führer der unter die Kontrolle von NS–Organisationen begeisterter Anhänger Hitlers outete. Seine Deutschen in Irland seinem großen Vorbild in zu bringen. 1939 ging er mit seiner Familie antisemitischen Statements (er wandte sich Berlin zu dienen und blieb nach außen hin auf eine für sechs Wochen geplante Urlaubs­ im Gegensatz zu seiner Familie strikt gegen dann doch lieber der Musik verbunden. reise nach Deutschland. Nach Kriegsaus­ die Aufnahme jüdischer Flüchtlinge in Irland: bruch kehrte er nicht nach Irland zurück (wo „Wo immer Juden anzutreffen sind, gelten er in der Zwischenzeit nicht zuletzt wegen sie als Fremdkörper im Staat. Übergriffe ge­ eitaus spektaku­ seines politischen Hintergrunds vom Dienst gen Juden unter Hitlers Regierung sind mir lärer der Auftritt suspendiert worden war), sondern produzier­ nicht bekannt.“) und seine eindeutige Befür­ des Österreichers te Propagandasendungen für das Radio mit wortung der NS–Politik weckten Misstrauen Dr. Adolf Mahr englisch- und irischsprachigen Programmen. bei seinen Vorgesetzten in Irland. Man wollte (1887–1951):W Mahr kam Erfolglos bewarb er sich nach einer kurzen schließlich seine absolute Neutralität wah­ 1927 nach Irland, wo Internierung um eine Wiedereinstellung in ren. Einem Rückruf nach Irland widersetzte er bald mit der Leitung Dublin. 1951 starb er fast mittellos in Bonn. er sich, schließlich legte er nach dem Kriegs­ der antiquarischen Ab­ 1937 hatte Adolf Mahr zusammen mit seinen eintritt Englands und Frankreichs sein Amt teilung des Nationalmu­ politischen Weggefährten, dem Linguisten nieder und arbeitete während der Kriegsjahre seums in Dublin beauf­ Hans Hartmann und dem Keltologen Lud­ für Goebbels‘ Propagandaministerium. Vor tragt wurde. Sein inter­ wig Mühlhausen die „Folklore Commission“ Kriegsende setzte er sich nach Italien ab und nationales Ansehen als gegründet. Dazu eine Anekdote des irischen wurde dort von den Alliierten aufgegriffen. Archäologe verhalf ihm Historikers Leon O Broin (nach einem Tref­ Sein diplomatischer Status schützte ihn je­ 1934 zur Berufung zum leitenden Direktor des fen mit Mühlhausen in Donegal): „Nach dem doch vor einer Verurteilung. Den Rest seines Museums. Ein Jahr vorher war er der NSDAP Aufstehen zog er sein Nazi–Liederbuch her­ Lebens verbrachte er in Rom, wo er eine Bio­ beigetreten. Zusammen mit anderen hochran­ vor und sang ein oder zwei Strophen. Dabei grafie über Göring verfasste und schließlich gigen deutschen Angehörigen des irischen öf­ kniete ich mich provokativ nieder und mach­ 1969 friedlich verstarb. fentlichen Dienstes, dem Beauftragten für das te das Kreuzzeichen. Danach zog er seinen Forstwesen Otto Reinhard, dem Chefberater Morgenmantel an und ging mit mir hinunter für den Torfabbau Heinz Mecking und nicht zum Pier und schwamm ins Meer hinaus. Ich Aus der literarischen zu vergessen unserem Marschmusiker Fritz machte es ihm nach und starb fast vor Kälte. Ecke leistete der 1902 Brase bildete er das Rückgrat der nationalso­ Während ich schnell aufgab, machte der Nazi, in Australien geborene zialistischen Bewegung in Irland. Sie hielten offensichtlich Angehöriger einer stärkeren Schriftsteller Francis regelmäßige Treffen ab, organisierten Feier­ Rasse, unbeirrt weiter.“ Stuart seinen Beitrag lichkeiten und agierten keineswegs im Un­ zur NS–Propaganda. tergrund. Sogar eine Hitlerjugend (bestehend Irische Sympathisanten Wie Bewley konvertier­ aus dem Nachwuchs der Führungskader) Beim Namen „Bewley“ denkt man unwillkür­ te er nach der Rück­ wurde aufgestellt. In seinem Buch „Dublin lich an die über die Grenzen Irlands hinaus kehr der Mutter nach Irland zum katholischen Nazi No. 1“ beschreibt Autor Gerry Mullins bekannte Dubliner Kaffeehausdynastie mit Glauben. Im irischen Bürgerkrieg schloss er Mahr als zwar autoritären, aber respektablen Quäkerhintergrund. In der Tat war Charles sich der Seite der Gegner des Friedenvertrags Wissenschaftler mit durchaus sympathischen Bewley (1888–1969) einer ihrer berühmte­ mit England an (die IRA hatte sich u.a. wegen Zügen, was ihm einige Kritik in den irischen sten Mitglieder, allerdings schlug er schon der im Vertrag vereinbarten Abtrennung von

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037-041_nazis.indd 38 02.03.2008 21:33:15 sechs Counties in Nordirland gespalten, vor­ her war gemeinsam ein erfolgreicher Gue­ rillakrieg gegen England geführt worden). Seine literarischen Erfolge führten ihn durch ganz Europa. Besonders Hitlers Deutschland hatte es ihm angetan. In Irland pflegte er freundschaftliche Beziehungen zum dortigen Agenten des deutschen Geheimdienstes (Ab­ wehr) Helmut Clissmann und dem Leiter der deutschen Gesandtschaft Dr. Eduard Hem­ pel. Die Kriegsjahre verbrachte er in Berlin, er versuchte Kontakte zwischen und IRA zu vertiefen und arbeitete in der „Redak­ tion Irland“ für den deutschen Rundfunk. In in seltsamen Streifen unter der Regie von Max seinen nach Irland ausgestrahlten Sendun­ Kimmich (der immerhin über Hollywood-Er­ gen rühmte er immer wieder Hitlers Politik fahrung verfügte) und durchaus namhaften und brachte seine Hoffnung zum Ausdruck, Darstellern aus der ersten Garnitur der Ufa. Deutschland könne zur Vereinigung Irlands Die Filme trugen so verheißungsvolle Titel ausgestatte Organisation entstanden, die beitragen. Zu Unstimmigkeiten kam es, als er wie „Der Fuchs von Glenarvon“ oder „Mein sich „Blueshirts“ nannte. Ihr Anführer war es ablehnte, sich für antisowjetische Hetztira­ Leben für Irland“. Über den Erfolg dieser Eoin O’Duffy, ein Veteran des anglo-irischen den einspannen zu lassen. Auch explizit an­ cineastischen Bemühungen ist nichts be­ Krieges und bedeutende Persönlichkeit in der tisemitische Äußerungen sind von ihm nicht kannt, Propaganda wurde verstärkt auch in GAA, der Gaelic Athletic Association. Im spa­ belegt. Nach kurzer alliierter Haft lebten er Richtung England und Irland per Rundfunk nischen Bürgerkrieg schickte er Pro-Franco- und seine deutsche Frau in Frankreich, Eng­ ausgestrahlt. Mit „Germany Calling“ hatte Freiwillige nach Spanien. Die Blueshirts ver­ land und Deutschland, ehe sie sich 1958 in das Propagandaministerium ein eigenes For­ loren schnell an Bedeutung, sie wurden von Irland niederließen. Wegen seiner politischen mat eingerichtet, in der die Sicht der Dinge der neu gegründeten Fine Gael Partei (her­ Vergangenheit wurde er bis zu seinem Tod im aus deutscher Perspektive vermittelt werden vorgegangen aus Cumann na nGaedheal, der Jahr 2000 in irischen Kulturkreisen angefein­ sollte. Der bekannteste Sprecher dieses Pro­ Partei der Vertragsbefürworter) aufgesogen. det. gramms war William Joyce (1906–946). Vor ihm war bereits der deutsche Journalist Wolf Mittler als Moderator tätig gewesen (er wur­ och zurück zu William Joyce: Bis Die Kriegsjahre 1939–1945 de nach dem Krieg ein bekannter Mitarbeiter zum Ende hielt er seine Stellung im Die Iren nannten die Jahre zwischen 1939 des Bayerischen Rundfunks). Joyce, wegen Hamburger Sender. Als er sich nach und 1945 verharmlosend oder vielleicht zu seines aufgesetzt englischen Upper-Class- Kriegsende nach Dä­ sehr auf Neutralität bedacht „The Emergen­ Akzents auch „Lord Haw–Haw“ genannt, nemark verflüchtigen cy“, also die Notlage. Schließlich war man war eine farbenprächtige Figur. In New York wollte, wurde er ge­ doch nicht selbst aktiv am Kriegsgeschehen als Sohn irischer Eltern geboren, geriet er in Dschnappt und wegen Hochver­ beteiligt. Eine strikte Zensur verhinderte Be­ Galway nach seinem Auftauchen in Irland rats zum Tod durch den Strang richte über das Kriegsgeschehen. wegen seiner faschistoiden Neigungen wäh­ verurteilt. An der deutschen „Heimatfront“ allerdings rend der Wirren des englisch-irischen Krieges Während des Krieges hatten musste die Stimmung der Deutschen gegen 1919/21 in das Fadenkreuz der IRA, die ihn die Alliierten stets geargwöhnt, den englischen Feind geschürt werden. Der für einen Informanten der Engländer hielt. Er Irland sei ein Tummelplatz für heroische Freiheitskampf der Iren gegen die setzte sich nach England ab, wo er sich der deutsche Spione und Agenten. brutalen britischen Besatzer wurde als Hinter­ faschistischen Bewegung um Oswald Mosley Dabei war de Valera in seiner grundspektakel für dubiose Propagandafilme anschloss. Auch in Irland war in den 30er Funktion als Regierungschef und Außenmini­ gewählt, um das perfide Albion vorzuführen. Jahren nach Vorbild von Mussolinis Schwarz­ ster stets bemüht, die irische Neutralität nach Da tanzten und sangen deutsche Klischeeiren hemden eine mit ähnlichem Gedankengut allen Seiten zu wahren. Auch der während

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037-041_nazis.indd 39 02.03.2008 21:33:16 der Kriegsjahre in Dublin akkreditierte deut­ sche Regierung als für die englische“ (Ballivor Als Student hatte er sich der IRA angeschlos­ sche Botschafter Hempel versuchte alles zu Spy in „The Irish Identity“). 1941 wurde Görtz sen und 1922 als Vertragsgegner im irischen vermeiden, was auf eine deutsche Beeinflus­ festgenommen, insgesamt verbrachte er fast Bürgerkrieg gekämpft. Politisch stand er sung irischer Politik hingewiesen hätte. sechs Jahre in irischen Gefängnissen. Als er dem linken Flügel der IRA nahe. Wegen sei­ Militärische Überlegungen, etwa durch eine 1947 nach Deutschland abgeschoben werden ner radikalen Artikel in der Publikation „An Invasion in Irland England in Bedrängnis sollte, beging er Selbstmord. Es heißt, dass sei­ Phoblacht“ stand er mehrmals vor Gericht zu bringen, wurden auf deutscher Seite als ner Beisetzung auf einem Dubliner Friedhof und wurde zu Freiheitsstrafen verurteilt. strategische Planspiele sehr bald verworfen. Hunderte von Schaulustigen (oder vielleicht Zwischen 1940 und 1944 war er in Deutsch­ Es existierten zwar einige „Schubladenplä­ Sympathisanten) beigewohnt hätten. land in einige Geheimunternehmen und Sa­ ne“ mit abenteuerlichen Namen (Operation botagevorbereitungen verwickelt. 1940 war Seagull, Plan Kathleen, Operation Mainau …), er zusammen mit Sean Russell im Rahmen sie wurden jedoch nie ernsthaft verfolgt. Die IRA–Connection der „Operation Taube“ auf dem U-Boot U–65 Trotzdem wurde die deutsche Abwehr in Ir­ „Der Feind meines Feindes ist mein Freund“ nach Irland unterwegs. Die Aktion wurde land aktiv, vor allem um Kontakt mit lokalen oder „England’s difficulty is Ireland’s opportu­ nach Russells Tod während der Überfahrt je­ IRA Kadern aufzunehmen und eventuelle nity“, gilt dies auch für die Zusammenarbeit doch abgebrochen. Ryan starb 1944 in einem Aktionen in Nordirland zu unterstützen. Die der Nationalsozialisten mit der IRA? Waren Dresdner Krankenhaus an den Folgen einer Versuche deutsche Agenten einzuschleusen führende IRA–Leute, die mit den Nazis ko­ Lungenentzündung. gingen fast ausnahmslos schief: Kurz nach operierten, faschistische Kollaborateure oder ihrer Ankunft wurden sie u.a. wegen ihres benutzten sie Englands Kriegsgegner für ihre Statue Sean Russel Akzents und landesunüblicher Kleidung ent­ Zwecke zur „Befreiung“ Irlands? tarnt und im Curragh-Lager in Kildare inter­ Frank Ryan (1902–1944) ist genau der Frank Eine ähnliche Biografie niert. Dort waren auch gestrandete deutsche Ryan, der in Christy Moore’s Hymne „Viva La hat auch Sean Russell Wehrmachtsangehörige und britische Solda­ Quinte Brigada“ zweimal als Freiheitskämp­ (1893–1940) aufzuwei­ ten untergebracht, zusammen mit ein paar fer im spanischen Bürgerkrieg gegen Francos sen. Als Teilnehmer IRA–Hardlinern, die als unsichere Kantoni­ Faschisten erwähnt wird. Es ist aber auch der am Osteraufstand 1916 sten galten. (Mein Schwiegervater Tomas O Frank Ryan, der 1940 unter mysteriösen Um­ stieg er schnell in der Ceallaigh gehörte zu dieser Abteilung) ständen aus spanischer Haft entlassen und Hierarchie der IRA auf. Ausnahmen waren der in Dublin tätige Hel­ sofort unter die Fittiche der deutschen „Ab­ Seine politische Karrie­ mut Clissmann, dessen Witwe sich mit Er­ wehr“ genommen wurde. re war recht wechsel­ folg dagegen wehrte, dass ihr Gatte in einer haft, immer wieder von Gefängnisaufenthal­ TV-Sendung als Kriegsverbrecher dargestellt ten unterbrochen. In den USA suchte er bei wurde, und der wohl erfolgreichste Spion des irischstämmigen Gefolgsleuten vor allem Naziregimes in Irland, Hermann Görtz (1890 finanzielle Unterstützung für Bombenkam­ – 1947). Görtz hatte 1935 in England ohne Auf­ Frank Ryan pagnen und Sabotageakte gegen England. trag eine Art Hobby–Spionage gegen die briti­ In Amerika nahm er auch Kontakte zu deut­ sche Luftwaffe betrieben, fiel auf und wurde schen Geheimdienstlern auf. Von Berlin aus 1936 zu vier Jahren Gefängnis verurteilt. 1939 unterwies er potenzielle deutsche Agenten für wurde er nach Deutschland abgeschoben, wo eventuelle Einsätze in Irland. Er wird auch er sich sofort der „Abwehr“ andiente. in Verbindung gebracht mit Plänen, irische 1940 sprang er per Fallschirm über Irland ab. Kriegsgefangene in alliierten Diensten zu ei­ Seine Identität wurde schnell bekannt, doch ner irischen Brigade zum Einsatz gegen Eng­ konnte er sich mit Hilfe deutscher Organisa­ land aufzustellen (mit ähnlichen Plänen war tionen und republikanischer Sympathisanten Roger Casement im ersten Weltkrieg kläglich erfolgreich achtzehn Monate lang verborgen gescheitert). Vor allem aber widmete er sich halten. Von der IRA hielt er allerdings nicht seiner Ausbildung zum Sprengstoffexperten, viel: „Ein total verkommener Haufen, unzu­ was auf einen geplanten Einsatz als Saboteur verlässig, sie sind eher ein Problem für die iri­ schließen lässt. Er verstarb 1940 an Bord der

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037-041_nazis.indd 40 02.03.2008 21:33:17 U–65 an einem Magenleiden. Im Dubliner Osteuropa, vor allem in Galizien (Polen), be­ Fairview Park wurde eine ihm zu Ehren er­ teiligt. Er pendelte zwischen Waterford/Irland richtete Statue 2004 Opfer eines Anschlags, und Holland, bis er schließlich den nieder­ bei dem die Täterschaft bis heute nicht ein­ ländischen Behörden überstellt wurde. Eine deutig geklärt ist. Rückkehr nach Irland wurde ihm verwehrt. Ein williger Gestapo–Mitarbeiter und Über­ Die Nachkriegsjahre setzer in der Auslandsabteilung des deut­ Im Januar 2007 sorgte eine zweiteilige Do­ schen Sicherheitsdienstes SD war der flämi­ kumentation im irischen Fernsehen RTE für sche Nationalist Albert Folens (1917-2003). Er Aufsehen. Der ehemalige Angehörige der tauchte zwar in amerikanischen Dokumenten Royal Air Force Cathal O’Shannon war den als Kriegsverbrecher auf, konnte aber trotz Spuren von NS–Kriegsverbrechern nachge­ seiner SS–Vergangenheit in der flämischen gangen, die sich nach Kriegsende in Irland Legion ungestört einer erfolgreichen Karriere ein Domizil gesucht hatten. Er nannte die Re­ als Verleger für Schulbücher in Irland nach­ portage „Ireland’s Nazis“. Otto Skorzeny gehen. Nach O’Shannon’s RTE–Sendung wer­ Warum kam Irland als Exil bzw. Versteck für den wohl manche Iren ihre Geschichtsbücher flüchtige Nazis in Betracht? nach verdächtigen Kapiteln durchforsten. Irland hatte während des Krieges auf seiner Mussolini aus der Gefangenschaft befreit. Da­ Neutralität beharrt und seine Souveränität neben soll er sich auch als unerbittlicher Ver­ immer wieder betont. Das ging so weit, dass folger und Folterer von Widerstandskämpfern Regierungschef Eamon de Valera, diploma­ hervorgetan haben. Haftbefehlen entging er tischen Gepflogenheiten entsprechend, nach durch Flucht nach Franco–Spanien. In Irland > Quellenhinweise Duggan, John P.: “Neutral Ireland and the Third Reich”, Dublin 1975 dem Selbstmord Hitlers in der deutschen fand er bald Zugang zur politischen und ge­ Hull, Mark m.: “Irish Secrets – German Espionage in Ireland 1939-1945”, Botschaft erschien, um dort zu kondolieren. sellschaftlichen High Society und konnte un­ Dublin 2003 Dieses Verhalten löste Entsetzen bei den Al­ behelligt das Leben eines Landedelmannes in Kenny, Mary: “Germany Calling”, Dublin 2003 liierten aus. Kildare genießen. 1969 ging er zurück nach Molohan, Cathy: “Germany and Ireland 1945-1955”, Dublin 1999 Dazu kam, dass Irland als traditionell deutsch­ Spanien. Mullins, Gerry: “Dublin Nazi No. 1 – The Life of Adolf Mahr”, Dublin 2007 O’Donoghue, David: “Hitler’s Irish Voices”, 1998 freundlich galt und sich stramme Antikom­ Andrija Artukovic (1899–1988) war Innenmi­ munisten im katholischen Irland wohl zu nister in Kroatien, der sich rühmen konnte, History Ireland Vol. 2 & Vol. 3, Dublin 2007 Recht sicher fühlen konnten. alle Nichtkatholiken in Kroatien einer eth­ Presseberichte aus Irish Independent und Irish Times, Januar 2007 O’Shannon folgte in seiner Sendung einigen nischen Säuberung unterworfen zu haben. RTE: „Hidden History – Ireland’s Nazis“, RTE 1, Januar 2007 Nazigrößen, die sich zum Teil recht erfolg­ Er wird für eine Million Tote (orthodoxe reich in Irland etabliert hatten. Die meisten Christen, Juden, Roma …) auf dem Balkan > Bildnachweise von ihnen können unter der Rubrik „Kriegs­ verantwortlich gemacht, was ihm den Ehren­ Dublin Nazi No. 1, Buchtitel (als Quelle verwendet) verbrecher und Kollaborateure“ angesiedelt namen „Schlächter des Balkan“ einbrachte, Francis Stuart (RTE News, Internet) werden. Zwischenzeitlich arbeitete er für die Gesta­ Filmplakate (illustrierter Filmkurier, Internet) Germany Calling, Buchtitel (als Quelle verwendet) po in Berlin. Mit Hilfe des Ordens der Fran­ Ryan (Searc’s Web Guide) ziskaner gelangte er nach Irland, wo er, mit Russell Statue (indymedia ireland) gefälschten Papieren ausgestattet, ein Jahr im Skorzeny (wikipedia) ls der hochdekorierte ehemalige Dubliner Stadtteil Rathgar lebte, bevor er in Wiener SS–Offizier Otto Skorzeny die USA ausreiste. Die Amerikaner enttarnten Zum Autor Manfred Fischer: (1908–1975) 1957 in Irland auf­ ihn und überstellten ihn nach Jugoslawien. 1951 in Dinkelscherben (Bayern) geboren; Lehrer an einer Förderschule. tauchte, wurde ihm ein ungewöhn­ Sein Gesundheitszustand bewahrte ihn vor Verheiratet mit einer Dublinerin (allerdings getr. lebend), die Dozentin lich freundlicher Empfang bereitet. der Vollstreckung der Todesstrafe. am Galway-Mayo Institute of Technology ist. Tochter ist Doktorandin (Po- Vielleicht wurde er hinter vorgehaltener Hand Pieter Menten (1899–1987) war als gebürtiger litologie, Trinity College Dublin), Sohn ist Student (Graphik-Design, Dun Laoighaire). sogarA als Held gefeiert, hatte er doch in einem Niederländer SS–Hauptscharführer und in tollkühnen Kommandounternehmen 1943 dieser Funktion an Massenerschießungen in

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