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(c) 2005-2007 Dipl.-Ing. (RWTH) Jan Thimo Grundmann e : janthimogrundmann (at) yahoo.de Betr.: Zuverlaessigkeit v.1.0.0.1 pdf

Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern

vorgelegt von cand.-ing. Jan Thimo Grundmann

Betreuer:

Dr.-Ing. G. Neuwerth

Institut für Luft- und Raumfahrt der RWTH Aachen

30.11.2005

2007 durchgesehene Fassung Aufgabenstellung i

für Herrn cand. ing. Jan Thimo Grundmann Matr.-Nr. 192335

Die Planung und Auslegung von Satellitenkonstellationen zur Errichtung von Kommunikations-, Navigations- und Erkundungssystemen im Erdorbit sowie von interplanetaren Sondenflotten zum Zwecke der kontinuierlichen Erforschung von Objekten des Sonnensystems über mehrere Oppositionszyklen hin erfordert die Berücksichtigung der zu erwartenden Ausfallraten in den jeweiligen Missionsphasen hinsichtlich der Erfüllung der Missionsziele und der Kostenoptimierung. Die hierzu verfügbaren Daten sind jedoch aus historischen, politischen und rechtlichen Gründen sehr heterogen und lückenhaft in Detail und Umfang. Dies hat zur Folge, daß der Bedarf an Reserve-Raumflugkörpern und der Erfahrungszuwachs im Serienbau sowie das Missionsrisiko in Gruppen von einzelnen Flugkörpern verschiedenen Aufgabenstellungen nur unzureichend erfaßt werden können. Auch wird die Erkennung von grundlegenden Häufungen bestimmter Probleme durch statistische Methoden mangels einer konsistenten Datenbasis ebenso sehr erschwert wird wie Vorhersagen des zukünftigen Raumfahrtmarktes.

Im Rahmen der Studienarbeit soll daher untersucht werden, ob aus den verfügbaren veröffentlichten Dokumentationen ausreichend detaillierte Daten zu extrahieren sind, um eine verbesserte Planungsgrundlage zu erhalten.

Hierzu sind u.a. die folgenden Aufgaben zu bearbeiten:

- Eine im gegebenen Zeitrahmen möglichste umfassende Literaturrecherche - Auswahl und Klassifizierung der erhaltenen Daten nach Umfang, Detailliertheit, fachlicher Kompetenz und Zuverlässigkeit der Quelle - Ermittlung von statistisch erkennbaren charakteristischen Versagensmodi und ihrer Entwicklung über der Zeit - Vergleich mit technisch ähnlich anspruchsvollen Bereichen der Luftfahrt - Berücksichtigung der Kostenentwicklung von Raumfahrtsystemen - Ausführliche Dokumentation der behandelten Teilaufgaben Inhaltsverzeichnis ii

Aufgabenstellung i Inhaltsverzeichnis ii Verzeichnis der Tabellen iv

Nomenklatur v

1. Einleitung 1 1.1. Historische Entwicklung zur Raumfahrt 1 1.2. Entwicklung der Datengrundlage 5

2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 8 2.1. Raumfahrt und die Abgrenzung des Weltraumes 9 2.1.1. Anerkannte administrative Abgrenzungen des Weltraumes 9 2.1.2. Erflogene Abgrenzungen des Weltraumes 11 2.1.3. Physiologische Abgrenzung des Weltraumes 14 2.1.4. Abgrenzung des Weltraumes durch elektrische Versagenshergänge 15 2.1.5. Weitere mögliche technische Abgrenzungen des Weltraumes 15 2.1.6. Gewählte Definition der Abgrenzungen des Weltraumes 16 2.2. Systembegriff 20 2.2.1. Ein Beispiel für den Umfang eines Systems und die Vielfalt der Einflüsse 20 2.2.2. Gewählte Definition für ein System 26 2.2.3. Veränderung des Systems im Verlauf eines Flugversuches 27 2.3. Erfolg und Mißerfolg 29

3. Auswertungsverfahren 31 3.1. Vorauswahl der Quellen 31 3.1.1. Erste Phase der Auswertung 32 3.1.2. Hauptauswahl der auszuwertenden Literatur 33 3.2. Zweite Phase der Auswertung 35 3.2.1. Eindeutige Identifikation der Versagensfälle 35 3.2.2. Klassifizierung ausgewerteter Versagensfälle 39 3.2.2.1 Versagensfälle unter Beteiligung kerntechnischer Einrichtungen 44 3.3. Einfluß manipulativer Information bei Klassifizierung und Bewertung 45 3.3.1. Das Nedelin-Desaster als Beispiel manipulierter Information 49 3.3.2. Vergleich mit bekannten Informationen zu anderen schweren Unfällen 55 3.3.2.1. Nicht nachvollziehbare Informationen zu anderen schweren Unfällen 56 3.3.3. Weitere charakteristische Formen manipulativer Information 57 3.3.4. Einfluß der Perzeption bei manipulativer Information 60 3.4. Klassifizierung der Verantwortung für Versagensfälle 63 3.5. Hilfseinträge zur Analyse 67 3.6. Abschluß der Auswertungsphase 68 Inhaltsverzeichnis iii

4. Rechnungsverfahren 69 4.1 Rechnungsverfahren für bestimmte Fragestellungen 70 4.1.1. Begrenzungen und Aufwand bei der Erstellung von Ergebnisauszügen 72 4.2. Durchgeführte Rechnungen 73

5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 74

6. Schlußfolgerungen 86 6.1. Allgemeine Verteilung von Versagensereignissen 86 6.2. Beispiele für typische Versagenshergänge 92 6.2.1. Versagen durch atmosphärische Einflüsse 92 6.2.2. Versagen durch das Verhalten von Betriebsmitteln im Weltraum 94 6.2.3. Versagen durch Rückwirkung missionsbedingt abzutrennender Bauteile 98 6.2.4. Hohe Systemkomplexität als Beitrag zu Versagensfällen 99 6.2.5. Beabsichtigtes Versagen von Raumflugkörpern 101 6.2.6. Leistungsverbesserung von Raumflugkörpern durch Versagensfälle 104 6.3. Herkunft der Verursacherbeiträge und Behebungsbeiträge 106 6.3.1. Faktor Mensch an Bord und am Boden 107 6.3.2. Faktor Management 118 6.3.3. Kostenfaktor experimentelle Erfahrung 120 6.3.4. Kostenfaktor Mensch an Bord 130 6.3.5. Kostenfaktor Mensch im STS 149 6.3.6. Kostenfaktor Ende und Neubeginn 151 6.3.7. Versagensfaktor Kosten 154 6.3.8. Versagensfaktor Organisationsmethodik 161 6.3.9. Einfluß der Informationsflußbegrenzung 166 6.3.10. Versagen der Vorstellungskraft 172 6.4. Technisches Versagen 174 6.5. Versagen und Fortschritt 175 6.6 Zusammenfassung 177

7. Literatur 182

A. Anhänge 196 A.1. SI-fremde Einheiten 196 A.2. Anmerkungen zur Transkription 196 A.3. Anmerkungen zu Typenbezeichnungen 197 A.4. Hinweise zur eigenen Literaturrecherche 198 A.5. Ausgewählte Quellenzitate im Original 199 A.5.1. Kelly's Rules 200 A.6. Ausgewählte Ergebnisauszüge 201 Verzeichnis der Tabellen iv

2.1 - Nach der geometrischen Höhe definierte und erflogene Weltraumabgrenzungen 10 2.2 - Niedrigste in stabiler Umlaufbahn erflogene Perigäumshöhen 11 2.3 - Einige typische suborbitale Flüge 12 2.4 - Belastungen in der sehr niedrigen Erdumlaufbahn durch den Einfluß der Atmosphäre 13 2.5 - Flugmedizinisch bedingte Höhengrenzen 14 2.6 - Einige Arbeitsumgebungen entfernt vom menschlichen Eingriff arbeitender Geräte 19 2.7 - Verschiedene Zählweisen der Raketenstufung und Lokalisation von Triebwerkversagern 28 3.1 - Einträge im Tabellendokument für die erste Stufe der Auswertung 32 3.2 - Aufteilung der zur Auswertung ausgewählten Werke 34 3.3 - Einträge im Tabellendokument zur Identifikation eines Versuches über das Datum 37 3.4 - Einträge im Tabellendokument zur Anzahl der identifizierten Flüge 38 3.5 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung der Art von Versagensereignissen 42 3.6 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung des Versagenshergangs 43 3.7 - Opfer der Nedelin-Katastrophe in Abhängigkeit vom Informationsfluß 51 3.8 - Vergleich der Entwicklung von R-16 und LGM-25C 53 3.9 - Opfer ausgewerteter Versagensfälle 56 3.10 - Flugzahlen der Famile 7K 59 3.11 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung des Verursacherbeitrages 64 3.12 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung der Schwere des Versagens 65 3.13 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung des Behebungsbeitrages 65 3.14 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung von Kollateralschäden 66 3.15 - Einträge im Tabellendokument zur Unterstützung der Auswertung (1/2) 67 3.16 - Einträge im Tabellendokument zur Unterstützung der Auswertung (2/2) 68 3.17 - Zustand des Tabellendokumentes nach Auswertung und Klassifizierung 68 4.1 - Gesamtzahl der aufgenommenen Einträge nach Flugkörperart und Versuchszählung 69 6.1 - Umfassender Ergebnisauszug mit A4 und Fi-103 Einsatzflugkörper 87 6.2 - Umfassender Ergebnisauszug ohne A4 und Fi-103 Einsatzflugkörper 88 6.3 - Umfassender Ergebnisauszug ohne A4 und Fi-103 Einsatzflugkörper, anteilig 89 6.4 - Häufigste Kombinationen System - Fachbereich für Versagensereignisse 90 6.5 - Einträge der Gruppe System nach ihrer Häufigkeit 91 6.6 - Einträge der Gruppe Fachbereich nach ihrer Häufigkeit 91 6.7 - Ergebnisauszug der Behebungsbeiträge ohne A4 und Fi-103, nach Verursacherbeitrag 106 6.8 - Verursacher- und Behebungsbeiträge und unmittelbarste menschliche Beteiligung 107 6.9 - Anteile bemannter Raumflugkörper und des Verantwortungsbereiches Crew 109 6.10 - Relative Effizienz der Behebungsbeiträge leistenden Gruppen 117 6.11 - Kosten des -Programmes; geplante und hypothetische Nachfolger, und ISS 121 6.12 - Kosten des Apollo-Programmes 122 6.13 - Massen und bewohnbare Volumen von Skylab im Vergleich zu und ISS 124 6.14 - Neu aufzuwendende Mehrkosten für Skylab-Fortsetzung im Vergleich zu Mir u. ISS 125 6.15 - Vergleich mit pauschalen Kostenangaben zu Apollo in der Öffentlichkeit 126 6.16 - Kosten von Apollo, Skylab und ASTP als inkrementelle Entwicklung betrachtet 128 6.17 - Übersicht der Ye-8 Landesonden 130 Verzeichnis der Tabellen v

6.18 - Kostenabschätzung für Ye-8-5, Ye-8-5M Luna Landesonden mit Probenrückführung 131 6.19 - Optimistische Kostenabschätzung für Ye-8-5, Ye-8-5M Probenrückführung 132 6.20 - Verteilung der Außenaktivitäten auf die Apollo Missionstypen 134 6.21 - Kostenabschätzung für Apollo Probenrückholung, Außenaktivität und Experimente 135 6.22 - Vergleich günstigster und ungünstigster Kostenschätzungen für Ye-8-5 und Apollo 136 6.23 - Arbeitszeitaufwendungen für Mondexkursionen 137 6.24 - Bahndynamisch mögliche und erflogene Landekoordinaten von Mondlandern 138 6.25 - Entwicklung der Startkosten des STS und ihre Darstellung 139 6.26 - Bau- und Entwicklungskosten des STS und ihre Darstellung 140 6.27 - STS-Konfigurationen und andere Schwerlastträger im Vergleich, nach Nutzlast 141 6.28 - Feste und variable Kosten von Schwerlastträgern der STS-Klasse 142 6.29 - nK und STS als Träger für wissenschaftliche Experimente 143 6.30 - Vergleich typischer wissenschaftlicher Missionen von nK und STS 144 6.31 - Ersatz des STS durch nK für Mikrogravitationsforschung 145 6.32 - Beispiele von Kosten durch Verzögerungen 151 6.33 - Vergleich der Flugzahlen von STS, 7K und X-15A 155 6.34 - Aufwendungen für N-1/L-3 und Saturn-Apollo im Vergleich 162 6.35 - Organisationsverfahren nach Vorbereitung und Erwartung von Erfolg und Mißerfolg 164

p Druck T Temperatur v Geschwindigkeit

Dichte

An Aggregat - Bezeichnung für Flugkörper der Heeresversuchsstelle Peenemünde, z.B. A4 AAP Apollo Applications Program, Apollo-Anwendungsprogramm (nur Skylab verblieb) ABM Anti-Ballistic Missile, Anti-Raketen-Rakete zum Abfangen ballistischer Flugkörper ABM-n ABM im westlichen Bezeichnungssystem für sowjetische Geräte ABMA (U.S.-)Army Ballstic Missile Agency, U.S.-Armeebehörde für ballistische Raketen AFB Air Force Base, Luftwaffenstützpunkt der USAF ALSEP Apollo Lunar Surface Experiment Package, Apollo Experimentepaket für die Mondoberfläche ASCC Air Standardization Coordinating Committee, Kommitee für Luftmelde-Kennungen ATDA oder Augmented Target Docking Adapter, Ersatz-Zielflugkörper für Gemini 9 ATM Apollo Telescope Mount, Sonnenteleskop auf Skylab (1) Nomenklatur vi

BO Bytovoy Otsek, Orbitalsektion der 7K Soyuz C-Band Mikrowellenbereich von 4 bis 8 GHz CIA Central Intelligence Agengy, Zentralgeheimdienst der Vereinigten Staaten von Amerika CM Command Module, Kommandokapsel COSPAR Committee On SPAce Research, Kommittee für Weltraumforschung des ICSU CSM Command and Service Modules, Kommando- und Versorgungsmodul (gekoppelt) DM (2) ASTP Docking Module, Kopplungsadapter für Apollo CSM und Soyuz 7K-TM DoD Department of Defence, Verteidigungsministerium der Vereinigten Staaten von Amerika EVA Extravehicular Activity, Weltraumspaziergang oder Mondexkursion FAI Fédération Aéronautique Internationale, Internationale Luftfahrtföderation FL flight level, Flughöhe nach Instrumentenanzeige für Standardatmosphäre HF high frequency, Kurzwelle von 3 bis 30 MHz GATV Gemini Agena Target Vehicle, Raumschlepper für Gemini auf Basis der Agena D GERTS General Electric Radio Tracking System, Lenksystem der ersten stationierten Version der ICBM Atlas D, bis Apollo-Saturn für alle bemannten U.S.-Raumflüge verwendet GMT Greenwich Mean Time, in etwa gleich, und als Standard ersetzt von UTC GULag Glavnoye Upravleniye Lagereiy, Generalverwaltung der Straflager ICBM InterContinental Ballistic Missile, Interkontinentalrakete ICSU International Council of Scientific Unions, Internationaler Rat wissenschaftlicher Vereinigungen IOC Initial Operational Capability, anfängliche militärische Verwendungsfähigkeit ISS International , internationale Raumstation IU Instrumentation Unit, Steuerungsteil der Saturn-Oberstufe S-IVB nK Korabl, Schiff - Bezeichnung für rückführbare Satelliten des OKB-1, z.B. 1K Korabl-, 2K -2, 3K /, 7K Soyuz; auch Stationsmodule K-Band Mikrowellenbereich von 18 bis 24 GHz Ka-Band Mikrowellenbereich von 24 bis 40 GHz KGB Komitet Gosudarstvennoi Bezopasnosti, Kommittee für Staatssicherheit KH-n Keyhole, Schlüsselloch - Bezeichnung der CIA-Spionagesatellitenkameras KORD KOntrolia Raketnykh Dvigatelei, Triebwerkskontrollsystem der ersten Stufe der großen sowjetischen Mondrakete N-1 für bemannte Mondlandungen Ku-Band Mikrowellenbereich von 12 bis 18 GHz L-Band Mikrowellenbereich von 1 bis 2 GHz LEM Lunar Excursion Module, Mondexkursionsmodul (später LM) LM Lunar Module, Mondlandemodul (zuvor auch LEM) mm-Band Mikrowellenbereich von 40 bis 100 GHz, Millimeterwellen MON mixed oxides of nitrogen, Stickstoffoxidgemische aus N2O4 und NO als Oxidator n Platzhalter für eine Zahl in Serien-Typenbezeichnungen, ggf. auch mit Suffix XX-N-n(n) Kennzeichnung für Marineflugkörper im westlichen Bezeichnungssystem für sowjetische Geräte NASA National Aeronautics and Space Administration, nationale Luft- und Raumfahrtbehörde der Vereinigten Staaten von Amerika NII russ., Wissenschaftliches Forschungsinstitut, kann Tarnbezeichnung sein Nomenklatur vii

NKVD Narodniy Komissariat Vnutrennykh Dyel, Volkskommissariat für innere Angelegenheiten (Vorläufer des KGB) NORAD North American Air Defense Command, Luftverteidigungskommando für die USA, Alaska und Kanada NRL Naval Research Laboratory, Nautisches Forschungslabor (zivil, aber der US Navy verbunden) NRO National Reconnaissance Office, nationales Aufklärungsbüro, Auswertestelle für alle Luftspionageaufnahmen, Existenz erst 1992 zugegeben NSF National Foundation, nationale Wissenschaftsstiftung der USA NTO nitrogen tetroxide, Stickstofftetroxid N2O4 OKB Optytnoye Konstruktorskoye Byuro, Versuchskonstruktionsbüro OPS Kurzfassung für operation, operations, operation number bei Vorhaben des CIA OTRAG OrbitalTransport und Raketen AG (Stuttgart), erste nichtstaatliche Trägerraketenfirma PDT Pacific Daylight savings Time PO Priborniy Otsek, Gerätesektion - i.d.R. rückführbarer Flugkörper vom Typ nK RORSat Radar Ocean Reconnaissance , Seeaufklärungsradarsatellit RTG Radioisotope Thermoelectric Generator, thermoelektrischer Isotopengenerator RHU Radioisotope Heating Unit, Isotopenwärmequelle SA Spuskaemiy Apparat, Rückkehrkapsel der Raumschiffe nK-Serie und 7K Soyuz SA-n(n) Surface-to-Air missile, Boden-Luft-Rakete im westlichen Bezeichnungssystem für sowjetische Geräte SAS Sistem Avariyovo Spasenica, Notfallrettungsystem, Rettungsrakete i.d.R. des 7K Soyuz S-Band Mikrowellenbereich von 2 bis 4 GHz, nach dem britischen Bodendarstellungsradar

H2S für Bomber des Zweiten Weltkrieges SIM Scientific Instrument Module, Kartierungskamera und Instrumente im Apollo SM (J) SM , Versorgungsmodul (meist mit CM gekoppelt als CSM) SNAP System for Nuclear Auxiliary Power, nukleares Hilfsversorgungssystem (meist RTG) SS-n(n) Surface-to-Surface missile, Boden-Boden-Rakete im westlichen Bezeichnungssystem für sowjetische Geräte STS Space Transportation System, eigentliche Bezeichnung des »« TDRS Tracking and Data Relay Satellite, globales geostationäres Kommunikationsnetzwerk für NASA-Missionen im niedrigen Erdorbit TRW Thomson Ramo Wooldridge, US-amerikanische Raumfahrtfirma, als R-W seit 1954 VHF very high frequency, Ultrakurzwelle von 30 bis 300 MHz (auch 100 bis 300 MHz) UHF ultra high frequency, Ultrakurzwelle von 300 MHz bis 1 GHz (auch 0.3 bis 3 GHz) UN United Nations, Vereinte Nationen USAF Air Force, Luftwaffe der Vereinigten Staaten von Amerika UTC Universal Time Coordinated, in etwa GMT X, x Platzhalter für einen Groß- bzw. Kleinbuchstaben in Serien-Typenbezeichnungen X-Band Mikrowellenbereich von 8 bis 12 GHz, nach dem englischen Bodendarstellungsradar

H2X für Bomber des Zweiten Weltkrieges Nomenklatur viii

Es wird ein Punkt ( . ) zur Trennung des Dezimalbruches von der Ganzzahl verwendet, es werden Zehnerpotenzen bei langen Zahlen durch ein symbolisiert, z.B. 7070.7 oder 7.0707 3, und es wird die traditionelle astronomische Notation von Winkelgraden verwendet, z.B. 0°.25 für ein Viertel Grad, entsprechend 0° 15' 0''.00 - Winkelgrad, Bogenminuten, Bogensekunden. Werden in einer Quelle SI-fremde Einheiten verwendet, wird diese Angabe der Größe gemacht und die Umrechnung in eine SI-Einheit angegeben, damit durch die Umrechnung nicht eine höhere Genauigkeit suggeriert wird, die ursprüngliche Angabe aber weniger signifikante Stellen hat, z.B. wenn 55000 ft in 16764 m umgerechnet werden. Eine nicht näher erläuterte oder aus anderen Quellen verdeutlichte Angabe in Meilen wird gegebenenfalls nach statute miles und internationalen Seemeilen umgerechnet.

Die Rechtschreibung orientiert sich weitgehend an der 20. Auflage des Duden und der natürlichen Fortentwicklung der Sprache. Begriffe anderer, insbesondere englischer Herkunft werden jedoch in der jeweils in dieser Sprache üblichen Form geschrieben, soweit es die verfügbaren Sonderzeichensätze eben erlauben. Ansonsten wird die englische Transkription verwendet, solange nicht eine andere Schreibweise allgemein üblich ist. Bei der Bezugnahme auf besondere Einträge in den zur Berechnung verwendeten Tabellendokumenten werden diese zur Unterscheidung von ähnlichen oder gleichen Begriffen von allgemeinem Bezug in Helvetica 10pt gesetzt. Bei diesen Einträgen kann es sich zur leichteren Erkennbarkeit in schmalen Tabellenspalten an den ersten zwei bis vier Buchstaben um geeignet verkürzte oder veränderte Formen allgemeiner Begiffe oder in dieser Hinsicht geeignete Wortschöpfungen handeln.

Um bei der hohen Zahl der ausgewerteten Ereignisse und den damit verbundenen Quellenstellen eine kurze Literaturliste zu erhalten, wird jede verwendete Quelle nur einmal in der Liste aufgeführt. Auf Quellenstellen wird wie folgt verwiesen:

laufende Quellennummer Seite wie in der Quelle notiert ggf. weitere Seiten oder

laufende Quellennummer Band, römische Ziffer bei mehrbandigen Büchern, arabische bei Zeitschriften Seite wie in der Quelle notiert ggf. weitere Seiten

Auf Anhänge der vorliegenden Arbeit wird über ihre Nummer n wie folgt verwiesen: [A.n]

Einige oder alle verwendeten Gestaltungselemente und Warenzeichen können den möglicherweise jeweils verschiedenen Rechten der jeweils entsprechenden Rechteinhaber unterliegen, die an ihnen diese Rechte oder Teile davon zum Zeitpunkt der Betrachtung oder Erstellung dieser Arbeit innehaben oder innehatten. Einige oder alle verwendeten Gestaltungselemente und Warenzeichen sind Eigentum ihrer jeweiligen Eigentümer oder Inhaber; ihre Verwendung erfolgt nur beispielhaft zum Zwecke der Erläuterung und nicht zur gewerblichen Nutzung. Der Verfasser behält sich alle Rechte am für diese Arbeit geschaffenen geistigen Eigentum vor, gleich ob es in ihrer veröffentlichten Fassung tatsächlich genutzt wurde oder nicht. Insbesondere eingeschlossen darin sind alle Ideen, Verfahren und Methoden und ihre Zusammenstellung und Übertragung auf Rechenanlagen und Informationswege jeder Art, sowie die kommerzielle Nutzung und die private Nutzung aller dieser Sachen und des veröffentlichten Inhalts der vorliegenden Arbeit zu allen anderen Zwecken als der unentgeltlichen und freien Lehre und des privaten Studiums. 1. Einleitung 1

Insbesondere die kommerzielle, aber auch die militärische Nutzung von Trägerraketen nähert sich im finanziellen Umfang und der Anzahl der produzierten Vehikel den entsprechenden Verhältnissen bei großen Verkehrsflugzeugen. Große kommerzielle, militärische und wissenschaftliche Satelliten stellen als Nutzlast einen erheblichen Wert dar, der in teils jahrzehntelangen Anstrengungen erarbeitet wurde. Sowohl eine steigende Flugfrequenz der Träger als auch der bisher kontinuierlich steigende Wert der einzelnen Nutzlasten bringt ein großes wirtschaftliches und organisatorisches Interesse an der Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern mit sich. Im Wettbewerb ergibt sich daraus die Notwendigkeit, nach effizienten Maßnahmen zur Verbesserung dieser Zuverlässigkeit zu suchen. Für die äußere Betrachtung und Bewertung der Technik durch Institutionen der Wirtschaft, des Staates und durch die Öffentlichkeit bieten sich augenscheinlich zunächst die in der Luftfahrt erreichten Werte und ihre Entwicklung über die Zeit als praktischer Vergleichsfall an. Ausgehend von dieser Interessenlage soll in der vorliegenden Arbeit die Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern unter Berücksichtigung möglicher Besonderheiten der Raumfahrt an sich und des Raumfahrtbetriebes nach ihren charakteristischen und besonderen Eigenschaften, Ursachen und Verbesserungsmöglichkeiten untersucht werden.

Vor gut einhundert Jahren begann nicht nur - mit den Gleit- und Motorflügen der Pioniere Lilienthal, Whitehead, Orville und Wilbur Wright, und Santos-Dumont - die schrittweise praktische Entwicklung zum dreiachsengesteuerten und eigenstartfähigen Luftfahrzeug, sondern auch fast gleichzeitig, und nicht nur von den Zeitgenossen viel weniger beachtet, die schrittweise praktische Entwicklung zum Weltraumfahrzeug.

Bemerkenswert hierbei ist, besonders im Hinblick auf die heutige Würdigung der Vordenker von Tsilokovsky bis Goddard, daß die weitgehend unbekannten praktischen Pioniere des fin de siècle wie Richard Assmann oder Alfred Hermann Carl Maul nicht nur ihren Mitstreitern in der Luft um einige wenige Jahre voraus waren, sondern daß sie dabei zunächst die weit größeren Strecken zurücklegten, und das von vornherein in der erstrebten Vertikalen. Sie arbeiteten zudem von Anbeginn mit automatisierten Apparaten, gleichermaßen zu kommerziellen wie auch zu Forschungszwecken. Assmanns meteorologische Ballonsonden erreichten schon 1894 eine Höhe von fast 22 km, weit über der letzten physiologischen Grenze zum Weltraum bei etwa 19 km, [1- 143] wo mangels Umgebungsdruck das Blut bei Körpertemperatur zu kochen beginnt - über der sich also der Aufenthalt im Freien für den Beobachter oder Experimentator technisch in nichts mehr von dem im Erdorbit oder freien Weltraum unterscheidet. Der Einsatz instrumenteller Fernerkundungen von Stationen bzw. Observatorien auf sicherem Gebiet aus im Vorfeld von später beabsichtigten bemannten Expeditionen in bisher unerreichbare Gebiete war zu dieser Zeit schon nichts ungewöhnliches mehr. Ein solches, bereits international kampagnenartig für einen bestimmten Zeitraum koordiniertes Vorgehen wurde mindestens seit der Polarkonferenz vom 1. Einleitung 2

Oktober 1879 geplant und ab dem Herbst 1882 auf der nördlichen Hemisphäre für die Vorbereitung von Polarexpeditionen angewandt. [2] Mauls kommerzielle Photoraketen erreichten bis 1903 Höhen von über 300 m, wo sie, ausgelöst durch einen geeigneten Sensor, am Gipfelpunkt der Flugbahn automatisch eine feinmechanisch miniaturisierte Nutzlast aktivierten, gefolgt von einem Rückführungssystem, das deren verwertbare Produkte von guter Qualität und den bis auf das Feststoffantriebsmodul wiederverwendbaren Fulgkörper recht zuverlässig auf den festen Boden zurückbrachte. Den größten Teil des Jahrzehnts blieben seine Geräte in der Weiterentwicklung beider Technologien noch dem Flugzeug in ihrer Leistung und auch in der Kosteneffizienz voraus, ohne dabei das Leben von Menschen an Bord zu erfordern oder zu gefährden. [1-27ff.] Er erreichte erstmals in der Entwicklung zur heutigen Raumfahrt die Rückführung der Nutzlast zur Erde, die mehrfache Wiederverwendbarkeit des Trägers, und Jahrzehnte vor der unwirksamen bzw. unverhältnismäßig schweren Kreiselmassenstabilisierung der von-Braunschen A1 und A2 [3-16f.] verwendete er erstmals kleine, von Kreiseln angesteuerte Geräte zur aktiven Stabilisierung des Flugkörpers. Diese Entwicklungen waren kein Selbstzweck, da er als Unternehmer mit dem ersten praktischen Einsatz von Raketen sowohl zur Erderkundung als auch zur militärischen Aufklärung erstmals privatwirtschaftlich eine praktische kommerzielle Nutzanwendung verfolgte. [1-29f.,33] Dann jedoch trug die Atmosphäre, die der praktischen Rakete zumindest technisch im Wege steht, im Herandämmern des Ersten Weltkrieges das bemannte Flugzeug mithilfe der in der Aufrüstung immer reichlicher fließenden Staatsmittel bald an seinen Raketen vorbei. Die frühesten Versionen der späteren Peenemünder Ergebnisse und die Tatsache, daß Maul und seine Erfindungen bis dahin völlig in Vergessenheit geraten waren, zeigten jedoch, daß mit der Ausnahme einiger Aspekte des Antriebs mit flüssigen Treibstoffen, die Goddard ab Mitte der 1920er Jahre einführte, kaum modernere technische Mittel für ihre Weiterentwicklung zur nutzbaren Großrakete nötig waren, als die, die schon zum Ende des Ersten Weltkrieges hin vorhanden und praktisch erprobt waren. Dies sind für die Struktur die Bauweise von Junkers' noch in Aachen begonnenen selbsttragenden Metallflugzeugen, und für die autonome Steuerung die der fern- und selbstgesteuerten Torpedogleitern. Nichts anderes beinhaltete denn auch der Vorschlag für eine »Englandrakete«, den der siebenbürgische k.u.k. Sanitätsfeldwebel und Gymnasialprofessor Oberth im März 1918 in einem Akt der Desertion beim deutschen Konsulat im damaligen Kronstadt - heute Brasov in Rumänien, zwischenzeitlich Orasul Stalin - eingab, der aber vom Kriegsministerium in Berlin mit der oft zitierten Bemerkung beschieden wurde, daß Raketen gewöhnlich nicht weiter als etwa eine preußische Meile flögen, also etwa sieben Kilometer; dies mit Verweis darauf, daß die mit Gründlichkeit gleicher Provenienz bereits längst erzielten Ergebnisse wohl keine wesentliche Verbesserung erwarten ließen. [1-41f.] Das Rückzugsgefecht der Höhenballone währte sogar noch zwei Jahrzehnte über den nächsten Weltenbrand hinaus, bis ihnen das mittlerweile bis in den Hyperschallbereich vorgestoßene Strahlflugzeug Höhen- und Weitenrekorde streitig machte, wenn auch ihre Verweildauer in der Stratosphäre - vorerst - noch bis heute ungeschlagen bleibt von solarbetriebenen Leichtbau- Nurflüglern am anderen Ende der Geschwindigkeitsskala.

Das Verbot der motorisierten Luftfahrt durch das internationale Vertragsgeflecht im Gefolge des ersten Weltkriegs machte jedoch einen Teil der Wettbewerbsverzerrung aus der Zeit vor seinem Ausbruch vorübergehend wieder rückgängig, da die juristisch sehr genau definierten und engmaschig geknüpften Waffenstillstandsbedingungen eine umso größere Reihe von Lücken 1. Einleitung 3 offenließen, in die sich die oft aus genau den selben Gründen belächelte Flugkörper- und Raketentechnik ideal einfügte, eben weil sie das vergessene Pendant der bemannten Flugzeuge war. Während der 1920er Jahre wurde dies vom deutschen Heereswaffenamt und einigen vorausschauenden Artillerieoffizieren erkannt, die dann die Unterstützung der wenigen verbliebenen Pioniere, Hobbyisten, Enthusiasten und Phantasten in diesem Bereich zu ihrer Sache machten, soweit dies im engen Rahmen der ohnehin laufenden verdeckten Rüstungsaufwendungen der Weimarer Republik eben möglich war. Wegen der durch die Revolutionen herbeigeführten Offenheit gegenüber Neuem und dem Mißtrauen gegenüber althergebrachten Autoritäten auf ähnliche Weise staatlich unterstütze Entwicklungen erfolgten fast gleichzeitig in der international ebenso ausgegrenzten Sowjetunion, wo sie sich jedoch gegen unbeschränkte Flugzeugentwicklungen und Rohrwaffen halten mußten, und dies auch durchweg taten. Es kam aber zum plötzlichen Abbruch der Arbeiten durch die Ermordung der meisten sie fördernden militärischen Führungskader der Artillerie im Zuge der Stalinschen Säuberungen durch Berias NKVD 1938. Viele der internierten Luftfahrttechniker wurden während der schon laufenden Kriegsvorbereitung für einen Krieg mit Deutschland im Sommer 1940 aus den Zwangsarbeitslagern des eigentlichen GULag in ein System von Konstrukteurs-Zwangsarbeitslagern und -Zwangsforschungsinstituten zusammengeführt, die sharashka genannt wurden. Die als Stalin-Orgel bekanntgewordene Artillerierakete Katyusha wurde noch im kommenden Weltkrieg eingesetzt, aber die überlebenden Raumfahrtenthusiasten wurden zum großen Teil erst ab dem Sommer 1944 nach bekanntwerden der Peenemünder Erfolge aus den Straflagern geholt, soweit sie nicht ohnehin schon im sharashka-System tätig waren. Diese wenigen Spezialisten wurden in einem Federstrich aus dem politischen Gefangenenstatus zu hohen Offiziere der Roten Armee befördert, und als mit Sondervollmachten von allerhöchster Stelle ausgestattete Spezialisten nach Deutschland geschickt, um in Stalins zunächst einseitigem Wettlauf zum nächsten Weltkrieg der technischen Erfahrung in jeder, vor allem auch ihrer menschlichen Form, habhaft zu werden. Die Produktion aller fortschrittlichen Waffen war unverzüglich und ohne Rücksicht auf internationale Verträge oder alliierte Vereinbarungen an Ort und Stelle wiederaufzunehmen - das heißt auch immer in unmittelbarer Nähe der mit allen wichtigen Produktionsstätten und vielen Forschungseinrichtungen des damaligen Deutschland verbundenen Konzentrationslager. Danach war die rekonstruierte technische Basis auf die eigenen Einrichtungen und Arbeitskräfte zu übertragen, was auch innerhalb von drei Jahren einigermaßen gelang. In derselben Zeit verschoß das nach dem dortigen Immigrationsrecht von eigenmächtigen hohen Militärs und Geheimdienstlern illegal eingeschleuste, in den USA internierte Peenemünder Führungspersonal die von seinen Bewachern mitgebrachten Beuteflugkörper, wertete seine bisherigen Erfahrungen aus, die auf der bis heute mit dem Abstand von Größenordnungen höchsten Startzahl basierten, und machte seine Projektvorschläge, die den heute gering erscheinenden Kosten folgend durchweg abgelehnt wurden. Goddard, der als einziger der Raketenpioniere in einer Demokratie nach westlichem Muster eine geringe, nicht-staatliche Unterstützung seiner Arbeit durch die Smithsonian Institution und die Guggenheim Foundation erfahren hatte, verstarb an einem längeren Krebsleiden, kurz nachdem er die ersten der gerade erbeuteten deutschen A4 gesehen hatte. (Die von Joseph Goebbels erfundene nationalsozialistische Hetzpropaganda- Bezeichnung »Vergeltungswaffe 2« bzw. »V 2« für das Aggregat 4 (A4) wird hier und im Folgenden aus offensichtlichen Gründen nicht benutzt werden, es sei denn in wörtlichen Quellenzitaten aus Werken anderer Verfasser. Die angeführten Schreibweisen mit bzw. ohne Leerstelle entsprechen den in den zeitgenössischen Dokumenten jeweils propagandistisch bzw. von 1. Einleitung 4

Technikern verwendeten.) In über zwanzig Jahren gezwungenermaßen einzelgängerischer Arbeit, regelmäßig verlacht von der etablierten Wissenschaft, lächerlich gemacht von der Presse und angeprangert von Haushaltsausschüssen, waren seine mindestens zehnmal kleineren Flugkörper der Vorkriegszeit dem A4 nach dem Stand der Technik fast ebenbürtig geworden. Und bei diesem Stand blieb es im Westen - bis zum Beginn des Koreakrieges.

Bis nach dessen Ende mußten sich die zwischenzeitlich massenhaft, zu tausenden in einer einzigen Nacht am 23. Oktober 1946 in die Sowjetunion verschleppten Techniker der deutschen Rüstungsindustrie mit dem Leben in einem weiteren Lager- und Geheimpolizeistaat abfinden, diesmal jedoch als dessen Gefangene. Dieses Schicksal traf sie zwar äußerst milde; als wertgeschätzte Reparationsarbeiter in Familienbegleitung und mit Hausrat verschickt; als bevorzugte, mehr als ausreichend versorgte und vorzüglich entlohnte Insassen mit Anrecht auf hohe Erfolgsprämien - aber doch mit dem was viele von ihnen in den Konzentrationslager-Fabriken Deutschlands wohl gesehen hatten und wohl nicht hätten ändern können, als Hintergrund für eine allzeit nahe, oft ausgesprochene, und sehr real existierende Drohung ihrer neuen Herren. Ihr Wissen wurde an die parallel zu, und von ihnen isoliert im Wettbewerb arbeitenden sowjetischen Fachleute weitergegeben, und so die Produktion der ersten nutzbaren Raketen und Lenkflugkörper aller Einsatzarten um viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte beschleunigt - von der Panzerabwehr bis zur strategischen Raketenabwehr. Diese Arbeit war in allen Varianten der Technik auf ein Ziel gebündelt mit einem von vornherein auf eine taktisch transportable Dreiphasenbombe abzielenden Kernwaffenprogramm, das die vorangehenden Kernspaltungs- und Zweiphasenbomben nur als zur Zündung technisch notwendige und auch strategisch willkommene, eher verfügbare Zwischenstufen verstand. Als dies, fragmentarischen Informationen folgend, Mitte der 1950er Jahre im Westen in Ansätzen begriffen wurde, entstand erst der Wettlauf in den Weltraum. An dessen Ursprung stand auf beiden Seiten, wie am Anbeginn fünfzig Jahre zuvor, der Drang, und jetzt zumindest für den Westen sogar der dringende Zwang, um jeden Preis an Daten aus der Höhe zu kommen. Wieder sollten zuerst unbemannte Höhenballone, dann Raketen, und schließlich Satelliten die Anforderungen der Nutzer erfüllen, diesmal mit dem bemannten Flugzeug als Zwischenstufe. Aber wie dreißig Jahre zuvor waren es letztenendes Raketen und die von ihnen getragenen automatisierten Satelliten, die sich allein durch die Lücken im dichten Netz des internationalen Rechts hindurch entwickeln konnten, und dabei bald - und letztlich als einzige der versuchten Möglichkeiten - selbst die höchsten in sie gesetzten Erwartungen technisch weit übertrafen. Die mit den bisher höchsten Aufwendungen in der Raumfahrt für einzelne Projekte - Atomwaffen und Aufklärungssatelliten als Nutzlasten, Interkontinentalraketen ohne bzw. mit zusätzlichen Stufen als deren Träger - erschlossenen technischen Möglichkeiten wurden nur im Westen und erst ein Jahrzehnt später durch den bemannten Wettlauf zum Mond publik, und auch größtenteils für die zivile Wirtschaft zugänglich und bezahlbar gemacht, wenn auch die genauen Hintergründe erst Mitte der 1990er Jahre zum Teil offenbar wurden. Im Osten blieb nach dem nur knapp verfehlten Erfolg der dortigen bemannten Mondprogramme bis nach dem Zerfall der Sowjetunion der Mantel des Schweigens einer geschlossenen Gesellschaftsform über das Erreichte gebreitet. Einige Teile der bemannten Programme wurden zerstört, viele aber umgewidmet und mit anderen bemannten militärischen Programmen zusammengeführt, die sich dann mit der dadurch erhalten gebliebenen praktischen Erfahrung zur Grundlage der heutigen russischen bemannten Raumfahrt entwickeln konnten, während im Westen 1. Einleitung 5 die übrigen flugtauglichen Geräte der begonnenen, gekürzten und abgebrochenen Mondflug- und Raumstationsprogramme im Dezember 1976 den Museen übergeben wurden, um wiedereinmal fast von vorne zu beginnen, mit dem ganz neuen Konzept einer wiederverwendbaren Raumfähre.

Hinter dieser kurz angerissenen Geschichte des Erreichten steht jedoch der lange und oft mühevolle, gelegentlich auch verlustreiche Weg der Erfahrungssammlung; letztlich der Kern der Naturwissenschaft, in der der mathematische oder philosophische Positiv-Beweis prinzipiell unmöglich ist:

Das die Theorie gemäß den Naturgesetzen widerlegende oder nicht widerlegende Experiment.

In der bald fünfzigjährigen Geschichte der Raumfahrt und der nochmals mindestens ebensolangen Entwicklung ihrer unmittelbaren technischen Vorläufer fehlt es nicht an spektakulären und gelegentlich tragischen Versagensfällen, die nicht nur das Bild dieses schon an sich sehr exponierten Zweiges der Technik in der Öffentlichkeit prägen, sondern wegen der oft hohen Einzelverlustkosten auch rein sachliche Investitionsplanungen entscheidend beeinflussen. Einigkeit besteht zumindest bei objektiver Betrachtung darüber, daß solche katastrophalen Unfälle einerseits in der Frühphase eines neuen Einsatzfeldes menschlicher Technik in einem gewissen Maße unvermeidlich sind, aber auch darüber, daß sie andererseits beim heutigen Stand der Technik in den meisten Bereichen der Raumfahrt mittlerweile eher die Ausnahme sind, besonders im kommerziellen Träger- und Nutzlastsektor. Dennoch sind schwere Unfälle in jedem Bereich der Technik nur die Spitze eines Eisbergs von weniger schweren Verläufen, Teilerfolgen, kleineren Pannen und unvorhergesehenen, aber im Sinne des angestrebten Missionszieles vernachlässigbaren Ereignissen, die sich aus anfänglich ganz ähnlichen Ursachen entwickelt haben können, wobei das ganzes Ausmaß dieses Eisberges oft unter dem Treibeis des glücklichen Umstands verborgen bleibt. Weithin wahrgenommen werden aber letztlich nur die Ereignisse, die durch alle Sicherheitsbarrieren hindurchfallen, ohne daß eine davon den Weg in die Katastrophe aufhalten kann. Die Sicherheitsfaktoren im Wege eines Unfalls sind etwa vergleichbar einem alten Sortierungssystem für Lochkartenstapel mittels durchzuschiebender Stricknadeln. Es gibt auf jeder Karte - eine für jede Ebene der technischen Einrichtungen oder des Lebenszyklus' eines Vehikels - prinzipiell oder zufällig unverschlossene Löcher, statische wie wandernde, die durchlässig für den Verlauf eines Fehlerhergangs sind. Ein einziges geschlossenes Loch auf einer einzigen Karte kann das Durchstürzen der suchenden Nadel verhindern, die den ebenfalls teilweise zufallsbeeinflußten momentanen Betriebsparametern über das Feld ihrer möglichen Zustände, das jede Karte darstellt, folgt, aber ein geschlossenes Loch kann auch gleichzeitig darunterliegende Lücken unerkannt verdecken, bis ein Zufall gleich welcher Art eben dieses letzte Loch öffnet und der Unfall eintritt. Der von einer Ursache angestoßene Versagensfall kann nun einfach scheinbar frei durch alle Barrieren fallen oder auch auf einem Stück des Hergangsweges so viel Schwung ansammeln, daß die letzten geschlossenen Karten im Wege von der Nadel selbst durchstoßen werden, d.h. die 1. Einleitung 6

Sicherheitslücke erst unmittelbar im Unfall selbst als Kettenfehler entsteht, während die diese Karte betreffenden Parameter an sich im erwarteten und normalerweise beherrschten Bereich liegen können. Im Umkehrschluß aus diesem anschaulichen Modell stellt sich die Frage, ob der zufällig wandernde Teil der Löcher im Kartenstapel gelegentlich einen Einblick in verdeckte oder bisher zufällig unbeachtete, vor allem auch prinzipielle Sicherheitslücken erlaubt, und ob es möglich ist, aus diesen allgemeine Schlüsse für die sicherere Durchführung von Raumfahrtvorhaben zu ziehen.

Konkreter Anlaß für die vorliegende Arbeit ist zunächst die erstmalige Möglichkeit einer umfassenden Neubewertung des Gesamtbildes, die entstand durch das in etwa gleichzeitige Erscheinen mehrer Werke zur Raumfahrtgeschichte zum Ende der 1990er Jahre hin. Allgemein hat in diesem Jahrzehnt die, wiewohl zögerliche und häppchenweise, immer noch anhaltende Öffnung der Archive des Ostblocks erstmals eine hinreichend objektive Würdigung der tatsächlichen Leistungen der sowjetischen und osteuropäischen Raumfahrttechniker ermöglicht, worauf ein Teildieser neuen Werke beruht. Dazu entstand speziell im Westen nach dem Hindämmern des vordergründigen, politisch motivierten oder aus überkommenen politischen Gründen gerade noch am Leben erhaltenen Wettbewerbs der Systeme eine Diskussion in der Öffentlichkeit, besonders auch in der europäischen, um den noch verbleibenden Sinn der gesamten nichtkommerziellen Raumfahrt an sich. Besonders mit dem Sinn der Internationalen Raumstation (ISS), des Shuttles (STS), mit den Kosten der bemannten Raumfahrt, und mit einer möglichen weiteren europäischen Beteiligung daran befaßten sich mehrere aus Ansatz und Richtung der öffentlichen Diskussion entwickelte Werke, die eine umfangreiche und sehr gründliche Sammlung der bisherigen Fehlschläge sowie ihrer Kosten und Opfer aus allen verfügbaren Quellen zusammenführten, teils auch im bewußt an der Sinnfrage herausgearbeiteten Ost-West-Vergleich, was zusätzlich einige Schlüsse über den Informationsfluß in eben dieser Diskussion ermöglicht.

In fast allen Fällen handelt es sich dabei um im Schwerpunkt technisch-historische Werke, die zwar kommerziell in erster Linie den besonders derart interessierten, zumindest populärwissenschaftlich gebildeten Leser ansprechen, aber inhaltlich selbst direkt auf neuen oder erstmals erreichbaren Berichten von unmittelbar beteiligten Zeitzeugen und auf neuerlich freigegebenen, zeitgenössischen Dokumenten basieren. Wertvoll vor allem für die vorliegende Arbeit ist, daß alle diese Werke nicht das Detail des technischen Hergangs fürchten, sondern es - im Gegensatz praktisch zur gesamten früheren Literatur dieser Sparte - zur wesentlichen Grundlage der Argumentation erheben. Dies ist gerade im Zusammenhang mit Versagensfällen eine in der einschlägigen Literatur gänzlich neue Methode. Sie kehrt die konzeptionell zwar ähnliche, aber positivistisch an den Erfolgen orientierte Darstellung der erreichten Spitzenleistungen aus der Zeit bis zum Ende der 1960er Jahre ebenso um, wie die diesen beiden Konzepten gleichermaßen gegenüberstehende, betont sozial-konsequentialistische Darstellung aus der Zeit nach 1968, die bis zu eben diesen neuen Arbeiten der 1990er Jahre bestimmend war. Das Ziel der letzteren Methode war, das Versagen der Gesellschaft und ihrer Führungssysteme in Gestalt der Annahme solch riskanter, rein technisch orientierter Projekte anstatt wichtigerer menschlicher oder sozialer Aufgaben besonders herauszuarbeiten. Dabei wurden technische Betrachtungen als ablenkende oder irreführende Verschleierung der sozial und auch juristisch wichtigen Argumentationen angesehen, und bei der Untersuchung der moralischen Fragen auf bleibende Schlußfolgerungen als hinderlich und störend empfunden. 1. Einleitung 7

Auch im Westen kamen durch die weltweiten politischen Änderungen und im Rückblick auf frühere Leistungen neue Informationen über bisher als vollständig abgeschlossen und dokumetiert geltende oder gänzlich geheim gehaltene Programme an die Öffentlichkeit. In einigen Fällen, z.B. bei der Missionsauslegung der Voyager-Sonden wurde dies auch durch die Verjährung oder durch Rechtfertigung durch den späteren Erfolg effektiv eingetretene Straffreiheit möglich. Als bisher einzige vollständige, umfangreiche, und in sich konsistente Datenquelle tritt zu dieser neuartigen Raumfahrtliteratur die in der Clinton-Ära weitestgehend freigegebene Geschichte der ersten Generation der CIA-Spionagesatelliten unter den Decknamen Discoverer, , Argon und Keyhole (KH-1 bis -5) hinzu, die tatsächlich das weltweit erste überhaupt ernsthaft in Angriff genommene Raumfahrtprogramm darstellen, also besonders wertvolle Informationen zur Lernkurve sowohl bei neuen Technologien an sich, als auch beim Serienbau mit solchen liefern. Unter diesen 146 Satellitenstarts finden sich alle erstmaligen und besonderen Versagensfälle im orbitalen Raumflug, da diese Flugkörper zwar in der Regel nicht im Stand der Technologie, wohl aber in der realisierten Komplexität und damit in der prinzipiellen statistischen Anfälligkeit allen unbemannten Raumfluggeräten außerhalb der Sowjetunion um mehr als zehn Jahre voraus waren. Ihr Gegenstück sind die mindestens entsprechend komplexen, wahrscheinlich teils auch leistungsfähigerenAufklärungssatelliten aus der vom Typ 1K Korabl-Sputnik aus weiterentwickelten Zenit-Serie. Von dieser Flugkörperfamilie wurden insgesamt etwa 809 Exemplare massenproduziert und mit verschiedenen Weiterentwicklungen der weltweit ersten Interkontinentalrakete R-7 gestartet, wobei wohl 776 zumindest die Umlaufbahn erreichten. Die acht bemannten 3K Vostok- und Voskhod-Raumschiffe und die zugehörigen drei unbemannten Voskhod-Testflugkörper sind dazu parallel entwickelte und abgespeckte Derivate des selben Grundsystems.

Trotz des schlagartig erlahmten Interesses an der aktuellen Raumfahrt und ihrem Weiterbetrieb auch über den strikt kommerziellen Rahmen hinaus hat die Öffnung der Archive in Ost und West nach dem Fall der Sowjetunion eine Vielfalt von zuvor unerreichbaren Informationen freigesetzt, sowohl an Dokumenten als auch an Erinnerungen persönlich beteiligter Menschen. Dies war besonders in der letzteren Form ein glücklicher Umstand, denn immerhin liegen einige der zuvor sehr erfolgreich verschleierten Ereignisse sechzig und mehr Jahre vor dem Schreiben dieser Zeilen. Erst durch die Befreiung der Zeitzeugen konnte eine neue Generation Raumfahrtliteratur entstehen lassen, die sich, durch den persönlichen Erlebnisbericht gekennzeichnet, dem technischen Weg und seiner großen Schwierigkeit mehr widmet als den erreichten Zielen und dem am Ende des Weges gelegentlich proklamierbaren Erfolg.

So wird es zum ersten mal möglich, einen halbwegs umfassenden Überblick über die vielen, oft verschwiegenen, verschleierten, oder gar umgedeuteten Mißerfolge zu wagen, und damit fundiert aus Fehlern zu lernen, ohne sie erst selbst begehen zu müssen. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 8

Zu jeder Analyse einer Datenmenge ist es notwendig, bestimmte Kriterien zu definieren. Da es sich bei der vorliegenden Arbeit um die Auswertung einer Literaturrecherche handelt, ist jedoch der Bewertung durch den Verfasser bereits eine Auswahl und Bewertung, und unter Umständen auch Wertung durch die Autoren der verwendeten Quellen vorausgegangen. Desweiteren stellt sich die Abgrenzung und Kategorisierung der in der Überschrift gegebenen Hauptbegriffe bei näherer Betrachtung nicht als so eindeutig oder einfach heraus, wie es zunächst erscheint. Außerdem bleibt in gewissem Maße sogar bei vollständigen Quellen zu bestimmten Teilbereichen immer der aus der Sache gegebene Hintergrund einer sehr heterogenen und breitgefächerten technischen Entwicklung, die sich, durch eine lückenhafte und oft selektive Überlieferung gehend, in Daten niederschlägt, die sich oft nur auf einen kleinen Ausschnitt des betrachteten Spektrums an Ereignissen und Geräten beziehen - strenggenommen oft sogar nur auf jeweils ein einziges, selbst bei eigentlich in Serie produzierten Typen, wo dem Erfahrungsaufbau folgend dennoch laufend Modifikationen in der Produktion vorgenommen wurden. Selbst nachdem in der Corona-Serie eine Baulos-Fertigung eingeleitet wurde, um jeweils sechs identische Flugkörper für eine in diesem Umfang vorzuhaltende 30-Tage-Startbereitschaft zu fertigen, wurden doch ständig Verbesserungen nachgerüstet. Die unbürokratische Anbindung der Photoauswerter als eigentliche Nutzer an den Hersteller ermöglichte innerhalb des Geheimhaltungsbereiches die praktische Umsetung von Anregungen so schnell es rein technisch betrachtet eben ging. [4-70,76] Ähnliche kontinuierliche Veränderungen sind bei mehreren oft geflogenen Raumflugkörpern ebenfalls erkennbar. Diese Tatsache macht einerseits viele statistische Angaben, insbesondere die Betrachtung von absoluten Wahrscheinlichkeiten, von vornherein unsinnig, und verlangt andererseits die Auswahl klar nachvollziehbarer Elemente der Ereignisüberlieferung für die erstrebte Auswertung. Dazu gehört für jeden einzelnen Fehlerfall auch eine genaue Untersuchung und Trennung der Inhalte der verwendeten Quellen nach Beobachtung, Interpretation und Erklärung. [5] Die Einzigartigkeit jedes Ereignisses verschleiert zudem oft schon vor der Berichtskette grundlegende Mechanismen, was eine allzu feine Kategorisierung wenig sinnvoll erscheinen läßt, zumal sie auch die separierten Datenmengen nach der Sortierung sehr schnell klein werden läßt, und damit selbst die wenigen zulässigen statistischen Aussagen noch weiter verschleiert bzw. deren relativen Fehlerbereich stark erweitert.

Es erscheint dem Verfasser daher sinnvoll, im Folgenden einzelne oder mehrere geeignete Einzelfälle zur Illustration von typischen Hergängen, Abgrezungen oder Argumentationen zu verwenden. Dabei werden im Laufe der Arbeit verwendete Informationen über einen Raumflugkörper oder bestimmte Baugruppen nach Möglichkeit zusammengefaßt und bereits bei der ersten Erwähnung so umfassend angeführt, wie sie für diese Arbeit von Belang sind. Mit dieser Methode sollen nun zunächst die für eine Untersuchung der Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern anwendbaren Kriterien definiert werden. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 9

Eingeschränkt im Sinne des technisch erreichten oder erreichbaren, umfaßt die populäre Definition der Abgrenzung des Weltraumes die Bewegung in der stabilen Erdumlaufbahn und den von funktionierenden Sonden durchflogenen interplanetaren Raum innerhalb des Sonnensystems, der von den Bewegungen aller planetaren Körper und der vom Sonnenwind erzeugten Heliosphäre und ihrer Übergangszone in den interstellaren Raum aufgespannt wird. Diese Definition schließt aber einige für die Entwicklung der Raumfahrt bedeutsame Arten von Flügen aus. Eine Gruppe sind suborbitale Flüge, die entweder auf einer Bahn mit suborbitaler Geschwindigkeit, immer unterhalb der örtlichen Kreisbahngeschwindigkeit bleibend, aus der Atmosphäre treten, oder deren Bahnen trotz höherer Geschwindigkeit geometrisch suborbital sind, da sie ohne weitere Manöver die dichten Atmosphärenschichten oder die Erdoberfläche schneiden. Dies kann für extrem exzentrische Bahnen bis fast zur Erdfluchtgeschwindigkeit von 11km/s möglich sein. Das Apogäum und im zweiten Fall auch die Flugdauer können dabei durchaus erheblich höher liegen als die entsprechenden Werte eines Fluges auf einer niedrigen Umlaufbahn. Es befinden sich darunter also Flüge, bei denen Weltraumbedingungen länger und ungestörter von Einflüssen der Erde auf den Flugkörper einwirken können als bei einer vollständigen Erdumkreisung, die populär als echter Raumflug verstanden wird. Ein weiter nicht eingeschlossener Fall sind Flüge, die zwar die Höhe einer stabilen Umlaufbahn nicht erreichen, jedoch in Höhen vorstoßen, in denen aerodynamische Steuerflächen im praktischen Sinne gänzlich wirkungslos werden. Der Verfasser ist bestrebt, das Primat der kulturell entwickelten und verwendeten Definition des Weltraumes möglichst anzuerkennen, und aus der gewachsenen Verwendung dieses Begriffes in der vorliegenden Literatur eine klare und im Sinne dieser Arbeit eindeutige und anwendbare Fassung dieser Definition abzuleiten. Dies folgt sinngemäß auch den Überlegungen von planetaren Astronomen zur Definition des Planetenbegriffes. [6]

Übliche Definitionen für juristische oder sportliche Zwecke gehen in der Regel von einer geometrischen, also nicht vom variierenden Umgebungsdruck bestimmten Höhe aus. Weder der UNO-Vertrag über die friedliche Nutzung des Weltraums noch der Weltraumrettungsvertrag der Vereinten Nationen beinhalten eine verbindliche Abgrenzung. Es werden nur die Begriffe Weltraum, Mond, und andere Himmelskörper verwendet, was rechtlich eine präzedenzfallartige Trennung dieser drei Bereiche zur Folge hat, obwohl die selben Festlegungen getroffen werden. [7- 327ff.] Das internationale Recht ist hier von Interesse, da über die Begründung mit der damals noch offenen Definition des Rechtszustandes des Weltraumes alle amerikanischen Weltraumprojekte von 1945 bis zum Sputnik am 04.10.1957 untersagt blieben. Dieser juristische Einfluß war damit der wichtigste überhaupt auf die gesamte Entwicklung der praktischen Raumfahrt, vor allen technischen Schwierigkeiten. Ein abgebrochener bemannter Raumflug stellt noch heute eine illegale Einreise dar, sofern er grenzüberschreitend ist und nicht die am Landeort akzeptierte Grenze zum Weltraum überschreitet. Dies ist beim unbemannten Test des bemannbaren Raumfahrzeuges 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 10

7K-L1 Seriennr. 13L (ohne Zond-Nummer) vom 20.01.1969 geschehen. Nach dem Versagen der Trägerrakete 8K82K / 11S824 wurde der Flug mit unbekanntem Apogäum automatisch abgebrochen, was zu einer Landung in der Mongolei führte. [8] Der ähnlich abgebrochene Flug Soyuz (18-A) landete am 05.04.1975 bei Gorno-Altaisk. Die beiden Kosmonauten befürchteten, im feindlichen China gelandet zu sein, beschlossen, sich ruhig zu verhalten, und warteten auf die gegebenenfalls rechtswidrig eintreffende Rettungsmannschaft. Ein Sturz von einer Klippe wurde vermieden, weil der Kommandant vorsichtshalber nur eine Fallschirmleine abwarf. Der signalfarbene Schirm konnte sich im Buschwerk verfangen und wie beabsichtigt die Auffindung erleichtern. [9-159][10] In der folgenden Tabelle sind definierte Grenzen und als juristischer Präzedenzfall ihre niedrigste praktische Anwendung zusammengefaßt:

Definition Anwendung Institution Höhe, SI- Höhe fremd m kontrollierter Luftraum in Deutschland BFS FL 460 14021 vor dem A4 bestehend Kaiser-Wilhelm-Geschütz kaiserl.Artillerie 1918 40000

perhaps ultimately to wohlbegründet Rechtsgutachten vom Planungsstab für be fixed somewhere in 64374 beanspruchbar als 02.10.1956, nach [4 Politikgrundlagen im the neighborhood of 74080 40 miles souveräner Luftraum -129][11-206ff.] US-Außenministerium Wings Anerkennung [9-53][13] USAF; NASA ab 8/05 250 kft 76200 Astronaut Wings verbreitet falsch [8] in Presseangaben 80000 Astronaut Wings verbreitet falsch [8] in Presseangaben 50 st.miles 80450 Astronaut Wings X-15A, Flug 153, USAF 14.10.1965 [8] 81230 unverbindliche Annahme internationales Recht 50 NM 92600 FAI-Weltraumflug Anerkennung [9-53][13] FAI; NASA bis 8/05 100000 FAI-Weltraumflug nichtstaatlich und rein entsprechend FAI, zivil: SpaceShipOne, Flug knapp über 100 km [8] 15P, 21.06.2004 [8] 100000 FAI-Weltraumflug staatlich und teils NASA mit USAF militärisch: X-15A, Flug 90, 19.07.1963 [8] 106010 Flugplanabschnitt Wiedereintrittsbeginn NASA, metrisch 120000 Flugplanabschnitt Wiedereintrittsbeginn NASA, SI-fremd 400 kft 121920

perhaps in the schwerlich beanspruch- Rechtsgutachten 02.10. Planungsstab im US- neighborhood of 321869 barer souveräner Raum 1956 [4-129][11-206ff.] Außenministerium 200 miles 370400 Obergrenze der U.S.- Begriffsvereinheitlichung USAF und andere Standardatmosphäre »aerospace« [14][15] 400000

Tabelle 2.1 - Nach der geometrischen Höhe definierte und erflogene Weltraumabgrenzungen 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 11

Die niedrigsten dokumentierten stabilen Umlaufbahnen wurden von mit Filmrückkehrkapseln versehenen Spionagesatelliten und ihren bemannten Derivaten erflogen. Die bei diesen Typen an der Flugkörperspitze angebrachte Filmrückholkapsel ermöglichte möglicherweise vorübergehend höhere thermische Belastungen als sonst üblich. Darunter finden sich mit dem auf 11400 kg bis 13300 kg geschätzten KH-9 auch unbemannte Raumflugkörper, die in den Massebereich bemannter Kapseln vorstoßen, woraus juristisch ein Präzendenzfall konstruiert werden könnte. Der in Tabelle 2.1 aufgeführten Grenze bei 50 NM kommt in diesem Sinne der Flug des KH-8 Gambit Article 1700 vom 23.10.1971 am nächsten. Die folgende Tabelle zeigt einige der bekanntgewordenen niedrigsten Perigäumshöhen in Bahnen, die nicht unmittelbar zum Wiedereintritt geführt haben:

Startdatum Raumflugkörper Quelle Perigäum, Perigäum, SI-fremd km 23.10.1971 SRV-2 (KH-8 Gambit Article 1700 OPS 7616) [8][16] * 93 1959-1972 Corona-Kapsel, höchste thermische Belastung [4-36] * 350 kft 107 29.10.1974 KH-9 Article 1900 (Big Bird) Nr. 09 [8] 115 25.10.1963 Agena D (KH 7-03 Gambit) [8][16] * 116 KH-7 Gambit [14-280] * 75 miles 120 06.07.1964 KH 7-09 Gambit [8][16] * 121 KH-7 Gambit [14-280] * 76 miles 122 18.12.1963 KH 7-04 Gambit [8][16] * 122 25.10.1963 KH 7-03 Gambit [8][16] * 123 14.06.1963 3KA Vostok-5, Valery F. Bykowsky [8][12] * 130 1959-1972 Corona-Serie, regelmäßig unter [4][8] * 135 24.01.1978 US-A 954, letzte verfolgte Umläufe [17] * °) 136 1959-1972 Corona Kamera J-3, Bewegungskompensation [4-82] * 80 NM 148 1959-1972 Corona Startumlaufbahn [4-236ff.][16-272ff.] [4][16] * 150...200 1977-1980 4KMKM Zenit 4MKM, gelegentlich [8] <160 1979-... 11F693 Yantar-4K1 (Orlets-1), gelegentlich [8] <160 1960-... Resurs F, andere nK Zenit-Varianten selten [8] <185 1965-1988 US-A 17F16 RLS Kosmos, RORSat, im Betrieb [8][17] °) 255 * : in den ausgewerteten Flügen enthalten - °) letzte gemessene Bahnperiode 89.651 Minuten [17]

Tabelle 2.2 - Niedrigste in stabiler Umlaufbahn erflogene Perigäumshöhen 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 12

3KA Vostok-5 sank durch eine Kombination von niedrigerer als geplanter Einschußhöhe und erhöhter Sonnenaktivität innerhalb von knapp fünf Tagen, statt der geplanten acht, auf eine nahezu kreisförmige Bahn von 130 bis 131 km Höhe ab. Der Flug wurde unter anderem wegen der stark ansteigenden Temperatur in der in Flugrichtung orientierten Gerätesektion PO abgebrochen. [8] Hier waren über ihre atmosphärischen Folgen also schon äußere Einflüsse auf die Erde bestimmend.

Diese orbital erflogenen Höhen wurden von geometrisch oder nach Geschwindigkeit suborbitalen Flügen zum Teil weit überschritten. Einige typische Beispiele für in den Quellen als suborbital bezeichnete Flüge, von denen insbesondere die Mercury-Redstone-Flüge MR-1A bis -4 und MR- BD nach der in einigen Quellen und der überwiegenden Mehrheit der Pressedarstellungen zur Wertung verwendeten populären Definition keine eigentlichen Raumflüge darstellen, seien in der folgenden Tabelle kurz zusammengefaßt:

Startdatum Raumflugkörper Quelle Flugdauer Perigäum Apogäum (allg.: [8]) Bahntyp km km 22.08.1963 X-15A Flug 91, Joseph Walker [9][14] * v 107 04.10.2004 SpaceShipOne, Flug 17P, Binnie 0.017 d v 112 19.11.1966 HARP 16'' L86 - Martlet 2C ¹) v 180 24.03.1961 MR-BD, development [12] * v 181 21.02.1961 MA-2, Atlas, Hitzeschildverifikation [7] * v 182 05.05.1961 MR-3, Alan Shepard [9][14] * 0.010 d v 187 21.07.1961 MR-4, Virgil Ivan Grissom [9][14] * 0.011 d v 190 19.12.1960 MR-1A, erster Flug [7] * v 210 31.01.1961 MR-2, Ham [7] * v 251 12.04.1961 3KA Vostok 1, Yuri Gagarin - s.Text [12][14] * 0.075 d 169 315 26.02.1966 Apollo AS201 v 488 06.09.1958 X-17 Argus 3 v 750 25.08.1966 Apollo AS202 0.065 d g 1143 20.05.1960 Atlas D 56D, ICBM-Rekord 14545km 1800 20.10.1957 Farside, Shot 5 & 6 ²) [11-173] g >6500 04.04.1968 Apollo 6, nach 2 Parkorbits, 0.123d [12] * 0.273 d g 33 22259 02.03.1968 7K-L1 [12][14] * 5.22 d g 99 330000 Bahntyp, wenn bekannt: g - geometrisch suborbitale oder Kollisionsbahn, v - suborbitale Geschwindigkeit, * - ausgewertete Flüge, ¹) Rekord für Kanonen, ²) aus Rockoon vertikal gestartet

Tabelle 2.3 - Einige typische suborbitale Flüge 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 13

Sogar das Raketenflugzeug X-15A überschritt mit einer Flughöhe von 107960 m viele der höhendefinierten Schwellen zum Weltraum, jedoch nicht die eigene der NASA für den Wiedereintritt. SpaceShipOne, die zweite Stufe des vollständig privat finanzierten und, nach der Kombination NB-52/X-15 aus den 1950er Jahren, erst zweiten voll wiederverwendbaren Trägersystems TierOne überschritt in drei Flügen im Sommer 2004 für den X- Prize 100 km Höhe, und zuletzt mit 112 km auch das Apogäum der X-15A. Der technisch mögliche Weltraumtourismus wird allerdings nicht weiter verfolgt, trotz der erreichten Flugkosten von nur US$80000, da der Konstrukteur Rutan nicht bereit ist, sich zu diesem Zwecke mit den Auflagen der zuständigen Zulassungsbehörden auseinanderzusetzen. [8] Gagarins Flug mit 3KA Vostok 1 am 12.04.1961 wird allgemein als die erste Erdumkreisung und daher als Weltraumflug angesehen. Bei einer Inklination von 65° wurde jedoch die Umkreisung der an sich stabilen Umlaufbahn mit 169 km Perigäum, 315 km Apogäum und 89.3 Minuten Periode nicht vollständig durchgeführt. Selbst wenn man die gesamte Aufstiegsbahn von Tyuratam (Baikonur) aus bis in diese Umlaufbahn und den gesamten Wiedereintrittsweg bis zur damals von der FAI nicht anerkannten und deshalb streng geheimgehaltenen Schleudersitz-Fallschirmlandung südwestlich von Engels Smelovka bei Saratov an der Volga mit berücksichtigt, fehlen in der Bahnebene noch ungefähr 250 km auf der Erdoberfläche an einer vollständigen Umkreisung, obwohl der Landeort etwa 1400 km nordwestlich der Startstelle liegt. Diese mit suborbitaler Geschwindigkeit geflogenen Wege sind in der meistens angegebenen Flugzeit von 108 Minuten enthalten. Von der Bahninjektion durch die Trägerrakete bis zum Ende der Bremszündung vergingen nur etwa 68 Minuten, und 78 Minuten bis zum spürbaren Beginn des Wiedereintritts, also 76% bzw. 87% der Dauer eines vollständigen Umlaufes. [8][12-172f.][14-189ff.] In [18] sind für den Fall nahezu kreisförmiger Umlaufbahnen die thermischen Belastungen für verschiedene sehr niedrige Bahnhöhen angegeben. Einige relevante Werte für den in den Tabelle 2.1 bis 2.3 betrachteten Höhenbereich seien in folgender Tabelle zusammengefaßt:

Höhe, Oberflächenstaudruck, Sondendruck, ungestörte kinetischer Knudsenzahl km gestörte Anströmung, Anströmung, 3 mm Wärmefluß, W/m² Knd , mit d = N/m² Sondenöffnung, N/m² 0.48 m 130 0.6 0.06 2500 5 120 1.6 0.16 6000 107 10 1 35000 1 100 30 3 120000 93 100 10 350000 0.1 91 180 18 600000

Tabelle 2.4 - Belastungen in der sehr niedrigen Erdumlaufbahn durch den Einfluß der Atmosphäre

Eine physikalisch definierte Schwelle zum Wiedereintritt ist erreicht, wenn die Abbremsung durch die Luftreibung die Beschleunigung durch das Absinken der nahezu kreisförmigen Spiralbahn übersteigt. Für den Kleinsatelliten BremSat von 63 kg Masse mit einem Meßschild in Form einer flachen Kugelkalotte von 0.48 m Durchmesser geschieht dies nach [18] bei etwa 93 km Höhe. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 14

Es wird an den bisher aufgeführten Beispielen deutlich, daß eine Abgrenzung nach einer erflogenen Höhe, Geschwindigkeit oder Bahngeometrie für den Zusammenhang dieser Auswertung nicht sinnvoll ist. Es soll daher nach einer technisch begründeten Definition der Schnittstelle zum Weltraum gesucht werden. Dies entspricht der in vielen ausgewerteten Werken aufgenommenen technischen Entwicklung vor der Erreichung der Umlaufbahn, die auch die Vorläufer der späteren eigentlichen Raumflugkörper mit aufnimmt. Es ist mit Rücksicht auf die Orientierung an einer populären Definition naheliegend, wenn auch nur im Hinblick auf den relativ kleinen, aber die Warnehmung der Raumfahrt überproportional bestimmenden, bemannten Anteil der Flüge, eine physiologische Grenze zu suchen. Die folgende Tabelle faßt die flugmedizinisch begründeten höhenabhängigen Grenzen mit dem möglichen individuellen Schwankungsbereich nach [19], sowie einige definierte oder erflogene Fälle zusammen:

Beschreibung min.Höhe m max.Höhe m

nur sinkende Nachtsicht; Netzhaut hat den höchsten spez. O2-Bedarf 0 2000 Druckhöhe in Passagierkabinen von Linienflugzeugen - 2500 Sauerstoffmaske vorgeschrieben, für Aufenthalt >30 Minuten - 3000 Sauerstoffmaske vorgeschrieben; Sicherheitsgrenze - 3500 Störungsschwelle, unvollständige Kompensation der Höhenkrankheit 3500 4000 höchste ganzjährige Besiedelung - städtisch (Potosí), dörflich (Tibet) 4070 5200 Verkehrsflugzeugführer, mindestens einer kontinuierlich mit - Sauerstoffmaske, andere bereit und innerhalb von 5s aufgesetzt 8000 Grenze des Extrembergsteigens ohne Sauerstoffzusatz (Mt. Everest) 8846 kritische Schwelle, Höhenkrankheit bis zur Bewußtlosigkeit 5000 9000 Atmung von reinem Sauerstoff, abgedichteter Gasweg zur Maske 8000 10000 Sicherheitsgrenze und Störungsschwelle bei reiner Sauerstoffatmung - 12000

kritische Schwelle, reine O2-Atmung, alveolarer pCO2+H2O begrenzend 13000 14000

mühsame Atmung mit Überdruck-O2 für wenige Minuten möglich 14000 Dienstgipfelhöhe für Hochleistungsflugzeuge ohne Volldruckanzug - 15240

alveolarer pCO2+H2O entspricht barometrischem Außendruck 15000 16000 höchster mit Verletzungen überlebter Notabsprung aus U-2 [20-196] 16750 Dekompressionstod bei langsamem Abstieg, Strato-Jump III [9-38] 17560 deutsche Dekompressionsversuche, ohne Zeitangabe nach [19] 18000 Blut siedet bei Körpertemperatur [11-24ff.][19] 18000 19000

Tabelle 2.5 - Flugmedizinisch bedingte Höhengrenzen 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 15

Praktisch bedeuten diese flugmedizinischen Grenzen für den eine Besatzung umgebenden Bereich des Flugkörpers die Verwendung von Baugruppen, die nach technischen Anforderungen zu konstruieren sind, die von denen des orbitalen Raumfluges nicht mehr zu trennen sind, bzw. schon ab 3000 m Höhe schrittweise und für eine stetig zunehmende Zahl von Unterbaugruppen mit jenen identisch werden. Der Übergang in den Weltraum erfolgt also physiologisch für den Menschen als funktionellen Bestandteil eines Raumflugkörpers, einschließlich individueller und meteorologischer Variationen, bereits im Bereich von unter 2000 bis etwa 10250 m Druckhöhe, entsprechend 3500 m Sauerstoffpartialdruckhöhe mit alveolarem Kohlendioxid und Wasserdampf.

Bei der für die gesamte Raumfahrt besonders wichtigen Elektronik ist der Übergang in den Weltraum nach der Höhe und dem ihr entsprechenden Umgebungsdruck in drei Phasen geteilt, bei der nicht das Hochvakuum die schwierigste darstellt, sondern der mittlere Bereich des stark abgesekten Drucks. Im Bereich von einigen 10 Pa bis einigen kPa Druck treten besonders leicht Gasentladungen auf. Liegt die Potentialdifferenz über einer von den Umgebungsbedingungen abhängigen kritischen Schwelle, genügt eine kleine Startionisierung, um die Entladung auszulösen. Da ein steigender Stromfluß immer mehr Ladungsträger freisetzt, steigt der Stromfluß steigt rasch an, bis praktisch das gesamte Gas ionisiert ist. Die anliegende Spannung muß dann erst unter eine deutlich tiefere Löschschwelle abfallen, um den Stromfluß zu beenden, oder dieser muß so gering werden, daß sich die Ladungsträgerlawinen nicht mehr selbst erhalten können, wie im klassischen Geigerzähler. Der typische Druck in Niederdruckgasentladungslampen wie Leuchtstoff- oder Neonröhren liegt zwischen etwa 0.1 und 2 kPa, entsprechend etwa 30 bis 50 km Höhe. Gasdruckeinflüsse waren in der Anfangszeit der Raumfahrt eine häufige äußere Ursache für Störungen an sich korrekt funktionierender elektrischer und elektronischer Baugruppen. Typische Gasdrücke bei durch Gasentladungen verursachte Fehler betrugen einige kPa, entspechend Höhen von 25 bis 80 km. [4-44,69f.,189,198][8][9-50][12-292f.][14-238,294,297][16-93f.,148] Weltraumflug im Sinne betriebssicherer Elektronik und Elektrik wird also am ehesten über die besonderen technischen Anforderungen definiert, die das Durchqueren des Höhenbereiches von einigen bis zu einigen zehn Kilometern mit einer aktiven Elektronik und Elektrik umfaßt.

Flüssige Betriebsmittel beispielsweise erfordern wegen ihres Dampfdruckes immer geschlossene Behälter, um eine Verflüchtigung zu verhindern. Die Trennung zwischen lagerfähigen und anderen Stoffen besagt, daß über wesentlich längere Zeit als die Flug- und Flugvorbereitungszeit die Lagerung in den Flugkörpertanks ohne besondere Maßnahmen zur Vermeidung eines besonderen Druckaufbaus möglich ist. Es wird gelegentlich auch eine Einteilung in erdlagerfähige, weltraumlagerfähige und kryogene Treibstoffe verwendet. Obwohl lagerfähige Treibstoffe für die meisten Missionen mitgeführt werden, die länger als wenige Stunden dauern, war in den 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 16 sowjetischen Mondprogrammen der Flug zum Mond mit der Antriebssektion Block D 11S824 vorgesehen, die trotz des Einsatzzeitraumes von 8.5 Tagen ab dem Start den allgemein als nicht- lagerfähig bezeichneten, kryogen flüssigen Sauerstoff als Oxidator verwendete. Dies ist länger als die betankte Bereitschaftszeit aller ballistischen Raketen im militärischen Einsatz, die diesen Oxidator verwendeten. Eine Variante dieser Stufe wurde bis vor kurzem noch als vierte Stufe der Trägerrakete Proton eingesetzt, um kommerziell Satelliten in die geostationäre oder andere hohe Umlaufbahnen zu tragen, was auch eine längere Weltraumlagerzeit voraussetzt. [8][21]

Kunststoffe werden in allen Bereichen der Technik verwendet, und insbesondere ist Filmmaterial bis vor kurzer Zeit das leistungsfähigste Datenspeicherungsmedium in der Raumfahrt gewesen. Die ersten speziellen Filme für den Einsatz in der Hochatmosphäre wurden für Aufklärungsballons entwickelt. Sie waren für den ungeschützten Betrieb in 30 km Höhe ausgelegt, und arbeiteten zuverlässig in den erreichten Einsatzhöhen gut 24 km. Für C, die auch als KH-1 bezeichnete erste Kamera der Spionagesatellitenserie Corona, wurde das etwa 3mm starke Azetatkunststoffträgermaterial ebenfalls verwendet. Beim Übergang von den mehrtägigen Ballonmissionen bei 1 bis 3 kPa in der Stratosphäre zum Hochvakuum in der niedrigen Erdumlaufbahn kam es jedoch in kürzester Zeit zum Ausgasen von Lösemitteln aus dem Filmträger, der sich dadurch warf wie Herbstlaub. Dies konnte in Hochvakuumkammern nachvollzogen werden und erzwang den Übergang zu einem Film mit einem Polyesterträger, der die Erwartungen im Vakuumeinsatz erfüllte. [4-34ff.,55f.,194][14-143][16-74,317] Bei der Erprobung der Lockheed U-2 in den Ballons ähnlichen Höhen von etwa 22 km traten Probleme mit vielen gummiartigen und weichen Dichtungskunststoffen auf, die beim bis zu fünfzehnstündigen Flug in der Ozonschicht von diesem aggressiven Gas angegriffen, oxidiert, und besonders in Triebwerksventilen und an der Druckkabinenabdichtung innerhalb weniger Wochen bis zur Leckage versprödet wurden. [20-147f.,199f.,205] Die Verhältnisse sind für Kunststoffe also ähnlich wie bei elektronischen Geräten, da wegen seiner besonderen Eigenschaften der Übergangsbereich zum Hochvakuum des Weltraumes auch hier das eigentliche Hindernis darstellt.

Aus den angeführten Beispielen wird deutlich, daß es keine allgemein anerkannte oder sich aus den Eigenschaften von Betriebsmitteln, besonderen technischen Einrichtungen oder Notwendigkeiten eines Raumflugkörpers herleitende Abgrenzung der Begriffe Weltraum und Weltraumflug in Bezug auf diesen Raumflugkörper oder zur allgemeinen Einordnung als Raumflugkörper gibt.

Alle betrachteten Übergänge von der Erdoberfläche in den technisch nicht mehr relevant von der Erde beeinflußten Raum sind kontinuierlicher Art, oder die technischen Besonderheiten liegen in der Zone dieses gleitenden Überganges selbst. Daher ist es notwendig, für diese Arbeit eine geeignete Abgrenzung zu wählen, die vor dem Hintergrund der gesamten zur Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern führenden technischen Entwicklung bestehen muß, die in dieser Arbeit notwendigerweise zu betrachten sein wird. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 17

Es wird daher über den beabsichtigten Flugzustand im räumlichen und zeitlichen Sinne folgende Definition für den Begriff Weltraum oder Raum im Zusammenhang mit Raumflugkörpern im Sinne dieser Arbeit gewählt:

Ein Flugkörper ist dann ein Raumflugkörper, wenn er sich in der vor dem Beginn aller mit einem einzelnen Flugversuch verbundenen Vorgänge verfolgten Absicht in einem Raum zunehmend verdünnter Gase so fern von äußerer, umfassend und unmittelbar eingreifender menschlicher Wahrnehmung und Einflußnahme aufhalten soll, daß er dieser im direkten und zeitlich unmittelbaren Sinne eigentlich entzogen ist, und er sich währenddessen in erheblichem Maße jenseits der mit zeitgenössischer Verkehrstechnik für jedermann erreichbaren Gefilde oder Geschwindigkeiten fortbewegen soll.

Diese Definition umfaßt vollständig die von Shayler für den Bereich der bemannten Flugkörper durch ihre Aufnahme in [9] implizit gewählte Definition für eine in diesem Bereich der Raumflugkörper Vollständigkeit anstrebende Sammlung von Vorfällen. Unabhängig davon ist auch Heppenheimer im gänzlich anderen Kontext von [14] diesem Ansatz weitgehend gefolgt. Gründer betrachtet in [7] vor allem die öffentlich besonders wahrgenommenen bemannten Raumflüge in der Umlaufbahn, gibt aber gelegentlich die nötigen Hintergründe aus dem Bereich der früheren Phasen der technischen Entwicklung zum eingentlichen Raumschiff in der Umlaufbahn hin an, der in [9] ausführlicher dokumentiert ist, so daß auch hier insgesamt in etwa der angegebenen Definition gefolgt wird, wenn auch mit deutlich anderer Gewichtung durch den Autor. Hoffmann benutzt für den in [1] betrachteten Bereich der Entwicklung von vornherein einen chronologischen Ansatz, der ebenfalls weitestgehend von der hier verwendeten Definition eingeschlossen wird. Wade verwendet auf der Internetseite Encyclopedia Astronautica [8] eine extrem weit gefaßte Definition der Astronautik, die auch frühe Lenkflugkörper mit Kolbenantrieb (z.B. Grumman F6F- 5K) oder moderne Luft-Luft-Lenkwaffen umfaßt. [8] wurde für die vorliegende Arbeit nur in Ergänzung zu gedruckten Quellen benutzt und nicht ausgewertet. Zum Zeitpunkt der Auswertung waren alle Internetquellen ungeeignet zur Verwendung im Rahmen der vorliegenden Arbeit, da die Nachvollziehbarkeit für den Leser oft nicht über längere Zeit gegeben war. Unter den während der Anfertigung der vorliegend Arbeit betrachteten Quellen ist [8] aber in Umfang, Konsistenz und Qualität den ausgewerteten Quellen nicht unterlegen, hat sich im betreffenden Zeitraum als für die Nachvollziehbarkeit von Zitaten über die Indizes ausreichend stabil strukturiert erwiesen, und kann daher inzwischen als einfachster Einstiegspunkt für weitere eigene Nachforschungen angesehen werden, wenn eine Investition in Druckerzeugnisse dem interessierten Leser nicht angebracht erscheint. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 18

Eine abgesehen vom raumerfüllenden Medium sinngemäß der angegebenen gleiche Definition ließe sich für die Unterscheidung von Oberflächenschiffen von unterseeischen Vehikeln angeben. In diesem Fall gibt es einen ähnlichen gleitenden Übergang zum Schutz vor immer höheren Drücken, der gleichermaßen auf automatische, ferngesteuerte wie auch auf bemannte Vehikel zutrifft. Besonders für den mit von der atmosphärischen Luftzusammensetzung abweichenden Gasgemischen gleich- oder teildruckbeatmeten Menschen gibt es auch einen sehr ähnlichen, weiten physiologischen Übergangsbereich. In der Frühzeit der Raumfahrtliteratur wurde auch gelegentlich der eigentlich sehr zutreffende Begriff Raumtaucher für Astronauten, die Außenarbeiten im Raumanzug verrichten, verwendet. Ersetzt man in der obigen Definition verdünnte Gase allgemeiner als durch Wasser durch dichte Fluide, so umfaßt die neue Definition zusätzlich auch die Teile von Raumflugkörpern, die als Abstiegssonden auf andere, atmosphärenbehaftete Himmelskörper gelangen. Auch diese können dem veränderten Außendruck ausgesetzt sein wie ein Pilot oder Taucher ohne Volldruckanzug, was bei der Atmosphärensonde von Galileo und - abgesehen von bestimmten gekapselten Experimenten zur Lebenssuche - bei den westlichen Marslandesonden der Fall war, oder druckfest geschlossen sein wie die Druckkabine eines Flugzeuges oder eines U-Bootes, was bei allen Venuslandesonden der Fall war. In nicht allzu ferner Zukunft könnten die beiden extremsten Bereiche der interplanetaren Raumsonde und des Tiefstsee- U-Bootes sogar in einem Vehikel vereint werden, wenn sich die Erforschung des wahrscheinlichen Ozeans unter der Eiskruste des Jupitermondes als machbar herausstellt, und sich vor allem auch der finanzielle Wille zur Erprobung dieser Möglichkeit einstellt. Deutlicher könnten die weitgehenden gemeinsamen technischen Grundanforderungen an diese fern vom umfassenden Eingriff des Laborexperimentators autonom arbeitenden Geräte nicht herausgestellt werden.

Dem größten Teil der Menschheit ist nur das schmale Höhenband der besiedelten Gebiete zwischen dem Meeresspiegel und zwei bis fünf Kilometer Höhe zugänglich. In den wohlhabenden Ländern kommt die knapp transsonische Fortbewegung durch die höhere Troposphäre bis etwa zwölf Kilometer Höhe in der Druckkabine eines Verkehrsflugzeuges hinzu. Achtzig Jahre Entwicklung und einiges an staatlichen Subventionen lagen zwischen Assmanns Ballonsonde und dem selbst für die Menschen der industriell hochentwickelten Länder zu seiner Zeit sehr exklusiven Überschall-Linienverkehr der Concorde, der mindestens vier bis sieben Kilometer tiefer stattfand - ohne die doppelte Sicherheit eines raumfahrtüblichen Passagier-Volldruckanzuges bei einer Dienstgipfelhöhe von 18290 m. [22-10-267] Sollte sich Scaled Composites entscheiden, doch eine behördliche Zulassung für das System Tier One anzustreben, stünde ein suborbitales Verkehrsmittel für einen Piloten und zwei Passagiere zur Verfügung, das technisch bereits existiert und erfolgreich erprobt ist, aber nur den Flug an sich als Selbstzweck ermöglicht, noch nicht einen wie auch immer gearteten Linienverkehr. [8] Die ebenfalls als Selbstzweck betriebenen Flüge von Weltraumtouristen zu den Raumstationen oder die Versuche, die Erde im Höhenballon zu umrunden, sind zwar im Sinne der angegebenen Definition Raumflüge, aber stellen eben unregelmäßige Vorhaben meist sehr vermögender Einzelpersonen zum Zwecke der Überschreitung der Grenze zum Weltraum dar, die zusätzlich zum finanziellen einen erheblichen Aufwand in die eigene technische Ausbildung zur Durchführung dieser Vorhaben investieren müssen, der von keinem Passagier im eigentlichen Sinne erwartet werden kann. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 19

In diesem Sinne vergleichbar war auch das Ziel der Luftfahrtpioniere von den Brüdern Montgolfier bis Zeppelin und Lilienthal bis Santos-Dumont die Luftfahrt mit einem sich kontinuierlich bis zum Allgemeingut erweiternden Kundenkreis, während Assmann mit seinen Ballonsonden die Grenzen der Atmosphäre auszuloten beabsichtigte - ein Schritt, der nur vor dem zu ihrer Überschreitung notwendig ist. Diese Grenzüberschreitung war nicht Mittel zum Zweck, sondern wesentlicher Teil, wenn auch nicht alleiniger Selbstzweck der Flüge, da damals auf absehbare Zeit kein im kommerziell öffentlich zugänglichen Sinne passagiertragendes Verkehrsmittel auf der Basis der von ihm verwendeten oder irgendeiner anderen praktisch benutzten Technologie denkbar war. Auch heute und bis in heute absehbare Zeit existiert keines, das in diesen 1894 erkundeten Raum vorstößt. Sollte es einmal existieren, wird es in seiner Zuverlässigkeit nach Kriterien wie die heutigen Verkehrsflugzeuge zu betrachten sein. Eine Übersicht der bisher in allen diesen Bereichen vom Menschen selbst oder mit entfernt vom menschlichen Eingriff arbeitenden Geräten erreichten, quasistationären Umgebungsbedingungen zeigt die folgende Tabelle:

Ort Druck, Pa Dichte, kg/m³ Temperatur, K Bemerkungen Vehikel

erdferner inter- 6 -10...2 -9 5 -21, 2 -20 Tp+ = 4 4 ¹) [23-I-298] interplanetare planetarer Raum (Sonnenwind: langsamer (Typ 2/3: ρ ≈ 2 -20 kg/m³; [24-VII-532ff., Raumsonden (Typ 2/3) v = 250...400 Typ 1 r ª 5.5 -21 kg/m³; Te- = 1.5 5 km/s; schneller (Typ 1) 2...4% He, Typ 4 bis 30% außerhalb der nahe der Erdbahn 400...800 km/s, He++) (langsamer Sonnenwind) VIII-76,438] Erdmagnetosphäre Eruptionen (Typ 4) 400...2000 km/s) Marsoberfläche ª5.5...8.5 2 0.01..0.03 148..300 jahreszeitlich Marslander

Erde, H = 16.5 km ISA 9.5 3 ISA 0.15 ISA 216 Notabsprung Flz., Mensch

Erde, H = 5 km ISA 5.4 4 ISA 0.74 ISA 255 Hochebenen Flz., Mensch

Erde, H = 2 km ISA 7.9 4 ISA 1.01 ISA 275 pO2-Adaption alle, Mensch Erde, H ª 0 0.88...1.07 5 1.0...2.0 185...330 Wetterextreme alle, Mensch [10-1] Titanoberfläche 1.5 5 5.43 93 Landestelle Huygens

Jupiter, H = -117 km 2.4 6 Datenende Galileo- unter 1-Bar-Niveau 1.5 423 [25-136ff.] Kapsel Kontinentalschelf, 5 6 274...283 [24-VII-53ff.] Bohrinsel, H = -0.5 km U-Boot, 1028 Tauchroboter Venusoberfläche 8.4...9.4 6 60.5...67.0 730...758 [8][26-172] Venuslander Tiefseebenen, H = 5 7 [24-VII-53ff.] Alvin -5 km 1050 275

Vitias-Tief I, H = 1.14 8 274.3 [24-VII-53ff.] Trieste (Trieste- oder Challenger- -11022 m 1075 Tief, 10916 m) ¹) typisch, Werte variieren sehr stark mit der Sonnenaktivität - Flz.: Flugzeuge

ISA : Internationale Standard-Atmosphäre p0 = 101325Pa, T0 = 288.15K, 0 = 1.225kg/m³

Tabelle 2.6 - Einige Arbeitsumgebungen entfernt vom menschlichen Eingriff arbeitender Geräte 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 20

Bei der Durchsicht der zum Versagen von Raumflugkörpern vorliegenden Quellen sieht man leicht, daß ein großer Teil der Versagensfälle seine erste Ursache nicht im eigentlichen Flugkörper hat. Der im Flugkörper stattfindende Hergang ist nur das letzte Glied einer folgerichtigen und dabei oft schon vor dem Beginn des eigentlichen Flugversuches unvermeidlich werdenden Fehlerkette, die sich durch alle zu einem Flugversuch aktivierten und diesen beeinflussende Einrichtungen ziehen kann. Der Umfang der Definition des Begriffes System, der für die Untersuchung der Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern in diesem Sinne angewendet werden muß, kann aus einem typischen Versagensfall gefolgert werden. Weil die Art des Hergangs für die weitere Bewertung von Versagensereignissen von Belang ist, auch weil er die für die gesamte Entwicklung der eigentlichen Raumfahrt wichtigste Entscheidung umfaßt, sei er bereits hier ausführlich geschildert:

Spätestens im auf die abschließende Zusammenstellung dieser Arbeit folgenden Jahr hätte das Weltraumzeitalter bereits fünfzig Jahre alt sein können. Das erste Vehikel, dessen Leistungsbereich das Erreichen des Erdorbits umfaßte, die Mehrstufenrakete Jupiter-C, flog am 20.09.1956 zum ersten mal, und das nicht nur auf Anhieb mit Erfolg, sondern mit einer Rekordleistung: 3335 Meilen Reichweite und 682 Meilen Gipfelhöhe, [14-100] 5300 bzw. 1096km. [8] Diese Rakete war nahezu identisch mit der, die am 31.01.1958 im ersten Versuch den ersten erfolgreichen amerikanischen Satelliten Explorer 1 in den Erdorbit trug. Sie wird oft als Juno-I bezeichnet; ein nachträglich eingeführter Name zur öffentlichkeitswirksamen Trennung des IGY-Satelliten von den militärischen Arbeiten des von-Braun-teams in der verantwortlichen ABMA. Tatsächlich handelte es sich um das Reserveexemplar RS-29 [8] bzw. Missile 29 [4-130f.][27-45ff.] von 32 Flugkörpern aus dem Wiedereintrittskörper-Testprogramm, das für spätere ballistische Raketen mit der Jupiter-A und -C betrieben wurde, wobei C für cone steht, von nose cone, etwa Raketen- oder Nutzlastspitze. Diese Typen waren jedoch keine Varianten der größeren ballistischen Mittelstreckenrakete Jupiter der USAF, sondern der Redstone der U.S. Army, die in Folge des Koreakriegs in großer Eile aus dem Konzept des deutschen A4 des Zweiten Weltkriegs entwickelt wurde, während Jupiter ein technisch eine Generation moderneres Gerät war. [11-178ff.,193ff.] [14-100,127,129,292] Die erste Redstone flog am 20.08.1953, und der erprobte Serientyp war Mitte 1956 bereits im regulären Einsatz. In dieser Zeitspanne entstand auch der letzte einer seit dem 03.10.1945 eingereichten Reihe von Vorschlägen des von-Braun-teams für einen Satellitenstartversuch nur unter Verwendung der vorhandenen Mittel, der relativ früh im gegebenen Rahmen des Redstone- Testprogramms hätte stattfinden können: Project Orbiter vom 25.06.1954, zum Preis von US$100000. [8][14-94,115ff.] Wie für alle dieser Vorschläge sollte das existierende A4, darauf basierende Weiterentwickungen, bzw. als deren letzte auf westlicher Seite, die später ebenso verfügbare und erprobte Redstone als Erststufe und Ausrichtplattform dienen. Anstatt der militärischen Nutzlast war ein Adapter mit einer Ausrichtungseinrichtung zum Abschuß mehrerer ungelenkter und drallstabilisierter Stufen aus kleinen Feststofftriebwerken vorgesehen, 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 21 deren oberste schließlich eine marginale Nutzlast von wenigen Kilogramm in den Erdorbit tragen sollte. Diese Feststofftriebwerke sollten anfangs dem Hauptbauteil der ungelenkten deutschen Salvenschuß-Luftabwehrrakete Taifun P (ab Dezember 1944 erprobt, ab der Jahreswende bis April 1945 in der Einsatzerprobung), und später deren amerikanischer Weiterentwicklung Loki gleichen, wobei die Stufen als konzentrische Ringe aus einer geringer werdenden Anzahl Einzeltriebwerke gebündelt wurden. Die letzte Stufe aus einem einzelnen Triebwerk blieb mit der Nutzlast, also dem Satelliten, verbunden. Im Laufe der Zeit ging man zu Studien mit einer verstärkten, mit dem neuen Treibstoff Hydyne statt des früher verwendeten, hochprozentigen Alkohols angetriebenen Jupiter-A Redstone als Basis, und Oberstufen aus maßstäblich verkleinerten Sergeant Feststofftriebwerken über, die elf, drei bzw. eines davon umfaßten. [3-140ff.,217ff.,284][8]

Genau dies war der dann der vierstufige Aufbau der Jupiter-C.

Warum erreichte also das Exemplar vom 20.09.1956 trotz seiner als Flugkörper einwandfreien Funktion nicht die Erdumlaufbahn, zu einer Zeit, als im Wettstreit des Kalten Krieges und im Rahmen des Internationalen Geophysikalischen Jahres 1956/57 (IGY'56) wissenschaftliche Satellitenstarts nicht nur förmlich in der Luft lagen, sondern sogar von der Sowjetunion formell angekündigt waren? Der unmittelbare Grund, auf den vom Boden abgehobenen Flugkörper eingeschränkt, ist, daß die vierte Stufe entschärft war. Auf das unmittelbarste, mit ihm in physischen Kontakt tretende Umfeld des Flugkörpers eingeschränkt, liegt dies darin begründet, daß Wernher von Braun einen Anruf seines Vorgesetzten erhielt, der ihn beauftragte, persönlich zu überprüfen und sicherzustellen, daß die vierte Stufe der Jupiter-C nicht scharfgemacht ist, [14-100] oder daß sie mit Sand soweit ballastiert wurden, daß ein Erreichen der Umlaufbahn ausgeschlossen war. [8] Dies wiederum liegt, eingeschränkt auf das derart nur durch Telekommunikationseinrichtungen mit dem Flugkörper und seinen Starteinrichtungen verbundenen Umfeld, darin begründet, daß Mitte der 1950er Jahre der noch ungeklärte Zustand des Weltraums im internationalen Recht nicht durch einen weit interpretierbaren Präzedenzfall präjudiziert werden sollte, um Spionagesatelliten, die damals bereits in Konstruktion waren, in der Legalität zu halten. Dies war eine Folge der stillen sowjetischen Proteste gegen Spionage-Überflüge von Aufklärungsballons und -flugzeugen, die nach internationalem Recht zumindest dann illegal waren, wenn sie bemannt waren mit Militärangehörigen, oder mit Zivilpersonen ohne allgemeine oder ausdrückliche Genehmigung nach vertraglicher Festlegung oder nationalem Recht. So wurde zunächst alle Arbeit an Spionagesatelliten auf unbestimmte Zeit eingefroren und jede weitere Beschäftigung damit ausdrücklich verboten. Anträge für staatliche finanzielle Unterstützung für zivile Satellitenprojekte wurden erst mit dem gänzlich zivil wissenschaftlich organisierten IGY'56 überhaupt zugelassen. Nach der damals ohne zur Kenntnis gegebenen Protest irgendeines Staates implizit als akzeptiert geltenden Interpretation erstreckte sich der Luftraum eines souveränen Staates, von den lokalen Vertikalen der Staatsgreze umschlossen, ins Unendliche. Ohne Präzedenzfall außerhalb des geregelten internationalen Luftverkehrs war unter anderem noch undefiniert, wie in Höhen zu verfahren ist, in denen sich die Landesgrenzen durch die Erdrotation gegenüber natürlichen oder künstlichen Körpern im Raum so bewegen, daß sie nicht auf unbestimmte Zeit über einem Territorium verbleiben. Strenggenommen können die Grenzen sich in dieser Interpretation in großer Entfernung sogar schneller bewegen als die Lichtgeschwindigkeit, jedoch ist auch ein geostationärer Orbit nicht stabil genug, um den juristischen Ansprüchen einwandfrei zu genügen. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 22

Störungen des Mondes, der Planeten und der schon damals in Grundzügen bekannten Ungleichmäßigkeit des Erdschwerefeldes müssen auch dort fortwährend korrigiert werden, jedenfalls in kürzeren Zeitabständen als die übliche Gültigkeitsdauer eines Reisevisums. Vor den ersten Satellitenflügen war der Rechtszustand des Weltraumes der einer unkartierten Region. Als mögliche Ergebnisse der Suche nach seinen Abgrenzungen wurden in einem Gutachten des Planungsstabes für Politikgrundlagen des U.S.-Außenministeriums vom 02.10.1956 mit großer Vorsicht vier Schlußfolgerungen, verbunden mit zwei Höhengrenzen, angegeben:

1.) Ein Staat könne für Höhen unter ungefähr 40 Meilen (64 oder 74 km, die Art der Meile war nicht definiert) einen Souveränitätsanspruch auf den Luftraum auf einem sehr sicheren juristischen Fundament gründen. 2.) Oberhalb von ungefähr 200 Meilen (322 oder 370 km), wo die Aufrechterhaltung der Bahngeschwindigkeit eines Objektes von den juristischen Gutachtern als praktikabel eingeschätzt wurde, sei dieses sichere Fundament sehr wahrscheinlich nicht mehr in der selben umfassenden Form wie im Luftraum gegeben. 3.) Man nahm an, daß die eventuell einmal zulässig befliegbaren, ordentlich reservierten Bereiche des Weltraumes dann für alle Staaten gleichermaßen zugänglich sein würden. 4.) Man kam zu dem definitiven Schluß, daß, sollte ein Satellit doch einen Wiedereintritt überstehen können, was aber nicht den Erwartungen der Gutachter entsprach und als ohnehin ungeplant angesehen wurde, auf jeden Fall Schadensersatzforderungen auf den Staat zukommen würden. [4- 129][11-206ff.]

Die Überprüfung dieser Schadensersatzansprüche durch eigene Gutachter wäre dann nur möglich, wenn der geschädigte Staat ihnen die Einreise und Reise zum Schadensort gestatten würde. Davon war in der damaligen Zeit, zwischen Koreakrieg und Ungarnaufstand, nicht auszugehen, besonders bei den flächengrößten Staaten Sowjetunion, China, und ihrem Einflußbereich. Damit wäre der Start eines Satelliten ein rechtlich und finanziell unkalkulierbares Risiko, für das von vornherein keine Haushaltsplanung möglich war. Man fühlte sich zuerst dem internationalen Recht verpflichtet, in dem der Start eines Satelliten gleichzeitig neues Recht über einen Präzendenzfall etabliert. Die Art und Beständigkeit dieses neuen Rechtes war entscheidend, damit nicht nur weitere, sondern auch dieser erste Satellitenstart überhaupt legal durchführbar war, ohne schwerste diplomatische Krisen heraufzubeschwören. War man bereit, das Haftungsrisiko einzugehen, und wollte man einen Satelliten starten, ergaben sich aus dem geltenden internationalen Recht und seiner unwidersprochenen Auffassung nur drei Möglichkeiten, gleichzeitig mit dem Start auch einen Rechtszustand des Weltraumes herbeizuführen, der wenigstens dem auf hoher See außerhalb territorialer Gewässer entspräche:

1.) Der erste Satellitenstart erfolgt auf einer äquatornahen Umlaufbahn, die damals nur über neutrale oder dem Westen befreundete Staaten bzw. deren Kolonialterritorien führte, und man hofft, daß kein Protest von dritter, auch unüberflogener Seite zu Kund gegeben wird. Der einmal etablierte Rechtszustand würde voraussichtlich auch nach der dafür als international rechtlich als geregelt verlaufend anzunehmenden Entkolonialisierung wahrscheinlich fortbestehen. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 23

2.) Der erste Satellitenstart wird nach vorher eingeholter Genehmigung der während der zu erwartenden Lebensdauer des Satelliten überflogenen Staaten durchgeführt. Eine solche Genehmigung wäre danach Teil des Präzedenzfalles, eventuell auch die einmal erreichte Präzision der Bahnvorhersage in jedem ihrer Aspekte, was in jedem Fall auch bei Fehlschlägen, Navigationsversagen oder noch gänzlich unbekannten hochatmosphärischen Einflüssen auf die Bahn und Position des Satelliten gelten würde. 3.) Ein anderer Staat startet zuerst, und kein dritter Staat, überflogen oder nicht, verlangt eine Genehmigung für die Einreise des Satelliten in das eigene Territorium oder gibt in angemessener Frist anderweitig Protest oder als aufschiebend wirkend interpretierbare Ansichten zu Kund.

Der zweite Fall gilt heute sinngemäß für Höhenballonflüge, zusätzlich zum ohnehin anzuwendenden und international vertraglich festgelegten Verfahren der Flugplanabgabe. Bei den in den letzten Jahren angegangenen Rekordversuchen zur Erdumrundung im Ballon wurden vorher alle nötigen Genehmigungen aller möglicherweise zu überfliegenden Staaten eingeholt. Einige scheiterten dennoch an Einreisegenehmigungen, die widerrufen wurden, oder für die nachträglich unerfüllbare Anforderungen an die Einhaltung eines bestimmten Überflugweges aufgestellt wurden, als der betreffende Ballon bereits flog und sich z.B. der libyschen oder chinesischen Grenze in als empfindlich angesehenen Gebieten zu nähern schien, z.B. bei Tibet oder nahe von militärischen Erprobungsgeländen in den jeweiligen Wüstengegenden der Länder.

Der erste Satellitenstart gelang beim ersten Versuch am 04.10.1957 mit einer angepaßten Interkontinentalrakete R-7 des sowjetischen Kollektivs um Sergei Pavlovich Korolev. Es war das sechste überhaupt getestete Exemplar im insgesamt achten Startversuch. Von den damit sechs Flügen schlugen drei fehl. Die zwei bei den beiden für den Träger erfolgreichen suborbitalen Flügen getragenen Wiedereintrittskörper versagten katastrophal beim Wiedereintritt über Kamchatka. Die Nutzlast enthielt nur zwei getastete Sender auf unterschiedlicher Wellenlänge, aus deren Empfang die Umlaufbahn und ionosphärische Einflüsse bestimmt werden konnten. [11-164ff.][12-113,121ff.,225ff.][28-7ff.] Da die hauptsächlichen juristischen Gründe praktisch geheim waren, wurde eine sehr ähnliche Ausrüstung im Westen zuvor von den zuständigen staatlichen und wissenschaftlichen Gremien als völlig unzureichende, praktisch nutzlose wissenschaftliche Nutzlast eingeschätzt, und führte direkt zur Ablehnung des Project Orbiter. Der Öffentlichkeit gegenüber und in der zivilen Wissenschaft wurde nur diese Begründung der Entscheidung angeführt, obwohl auch die Umlaufbahnverfolgung einer völlig passiven Oberstufe wertvolle und damals gänzlich unbekannte Daten über Atmosphäre und Gravitationsfeld der Erde hätte liefern können. [4-133][16-21f.,52ff.][29-203f.] Dieses Verfahren der Bahnverfolgung wurde nichtsdestotrotz dank mehrerer glücklicher Umstände am Applied Physics Laboratory von Guier und Weiffenbach nur mit den Signalen der Sputniki und in gänzlicher Unkenntnis der sendenden Sputnik-Systeme entwickelt. Es führte in weniger als zwei Jahren vom ersten, mehr zufälligen Empfang bis zum ersten eigenen Startversuch des einsatzfähigen Navigationssystems Transit für die nuklear bewaffneten Polaris-U-Boote der U.S. Navy, das später für andere Teilstreitkräfte und den zivilen Bereich verfügbar gemacht wurde. [28-49ff.]

Wie heute bekannt ist, spielten im Zentralkommitee der Kommunistischen Partei der Sowjetunion, zumindest betreffend der Satellitenfrage, zu keiner Zeit juristische Überlegungen zum internationalen Recht irgendeine Rolle, und demzufolge wurde auch keiner der Gefolgsstaaten 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 24 benutzt, um über eine geeignet ausgefertigte Genehmigung pro forma die zukünftige Notwendigkeit einer solchen als Präzedenzfall zu etablieren. Damit wurde durch den Start des Sputnik der Weg für die amerikanische Aufklärungssatellitenreihe Corona frei. Im Lichte der oben angegeben drei Möglichkeiten und der sowjetischen Erfolgsquote erscheint auch die Bevorzugung des von Grund auf neu zu konstruierenden -Projektes des zivilen NRL vor dem vorhandene und erprobte Komponenten verwendenden Project Orbiter der ABMA logisch. Da zum IGY'56 auch sowjetische Satelliten angekündigt waren, stellte die zu erwartende Erprobungszeit faktisch damit die in zeitgenössischen Dokumenten nur implizit suggerierte dritte Möglichkeit sicher. Selbst bei einem unerwarteten, frühzeitigen Erfolg von Vanguard wäre die erhoffte Wertung des Präzedenzfalles durch die rein zivil-wissenschaftlichen Trägerorganisationen wohl noch erreichbar gewesen. [4-119ff.,129,131,133][16-23ff.][29-107ff.] Das Risiko zweiter zu werden, wurde ganz bewußt eingegangen, und einige Studien sagten in gewisser Weise die dann auch eingetretenen, überwiegend negativen Konsequenzen durch die öffentliche Reaktion voraus. Es wurde für die nötigen Spionagesatelliten fast jeder Nachteil zur Erreichung eines offenen, mit einer legalen Befahrbarkeit verbundenen Rechtszustandes des Weltraumes akzeptiert, und der Start des Sputnik 1 in diesem Sinne sogar ausdrücklich begrüßt. [4-134f.] Die Mittel des Vanguard- Programmes wurden sogar im Frühjahr 1957 vom CIA verdeckt um $2.5 Millionen aufgestockt, zusätzlich zu einem Beitrag der NSF von $5.8 Millionen, nachdem die projektierten Mittel von $15 bis 20 Millionen wegen der fast kompletten Neukonstruktion von Flugkörper und Infrastrukturen bis dahin um das zehnfache Überschritten waren, und die Einstellung des Projekts sich abzeichnete. Die damals allerdings streng geheimgehaltenen Tatsachen entsprachen also genau dem Gegenteil der von den vielen Gegnern der Satellitenprogramme ins Feld geführten Argumente, die je nach Standpunkt davon ausgingen, daß diese von wissenschaftlicher Seite weit überwiegend als leichtsinnige und nutzlose Spielerei angesehenen Phantastereien nur ein Vehikel dazu wären, mehr oder weniger offensichtlich Mittel von der ernsthaften Wissenschaft, gebotenen wirtschaftlichen, oder dringenden sozialen Aufgaben zum ungezügelt rüstungswettlaufenden Militär hin abzuziehen. [4-135f.][16-26]

Widerlegt wurde das juristische Primat der amerikanischen Entscheidung jedoch durch das von allen, auch der sowjetischen Führung, völlig unerwartete öffentliche Echo, den Sputnik-Schock, und seine weitreichenden Konsequenzen für Kalten Krieg, die Konflikte der Entkolonialisierung, und auch für die Raumfahrt selbst, die auf beiden Seiten Kosten und Nutzen der beiden Mondrennen erzeugte. [12-121][14-123ff.][16-39,52ff.] Dies machte die Verzögerung eines nach allen anderen Gegebenheiten möglichen Satellitenstarts auf amerikanischer Seite zu einem Versagen eines einzelnen, wohldefinierten, unmittelbar im Rahmen des gegebenen technischen Systems funktionell einbezogenen und notwendigen Start- und Flugprozeßbestandteils. Dabei handelt es sich um das Projektmanagement, das direkt in die zeitliche Ablaufsteuerung des Flugantriebes engriff. Die Entscheidung des sowjetischen Pendants dazu, allen technischen und gänzlich unbeachteten juristischen Unwägbarkeiten zum Trotz so schnell wie möglich irgendetwas nachprüfbar in die Erdumlaufbahn zu befördern, wurde so zum größtenteils unbeabsichtigten Erfolg. Zu diesem Zweck wurde nicht in die Flugsteuerung eines Gerätes oder die Flugplanung eines Startversuches eingegriffen, sondern den direkt an den Flugkörpern arbeitenden Technikern freie Hand gelassen, ihnen alle angeforderten Mittel zur Verfügung gestellt, und ihren Vorschlägen gefolgt. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 25

Die erste wissenschaftliche in-situ-Entdeckung im Weltraum, die der van-Allen-Strahlungsgürtel der Erde mit den in der Absicht zur Forschung installierten Geigerzählern auf Explorer 1, wurde nach der früheren Kritik der Wissenschaft an den Satellitenplänen in der weiteren Bewertung der beiden ersten Satelliten oder auch folgender Vorhaben kaum noch beachtet, und zwar sowohl zeitgenössisch als auch bis heute. Im Rückblick erscheint die von den bestenfalls Temperaturdrifteffekte meßwertähnlich anzeigenden Signalen des Sputnik angeregte Entwicklung des Navigationssystems Transit langfristig militärisch und volkswirtschaftlich weit nützlicher als die aus freier Forschung heraus betriebene Astro-Teilchenphysik. Die geeignet gewählten Frequenzen der frühen sowjetischen Satelliten waren auch ohne Bordinstrumente zur Untersuchung der für alle Satellitennavigationssysteme bis heute überaus wichtigen Eigenschaften der ionosphärischen Wellenausbreitung gut geeignet, obwohl sie die Bahnverfolgung erschwerten.

Man mag nun einwenden, daß Menschen und Entscheidungsvorgänge nicht Bestandteil des eigentlichen, aus Träger und Nutzlast bestehenden Fluggerätes seien. Dies ist aber nicht der Fall. Im Falle von Explorer 1 zündete Prof. Dr. Ernst Stuhlinger von Hand per Fernkommando das nach Brennschluß der Erststufe von einem Kreiselgerät über Preßluftdüsen langsam horizontal ausgerichtete Oberstufenpaket, das erst die Orbitalgeschwindigkeit erreichte, und dies auch nur bei korrektem Zündungszeitpunkt und Raumlagevektor. [11-179][27-46] Er nahm damit eine Funktion ein, die bei den damaligen Flugsteuerungssystemen der ersten Generation für Langstreckenraketen nach dem sogenannten radio-inertial-Verfahren ein Computer am Boden für die Bestimmung des Brennschlusses innehatte, z.B. in der GERTS-Anlage. [8] Diese war ebenfalls über eine einfache Zweiwege-Funkverbindung und eine Dopplerradar-Auswertung mit dem fliegenden Gerät verbunden, wobei der Flugkörper nur seine Raumlage selbst präzise genug für die erfolgreiche Flugführung regeln konnte. Wesentliche Bestandteile der Flugführungsregelschleifen und ihrer Programmierung waren also physisch Bestandteil der Bodenanlage, die auch Menschen als funktionellen und notwendigen Bestandteil des Regelkreises oder als Entscheidungsfunktion der Ablaufsteuerung beinhaltete. Diese Menschen stehen gewissermaßen in einer vorübergehenden Funktion als technisches Bauteil. Auch bei späteren Entwicklungsstufen der GERTS-Anlagen wurden z.B. Ausfälle vom Bodenpersonal erkannt und manuell auf die erst später eingeführten redundanten Geräte umgeschaltet. [8] Es läßt sich über die bisherige Entwicklung der Raumfahrt nur eine zunehmende Automatisierung der Funktionen vom Flugkörper nach außen greifend feststellen. Zunächst wurden einfache Programmschrittautomaten und umfassende Kurzzeit-Eigennavigation integriert, dann auch zunehmend leistungsfähigere analoge und digitale Rechenanlagen, die nach und nach mehr Funktionen des Flugkörpers kontrollierten, und ab den späten 1960er Jahren auch vordefinierte Notfall-Aktionen über Entscheidungsbäume ermitteln konnten. [30] Heute ist man bestrebt, auch die Bahnführung flugkörperautonom zu gestalten, so daß z.B. eine interplanetare Sonde mit langbrennendem Ionenantrieb in der Reisephase zwischen Erde und Weg- oder Zielpunkten faktisch sich selbst überlassen werden kann. Damit wird ein Bereich automatisiert, der traditionell nicht nur der Konstruktion und Missionsauslegung zugeordnet wird, sondern zum Teil sogar bis in die Planungs- und Definitionsphase hereinreicht, die dann nur noch einen nach dem möglichen Leistungsspektrum des Flugkörpers und seiner Toleranzen bemessenen Spielraum zu definieren hat, der die Erreichung des eigentlichen Missionsziels sicher ermöglicht. In dieser Phase des Projektes und in diesem Teil des gesamten Systems liegt auch das Versagen im Falle des verzögerten Starts von Explorer 1. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 26

Für den Bereich eines einzelnen durchgeführten oder im Sinne der in Kapitel 2.1.6. angegebenen Definition beabsichtigten Flugversuches, der die gesamten zugehörigen besonderen Vorgänge zu einem für die Untersuchung der Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern zu erfassenden einzelnen Versagensereignis umfaßt, soll für die vorliegende Arbeit eine geeignete und konsistente Abgrenzung gewählt werden. Dieser Bereich soll im folgenden als System bezeichnet werden. Aus dem angeführten Beispiel wird deutlich, daß sich das ein Versagensereignis bei einem Raumflugversuch beeinflussende Umfeld unter Umständen sehr weit erstrecken kann, insbesondere auch über den fliegenden Bestandteil des Systems hinaus. Dabei existiert aber immer ein spezifizierter Kommunikationsweg zum Zwecke der Informationsübertragung in beide Richtungen, vom diesen einzelnen beabsichtigten Raumflug durchführenden Flugkörper weg und zu ihm hin. Dieser Kommunikationsweg ist vor dem Beginn des Flugbetriebs erdacht und errichtet worden oder in den derart mit Absicht geschaffenen Einrichtungen unbeabsichtigt vorhanden.

Es wird daher folgende Definition für den Begriff System im Zusammenhang mit Raumflugkörpern im Sinne dieser Arbeit gewählt:

Das für ein Fehlerereignis zu betrachtende, insbesondere den betroffenen Flugkörper und die ihm zugehörigen Bodenanlagen mit allen ihren jeweiligen technischen und menschlichen funktionellen Bestandteilen enthaltende flugverbundene System umfaßt alle ausschließlich auf den beabsichtigten Raumflug des betroffenen Flugkörpers und alle ausschließlich auf die seinen Raumflug beabsichtigende Maßnahme bezogenen Material- und Informationsflüsse.

Diese Definition beinhaltet auch die notwendigerweise zu betrachtende Entwicklungsgeschichte, die zu einem von vornherein fehlerbehafteten Flugversuch führt, jedoch nicht allgemeine oder sehr breitgefächerte Studien oder umfassende politische oder allgemeine Planungsentscheidungen. Das zu betrachtende System kann sich gegebenenfalls auch bei nahezu identischen Flugkörpern aus einer Produktionsserie beträchtlich in seinem Umfang unterscheiden. Im oben betrachteten Beispiel Jupiter-C RS-29 - Explorer 1 waren bei der fehlerhaften zeitlichen Steuerung des schon früher möglichen Satellitenstartes die Wege des Informationsflusses viel weiter gespannt als bei den ebenfalls mit Jupiter-C durchgeführten Versuchen mit Modellen der Wiedereintrittskörper für die eigentliche Mittelstreckenrakete Jupiter. Bei den vom jeweils betrachteten System umfaßten Nutzlasten sind in diesen beiden Varianten gänzlich verschiedene Bereiche mit einbezogen, die nur die Schnittstelle zur Trägerrakete gemeinsam haben. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 27

Die Einbeziehung der Nutzlast, die sich ja von Flug zu Flug grundlegend verändern kann, obwohl der Träger oft sehr ähnlich oder gleich bleibt, ohne dabei eine besondere Trennung beider in den Systembegriff einzubeziehen, ergibt sich aus der in der ausgewerteten Literatur gefundenen Versuchserfahrung. So führte das für die erste Serie der Luna-Sonden nötige Hinzufügen einer wie eine Nutzlast vom Träger abgegrenzten Oberstufe zur Trägerrakete R-7 zu mehreren katastrophalen Versagensfällen des an sich unveränderten Basisflugkörpers, die durch das durch die Nutzlast- Oberstufen-Kombination veränderte Schwingungsverhalten der zuvor einwandfrei funktionierenden Flüssigsauerstoffleitungen auftraten. [14-153f.] Obwohl schon bei der sich inkrementell entwickelnden Serie der Corona-Spionagesatelliten, wie bereits erwähnt, die Einführung von Baulosen versucht wurde, [4-70,76] bleibt zumindestens im ausgewerteten Bereich jeder Startversuch eines Produkts, das nicht vollständig einer identischen, fließbandähnlichen Serienfertigung enstammt, ein einzelnes und einzigartiges Experiment mit individuell variierten Anfangsbedingungen. Ob es überhaupt einen echten, der Verkehrsluftfahrt vergleichbaren Serienbau in der Raumfahrt gibt, kann nicht festgestellt werden, da von den am häufigsten geflogenen Geräten keine ausreichenden Daten vorliegen, obwohl zumindest für einige Flugkörperfamilien eine höhere Serialisierung vorsichtig angenommen werden kann. [8]

Die gewählte Definition des Systembegriffes löst auch zwanglos das Problem der Klassifizierung, das sich aus der Individualität aller betrachteten Flugkörper in Verbindung mit der Kombination an sich ähnlicher Bestandteile in unterschiedlichen Varianten ergibt, indem sie den Systembegriff von der Gesamtheit des individuellen Flugkörpers löst und ihn auf das Versagensereignis, die kleinste Einheit eines spezifischen Fehlervorgangs, fokussiert. Beispielsweise wurde die ursprüngliche Trägerrakete Atlas sowohl alleine als auch mit mehreren verschiedenen Oberstufen z.B. der Typen , Agena oder in jeweils verschiedenen Versionen geflogen, für die die Atlas jeweils anders angepaßt wurde. Die erwähnte Agena- Oberstufe wurde wiederum nicht nur in verschiedenen Varianten auf verschiedenen Atlas-Varianten eingesetzt, sondern auch auf verschiedenen Varianten der und , sowie als integraler Bestandteil der bereits erwähnten Satellitenserie Corona. Dort war sie der eigentliche Satellitenkörper mit Steuerungs- und Antriebseinrichtungen. Als ankoppelbarer Raumschlepper im Gemini-Programm verwendet, flog sie sowohl mit jeweils einer Atlas als eigenem Träger als auch mit den von einer Titan II gestarteten Gemini-Raumschiffen selbst, und das in mehreren Versuchen, bestehend aus je einem einzigen Flug mit jeweils einem einzigen, fortlaufend angepaßten Exemplar. Agena war also je nach Flug Träger, Nutzlast, Servicemodul, integriertes Antriebs- und Steuerungsteil, auch mit Manövrierfunktion, Schlepper, und sogar Bestandteil eines embryonalen Orbitalkomplexes, wenn auch noch nicht einer echten Raumstation, was nur studiert wurde. Die ohne eigene Steuerungskontrollgeräte, aber mit Steuerdüsen entworfene Antriebsstufe 11S824 Block D war dagegen von der eigentlichen, aber von ihr getrennten Nutzlast zu steuern, da sie zuerst als abwerfbares Antriebsmodul des damit eigentlich zweistufigen Mondraumschiffes 7K-L1 Zond verwendet wurde, das mit ihr als vierte Stufe auf einer an sich dreistufigen 8K82K Proton gestartet wurde. [8] Ähnlich kann man auch den Betrieb von modularen Raumstationen und ihren Zubringerraumschiffen betrachten, oder die mit dem bemannten STS durchgeführten Wartungsarbeiten an unbemannten und teils von anderen Trägersystemen gestarteten Satelliten. 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 28

Man sieht leicht, daß es nahezu unmöglich ist, hier eine Trennung einzuführen, die sinnvoll ist, oder wenigstens noch aussagekräftig auswertbar Untermengen von Flugkörpern zustande kommen läßt.

Hinzu kommt, daß es selbst bei einer für die Klassifizierung eines Fehlerereignisses an sich ausreichenden Erwähnung oft unklar ist, in welchem Teil des Flugkörpers der Fehler auftrat. Zum Beispiel sei in einer typischen Quelle ein Versagensfall einfach als »Versagen des Antriebes der zweiten Stufe der Atlas« bezeichnet. Für eine Atlas-Centaur-Kombination Atlas II, IIA oder IIAS zeigt folgende Tabelle das betroffene Triebwerk je nach der verwendeten Zählung der Stufentrennung:

Atlas Feststoff- Atlas Boosterschürze Atlas Kernstufe; 1 Marsch- Centaur, 2 Triebwerke booster (2, 4) 2 Starttriebwerke und n Rollsteuertriebwerke II, IIA - 0 1 2 - 1 oder 2 von 2 II, IIA - ½ 1 ½ 2 - 1 oder 2 von 2 II, IIA - 1 1 2 - 1 oder 2 von 2 II, IIA - 1 2 - 1 bis n+1 von n+1 3 IIAS 0 ½ 1 ½ 2 - 1 oder 2 von 2 IIAS 0 1 1 2 - 1 oder 2 von 2 IIAS 0 1 2 - 1 bis n+1 von n+1 3 IIAS 1 1 ½ 2 - 1 bis n+1 von n+1 3 IIAS 1 1 ½ 2 ½ - 1 bis n+1 von n+1 3 IIAS 1 2 - 1 oder 2 von 2 2 - 1 bis n+1 von n+1 3 IIAS 1 2 - 1 oder 2 von 2 2 ½ - 1 bis n+1 von n+1 3, 3 ½ IIAS 1 2 - 1 oder 2 von 2 3 4

Tabelle 2.7 - Verschiedene Zählweisen der Raketenstufung u. Lokalisation von Triebwerkversagern

Insgesamt kommen in diesem Beispiel von den fünf bzw. neun einzelnen Triebwerken, plus denen der Rollsteuerung, drei bzw. fünf und die Rollsteuerung als Fehlerursache in Frage. Ohne weitere Angaben kann also nicht nach dem Typ oder auch nur der Technologie der Antriebe klassifiziert werden. Welche Zählweise verwendet wird, ist nicht immer eindeutig aus dem Kontext oder anderen Beispielen innerhalb des betreffenden Werkes ersichtlich, da einige Informationen aus unterschiedlichen Quellen übernommen sein können, wobei diese Unsicherheit auch zusätzlich schon einmal aufgetreten sein kann, und dadurch insbesondere bei späteren kommerziellen Trägern mit Feststoffboostern meist anders gezählt wird als im Falle der älteren Träger, die eher als eineinhalbstufig bezeichnet werden. [8][14] 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 29

Eine verwandte Schwierigkeit ist, daß es gelegentlich zur Wiederverwertung von ganzen Flugkörpern und wesentlichen Baugruppen kommt, wobei Flugkörper und Baugruppe sogar identisch sein können. So wurde das identische Reserveexemplar des Sputnik 1 als eines der Sendermodule für verwendet. [12-128f.] Die im Lagrange-Punkt vor der Erde gehaltene Sonde International Sun- Explorer ISEE 3 wurde, nachdem sie im wesentlichen ihre Aufgaben erfüllt hatte und eine spezielle Kometensonde für einen Halley-Vorbeiflug gestrichen worden war, durch fünf Vorbeiflüge am Mond Ende 1983 zum Kometen Giacobini-Zinner gelenkt und administrativ in die Kometensonde International Cometary Explorer ICE umgewidmet, die ihr Ziel am 11.09.1985 sechs Monate vor den zum Kometen Halley geschickten Raumsonden erreichte. [8][31-290] Damit gingen auch Veränderungen in der Verantwortlichkeit im Bodensegment einher, die die Flugsteuerung über diese Entscheidung hinaus beeinflussen konnten. Die drei sehr erfolgreichen Venussonden Pioneer-Venus und Magellan wurden zunehmend aus noch vorhandenen, ursprünglich als Flugreserve oder für Bodentests vorgesehenen Baugruppen zusammengestellt. [8][32-TV] Auch hier wäre es schwierig, Teile aus einer anderen Flugkörpergeneration oder einem anderen Programm korrekt zuzuordnen, da ja leichte konstruktive Veränderungen ebenso eingeflossen sein können, wie unerkannte Auswirkungen der längeren Lagerzeit wie bei der Antenne der Sonde Galileo. [25-96] Die gewählte Definition für ein System läßt es jedoch zu, daß der betroffene Flugkörper sich in der jeweils zum Fehlereintritt und während des Fehlerverlaufes aktiven Konfiguration und Flugphase betrachten läßt, und sich das von Material- und Informationsflüssen bestimmte, zu betrachtende System entsprechend mitverändert. Dies beinhaltet automatisch eine Trennung nach Träger und Nutzlast, die im Beispiel der Corona-Agena physisch garnicht gegeben ist, und die Entfernung abgeworfener Bauteile aus dem betrachteten System, z.B. von Raketenstufen, Nutzlastverkleidungen oder missionsbedingten Bauteilen nach dem Abschluß des Vorgangs ihrer Abtrennung in dem Moment, ab dem sie auf den weiterarbeitenden Restflugkörper keinen wie auch immer gearteten Einfluß mehr ausüben können.

Der Erfolg eines Raumfluges läßt sich im Sinne der bisher gewählten Definitionen nur annehmen, wenn die in dem dort angewandten Begriff der Absicht eines Flugversuches enthaltenen Ziele und Zwecke erreicht wurden. Die Quantifizierung eines Grades des Erfolges erscheint jedoch nicht nur für den Rahmen der vorliegenden Arbeit, sondern generell zur Betrachtung der Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern als nicht sinnvoll. Bei einem hypothetischen Kommunikationssatelliten, dessen Transponderkanäle über die gesamte Lebenszeit einwandfrei funktionieren, jedoch aus beispielsweise marktwirtschaftlichen Gründen, die außerhalb des flugverbundenen Systembegriffes liegen, ganz oder teilweise nicht genutzt werden, kann man nicht behaupten, daß er oder das ihn beinhaltende flugverbundene System gänzlich oder anteilig versagt hätten. Ähnlich verhielte es sich, wenn Datenkompression mit einbezogen würde. Eine Quantifizierung durch den Nutzwert, beispielsweise durch die Setzung des beabsichtigten Datendurchsatzes über die erwartete Lebensdauer gleich 1, kann nicht zu sinnvollen Aussagen über die Zuverlässigkeit führen, da eine technische Zuverlässigkeit >1 nicht möglich ist, 2. Definitionen: Raumfahrt, System, Erfolg und Mißerfolg 30 aber rechnerisch leicht eintreten könnte, wenn der Satellit die erwartete Lebensdauer auch nur geringfügig überschreitet. Bei Raumsonden zu Forschungszwecken, bei denen ja die Erkundung unbekannter Dinge unbedingter Teil der flugverbundenen Absicht ist, müßte mit eben dieser Unbekannten ein Erfolgsstandard gefunden werden. Ein weiterer Einfluß wäre der jeweilige Umfang der Minimum-Mission, der beabsichtigten oder erhofften Mission, und der eventuellen Missionsverlängerungen und -änderungen über Jahrzehnte vom Entwurf bis zum Flug, wie z.B. bei den Sonden Voyager oder Galileo. Zusätzlich kompliziert wird diese Situation dadurch, daß es Flugvorhaben gibt, bei denen zu Versuchszwecken, aber auch im tatsächlichen Einsatz ein absichtliches Versagen herbeigeführt wurde. Erfolg ist also eine Frage der Erfolgskriterien. Hier verhält es sich für die oft in der gleichen Weise wie die ersten Satellitenversuche überhaupt pauschal kritisierten Apollo-Mondmissionen. Die als präsidiale Selbstverpflichtung der USA gestellte Aufgabe war, vor dem Ende des Jahrzehnts, also bis zum 31.12.1970, 23:59 Uhr einen Mann zum Mond und sicher wieder zurück zur Erde zu bringen. Dies wurde von allen bis dahin zum Mond gestarteten Apollo-Flügen vollständig erfüllt, auch von Apollo 13. Dessen Mondumflug wurde als reine Notfallantwort auf einer freien Rückkehrbahn durchgeführt, in die das der Funktion fast aller technischen Bordeinrichtungen beraubte CSLM erst wieder manövriert werden mußte. Ein Flug auf einer derartigen Bahn vom Start ab ist mit dem zu genau diesem Ziel entwickelten sowjetischen bemannten Mondprogramm 8K82K Proton / 11S824 Block D / 7K-L1 Zond mit intakten Raumschiffen nur zweimal gelungen, mit Zond 7 und 8 am 07.08.1969 bzw. 20.10.1970. Es wurden 15 Exemplare produziert und in elf unbemannten Versuchen geflogen, die alle mit wesentlichen Versagensfällen flogen. Man sieht leicht, daß selbst wenn eine ausreichend detaillierte Beschreibung des beabsichtigten Erfolges vorliegt, sehr oft und gerade bei wichtigen oder besonders kritisierten Flügen keine schlüssige Quantifizierung eines Erfolgsgrades erreicht werden kann. Die möglichen Werte können extrem unterschiedlich sein, je nachdem, wann diese Betrachtung zu irgendeinem Zeitpunkt vor, während oder nach einer Mission angesetzt wird. Hinzu kommt, daß in der späteren Entwicklung der Erfolg, oder besser: das wenigstens erwartungsgemäße Verhalten vieler Bestandteile eines Systems, garnicht berichtet wird. Es kann dann für einen Träger vorausgesetzt werden, wenn von einer Nutzlast berichtet wird, daß sie die beabsichtigte Flugbahn erreichte. Hier muß aber schon aus dem Kontext oder Kollateralinformationen auf Typ und Variante des Trägers geschlossen werden. Allerdings ist die Zuordnung oft nicht sicher möglich. Das wäre aber für eine vollständige Auszählung einer Quelle zur Ermittlung prozentualer Zuverlässigkeiten notwendig, wenn es sich um eine Reihe genügend identischer Flugkörper handeln würde, was ohnehin fast immer nicht der Fall ist, wie weiter oben bereits diskutiert wurde. Im Rahmen dieser Arbeit muß der Verfasser aber den Berichten und der Auswahl des Berichteten durch andere Autoren folgen. Es wird daher für diese Betrachtung der Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern festgelegt:

Der Erfolg von Raumflugkörpersystemen wird als nicht näher dokumentierter Normalzustand angesehen und für die Untersuchung der Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern nicht gewertet; die Unvollständigkeit jeder entnehmbaren Information über die erfaßten und auszuwertenden Versagensfälle ist als prinzipiell gegeben anzusehen. 3. Auswertungsverfahren 31

Es liegt in der Natur der Sache der äußerst inhomogenen und statistisch gesehen immernoch kleinen Datenbasis, daß es sich bei einer synoptischen Auswertung um eine vorsichtige Gratwanderung handeln muß. Es liegen etwa zweieinhalbtausend hier im engeren Sinne auswertbare Informationsblöcke über eine Vielzahl zudem während der Zeit ihrer Nutzung stetig veränderter Vehikel vor. Daher wird bewußt auf die Berechnung statistisch nicht oder wenig tragfähiger Wahrscheinlichkeitsangaben verzichtet, da sie obendrein wegen der stetigen Veränderung der Vehikel ohnehin meist gänzlich aussagelos werden. Ebenso verzichtet wird auf die tiefergehende Untersuchung der wenigen gut dokumentierten Fälle. Solche werden aber gelegentlich zur Herausstellung typischer Versagensabläufe benutzt werden.

Die Unvollständigkeit der erreichten wie auch der überhaupt erreichbaren Datenmenge muß selbst ohne die Effekte der zeitlichen Begrenzung in der Bearbeitung der gestellten Aufgabe als Faktum akzeptiert werden, weil schon bei der Auswahl des Berichtenswerten aus allen jemals beobachteten Versagensfällen Auslassungen auftreten. Zudem gibt es nach wie vor viele aus kommerziellen und nachrichtendienstlichen Gründen geheimgehaltene Informationen über Raumfahrtvorhaben. Das Ziel wird daher sein, einen möglichst ertragreichen prinzipiellen Überblick zu erhalten. Dieser soll die Gesamtheit des als frei erhältliche Literatur existierenden Materials im für die Arbeit gegebenen Zeitrahmen mit gutem Wirkungsgrad nach Erreichbarkeit, Umfang, Informationsdichte und -vielfalt abdecken. Dabei sollen auch möglichst den interessierten Lesern Wege zu detaillierteren Untersuchungen in ihrem eigenen Sinne angegeben werden.

Die eigentliche Literaturrecherche zur Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern wurde in zwei Stufen durchgeführt. Zunächst wurde die zufällig beim Verfasser der vorliegenden Arbeit vorhandene Literatur, die im Sinne der Aufgabe überhaupt ertragreich zu sein versprach, durchgesehen, um die Möglichkeit einer detaillierteren Untersuchung über das bloße Aufstellen von allgemeinem Erfolg und Versagen einer Mission hinaus abzuschätzen. Die zu diesem Zeitpunkt so verfügbare Quellenmenge aus gedruckter Literatur, Fernsehdokumentationen und Internetseiten ließ eine auswertbare Zahl von wenigen hundert einigermaßen detailliert geschilderten Versagensfällen erwarten, die wenigstens teilweise eine Klassifizierung nach Hergang, Schwere und gegebenenfalls Behebung ermöglichen würden. Dieser Umfang würde wenigstens für einige Bereiche prinzipiell statistisch tragfähige quantitative Auswertungen ermöglichen, wenn die Klassifizierung gut an die erkennbaren Informationen und ihre Detailliertheit angepaßt ist. Die vorhandenen Druckwerke wurden daraufhin in einer ersten Stufe ausgewertet, um zunächst die Grundlage für die Klassifizierung der einzelnen Versagenshergänge zu erhalten. Für diese erste Auswertung wurden die Informationen aus den Literaturstellen extrahiert und mit den zur Wiederauffindung nötigen Vermerken in ein Tabellendokument eingetragen. 3. Auswertungsverfahren 32

Das verwendete kommerzielle Programm StarOffice/2 4.0 ermöglicht Tabellendokumente aus bis zu 255 Blättern mit jeweils bis zu 32000 Zeilen und 256 Spalten für Zahlenwerte und Texteinträge. Die Anzahl der Spalten liegt nur wenig über der erwarteten Zahl der auswertbaren Ereignisse, daher wurde jeder Literaturstelle eine Zeile zugeordnet, in die die verwendbaren Begriffe eingetragen wurden. Die eingetragene Formulierung entspricht dem Originaltext oder ergibt sich durch Vergleiche innerhalb des betreffenden Werkes. Die Beschreibung eines Versuches wurde in elementaren Informationseinheiten zerlegt und in folgende Spalteneinträge separiert:

Flugkörpergruppe zur leichteren Übersicht

Typ für getrennte Auswertungen Hersteller für getrennte Auswertungen

Datum des Fluges, Startes, Boden- oder Startversuches Flugnummer laufende Zählung der mit einem Typ durchgeführten Flüge Fluganzahl zur Berücksichtigung von mehrere Flüge betreffenden Informationen Gesamtflugzahl der mit einem Typ durchgeführten Flüge

Stufenzahl bei mehrstufigen Trägerraketen

Versagensart Beschreibung der Art und Weise des Versagens Versagensschwere Beschreibung der Auswirkungen des Versagens auf Flugkörper und Flug Kollateralschaden Beschreibung der Auswirkungen des Versagens außerhalb des Flugkörpers Versagensursache Beschreibung des Beginnes der zum Versagen führenden Fehler

Quelle der Beschreibung Stand Veröffentlichungsjahr Quellenart zur Wertung der Zuverlässigkeit und Fachlichkeit der Informationen Quellenklassifikation zur Wertung der Zuverlässigkeit und Fachlichkeit der Informationen Quellenidentifikation ISBN oder andere eindeutige Bezeichnung Seite wie in der Quelle notiert, bei mehrseitigen Einträgen die erste (ohne f., ff.) Autor oder Herausgeber, dann mit... Kapitel-Autor bei Zusammenstellungen, Zeitschriften, Sammelwerken, usw.

Bemerkung besondere Details, auch vollständiges Zitat der betreffenden Literaturstelle zitierte Quelle wenn zur Auswertung als nötig angesehen, Quellenverweis aus dem Werk aktive Lebensdauer des Flugkörpers, bei Satelliten z.B. Funktion der Kommunikation passive Lebensdauer des Flugkörpers, bei Satelliten z.B. bis zum Verglühen in der Atmosphäre

Tabelle 3.1 - Einträge im Tabellendokument für die erste Stufe der Auswertung 3. Auswertungsverfahren 33

Am Ende des Tabellendokuments wurde eine Liste der ausgewerteten Werke angefügt, in die, soweit ermittelbar, neben den genauen Bezeichnungen des Werkes, auch die Nummern der Auflage, der Druckfassung und des Repro-Schnittes aufgenommen wurde. Damit soll die korrekte Zuordnung der Seiten bei leicht veränderten Ausgaben, wie z.B. Taschenbuch-Ausgaben oder durchgesehenen Nachdrucken erleichtert werden. Nach Möglichkeit wurde ein nachvollziehbares Datum des Bearbeitungsendes des zitierten Werkes erfaßt, z.B. aus einer Nennung im Vorwort, oder den letzten Einträgen in Zeittabellen, damit später öffentlich gewordene Informationen angemessen berücksichtigt werden können.

Durch diese erste Phase der Auswertung wurde zuerst die Notwendigkeit der Präzisierung der populären Definitionen offenbar, die schließlich zu den in den vorangehenden Kapiteln angegebenen Definitionen führte. Außerdem zeigte sich, daß die Einordnung nach Versagensart,- ursache und -schwere eine sehr hohe Anzahl typisierter Versagensarten erfordern würde, da kaum in ihrer Art einander ähnliche Hergänge zu finden waren, sobald eine mehr als elementare Trennung nach der betroffenen Funktions- oder Baugruppe angewandt wurde. Außerdem betraf ein großer Anteil der Zeileneinträge aus den in der ersten Phase ausgewerteten, technisch-wissenschaftlich orientierten Quellen oder offiziellen Veröffentlichungen der Betreiber die dort wesentlich ausführlicher diskutierten Erfolge, lieferte also keine Informationen in gerade diesem statistisch kritischen Bereich. Dieser Zustand galt für fast alle zu diesem Zeitpunkt gerade verfügbaren Werke, gleich ob es sich dabei um Druckerzeugnisse, Fernsehdokumentationen oder Internetseiten handelte. Meist gab es nur genaue Angaben zu den für den jeweiligen Bereich frühesten Versagensfällen. Danach wurde lediglich ein unbestimmtes Versagen angegeben, oder durch die Auslassung dieser Erwähnung ein Erfolg impliziert, besonders bei Trägerraketen. Die zu diesem Zeitpunkt vorhandene Ausnahme war [14], das in dieser Phase die überwiegende Zahl der verwertbaren Einträge über Versagensfälle lieferte, obwohl es sich dabei gerade nicht um ein primär technisch orientiertes Werk handelt.

In der zweiten Phase wurden daher gezielt historisch-technische Raumfahrtbücher beschafft, die zu dieser Zeit nach ihrem ersten Erscheinen in den USA gerade in Großbritannien und Deutschland verfügbar wurden. Einige Werke waren in Deutschland praktisch nicht oder nur unter großen Lieferzeiten im Handel erhältlich. Die Beschaffung durch den Verfasser der vorliegenden Arbeit war notwendig, da diese Werke üblicherweise gerade wegen ihrer historischen Orientierung nicht von technischen Bilbliotheken vorgehalten werden, eine längere, zur detaillierten Auswertung nötige Ausleihe selbst im Falle ihrer Vorhaltung kaum befriedigend möglich ist, und sie auch in allgemeinen Bibliotheken nicht zu finden sind, da sie für diese wiederum zu spezialisiert erscheinen.

Die ersten schließlich beschafften Werke aus diesem Literaturbereich enthielten gänzlich unerwartet schon eine so hohe Datenmenge in Umfang und Detail, daß aus praktischen und zeitlichen Gründen eine rigorose Begrenzung der Erfassung nötig wurde, und insbesondere keine weiteren Beschaffungen mehr getätigt wurden. 3. Auswertungsverfahren 34

Für die Begrenzung der Datenmenge wurden zunächst alle Fernsehdokumentationen und Internetseiten grundsätzlich als ohnehin kaum ordentlich zitierbare Quellen aus der Auswertung ausgeschlossen, da sie außerdem am Zeitaufwand zur Auswertung gemessen einen niedrigen Ertrag an auswertbaren Ereignissen aufwiesen. Fast alle der bis dahin erfaßten Quellen dieser Arten waren auch in einer niedrigeren Quellenklassifikation hinsichtlich der Wertung der Zuverlässigkeit und Fachlichkeit der Informationen eingestuft. Einige der besseren Quellen dieser Arten, die sich wegen der speziellen, ausführlichen und gewissenhaften Beschäftigung mit einem einzelnen Fall als nützlich zur Klärung von Unstimmigkeiten zwischen mehreren gedruckten Quellen erwiesen, wurden zur Unterstützung der Recherche in ausschließlich dieser Hinsicht herangezogen. Eine vollständige Auswertung wurde jedoch meist nicht vorgenommen, da hierdurch wenig Zuwachs an neuen, noch nicht anderweitig erfaßten Informationen zu erwarten war. Da alle nach diesen Restriktionen noch zur Auswertung verwendeten Quellen den beiden höchsten Quellenklassifikationen angehörten, wurde auf eine weitere Berücksichtigung dieser Einordnung bei der Auswertung verzichtet. Zum Ende der dann folgenden Erfassung von auswertbaren Ereignissen hin zeichnete sich ab, daß als praktisch einzige unter den anfangs als ertragreich eingestuften Internetseiten vor allem [8] eine stabile, zuverlässige und leicht für den gelegentlichen Leser nachvollziehbare Struktur hat. Die dort gebotene Information steht qualitativ der in den zur Auswertung herangezogenen Druckerzeugnissen nicht nach, und eine höhere Aktualität ist oft gegeben, da die Verzögerung der Drucklegung entfällt. Ein allgemeiner Verweis auf [8] wird daher in dieser Arbeit angeführt, wenn für einen geschilderten Beispielfall dort den gedruckten Werken entsprechende Informationen zu finden sind, bzw. diese zur Klärung von Unstimmigkeiten einbezogen wurden. Es finden sich dort aber auch die meisten der überhaupt ausgewerteten Versagensfälle wenigstens in einer grundlegenden Erwähnung. Gezielt ausgewertet wurden:

1.) Zehn raumfahrthistorische Bücher, allgemein und umfassend, [33][3][34][14][35][16][4][9] [12][7], in der Liste des Tabellendokumentes nummeriert als 1 bis 10,

2.) zehn für einzelne Raumflugkörper besonders ertragreiche Bücher, teils komplett, teils nach Index, teils nach den einzelnen Kapiteln von Interesse für diese Arbeit, [36][25][37][38][39][32] [40][41][11][1], in der Liste des Tabellendokumentes nummeriert als 11 bis 20, und außerdem

3.) vier Werke, in denen ausgewählte Kapitel ertragreich genug erschienen, [42][23][43][44], in der Liste des Tabellendokumentes nummeriert als 21 bis 24,

4.) drei Bücher [45][46][47] und vier Zeitschriften bzw. -artikelsammlungen, [48][49][50][51] die ohnehin vorlagen und in denen einzelne Einträge ertragreich genug erschienen, in der Liste des Tabellendokumentes nummeriert als 31 bis 33 und 41 bis 44, und

5.) ein paper, [52] das umfassend zu einem Bereich der zu untersuchenden Versagensfälle beitrug und über das ILR zur Verfügung gestellt wurde, in der Liste des Tabellendokumentes nummeriert als 51.

Tabelle 3.2 - Aufteilung der zur Auswertung ausgewählten Werke 3. Auswertungsverfahren 35

Zusätzlich wurden, soweit es sich aktuell ergab und das Material ohne weiteren Aufwand zur Recherche ohnehin vorlag, neuere Einzelfälle mit in die Auswertung aufgenommen. Hierbei handelte es sich um ausreichend detaillierte Meldungen aus der Fachpresse [48] und zuvor als zuverlässig eingestuften internationalen Medien [10], sowie die im Zeitraum der Bearbeitung veröffentlichten, besonders ausführlichen und detaillierten Unfallberichte, die so weit ausgewertet wurden, wie es der Detailtiefe der anderen Quellen entsprach. Hierbei handelt es sich um den eigenen Bericht der achtmonatigen Untersuchung des Beagle-2-Projektteams (ausgewertet unter besonderer Berücksichtigung des schon vier Monate nach dem Versagen der Sonde und knapp zwei Monate nach Beginn der betreffenden, separaten Untersuchung veröffentlichten, gemeinsamen Berichtes des ESA-Generaldirektorats und des britschen Wissenschaftsministers) [53], und den Bericht des Columbia Accident Investigation Boards zum Unfall der STS Columbia [54] in Verbindung mit weiteren Informationen aus einer BBC-Fernsehdokumentation [10].

Die in der zweiten Phase ausgewerteten Versagensfälle wurden primär als direkte Quellenzitate in das Tabellendokument aufgenommen. Die Spalten außerhalb der Typen-, Flug- und Quellenangaben wurde nur insofern ausgefüllt, als es für die folgende Generierung von Auswertungskriterien zur Klassifizierung der Versagensfälle nützlich erschien. Es wurde weiterhin für jeden ausgewerteten Versagensfall pro Quellenstelle eine Zeile im Tabellendokument zugeteilt. Damit waren etwa 2500 Zeileneinträge erreicht, mit Leerzeilen zur Gliederung gut 2700.

Um die Zuordnung der Informationen zu einem bestimmten beabsichtigten Versuch oder Flug zu ermöglichen, wurde zunächst versucht, aus den in der Quellenstelle gefundenen Angaben ein möglichst genaues Datum zu ermitteln. Es gibt dabei durch die sehr variable Präzision der Umschreibung einige Unsicherheiten. So kann ein bestimmter Startversuch mit ganz verschiedenen Daten erwähnt werden. Beispielsweise sei hier wegen der umfangreichen vorhandenen Informationen Corona Mission 9009 betrachtet, mit dessen Kamera C (KH-1) im Rahmen der Operation OPS 1036 Limber Leg das erste Bild der Erde aus der Umlaufbahn aufgenommen wurde. Es zeigt mit etwa 10 m Auflösung auf Eastman Kodak Estar Polyesterbasis- Schwarzweißfilm den vorgeschobenen Bomberstützpunkt Mys Shmidta an der Küste Chukchen-See zwischen der Wrangel-Insel (Ostrov Vrangelya) und dem Anadyr-Gebirge, der heute ein Regionalflughafen für den Verkehr zwischen dem 700 km nahen Nome in Alaska und den neuen arktischen Rohstoffzentren des russischen fernen Ostens ist. Der Start von Mission 9009 erfolgte am 18.08.1960 um 19:57 Uhr GMT (12:57 Uhr PDT) von Point Arguello in Kalifornien aus, heute Vandenberg AFB. Der Flug führte südwärts in eine sonnensynchrone polare Umlaufbahn. Die Filmrückholkapsel trat am 19.08.1960 aus dem siebzehnten Umlauf wieder in die Atmosphäre ein und wurde ab 12:53 Uhr von einem zum Falschirmfang modifizierten Transportflugzeug C-119 3. Auswertungsverfahren 36 bei Hawaii planmäßig aus der Luft geborgen, während der Satellitenkörper Agena A 1056, der gleichzeitig die zweite Trägerstufe war, weiterflog und erst nach 29 Tagen am 16.09.1960 in der Atmosphäre verglühte. [4-10,59f.,236][16-88ff.,275]

Die ungenauseste Angabe ist, daß garkein Datum angegeben wird. Dann ist es aber meistens noch möglich, aus dem Kontext ein ungefähres Datum anzugeben. Dies ist beispielsweise möglich, wenn bei einem früheren und einem späteren Start oder Versuch des selben Programmes ein Datum angegeben ist. Im gewählten Beispiel wären dies der 10.08. bzw. 13.09.1960, was schon eine recht genaue Angabe ist. In der Regel reichen Monatsangaben zur eindeutigen Identifikation aus. Bei interplanetaren Sonden, also bei Flügen zum Mond und darüber hinaus, können sogar längere Zeiträume durch die Startfenster deutlich eingeschränkt werden, ohne daß eine genauere Angabe als etwa ein Monat für Mondflüge, oder das Kalenderjahr für alle anderen Ziele nötig ist. Die vorangehenden bzw. folgenden Startfenster können dazu oft aus kollateraler Information ermittelt werden, da sie aus allgemeinen Daten der Bahnmechanik folgen. Sind in einem Startfenster mehrere Versuche gemacht worden, so läßt sich oft wenigstens deren Reihenfolge angeben, auch wenn das Datum sich nicht immer festlegen läßt. So gibt es gescheiterte Startversuche von Mond- und Marssonden, für die zwei alternative Daten angegeben werden, z.B. die inoffiziell im Westen Zond 1964A genannte am 04. oder 18.06.1964. Die Möglichkeit, daß es sich tatsächlich um zwei Startversuche handelte, ist nicht ausgeschlossen. [8][12-150ff.,330][32][39] Bei bestimmten Operationen kann es vorkommen, daß eine große Zahl von Raumflugkörpern in kürzester Zeit gestartet wird. Ein Beispiel sind Flugversuche zur Erprobung von strategischen Raketenabwehrsystemen, wie sie seit dem 01.01.1958 mit dem in der Sowjetunion als A bezeichneten, 1956 begonnenen System begonnen wurden. Dieser Komplex mit dem abfangenden Lenkflugkörper V-1000 (ABM-1) wurde von den Gebieten A und A' (westliche Bezeichnung aus der Auswertung von U-2-Aufnahmen) bei Sary Shagan am Balkhash-See aus in der grenzfern gelegenen zentralen Sowjetunion erprobt. [4-202f.] Zur Erprobung der stark automatisierten Vorgänge zum Abfangen ballistischer Raketen wurden nicht nur der Ziel- und einer oder mehrere Abfangflugkörper gestartet, sondern auch eine von Versuch zu Versuch zunehmende Zahl von Trägerraketen für Meßgeräte und passive und aktive Störeinrichtungen bis zu scharfen Atomsprengköpfen, die in Höhen zwischen 80 und 300 km gezündet wurden. Die Robustheit, die Schutzeinrichtungen, die komplexen Anlagen und die Programmierung des Abfangsystems wurde damit unter Einsatzbedingungen bis zur Einsatzreife erprobt. Gleichzeitig nutzte man die ohnehin nötigen Versuche, um auch die eigenen Wiedereintrittskörper und ihre Träger gleichermaßen zu erproben, was zusätzliche Starts mit sich brachte. Das größte Problem bei dieser Art Erprobungen war aber, die nötige Rechenleistung für die schnelle Reaktion zu erreichen, was einen Computer erforderte, der zu 40000 Rechenoperationen pro Sekunde fähig war, also einem heutigen, preiswerten programmierbaren Taschenrechner entspräche. Der erste der Raketenabwehr- Abfangversuche gelang am 29.11.1960, als eine V-1000, noch ohne den noch in der Entwicklung befindlichen Sprengkopf, einen mit der Mittelstreckenrakete R-5M 8K51 8A62M (SS-3 Mod.2 Shyster) gestarteten Sprengkopf innerhalb des Wirkradius' passierte. Nach einigen Fehlversuchen, und einem manuellen und zwei automatischen Teilerfolgen ähnlich dem ersten Abfangversuch, gelang die erste Zerstörung eines ballistischen Wiedereintrittskörpers der moderneren R-12 8K63 (SS-4 Mod.1 Sandal) am 04.03.1961 mit dem konventionellen Sprengkopf der V-1000, eine Leistung, die im Westen erst 1984 erreicht wurde. Bei den späteren Testkampagnen K1 bis K5 und Roza flogen oft mehrere derartige Träger mit unterschiedlichen scharfen oder technischen 3. Auswertungsverfahren 37

Nutzlasten gleichzeitig, wobei die R-12 von den später in Kuba stationierten Batterien gestartet wurden. Zusätzlich wurden R-9A 8K75 (SS-8 Sasin) ICBMs mit wahlweise radionachführbarer autonomer Trägheitssteuerung bei der Gelegenheit koordiniert auf ihre nukleare Robustheit unter realistischen Einsatzbedingungen beim Durchfliegen von minutenalten Atomexplosionswolken über ihren eigenen Startanlagen getestet, wobei keine negativen Auswirkungen auf das Flug- und Regelverhalten auftraten. Nach Abschluß der Staatsprüfung wurde System A als Komplex Aldan im Jahre 1962 in Dienst gestellt, wie später auch seine bis heute eingesetzten Nachfolger System A-35 und A-135. Zu der strategischen Raketenabwehr kommen noch die modernen, ab den frühen 1980er Jahren stationierten ABM-fähigen Fernflugabwehrraketen der S-300-Reihe (SA-10/SA-N-6 Grumble, SA-12 Giant) und späterer Serien, die taktische, Mittelstrecken- und auch Interkontinentalraketen bekämpfen können. Ihre technisch annähernden, aber für viel kleinere Verteidigungsräume ausgelegten Gegenstücke im Westen hatten mindestens bis zum Kuwait-Krieg einseitige, aber vertragsgemäße Blockaden gegen die anti-ballistische Einsatzform in den Lenkprogrammen. [8][10][51]

Für die in den ausgewerteten Quellen geschilderten Flugversuche reicht eine Trennung nach dem Datum bereits aus, jedoch wurde das Tabellendokument mit diesen Informationen im Hinblick auf eine zukünftige Nutzung so ausgelegt, daß auch eine nahezu beliebige Präzisierung möglich ist.

Die Benennung aller folgenden Spalten zur Analyse entspricht der Angabe in dem erstellten Tabellendokument. Sie wurde jeweils so gewählt, um sie bei einer möglichst geringen Breite der Darstellung, die wegen der relativ kurzen Zahleneinträge möglich ist, schon an den ersten drei bis fünf Zeichen sicher erkennen zu können. Die Felder unbekannter oder unzutreffender Einträge bleiben immer leer, um sie von berechneten oder bekannten 0-Werten unterscheiden zu können.

Es wurden zur Identifikation für die Analyse die in die Gruppe Datum eingeteilten, folgenden Spalten zu den in den beiden Phasen der Auswertung erstellten hinzugefügt:

:

Jahr vierstellige Angabe, meist besetzt Monat als Zahlenwert 1 bis 12, in der Regel besetzt Tag als Zahlenwert 1 bis 31, soweit ermittelbar

Es wurde je nach zur Verfügung stehender Information in dieser Reihenfolge das Datum zugeordnet, - an dem das Fehlerereignis auftrat, - an dem der Start-, Flug- oder Bodenversuch stattfand, das - am Beginn des möglichen Zeitraumes bei Einzelversuchen lag, oder - am Ende des bekannten oder des möglichen Zeitraumes bei Einträgen für mehrere Versuche.

Tabelle 3.3 - Einträge im Tabellendokument zur Identifikation eines Versuches über das Datum 3. Auswertungsverfahren 38

Eine höhere zeitliche Auflösung zur Identifikation von einzelnen Versuchen in einer eintägigen Kampagne der beschriebenen Art ist prinzipiell möglich durch die Umrechnung von Tag und Uhrzeit in einen Dezimalbruch zum Eintrag der Spalte Tag, oder durch hinzufügen von Stunden-, Minuten- und Sekundenspalten. Da in der Analyse das Datum nicht weiter zur automatisierten Rechnung benutzt wurde, wurde auf diese Möglichkeit vorerst verzichtet, aber der nötige Platz reserviert. Auf zusätzliche unabhängige Identifikationsmöglichkeiten, wie z.B. über die jedem Objekt, das in eine Umlaufbahn gelangt, zugeordnete COSPAR-Nummer, die laufende Satellitennummer, oder die Einträge im NORAD- oder TRW Space Log wurde verzichtet, da die Information prinzipiell nicht immer und praktisch selten vorliegt, und auch dann die regelmäßige Einbindung einer zusätzlichen Quelle für jeden Eintrag erfordern würde. Es ist jedoch auch hierfür noch Platz im Tabellendokument vorhanden.

Mit der Identifikation durch das ermittelte Datum und den in den Quellen enthaltenen Angaben wurde die Anzahl der vom Fehlerereignis betroffenen beabsichtigten Flüge oder Versuche ermittelt. Für die Zählung der von einem Eintrag jeder Art, d.h. auch vom Erfolg betroffenen beabsichtigten Versuche wurden folgende in die Gruppe Flugstat(i)s(tik) eingeordneten Spalten zu den bisher vorhandenen hinzugefügt:

Flugstats: geflogen genaue Flugzahl, wenn unbekannt leer, wenn kein Versuch erfolgte = 0 grounded flugfähige Flugkörper, die ungenutzt blieben %anteil 0 < Anteil der betroffenen beabsichtigten Versuche und Flüge < 1 Summe alle mit dem betroffenen Typ (nicht System!) durchgeführten Versuche NN = 1, wenn keine genaue oder verläßliche andere Angabe vorliegt

Tabelle 3.4 - Einträge im Tabellendokument zur Anzahl der identifizierten Flüge

In die rechnerische Analyse im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden nur die Fehlerereignisse aufgenommen, die eine genau bekannte Anzahl von beabsichtigten und versuchten Flügen und Bodenerprobungen betreffen, also nur die von 0 und leer verschiedenen Einträge in der Spalte geflogen. Diese können aus Daten für die Spalten grounded, %anteil und Summe aus den Angaben in den in Kapitel 3.1.1 erläuterten Zählungsspalten ermittelt sein, wenn die gegebenen Daten verläßlich genug erscheinen. Da alle Informationen dann im Eintrag geflogen enthalten sind, bleiben die anderen Spalten zum Zwecke der eindeutigen impliziten Kennzeichnung leer. Ihr Inhalt geht dann aus der Spalte in der selben Zeile oder einem komplementären und benachbarten Zeileneintrag hervor. Dieses Verfahren wird auch im folgenden angewandt, da hierdurch die automatische Auswertung leichter programmierbar wird, und sich die Nachvollziehbarkeit im Falle eines Fehlers verbessert. 3. Auswertungsverfahren 39

Die mehrfache und verschieden ausführliche Nennung besonders prominenter Versagensfälle führte aus der einfachen Ansicht und Betrachtung der verschiedenen Berichte und Tabellen- oder Zeittafeleinträge in den Quellen zu einer sinnvollen, robusten und aussagekräftigen Klassifikationsmethode.

Dieserart typische, teilweise sehr ausführliche Mehrfachnennungen sind das Nedelin-Desaster vom 24.10.1960 [1-506][7-28][8][9-15][12-119,168][14-197ff.][16-103][39-169][55][56][57], das tödliche Feuer beim Bodentest von Apollo 1 (Apollo 204) am 27.01.1967 [7-94][9-98][12-333][14- 231][44], der Absturz von am 23.04.1967 und der Kampf des Kosmonauten Komarov an Bord um sein Überleben [7-172f.][9-372,376,378ff.][12-242,289f.,333][14-233], die Havarie von Apollo 13 am 13.04.1970 [7-99,112][9-280,444][12-337][14-251][32-63,232][44] oder das STS Challenger-Unglück vom 26.01.1986 [7-237,248,253][9-149,169][10][14-322][54][58].

Das Vorgehen sei durch eine Reihe von zu diesem Zweck erstellten oder vereinfachten, aber an Hand der dem Verfasser bekanntgewordenen Quellen realistisch entworfenen Beschreibungen des Falles Soyuz 1 aufgezeigt. Die folgenden Zeilen entsprechen sinngemäß typischen extrahierten Informationen, die je nach Eignung und Auswertungsphase in das Tabellendokument in die Spalten zur ,- oder - , oder als Zitat oder in Stichpunkten in der Spalte eingetragen wurden:

Soyuz 1...

...verunglückte.

...verunglückte. Die elektrische Versorgung brach zusammen.

...verunglückte. Die elektrische Versorgung brach zusammen, weil sich ein Solarpaneel nicht entfaltete.

...verunglückte. Die elektrische Versorgung brach zusammen, weil sich ein Solarpaneel nicht entfaltete, das in einer Isolierverkleidung verhakt blieb.

...verunglückte. Die elektrische Versorgung brach zusammen, weil sich ein Solarpaneel nicht entfaltete, das in einer Isolierverkleidung verhakt blieb und mit der Nutzlastverkleidung in Berührung kam.

...verunglückte. Die elektrische Versorgung brach zusammen, weil sich ein Solarpaneel nicht entfaltete, das in einer Isolierverkleidung verhakt blieb und mit der Nutzlastverkleidung in Berührung kam. Infolgedessen wurde die Energiesituation an Bord kritisch. 3. Auswertungsverfahren 40

Soyuz 1...

...verunglückte. Die elektrische Versorgung brach zusammen, weil sich ein Solarpaneel nicht entfaltete, das in einer Isolierverkleidung verhakt blieb und mit der Nutzlastverkleidung in Berührung kam. Infolgedessen wurde die Energiesituation an Bord kritisch, aber nicht gefährlich. Verschiedene weitere Systeme versagten, bevor das Raumschiff bei der Landung zerstört wurde.

...verunglückte. Die elektrische Versorgung brach zusammen, weil sich ein Solarpaneel nicht entfaltete, das in einer Isolierverkleidung verhakt blieb und mit der Nutzlastverkleidung in Berührung kam. Infolgedessen wurde die Energiesituation an Bord kritisch, aber nicht gefährlich. Verschiedene weitere Systeme versagten, bevor das Raumschiff bei der Landung zerstört wurde, indem es zu einem Versagen des Hauptbremsfallschirmes kam, in dessen Pilotschirm sich der Reserveschirm verfing. Die Kapsel schlug kaum gebremst auf, und Komarov starb beim Aufprall.

...verunglückte. Die elektrische Versorgung brach zusammen, weil sich ein Solarpaneel nicht entfaltete, das in einer Isolierverkleidung verhakt blieb und mit der Nutzlastverkleidung in Berührung kam. Infolgedessen wurde die Energiesituation an Bord kritisch, aber nicht gefährlich. Verschiedene weitere Systeme versagten, bevor das Raumschiff bei der Landung zerstört wurde, indem es zu einem Versagen des Hauptbremsfallschirmes kam, in dessen Pilotschirm sich der Reserveschirm verfing. (...Aufzählung der mindestens 54 dokumentierten, vom Kosmonauten umgangenen oder behobenen separaten Fehlerereignisse; Erwähnung, daß 203 vor dem Start erkannte kritische Beanstandungen und Mängel am Raumschiff, die vorschriftsgemäß vor einem Flug zu beheben waren, nicht behoben wurden, der oberste Chefkonstrukteur Mishin die Unterschrift zum Start verweigerte, aber von Moskau übergangen wurde, und Komarovs Double Gagarin anbot, ihn zu ersetzen, damit Moskau den Flugbefehl doch noch zurücknimmt...) Die Kapsel schlug kaum gebremst auf, zerbrach, brannte aus, und Komarov starb beim Aufprall.

Es handelt sich hier um eine typische Fehlerkaskade, aber nicht um einen einzigen Kettenfehler, da das Versagen der Schirme nicht auf die anfangs zusammengebrochene elektrische Versorgung zurückging, sondern auf mehrere Fertigungs- und Konstruktionsfehler, die bei der nach zuvor aufgestellten Kriterien ausreichend erfolgreichen Erprobung des Landesystems nicht erkannt wurden. Auch ist ungeklärt, ob das Verhaken des Solarpaneels in einer Isolierverkleidung erst von der Berührung mit der Nutzlastverkleidung ausgelöst wurde, die Isolierung ebenfalls von letzterer gelöst wurde, oder nur das Paneel selbst mechanisch in seiner Bewegungsfähigkeit beeinträchtigt, also in irgendeiner Weise verbogen, verspannt, gebrochen, oder vorzeitig gelöst wurde. Einige der kürzeren Einträge suggerieren zwar einen Zusammenhang von elektrischen Problemen mit dem Landeunfall, aber die allein in der Beobachtung - also frei von Interpretation und Erklärung [5] - in ihnen enthaltenen Informationen sind in jeder dieser exemplarischen Schilderungen zutreffend. Es ist anzunehmen, daß auch die letzte Schilderung, die in ihrer Gesamtheit etwa zehn Druckseiten einer typischen Quelle umfassen würde, noch nicht vollständig ist. Die damalige Telemetrie der 7K Soyuz konnte nicht in dem Umfang Bordmeßwerte übermitteln wie die entsprechenden Apollo-Systeme, wie schon eingeweihte Zeitgenossen festhielten (Kamanin, Auszüge der Tagebücher in [8]), und Komarov selbst war mit lebenswichtiger Arbeit zu sehr ausgelastet, als daß er den Boden noch mit Meldungen hätte 3. Auswertungsverfahren 41 unterhalten können. Zusätzlich waren noch Funksysteme ausgefallen, und es sind auch bei der im Ergebnis auf höheren Befehl hin ignorierten, katastrophal ausgefallenen Vorfluginspektion neben den eigentlich flugverhindernden 203 Mängeln sehr wahrscheinlich noch weitere leichtere Mängel aufgefallen, oder auch übersehen worden, die nicht in den erreichbaren Quellen dokumentiert sind.

In den obigen, quellenähnlich erstellten Abschnitten ist aber zu erkennen, daß

- ein Teil des Systems der elektrischen Versorgung durch einen Fehler in seiner mechanischen Bewegung ausfiel (das linke Solarpaneel), - es in dieser Bewegung von einem verschobenen statischen Bestandteil der Struktur behindert wurde (Isolierverkleidung), - ein missionsbedingt abgetrenntes Bauteil der Trägerrakete mit einem von beiden unbeabsichtigt in seiner eigenen Bewegung kollidierte (die Nutzlastverkleidung), - ein Teil des Landesystems nicht vollständig aktiviert oder in seine vorgesehene mechanische Bewegung gebracht wurde (primärer Landefallschirm bleibt stecken, nur Pilotschirm tritt aus), - ein Teil des Landesystems das Rettungssystem in seiner Bewegungsfreiheit behinderte (zweiter Landefallschirm verfängt sich im Pilotschirm des ersten), - die Struktur der Kapsel und der Körper des Kosmonauten mechanisch zerstört wurden (durch den Aufprall), und - ein Feuer ausbrach.

Aus Kollateralinformationen im selben oder in anderen Werken könnte für den letzten Punkt erkennbar sein, daß als wesentliches feuergefährliches Material die am Boden der Kapsel angebrachten Bremsraketen nach dem Abwurf des Hitzeschildes, das vor der Fallschirmauslösung erfolgt, einen Aufschlagbrand erlitten, also ein pyrotechnisches Versagen dieser Lande- und Sicherheitseinrichtung auftrat.

Alle diese Angaben sind unabhängig von suggerierten oder tatsächlichen Verknüpfungen der einzelnen Versagensereignisse, die jedes für sich unzweifelhaft aufgetreten sind.

Der Verfasser ist sich sicher, daß die im folgenden vorgestellten Klassifizierungskriterien nach dem Experiment, das heißt, dem Bekanntwerden weiterer Daten der nachträglichen Modifikation bedürfen werden. Eine derartige Redefiniton wurde ja gewissermaßen bereits zwischen den beiden Phasen der Auswertung durchgeführt. Dies ist aber unvermeidlich, solange nicht, wie bereits erläutert, auch in der Raumfahrt ein Übergang zu einem technischen Zustand ähnlich dem der heutigen Verkehrsluftfahrt erfolgt, wo keine revolutionäre Entwicklung in das der Praxis gänzlich Unbekannte mehr erfolgt. Erst dieser Zustand erlaubt, über lange Zeit stabile rechtliche Regelungen zu etablieren, aus denen sich allgemein akzeptable Kriterien für Zuverlässigkeit gänzlich unabhängig vom Rückschluß auf die Realität und Diversität der experimentellen Basis entwickeln ließen.

Für die Klassifizierung der von einem Eintrag jeder Art umfaßten Versagensereignisse wurden nach den in der Auswertung mehrfach betroffenen funktionellen und fachlichen Bereichen folgende, in die Gruppen System und Fachbereich eingeordnete Spalten zu den bisher vorhandenen hinzugefügt: 3. Auswertungsverfahren 42

System:

Struktur im wesentlichen mechanische Lasten aufnehmende Bauteile Energie Versorgung mit und Vorrat von Treibstoff, Elektrizität, Druckgas, Wärme Steuerung Einrichtungen zur Stellung und Regelung des Fluges und von Abläufen Antrieb schuberzeugende Baugruppen und ihre darin eingebundenen Teile Nutzlast beförderte, abtrennbare, passive oder rückwirkungsfreie Teile Kommunikation alle missionsbedingten Nachrichtenwege mit Wirkung auf den Flugkörper Klimatisierung Einrichtung zur Herstellung definierter innerer Umgebungsbedingungen Infrastruktur, bord Energie-, Informations- und Betriebsstoffwege und -verteilungsgeräte Rückführungssystem Einrichtungen zur planmäßigen intakten Rückführung von Nutzlasten Rettungssystem Einrichtungen zur unplanbaren Rückführung von Nutzlasten Bodeneinrichtungen ohne Teilhabe am Flugvorgang zurückgelassene Systemteile NN unbekannt, oder einzigartige oder sehr seltene Baugruppen

Fachbereich:

Statik Festigkeitsmangel, kann Bewegung zur Folge haben oder in ihr auftreten Dynamik Abweichung von vorgesehenen Bewegungen im System, auch Abtrennung Elektrik Abweichung vom vorgesehenen Fluß elektrischer Ströme im System Hydraulik Abweichung vom vorgesehenen Fluß flüssiger Stoffe im System Pneumatik Abweichung vom vorgesehenen Fluß gasförmiger Stoffe im System Aerodynamik äußere Einwirkung von Kontinuumsströmungen atmosphärischer Gase Flugdynamik Abweichung vom vorgesehenen Flugweg des Systems Regelungstechnik Abweichung eines Regelkreises vom vorgesehenen Verhalten Gasdynamik Einwirkung heißer, schneller oder verdünnter Gas- und Molekularströmung Thermodynamik thermische oder thermochemische Abweichung vom Vorgesehenen Programmierung Einfluß jedweder vorgesehener Informationsübertragung in Systemteile Pyrotechnik Abweichung vom vorgesehenen Zünden oder Brennen von Feststoffen Turbomaschinen Abweichung vom Vorgesehenen bei rotierenden Strömungsmaschinen Optik Abweichung vom Vorgesehenen in nichtdiffusen Lichtwegen NN unbekannt, oder einzigartige oder sehr seltene Abweichungsarten

Tabelle 3.5 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung der Art von Versagensereignissen

In den Spalten NN werden die in der jeweiligen Gruppe nicht definierten Einzelfälle und Fälle ohne ausreichende oder eindeutige Angaben eingeordnet. Ist in der zuvor eingetragenen Zeile ein Versagensfall beschrieben, wird für jede Gruppe genau ein Eintrag 1 für jedes mit dem Versagensfall verbundene Versagensereignis vorgenommen, alle anderen Felder bleiben leer. Betrifft die Zeile einen Erfolg oder liegen keine Informationen vor, wird kein Eintrag in diese Gruppen gemacht, alle Felder bleiben leer. Es wird also 1 aus 12 bzw. 1 aus 15 oder keins aus 27 besetzt. Beide Gruppen ermöglichen die Zuordnung zu einer von 180 Versagensarten, von denen 154 voll definiert sind, 25 teildefiniert sind, und eine undefiniert ist. Einige der möglichen 3. Auswertungsverfahren 43

Kombinationen bleiben unbesetzt, da sie unsinnig sind, z.B. Struktur - Turbomaschinen. Nach der Analyse aller aufgenommenen Versagensfälle zeigte sich, daß nur 28 Kombinationen mangels erfolgter Einträge unbesetzt blieben, also 152 Kombinationen mindestens einmal zugeordnet wurden. Bezieht man nur die voll definierten ein, sind es 22 unbesetzte und 132 zugeordnete Kombinationen. Die Zuordnung des Eintrags in der Gruppe System war dabei bei bekanntem Eintrag in Fachbereich nur in elf Einzelfällen nicht möglich.

So wie jeder Flug, wie auch Soyuz 1, mehrere unabhängige Versagensfälle umfassen kann, kann jeder Versagensfall aus mehreren einzelnen Versagensereignissen bestehen, die jedes einzeln in eine gegebenenfalls jetzt zusätzlich unter dem Eintrag aus der Literaturstelle einzufügende Zeile zur Analyse nach den Gruppen System und Fachbereich klassifiziert eingetragen werden. Beispielsweise besteht der Versagensfall des linken Solarpaneels von Soyuz 1 aus zwei Versagensereignissen, je einmal im System Struktur und Energie, und in beiden Fällen im Fachbereich Dynamik, also den Kombinationen Struktur - Dynamik und Energie - Dynamik, da die Trägerstruktur beschädigt wurde, so daß keine vorgesehene Bewegung zur Öffnung stattfand, und das Fehlen dieser vorgesehenen Bewegung einen Ausfall in der Energiequelle zur Folge hatte. Es wird also eine zusätzliche Zeile unter dem Eintrag der betreffenden Quelle zu Soyuz 1 eingefügt. Insgesamt gibt es im Tabellendokument 70 Einträge zu einzelnen Versagensereignissen bei diesem Flug aus den ausgewerteten Quellen. Einer davon betrifft als Sammeleintrag die 203 nicht detaillierter dokumentierten Mängel, die bei der Vorflugkontrolle gefunden, aber nicht behoben wurden, 33 sind eingefügte Zeilen für mehrere in einer Quellenstelle angeführte Versagensfälle und solche, die aus mehreren Versagenereignissen bestehen, und von allen sind sechzehn doppelte Nennungen einzelner Versagensereignisse.

Diese Trennung nach einzelnen Versagensereignissen ermöglicht, zu einem Versagensfall in verschiedenen Quellen in unterschiedlichem Umfang angegebene Versagensereignisse zusammenzuführen, dabei gleichzeitig nur das Minimum an wirklich doppelten Informationen abzutrennen, und darunter die jeweils qualitativ besten zu erhalten. Ein Versagensfall oder ein Versagensereignis kann dadurch auch mehrere Startversuche betreffen, und, wenn es identisch aufgetreten ist, der Quelle folgend über die geflogene Startzahl in einem Sammeleintrag zusammengefaßt werden. Um den Zusammenhang der Versagensereignisse in einem Versagensfall zu dokumentieren und den zeitlichen Ablauf der Versagensereignisse zu verdeutlichen, wurde eine weiter Gruppe Hergang in diesen Abschnitt eingefügt, die jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht in die automatisierte Analyse mit einbezogen wurde. Folgende Spalten wurden für die Gruppe Hergang zu den bisher vorhandenen hinzugefügt:

Hergang: interdisziplinär gleichzeitige, verschiedene und zusammenwirkende Versagensereignisse Kettenfehler Versagensereignis infolge eines vorangehenden, zeitlich in Folge 1zel einzelner Versagensfall aus einem Versagensereignis

Tabelle 3.6 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung des Versagenshergangs 3. Auswertungsverfahren 44

Es erfolgt bei ausreichender Information der Eintrag 1 in einem Feld, wobei es angestrebt wird, möglichst nur einen Eintrag pro Zeile in der Gruppe Hergang zu machen. Mehrfacheinträge sind möglich. Der Anfang eines als Kettenfehler markierten Versagensereignisses oder -falles können als interdisziplinär klassifizierte Versagensfälle oder -ereignisse sein, oder auch vorangehende Kettenfehler. Liegen keine ausreichenden Informationen vor, erfolgt kein Eintrag; es gibt keinen Ausschluß-Eintrag 0.

Zur Gruppe Fachbereich sei noch bemerkt, daß bisher keine im Sinne dieser Einteilung kerntechnischen Versagensfälle in der Raumfahrt vorkamen. Isotopengeneratoren, die die beim natürlichen Zerfall der künstlichen Isotope Plutonium-238 mit 87.75 Jahren Halbwertszeit oder Curium-242 mit 163.2 Tagen Halbwertszeit freiwerdende Wärmeenergie über Halbleiter- Thermoelemente in elektrische Energie konvertieren, benutzen keine im eigentlichen Sinne kerntechnischen Kettenreaktionen, obwohl die verwendeten Isotope selbst außerhalb des hier betrachteten Systembegriffes erst kerntechnisch erzeugt werden müssen, oder als eigentlich kerntechnisch nicht verwendbarer Abfall in der Wiederaufbereitung abzutrennen sind. Bei den Unfällen der mit einem echten kerntechnischen Reaktor YaEU BES-5 Buk mit 30 kg 90%ig hochangereichertem Uran-235 elektrisch versorgten Radaraufklärungssatelliten US-A 17F16 (auch RLS, im Westen RORSAT) traten jedoch keine kerntechnisch begründeten Versagensfälle ein, obwohl es mehrere Unfälle gab. Ein unbenannter, manchmal als Kosmos (556) bezeicheter US-A fiel durch Startversagen am 25.04.1973 über dem Pazifik zurück zur Erde. Am 24.01.1978 kam es über Nord-Kanada zum unkontrollierten Wiedereintritt des am 18.09.1977 gestartete US-AM Kosmos 954, wobei der Reaktor nicht wie vorgesehen abgetrennt und in eine höhere Lagerbahn befördert wurde. Ähnlich erging es dem am 30.08.1982 gestarteten US-AM Kosmos 1402 mit einem wiederum nicht wie vorgesehen abgetrennten, aber nun selbstzerlegend ausgelegten Reaktorkern am 23.01.1983 über dem Südatlantik. Sowohl die frühesten Isotopengeneratoren der SNAP-Serie als die Buk-Reaktoren ab Kosmos 1176 vom 29.04.1980 waren so konstruiert, daß sie sich beim Wiedereintritt zerlegten und das radioaktive Material fein verteilten. Bei dem Verlust von SNAP-9A mit Transit 5BN-3 vom 21.04.1964 und den Unfällen mit den Buk-Reaktoren der US-A(M) kam es zur Freisetzung von radioaktivem Material in die Atmosphäre, und dann aus ihr als Niederschlag zur Erdoberfläche, und im Fall Kosmos 954 auch direkt und konzentriert am Boden. Spätere SNAP Isotopengeneratoren wurden so konstruiert, daß sie den Wiedereintritt ohne Freisetzung des radioaktiven Inventars überstehen konnten. Dies wurde praktisch erprobt und funktionierte auch in mehreren Fällen, z.B. bei dem SNAP-27 zur Versorgung der an der Landestelle aufzustellenden Langzeitexperimente ALSEP von Apollo 13, der mit dem abgetrennten LM Aquarius am 17.04.1970 unbeschädigt wiedereintrat und im Samoa-Tiefseegraben versank. Zumindest bis 2001 bzw. zum 03.01.2005 ist bei regelmäßigen Messungen kein Austritt von Radioaktivität festgestellt bzw. berichtet worden. Zwei weitere RTG vom Typ SNAP-19B2 wurden nach einem Startversagen einer Thorad-SLV2G Agena-D am 18.05.1968 aus den Trümmern des Satelliten Nimbus B vor Cape Canaveral geborgen, überprüft und wiederverwendet auf dem mit demselben Trägertyp gestarteten Nimbus 3 vom 14.04.1969. Der Verbleib der mit Mars M1 ( oder Mars 8) am 3. Auswertungsverfahren 45

16.11.1996 auf einer Proton-K Block D-2 gestarteten möglicherweise vier RTG oder RHUs ist unbekannt. Es wurden 28 Flugkörper mit mindestens 50 RTG gestartet, davon drei von der Sowjetunion bzw. Rußland, und 35 Flugkörper mit Reaktoren, davon einer von den USA, Snapshot mit SNAP-10A am 03.04.1965 auf einer Atlas-SLV3 Agena-D. Hinzu kommen die drei NASA- Marsrover Pathfinder bzw. Sojourner, Spirit und Opportuinity mit Isotopenwärmequellen (RHU). Nukleare Antriebe wurden auf beiden Seiten nur am Boden entwickelt erprobt, in den Programmen Nerva und Timberwind bzw. YaERD-2000, RD-600 und RD-0410. [8][9-301][17][21][40-315] [44][59][60][61][62][63] Aus den angeführten Gründen gibt es im jetzigen Stand des Tabellendokumentes keine Spalte zum Fachbereich Kerntechnik, es ist jedoch Platz für ihre Einfügung und die von zwei Spalten für je einen Eintrag für mitgeführtes radioaktives Material und dessen Verwicklung in ein Versagensereignis vorhanden. Da die geringe Anzahl der betreffenden Fälle eine nicht- automatisierte Analyse leicht ermöglicht, und zu den meisten der Flugkörper, die dies betreffen würde, in der ausgewählten Literatur wenig Material zu finden war, wurde dies für den Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht gesondert untersucht und die erfaßten Fälle unter den vorhandenen Kategorien in den allgemeinen Teil aufgenommen.

Bevor die Zuordnung der Verantwortung für die bisher technisch klassifizierten Versagensereignisse erfolgen kann, muß auf die Notwendigkeit der sorgfältigen Bewertung der Berichtsumstände, des Zeitgeschehens und des vorangehenden Entwicklungsweges eines Systems hingewiesen werden. Es treten einige besondere Schwierigkeiten auf, wenn zeitgenössische Dokumente einer Unfalluntersuchungskommission, später befragte Zeitzeugen, oder die Autoren einer Quelle den selben Hergang auf bestimmte Kriterien hin unterschiedlich beurteilen oder werten. Dies zeigen die bereits extrahierten, den Einträgen im Tabellendokument entnommenen, quellenformulierungstreu zusammengefaßten Stichpunkte aus zwei Quellen zum Shuttle-Start von STS-44 Atlantis im November 1991:

- nicht geheime Mission des Verteidigungsministeriums. IMU 2 [Trägheitsplattform] versagte, Versuche, sie zurückzusetzen, scheiterten ebenfalls. Missionsregeln fordern deshalb eine vorher spezifizierte Minimaldauer-Mission, landet 3 d früher als geplant. Zweite Shuttle-Mission, die früher heimkehrte, 10 Jahre nach STS-2. Viele der Flugziele waren bereits erreicht worden, die Auswirkungen auf die vor dem Flug aufgestellten Ziele waren minimal. (nach [9-244], quellenformulierungstreue Stichpunkte aus dem Englischen übersetzt)

- muß nach Ausfall Reservesystem für Navigationscomputer vorzeitig beendet werden. bis auf Aussetzen eines Spionagesatelliten und visuelle Erkennbarkeitsexperimente auf die Erde konnte die Crew ihr Programm nicht absolvieren - ersteres Wegwerfrakete billiger, zweites hatten sowjetische Kosmonauten schon erledigt (nach [7-258], leicht zusammengefaßt) 3. Auswertungsverfahren 46

Der Versagensfall wird in beiden Fällen für eine Auswertung in etwa gleich präzise angegeben, was seine technische Art und Lokalisation betrifft. Die Auswirkungen auf das beabsichtige Flugvorhaben werden jedoch drastisch unterschiedlich geschildert. Zieht man die in der ersten Quelle zusätzlich vorhandenen Informationen über die frühere Mission STS-2 und den am Anfang explizit gegeben Umstand der eigentlich vom Fehler betroffenen Mission ab, so sind beide praktisch gleich umfangreich. Im ersten Fall sind jedoch die Auswirkungen auf die Flugabsicht detaillierter geschildert. Ist man, wie hier, in der glücklichen Lage, zwei unabhängige Quellen zu haben, so können beide ihrem Inhalt entsprechend klassifiziert werden, also im zweiten Fall dasselbe Fehlerereignis als wesentlich schwerer gewertet werden als im ersten. Für die Analyse kann die zweite Literaturstelle, ohne daß der Unterschied der wertendenden Aussagen dafür überhaupt ins Gewicht fallen muß, als doppelter Eintrag markiert werden, wenn folgende Regel festgelegt wird:

Liegen mehrere Einträge zu derselben extrahierten Informationseinheit über ein bestimmtes Fehlerereignis vor, so wird die detaillierteste Aussage zur Analyse herangezogen.

Es kann auch auf andere Weise zu Mehrdeutigkeiten kommen, z.B. durch die heutigen Nachwirkungen der Geheimhaltung bei der hohen Anzahl fehlgeschlagener sowjetischer Mond- und Planetenmissionen und Tests der vollständig geheimgehaltenen sowjetischen bemannten Mondprogramme, wo wahrscheinlich noch immer nicht alle wesentlichen Informationen an die Öffentlichkeit gelangt sind. Der vorhandenen Information folgend wird aber von alleine schon die minimale Anzahl zu Gunsten einer niedrigen Ausfallrate angenommen, da ja nur bekanntgewordene Versagensfälle in die Auswertung miteinbezogen werden können. Für die auf Versagensereignisse beschränkte allgemeine Betrachtung spielt auch die Zuordnung zu bestimmten Programmen nur eine untergeordnete Rolle. Dies betrifft z.B. die Flugkörper Kosmos 379 und 382 vom 24.11. bzw. 02.12.1970, die als T2K 11F94 bzw. 7K-L1E Prototypen des bemannten Mondlanders LK bzw. der Zond-Serie zur bemannten Mondumfliegung zwei Teile des bemannten Mondprogramms waren. [12-297,337] Sie wurden mit verschiedenen Trägern gestartet wurden, der speziell modifizierten R-7-Variante Soyuz 11A511L bzw. der Zond-üblichen Kombination Proton 8K82K / Block D 11S824. Die anderen mit der nur dreimal zu ausschließlich diesem Zweck eingesetzten 11A511L gestarteten T2K waren Kosmos 398 und 434. Als letzterer kurz nach dem unkontrollierten Absturz von Skylab am 22.08.1981 kurz vor dem Wiedereintritt war, beruhigte die Sowjetuion die auch diesmal betroffenen Australier damit, daß es sich nur um eine experimentelle Mondkabine handele - nach einem Jahrzehnt das erste versehentliche Eingeständnis, daß überhaupt jemals ein bemanntes Mondprogramm existierte. [8] Früher waren Kosmos 379 und 382 auch mit Erprobungsflügen für das unbemannte Marsprogramm in Verbindung gebracht worden. [39-184] Tatsächlich testete 7K-L1E Kosmos 382 hauptsächlich die Steuerung der nicht-autonomen Stufe Block D 11S824 und filmte das Verhalten ihrer Treibstoffe in Schwerelosigkeit. Dieselbe Trägerkombination wurde unter anderem auch in den Marskampagnen 1969, 1971 und 1973 verwendet. 1969 scheiterte von zwei Startversuchen einer am Versagen der Proton selbst, der andere am Verlust der Nutzlastverkleidung auf der Block D, und 1971 einer von drei an einem 3. Auswertungsverfahren 47

Fehler bei der Einstellung des Startzeitgebers der Block D auf 1.5 Jahre statt 1.5 Stunden. [8] Es besteht also in einem der beiden Starts von 1970 tatsächlich ein Zusammenhang durch die Verwendung einer nicht-autonomen Antriebsstufe des selben Typs mit einer unterschiedlichen, sie steuernden Hauptnutzlast, obwohl in diesem Jahr garkein Startfenster zum Mars offen war. Diese überschneidende Verwendung wesentlicher Baugruppen und die Weiterverwendung von bewährten Teilen aus abgebrochenen oder geheimen Programmen war immer ein Kennzeichen der sowjetischen Raumfahrt. Die aus den verschiedenen Quellen folgenden unterschiedlichen Flugabsichten könnten eine verschieden schwerwiegende Einstufung des selben Fehlers ergeben, da die Flugbahn einer Marssonde sich in höherem Maße auf die präzise Funktion einer Antriebsstufe verlassen muß als eine Mission zu ihrem Test in der Schwerelosigkeit, die auf jeder erreichten stabilen Bahn eintritt.

Ein manipulativer Einfluß kann auch von stark verkürzten Einträgen ausgehen, die ausschließlich das Versagen oder den Erfolg eines Flugkörpers angeben. Die sowjetischen Lander/Orbiter-Sonden M-71 Mars 2 und 3 werden, abgesehen von einigen gelegentlich erwähnten kurzen und unverständlichen Signalen, meist recht kurz und einfach als gescheitert bewertet. Sie erreichten aber intakt den Mars. Ihr Start war also im Gegensatz zu dem ersten Versuch M-71 Kosmos 419 ebenso erfolgreich wie der interplanetare Flug von mehreren Monaten und der Einschuß der Orbiter-Busse in eine hochelliptische Marsumlaufbahn, von der bis zum 22.08.1972 Daten geliefert wurden. Die bereits im Anflug abgetrennte Landekapsel von Mars 2 schlug am 27.11.1971 im Südwesten von Hellas auf, ohne daß unter 7 km Höhe Daten empfangen wurden. Sie hat also am Boden nur sich selbst und das Sowjetwappen abgeliefert - als erstes menschliches Objekt, das die Marsoberfläche erreichte. Dies geschah kaum ein Jahr nach der ersten Landung einer intakten Sonde auf einem Planeten, die mit 3V (V-70) 7 am 15.12.1970 auf der Venus erfolgte. Diese sendete nach 35 Minuten Abstieg noch 23 Minuten von der Oberfläche. Die Kapsel von Mars 3 landete am 02.12.1971 in Terra Sirenum, ebenfalls mit kegelförmigem Hitzeschild, Fallschirmen, Bremsraketen und in einem Airbag geschützt, ganz ähnlich wie die Mondsonden E-6 Luna 4 bis 9 und E-6M Luna 13 von 1963 bis 1966 oder die heutigen NASA-Marslander, und begann mit der Übertragung eines Panoramabildes, das wie bei den erfolgreichen Luna 9 und 13, den Venus- Landern ab 4V-1 Venera 9 am 22.10.1975, oder den Viking-Landern von 1976 von einem als Cyclorama-Kamera arbeitenden mechanischen Zeilenabtaster aufgebaut wurde. Die Sendung oder die Arbeit der Instrumente brach jedoch nach 15 bis 20 Sekunden und nur 79 übermittelten Bildzeilen aus ungeklärten Gründen ab. Möglicherweise traf Mars 2 und 3 der planetenweite Staubsturm von 1971, den der am 14.11.1971 eingetroffene NASA-Orbiter Mariner 9 ebenfalls erst abwarten mußte, bevor er Bilder der Oberfläche aufnehmen konnte. Auf den übermittelten 79 Bildzeilen von Mars 3 ist über dem hellen Rand oder Bildbeginnsignal der Sonde ein einigermaßen deutlicher gewellter Horizont einer schemenhaften Ebene unter einem dunklen Himmel sichtbar. Es handelt sich also um das erste Bild von der Marsoberfläche und das erste Bild von einer anderen planetaren Oberfläche als der des Mondes, knapp vier Jahre vor der Landung von 4V-1 Venera 9 am 22.10.1975 und ihrem einen erfolgreichen von zwei 180°-Panoramen. [8][14-297f.][32- 168,TV][39-184f.][41-17][55][64-Tafel 96][65][66-28f.] 3. Auswertungsverfahren 48

Ohne umsichtige Recherche wäre eine eklatante Fehlwertung erfolgt, wenn man der kurzen Informationen der meisten Quellen folgen würde. Mars 3 erreichte das beabsichtigte Ziel der ersten Landung auf dem Mars und der ersten Bildübertragung von seiner Oberfläche, obwohl die Festprogrammierung der Flugsteuerung es unmöglich machte, wie Mariner 9 den Sturm abzuwarten, was sehr wahrscheinlich der Grund für das frühe Ende von Mars 2 und 3 war, und ein Versagensfall ist. Trotzdem wurde das politisch begründete Ziel erreicht, Mariner 9 und die noch in Planung befindlichen Viking-Orbiter/Lander auf sowjetische Weise mit einem einzigen Weltraumspektakel unter weitestmöglicher Verwendung der existierenden Luna-Landeverfahren zu »überholen ohne einzuholen«. Das für eine nach diesem Ansatz ebenfalls schnellstens durchzuführende Luna-Landung entwickelte Verfahren mit airbags wird heute noch verwendet.

In einem einfacheren, und hier ebenfalls wegen des Eintreten eines Versagensfalles zu wertenden Beispiel hat der erste Versuch eines Vanguard-Satellitenstarts der üblichen kurzen Darstellung nach ebenfalls versagt. Tatsächlich versagte am 06.12.1957 die Trägerrakete TV-3 des Satelliten Vanguard 1B und explodierte spektakulär und live im landesweiten Fernsehen beim Start. Sie sackte nach einem durch mangelnden Tankdruck verursachten Heißgaseintritt aus der Brennkammer ins Treibstoffleitungssystem, wobei auch Teile der Treibstoffeinspritzung beschädigt wurden, durch Schubverlust in die Startplattform zurück. Der Satellit selbst fiel aber aus der abbrechenden Nutzlastverkleidung heraus und von der dritten Stufe ab ins Gebüsch und sendete - funktionierte also einwandfrei. Die Reaktion eines Beobachters auf die Signale des intakten Satelliten, »Why doesn't someone go out there, find it and kill it« - Warum geht nicht wer da raus, findet es und macht es tot - spricht für sich. Dies demonstriert die bei der Auswertung solch exponierter Fälle gelegentlich zu erwartende Berichterstattung, aber enthüllt gleichzeitig als reine Beobachtung vor Interpretation und Erklärung, und in diesem Fall vor dem emotionalen Ausbruch, auch das Funktionieren der Nutzlast. [5][14-127ff.][27-45] Abgeschwächt ist der selbe Ablauf z.B. für die versuchten Mondsonden Pioneer 1 und 3 gültig. Beide fielen ebenfalls zurück zur Erde und verglühten beim Wiedereintritt in die Atmosphäre über dem Pazifik bzw. Zentralafrika, nachdem sie etwa ein Drittel des Weges zum Mond zurückgelegt hatten und bis zur Zerstörung wertvolle Meßdaten sendeten. [14-152f.][67]

Eine durch Startversagen zerstörte Sonde ist also lediglich unerprobt, weder erfolgreich noch versagend, aber mit dem Potential für beides. Der Extremfall ist Mariner 3, die auf die richtige Bahn zum Mars gelangte, der Telemetrie nach vollständig inbetriebnahmebereit war, aber unter der Nutzlastverkleidung eingeklemmt ohne Solarstrom blieb und mit der Erschöpfung der Batterien verstummte, also Kollateralschaden eines Trägerversagens gegen Ende des Startvorganges wurde. [8][39-170] Wird ein Flugkörper vor seiner Aktivierung z.B. durch eine nicht aus ihm selbst hervorgehende Explosion oder durch einen frühen Kontrollverlust des Trägersystems zerstört, so kann keine Aussage über seine Fehler oder seine Zuverlässigkeit getroffen werden. Versagt aber sein Träger nur soweit, daß die Nutzlast noch unbeschädigt aktivierbar bleibt, aber die mit dem Flug beabsichtigte Aufgabe nicht mehr erfüllen kann, wie in den Fällen Vanguard 1B, Pioneer 1 und 3 oder Mariner 3, so ist sie im Rahmen dieser Arbeit nicht von einer erfolgreichen Mission zu unterscheiden. Pioneer 1 und 3 lieferten, obwohl sie mit Apogäen knapp über 100000km nie in die Nähe des Mondes gelangten, sehr wertvolle Informationen über den erdnahen Weltraum, einschließlich der Entdeckung der äußeren Strahlungsgürtel. Bei Mars M1 (Mars 96 oder Mars 8) 3. Auswertungsverfahren 49 wurde noch versucht, die in einer schließlich auch dafür mit einem Perigäum von 110km zu niedrigen und rasch abgebremsten Parkbahn gestrandete Sonde zur Erdbeobachtung zu nutzen. Bei den Vorbeiflügen der Jupitersonde Galileo an der Erde zum Zweck der Gravitationsunterstützung der Flugbahn war dies Teil der nach dem Challenger-Unglück aufgestellten Missionsplanung, auch zu Kalibrationszwecken an dem am besten bekannten Objekt des Sonnensystems in einem realistischen Einsatzszenario, dem nahen Vorbeiflug wie später an den Monden des Jupiter. [37- 61ff.,78,149f.]

Der bisher bedeutendste und mit manipulativer Information verbundene Unfall ist das bereits kurz erwähnte Nedelin-Desaster vom 24.10.1960. [1-506][7-28][8][9-15][12-119,168][14-197ff.][16- 103][39-169][55][56][57][68] Es gibt mindestens sechs grundlegende Versionen dieses Ereignisses. Zunächst wurde anläßlich der Bestattung des Oberkommandierenden der Strategischen Raketenstreitkräfte der Sowjetunion, Marschall Mitrofan Nedelin, in der Kremlmauer sein nicht zu verbergender Tod, und intern auch der einer großen Anzahl hoher Offiziere, einem Flugzeugabsturz angelastet. Die bloße Existenz und Tätigkeit der zivilen Techniker war geheim, also brauchte zu ihrem Tod garnichts erklärt zu werden, da sie und ihre Familien in den geschlossenen Städten lebten, die in der Sowjetunion unmittelbar zu jeder geheimen Einrichtung des militärisch-industriellen Komplexes gehörten. Bald sickerten jedoch Berichte von der Explosion einer großen Rakete in Sibirien ins Land und in den Westen durch, jedoch im Rahmen der üblichen Dauer-Gerüchte über Superwaffen auf sowjetischer Seite, auf die in öffentlichen westlichen Fachkreisen gemeinhin wenig gegeben wurde. Die Luftbildauswerter des NRO hatten jedoch mit der Kamera C' (C prime) von Discoverer 18 vom 07. bis 10.12.1960 Aufnahmen der verbrannten Startrampe in Tyuratam (Baikonur) und eines Massengrabes in der zugehörigen geschlossenen Stadt Leninsk erhalten, ohne die genaueren Umstände erfahren zu können. Durch die Startrampe im Startkomplex C - eine westliche Kennung der Auswerter - konnte das Ereignis der offenbar in Entwicklung stehenden Rakete SS-7 und ihrem beginnenden Flugerprobungsprogramm zugeschrieben werden. [16-101ff.] Der fast gleichzeitige, aber unzusammenhängende Tod mehrerer Atomexperten führte auch zur Vermutung, es habe sich um eine atomar angetriebene Rakete gehandelt. Atomare Antriebe für mindestens ein solches Projekt kamen damals tatsächlich bis zum Bodenversuch, und Einschlagsgebiete für die Antriebsreaktoren derartiger ICBMs wurden kartiert. Ein in den drei folgenden Jahrzehnten häufiger Schluß der Experten im Westen war, daß Khrushchev den hastigen Start einer Mond- oder Marsrakete befahl, um Eindruck nach seinem Besuch bei den Vereinten Nationen zu machen, wo er offenbar ein weiteres Weltraumspektakel erwartet hatte. Tatsächlich waren am 10. und 14.10.1960 zwei 1M Marssonden für einen geplanten Vorbeiflug mit Photographie kurz nach dem Start mit Trägerraketen des neuen R-7-Typs 8K78 verlorengegangen. Ursache dafür waren Resonanzschwingungen der dritten und vierten Stufe auf der zweiten, mit folgendem Kontrollverlust der dritten Stufe bei ihrer Zündung bzw. Zugelieren der Treibstoffleitung durch ein Flüssigsauerstoffleck mit folgender Zündunfähigkeit der dritten Stufe. Sie zerbrachen und verglühten über Sibirien. Es handelte sich um die ersten versuchten sowjetischen Planetensonden, und ihre Mission entsprach der 1964 von Mariner 4 3. Auswertungsverfahren 50 geflogenen. Diese beiden Starts waren bekannt geworden, und legten die Vermutung nahe, daß eindritter, eilig anberaumter Versuch zum oder kurz nach dem Ende des UN-Besuches am Boden explodierte. Eine Explosion hatte Nikita Khrushchev selbst im ersten Band seiner 1970 aus der Sowjetunion geschmuggelten Memoiren erwähnt, jedoch nicht den Zweck des Startes. Die R-7 war die einzige damals bekannte Basis für so große Raketen, und damals wurden in der Regel drei vorbereitet für diese Weltraumspektakel, was dieser These im Gegensatz zu Superwaffen zu einiger Glaubwürdigkeit und Verbreitung verhalf. Bekannt geworden war bis 1988 jedoch auch, daß die Bahnverfolgungsschiffe bereits die Heimreise angetreten hatten, und daß Mikhail Yangel in den Vorfall verwickelt gewesen sein soll, der nicht am öffentlichen Weltraumprogramm oder den beiden bekannten Sonden mitarbeitete, sondern nur für die strategischen Raketenstreitkräfte. 1989 wurde die Rakete von Aleksandr Bolotin, einem jungen Offizier am Kosmodrom, in der Glasnost-freundlichen Zeitschrift Ogonyok als Interkontinentalrakete identifiziert. Kurz darauf wurde von den ersten westlichen Besuchern in Leninsk das in Ogyonok erwähnte Denkmal mit der dortigen Gedänkstätte mit 54 Namensplaketten am Massengrab identifiziert, und der Zusammenhang zu einem verbrannten Notizbuch eines Technikers im örtlichen Museum erkannt. Dessen Bedeutung war nicht weiter durch eine Beschriftung erklärt, weil sie den Ortsansässigen in dieser Geheimhaltungsinsel selbst durchweg bekannt war, aber nicht mit einem Besucher aus anderen Teilen der Sowjetunion nach außen dringen durfte. James Oberg, der die Marssonden- These mit den obigen Unklarheiten und Zweifeln vertreten hatte, erklärte ein Führer während der Produktion eines Fernsehberichtes in den frühen 1990er Jahren vor Ort, daß etwa 40 weitere Opfer in ihre Heimat überführt worden waren, so daß knapp hundert Opfer anzunehmen waren. Das Monument listet nur die bald identifizierten und auch dort begrabenen 54 Personen auf, viele junge Russen und Ukrainer unter ihnen, die im Alter von oft nur 20 oder 21 Jahren starben. Zu ihm pilgern bis heute in Ermangelung eines in fast allen anderen russischen Orten vorhandenen Kriegerdenkmals die Hochzeitspaare von Leninsk, um dort ihre Blumen niederzulegen.

Die Erklärung als Marssonde wurde in vielen Fernsehdokumentationen, und noch 1996 in [39-169] und sogar 2000 in [9-14f.] verwendet, wobei sich beide Werke allerdings im Schwerpunkt nicht mit Unfällen dieser Art auseinandersetzen. Im zweiten Fall erfolgt die Angabe sogar mit der hier nicht, sondern nur in der R-7-Reihe verwendeten Treibstoffkombination Flüssigsauerstoff - Kerosin. Zeitzeugen, die schon damals auf Khrushchev selbst oder seine Politik nicht gut zu sprechen waren oder noch sind, berichten diese Legende noch heute, oder betonen besonders seine Rolle in der realen Versagenskette des Systems. Khrushchev beauftragte Breshnev, mit einer Kommission den Unfall zu untersuchen. Brezhnev war bereits Khrushchevs Gegenspieler im Zentralkommittee und setzte ihn 1964 während des Fluges von Voskhod 1 in einem stillen Putsch ab. Der offizielle Untersuchungsbericht der Untersuchungskommission wurde 1960 innerhalb weniger Tage nach dem Unglück mit dem Urteil abgeschlossen, die Schuldigen hätten sich bereits selbst gerichtet. Danach starben 90 Menschen, was sich auf 92 erhöhte, als zwei erstickte Soldaten noch nach dem Abschluß des Berichtes in einem Schacht gefunden wurden. Später wurde bekannt, daß sich etwa 250 Menschen bei der Rakete aufgehalten hatten. Die zugegebene Zahl der Toten und Verletzten veränderte sich bis weit in die 1990er Jahre stark mit der Zeit und den Umständen der Erwähnung. Die Angaben der bekanntgewordenen Berichte sind in der folgenden Tabelle zusammengefaßt: 3. Auswertungsverfahren 51

Ursprungsbericht Tote, Tote, Verletzte erlagen Ver- Tote, Opfer, Militär zivil letzungen gesamt gesamt Brezhnev-Kommission, bei Explosion 57 17 49 - 74 123 dito, zum Bericht, Oktober 1960 72 18 33 16 90 123 dito, Nachbereinigung, November 1960 74 18 33 16 92 125 Beisetzung Nedelins an der Kremlmauer 1 1 1 Verschleierung als Flugzeugunglück >1 0 >1 >1 Denkmal in Leninsk, 1960/ca.1992 ¹) 54 54 dito, und Überführung in die Heimat ¹) ≥54 ª94 Rentenbescheide, bei Explosion ²) ≥48 74 122 Rentenbescheide, mit Folgen ²) 84 38 48 122 Quellen unbekannten Ursprungs 126 Zeitung der Roten Armee, 1990 >150 dito, einschl. wehrpflichtiger Opfer ~165 mit außerhalb des Denkmals Bestatteten ³) ≥214 ¹) - nur die bald identifizierten und auch dort begrabenen 54 Personen ²) - meistzitierte Zahlen; beruhen auf Rentenbescheiden, die aus unbekannten Gründen als zuverlässig angesehen werden. ³) - bei Denkmälern und auf Ehrenfriedhöfen am Weg von Leninsk zum Kosmonauten-Hotel und zum Startplatz waren nach Angaben eines früheren ADN-Korrespondenten zur Zeit von Sigmund Jähns Flug 1978 mehr als 160 Opfer von Raketenunglücken bestattet. Dies kann Opfer weiterer Unglücke umfassen, und eventuell auch die am Denkmal bestatteten 54 Opfer. [1-506]

Tabelle 3.7 - Opfer der Nedelin-Katastrophe in Abhängigkeit vom Informationsfluß

Bemerkenswert ist, daß die mit Angaben aus der Zeit des Glasnost-Umbruches um 1990 später ermittelte Zahl der Toten der anfänglich zugegeben Zahl aller Opfer nach dem Brezhnev-Bericht und den erteilten Rentenbescheiden sehr ähnlich ist. Dies spricht für eine innere Verschleierung des wahren Umfangs der Katastrophe, denn nur ein Teil der Rentenbescheide ist Personen außerhalb der Leninsker Geheimhaltungsinsel zugestellt worden. Weite Teile des Hergangs, die von Sahkarov in seinen Memoiren bereits erwähnten Filmaufnahmen, und Breshnevs Untersuchungskommission wurden erst im Jahr 2003 in einer Fernsehdokumentation enthüllt. Tatsächlich explodierte beim mit wohl etwa 165 Toten wahrscheinlich opferreichsten Raumfahrtunfall am 24.10.1960 um 18:45 Uhr Lokalzeit (15:45 GMT) auf der Startrampe 41 in Tyuratam der erste Prototyp der weltweit ersten lagerfähigen Interkontinentalrakete R-16 (8K64, SS-7 Mod.1 Saddler). Die Explosion erfolgte nach mehreren Fehlern, die an der bereits mit den lagerfähigen hypergolen, also kontaktzündenden Brennstoffen UDMH und Salpetersäure betankten Rakete vorschriftswidrig noch behoben wurden, nur Minuten vor dem geplanten Startversuch. 3. Auswertungsverfahren 52

Dieser Start sollte unter großem Zeitdruck durch die politische Führung und die anwesenden hohen Offiziere nach sowjetischem Brauch im Geist der Planübererfüllung als rechtzeitiges Geschenk zum Tag der Oktoberrevolution erfolgreich durchgeführt werden. Am Morgen war bereits ein Konstruktions- und Herstellungsfehler an einem Zündpult festgestellt worden der bewirkte, daß statt der Pyromembran in der Oxidatorleitung die der Treibstoffleitung zerrissen wurde. Darauf zündeten die Pyropatronen der Trennventile des Gaserzeugers des Marschtriebwerkes der ersten Stufe, was die Zerstörung des Hauptverteilers im Bordnetz zur Folge hatte. Es gab mehrere Leckagen, an denen der Treibstoff Heptil (UDMH) austrat, der dann mit Eimern aufgefangen wurde. Darüber wurden Abdeckbleche entfernt und Lötarbeiten an Leitungen und Schaltkreisen durchgeführt. Nach dem Auswechseln der Trennventile und des Verteilers entschied die anwesende Staatskommission auf beschleunigtes Weiterarbeiten. Nedelin befahl zur Zeitersparnis eine sogenannte Änderung der Technologie: Die Schrittmotoren des Steuerungssystems sollten in Ausgangslage gebracht werden, obwohl die Rakete betankt war, und der Strom eingeschaltet werden. Die Zündung der Trennmembranen der zweiten Stufe sollte statt vom Pult aus über eine separate Stromquelle erfolgen. Dreißig Minuten vor dem Start verlegte sich die Staatskommission von ihrer entfernten Tribüne zur Plattform, auf der die betankte Rakete stand. Nedelin ließ vor der Rakete seinen Klappstuhl aufstellen, von dem aus er die Arbeiter antrieb. Die Anwesenheit so vieler hoher Offiziere und technischer Vorgesetzter machte es eigentlich entbehrlichen Leuten unmöglich, die Startplattform zu verlassen. Die Schrittmotoren wurden neuinstalliert, die Trennmembranen der Marsch- und Steuertriebwerke zerrissen, und Sauerstoffflaschen angeschlossen. Ab diesem Punkt gab es kein Zurück, denn Rakete konnte mit zerrissenen Membranen nur zwei Tage lang betankt stehen bleiben, denn die Technologie zum Enttanken existierte noch nicht. Dieser Vorgang war außerdem wegen der hochkonzentrierten rotrauchenden Salpetersäure, die Korolev als »Teufelsgift« vehement ablehnte, extrem gefürchtet, so daß sogar ein Lied darüber in Umlauf war. Zu diesem Zeitpunkt waren die Mannschaften von mehreren Tagen Arbeit unter Hochdruck und Gefahr ermüdet. Es existierte bis dahin keine Hauptdokumentation, und nur ein einziger umfassender Elektroschaltplan beim zuständigen Chefkonstrukteur Konopalev, der aus Geheimhaltungsgründen keine Genehmigung zum Betreten des Startplatzes hatte. Er die nahm Umstellungen aus einem umgebauten Autobus heraus vor, ohne eine Blockierungsmöglichkeit für die am Startplatz durchgeführten Arbeiten zu haben. Als er schließlich doch vorgelassen wurde, endete er unter den Opfern. Um 18:45 rief die Rückstellung der Motoren einen Befehl des Verteilers hervor, der in der zweiten Stufe das elektropneumatische Zündventil EPK V-08 vorzeitig auslöste. Ihr Haupttriebwerk zündete, sein Schubstrahl zerriß die Tanks der ersten Stufe, und das resultierende selbstzündende Feuer zerstörte alles im Umkreis von 120m. Von den 250 anwesenden Menschen wurden manche in die Steppe geschleudert, andere brannten wie Fackeln, blieben im aufkochenden Straßenteer kleben, wurden gänzlich von den Flammen oder der Säure verzehrt, sprangen in Brunnen, oder erstickten dort an Treibstoffdämpfen. Oft blieben nur Schattenspuren auf Beton, Metallteile der Kleidung oder große Knochen wie nach einem Atomschlag von ihnen. Im Feuerkontrollbunker gab man den Befehl alle Hände weg vom Pult, zur Erhaltung Schalterstellungen, und befahl, die Tür zu schließen und Gasmasken aufzusetzen, während draußen die flüchtenden Menschen starben. Nach nur zwanzig Sekunden war das Feuer ausgebrannt - 124 t Treibstoff, über 50 km weit zu sehen. Von Nedelin wurde nur sein Marschallstern gefunden. Der Chefkonstrukteur Yangel überlebte nur, weil er verbotenerweise hinter einer Bunkertür eine Zigarette rauchte. 3. Auswertungsverfahren 53

Im eigentlichen Sinne ausgelöst wurde das Unglück von einem Techniker fern der Rakete und des psychologischen Drucks, der von den an ihr versammelten hohen Würdenträgern ausging. Das befehlsgemäße Setzen des Programmstromverteilers bereitete den Startvorgang der zweiten Stufe vor, und aktivierte Batterien und Treibstoffleitungen. Das Rücksetzen auf den Ablaufbeginn öffnete dann lediglich in passim das letzte Ventil, das die selbstzündenden Treibstoffe noch von ihrem Kontakt im Triebwerkssystem fernhielt. [7-27ff.][56][68] Der nächste Start war nach dem Unfall zuerst noch für November geplant, erfolgte nach großen Schwierigkeiten beim Ersetzen der verlorenen Spezialisten und der Rekonstruktion der Dokumentation aber erst am 02.02.1961. Die nun gesicherte Zündung der zweiten Stufe versagte, weil eine unzureichend befestigte Klappe abfiel und die folgenden aerodynamischen Strukturschwingungen die Kreiselsysteme störten. Der dritte Startversuch war erfolgreich. Die folgende Tabelle vergleicht den Entwicklungsweg der R-16 mit der entsprechenden Titan II:

R-16, R-16U (Silo-tauglich) SM-68B/LGM-25C Titan II Entwicklung ab 17.12.1956 - R-16 autorisiert Projektvorschlag eingereicht 1959, 13.05.1959, R-16U 14.06.1960 Auftrag erteilt Juni 1960 1. Startversuch Explosion - 24.10.1960 erfolgreich - 16.03.1962 2. Startversuch 2. Stufe versagt - 02.02.1961 erfolgreich - 07.06.1962 3. Startversuch erfolgreich - 22.02.1961 erfolgreich - 11.07.1962 1. Stationierung R-16: 24 Vers., 11 Fehl. - 20.10.1961 nach 14 Versuchen, wovon 4 R-16U: 47 Vers., 14 Fhl. - 05.02.1963 fehlschlagen ²) - 19.04.1963 1. Silostartversuch 35. Versuch - 13.06.1962 14. Versuch - 19.04.1963 1. Silostarterfolg 36. Versuch - 31.07.1962 14. Versuch - 19.04.1963 vollständige R-16: 54 Vers., 15 Fehl. - 15.06.1963 nach 34 Vers., 6 Fehl. - 09.04.1964 (incl. Gemini 1; von 32 NASA-analysierten hätte Gemini 9 abgebrochen, 1 Indienststellung R-16U: 60 Vers., 16 Fhl. - 15.07.1963 mal Triebwerk vor dem Abheben abgeschaltet und 22 erfolgreich geflogen) stationierte Anzahl von 1965 bis 1974 ³) : 186 von 1964 bis 1984: 54 Außerdienststellung nach SALT-1 ¹) - 1978 1987 letzter Start ¹) - 01.01.1972 als Satellitenträger 18.10.2003 erfolgte Starts mindestens 214 (min. 27 Fehlschläge) 106 (7 Fehlschläge) Leistung 3 MtTNT: 13000 km mit 1475 kg, 8.9 MtTNT: 10000 km mit 3700 kg, Abweichung 3 km; alternativ 2175 kg Abweichung 2 km (CEP: 50% der über 11000 km, Abweichung 2 km Treffer in einen Kreis dieses Durchm. ¹) - längst veraltet, trotz Nachfolgetypen der auf ihr beruhenden, heute noch stationierten bzw. für Satellitenstarts verwendeten R-36-Serie als Verhandlungsmasse ohne die etwa zwölf jährlichen Verifikationsstarts erhalten und erst nach dem SALT-1-Abkommen 1978 zurückgezogen. Die Titan II hatte keine militärischen Nachfolger oder auf ihr basierende militärische Weiterentwicklungen. ²) - mit dem erfolgreichen ersten Silostart vorläufig in den Alarmdienst übernommen (IOC) ³) - etwa ein Drittel in Silos, der Rest auf ungeschützten festen Startrampen

Tabelle 3.8 - Vergleich der Entwicklung von R-16 und LGM-25C 3. Auswertungsverfahren 54

Die R-16 konnte 30 Tage betankt in Bereitschaft bleiben, stellte die erste rasch einsetzbare, lagerfähige, silogeschützte, erst- und zweitschlagsfähige Interkontinentalrakete dar, und wurde die Basis einer ganzen Familie von Trägerraketen der Serie R-36. Von 1962 bis 1967 war sie die einzige glaubhafte strategische Abschreckungswaffe der Sowjetunion. Die gleichzeitig begonnene Titan II wurde erst 18 Monate nach der R-16 vorläufig in den Alarmdienst übernommen, und ihre Erprobung endete mit der Indieststellung 9 Monate nach der R-16. Die 54 Titan II trugen 30% der landgestützten amerikanischen Megatonnage, während über 1000 Minuteman für die verbleibenden 70% nötig waren. Titan II und R-16 konnten innerhalb von Minuten für einen überraschenden oder präventiven Erstschlag, oder nach dem Erkennen eines gegnerischer Erstschlages noch vor dem Wiedereintritt der Sprengköpfe gestartet werden. Sie konnten in Silos für einen sicheren Zweitschlag überleben, was für das Konzept der Abschreckung entscheidend war, und jede denkbare schwere atomare Nutzlast tragen, wie z.B. teilorbitale Bomben, Mehrfachsprengköpfe oder Antisatellitenwaffen, die aber nur von der UdSSR für die R-16/R-36-Familie realisiert wurden.

Damit stellten beide tatsächlich das Erreichen der erstrebten Superwaffe des Kalten Krieges dar, das die ersten vagen, vom Nedelin-Desaster ausgelösten Gerüchte berichteten. [8]

Genau zwei Jahre nach dem Nedelin-Desaster löste eine tatsächlich gescheiterte Marssonde einen Alarm im US-Frühwarnsystem aus, der allerdings automatisch und manuell sehr schnell als Fehlalarm erkannt wurde. Am 24.10.1962, also noch während Kubakrise, wurde die ebenfalls für einen Vorbeiflug vorgesehene Marssonde 2MV-4 Sputnik 22 nach einer Triebwerksexplosion des S1.5400A1 in der vierten Stufe Block L der 8K78 Molniya zerstört. Die Trümmer bleiben teilweise für einige Tage in der Umlaufbahn. [8] Drei Jahre nach dem Nedelin-Desaster, am 24.10.1963, kam es zu einer Siloexplosion im Startkomplex 70 nach einem Sauerstoffleck im Betankungssystem für eine R-9 8K75 (SS-8 Sasin), Korolevs weniger erfolgreiches und erst vier Jahre verspätet in Dienst gestelltes, und wegen des kryogenen Oxidators ausschließlich als SALT-1-Verhandlungsmasse nützliches Konkurrenzmodell zur R-16 ohne das »Teufelsgift«. Ein Funken in der von den zulässigen 21% auf 32% Sauerstoffgehalt angereicherten Atmosphäre löste ein Feuer aus, das sieben Tote unter den elf Mann der Silomannschaft forderte, als sie mit dem Aufzug ins achte Stockwerk des Desna-V Silos einfuhr. Danach gab es nie wieder einen Startversuch am 24.10. in Baikonur. [8]

Fast drei Jahre bevor die R-16-Startmannschaft um ihre Rakete starb, gab es am 21.01.1959 bei Discoverer 0, dem ersten Versuch zu der Spionagesatellitenserie, die die erste Aufnahme des großen Unglücks in den Westen brachte, beinahe einen ähnlichen Unfall fast gleichen Ablaufes. Nachdem eine Stunde vor dem Start der Sequenzierer der Agena A 1019 aktiviert wurde um die Hydraulik zu testen, zündeten 30s später die Sprengbolzen zwischen ihr und der als erste Stufe dienenden Thor, sowie die zur Treibstoffsetzung dienenden, kleinen Beschleunigungsraketen. Die Agena kippte über, beschädigte die Steuerung der Thor in ihrem von den Beschleunigungsraketen verbrannten Bug, und leckte rotrauchende Salpetersäure, die an beiden herunterlief und mit dem hier ebenfalls verwendeten Treibstoff UDMH der Agena, und in geringerem Maße auch mit dem Kerosin der Thor hypergol ist. Es stand später auch eine große Menge Personal um die gekippte und Säure leckende Agena auf der Thor, jedoch geschah kein Unglück. Die Ursache war ein bis dahin unerkannter Kurzschluß-Leckstrompfad, der wegen mangelhafter Überprüfung bei der Integration übersehen wurde. [4-52][16-63f.] 3. Auswertungsverfahren 55

Es sind noch einige weitere ähnlich opferreiche Unfälle bei unbemannten Startversuchen von Raumflugkörpern bekannt geworden, die aber nicht in der ausgewerteten Literatur enthalten waren. Alle ereigneten sich in Staaten, in denen der Informationsfluß erheblichen Beschränkungen durch militärische oder mit der Regierung und dem Militär verbundene kommerzielle Interessen unterlag oder noch unterliegt.

27 Minuten nach einem abgebrochenen Startversuch zündete am 14.12.1966 das Rettungssystem der Soyuz 7K-OK Seriennr. 2 nach einer fehlerhaften Fehlererkennung. Die Kapsel wurde zwar gerettet, aber die voll betankte Trägerrakete 11A511, deren Booster zuvor nicht gezündet hatten, explodierte, tötete mindestens eine Person und verletzte mehrere andere. Am 15. oder 21.07.1968 explodierte eine unter Überdruck stehende 11S824 Block D Stufe auf einer Proton 8K82K und tötete drei Techniker bei der Vorbereitung des Startes von 7K-L1 Seriennr. 8 zum Mond. Die Mission wurde zwei Startfenster-Monate später mit geflogen, noch vor den bemannten Flügen Apollo 7 und 8, zwischen denen Zond 6 zum Mond flog. Beim Startversuch eines sowjetischen Satelliten starben in den 1980er Jahren nocheinmal 50 bis 80 Beteiligte. Es gab in der Sowjetunion mit Sicherheit mehrere weitere tödliche Unfälle beim Betrieb von Raumflugkörpern, jedoch konnten von diesen im Rahmen der vorliegenden Arbeit keine weiteren Details erhalten werden.

Am 25.01.1995 stürzten die Trümmer einer Trägerrakete vom Typ CZ-2E in unmittelbarer Nähe des festlandchinesischen Startgeländes Xichang in ein Dorf, wobei mindestens 20, wahrscheinlich aber 120 Personen getötet wurden. Auch hier besteht eine Zahlenähnlichkeit der zugegebenen und der von äußeren Beobachtern rekonstruierten Opferzahl. Der Absturz folgte einem ähnlichen, aber etwas früher im Flug aufgetretenen Versagensfall vom 21.12.1992. In beiden Fällen brach durch Schwierigkeiten des Steuerungssystems mit dem plötzlichen Einflug in Scherwinde die Nutzlastverkleidung zusammen und zerstörte den darunter befindlichen Satelliten. Im ersten Fall erfolgte dies so früh, daß die Trägerrakete nicht beschädigt wurde und die Nutzlasttrümmer in eine niedrige Umlaufbahn getragen wurden. Im zweiten Fall erfolgte der Zusammenbruch der Nutzlastverkleidung wenige Sekunden später im Flug, wodurch bei der höheren Geschwindigkeit auch die Trägerrakete so beschädigt wurde, daß sie explodierte. Westliche Techniker, die die Nutzlast begleiteten, wurden in aller Eile durch eine von im Meterabstand spalier stehenden Polizisten gesäuberte Straße vom Startgelände weggefahren, wobei einige Videoaufnahmen ausgebrannter Häuser und des offenbar weitläufig zerstörten Dorfes entstanden. Gerüchte sprachen von bis zu 500 Opfern. Am 14.02.1996 versagte die Steuerung beim ersten Start der neuen CZ-3B vom selben Testgelände. Die Rakete flog zwei Sekunden nach dem Abheben wegen einer Veränderung in der Trägheitsplattform einen Bogen direkt von der Rampe weg, schlug nach 22s auf, tötete dabei sechs Menschen und verletzte 57. Zwei der Toten waren führende Ingenieure der chinesischen Betreiberorganisation. [8]

Diese mindestens 79 Toten und 57 Verletzten kommen noch zu der in der folgenden Tabelle zusammengefaßten Zahl der Opfer der ausgewerteten Versagensfälle hinzu: 3. Auswertungsverfahren 56

Versuch Datum Tote Verletzte Opfer R-16 #1, Nedelin-Desaster ¹) 24.10.1960 165 165 Apollo 1 (204), Brand bei simuliertem Countdown 27.01.1967 3 3 7K-OK Soyuz 1 23.04.1967 1 1 7K-OKS , nach Rückkehr von Salyut 1 29.06.1971 3 3 vor STS-1 Columbia, giftiger Treibstoffdampf tritt aus 19.03.1981 2 1 3 vor STS-51D, Zusammenbruch eines Montagegerüstes April 1985 1 1 STS-51L (-25) Challenger, Heißgasaustritt am SRB 28.01.1986 7 7 STS-107 Columbia, Beschädigung durch ET-Isolation 16.01.2003 7 7 nach STS-107, Flugunfall bei Unfalluntersuchung ²) 1Q 2003 2 3 5 STS insgesamt 19 4 23 bemannte Raumschiffe während des Fluges 18 18 mit bemannten Raumschiffen verbundener Betrieb 26 4 30 mit bemannten Raumfluggeräten verbundene Versuche 49 26 75 insgesamt 223 30 253 hinzu kommen 19 getötete Versuchstiere ¹) geschätzt - ²) [54], nicht im Tabellendokument ausgewertet.

Tabelle 3.9 - Opfer ausgewerteter Versagensfälle

Wegen der Informationspolitik innerhalb geschlossener Gesellschaften wie der früheren Sowjetunion oder anderen heutigen Staaten mit einer derart weiterbestehenden Regierungsform kam es auch zu erheblichen Fehleinschätzugen bei der äußeren Analyse. Zu den oben angeführten Fällen lagen den Autoren der angegebenen Quellen wenigstens zwei unabhängige Schilderungen vor. Während des Kalten Krieges kam es zu einer großen Zahl an Pressemeldungen über angebliche schwere Versagensfälle mit Todesfolge in der Sowjetunion. Es gab Verwechslungen mit Bodenerprobungen oder Ballonunfällen (Pyotr Dolgov, Volga), ein höchstwahrscheinlich nie existentes Programm suborbitaler Flüge analog den realen Flügen mit Hunden wurde vermutet, wie auch verschwiegene Phantomkosmonauten als Opfer des nK-Programmes vor Gagarins Flug. Allen gemeinsam ist die Berufung auf nicht nachvollziehbare Einzelquellen und die teils offensichtlich absurde Begründung, z.B. Weltraumverstrahlung. Wie bei UFO-Entführungen gab es auch direkte Zitate von Spielfilmhandlungen. Der ständig abwesende, zehnte, beste und furchtloseste aller Testpiloten und Astronauten der zweiten Gruppe, Walter Frisbee, Sohn eines rumänischen Edlen - deshalb nicht von der NASA vorgestellt -, und sein aufregendes Sondertraining wurde von Gemini- Astronauten erfunden, um mit der Presseberichterstattung noch etwas mehr Spaß zu haben. [8] 3. Auswertungsverfahren 57

Weniger schwere Fälle von mangelnder Berichtstreue bei Versagensfällen aus anderen Gründen als der Kürze des Berichtes sind nicht selten, jedoch oft durch den Vergleich mehrerer Quellen lösbar. Ein Beispiel wäre der Abbruch von 7K-ST 11F732 Soyuz T-8 am 21.04.1983, der erfolgte, weil die Bodenkontrolle ausdrücklich einen Automatikanflug ohne manuellen Eingriff befahl, der dann versagte, da eine der beiden nötigen Bodenstationen zur Flugvermessung von höher priorisierten Aufgaben belegt war. Durch die ersatzweise zum Schätzen der Triebwerksbrennzeiten nach der Stationsgröße verwendete Schwarzweißfernsehübertragung wurden vom Boden das rote und grüne Positionslicht der Station verwechselt. Dies konnte nur von der Besatzung bemerkt werden, an der nicht übertragenen Farbe oder einem hellen Streifen, der zuerst von der Station sichtbar wurde. Die Station trat mit viel zu hoher Geschwindigkeit in das Feld der nur 25 m weit reichenden Scheinwerfer ein. Die Besatzung griff befehlswidrig in letzter Sekunde ein und passierte Salyut 7 in nur 10 m Abstand. Dabei wurde so viel Treibstoff zur Rettung von Menschen und Material verbraucht, daß das Raumschiff bei abgeschaltetem Orientierungssystem spinstabilisiert werden mußte, damit gerade noch genug für den Wiedereintritt übrig blieb. Teilweise ist dies den sehr knappen Vorräten der 7K-Familie anzulasten, das anfänglich für die bis an ihre Grenze belasteten Mondraketen N-1 und 8K82K Proton / 11S824 Block D so klein wie möglich ausgelegt wurde. Offiziell berichtet wurde, daß ein manueller Andockvorgang scheiterte, zu viel Treibstoff verbraucht wurde, und die Besatzung daher zurückgerufen wurde, oder daß die Raumschiffe aus dem Bereich der Bodenstationen heraus, und zudem in den Erdschatten einflogen. Später wurde der Abbruch noch einer abgerissenen Radarantenne angelastet, was ebenfalls unzutreffend ist. [7- 202][9-162,239]

Sehr ähnlich war der Versagensablauf bei der Kollision von 7K-TGM 11F615A55 M-34 mit dem ursprünglich für Sensorerprobungen und Zieltests der Abfangrakete Oktava für das militärische Programm Fon, das Gegenstück von Wars, vorgesehenen Modul TKM-O 11F77O Spektr der Raumstation DOS 17KS-12701 Mir bei einer Wiederankopplung am 25.06.1997. Hier wurde die Erprobung des neuen, preiswerteren und russifizierten Steuerungssystems TORU angeordnet, das zum Teil auf manueller Steuerung durch die Stationsbesatzung über einen Videoschirm und einen handgehaltenen Laserentfernungsmesser beruhte. Es sollte das frühere, vollautomatischen, aber bewährte ukrainische System Kurs ersetzen, das auch in den Soyuz T verwendet wurde, aber teurer war und importiert werden mußte. Den Kosmonauten wurden vom Boden die nötigen Anfangsinformationen nicht oder viel zu ungenau gegeben, und außerdem war es selbst mit diesen Informationen prinzipiell unmöglich, mit der Videoeinrichtung und aus den Fenstern der Station heraus kontinuierlich den Anflug des Progress zu verfolgen. Hinzu kam, daß der vom Boden eingesteuerte Anflug des Progress von der Station aus vor dem Hintergrund der bewegten Erde stattfand, was die Bilderkennung stark erschwerte. Zurück auf der Erde wurden der Stationskommandeur Tsibliyev und die Besatzung angeklagt wegen der Beschädigung von Staatseigentum, es wurden ihnen hohe Geldstrafen auferlegt und das Gehalt einbehalten. Dank der angefertigten Videodokumentation und der Aussagen des britisch-amerikanischen Gastkosmonauten Michael Foale, der den Anflug als zusätzliches Auge vom Modul TsM-E 37Ke- 010 11F37 Kvant aus mitbeobachtete, und durch dessen Anwesenheit an Bord die aufgenommenenBilder des Vorgangs auch anderen Institutionen zugänglich blieben, wurde die 3. Auswertungsverfahren 58

Geldstrafe jedoch nach längerer Zeit zurückgezogen und die einbehaltenen Gehälter nachträglich ausgezahlt. [7-293][8][9-323ff.][10][69]

Auch zehn oder mehr Jahre nach der Öffnung der Archive vervollständigen sich Teile der berichtigten Ereignisse nach wie vor. Der Verlauf und Grund des Startabbruches von 7K-ST 11F732 Soyuz T (im Westen als T-10A oder T-10-1 bezeichnet) am 20.09.1983 war in einem 2001 veröffentlichten Werk immer noch »unbekannt«, [7-203] wurde aber in dem im Vorjahr erschienen [9-164] detailliert geschildert. Zugegeben wurde der Versagensfall erst unter internationalem Druck nach dem Challenger-Unglück, immerhin als nur sechs Sekunden von einem sowjetischen Challenger entfernt. In der Trägerrakete hatte sich ein Ventil nicht geschlossen, was zum Austritt der Treibstoffe Kerosin und Flüssigsauerstoff führte, die sich an einem Funken oder an fehlerhaften Bodeneinrichtungen entzündeten. Kurz vor dem Startzeitpunkt trennte sich das Verbindungskabel nicht wie geplant ab, und 25 Sekunden vor der Zündung wurde das Feuer für den Kontrollbunker sichtbar, gefolgt von rasch zunehmendem Rauch um die Rakete. Der Ausschuß mit der Rettungsrakete SAS wurde notwendig, aber die Leitungen für die automatische Auslösung waren bereits vom Feuer zerstört. Dies bemerkte die Startmannschaft zwar schnell, aber es mußten zwei Kommandos aus zwei getrennten Räumen für die manuelle Auslösung gegeben werden, was zehn Sekunden dauerte. Eine Sekunde später zog die Rettungsrakete den oberen Teil des Raumschiffes von der Trägerrakete weg, deren 270t Treibstoff sechs Sekunden später explosionsartig in Brand gerieten und in der Flammenleitgrube für zwanzig Stunden brannten, wobei geschätzt mehrere hundert Millionen Dollar Schaden angerichtet wurden. Ein Übergreifen auf das benachbarte Flüssigsauerstofflager konnte im letzten Moment nur durch Einblasen von flüssigem Stickstoff verhindert werden. Die Kosmonauten landeten beide sicher und unverletzt vier Kilometer von ihrem Startort entfernt. Es wurde gelegentlich auch fälschlich bekanntgegeben, der Flug habe drei Kosmonauten getragen, darunter eine Frau. Einige Wochen vor Soyuz T-10A hatte die Sowjetunion noch den Westen wegen des beinahe durchgebrannten Boosters bei STS-8 Challenger öffentlich kritisiert. Erst nach dem Beginn von Glasnost und dem Verlust von STS-51L (STS-25) Challenger aus ähnlicher Ursache wurde eine Flut von Artikeln über die sowjetischen Rettungssysteme veröffentlicht, worin auch ein Bericht über den Einsatz des Soyuz-Rettungssystems beim Abbruch von Soyuz T-10A enthalten war. Außer in den dabei zugegebenen Fällen hatte sich SAS auch bei allen an Trägerversagen gescheiterten Mondflugversuchen der 7K-L1- und 7K-LOK-Serien bewährt. Diese Erfolgsserie für das Rettungssystem wurde aber bis in die 1990er Jahre verschwiegen. Daß bei der Zählung der Flüge der Serie 7K eine große anfängliche Startzahl ausgelassen wurde, konnten einige Beobachter mit näherem Zugang feststellen, aber wie die DDR- Raumfahrtbeteiligten und -journalisten oft nicht bekannt machen, bevor eine amtliche sowjetische Verlautbarung erfolgte oder wenigstens eine Publikation gefunden wurde, die die bereits bekannten Schlüsse zu ziehen erlaubte. Die Summenzählung für am Kosmodrom gefeierte Startjubiläen ist oft sehr nah an der tatsächlichen Gesamtzahl unter Einbeziehung der als Kosmos oder Zond deklarierten Versuche, die wenigstens in die Umlaufbahn gelangten, und der gänzlich unbenannten Flüge, die sie nicht erreichten, aber weit entfernt von der Summe der nummerierten Soyuz und Progress. [1][7-203ff.] Aus dem vorliegenden und ausgewerteten Material mit bzw. ohne [8] kann auf die in der folgenden Tabelle angegeben Flugzahlen geschlossen werden: 3. Auswertungsverfahren 59

Variante der 7K Soyuz-Familie Versuche davon als davon ver- insgesamt bis 10/01 ¹) Kosmos ¹) loren °)¹) bis 12/04 ²) Soyuz 7K-MF6,-OK,-OKS,-S,-T,-T/A9,-TM ¹) 53 11 1 Soyuz 7K-MF6,-OK,-OKS,-S,-T,-T/A9,-TM ²) ²) 17 ²) 1 60 Soyuz T 7K-ST 15 ²) 2 1 17 Soyuz TM 7K-STM 32 34 Soyuz TMA 7K-STMA 5 Zond 7K-L1, -L1A, -L1E, -L1P, -LOK (T1K) 15 3 8 16 Mondmodule LK (T2K), 11S824-7K-TnK ³) 5 5 ³) 3 Progress 7K-TG 42 ²)*) 1 ²)*) 1 43 Progress M 7K-TGM 45 51 Progress M1 6 11 Progress M-SO1 1 bemannt gestartet 87 2 96 bemannt oder bemannbar als Stationsmodul 180 ²)*) 1 ²)*) 2 202 insgesamt 213 ²)*) 1 ²)*) 2 241 °) Verlust oder Abbruch durch Versagen der Trägerrakete, ohne Versagensfälle im Flug ¹) ausgewertet, bis Oktober 2001 ²) bis Ende 2004, mit weiteren verschwiegenen Versuchen und als Kosmos verdeckten Flügen ³) die Erprobung der gemeinsamen Antriebsstufe Block D 11S824 für die 7K-Lxx zählt [8] nicht *) Kosmos 1669, nach vorübergehendem Kontrollverlust letztlich doch angekoppelter 7K-TG

Tabelle 3.10 - Flugzahlen der Famile 7K Soyuz

Einige kleinere Desinformationen sind leichter zu erkennen. Das als Baikonur bekannte Kosmodrom und seine angeschlossene geschlossene Stadt Leninsk liegen mehrere hundert Kilometer von der Stadt Baikonur entfernt. Der nächste Ort und erste interne Name war Tyuratam, kasachisch etwa Pfeilgräberfeld, eine Bahnstation mit Flugplatz an der Bahnlinie Aralsk - Tashkent entlang des nördlichen Flußufers des Syr-Darya, der in manchen in einem Sommerhaus am Ufer aufgenommenen Bildern und Filmen mit den ersten Kosmonauten und Korolev im Hintergrund zu sehen ist. Beim echten, früher so benannten Ort Baikonur selbst, der mitten in der Betbakdala (Hungersteppe) gelegen ist, gibt es keine so großen Fließgewässer, aber trotzdem wurde sein Name zur Täuschung der CIA verwendet. Dies gelang aber nicht, da ein Pilot eines U-2 Spionageflugzeugs beim Absuchen einer Bahnlinie das entstehende Testgelände schon Ende der 1950er Jahre entdeckte, und es nach dem nächstgelegenen eingezeichneten Ort auf vorhandenen Aufnahmen der deutschen Luftwaffe aus dem Zweiten Weltkrieg Tyuratam benannt wurde. Auf beiden Seiten wurde und wird daher derselbe Name verwendet, außer in der Öffentlichkeit und der Presse, die auf beiden Seiten den selben rein desinformativen Namen verwendet. [12-222] 3. Auswertungsverfahren 60

Die frühen zensierten Fassungen der Filme und Bilder von Flügen der ersten Kosmonauten sind leicht erkennbar erkennbar an der als Träger suggerierten, frühen Version der einstufigen, noch wie das A4 mit Alkohol betriebenen und von einem Lastanhänger gestarteten, schlanken Mittelstreckenrakete R-5 statt der oft mit einem russischen Kirchturm verglichenen, mehrstufigen R-7-Varianten und ihrem großen vierteiligen Startkomplex mit klappbaren Zugangstürmen. [12- 242] Da das Material in den Archiven vorhanden ist, und es zu seiner Zeit kostenfrei und ohne die Verpflichtung zur Einblendung eines Ursprungslogos verbreitet wurde, wird es in den westlichen Medien noch heute oft für allgemeinere Berichte und Rückblicke bei Jubiläen benutzt. Exotischer war die ähnlich bedingte Erscheining, daß der von der Sowjetregierung wie damals üblich nachträglich bekanntgegebene erste erfolgreiche Flug der ursprünglichen R-7 als Interkontinentalrakete nicht geglaubt wurde - er führte nur über Sowjet-Territorium, zu dem kein äußerer Zugang existierte. Dies wurde aber im nächsten Schuß berücksichtigt und behoben, durch die Nutzlast Sputnik 1. Spätere ballistische Flüge zielten in den Pazifik, wo der Einschlag auch von westlichen Hydrophonen verifiziert werden konnte.

Eine weitere Variante manipulativer Information ist die unbewußte Beeinflussung der Wahrnehmung des Lesers oder Empfängers eines Berichtes durch die eigenen überkommenen Vorstellungen. Dies kann sich ebenso bei der Wertung der Schwere eines Versagensfalles auswirken wie auch auf Entscheidungen, die zur Konstruktion oder zu den Betriebsverfahren eines technischen Gerätes nötig sind. Ein bekanntes Beispiel aus der Luftfahrt ist der bisher, und wahrscheinlich weiterhin einzige Absturz der Concorde, der durch eine Tankperforation ausgelöst wurde. Ein Bauteil, das ein vorher startendes, viel stärker auf reine Wirtschaftlichkeit optimiertes Luftfahrzeug verloren hatte, wurde von den Reifen der startenden Concorde aufgeschleudert und durchschlug die Integraltankstruktur einer Fläche nahe den Triebwerken. Das Teil wurde wahrscheinlich von einer DC-10 beim Startvorgang verloren, ein Typ, der Ende der 1970er Jahre bekannt wurde durch mehrere Triebwerksverluste, die durch das Versagen von Abreißbolzen in ihrer Aufhängung verursacht wurden, wie z.B. auch bei dem Absturz einer Boeing 747F der El-Al in Amsterndam. Diese Abreißbolzen sind nötig, weil praktisch alle großen Verkehrsflugzeuge als Tiefdecker verkauft werden. Das wesentliche Argument für die Beibehaltung dieser Bauweise ist die angenommene Schwimmfähigkeit nach Notwasserungen, die oft anschaulich dargestellt wird durch ein Bild des Prototypen der Focke-Wulf Fw 200 V 1 D-ACON der Lufthansa. Auf der Rückkehr von einem FAI-Rekordflug Berlin-Tokio Ende November 1938 wurde das Flugzeug nach einer von einem groben Bedienungsfehler bei der Tankumschaltung ausgelösten Notwasserung in der Bucht von Manila vor den Philipinen aufgefunden; »niemandem wurde auch nur ein Haar gekrümmt und die Maschine schwamm wie ein Schiff.« [70] Heute hat aber kein Flugzeug mehr eingehängte Tanks, sondern Integraltanks, die bei kleinsten, in Notfällen kaum zu vermeidenden Strukturbeschädigungen ohnehin wie beim erwähnten Concorde-Unfall leckschlagen, auch wenn es Schutzmöglichkeiten gibt, die das Ausmaß der Leckage begrenzen können. Bei mit gepfeilten Tragflächen schallnah fliegenden Flugzeugen müssen aus aeroelastischen Gründen die Triebwerke vor und unter den Tragflächen angebracht werden, nicht an der Vorderkante und darüber, wie in 3. Auswertungsverfahren 61 der Zeit, als noch der Propellerfreiraum, das Strukturgewicht der Triebwerkshalterung und die mit beidem verbundene Fahrwerkshöhe entscheidend waren. Daher sind heute Abreißbolzen in der Triebwerksbefestigung nötig, damit die zuerst boden- oder wasserberührenden Triebwerke nicht die Flächen durch Torsion abreißen. Die vor wenigen Jahren von südafrikanischen Badetouristen gefilmte küstennahe Notwasserung eines entführten und leergeflogenen zweistrahlingen modernen Verkehrsflugzeugs im Indischen Ozean zeigte im praktischen, realen Ernstfall augenfällig, wie irrelevant, ja kontraproduktiv diese noch aus den 1930er Jahren stammende Sicherheitsphilosophie durch den inzwischen erfolgten Fortschritt geworden ist: Die Flächen rissen ohnehin ab, trotz des kontrollierten Abrisses der Triebwerke. Der Pilot versuchte noch im letzten Moment, vor einem Riff zum freien Ozean hin auszuweichen. Die Wasserberührung erfolgte aus einer Kurve heraus zuerst mit der Flächenspitze, die ohne gefährlichen Widerstand über die Brandung sprang, und dann mit dem Triebwerk der selben Seite, das sofort abriß. Der nach dem Wasserkontakt des Triebwerks ausbrechende Zentralholmkasten riß dabei ein Loch in den Rumpf, das maßgeblich zu dessen schnellem Untergang auf das relativ flache Korallenriff beitrug. Die Notwasserung der D-ACON erfolgte dagegen geradeaus in dem sehr ruhigen Wasser einer fast geschlossenen, binnenmeerseitigen Bucht und wurde von hervorragenden Testpiloten ausgeführt, denen kein Trupp bewaffneter Terroristen wörtlich genommen im Nacken saß. Wegen der größeren Gestaltungsfreiheit bei der Flügelauslegung und den damit verbundenen Leistungs-, Handling- und Wirtschaftlichkeitsvorteilen haben militärische Transportflugzeuge seit langem eine Hochdeckerkonfiguration, wie sie auch für kleinere Turboprop-Verkehrsflugzeuge im Regionalverkehr zunehmend üblich wird. Nur in der zivilen Großraumluftfahrt hält sich diese nicht konservativ-vorsichtige, sondern gefährlich überalterte Perzeption des notwasserungssicheren Tiefdeckers.

Im gleichen Sinne mit umgekehrten Vorzeichen ist auch die schon in Kapitel 2.1.6 angedeutete Perzeption von Lebenerhaltungs- und Rettungssystemen zu betrachten: Die Concorde flog regulär in Höhen, wo zum Überleben im Sekundenzeitraum bereits ein Volldruckanzug nötig ist, auch in reinster Sauerstoffatmosphäre. Die den allgemeinen Zulassungsvorschriften folgend eingebauten Sauerstoffmasken sind während des überwiegenden Teils des Fluges nutzlos. Die Concorde ist aber kein Raumfahrzeug, sondern ein zugelassenes Linienflugzeug mit besonders hoher Zuverlässigkeit, trotz des einen tödlichen Unfalls, der trotz der relativ niedrigen Opferzahl für ein derart katastrophales Unglück weltweite öffentliche und politische Beachtung und Anteilnahme erfuhr, wie sie in den Vorjahren bei wesentlich opferreicheren Unfällen ohne terroristischen Hintergrund nicht zu beobachten war. Diese durch die unbewußt manipulative Wahrnehmung herbeigeführte Exponiertheit und die damit verbundene Berichterstattung über die Unfallfolgearbeiten hat letztlich zur Einstellung des Flugbetriebes nach einer kurzen Wiederaufnahme geführt. Aus dem selben Grund wurde zuvor ein viel höherer Aufwand zur Absicherung der Flächentanks der Concorde getrieben, als zur Unterbindung des Abfallens von Strukturteilen von Verkehrsflugzeugen normaler Auslegung, die ja möglicherweise auch für diese selbst sicherheitsrelevant sein könnten. Eine nähere, hier nicht weiter auszuführende Untersuchung zeigt nämlich mit einem Blick an der eigenen manipulativen überkommenen Wahrnehmung vorbei, daß die Concorde bei geeigneter Nutzlastauswahl eine sehr gute Wirtschaftlichkeit hatte, die sogar die staatlich subventionierten Entwicklungskosten inzwischen wieder erflogen hatte. Dies ist beachtlich, da sie sich inzwischen in einem Umfeld dreißig Jahre weiter entwickelter Aerodynamik und vierzig Jahre weiterentwickelter Antriebstechniken zu behaupten hatte. [10] 3. Auswertungsverfahren 62

Bewußt diese Mechanismen einsetzende Desinformation, gerade auch politisch begründete, kann allerdings wesentlich schwerere wirtschaftliche Folgen für die Betroffenen haben, wie z.B. im Fall der sogenannten OTRAG-Affäre, wo sowjetische Desinformation in den 1980er Jahren ein technisch erfolgreiches privatwirtschaftliches Vorhaben zur Entwicklung preiswerter Trägerraketen zu Fall brachte. Es wurde durch geeignete Mittel der Öffentlichkeitsarbeit verbreitet, westdeutsche Techniker würden im Kongo heimlich nuklear bewaffnete Marschflugkörper für das westdeutsche und südafrikanische Militär entwickeln. Dazu sei ein gigantisches, menschenleeres Testgelände in der sehr rohstoffreichen Provinz Shaba, früher bekannt als Katanga, nötig, daß die zairischen Truppen so gewaltsam entvölkern würden, daß hunderttausende Flüchtlinge in die Nachbarländer strömten. Tatsächlich erprobte die weltweit erste rein kommerzielle Raketenentwicklungs, -produktions und -betriebsgesellschaft OTRAG - Orbital-Transport und Raketen AG, Stuttgart - eine massenproduzierbare, mehrstufige Rakete aus gebündelten, identischen, druckfördernden Flüssigantriebsmodulen in Zaire. Ein äquatornaher Startplatz mit genug unbevölkertem Platz für die Bergung der potentiell wiederverwendbaren abgeworfenen Stufen war wünschenswert und dort vorhanden. In diesen sich abzeichnenden technischen und finanziellen Durchbruch wurden von 1975 bis 1987 $200 Millionen investiert. Die Antriebsmodule erreichten in 6000 Standversuchen und 14 suborbitalen Flügen über eine Million Sekunden Brennzeit, und waren mit 6-sigma Zuverlässigkeit »human-rated«. 1979 wurde die OTRAG unter sowjetischem Druck aus Zaire ausgewiesen und verlagerte ihr Eigentum vom Testgelände Kapani Tonneo nach Tawiwa in die libysche Wüste, wo sie 1981 den Flugbetrieb wiederaufnahm, der aber durch den Beitritt der Bundesrepublik Deutschland zum UN-Raketenkontrollabkommen vor orbitalen Flügen beendet wurde. 1983 wurde das gesamte Material rechtswidrig von Libyen beschlagnahmt, wie zuvor die ausländischen Erdölproduktionsanlagen, die OTRAG verließ das Land, und verlagerte einige Erprobungsaktivitäten nach Schweden. Ohne ihr Fachwissen und die Produktionsunterlagen beschränkte sich das libysche Programm auf das Verschießen der entwendeten Flugkörper und lief nach zehn Jahren aus. Heute besteht die OTRAG in den USA als von Braun Debus Kayser Rocket Science LLC fort und bemüht sich nach der endgültigen Verlagerung ihres geistigen Eigentums aus Deutschland weg aktiv um Investoren sowie die Mitwirkung und Anwendung ihrer erprobten und preiswerten Technologien bei der Neuorientierung des dortigen Raumfahrtprogrammes. Zur Zeit der Desinformationskampagne in den 1980er Jahren überfiel eine von der DDR bewaffnete Bande früherer Katanga-Truppen von Angola aus die benachbarte Provinz Shaba, wobei etwa 2000 Menschen getötet wurden und durch Gewalt und Plünderungen die örtliche Wirtschaft praktisch völlig und nachhaltig zerstört wurde, bis die herbeigrufene Fremdenlegion wenigstens noch die Invasoren wieder vertreiben konnte.

Die Desinformatonskampagne erfuhr praktisch sofort großen öffentlichen Zuspruch im Westen, und besonders auch in der amerikanischen Presse. Nur so konnte sie ihre beabsichtigte Wirkung entfalten, nämlich die Einstellung der Anfang der 1970er Jahre per Ausschreibung intiierten Förderung durch das Bundesforschungsministerium unter sowjetischem und französischem Druck. Die Herkunft der Desinformation erschloß sich dem vorsichtigen und technisch orientierten Leser nur durch zwei deutsch-kyrillisch-englische Transkriptionsfehler des Namens des angeblichen Mitverfassers des Berichtes, P.Q. Mann, und der Firma Messerschmitt-Bölkow-Blohm, die zu P.K. Mann bzw. Messerschmitt-Belkov-Blaum wurden, und ein in für die betroffenen Kulturkreise typisch und deutlich mißverstandenes Erscheinungsdatum einer Zeitschrift. 3. Auswertungsverfahren 63

Ähnlich gab es Fälle einer typischen Umsetzung von Ziffernzählungen (1, 2, 3, 4...) über die kyrillische Alphabetszählung (A, B, V, G,... geschrieben in etwa A, b, B, ,...) und zurück über das lateinische Alphabet (A, B, C, D,...) in eine Zählung, wobei durch das gleiche Bild von kyrillisch V und lateinisch B am Ende 2 = 3 gilt. Diese Hinweise, und die Hintergründe einiger weiterer Affären wie z.B. einer angeblichen Verbindung des auch wegen seiner Booster-Probleme offen von der Sowjetunion kritisierten Shuttle-Fluges STS-8 Challenger mit dem Abschuß der angeblich aggressiv und absichtlich luftraumsouveränitätsverletzend für den CIA spionierenden Boeing 747 KAL007 der Korean Airlines über Sakhalin am 01.09.1983, finden sich in einer im März 1986 durch James Oberg verfaßten, geistreichen Veröffentlichung. Diese, und die Gegendarstellungen der ursprünglich der Geschichte aufgesessenen Publikationen, änderten allerdings in der nicht technisch gebildeten und schnellebigen westlichen Medienwelt nichts mehr an der nun bereits überkommenen Wahrnehmungen, die bis heute unbewußt, bewußt, interesselos oder aus Bequemlichkeit unhinterfragt blieben. [8][71]

Die im vorangehenden Abschnitt aufgeführten Fälle verdeutlichen auch, daß es schwieriger als die technische Klassifikation ist, aus gegebenen Berichten heraus die Frage der Verantwortung für Versagensfälle zu klären. Tiefere Untersuchungen aus erster Hand wären hierzu hilfreich, aber können nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sein. Bestimmte menschliche funktionelle Bestandteile des Raumflugkörpersystems, die in einem juristischen oder disziplinarischen Sinne Verantwortung treffenen können würde, können auch auf eine in der in Kapitel 3.3. aufgezeigten Weisen Einfluß auf die aus dem System tretende Information genommen haben. Nach [37-98] sind auch unbemannte Flugkörper ein Mensch- Maschine-Komplex, was sich in diesem Fall auf die Voyager-Sonden und andere des JPL sowie ihre Bodenkontrolle bezieht, aber auch früher schon zutraf, wie in Kapitel 2.2.1. für den Fall Jupiter-C RS-29 / Explorer 1 gezeigt wurde, und was mit dem daraus in Kapitel 2.2.2. und 2.2.3. entwickelten Systembegriff vereinbar ist. Der letzte Auslöser einer präexistierenden Kette von Versagensereignissen kann dabei ein Mensch sein, wie beim Nedelin-Desaster oder bei Apollo 13, als vom Boden die Empfehlung gegeben wurde, die Rührer in den Tanks mit Flüssigsauerstoff zu aktivieren, was vom Astronaut Swigert wie empfohlen von Hand durchgeführt wurde, und den fehlerhafte Stromkreis aktivierte.

Aus den bisher angeführten Beispielen erscheint die folgende Herangehensweise sinnvoll, die sinngemäß auch für die Zuordnung eines Fehlerereignisses zu den Gruppen System und Fachbereich angewendet wird:

Alle Bestandteile des für die Klassifizierung eines Versagensereignisses betrachteten Raumflugkörpersystems werden ausschließlich nach ihrer momentanen, auf dieses System bezogenen Funktion betrachtet, unabhängig davon, ob sie technischer, tierischer oder menschlicher Natur sind. 3. Auswertungsverfahren 64

Um die Verantwortung bestimmter so betrachteter funktioneller Bereiche des Systems nach den organisatorischen, automatischen und manuellen Vorgängen und Strukturen den vorliegenden Daten angemessen aufzuschlüsseln zu können, wird der Begriff des Verursacherbeitrags eingeführt. Jede organisatorische Unterteilung des für ein Versagensereignis gemäß der Definition aus Kapitel 2.2.2. existierenden Systems kann einen Verursacherbeitrag zu diesem Versagensereignis leisten. Er besteht darin, daß durch eine andersartige Wirkung des betreffenden organisatorischen Teilbereiches des Systems das Versagensereignis nicht oder für das System weniger nachteilig eingetreten wäre. Dafür ist entscheidend, ob zu dem betreffenden Versagensereignis führende Ursachen in dem jeweiligen Bereich der Verantwortung hätten erkannt und behoben oder wirkungsvoll gemeldet werden können, so daß dieses Versagensereignis nicht eingetreten wäre. Erfolgte die Unterbindung in diesem Sinne unbewußt oder bewußt nicht, erfolgt eine Markierung in der betreffenden Spalte. Die Schwere des Versagensereignisses wird getrennt von der Existenz eines Verursacherbeitrages. Dies ermöglicht eine spätere unabhängige Kombination der eingetragenen Daten, und auch eine leichter nachvollziehbare Programmierung der automatisierten Auswertung.

Es werden im Tabellendokument fünf weitere Gruppen von Einträgen zur Zuordnung des Versagens definiert, nämlich Menschliches, Automatisches, Schwere, Wiederherstellung und Kollateralschäden. Folgende Spalten wurden für die ersten beiden Gruppen den bisher vorhandenen hinzugefügt:

Menschliches:

Konstruktion systembezogener, detaillierter Entwurf, Berechnung, Formgebung Testen Durchführung und Möglichkeiten der Erprobung vor einer Flugabsicht Bodenkontrolle über Ferneinwirkung vom stationären auf den fliegenden Systemteil Crew innerhalb des fliegenden Systembestandteils aus eigenem Entschluß Management Verwaltung, Planung, eine Ebene oder mehr vom Produkt entrückt [72] Wissen, Grundlagen- zuvor unbekannte wissenschaftliche oder technische Kenntnis Fertigung Herstellung von Systembestandteilen aus allgemein erhältlichem Material Procedures Festlegung von Verfahrensweisen und Handlungsabläufen für Beteiligte Mensch-Maschine-Inter. Informationsübertragung zwischen Mensch und Maschine im System NN unbekannt oder besonderer Einzelfall mit menschlicher Einflußnahme

Automatisches:

Sicherheitseinrichtung Systembestandteil zur Verhinderung vorhergesehener nachteiliger Abläufe Fertigung mit direktem menschlichen Erkennen und Eingreifen entzogenen Abläufen Verfahren vor der systembezogenen Flugabsicht gewählte technische Funktionsweise NN unbekannt od. besonderer Einzelfall, menschlicher Einflußnahme entzogen

Tabelle 3.11 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung des Verursacherbeitrages 3. Auswertungsverfahren 65

Schwere: selbsterholend kehrt unbemerkt in kurzer Zeit in seinen vorherigen Zustand zurück Back-up ein doppelt ausgelegtes Teil übernimmt Funktion ansonsten unbemerkt wiederhergestellt nach kurzer Zeit dem vorherigen Zustand praktisch gleichwertig beeinträchtigt in geringem Maße vorgesehene Funktionen oder Zeitabläufe erheblich in klaren Auswirkungen auf vorgesehene Funktionen oder Zeitabläufe kritisch stört oder zerstört wichtige vorgesehene Funktionen oder Zeitabläufe Restmissionsverlust führt zu überwiegendem Verlust der vorgesehenen Funktionen Missionsverlust verhindert die Aufnahme der vorgesehene Funktionen und Zeitabläufe Totalverlust gänzlich funktionslos oder zerstört am Beginn des vorgesehenen Ablaufes NN unbekannt

Tabelle 3.12 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung der Schwere des Versagens

Analog zum Verursacherbeitrag wird ein Behebungsbeitrag definiert. Jede organisatorische Unterteilung des für ein Versagensereignis gemäß der Definition aus Kapitel 2.2.2. existierenden Systems kann einen Behebungsbeitrag zu diesem Versagensereignis leisten. Er besteht darin, daß durch die Wirkung des betreffenden organisatorischen Teilbereiches des Systems die Auswirkungen eines Versagensereignisses sich nicht oder für das System weniger nachteilig auswirken. Dafür ist entscheidend, ob die dem betreffenden Versagensereignis folgenden Abweichungen vom vorgesehenen Verhalten in dem jeweiligen Bereich der Verantwortung erkannt, behoben oder wirkungsvoll gemeldet wurden, so daß Auswirkungen dieses Versagensereignisses gemildert werden konnten. Die dem betreffenden Versagensereignis folgende Maßnahme muß von dem jeweiligen Bereich der Verantwortung ausgehen und bezogen auf das betrachtete System so zeitlich unmittelbar und direkt wie möglich wirksam gemacht werden, daß dieses Versagensereignis für das betrachtete System in seinen Auswirkungen klar erkennbar abgefangen oder beseitigt werde. Erfolgte ein Eingriff in diesem Sinne bewußt oder wie vorgesehen, erfolgt eine Markierung in der betreffenden Spalte.

Wiederherstellung:

Automatisch durch ein wie vorgesehen arbeitendes System ohne menschlichen Eingriff Bodenkontrolle durch Mitarbeiter im System außerhalb des im Raum fortbewegten Teils Crew durch die Besatzung an Bord des im Raum fortbewegten Systemsteils Turnaround in der unmittelbar zum nächsten Flug oder Gerät führenden Arbeit NN durch unbekannten Eingriff

Tabelle 3.13 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung des Behebungsbeitrages

Die niedrigere Zahl der vorgesehenen Einträge im Vergleich zum Verursacherbeitrag ergibt sich direkt aus der dokumentierten Beteiligung an der wirksamen Behebung von Versagensereignissen. 3. Auswertungsverfahren 66

Ein Versagensereignis kann Auswirkungen über das betrachtete System haben, was auch als eine momentane Erweiterung des Systems im Moment seines Auftretens verstanden werden kann, die sich danach wieder umkehrt. Diese an sich äußeren Auswirkungen werden im folgenden als Kollateralschäden bezeichnet, wobei insbesondere Lebewesen als in dieser Eigenschaft grundsätzlich außerhalb des rein technisch-funktionell definierten Systems stehend verstanden werden sollen.

Kollateralschäden:

Nutzlast an passiv mitfliegenden Bestandteilen, Oberstufen, Satelliten u. ähnlichem Vehikel am im Raum fortbewegten Systemteil außerhalb seines ursächlichen Teils materiell außerhalb des im Raum fortbewegten Systemteils Tier getötet in Folge eines beabsichtigten Vorhabens getötete Tiere, Anzahl (einmalig) Mensch verletzt in Folge eines beabsichtigten Vorhabens verletzte Menschen, Anz. (einm.) Tod in Folge eines beabsichtigten Vorhabens getötete Menschen, Anz. (einm.) NN unbekannter Art, wenn Auswirkungen über den ursächlichen Teil hinaus

Tabelle 3.14 - Einträge im Tabellendokument zur Klassifizierung von Kollateralschäden

Außer in der Gruppe Schwere sind in allen diesen Gruppen Mehrfacheinträge zulässig. In der Regel trifft die Verantwortung für das Auftreten eines Versagensereignisses, und oft auch die für seine eventuelle Beseitigung, mehr als einen Bereich. Es kann auch mehr als eine der möglichen Schadenskategorien auftreten. Trifft eine Spalte für ein Versagensereignis zu, so wird 1 in das beiden zugehörige Feld des Tabellendokumentes eingetragen, andernfalls bleibt das Feld leer. Der mögliche Sperreintrag 0 für eine in der Quelle ausgeschlossene Beteiligung an der Verantwortung wird hier in beiden Fällen nicht verwendet. Die nicht-Beteiligung an einem Versagensereignis stellt einen Erfolg im Sinne der vorangehenden Definitionen dar, und wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit aus den bisher angegebenen Gründen nicht gewertet. Eine nicht-Beteiligung bei der Behebung eines Versagensereignisses bietet keine weitere nützliche Information in dieser Betrachtung. Abweichend hiervon wird in die Spalten Tier getötet, Mensch verletzt, und Tod die tatsächliche Anzahl der Opfer eingetragen, möglichst bei dem Versagensereignis, das Tod oder Verletzung eigentlich verursacht oder unvermeidlich gemacht hat. Hierbei ist Vorsicht geboten, damit bei Mehrfacheinträgen zu einem Versagensereignis zur korrekten Summierung nur eines als einfach zählbar erkannt werden kann. Traten keine Opfer infolge eines Versagensereignisses auf, bleiben auch diese Spalten leer. Die Gruppe Schwere bezieht sich primär auf die auf das System bezogene Gesamteinschätzung des Versagensereignisses nach der in der Quelle angegebenen Wertung. Sie kann auch über die betroffene funktionelle Einheit nach den Gruppen System und Fachbereich hinausgehen. Die Gruppe Kollateralschäden bezieht sich auf den bewegten Teil des Systems für die Einträge Nutzlast und Vehikel, auf seine unbewegten Teile wie Bodeneinrichtungen und andere, nicht dem System zugehörigen Gegenstände für den Eintrag materiell, und alle betroffenen lebendigen Wesen, einschließlich derer innerhalb des Systems, für die nächsten drei Einträge. 3. Auswertungsverfahren 67

Um die korrekte Zählung der gesammelten Versagensfälle und -ereignisse, der sie betreffenden Flugkörper und ihrer eventuellen Opfer zu ermöglichen, sind noch weitere Einträge nötig. Zusätzlich wurden einige weitere nützliche Einteilungen für weitere Untersuchungen bereits berücksichtigt und mit aufgenommen, da der zusätzliche Aufwand dazu vernachlässigbar war. Diese als Schalter benannten Einträge erlauben es, die wie oben gezeigt, nicht immer klare Trennung von Träger und Nutzlast einzufügen, wenn andere Informationen als der Typ eines Raumflugkörpers es ermöglichen, z.B. der Zeitpunkt im Fluge, an dem ein Versagensereignis auftrat. Andere Einteilungen richten sich nach dem Flugumfeld, im Raume mitbewegten Systembestandteilen biologischer Natur und ihren Erfordernissen, der Wiederverwendbarkeit, besonderen Umständen und dem Ziel interplanetarer Flüge. Folgende Spalten werden in den Gruppen Schalter - Klassifizierung, Schalter - Maskierung, interplanetar und Schalter - Kopplung zu den bisher bestehenden hinzugefügt:

Schalter - Klassifizierung: betiert in dem im Raum fortbewegten Systemteil befinden sich Versuchstiere bemannt in dem im Raum fortbewegten Systemteil befinden sich Menschen

Träger die Hauptfunktion während des Versagensereignisses ist der Transport Nutzlast transportierter oder letzter sich im Raum fortbewegender Systembestandteil atmosphärisch nicht-ballistische Bewegung innerhalb der Atmosphäre vorgesehen suborbital ballistische Bewegung ohne Erreichen der Umlaufbahn vorgesehen

Bodentest es besteht keine Absicht zur Fortbewegung im Raum für den Versuch Experiment Systemteile sind Einzelanfertigungen, zur Forschung oder Erprobung wiederverwendbar nahezu vollständige Wiederverwendung des Flugkörpers ist vorgesehen teilwiederverwendbar Wiederverwendung wesentlicher fliegender Systemteile ist vorgesehen Rückholbar intakte Landung wenigstens eines Systemteils ist vorgesehen

Schalter - Maskierung:

Mehrfacheintrag - ...... - Startzahl anderer Eintrag existiert für den diesen Versuch bzw. Flugkörper ... - spezifischer Fehler anderer oder besserer Eintrag existiert für dieses Versagensereignis Nutzlast...... durch Startversager zerstört oder anders unerprobt belassen

Tabelle 3.15 - Einträge im Tabellendokument zur Unterstützung der Auswertung (1/2) 3. Auswertungsverfahren 68

interplanetar:

Mond ist ein vorgesehenes Ziel des Fluges Venus ist ein vorgesehenes Ziel des Fluges Mars ist ein vorgesehenes Ziel des Fluges, oder einer seiner Monde Merkur ist ein vorgesehenes Ziel des Fluges Jupiter ist ein vorgesehenes Ziel des Fluges, oder einer seiner Monde Saturn ist ein vorgesehenes Ziel des Fluges, oder einer seiner Monde Uranus; Neptun einer ist bzw. beide sind vorgesehene Ziele des Fluges, oder e. ihrer Monde Kleinkörper Kleinplaneten, Kometen sind ein vorgesehenes Ziel des Fluges; nicht-Mond

Schalter - Kopplung:

Lebenserhaltung-...... -ssystem für Besatzung zeigte Fehler (irrelevant oder nicht vorhanden bei unbemannter Mission mit selbem Zweck)

Tabelle 3.16 - Einträge im Tabellendokument zur Unterstützung der Auswertung (2/2)

Allgemein sind Mehrfachnennungen in diesen Gruppen möglich, soweit sie sich nicht logisch ohnehin ausschließen. Eine suborbitale Marsmission ist z.B. durchaus denkbar, wenn der Start vom Mars aus erfolgt, aber die oben zusammengefaßt dargestellten Einträge der Gruppe Schalter - Klassifizierung schließen einander teilweise aus.

Den Umfang des Tabellendokumentes mit diesen Einträgen zeigt die folgende Tabelle. Nach der erfolgten Klassifizierung aller in der Literaturrecherche gefundenen Versagensereignisse wird der bisher belegte Bereich als eingefroren betrachtet.

von 255 Blättern zu je 32000 Zeilen und 256 Spalten Zeilen Spalten Einträge Blatt 1, Auswertung 5602 121 677842 Blatt 1, bereits für allgemeine Rechnung reserviert (s. Kap. 4.) 5602 19 106438 Blatt 1, frei verfügbar für Ergänzungen in der Auswertung 5602 116 649832 Blatt 1, noch für die automatisierte Auswertung verfügbar 26398 256 6757888 Blatt 2 bis 255 nicht verwendet (siehe Kapitel 4.1.1.) 32000 256 2072576000

Tabelle 3.17 - Zustand des Tabellendokumentes nach Auswertung und Klassifizierung 4. Rechnungsverfahren 69

Zur Erhebung von Daten für die Fehlerkontrolle und innere Statistik des Tabellendokumentes an sich wurden zunächst alle nach dem ermittelten Datum eingefügten Spalten und Gruppen jeweils einzeln und unabhängig voneinander summiert, und die daraus erhaltenen Summen zusammengefaßt zu einem Rohdaten-Summenblock. Da die meisten dieser Angaben wegen des fehlenden Ausschlusses von Doppeleinträgen zu einem Versagensereignis und Mehrfacheintragen zu einem oder Gruppen von Raumflugkörpern an sich aussagelos sind, wird hier auf eine weitere Darstellung verzichtet. Die folgende Tabelle enthält einen Überblick über den Umfang der zur rechnerischen Auswertung verfügbaren Datenmenge:

Eintrag Bemerkung Anzahl gezählte Starts 39675 gezählte Starts ohne Einsatz A4, Fi-103 16445 unspezifizierte Startzahl, mindest- bzw. Einträge 159 gezählte Fehlerzahl Versagensereignisse 106944 gezählte Fehlerzahl ohne Einsatz A4, Fi-103 Versagensereignisse 30425 unspezifizierte Fehlerzahl, mindest- bzw. Einträge Versagensereignisse 232 unerprobt zerstörte Flugkörper 106 gezählte Starts ohne Fehlermeldung, mit aufgenommene Kollateralinformation 22771 Unspezifizierte Startzahl ohne Fehlermeldung, mit aufgenommene Kollateralinformation 98 gezählte bemannte Starts 3733 gezählte Bemannte Fehler Versagensereignisse, mit oder ohne Verursacherbeitrag der Crew 8333 gezählte bemannte Starts ohne Fehlermeldung, mit aufgenommene Kollateralinformation 3447 bemannte Raumschiffstarts 229 bemannte Raumschiff-Fehler Versagensereignisse 3268 bemannte Raumschiffstarts ohne Fehlermeldung, mit aufgenommene Kollateralinformation 125 in System und Fachbereich klassifizierbar Versagensereignisse 2998 in System und Fachbereich klassifizierbar voll nutzbar von 5602 Zeileneinträgen 53% Mehrfachnennung des selben Flugkörpers 2601 Mehrfachnennung eines Versagensereignisses Versagensereignisse 516

Tabelle 4.1 - Gesamtzahl der aufgenommenen Einträge nach Flugkörperart und Versuchszählung 4. Rechnungsverfahren 70

Über die Hälfte der Zeileneinträge enthält prinzipiell nutzbare Daten. Der tatsächliche Anteil an den ausgefüllten Zeilen ist etwas höher, da einige Leerzeilen zur Strukturierung enthalten sind. Der jeweilige Anteil der Mehrfacheinträge zeigt, daß die verwendete Literatur technisch noch nicht stark überlappend ausgewählt war, aber durchweg detailreiche Informationen zu einzelnen Flugkörpern geliefert hat, und bereits eine gute redundante Abdeckung der öffenlich nachvollziehbar und ausführlich dokumentierten Versuche bietet.

Besonders zu beachten ist hier, daß Start gleichzusetzen ist mit beabsichtigtem Versuch, und sich die scheinbar hohe Anzahl bemannter Starts auch durch Flüge der X-Serie und bestimmte Bodenversuche im definierten Systembereich erklärt. Weiterhin sind, wie in Kapitel 3.2.2. erwähnt, Sammeleinträge für mehrfach identisch aufgetretene Versagensfälle und Versagensereignisse möglich, was unter anderem die hohe insgesamt gezählte Fehlerzahl erklärt.

Aus diesen Daten und den Zahlen der Summierungen lassen sich, abgesehen von groben relativen Verhältnissen, keine weiteren Erkenntnisse gewinnen, da die Probe nicht repräsentativ angelegt ist, summarische Mehrfacheinträge enthält, die nicht prinzipiell gleichartig verteilt sind, und durchaus ein fehlerbehafteter Versuch in einer weniger ausführlichen Quelle meldungsfrei erwähnt wird. Sie läßt jedoch den Umfang des mit einer relativ kompakten, historisch orientierten Literaturprobe abgedeckten Bereichs erkennen. Im folgenden werden aus den in Tabelle 4.1 gegebenen, allgemeinen Werten überwiegend die Anzahlen der gezählten Starts und Fehler verwendet werden.

Zur Analyse der gesammelten Daten nach Ursache und Verantwortlichkeit wurde an den bisher bestehenden Teil des Tabellendokumentes zwei weitere, jeweils 6060 Zeilen lange Blöcke jeweils gleicher Grundstruktur angefügt. Sie enthalten zuerst jeweils 5592 Zeilen, die direkt mit den Zeilen der Versagensereigniseinträge im Daten- und Auswertungsblock korrespondieren. Jede Zeile des jeweiligen Blockes enthält nach zwei Zählerspalten zur Nummerierung und leichteren Nachvollziehbarkeit zunächst zu jeder möglichen Gruppenkombination System - Fachbereich bzw. Menschliches - Wiederherstellung und Automatisches - Wiederherstellung eine Spalte, also 180 bzw. 70 Einträge. Dem ersten Block ist eine zusätzliche Spalte für in jeder der Gruppen System, Fachbereich, Menschliches und Automatisches als unbekannt NN markierte Versagensereignisse angefügt, und acht Spalten zur Zählung der besonderen Betriebsumstände zerstört durch Trägerversagen, Trägerversagen mit Nutzlastkollateralschaden, Fehler im Lebenserhaltungssystem, Nutzlastverlust durch Trägerversagen mit Nutzlastkollateralschaden, Fehler im Lebenserhaltungssystem, nur Versuchstier, Versuchstiere getötet, Menschen verletzt und Menschen getötet. Dem zweiten Block angefügt sind zehn weitere Spalten zu den jeweils fünf möglichen Kombinationen des Schalters Lebenserhaltung und den in jeder der Gruppen System, Fachbereich, Menschliches und Automatisches als unbekannt NN markierten Versagensereignissen mit den Einträgen der Gruppe Wiederherstellung, sowie fünfzehn Spalten für die Einträge der Gruppen Menschliches und Automatisches und des Schalters Lebenserhaltung ohne eine gegenseitige Verknüpfung. 4. Rechnungsverfahren 71

Die zweidimensionale Abbildung der dreidimensionalen Kombinationsmatrizen mit Ordungs- und Ergänzungsdaten umfaßt also insgesamt 192 bzw. 99 Spalten, also 1073664 bzw. 553608 Felder, wovon nach Aussonderung der nicht vorkommenden Kombinationen 964712 bzw. 514464 besetzt sind. Jedes der eigentlichen 1479176 Gruppenkombinationsfelder ist mit einer Gleichung des folgenden grundlegenden Aufbaus besetzt:

Feldwert(Kombinationsspalte:Zeile)

=

Feldwert(Spalte_aus_Gruppe_1:(Zeile-Blockoffset))

*Feldwert(Spalte_aus_Gruppe_2:(Zeile-Blockoffset)) ··· *Feldwert(Spalte_aus_Gruppe_n:(Zeile-Blockoffset))

*(1-Feldwert(Spalte_von_Schalter_Mehrfacheintrag_-_spezifischer Fehler:(Zeile-Blockoffset))

*(1-Feldwert(Spalte_von_Schalter_2:(Zeile-Blockoffset)) ··· *(1-Feldwert(Spalte_von_Schalter_m:(Zeile-Blockoffset))

*Feldwert(Spalte_aus_Gruppe_Schwere:(Zeile-Blockoffset))

*Feldwert(Spalte_geflogen:(Zeile-Blockoffset))

Der Term Zeile-Blockoffset entspricht der relativen Adressierung der Zeile, wodurch ermöglicht wird, eine einmal erstellte Musterzeile durch einen einzigen Kopiervorgang pro Block die gesamte Kombinationsmatrix zu besetzen. Die erste Musterzeile selbst kann so ebenfalls fast gänzlich durch mehrfaches Kopieren eines Gruppenblockes aus einem einzigen Eintrag der Gleichung erstellt werden. Die Form der Multiplikation als äquivalent der logischen Und-Verknüpfung wurde gewählt, da sie die Möglichkeit der späteren Nutzung von anteiligen Flugzahlen, z.B. über die Spalte %anteil oder aus weiteren Rechenschritten, nicht verschließt und die direkte Einrechnung der unter geflogen vermekten Versuchszahl leicht ermöglicht. Außerdem erwies sie sich zur Laufzeit als schneller als teilweise logische Abfragen. Aus diesem Grund wurden auch nach der Erstellung der Musterzeilen alle Spaltenadressierungen absolut, also für die verwendete Tabellenkalkulation mit vorangestelltem $ eingesetzt, da sie die weitere Kopierbarkeit der Musterzeile in Zeilenrichtung nicht beeinflussen. Der oben geschriebene : wird in der Befehlssysntax nicht verwendet, da Spalten als Buchstabenzählung und Zeilen in Ziffernzählung adressiert werden. Die Zahl n der kombinierten Gruppenspalten betrug in den durchgeführten Rechnungen in den meisten Kombinationsspalten 2, gelegentlich auch 4 oder 5 für die Kombinationen mit vierfach als unbekannt NN eingetragenen Versagensereignisse, die Zahl m der Schalter 1 oder 2, und eine Rohdaten-Kontrollrechnung wurde ohne die Terme der Schalter und der Gruppe Schwere durchgeführt. 4. Rechnungsverfahren 72

In jedem Block folgen diesen Kombinationsmatrizen drei Summenzeilen für die Gesamtsummen der einzelnen Kombinationen und die beiden Gruppensummen mit insgesamt 218 bzw. 119 Summengleichungen. Durch eine unterschiedliche Adressierungsweise und die Summierung auch der leeren Kombinationsspalten wurde auch hier eine implizite Fehlererkennung fast ohne zusätzlichen Rechenaufwand eingeführt. Während der Rechnungen konnten so noch drei bisher unentdeckte Auslassungen und zwei einzelne Feldverschiebungen entdeckt und in den betreffenden Ergebnisauszügen und der Gesamtrechnung korrigiert werden. Sechzehn besondere oder umfangreich dokumentierte Flugkörpertypen und -familien, deren Beschreibung in Kapitel 5 folgt, wurden für die Möglichkeit einer weiteren Untersuchung ausgewählt. Ihre Daten aus verschiedenen Erprobungs- und Einsatzphasen wurden jeder Kombinationsmatrix nach ihrem Summenblock noch jeweils 126 weitere, über die geeignet gewählte Addresierung abschnittsweise beschränkte Summierungsblöcke von identischer Struktur angefügt. Die Gesamtsummierung für jede der sechzehn Gruppen wurde wiederum mit einer impliziten Fehlererkennung ohne zusätzlichen Rechenaufwand versehen. Diese Aufteilung wurde bewußt detaillierter als nötig angelegt, da der Zeitbedarf für die Rechnung wesentlich länger war als der der Erstellung der einmal eingefügten Gleichungen für die Typenauszüge und ihre einmal pro Ergebnisauszug anfallende Übertragung in eine Tabelle. Der gesamte Summierungsteil liefert damit 42799 einzelne Werte aus ebensovielen Gleichungen, deren bei jedem Rechenvorgang insgesamt zu bearbeitende Anzahl damit 1521975 beträgt.

Die Erstellung und Veränderung des Gleichungssystemes, die Bearbeitung eines Rechnungslaufes und die Übertragung der Ergebnisauszüge benötigte mit den zur Verfügung stehenden Mitteln etwa 24 Stunden, wovon im Mittel etwa dreizehn Stunden bei konstant 99% Prozessorauslastung auf die Erstellungszeit der Kombinationsmatrizen mit den beiden flächenhaften Kopiervorgängen entfielen. Aus diesem Grund wurde nur eine sehr beschränkte Zahl von Rechenläufen durchgeführt und die Zahl der Ergebnisauszüge möglichst hoch gewählt. Da die eigentliche Rechenzeit klein gegenüber dem Gesamtzeitbedarf ist, ist es prinzipiell aber möglich, nahezu beliebig komplizierte Abfragegleichungen aufzustellen, und auch nach der einmal erfolgten Erstellung kleinere Korrekturen durchzuführen. Derzeit liegt die praktische Begrenzung zu gleichen Teilen in der begrenzten Rechenleistung und nutzbare Speicherkapazität der verfügbaren PCs und ihrer Betriebssysteme. Die Größe eines vollständig erstellten Tabellendokumentes für eine einzige Rechnung beträgt 121 MB im einfachsten Fall der reinen Rohdatenübersicht ohne Ausschluß von Mehrfacheinträgen durch Schalter. Für die zur eigentlichen Auswertung durchgeführten Rechnungen sind die jeweiligen Tabellendokumente 187 MB groß. Nur etwa 13 MB davon entfallen auf die Literatur-, Auswertungs- und Rahmendaten der Musterdatei, aus der die Tabellendokumente für jeden Rechengang durch Modifikation der in einer Zeile vorbereiteten Gleichungen erstellt werden. Die eigentlichen Literatureinträge und die Auswertungsspalten umfassen hier und im älteren StarOffice/2 4.0 nur knapp 2.6 MB. Während der Erstellung und des Rechnungslaufes wird vom hierfür verwendeten StarOffice 5.2 SP3 for Windows etwa das neunfache der Größe des Tabellendokumentes an freiem Laufzeitspeicher benötigt, in diesem Fall insgesamt 1.65 GB, 4. Rechnungsverfahren 73 wovon nur etwa 1.5 bis 2% auf den Eigenbedarf des Programmes selbst entfielen. Dies gilt für ein Tabellendokument mit nur einem Blatt; komplizierter strukturierte Dokumente benötigen relativ mehr Speicher. Andere ähnliche Programme können deutlich mehr Speicher für die selbe Aufgabe bzw. Dateigröße beanspruchen. Die Begrenzung für die meisten überhaupt geeigneten Programmpakete liegt nach wie vor bei 2 GB, auch wenn moderne Betriebssysteme wie OS/2 oder WindowsXP bis zu 4GB verwalten könnten. Es wurde ein System mit 1.5 GB bzw. nach einem Ausfall 1.25 GB installiertem RAM, dem maximal möglichen virtuellen Auslagerungsspeicherraum von 4 GB, und einem 1.4 GHz-Prozessor AthlonXP1600+ verwendet. Die Notwendigkeit zur virtuellen Speicherauslagerung stellte dabei keine zeitliche Verzögerung dar, da während ihrer Nutzung die Prozessorauslastung nicht unter 99% sank. Für auszugsweise Nachrechnungen oder spezielle Fragestellungen läßt sich durch die relative Adressierung jedoch auch nur ein Teil der Kombinationsmatrizen besetzen, wodurch ein etwas geringerer Zeitaufwand bei der Erstellung anfällt. Im Gegensatz zu einer üblichen Datenbankanwendung ist außerdem bei kleinen Änderungen keine vollständige Neuberechnung nötig, die jedes mal einen ähnlichen Zeitbedarf hätte wie die einmalige Erstellung der Kombinationsmatrizen bei dieser Arbeitsweise.

Es wurde zur Gewinnung von Vergleichsdaten und zur Erprobung des Verfahrens mit voll besetzten Kombinationsmatrizen zunächst eine Rohdatenrechnung ohne Ausschluß doppelter Nennungen durchgeführt. [A.6] Die eigentlichen Rechnungen für Ergebnisauszüge umfaßten eine Gesamtrechnung ohne Aufschlüsselung nach der Gruppe Schwere - Tabelle 6.1 - und jeweils eine Rechnung zu jeder der neun definierten Abstufungen in dieser Gruppe durchgeführt. Dazu kamen noch Erprobungsläufe und erneute Rechnungen mit den erwähnten korrigierten Daten.

Von den so erhaltenen 1397 Ergebnisauszügen der Summierungsblöcke wurden 320 von vornherein ausgesondert, da sie leer waren, oder keine Informationen von Interesse für die vorliegende Arbeit bieten, z.B. Rohdaten enthalten oder ausschließlich Versagensereignisse umfassen, von denen lediglich ihr Auftreten bekannt ist. Von den verbleibenden 1077 Ergebnisauszügen sind 373 unbesetzt, da die ausgewerteten Daten für den jeweiligen Ausschnitt von Flugkörper und Entwicklungsphase keine Versagensereignisse einer Abstufung der Gruppe Schwere enthalten. Die verbleibenden 704 Ergebnisauszüge mit jeweils bis zu 336 Zahlenwerten wurden zur Erzielung einer leichten, an der visuellen Wahrnehmung orientierten manuellen Auswertung in einseitige Tabellen einheitlicher Form umgesetzt, die identisch mit den Tabellen 6.1 bis 6.3 ist.

Der Inhalt dieser Tabellen stellt die Gesamtsummierung aller insgesamt bzw. für einen gewählten Ausschnitt der Daten erfaßten Versagensereignisse und alle oder die gewählte Abstufung der Gruppe Schwere unter Ausschluß von Doppelnennungen dar. Einträge, deren Summe = 0 ist, werden ganz freigelassen. Für die besetzten Felder gibt die Anzahl der Stellen eines Eintrages sofort einen logarithmischen visuellen Eindruck der Häufigkeit der jeweiligen Gruppenkombination System - Fachbereich bzw. Menschliches - Wiederherstellung und Automatisches - Wiederherstellung im betrachteten Ausschnitt der gesammelten Daten. 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 74

Aus den zur Verfügung stehenden Quellen wurden sechzehn Flugkörpertypen und -familien für die Erstellung von Ergebnisauszügen ausgewählt. Kriterien für diese Auswahl waren zuerst die Vollständigkeit und Detailliertheit der Beschreibung von Versagensereignissen, eine möglichst hohe Anzahl an Versuchen, um zeitliche Veränderungen erkennen zu können, eine besondere Bedeutung für die Entwicklung der eigentlichen Raumfahrt, und dann auch das besondere Interesse, das einige in der Öffentlichkeit finden. Sie seien mit Hinblick auf ihre Entwicklung und die zugrundeliegende Datenbasis kurz beschrieben, wobei auf die unbekannteren Typen etwas tiefer eingegangen wird. Weitere Informationen finden sich in den Quellen oder [8].

Die Ba-349 war ein bemannter, nach Art einer Flugabwehrlenkrakete senkrecht von einer Lafette sprungstartender Abfangjäger mit Raketenantrieb. Sie wurde von einer Idee Bachems im August 1944 ausgehend zunächst als BP-20 bis zum Kriegsende in Europa am 08.05.1945 entwickelt und sollte 16 km Höhe und 1420 km/h erreichen, um alliierte Bomber über Deutschland nach einem radargeführten Aufstieg mit einem Salvenschuß ungelenkter Raketen aus einem Werfer im Bugkonus abzufangen. Bei einer Spannweite von 4m und einer Länge von 6m stellte sie einen sehr kompakten Flugkörper dar. Der Heckteil mit der wertvollen Steuerungsanlage, die vom A4 übernomen war, und dem Flüssigraketentriebwerk HWK 109-509, das auch im Raketenjäger Messerschmitt Me-163 Komet verwendet wurde, konnte am Fallschirm geborgen, instandgesetzt und wiederverwendet werden. Die Lafette stammte von der in der Erprobung befindlichen Flugabwehrlenkrakete Henschel Hs-117 Schmetterling, die Funkmeßgeräte der konventionellen Flak und den unbemannten Lenkraketenprogrammen. Nach dem Einsatz wurde der leergeschossene Bugkonus mit dem Bewaffungsträger und der Kabine abgesprengt, und der Pilot sprang mit dem Fallschirm ab. Zum Start dienten erstmals bei einem bemannten Gerät vier Feststoffbooster. Zehn Sekunden nach ihrer Zündung waren bei ihrem Abwurf 220 m/s und 1180 m Höhe erreicht. Die Steigzeit auf 12km Höhe betrug gut eine Minute, nach der noch vier Minuten Kampfzeit verblieben. Es wurden ab dem 03.11.1944 bis zum 10.04.1945 etwa 25 Versuche durchgeführt. Einer davon war der Flug des zuvor als Transportflieger der Eliteeinheit KG200 wegen eines Wachvergehens degradierten Freiwilligen Lothar Siebert mit der Ba-349 BP-20 M23 am 01.03.1945. Er kam bei diesem Flug ums Leben, da er gegen den Rat der Techniker die automatische Aufstiegssteuerung deaktivierte und in einer niedrigen Wolkendecke die Orientierung verlor. Dieser Flug war der erste bemannte senkrechte Raketenstart, bei dem Sieber möglicherweise noch im sich abflachenden Aufstieg, fast sicher aber im fallenden Bahnteil als erster Mensch vor Zeugen die Schallmauer durchbrach, wobei die Ba-349 vermutlich nicht mehr aerodynamisch steuerbar war. (Es gibt einige Pilotenberichte, die vermuten lassen, daß dies schon früher mit Me-262 Düsenjägern im Fluchtsturz unter Vollschub geschah, was jedoch nur durch die dokumentierten Flugwerksschäden und von den betreffenden Piloten selbst schlüssig und unabhängig berichteten Flugverhaltensänderungen untermauert wird.) Mitte April 1945 wurde die Fertigung in die Alpenfestung verlagert, wo bis zum Abbruch durch das Kriegsende noch neun Einsatzmaschinen und weitere Bauteile der Typen Ba-349 A bis C 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 75 fertiggestellt wurden, während im Raum Stuttgart bereits Startrampen für den Einsatz ab dem 10.05.1945 im Bau waren, die aber von der Front überrollt wurden. Verkleinerte Versionen wurden in Peenemünde erprobt. Ein erbeutetes Einsatzexemplar wurde im Juni 1946 in Muroc Dry Lake, heute Edwards AFB, unbemannt getestet. Die wegen des mangelnden Vertrauens in die deutschen Techniker eingebaute amerikanische Fernsteuerung arbeitete nicht wie erwartet: Die Natter ging in einen nahezu schallschnellen horizontalen Rückenflug über und stürzte nach 30km leergeflogen in einen drugstore bei Las Vegas, wo es einige Verletzte gab. Das nächste praktisch realisierte Fluggerät mit einer ähnlichen Grundauslegung - bemannt ohne Rettungskapsel, teilwiederverwendbar, Flüssigmarschtriebwerk und Feststoffbooster - war gut dreißig Jahre später das STS. Das Risiko eines bemannten Fluges war dem der ersten Raumschiffe Vostok oder Mercury vergleichbar, da alle Funktionen bei Kriegsende recht ausgereift waren und bis auf die Träger-Wiederverwendung an sich einigermaßen zuverlässig funktionierten.

Erstmals wurden mit der Ba-349 folgende Eigenschaften und Fähigkeiten realisiert:

- Teilwiederverwendbarkeit - bemannter Senkrechtstart - Träger-Nutzlast-Trennung - planmäßige Landung durch Ausschuß aus dem Restflugkörper (wie bei Vostok) - die Kombination Flüssigmarschtriebwerk und Feststoffbooster - Senkrechtstart mit Booster; Serienkonstruktion mit Bänderfallschirm - Raketensalvengeschütz - Verwendung von Strahlrudern für ein bemanntes Gerät vorgesehen und in mindestens einem erhaltenen Exemplar realisiert - integrierte Anwendung eines Leitradarsystems im Startkomplex eines bemannten Geräts - Höhen- und Quer(!)ruder-Kreuzleitwerk.

Die ausgewerteten Quellen über die Flugversuche sind wahrscheinlich vollständig und relativ detailliert in der Beschreibung der Versagensereignisse. Der Verbleib mehrerer Flugwerke ist ungeklärt. Möglich ist eine Zerstörung vor der Übergabe an die Alliierten, der Abtransport in die Sowjetunion und eine spätere Verwendung dort ist in einigen Fällen aber nicht auszuschließen. [43] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Schleppflugphase; Boosterflug ohne Walter-Triebwerk; Voller Antrieb; Mini-Nattern; Alle.

Das Navaho-Programm geht auf das geflügelte Peenemüder A4b zurück, das über mehrere Studien und Versuchsraketen bei North American ab 1946 weiterentwickelt wurde. Kurz nach dem Beginn des Koreakrieges wurde im Juli 1950 unter der Bezeichnung Weapon System WS-104-A eine Anforderung für einen atomar bewaffneten Lenkflugkörper interkontinentaler Reichweite herausgegben. Ab Dezember 1950 wurde der 16 t schwere unbemannte flugzeugartige Testflugkörper X-10 mit normalem Düsenantrieb entwickelt. Mit einer erreichten beim Flugende noch ansteigenden Reiseflug-Machzahl von 2.1 war die X-10 bereits im Reiseflug schneller als die 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 76 kurzzeitige Höchstgeschwindigkeit aller damals existierenden Jagdflugzeuge, und das schnellste nicht raketengetriebene Fluggerät der Welt. Die Erprobung der X-10 lief vom 03.09.1953 bis 26.01.1959, und überlappte sich teilweise mit der der Zwischenversion G-26 vom 06.11.1956 bis 18.11.1958, die bereits die wesentlichen Charakteristika der geplanten Einsatzversion G-38 aufwies: Senkrechtstart auf einem Flüssigraketenbooster, Staustrahlantrieb für eine Reiseflug- Machzahl von 2.75 in einer Höhe von 16 bis 24 km, und stellar unterstützte Trägheitsnavigation mit einem Digitalcomputer-Autopiloten. Da Navaho als die sichere und konservative Alternative zu den heute üblichen ballistischen Interkontinentalraketen galt, wurden viele Komponenten, die alle Systeme gemeinsam hatten, besonders in der Antriebs- und Navigationstechnik, in der Zeit nach dem Koreakrieg bis zum Sputnik-Schock über das Navaho-Programm finanziert, bis die Raketenprogramme endlich wieder die nötigen Mittel erhielten. Die moderne Technik der Trägheitsnavigation geht ebenso auf Navaho zurück wie alle großen amerikanischen Flüssigkeitsraketenantriebe bis zu denen der und des Shuttle. Die besonderen Anforderungen durch die anfänglich kleine Sprengkraft früher Atomwaffen erzwangen dabei eine hohe Präzision in der Flugführung über mehrere Stunden, deren Erreichen die geplanten Interkontinentalraketen überhaupt erst machbar erscheinen ließ. Fünf strategische Raketensysteme stützten sich ausschließlich auf die mit Navaho erarbeitete Technologiebasis. Navaho hatte erstmals die heute noch z.B. im Eurofighter verwendete - Planform, das Huckepack-Arrangement des Shuttle, modulare und digitale transistorisierte Avionik, ein Flugwerk aus Stahl, Titan und Aluminiumwabenstrukturen, schwenkbare Raketenantriebe, chemisch gefräste Strukturen und mit Helium-Lichtbogenschweißen gefertigte Verbindungen. Die Erprobungsflugkörper X-10 und G-26 waren voll wiederverwendbar.

Die Aufstellung der Versuche, Flüge und Flugkörper in den ausgewerteten Quellen ist vollständig und zum Teil sehr ausführlich. [14][36] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: X-10 1.-10. Flug; X-10 11.-21. Flug; X-10 22.-32.Flug; G-26 vor Flug; G-26 1.-5. Flug; G-26 6.-11. Flug; Alle.

Während Navaho nach dem Erfolg der ballistischen Interkontinentalraketen zu einem Technologieprogramm umgewidmet wurde, ergab sich aus der zunehmenden Bedrohung der U-2- Spionageflugzeuge durch die sowjetischen Fortschritte in der Luftabwehrraketentechnik die Notwendigkeit einer Fortentwicklung, die zunächst die einsitzige A-12 des CIA und die späteren, zweisitzigen und etwas weniger leistungsfähigen Varianten der SR-71 für die USAF ergab. Nach dem Abschuß von Francis Gary Powers' U-2 über Sverdlovsk im Jahre 1960 wurden bemannte Überflüge über die Sowjetunion politisch untersagt, und auch zum Teil von den langsam anlaufenden Spionagesatelliten ersetzt. Für nicht vorhersagbare Spionageflüge war das Flugzeug jedoch nicht zu ersetzen. Daher wurde unter der Tarnbezeichnung Tagboard mit der Technologie der A-12 (Tarnname Oxcart) ein unbemannter und autonom navigierender Flugkörper entwickelt, die D-21. Als Antrieb wurde aus dem Bomarc-Programm das Marschtriebwerk dieses Flugkörpers, ein Staustrahltriebwerk, übernommen und geringfügig angepaßt. Die D-21 wurde von einer modifizierten A-12 huckepack, und später als D-21B mit einem zusätzlichen Feststoffbooster auch von einer ebenfalls modifizierten Boeing B-52H gestartet, um politisch unzugängliche und intensiv 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 77 luftverteidigte Gebiete zu überfliegen. Wie bei der Ba-349 wurde die teuren Bauteile mit den Filmen zur Bergung abgeworfen und der Rest das Flugwerkes zerstört. Die nur 13 m lange, 5.8 m spannende, und knapp 5t schwere D-21 erreichte eine Reichweite von über 3000 NM (5556 km) im Reiseflug in 85 bis über 95 kft (28956 m) Höhe mit Mach 3.25 bis über Mach 3.35. Die Genauigkeit der voll autonomen Trägheitsnavigation betrug 3 bis 5 km über die angetriebene Flugphase und 4.7 NM (8.7 km) über den gesamten Flug von 18 Stunden und 35 Minuten, einschließlich Tragflug zum Startgebiet. Es gab von 1969 bis 1971 vier Einsatzflüge über China, von denen einer nach einem verpaßten Wendepunkt in die Sowjetunion weiterflog, zwei nach einer erfolgreichen Mission mit dem Verlust der Nutzlast durch den Bergeversuch endeten, und der letzte über einem stark verteidigten Gebiet verschollen blieb, wonach wegen Nixons Annäherung an China das Programm vor einem weiteren Einsatz abgebrochen wurde. Die in der Sowjetunion aufgefundenen Strukturteile und die in ihnen rekonstruierbare Stealth-Technik der 1960er Jahre führten später zur Unterschätzung der revolutionär moderneren F-117 Nighthawk des selben Herstellers. Die verbleibenden 17 der 50 für insgesamt nur $31 Millionen gebauten Flugkörper wurden wegen ihrer SR-71-artigen Formen 1977 zufällig von Flugzeugenthusiasten in einem Hangar der Endlagerbasis Davis-Monthan AFB entdeckt, was der erste öffentliche Hinweis auf die Existenz des Programmes war.

Die Daten über die Flüge und Flugkörper in den ausgewerteten Quellen sind vermutlich einigermaßen vollständig, aber die Versagensereignisse nur mäßig detailliert beschrieben. [20][42] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: D-21 4 Flüge; D-21B 7 Testflüge und aborts; D-21B operationelle Testphase, 5 Flüge mit 1 Test; Alle.

Nach längeren Studien über ein voll verwendbares Raumtransportsystem wurde Ende der 1960er Jahre die Entwicklung des heutigen Space Shuttle begonnen. Die voll wiederverwendbare Erststufe und der interne Treibstoff der zweiten Stufe, des Orbiters, wurde bald aus politischen und kurzfristigen finanziellen Überlegungen durch einen nur einmal verwendbaren Externen Tank (ET) und zwei auf eine begrenzte Wiederverwendbarkeit hin zu konstruierende Feststoffbooster (SRB) ersetzt. Diese Konfiguration wurde faktisch in den verantwortlichen Haushaltsausschüssen festgeschrieben, die auch die Finanzierung der Baugruppenerprobung begrenzten, was zu langen Verzögerungen bei ihrer Entwicklung führte, so daß es nach den Flügen des atmosphärischen Versuchsträgers Enterprise erst 1981 zum Erstflug kam. Seitdem haben die Orbiter des STS, Columbia, Challenger, Discovery, Atlantis und Endeavour bis Mitte 2005 insgesamt 115 Raumflüge durchgeführt, die höchste Startzahl eines bemannt startenden Systems. Hinzu kommen fünf Startabbrüche kurz vor dem Abheben und acht bemannte atmosphärische Gleitflüge des bemannten Versuchsflugkörpers Enterprise. Im Flugbetrieb gingen die Orbiter Challenger (STS-25 (51-L), 28.01.1986) und Columbia (STS-107, 16.01.2003) durch Einwirkung der nicht- wiederverwendbaren Teile SRB bzw. ET verloren. 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 78

Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind einigermaßen vollständig und zum Teil sehr detailliert. Über die Unfälle liegt sehr detailliertes, aber nicht vollständig ausgewertetes, zusätzliches Material zur Ergänzung vor. [7][8][9][10][14][15][18][23][25][29][32][35][36][37][38][54][59][58][60] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Vor Raumflug; STS-1..4 Erprobungsphase; STS-5..9 bis 1984; STS-10..25 bis Jan1986, bis einschließlich Challenger; STS-26..50 1988 bis 1992; STS 1993 bis 1997; STS 1998 bis 2002; STS 2002 bis; Alle Flüge.

Ab den 1920er Jahren wurden bemannte Höhenballonflüge zu Forschungszwecken und für die Rekordjagd durchgeführt. Höhenballone stellten außerdem das einzige Mittel zur Erprobung von Geräten unter annähernden Weltraumbedingungen über eine längere Zeit dar, und wurden daher bemannt und in einer Vielzahl von Programmen zu diesem Zweck verwendet. Unbemannte Höhenballone werden seit dem 19.Jahrhundert bis heute in der meteorologischen und astronomischen Forschung verwendet. In den gesamten 1950er Jahren wurden außerdem hunderte zur Luftspionage über der Sowjetunion und ihren Gefolgsstaaten eingesetzt, bis sie von Flugzeugen und später Satelliten ersetzt wurden. Die Entwicklung der bemannten Ballondruckkabinen führte direkt in die Entwicklung der ersten Generation der sowjetischen Raumkapseln, und auch in den USA gab es in den 1950er Jahren ein bemanntes Ballonprogramm zur Erprobung von Techniken für die Höhenflugzeuge U-2, A-12 und SR-71 sowie das Mercury-Programm, das auch bei medizinischen Verfahren auf die mit Ballonen und diesen Flugzeugen aufgebauten Erfahrungen zurückgriff, besonders bei der Auswahl des fliegenden Personals.

Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind für die bemannten Höhenballone vermutlich einigermaßen vollständig und zum Teil sehr detailliert. [1][4][7][8][14][16][20][32][37][65][78] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Automatisch; Bemannt; Alle.

Nachdem der Propagandawert der Raumfahrt infolge des Sputnik erkannt worden war, wurden in der Sowjetunion bemannte Raumflüge auch offiziell in betracht gezogen. Für die Satellitenaufklärung war bis dahin eine Filmrückkehrkapsel nicht unähnlich der der amerikanischen Sprionagesatellitenserie Corona geplant. Beide Anwendungen mit Rückführung wurden zu einem gemeinsamen Flugkörperkonzept zusammengeführt, daß mit der Serie 1K Korabl-Sputnik erprobt wurde. Der Aufklärungssatellit Zenit bekam die Bezeichnungen 2K und 4K, und die bemannten Kapseln Vostok und Voskhod wurden 3K genannt. Insgesamt wurden mindestens 21 Hauptvarianten der nK-Serie entwickelt und eingesetzt. Der größte Teil davon waren Filmrückkehr- Aufklärungssatelliten, die 787 Starts bei 30 Versagensfällen von insgesamt 809 Starts bei 33 Versagensfällen umfaßten. Dies ist die mit Abstand höchste Flugzahl einer Nutzlast für die Erdumlaufbahn, aber leider darüber kaum mehr Informationen als die Zahl der Trägerversagensfälle vor. 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 79

Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind einigermaßen vollständig und zum Teil sehr detailliert, soweit sie die bemannten Flüge, ihr Umfeld und die frühe unbemannte Erprobung betreffen. Spätere unbemannte Flüge sind nur von Einzelinformationen abgedeckt. [1][4][7][8][9][12][14][16] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Korabl-Sputnik 1K 7 Flüge; Zenit 2K Testprogramm 13 Flüge; Zenit 2K operationell 68 Flüge; Vostok 3K; Zenit 4K soweit bekannt; Voskhod mit Testflügen an Zenit; DDR, Kosmos, soweit bekannt; Bemannt und Korabl; Unbemannt und Korabl; Alle.

Anfänglich war die Serie 7K Soyuz für zweisitzige Flüge mit Kopplungsvorgängen in der Erdumlaufbahn vorgesehen, also ein Gegenstück zur amerikanischen Gemini-Kapsel. Neben mehreren rein militärischen Versionen wurde bald auch eine durch die Kopplungseinrichtungen mögliche Variante zur Mondumfliegung entworfen, die mit Tankern und einer translunaren Antriebsstufe in fünf Kopplungsvorgängen in der Umlaufbahn aufgebaut werden sollte. Die Sowjetunion entschied sich erst 01.08.1964 dazu, bemannt zum Mond zu fliegen, obwohl eine Vielzahl von Projekten zuvor entworfen worden war. Es wurden schließlich gleich drei bemannte Mondprogramme parallel betrieben, die mit den unbemannten Programmen der zweiten leichten und der schweren Luna-Sondenserien E-6 und Ye-8 teilweise gekoppelt waren und teilweise gemeinsam bestimmte Typen von Trägerraketen nutzten. Hinzu kamen in allen Bereichen noch mehrere intensiv betriebene Studien und Vorentwicklungen für mehr oder weniger angeforderte, zusätzliche Mondprogramme. Eines der bemannten Raumschiffe wurde schließlich gestrichen und durch eine weitere Variante der Serie 7K ersetzt, so daß zwei Grundtypen von Raumschiffen aus einer Serie mit einigen gemeinsamen Komponenten für den Mondflug verblieben: 7K-L1 Zond für die Mondumfliegung auf einer freien Rückkehrbahn ähnlich dem Flug von Apollo 13 nach der Explosion an Bord, und die größte 7K-Variante 7K-LOK als kleineres zweisitziges Äquivalent des Apollo CSM. Die Aufteilung des 7K mit einer Orbitalsektion genannten Aufenthaltskabine vor der Rückkehrkapsel und der Versorgungssektion war gänzlich anders konzipiert als Apollo, aber ein amerikanischer Konkurrenzentwurf verwendete sie ebenfalls. Ein separater Lander LK für einen Kosmonauten, also ebenfalls kleiner als das Apollo LM, wurde entwickelt und unbemannt in der Erdumlaufbahn erprobt. Dazu kam noch die Variante 7K-OK Soyuz für vorbereitende Flüge in der Erdumlaufbahn. Alle drei Typen und der Lander verteilten sich auf die drei Trägerraketentypen R-7 Soyuz 11A511, Proton 8K82K / 11S824 Block D, und N-1, die eigentliche Mondrakete der Saturn- V-Klasse. Ihre Nutzlast erwies sich mit 75 t in die Erdumlaufbahn als zu gering angesetzt, so daß alle 7K und das LK relativ klein ausfielen, was eine Mondlandung kaum möglich erscheinen ließ, sich aber später als günstig für die preiswerte Versorgung der militärischen - und zivilen DOS-Raumstationen erwies. Letztere wurden mit Soyuz-Komponenten und dem Flugwerk der Almaz gebaut, um Skylab zuvor zu kommen, und beide flogen unter dem Öffentlichkeitsnamen Salyut. Das anfänglich sehr primitive 7K-OK wurde trotz einiger schwerer Verluste zu immer leistungsfähigeren Versionen bis zum heutigen 7K-STMA Soyuz TMA für die ISS weiterentwickelt. Mit insgesamt 239 Flügen aller 7K-Varianten wurde die höchste Flugzahl eines bemannbaren Systems, und mit 96 Flügen der 7K Soyuz die zweithöchste eines bemannt startenden Systems nach dem STS erreicht. 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 80

Es gab zwei schwere, tödliche Unglücke mit Soyuz 1 (23.04.1967, Fallschirme blockiert) und Soyuz 11 (29.06.1971, Dekompression); zwei gefährliche Startabbrüche mit -A (05.04.1975, unvollständige Stufentrennung nach Abtrennung des Rettungssystems SAS) und Soyuz T-10A (26.09.1983, unter Verwendung des Rettungssystems SAS nach Brand auf der Startrampe); und drei gefährliche Situationen in der Umlaufbahn bei Soyuz 5 (18.01.1969, umgekehrte Wiedereintrittsorientierung), (11.04.1979, Haupttriebwerksausfall) und Soyuz T-8 (20.04.1983, Kopplungsabbruch).

Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind weitgehend vollständig und zum Teil sehr detailliert, soweit sie die bemannten Flüge, ihr Umfeld und die frühe unbemannte Erprobung betreffen. Spätere unbemannte Progress-Flüge sind nur von Einzelinformationen abgedeckt. [1][7][8][9][10][12][14][27][69][73][74] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Unbemannt, Bodentest, und mock-up p/l; Soyuz 1 mit (1967); unbemannt und docking; Soyuz 2 (1968) bis - Mondflug/Podsadka-Phase; Soyuz 10 bis - ein-Schiff-Stationsbetrieb, ASTP, MKF-6; -40 zwei-Schiff-Zweisitzer, Salut 6/7; Soyuz T bis T-6 und T-Test - Dreisitzer; Soyuz T-7 bis T-15; Soyuz TM bis TM-6; Soyuz TM ab 1989; Progress bis 1982; Progress ab 1983; Progress M ab 1990; Progress M1 ab 2000; Zond; T1K, T2K; Alle.

Ausgehend von dem noch Ende der 1950er Jahre als Zirkusakt bezeichneten Project Adam wurde eine zur Mondlandung führende Reihe von bemannten Kapseln entwickelt. Mercury und Gemini hatten eine ähnliche Glockenform, waren aber sehr verschieden ausgelegt. Mercury war ein einfacher, nicht-manövrierbarer, kleinstmöglicher Einsitzer mit höchstens einem Tag Flugdauer. Gemini war ein manövrier- und koppelbarer, kompakter Zweisitzer mit digitaler programmierbarer Flugsteuerung und über 14 Tagen Flugdauer. Mercury war als kleinstmöglich entworfene Kapsel für die anfänglich kleineren amerikanischen Trägerraketen schnell ausgereizt, so daß ein weiterentwickeltes Folgeprogramm mit verbesserten Kapseln für längere einsitzige Flüge bald gestrichen wurde. Das ursprünglich Mercury Mark II genannte zweisitzige Gemini war ein nachträglich zwischengeschobenes Programm zur Erprobung von Techniken, die für das Apollo- Programm zur Mondlandung nötig sein würden, und daher in vielen Aspekten der Bauausführung und Ergonomie moderner als die früher begonnenen Apollo-Raumschiffe. Die geplante Verwendung für einen Zond-ähnlichen Mondumflug und als Zubringer für die gestrichene, Almaz- ähnliche militärische Raumstation MOL wurde nicht verwirklicht, um sich ganz auf Apollo bzw. die unbemannten Spionagesatelliten zu konzentrieren. Mit dem Apollo-Programm wurde der Mond umrundet, die Mondlandung sechs mal erreicht, Zubringerflüge für die aus Apollo-Restbeständen erstellte Raumstation Skylab, und das Apollo-Soyuz Test Project durchgeführt, bevor auch dieses System gestrichen wurde, um Platz für das STS zu machen. Heute wird wieder eine Kapsel als Nachfolger des STS geplant, deren Form Apollo ähnlich ist, die aber vier bis sechs Astronauten Platz bieten soll. Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind vollständig und überwiegend sehr detailliert. [7][8][9][12][14][15][27][29][30][32][36][37][38][39][40][41][44][55][59][63][66] 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 81

Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Mercury-Redstone, -, unbemannt; Mercury-Atlas, unbemannt; Mercury-Redstone, bemannt; Mercury-Atlas, bemannt; Gemini, pre- docking; Gemini, docking; Apollo, unbemannt; Apollo 1, CSM pre-launch; Apollo, CSM pre-landing; Apollo, CSM 11-14, Apollo, CSM 15-17; Apollo, CSM Skylab, ASTP; Apollo LM pre-landing; Apollo LM 11ff.; Apollo 13 CSM+LM; Alle.

Auf beiden Seiten waren die ersten ernsthaft projektierten Raumstationen MOL und Almaz für die Spionage mit einer sekundären Rolle in der Forschung vorgesehen. Für eine zivile Verwendung wurde von der NASA aus Apollo-Bauteilen und gestrichenen Programmen die Station Skylab entwickelt, von deren zwei gebauten Exemplaren eines gestartet und betrieben wurde. Um ihm zuvorzukommen, wurde eine nach der Streichung des MOL noch im Bau befindliche Almaz- Stationsstruktur mit Soyuz-Systemen zur Kopplung versehen, als ansonsten fast leere Hülle praktisch ohne Experimente gestartet, und im letzten Moment von in Salyut 1 umbenannt. Zarya war der Name des sowjetischen Bodenkommunikationssystems, und übersetzt auch der Name des ersten bemannten chinesischen Programms, das Mitte der 1970er Jahre kurz vor dem Erprobungsbeginn abgebrochen wurde. Sämtliche folgenden sowjetischen Stationen bis einschließlich zur Mir hatten zum Teil erhebliche militärische Komponenten, aber einige unter der Tarnbezeichnung Salyut gestartete Almaz waren rein militärisch zur Aufklärung vorgesehen und auch mit einer Abwehrbewaffnung versehen, die erfolgreich erprobt wurde. Die jahrzehntelangen Studien für eine weitere zivile amerikanische Raumstation und vorhandene Bauteile für die geplanten nächsten sowjetischen Stationen wurden nach dem Fall der Sowjetunion zur internationalen Raumstation ISS zusammengeführt. Zur Familie gehört auch die verlorene Nutzlast der ersten Energiya-Rakete, die unter der Tarnbezeichnung Mir-2 für das Programm Fon, das weit fortgeschrittene sowjetische Pendant des amerikanischen SDI, gestartete Laser- und ASAT-Kampfstation 17F19DM Skif-DM Polyus, die durch einen einfachen Orientierungsfehler direkt nach dem Start in den Pazifik stürzte, und die mit 100 t bisher schwerste jemals gestartete Nutzlast war. Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind vollständig und für die meisten zivilen Versagensfälle sehr detailliert. [1][7][8][9][10][12][14][15][27][29][30][32] [36][37][38][39][40][41][44][55][59][63][66][69][73][74] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Salyut 1..5 (Almaz); Salyut 6,7; Skylab mit Nachlauf; MIR; ISS mit Vorlauf; Alle.

Die Entwicklung zum STS hin ging von den Versuchsflugzeugen zur Erforschung des Überschallfluges aus, die ab den letzten Kriegsjahren entwickelt und erprobt wurden. Die Schallmauer wurde erstmals am 14.10.1947 mit einer X-1 kontrolliert durchbrochen. Mit der X-15 wurde in den 1960er Jahren Mach 7 und in einem ballistischen Bahnteil der Übergangsbereich zu den Weltraumbedingungen der Umlaufbahn erreicht, einschließlich weniger Minuten Schwerelosigkeit. Das für die aerothermodynamischen Belastungen des Wiedereintritts von 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 82 großen, flugzeugähnlich landbaren Raumflugkörpern geeignete Konzept des Auftriebskörpers wurde parallel untersucht und in den Versuchsflugzeugen X-24 und M2-F2 erstmals verwirklicht. Mit den X-Flugzeugen und modifizierten Jagdflugzeugen mit zusätzlichem Raketenantrieb konnten auch die Piloten und späteren Astronauten praktische Erfahrungen für bestimmte Flugphasen unter hohen und niedrigen Beschleunigungen sammeln.

Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind unvollständig, aber für viele Versagensfälle detailliert ausgeführt. [8][9][14] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: X-1..3, D-558var, NF-104; X- 15; lifting body; Alle.

Die meist unter der Göbbels'schen Propaganda-Bezeichnung »V 1« bekannte Fi-103 ist der erste selbstgesteuerte Langstreckenflugkörper. Sie wurde gegen alliierte Ziele eingesetzt, erreichte aber bei weitem nie die versprochene Präzision, womit sie eine Terrorwaffe blieb. Die Fluggeschwindigkeit lag bei allen Serien mit wie vorgesehen funktionierendem Treibstoffregler über der der vorhandenen alliierten Abfangjäger. Sie wurde die Grundlage für alle weiteren Entwicklungen dieser Art, und noch während des Krieges in den USA kopiert und in Großserie produziert, auch wenn die Antriebstechnik mit einem Pulsostrahrohr bald veraltete.

Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind unvollständig und größtenteils nicht besonders detailliert, aber umfassen die größte von einem Lenkflugkörper erflogene Versuchszahl. [1][3][8][11][12][14][29][33][34][35][36][43][59] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Erprobung; Einsatz; JB-2 Loon Nachbau USA, während des Krieges.

Das meist unter der Göbbels'schen Propaganda-Bezeichnung »V 2« bekannte A4 und seine verwandten Entwicklungsmuster stellen zusammen mit Goddards praktisch gleich fortschrittlichen Raketen den Beginn der heutigen Raketen- und Raumfahrttechnik dar. Es stieß im Einsatz regulär in den Grenzbereich zum Weltraum vor, blieb aber sonst aus den selben Gründen wie die Fi-103 eine Terrorwaffe. Erst in der Kombination mit der Atombombe wurden beide Flugkörperarten mit der damals erreichbaren Präzision militärisch wirkungsvoll. Besonders die kaum abfangbare ballistische Großrakete fand daher das Interesse aller alliierten Mächte. Neben einigen wenigen nach Großbritannien übergesiedelten Spezialisten gingen über hundert Techniker aus den Peenemünder und Nordhausener Werken nach dem Krieg in die USA, noch mehr nach Frankreich, und weit über zehntausend wurden nach der erfolgreichen Rekonstruktion des A4 am Produktionsstandort in der sowjetischen Besatzungszone über Nacht mit ihren Familien in die Sowjetunion verschleppt, wo sie zum Teil zehn Jahre und länger verblieben. In diesen Ländern legten sie unmittelbar und mittelbar das Fundament für alle heutigen Raumfahrtprogramme. Sogar in China wurde die direkt aus dem A4 und Peenemünder Plänen noch mit deutscher Beteiligung in 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 83 der Sowjetunion entwickelte R-2 zur Basis der einheimischen Raumfahrtbestrebungen. Kaum weniger unmittelbar gehen sogar die Eigenentwicklungen der neuesten Weltraummächte wie Nordkorea, Irak, Iran oder Pakistan auf das A4 zurück. Die R-17 9K72 Aerofan (SS-1C Scud C) als Basis der dortigen Entwicklungen geht direkt auf die Flugabwehrrakete Wasserfall zurück, die mit lediglich an die Aufgabe angepaßter, sonst gleicher Technik bei halbierten Abmessungen des A4 unter Verwendung von lagerfähigen Treibstoffen entwickelt wurde. Außendurchmesser und Strahlruderlenkung in der Startphase haben sich in dieser Entwicklungslinie seit 1941 nicht verändert, aber die Reichweite stieg bei doppelter Nutzlast und vierfacher Startmasse um den Faktor 46. Der Irak und Nordkorea entwickelten durch geeignete Bündelung direkt aus der R-17 mehrstufige ICBMs, die erfolgreich flogen, und sogar den ersten nordkoreanischen Satelliten starteten. Das A4 wuchs bis zur Redstone und R-5M auf mehr als das doppelte, und vervierfachte die Reichweite bei um zwei Drittel höherer Nutzlast. Mit der Redstone wurden die jeweils ersten ICBM-Wiedereintrittskörpermodelle, Satelliten, und unbemannten und bemannten Raumkapseln der USA gestartet. Die R-5M wurde als Höhenforschungsrakete und für die zur Vostok-Kapsel führenden suborbitalen Versuchsflüge mit Hunden eingesetzt. Beide starteten erfolgreich als die ersten scharfen Atomraketen der jeweiligen Länder und trugen Ziele und scharfe Atomsprengkörper für die realistische Erprobung von Raketenabwehrsystemen zur Zündung in große Höhen.

Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind für die frühe Erprobung praktisch vollständig und sehr detailliert, aber für den Einsatz, der die höchste Versuchszahl eines ballistischen Lenkflugkörpers umfaßt, nur in zusammengefaßter Form verfügbar. [1][3][8][11][12][14][29][33][34][35][36][43][59] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: A1 bis A3, A5; Erprobung A4; Einsatz; Nachkrieg, Op.Backfire; Nachkrieg, Reproduktion SBZ, UdSSR; Nachkrieg, White Sands und Bumper, ff.; Alle.

Für die Sondenflüge zu den planetaren Körpern des inneren Sonnensystems wurde in der Sowjetunion der Ansatz verfolgt, möglichst identische Grundflugkörper zu verwenden. Im wesentlichen ergaben sich dadurch für jedes der Ziele Mond, Venus und Mars leichte und schwere Sonden, die auf die vierstufigen Trägerraketen 8K78 Molniya und Proton 8K82K / 11S824 und ihre Weiterentwicklungen abgestimmt waren. Das Venera-Programm gehört zu den erfolgreichsten interplanetaren Vorhaben, aber die oft sehr ähnlichen Mars-Sonden waren bis heute selten erfolgreich. Beide Programme hatten mit hohen Anfangsverlusten zu kämpfen. Das Luna- Programm wurde in drei Phasen unter ähnlichen Bedingungen und zusätzlichem hohen politischen Druck schnell vorangetrieben, besonders nachdem es klar wurde, daß die bemannten Mondprogramme nicht vor den amerikanischen zum Ziel führen würden, weshalb sie verschwiegen werden mußten. Die Probenrückhollander der Luna-Serie sollten dann als das realistische und wissenschaftlich nüchterne sowjetische Mondprogramm dargestellt werden, wofür natürlich erst ein Erfolg benötigt wurde. Nach dem Ende der entsprechenden amerikanischen Gegenstücke schliefen alle Sondenprogramme schnell wieder ein. 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 84

Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind unvollständig und nicht sehr detailliert. [1][8][11][12][14][23][24-VII][25][26][27][29][30][31][32][37][38][39][40] [41][46][48][55][56][57][59][63][64][66][67][68] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Luna 1..3; Luna 4..14; Luna 15+ nicht-Lander; Luna 15+ Lander; Venera; Mars.

Neben dem Apollo-Programm gelten die interplanetaren Sonden des JPL als die größte Leistung der wissenschaftlichen Raumfahrt. Ohne sie wären alle Körper des Sonnensystems jenseits der Mondvorderseite kaum mehr als ein kleines Scheibchen im Teleskopobjektiv, da selbst das Hubble- Teleskop oder die neuen 8..10m-Teleskope auf der Erdoberfläche nur eine um zwei Größenordnungen niedrigere Auflösung als die allerersten Vorbeiflugbilder der Raumsonden erreichen, und natürlich keine physikalischen Messungen vor Ort ermöglichen. Die Entwicklung der Reihen Ranger, Mariner, Viking und Voyager verlief schrittweise zu größerer Komplexität, aber mit den Reihen Pioneer und Lunar Orbiter wurden auch unabhängige Ansätze verfolgt. Die neuesten Sonden Galileo und Cassini-Huygens stellen eine Synthese früherer Konzepte dar, die zunehmend internationale Zusammenarbeit einbindet, oder basieren wie die neueren Marssonden teilweise auf kommerziell verfügbarem Material.

Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind praktisch vollständig und fast immer sehr detailliert. [5][8][11][12][14][23][24-VII][25][26][27][28][29][30][31][32] [37][38][39][40][41][48][53][55][59][63][66][67][75][76] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Pioneer, Explorer (Mond); Ranger; Lunar Orbiter; Surveyor; Mariner, Pioneer (nicht-Mond); Viking, 1990er Mars; äußere Planeten Pioneer 10,11, Voyager, Galileo, Cassini-Huygens; Mars ESA, Japan.

Die Spionagesatellitenserie Corona stellt das erste ernsthaft begonnene und durchgeführte, eigentliche Raumfahrtprogramm dar. In 146 Versuchen wurden sechs schrittweise entwickelte und kontinuierlich verbesserte Nutzlastvarianten in einem kombinierten Trägersatelliten Agena geflogen, und einige weitere Nutzlasten für besondere Anwendungen getragen. Corona war der erste erdbeobachtende, programmgesteuerte, dreiachsstabilisierte, rückführbare, manövrierfähige, gesichert kommunizierende, modulare Satellit. Die anfängliche Entwicklung dieser jedem anderen Satelliten mindestens eine Generation vorausgehenden Technik führte zu einer ganzen Serie von Fehlschlägen, aber auch zu einer ebenso großen Reihe von größtenteils geheimgehaltenen, weltweiten Erstleistungen der USA in der Raumfahrttechnik. Der Wert dieser Erfahrung für alle folgenden Raumfahrtvorhaben ist unschätzbar, und am besten durch den Satz eines Beteiligten ausgedrückt: »Any failure that occurred in space ... we did first. We failed in a marvelous bunch of different ways.« 5. Ausgewählte Flugkörpertypen und -familien 85

Die freigegebenen Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind vollständig, konsistent, gleichmäßig gewichtet und sehr detailliert. Sie umfassen die größte verfügbare in sich geschlossene Datenbasis über eine Flugkörperserie überhaupt und stellen mit großem Abstand das qualitativ und quantitativ beste in der vorliegenden Arbeit ausgewertete oder anders verwendete Material dar. [4][8][12][14][16][29][40][78] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Flug 0..4; 5..9; 10..14; 15..19; 20..24; 25..29; 30..39; 40..49; 50..59; 60..69; 70..79; 80..89; 90..99; 100..109; 110..119; 120..129; 130..139; 140..145; Alle.

Die europäische Trägerraketenentwicklung führte nach dem vollständigen Scheitern der ersten Reihe Europa zur heutigen Ariane. Europa beruhte auf der voll entwickelten und zuverlässigen, aber dann gestrichenen britischen Mittelstreckenrakete Blue Streak, die mit einer französischen Zweitstufe Coralie, einer neuen deutschen Drittstufe Astris, und optional einem Feststofftriebwerk als vierte Stufe zu einem Träger der -Klasse gestreckt wurde. Alle Versuche scheiterten an der zweiten oder dritten Stufe, oder der Abtrennung von Bauteilen. Das Scheitern von Europa führte zum vollständigen Ausstieg Großbritanniens aus der eigenständigen Raumfahrtentwicklung, was für eine Raumfahrtnation, die einmal mit vollständig eigenen Mitteln eine Satelliten startete, eine bis heute einzigartige Erstleistung darstellt. Wenig später begann das von Frankreich vorangetriebene Ariane-Programm, das begonnen wurde, weil die NASA an die Benutzung ihrer Träger für den europäischen Nachrichtensatelliten Symphonie für Frankreich inakzeptable Bedingungen stellte. Die Entwicklung der Ariane-1 bis 4 war inkrementell und durchweg sehr erfolgreich, während für die ein neuer Ansatz gewählt wurde, der auf den später gestrichenen Raumgleiter Hermes optimiert war und konzeptionell einige Ähnlichkeit zum STS aufwies, was zu einigen typischen Schwierigkeiten führte. Die Betriebsorganisation Arianespace ist privatwirtschaftlich organisiert, aber die Entwicklung der Raketen wurde bisher weit überwiegend staatlich finanziert. Nach 146 Starts der Ariane-1 bis 4 vom 24.12.1979 bis zum 15.02.2003 erfolgten bis Ende 2004 bereits 20 der Ariane 5.

Die Daten über die Flugkörper und Flüge in den ausgewerteten Quellen sind praktisch vollständig, aber nur für schwere Versagensfälle detailliert verfügbar. [8][14][52] Es wurden Ergebnisauszüge für folgende Verwendungsphasen erstellt: Europa; Ariane-1..3; Ariane- 4xXX; Ariane-5. 6. Schlußfolgerungen 86

Jeder einzelne Versagensfall ist von allen anderen verschieden. Es lassen sich jedoch in der Verteilung der die Versagensfälle aufbauenden Versagensereignisse und der Verantwortlichkeit für sie und ihre eventuelle Beseitigung einige Strukturen von Interesse finden. Außerdem gibt es typische, vom nicht-fliegenden Teil des Systems ausgehende Wirkungen, die das Auftreten von Versagensfällen begünstigen. Beide Bereiche sollen nun kurz betrachtet werden.

Auf den folgenden Seiten findet sich der alle erfaßten Flugkörper und Versuche zusammenfassende Ergebnisauszug in den Tabellen 6.1 bis 6.6. Die Tabellen 6.1 bis 6.3 sind in der für die vorliegende Arbeit verwendeten Standardform für Ergebnisauszüge zusammengefaßt. Weitere Ergebnisauszüge finden sich im Anhang. Über gut ein Fünftel aller berichteten und in Tabelle 6.1 erfaßten 33181 Versagensereignisse liegen keinerlei weitere Informationen in den Gruppen System, Fachbereich, Menschliches und Automatisches vor als die über ihr Auftreten, wobei eine Klassifizierung in den anderen Gruppen, insbesondere Schwere und Wiederherstellung, bei diesen vierfach NN markierten Versagensereignissen vorhanden sein kann. Einschließlich dieser sind knapp zwei Drittel der berichteten Versagensereignisse keiner der aufgeschlüsselten Gruppenkombinationen System - Fachbereich zuzuordnen, haben dort also die Einträge NN - NN. Insgesamt sind von der Menge der Versagensereignisse eines Ergebnisauszuges in dem Feld Summe - Summe alle abzüglich der Menge der als NN - NN klassifizierten Versagensereignisse als mindestens einem definierten Eintrag der Gruppen System oder Fachbereich zugeordnete Versagensereignisse erfaßt. Hier sind dies also 11637 verwertbare Einträge. Verwertbar in der unteren Tabelle Verursacher - behoben des Ergebnisauszuges ist die Menge der behobenen Verursacherbeiträge Summe - Summe, behoben und die der gesamten Verursacherbeiträge Summe - Alle Fehler, die hier 9654 bzw. 67996 Beiträge beträgt. Im ersten Teil der in den Tabellen 6.1 bis 6.3 angeführten Ergebnisauszüge fällt sofort auf, daß von diesen auf die Kombinationen Steuerung - Regelungstechnik, Steuerung - Programmierung und Steuerung - NN 41.4%, 32.2% bzw. 5.3%, also insgesamt 78.9% entfallen. Selbst wenn man den Anteil der hier besonders vertretenen Einsatzflugkörper Fi-103 und A4 abzieht, bleiben in den daraus resultierenden Tabellen 6.2 und 6.3 die ersten beiden dieser Kombinationen mit 9.6%, 7.2% bzw. 1% bei absolut 284, 215 bzw. 30 von 2974 verbleibenden, mindestens einfach klassifizierten Versagensereignissen auf Platz eins und zwei der wichtigsten voll definierten Beiträge zum Versagen von Raumflugkörpern. Mit 7.3% (217 von 2974) sind Versagensereignisse der teildefinierten Kombination Bodeneinrichtungen - NN ebenfalls stark vertreten. Auf andere Einträge als die drei zuvor erwähnten liegt der Einfluß des Einsatzes der beiden Flugkörper Fi-103 und A4 maximal im einstelligen Prozentbereich, was zum Teil darin begründet ist, daß über den Einsatz wenig Beobachtungen außer der erzielten Trefferablage und der Zahl nicht weiter erläuterter Versager in der Antriebsphase vorliegen. 6. Schlußfolgerungen 87 alle Flugkörper, alle Fehler

System -> Struktur Energie Steuerung Antrieb Nutzlast Kommu- Klimat- Infrastruk Rückführ- Rettungs Bodenein- NN Summe Bemerkungen Fachbereich nikation isierung -tur, bord ungssystem -system richtungen

Statik Fehler in Lebens- 54 7 3 16 10 4 4 9 23 2 4 1 137 erhaltungssystem: Dynamik 54 12 39 4 39 9 1 43 21 9 17 248 58

Elektrik Trägerfehler führt 1 86 52 1 16 54 2 112 2 2 21 2 351 zu Nutzlastschaden: Hydraulik 9 27 2 23 11 9 39 8 2 6 1 137 819

Pneumatik Trägerfehler führt 15 18 6 49 5 1 36 16 5 5 1 1 158 zu Nutzlastverlust:

Aero- dynamik 26 7 1 1 1 2 18 2 3 61 737

Flug- bek Nutzlast dynamik verloren durch 4 17 61 2 6 12 68 3 15 2 190 Trägerfehler:

Regelungs- technik 4 4815 23 2 14 7 9 5 5 4884 104

Gas- dynamik 1 1 19 1 1 6 2 31

Thermo- Fehler in LebErhSys dynamik 47 5 2 15 8 2 22 16 6 3 1 127 für Versuchsiere:

Program- mierung 5 18 3746 34 55 26 4 10 50 13 55 2 4018 3

Pyro- Tod von technik 4 3 6 93 48 1 1 7 6 3 172 Versuchstieren:

Turbo- maschinen 3 20 1 2 26 19 Optik 10 2 12 1 41 1 1 1 7 1 77 Menschen verletzt: NN 1 3 619 66 23 16 3 5 5 12 217 21544 22564 27 Summe 231 205 9371 367 266 141 91 272 27 53 356 21555 33181 Menschen getötet:

davon ganz unerläutert 8176 221

Bemer- re00 kungen

Verur- Kon- Testen Boden- Crew Man- Wissen, Ferti- Proce- Mensch- NN, Sicher- Ferti- Verfah- NN, auto- Summe uner- Lebens sacher struk- kon- age- Grund- gung dures Maschine- mensch heitsein- gung, ren matisch klärter -erhal- -> tion trolle ment lagen Interface -lich richtung automa- Verur- tungs- behoben tisiert sacher sysem

auto- matisch 50 66 5 3 16 44 30 32 13 62 24 8 79 63 495 50 5

Boden- kontrol- le 158 138 155 18 85 156 53 244 214 99 83 19 399 73 1894 55 6 Crew 348 306 54 72 242 262 62 203 136 67 214 14 389 57 2426 52 34

Turn- around 420 421 6 6 376 113 554 518 17 45 99 71 174 249 3069 26 2 NN 4 1 1 5 12 7 1 7 5 860 8 859 1770 859

Summe, behoben 980 932 221 104 731 582 700 1004 385 1133 420 112 1049 1301 9654 1042 47

Alle Fehler 14021 2131 361 122 3178 1095 2776 5869 682 8568 649 301 18206 9975 67996 8176 62

Tabelle 6.1 - Umfassender Ergebnisauszug mit A4 und Fi-103 6. Schlußfolgerungen 88 alle Flugkörper außer A4 und Fi-103 Einsatzflugkörper, alle Fehler

System -> Struktur Energie Steuerung Antrieb Nutzlast Kommu- Klimat- Infrastruk Rückführ- Rettungs- Bodenein- NN Summe Bemerkungen Fachbereich nikation isierung -tur, bord ungssystem system richtungen

Statik Fehler in Lebens- 54 7 3 16 10 4 4 9 23 2 4 1 137 erhaltungssystem: Dynamik 54 12 39 4 39 9 1 43 21 9 17 248 58

Elektrik Trägerfehler führt 1 86 52 1 16 54 2 112 2 2 21 2 351 zu Nutzlastschaden: Hydraulik 9 25 2 23 11 9 39 8 2 6 1 135 819

Pneumatik Trägerfehler führt 15 18 6 49 5 1 36 16 5 5 1 1 158 zu Nutzlastverlust:

Aero- dynamik 24 7 1 1 1 2 18 2 3 59 737

Flug- bek Nutzlast dynamik verloren durch 4 17 61 2 6 12 68 3 15 2 190 Trägerfehler:

Regelungs- technik 4 284 23 2 14 7 9 5 5 353 104

Gas- dynamik 1 1 19 1 1 6 2 31

Thermo- Fehler in LebErhSys dynamik 47 5 2 15 8 2 22 16 6 3 1 127 für Versuchsiere:

Program- mierung 5 18 215 32 55 26 4 10 50 13 55 2 485 3

Pyro- Tod von technik 4 3 6 87 48 1 1 7 6 3 166 Versuchstieren:

Turbo- maschinen 3 20 1 2 26 19 Optik 10 2 12 1 41 1 1 1 7 1 77 Menschen verletzt: NN 1 3 30 66 23 16 3 5 5 12 217 3128 3559 27 Summe 229 203 720 359 266 141 91 272 27 53 356 3139 6102 Menschen getötet:

davon ganz unerläutert 2048 221

Bemer- re00 kungen

Verur- Kon- Testen Boden- Crew Man- Wissen, Ferti- Proce- Mensch- NN, Sicher- Ferti- Verfah- NN, auto- Summe uner- Lebens sacher struk- kon- age- Grund- gung dures Maschine- mensch heitsein- gung, ren matisch klärter -erhal- -> tion trolle ment lagen Interface -lich richtung automa- Verur- tungs- behoben tisiert sacher sysem

auto- matisch 50 66 5 3 16 44 30 32 13 62 24 8 79 63 495 50 5

Boden- kontrol- le 158 138 155 18 85 156 53 244 214 99 81 19 399 73 1894 55 6 Crew 348 306 54 72 242 262 62 203 136 67 214 14 389 57 2426 52 34

Turn- around 420 421 6 6 376 113 323 518 17 45 99 71 174 249 2838 26 2 NN 4 1 1 5 2 7 1 7 5 860 8 859 1760 859

Summe, behoben 980 932 221 104 721 582 469 1004 385 1133 418 112 1049 1301 9411 1042 47

Alle Fehler 1632 2129 361 122 3168 1095 1537 2107 682 7885 647 301 1796 3090 20912 2048 62

Tabelle 6.2 - Umfassender Ergebnisauszug ohne A4 und Fi-103 Einsatzflugkörper 6. Schlußfolgerungen 89 alle Flugkörper außer A4 und Fi-103 Einsatzflugkörper, alle Fehler - anteilig in 1/1000

System -> Struktur Energie Steuerung Antrieb Nutzlast Kommu- Klimat- Infrastruk Rückführ- Rettungs- Bodenein- NN Summe Bemerkungen Fachbereich nikation isierung -tur, bord ungssystem system richtungen

Statik Fehler in Lebens- 18 2 1 5 3 1 1 3 8 8 1 .. 46 erhaltungssystem: Dynamik 18 4 13 1 13 3 .. 14 7 3 6 83 20

Elektrik Trägerfehler führt .. 29 17 .. 5 18 1 38 1 1 7 1 118 zu Nutzlastschaden: Hydraulik 3 8 1 8 4 2 13 3 1 2 .. 45 -

Pneumatik Trägerfehler führt 5 6 2 16 2 .. 12 5 2 2 .. .. 53 zu Nutzlastverlust:

Aero- dynamik 8 2 ...... 1 6 1 1 20 -

Flug- bek Nutzlast dynamik verloren durch 1 6 21 1 2 4 23 1 5 1 64 Trägerfehler:

Regelungs- technik 1 95 8 1 5 2 3 2 2 119 -

Gas- dynamik .. .. 6 .. .. 2 1 10

Thermo- Fehler in LebErhSys dynamik 16 2 1 5 3 1 7 5 2 1 .. 43 für Versuchsiere:

Program- mierung 2 6 72 11 18 9 1 3 17 4 18 1 163 1

Pyro- Tod von technik 1 1 2 29 16 .. .. 2 2 1 56 Versuchstieren:

Turbo- maschinen 1 7 .. 1 9 - Optik 3 1 4 .. 14 ...... 2 .. 26 Menschen verletzt: NN .. 1 10 22 8 5 1 2 2 4 73 1052 1197 - Summe 77 68 242 121 89 47 31 91 9 18 120 1055 2052 Menschen getötet:

davon ganz unerläutert 701 -

Bemer- re00 kungen

Verur- Kon- Testen Boden- Crew Man- Wissen, Ferti- Proce- Mensch- NN, Sicher- Ferti- Verfah- NN, auto- Summe uner- Lebens sacher struk- kon- age- Grund- gung dures Maschine- mensch heitsein- gung, ren matisch klärter -erhal- -> tion trolle ment lagen Interface -lich richtung automa- Verur- tungs- behoben tisiert sacher sysem

auto- matisch 5 7 1 .. 2 5 3 3 1 7 3 1 8 7 53 5 1

Boden- kontrol- le 17 15 16 2 9 17 6 26 23 11 9 2 42 8 201 6 1 Crew 37 33 6 8 26 28 7 22 14 7 23 1 41 6 258 6 4

Turn- around 45 45 1 1 40 12 34 55 2 5 11 8 18 26 302 3 .. NN ...... 1 .. 1 .. 1 .. 91 1 91 187 91

Summe, behoben 104 99 23 11 77 62 50 107 41 120 44 12 111 138 1000 111 5

Alle Fehler 173 226 38 13 337 116 163 224 73 837 69 32 191 328 2222 278 7 Eintrag .. für Werte < 1/1000 System - Fachbereich: n/2.974 ª n/3 - Verursacher - behoben: n/9.411 ª n/10 - n aus Tabelle 6.2

Tabelle 6.3 - Umfassender Ergebnisauszug ohne A4 und Fi-103 Einsatzflugkörper, anteilig 6. Schlußfolgerungen 90

Die besonders häufigen Arten von voll definierten Versagensereignissen sind nach ihrem Anteil an der Gesamtmenge, abzüglich der bei den Einsatzflugkörpern der Typen Fi-103 und A4 aufgetretenen, in den folgenden Tabellen nach Kombination und Gruppen aufgeführt:

Kombination System - Fachbereich Anzahl Anteil Steuerung - Regelungstechnik 284 9.55% Steuerung - Programmierung 215 7.23% Infrastruktur, bord - Elektrik 112 3.77% Antrieb - Pyrotechnik 87 2.93% Energie - Elektrik 86 2.89% Rückführungssystem - Flugdynamik 68 2.29% Steuerung - Flugdynamik 61 2.05% Fehler aller Kombinationen in Lebenserhaltungssystem für Besatzung... 58 1.95% Nutzlast - Programmierung 55 1.85% Bodeneinrichtungen - Programmierung 55 1.85% Struktur - Statik 54 1.82% Struktur - Dynamik 54 1.82% Kommunikation - Elektrik 54 1.82% Steuerung - Elektrik 52 1.75% Rückführungssystem - Programmierung 50 1.68% Antrieb - Pneumatik 49 1.65% Nutzlast - Pyrotechnik 48 1.61% Struktur - Thermodynamik 47 1.58% Infrastruktur, bord - Dynamik 43 1.45% Nutzlast - Optik 41 1.38% Steuerung - Dynamik 39 1.31% Nutzlast - Dynamik 39 1.31% Infrastruktur, bord - Hydraulik 39 1.31% Klimatisierung - Pneumatik 36 1.21% Antrieb - Programmierung 32 1.08% Kommunikation - Programmierung 26 0.87% Energie - Hydraulik 25 0.84%

Tabelle 6.4 - Häufigste Kombinationen System - Fachbereich für Versagensereignisse 6. Schlußfolgerungen 91

Gruppe System Anzahl Anteil Steuerung 720 24.21% Antrieb 359 12.07% Bodeneinrichtungen 356 11.97% Infrastruktur, bord 272 9.15% Nutzlast 266 8.94% Struktur 229 7.70% Energie 203 6.83% Kommunikation 141 4.74% Klimatisierung 91 3.06% Rettungssystem 53 1.78% Rückführungssystem 27 0.91%

Tabelle 6.5 - Einträge der Gruppe System nach ihrer Häufigkeit

Gruppe Fachbereich Anzahl Anteil Programmierung 485 16.31% Regelungstecknik 353 11.87% Elektrik 351 11.80% Dynamik 248 8.34% Flugdynamik 190 6.39% Pyrotechnik 166 5.58% Pneumatik 158 5.31% Statik 137 4.61% Hydraulik 135 4.54% Thermodynamik 127 4.27% Optik 77 2.59% Aerodynamik 59 1.98% Gasdynamik 31 1.04% Turbomaschinen 26 0.87%

Tabelle 6.6 - Einträge der Gruppe Fachbereich nach ihrer Häufigkeit 6. Schlußfolgerungen 92

Im folgenden sollen nun zunächst anhand von einigen Beispielen typische Muster von Versagenshergängen betrachtet werden, bevor das weitere Umfeld von Einflüssen innerhalb des Systems untersucht wird.

Gasdruckeinflüsse aus der momentan durchflogenen Umwelt des Raumflugkörpers waren in der Anfangszeit der Raumfahrt eine häufige äußere Ursache für Störungen an sich korrekt funktionierender elektrischer und elektronischer Baugruppen.

Praktisch alle angewendeten Techniken der Elektronik haben sich in der Umgebung der untersten Atmosphäre, relativ nahe den Bedingungen der Standardatmosphäre entwickelt. Mit einer Durchschlagsfestigkeit im Bereich von wenigen MV/m stellt Luft einen recht guten Isolator dar, und eignet sich ohne weitere Hilfsmittel gut zur konvektiven Wärmeabfuhr, da ihre Dichte stark temperaturabhängig ist. Die durch die meisten Erfahrungen fundierten Bauverfahren für elektrische und elektronische Geräte sind durch ihre Entwicklungs- und Betriebssituation diesen Bedingungen am Boden angepaßt, die grob gesprochen einen Bereich mit jeweils etwa 30% Abweichung um die Zustandsgrößen p = 100 kPa und T = 300 K umfassen, bei einem Gehalt von etwa 21% an korrosiven oder reaktiven Gasen wie Sauerstoff, Wasserdampf, Kohlendioxid, Stickoxiden, Schwefeloxiden, Ozon und Kohlenmonoxid in einem ansonsten praktisch inerten Gemisch. Im Hochvakuum können dagegen freie Elektronenströme fließen, sobald eine elektrische Potentialdifferenz zwischen zwei Leitern besteht und die Emissivität mindestens einer Seite hoch genug ist, daß Elektronen aus leitenden Materialien austreten. Die Emissivität ist sehr weit von Temperatur, Materialauswahl und konstruktiver Ausführung abhängig. Der Emissionseffekt ist durch seine Anwendung als Arbeitsprinzip in Elektronenröhren gut untersucht und verstanden, so daß es selten zu in der ausgewerteten Literatur dokumentierten Problemen kam. Durch den Mangel eines Ladungsaustausches können sich aber elektrische Ladungen auf der Oberfläche eines Flugkörpers im Hochvakuum so lange ansammeln, bis die Durchschlagsfestigkeit der betroffenen Strukturelemente erreicht ist. Der dann auftretende, schlagartige Ladungsaustausch mit dem Inneren kann elektrische Systeme stören, wie es z.B. beim Kommunikationssatelliten MARECS in den 1980er Jahren auftrat.

Eine verwandte Erscheinung sind Gasentladungen, bei denen ein zunächst kleiner Ladungsträgeraustritt oder hochenergetische Strahlung ein zwischen den Leitern befindliches, meist stark verdünntes Gas ionisiert und es so zu einem leitfähigen Medium macht. Da die Leitung durch die Bewegung von freien Elektronen und Ionen erfolgt, werden diese im anliegenden elektrischen Feld beschleunigt und können bei Stößen weitere Gasmoleküle oder -atome ionisieren. Dieser Prozeß kann sich bei anhaltenden Stromfluß bis zu vollständigen Ionisation des Mediums fortsetzen, wobei der Widerstand des Mediums sinkt, was den Stromfluß und damit die Häufigkeit 6. Schlußfolgerungen 93 ionisierender Stöße in einer als Ladungsträgerlawine bezeichneten Erscheinung weiter erhöht.

Gasentladungen betrafen einige Instrumente der Ranger- und Mariner-Sonden, wie Kameras und UV-Photometer, deren Licht detektierende Röhren mit hohen Spannungen betrieben werden mußten, und die Teile ihrer elektrischen Bordinfrastruktur, die diese Betriebsspannungen bereitstellten. Gasentladungen an diesen Baugruppen zerstörten diese mehrfach, und hatten auch Rückwirkungen auf die Elektrik des betroffenen Flugkörpers bis zum Totalausfall. Problembehaftete Instrumente wurden kurz vor einem Flug durch Modelle mit gleichen mechanischen und optischen Eigenschaften und gleichem elektrischem Verbrauch ausgetauscht. [14-294,297] Eine wiederholt an atmosphärisch exponierten Bauteilen einer wissenschaftlichen Nutzlast aufgetretene Gasentladung hat über ihre Rückwirkung durch das elektrische Bordnetz in die automatischen Flugsteuerung in einer komplexen Fehlerkette zum Absturz der X-15A Nr. 3 beim Flug Nr. 191 am 15.11.1967 geführt. Die Störungen traten zwischen etwa 25 km und der Gipfelhöhe von 80 km auf, und setzten sich auch im Sinkflug noch fort. Ursache und Fehlerkette konnten mit der gegebenen Instrumentierung weder vom Piloten noch der Bodenkontrolle schlüssig erkannt werden. [8][9-50]

Bei der zum bemannten Mondumflug konstruierten, unbemannten 7K-L1 Seriennr. 12 Zond 6 vom 10.11.1968 führte eine potentiell tödliche schleichende Dekompression über Gasentladungen im Innenraum zur verfrühten Auslösung des Landefallschirms der Landekapsel. Der Kabinendruck war vom 16.11.1968 an durch das Versagen einer Dichtung über mehrere Stufen bei einigen zehn kPa kurz vor dem Wiedereintritt am 18.11.1968 schließlich auf etwa 3.3 kPa abgesunken. Die fehlerauslösende Korona-Entladung hätte bei höheren Drücken oder bei vollständiger Dekompression bis zum Hochvakuum nicht stattgefunden. [8][12-292f.][14-238] Koronaentladungen traten auch zwischen dem Filmmaterial und der Filmführungsrollen der Spionagesatellitenserie Corona KH-1 bis -4B auf. Eine vermutlich durch die Reibung beider aneinander aufgebaute elektrostatische Ladung entlud sich in diffusen oder dendritischen Mustern nahe der Filmemulsion, was zu einer unerwünschten Belichtung führte, die zum Teil die Entladungsmuster abbildete. Das Problem wurde theoretisch nicht vollständig verstanden, aber experimentell und praktisch gelöst. Alle Filmführungsrollen wurden vor dem Einbau in ein Flugexemplar der Kamera in Wasserdampf gesättigt, in eine Musterkamera eingebaut und in einer Vakuumkammer auf ihre Entladungseigenschaften getestet. Rollen, bei denen sich Entladungen zeigten, wurden aus der Produktion entfernt. Diese Lösung bewährte sich sehr gut. [4- 44,69f.,189,198][16-93f.,148]

Mit den sehr kurzen typischen Zeitkonstanten von Gasentladungen im Bereich von Mikrosekunden machen diese Erscheinungen die praktischen technischen Anforderungen für eigentliche Raumflugkörper identisch mit denen für Höhenflugzeuge, wie z.B. die Lockheed U-2, A-12 oder SR-71, oder die Flugzeuge der X-Serie, die sich in diesem Höhenbereich länger aufhalten als eine ihn auf dem Weg ins Hochvakuum des Weltraumes durchsteigende Trägerrakete und ihre Nutzlast. Da außerdem in großen Höhen durch die Verdünnung der Atmosphäre kein wirksames und allumgebendes konvektives Kühlungsmedium mehr vorhanden ist, muß die gesamte Wärmeabfuhr durch Wärmeleitung in den Bauteilen und Abstrahlung in den Weltraum geleistet werden. Diese thermische Kontrolle stellte in der Anfangszeit die schwierigsten 6. Schlußfolgerungen 94

Anforderungen bei der Entwicklung von vakuumtauglicher Elektronik und bei ihrer Integration in Flugkörperstrukturen dar. Eine Umgehung beider Probleme durch eine Maßnahme, die viel angewendet wurde, besteht darin, die gesamte Elektronik oder ihren kritischen Teil in einen möglichst leichten Druckbehälter einzuschließen, der zwar zusätzliches Gewicht kostet, aber durch die Erfahrung im Flugzeugbau technisch gut beherrscht wird und die Entwicklung spezieller Elektronikbauweisen einspart. Diese Technik wurde bei vielen sowjetischen Flugkörpern verfolgt, besonders bei interplanetaren Sonden. Eine typische Druckbeaufschlagung für Satellitenelektronik ist die der Satelliten China 1 und China 2 von 10 kPa, entsprechend 16 km Höhe. Innerhalb der -ähnlichen Hülle waren die im Westen weitgehend unbeachteten Kommunikationsnutzlasten in einem zylindrischen Druckbehälter von 0.5 m Durchmesser und 0.8 m Höhe untergebracht. China 1 trug außerdem einen Tongenerator mit einem von Funkamateuren leicht zu empfangenden HF-Sender für die weltweite Ausstrahlung der Nationalhymne Dong Fang Hung (Der Osten ist Rot), der die westliche Wahrnehmung der Mission zur Zeit der Kulturrevolution so stark dominierte, daß bis heute überwiegend die Bezeichnung DFH-1 verwendet wird. [77] Für die Sichtbarkeit wenigstens eines Objektes in der Umlaufbahn mit dem freien Auge war an der abgetrennten Trägeroberstufe eine sogenannte Beobachtungsschürze aus Spezialseide angebracht, die sie 15 bis 100 mal heller als den eigentlichen Satelliten machte. [8]

Photographisches Filmmaterial war für die längste Zeit der Raumfahrt und der zu ihr führenden Entwicklung des Fluges in der höheren Atmosphäre das effizienteste Medium zur Datenspeicherung. Die ersten speziell entwickelten Filme für den Einsatz oberhalb des Großteils der auch als Strahlenschutzschild wirkenden Atmosphäre waren die in den frühen 1950er Jahren von Eastman Kodak für die Aufklärungsballons Genetrix und WS-461L und ihren Nachfolger Lockheed U-2 gefertigten, hochauflösenden Schwarzweiß-Emulsionen. Sie kombinierten erstmals eine hohe Strahlungsfestigkeit mit einer sehr hohen Auflösung, die es ermöglichte, die praktisch beugungsbegrenzten Optiken von 340 bis 480 Linien/mm Auflösung so gut auszunutzen, daß die effektive Auflösung des Systems mit 50 bis 160 Linien/mm auf das zehnfache der im Zweiten Weltkrieg erreichten Werte stieg. Das System war für den atmosphärisch ungeschützten Betrieb in 100 kft (30 km) Höhe ausgelegt und arbeitete auch zuverlässig in den von den Ballons erreichten Einsatzhöhen von 80 kft (24 km). Für C, die auch als KH-1 bezeichnete, erste Kamera der Spionagesatellitenserie Corona, wurde das etwa 3 mm starke Azetatkunststoffträgermaterial ebenfalls verwendet. Beim Übergang von den dreitägigen Genetrix-Missionen mit Verwendung des Films bei 1 bis 3 kPa in der Stratosphäre zum Hochvakuum in der niedrigen Erdumlaufbahn kam es jedoch in kürzester Zeit, offenbar innerhalb der ersten Erdumkreisung von etwa 90 Minuten, zum Ausgasen von Lösemitteln aus dem Filmträger. Das Material versprödete zwar, aber riß nicht im komplexen Transportweg in der Kameraanlage, wie die Telemetrie zunächst suggerierte, sondern sich warf wie Herbstlaub. Dies konnte schließlich in Hochvakuumkammern nachvollzogen werden und erzwang den Übergang zu einem Film mit einem Polyesterträger, der die Erwartungen im Vakuumeinsatz erfüllte und hatte das halbe Gewicht des Azetat-Films, was der Überflugspionage in allen Transportmitteln zum Durchbruch verhalf. Das Filmträgermaterial 6. Schlußfolgerungen 95 mußte Eastman Kodak vom direkten Konkurrenten DuPont lizensieren, und die Aufbringung der eigenen Emulsion bereitete zunächst große Schwierigkeiten. [4-34ff.,55f.,194][14-143][16-74,317]

Bezeichnenderweise herrschten bei der Erprobung der Lockheed U-2 in der Höhe, in der sich der Azetatfilm bestens bewährte, Probleme mit vielen anderen, besonders den gummiartigen oder anders weichen Dichtungskunststoffen vor. Sie wurden beim bis zu fünfzehnstündigen Flug [20- 199] in Höhen von etwa 70 bis 74.5 kft, etwa 21.3 bis 22.7 km, [20-147,200,205] in der Ozonschicht von diesem aggressiven Gas angegriffen und oxidiert, und versprödeten besonders in Triebwerksventilen und an der Druckkabinenabdichtung innerhalb weniger Wochen bis zur Leckage. Angeregt durch den Zufall eines Zeitungsberichtes über das gleichartige Versagen europäischer Autoreifen im Raum Los Angeles durch Ermüdung, das amerikanische Reifenhersteller durch silikonhaltige, smog-feste Gummimischungen speziell für Südkalifornien vermieden, wurde dieses Problem dadurch behoben, daß man Silikongummi als Dichtungsmaterial verwendete. [20-148] Die Verhältnisse sind für viele Kunststoffe also ähnlich wie bei elektronischen Geräten, da auch hier der Übergangsbereich zum Hochvakuum des Weltraumes wegen seiner besonderen Eigenschaften das eigentliche Hindernis darstellt.

Dennoch wurde der eigentlich weltraumuntaugliche Azetatfilm höchst erfolgreich sogar im interplanetaren Weltraum eingesetzt, bevor er im Corona-Programm nach dem Flug vom 20.11.1959 während einer dreimonatigen Unterbrechung der Flüge als die Ursache des Versagens der Kamera C erkannt wurde. [4-57f.][16-74,273] Alleine im Rahmen des Genetrix- Programmes waren, nach einigen Vorläufern um den Jahreswechsel, vom 10.01. bis 06.02.1956 von verschiedenen abgelegenen Startorten in Westeuropa 448 der insgesamt 516 von 2500 geplanten Spionageballone aufgelassen worden. Von ihnen erreichten nur 67 das Zielgebiet entlang der Pazifikküsten Asiens. 44 der verbleibenden Nutzlasten wurden geborgen, 16 davon im Fluge am Bergefallschirm von speziell ausgerüsteten Fairchild C-119. Eine weitere Nutzlast wurde etwa ein Jahr später als Strandgut auf der Alëuteninsel Adak aufgefunden. Diese eine und 40 der früher geborgenen Nutzlasten enthielten Photos aus Sibirien, Nordchina, Zentralasien und dem europäischen Rußland mit einigen wertvollen Informationen. Nach einer etwa dreiwöchigen, verhältnismäßig erfolgreichen Anfangsphase wurde der überwiegende Rest der Ballone über der Sowjetunion abgeschossen, da die Steighöhe auf 50 kft (15 km) begrenzt war, um einerseits hochaufgelöste Bilder zu erhalten, aber vor allem auch, um den Anreiz zur Entwicklung von Höhenabwehrmitteln, die die kommende U-2 gefährden würden, zu vermindern. Dies stellt einen der dokumentierten Fälle von beabsichtigtem Versagen außerhalb des Erprobungsbetriebes dar. Mindestens 50 Ballonreste und Nutzlasten wurden auf einer Pressekonferenz von den sowjetischen Regierungsstellen am 09.02.1956 vor dem Spridonovka-Palast präsentiert. Weitere wurden von China auf dem eigenen Territorium sichergestellt und der westlichen Presse zugänglich gemacht. [4-104f.,128][16-29ff.] Aus diesem Reservoir war der Sowjetunion eine gewisse Menge an unbelichtetem Azetatfilm in die Hände gefallen, der unter höchster Geheimhaltung und unter der Tarnbezeichnung ASh von der Akademie A.F. Mozhayskogo für Vorhaben höchster nationaler Dringlichkeit zur Verfügung gestellt wurde, da die einheimische Industrie solche Produkte einfach noch nicht herstellen konnte. ASh stand dabei für amerikanskiy shar - Amerikanischer Ball(on) - von vozdushnyy shar für Ballon und shar für Ball, Kugel. 6. Schlußfolgerungen 96

Nur die Chefkonstrukteure der betreffenden Flugkörper und Systeme wurden eingeweiht. Die meisten dieser den Azetatfilm ASh verwendenden Vorhaben waren wohl militärische und sind heute noch geheim, aber eines erreichte eine bis heute ungebrochen anhaltende, besondere öffentliche Beachtung. Da nur wenige Beteiligte überhaupt von der Existenz des ASh wußten, wurde, auf den Eigenschaften normalen Filmmaterials basierend, von vielen Experten ein Scheitern dieser Mission an dem Fehlen einer mindestens 5 bis 6 cm starken Bleiabschirmung gegen die Weltraumstrahlung befürchtet. 53 mm breites ASh Filmmaterial für 40 Bilder wurde passend für das vom NII-380 und VNII Fernsehen neuentwickelte, transistorisierte Photonegativabtastersystem Yenisey auf das Standardformat mit 35mm Breite zugeschnitten und perforiert. Je nach Quelle wurden zwölf oder 17 der an Bord automatisch entwickelten und abgetasteten Aufnahmen empfangen, aber bis heute nur sechs davon veröffentlicht, nachdem die Sonde vom Typ E-3 oder E- 2A Luna 3 im Oktober 1959 erstmals die Mondrückseite photographierte. [11-27ff.][65][78]

Die Verwendung des ASh Filmes erklärt auch, warum spätere Umsetzungen der Magnetbandaufzeichnungen der Bildsignale dieser damals spektakulären Mission [79] trotz der relativ langsamen Durchquerung beider van-Allen-Strahlungsgürtel mit dem noch unbelichteten Filmmaterial auf dem Weg zum Mond eine viel bessere Qualität zeigen als die ursprünglichen, eilig hergestellten Abzüge aus dem Jahr 1959. Deren schlechte Qualität wird in der westlichen Literatur noch heute oft zurückgeführt auf die Einwirkung thermischer Probleme mit der Sonde auf den Entwicklungsprozeß an Bord oder auf die besonders hohe Strahlungsbelastung im Weltraum. Den technisch orientierten Leser kann diese Erklärung heute angesichts der mit normalen Farbfilmemulsionen in den nicht bleiabgeschirmten Flugkörpern STS, Mir und ISS aufgenommenen Kino- und IMAX-Filme nur noch verwundern. [73][74][80]

Wegen der für die Filmentwicklung während des Fluges nötigen Flüssigkeiten wurde für Luna 3 ohnehin ein Druckbehälter notwendig, so daß die später erkannte Vakuumuntauglichkeit des Filmträgermaterials in dieser Form der Nutzung garnicht auffiel. Ein ähnliches Verfahren wurde in den Jahren 1966/67 von den fünf amerikanischen Lunar Orbiter zum photographieren der Mondoberfläche angewandt. Die Kameraoptik stammte dabei aus dem auf der Basis von Corona entwickelten Programm Argon KH-5 zur geodätischen Kartographierung und die Filmentwicklungseinheit mit Photonegativabtaster und Funkübertragung sehr wahrscheinlich aus der früh eingestellten Spionagesatellitenserie E-2, später Program 101A. Auch die auf den letzten Apollo-Mondmissionen geflogene Kameraausrüstung zur Mondkartierung basierte auf Corona. [4-83] Ein druckbeaufschlagtes Kamera- und Filmabteil wurde von allen sowjetischen Aufklärungssatelliten der Serie nK Zenit verwendet. Die verwendeten langbrennweitigen Kameras und der Blick durch ein druckbelastetes Fenster erforderten besonders stabile Umweltbedingungen, damit keine Verzerrungen auftraten. Insbesondere die Temperatur durfte nur um 0.1°C/h driften. Dies erleichterte die Verwendung der so entworfenen Rückkehrkapsel als bemanntes Raumschiff 3K Vostok und Voskhod sehr, so lange die Kosmonauten klein genug für den beschränkten Bauraum der Kameraausrüstung waren, in den bei Vostok noch der Schleudersitz für die Landung passen mußte. Die frühen 2K Zenit-2 Kosmos 4, 7, 9, 12 und zwei beim Start zerstörte verwendeten außerdem noch , ein Photofernübertragungssystem, das dem von Luna 3 sehr ähnlich war, aber nicht die Erwartungen im Aufklärungseinsatz erfüllte. [4-161f.] 6. Schlußfolgerungen 97

Druckbeaufschlagung der Elektronikabteile kann aber auch nachteilige Folgen haben. Die Dichtigkeit der Behälter muß für einen langen Flug sichergestellt und auch entsprechend erprobt werden. Ein einzelner hierbei aufgetretener Fehler traf eine ganze Serie von vier sowjetischen Marssonden und führte bei allen praktisch zum Missionsverlust. Nach den kurz vor dem Nedelin- Desaster beim Start zerstörten, ersten Marssonden 1M, und der während der Kubakrise ähnlich verlorengegangenen 2MV-4 Sputnik 22 (Kapitel 3.3.1.) verlief das weitere Marsprogramm der Sowjetunion, das anfänglich mit dem Venusprogramm gekoppelt war, weiterhin wenig glücklich. Am 01.11.1962 flog 2MV-4 zwar von der Erde ab, verstummte aber auf dem Weg zum Mars. Am 25.08., 01.09. und 12.09.1962 waren bereits die Venussonden 2MV-1 Sputnik 19 und 20, und 2MV-2 Objekt V Sputnik 21 durch verschiedene Triebwerksfehler an den Trägern vom R-7- Typ 8K78 Molniya in der Parkbahn verblieben. Ähnlich scheiterte danach am 04.11.1962 der 2MV- 3 Sputnik 24 Marslander. 1969 scheiterten beide M-69 am Versagen ihrer Proton-Träger, wie auch 1971 M-71 Kosmos 419, der zur selben Kampagne wie Mars 2 und 3 gehörte (Kapitel 3.3.). Die 1973 zu einem geschätzten Aufwand von umgerechnet $500 Millionen erfolgreich mit je einer Proton 8K82K / Block D 11S824 gestarteten vier M-73 Mars 4 bis 7 versagten auf verschiedene Weise durch von Vorflugtests der Elektronik mit Helium verursachten, vorzeitigen Alterungserscheinungen der integrierten Schaltkreise an Bord. Die davon ausgelösten Versagensereignisse in den Bordcomputern verhinderten die Ausführung von programmierten oder kommandierten Aktionen. Der Orbiter Mars 4 bremste nicht in die Parkbahn ein, machte aber im Vorbeiflug wenigstens noch eine Reihe von Aufnahmen und ermöglichte ein Radioverdeckungsexperiment, das den niedrigen Atmosphärendruck von 6 mb bestätigte. Der zweite Orbiter Mars 5 gelangte in eine Bahn um den Planeten, machte Aufnahmen der Südhalbkugel und Atmosphärenmessungen, verlor aber nach wenigen Tagen die Lagekontrolle. Der Lander von Mars 6 lieferte bis zum Kontaktverlust beim Zünden der Bremsraketen für 150 s die ersten Daten aus der Atmosphäre des Planeten, die wegen der Chipfehler aber größtenteils unentzifferbar waren. Der Bus von Mars 7 trennte seinen Lander zu früh ab, weil die Bremsraketen oder die Lagekontrolle versagte, wofür sehr wahrscheinlich ebenfalls die beschädigten Chips verantwortlich waren. Die beiden nach einer ähnlich langen Pause wie die der USA schließlich im Juli 1988 gestarteten 1F Fobos Sonden Phobos 1 und 2 scheiterten an Programmfehlern bzw. einem Computerfehler, und am 16.11.1996 verblieb Mars M1 (Mars 96 oder Mars 8) nach dem Versagen der letzten, von der Nutzlast zu steuernden Stufe Block D-2 11S824F seiner Proton 8K82K in einer viel zu niedrigen Parkbahn und trat rasch über Chile wieder in die Atmosphäre wieder ein. Diese drei Sonden waren die einzigen Nutzlasten dieses Trägertyps. [8][39-186]

Die erwähnte spezielle Kartographienutzlast KH-5 einiger Corona-Satelliten wurde später durch eine Anpassung der eigentlichen Spionagekamera und neuartige Bildvermessungsverfahren ersetzt. Dazu wurden sogenannte Indexkameras eingesetzt, die das weitere Umfeld der hochauflösenden Aufnahme und den Sternenhimmel gleichzeitig photographierten, um eine präzise Referenz zu erlangen. Die erste Serie Indexkameras, die später durch die bereits entwickelte KH-5-Optik ersetzt wurden, waren kommerziell frei erhältliche Hasselblad-Kameras, die aber nicht für den Einsatz im Vakuum konstruiert waren, so daß sich Ausgasungen von Schmier- und Dichtmaterialien auf den kalten Linsen niederschlagen konnten. Zu den nötigen Veränderungen gehörte auch ein neuer Verschluß, der für die hohe Zahl an Auslösungen während einer Mission robust genug war. Dieser wurde von einer Firma hergestellt, die nicht in die Geheimhaltung einbezogen war, und daher in 6. Schlußfolgerungen 98

Unkenntnis des Verwendungszweckes aus Kostengründen die Verwendung eines vakuumfesten Schmiermittels anstatt des üblichen Talkumpuders strikt ablehnte. Die angelieferten Bauteile wurden also zerlegt, von Talkum gereinigt, mit je einem Tropfen Walöl zum Preis von damals $2900/l versehen, und wieder zusammengesetzt. [4-67f.] Ähnlich unveränderte, nicht für das Hochvakuum oder andere allgemein als typisch empfundene Weltraumbedingungen evolvierte Naturmaterialien wurden auch in anderen Bereichen der Raumfahrt verwendet. Beispiele sind die seidene Beobachtungsschürze der letzten Trägerstufe des Satelliten China 1, oder die Beschichtung von Flugkörperteilen mit Kork, wie z.B. bei früheren Versionen des Shuttle-Außentanks (STS ET), [59] und bis heute an der Nutzlastverkleidung der Ariane 5. Imprägniertes Eichenholz wurde anstelle der in anderen Ländern üblichen Faserverbundwerkstoffe mit Phenolharzmatrix als ablatives Hitzeschildmaterial für die chinesischen Aufklärungssatelliten der Serie FSW benutzt. [8] Holz an sich ist von Natur aus bereits ein Faser-Matrix-Verbundwerkstoff mit Reißlängen bis zu mehreren zehn Kilometern, dessen amorphe Ligninmatrix ebenso wie synthetische Kunstharze durch ihre Verkohlungseigenschaften gut als Ablationsmaterial geeignet ist, wobei diese Eigenschaft je nach Verarbeitung und Abdichtung unterstützbar ist durch den gebundenen Wassergehalt. Im Gegensatz zu Glasfasern zeigt bei Holz aber auch das eingelagerte Fasermaterial aus hochpolymerer Zellulose zusätzlich prinzipiell die selben Ablationseingenschaften, und zudem hat Holz durch seine je nach Art und Wuchs weit wählbare Porosität und Festigkeit gut einstellbare strukturelle Isolationseigenschaften. [81]

Heute werden statt Walöl aus verschiedenen Gründen künstlich hergestellte Schmiermittel für den Vakuumeinsatz verwendet. Dies war auch bei der sich schirmartig entfaltenden Antenne der Sonde Galileo der Fall, wobei baugleiche Antennen auf mehreren Missionen einwandfrei funktionierten. Bei Galileo sollte die Antenne durch eine Änderung der Flugbahn, die durch das Challenger- Unglück und das folgende Verbot der Mitführung der mit Flüssigwasserstoff und -sauerstoff angetriebenen Oberstufe Centaur in der Nutzlastbucht des STS bedingt war, erst lange nach dem Start entfaltet werden. Dies gelang auch in längeren Versuchen nicht, und ihr Feststecken im Öffnungsvorgang hat die Mission erheblich beeinflußt. Es war neben der möglichen Verkürzung des Kohlefaser-Zentralträgers in der Antenne sehr wahrscheinlich auf den schleichenden Verlust des Schmiermittels während mehrerer Transporte vom JPL in Kalifornien zur Startanlage in Florida und die jahrelangen Lagerzeiten nach der unbestimmten Startverschiebung durch das Challenger- Unglück zurückzuführen. [25-96]

Die Einwirkung der abgeworfenen Nutzlastverkleidung auf das linke Solarpaneel von Soyuz 1 wurde bereits in Kapitel 3.2.2. erwähnt, das Ende von Mariner 3 unter der Nutzlastverkleidung seiner Trägerrakete in Kapitel 3.3., und der Kollaps der noch abzuwerfenden Nutzlastverkleidung bei zwei CZ-2E in Kapitel 3.3.2. Beim Start des Kopplungszielflugkörpers ATDA für Gemini 9, der selbst ein schnell gebauter Ersatz für einen vollwertigen Raumschlepper Agena D GATV war, der nach einem Kontrollverlust seiner Trägerrakete Atlas SLV-3 mit ihr explodierte, trennte sich am 01.06.1966 die 6. Schlußfolgerungen 99

Nutzlastverkleidung nicht vollständig ab. Beide Hälften der konischen Verkleidung blieben auf dem Kopplungsadapter des ATDA sitzen, weil sie von einem wie üblich zur Erleichterung der Montage angebrachten Klebestreifen zusammengehalten wurden. Dieses sogenannte Grey Tape bewährte sich auf allen bemannten Flügen mit westlicher Beteiligung für Reparaturarbeiten, insbesondere bei der improvisierten Luftreinigungsanlage von Apollo 13 und im Raumstationsbetrieb, aber hier ließ seine Qualität das geplante Kopplungsmanöver am aus den Hälften der Verkleidung entstandenen Gebiß des »Angry Alligator« scheitern. [7-76ff.][8] Ein geradezu notorisches Beispiel einer fehlerbehafteten Rückwirkung nach dem an sich vollständig wie beabsichtigt verlaufenen Abtrennen eines missionsbedingt abzutrennenden Bauteils ist die Kamerabdeckung der Venus-Landesonde 4V-1 Venera 14. Sie sprang entweder von einem unvorhersagbar geformten Bodenobjekt zurück oder wurde in der sehr dichten Atmosphäre nicht stark genug fortgeschleudert, und landete genau auf dem Zielpunkt des Bodenuntersuchungs- Auslegers, was auch im von der Sonde übertragenen Panoramabild der Landestelle sichtbar ist. So wurden die mechanischen und elektrischen Eigenschaften dieses von der Erde mitgebrachten Objektes unter Venusbedingungen bestimmt. Nach den offiziellen Berichten wurde dennoch eine Bodenprobe analysiert, die möglicherweise mit einem anderen Mechanismus entnommen wurde. Bei der im selben Startfenster geflogenen Sonde 4V-1 Venera 13 trat das Phänomen nicht auf. Da bei den mit anderen Problemen behafteten 5VK -Landekapseln die Kameras nach der Streichung der amerikanischen Halley-Sonde gestrichen wurde, um die Sonden stärker auf das zweite Ziel Halley zu optimieren und dabei zwei der vier geplanten Flugkörper einzusparen, waren dies die letzten Landungen auf der Venus mit Kameras. Bei 4V-1 Venera 9 und 10 schmolz je eine der beiden Abdeckungen auf den Objektiven der Schwarzweißkamera fest, wodurch jeweils die Hälfte der 360°-Panoramen verloren ging. Bei den ersten mit Farbkameras ausgestatteten Sonden 4V-1 Venera 11 und 12 blieben sogar alle vier Objektive auf diese Weise blockiert. Durch den turbulenten Abstieg des aerodynamisch weniger stabil als erwartet sinkenden Landers trat noch eine Heißgasleckage im Bodenprobenaufnehmer auf, der ebenfalls versagte. [8][32-TV] Abtrennbare Flugkörperteile sind heute, als missionsbedingte Bauteile zusammengefaßt, ein wesentlicher Anteil des zunehmenden Weltraummülls in der Erdumlaufbahn.

Die steigende Komplexität und Leistungsfähigkeit technischer Erzeugnisse wird impilzit von der in Kapitel 2.1.6. gewählten Definition eines Raumflugkörpers berücksichtigt, vor allem durch die Kopplung an den zeitgenössischen Fortschritt der allgemein und daher kommerziell zugänglichen Passagierverkehrstechnik. Zum Beispiel fällt im historischen Vergleich mit den Peenemünder Versuchen die allgemeine Ähnlichkeit und der vergleichbare personelle und materielle Aufwand des Startvorganges und der Startvorbereitungen heutiger Trägerraketen auf. Es werden ähnliche betriebliche Größenordnungen erreicht, wobei heute in einer sich gegenläufig kompensierenden Entwicklung die Zahl der Flüge und die entsprechend während ihres Arbeitslebens erworbene Erfahrung der einzelnen Beteiligten geringer ist, aber die Dimensionen und die verfeinerte Komplexität des einzelnen Flugkörpers wesentlich größer geworden ist, wie auch die über die gesamte Entwicklung aufgebaute technische Erfahrung. [3-39ff.] 6. Schlußfolgerungen 100

Insbesondere die Steuerung von Raumflugkörpern war zu allen Zeiten der Entwicklung ein Feld, das an der Grenze der beherrschbaren Komplexität vorangetrieben wurde, mit den wichtigen Nebenbedingungen der Miniaturisierung aus Gewichtsgründen und der Vereinfachung aus Zuverlässigkeitsgründen. Die Steuerungseinrichtungen von Mauls Photoraketen waren um mehrere Größenordnungen einfacher als selbst die zu ihrer Zeit realisierten Unterbaugruppen von Babbages mechanischen Rechenanlagen oder zeitgenössische Tischrechengeräte. Jedoch verhielt sich ihre Masse zu diesen in etwa wie die des Polaris Guidance Computers zum früheren, aber ähnlich schnellen ENIAC, oder zu den leistungsfähigeren zeitgenössischen Rechenanlagen der spätern 1950er Jahre, die wegen ihrer freien Programmierbarkeit als echte Computer bezeichnet werden können. Der Polaris Guidance Computer gilt mit nur 512 logischen Elementen und 12 Speicherworten zu je 17 Bit gemeinhin als der vom logischen Aufbau her kleinste vollständige, also wenigstens theoretisch frei programmierbare Computer. ENIAC war prinzipiell nicht frei programmierbar, da seine Struktur aus Modulen für jeden Wechsel der Rechenaufgabe umgebaut werden mußte; er war also ein Kalkulator. [1-27ff.][30-31ff.,37ff.] Selbst die leicht transportablen, für den Einsatz unterwegs in der Schiffahrt bzw. auf der Landstraße entworfenen und gebauten antiken Navigationsrechner wie der Antikythera-Mechanismus oder das Hodometer des Vitruv, oder Wilhelm Schickards für Kepler gebaute spätmittelalterliche Rechenuhr, nach heutigen Begriffen ein Tischrechner, die alle theoretisch leicht auf heutigen Raumflugkörpern mitgeflogen werden könnten, sind noch um Größenordnungen komplexer und schwerer als Mauls Ablaufsteuerungen. [82-37ff.,87ff.][83][84] Dennoch waren diese ersten Steuerungseinrichtungen als miniaturisiertes, robustes und zuverlässiges feinmechanisches Produkt eine Spitzenleistung eben in der geeigneten Kombination dieser drei Eigenschaften, und für die geforderte Aufgabe gut genug.

Die Hauptauswirkung der Komplexität in technischer wie auch organisatorischer Hinsicht ist das Untergehen kritischer Informationen. Dies war beim ersten Start der Ariane 5 und bei Beagle 2, und besonders bei den beiden Unglücken des STS der Fall, für die hier auf die entsprechenden Unfallberichte und unabhängigen Untersuchungen verwiesen werden soll. Sie zeigten, daß alle nötigen Informationen zur Vermeidung der Unfälle nicht nur prinzipiell vorhanden waren, sondern auch in den entscheidungsfindenden Gremien sämtlich diskutiert wurden. Jedoch wurde ihre Bedeutung in der großen Menge anderer organisatorischer Detailfragen übersehen oder nicht weiter untersucht. [7][8][9][10][14][53][54][58] Ein Vorläufer dieser ursächlichen Hergänge war die Explosion des Sauerstofftanks bei Apollo 13. Sie wurde ausgelöst, als vom Boden die Empfehlung gegeben wurde, die Rührer in den Tanks mit Flüssigsauerstoff für die Atmung und die Brennstoffzellen zur elektrischen Versorgung im Service Module (SM) zu aktivieren, was vom Astronaut Swigert wie empfohlen von Hand durchgeführt wurde. Letzlich wurde so der fehlerhafte Stromkreis aktiviert, der bei einem Bodentest beschädigt worden war, der wegen eines anderen mechanisch-hydraulischen Fehlers an diesem Tank durchgeführt worden war. Der Tank wurde deshalb aus dem Apollo 10 SM, wo er als Tank 2 eingebaut war, zur Inspektion entfernt. Nachdem sie erfolgreich abgeschlossen war, wurde er für Apollo 13 wieder in die Fertigung zurückgeleitet. Die Beschädigung erfolgte, weil einige Bauteile beim Wechsel der Betriebsspannung von 28 auf 65 V nicht entsprechend angepaßt worden waren. Dies zeigte sich aber nur bei längerem Betrieb des Heizers, der für diesen Tank bei einem Entleerungsversuch wegen einer Blockade des Ausflusses aus unbekannter Ursache acht Stunden lang benutzt wurde, um den Sauerstoff gasförmig entweichen zu lassen. Dabei wurden die 6. Schlußfolgerungen 101

Installationen des Rührermotors von dem überlasteten Heizer verschmort, so daß blanke Metalldrähte im Inneren des Tanks in Kontakt mit dem Sauerstoff kamen, was die Explosion letztlich auslöste, sobald diese unter Strom gesetzt wurden. Der Mensch war also auch hier am Boden und an Bord nur ausführendes Glied in einer Kette, die auch vollautomatisch hätte sein können. Weder automatisierte Bord- oder Bodeninstrumente, noch das sie beobachtende Personal hatten deutliche Abweichungen bemerkt. Sie hätten auch zu keinem Zeitpunkt vor der Aktivierung des Lüfterstromkreises etwas bemerken können, da keine Meßeinrichtungen vorgesehen waren, die diesen Fehler vor der Aktivierung hätten erfassen können, und die Aktivierung war gleichbedeutend mit dem Eintritt des Versagensfalles. Die Explosion des Tanks im Betrieb war ab der Freigabe nach der Inspektion unvermeidlich, und für Apollo 13 nach dem Einbau in das SM. Sie konnte aber erst im mit Sauerstoff betankten Flugzustand erfolgen, also bei einer Mission oder einem dem Unglück von Apollo 1 (204) ähnlichen Probelauf auf der Startrampe. Der Fehler lag gleichermaßen in der Fertigung, in der Änderungsverfolgung, im Berichtswesen, da der Tank ganz offensichtlich fehlerhaft war und mehrfach so behandelt wurde, und auch in der Aufsicht von Besatzung und Startorganisation. Auch Jim Lovell, der Kommandeur der Mission, ließ den Tank nicht entfernen, da er mit den als behoben erkannten Fehlern wie alle anderen überzeugt war, daß der Tank flugtauglich war. Wegen der damaligen Verfahrensweise, die Astronauten ihr Raumschiff während des gesammten Fertigungs- und Einsatzweges aktiv mitverfolgen zu lassen, stand ihm ein Vetorecht zu, das ihm auch angeboten wurde. Unbekannte Fehler bleiben zwar prinzipiell unerkannt, aber das extrem ungewöhnliche Verhalten des Tanks bei der versuchten Entleerung war ausführlich und vorschriftsgemäß dokumentiert. Zwar fiel der Fehler durch alle Barrieren der nach der Fertigung ansetzenden Qualitätskontrolle, aber die hervorragende und umfassende Kenntnis, die die Astronauten durch seine ständige Begleitung von ihrem Raumschiff hatten, trug entscheidend zu ihren Behebungsbeiträgen, der Rettung der Mission, und ihres eigenen Lebens bei. [7-99,112ff.][9-280ff.,444][14-251][12-237][32-63,232,TV][44]

Die Bewertung der Schwere von Versagensfällen wird zusätzlich kompliziert durch Flugvorhaben, bei denen zu Versuchszwecken, aber auch im tatsächlichen Einsatz ein absichtliches Versagen herbeigeführt wurde. So wurden die bereits erwähnten Genetrix-Spionageballons vor ihren Überflügen im Winter 1956 derart mit Ballast überladen, daß sie kaum über 50 kft (15 km) Höhe aufsteigen konnten. Sie wurden außerdem praktisch nicht getarnt, was neben einem sprunghaften Anstieg der UFO-Sichtungen dazu führte, daß die damals existierende sowjetische Luftabwehr sie relativ leicht verfolgen und abschießen konnte. Dadurch kam es zwar zu einer geringeren Ausbeute an photographischen Daten, aber es gab auch bis zum Einsatz der zu diesem Zeitpunkt in Erprobung befindlichen U-2 ab dem 04.07.1956 keinen Anreiz, Abwehrmaßnahmen gegen höherfliegende Flugkörper zu entwickeln; eine Reaktion, die dann später durch die anhaltenden U- 2-Überflüge in über 20 km Höhe tatsächlich erfolgte, und zwar in extremster und dringendster Form. [4-103][16][20][85] Ähnlich verhielt es sich auch mit dem bereits in Kapitel 2.2.1. geschilderten Ablauf, der dazu führte, daß die USA trotz vorhandener und erprobter technischer Möglichkeiten keinen Satelliten vor dem Flug des Sputnik 1 starteten und sich zudem zu diesem Zweck für die Entwicklung des 6. Schlußfolgerungen 102 mit weniger Nachdruck betriebenen und gänzlich neuen Vanguard-Programms entschieden, bei dessen Erprobung Verzögerungen und Versagensfälle wie bei jedem anderen neuen Programm zu erwarten waren. Vanguard war in dieser Hinsicht nicht schlechter als andere Trägerraketenprogramme der selben Ära. [4][8][11][14][16][27][29]

Die Entwicklung der derart mit einem Flugversuch verbundenen Absicht kann sich nicht nur auf einer vordergründigen und einer hintergründigen Ebene abspielen, sondern auch in offener Weise sehr starken und sprunghaften Veränderungen unterliegen. Mit diesen können die Standards, die für Erfolg oder Versagen aus diesen Absichten definiert werden, für dieselben Flugkörper sehr unterschiedlich sein, wie z.B. im Falle der Voyager-Sonden. In den zunächst ab dem Ende der 1960er Jahre verfolgten Planungen sollten vier Sonden die seltene Gelegenheit einer gravitationsunterstützten Grand Tour zu allen bis dahin bekannten äußeren Planeten nutztn, die sich nur etwa alle 180 Jahre ergibt. Der Flug bis zum Neptun und Pluto war nur so innerhalb von etwa zwölf bis fünfzehn Jahren möglich, da die Sonden von Planet zu Planet beschleunigt wurden, und beim damaligen Stand der Technik das Überleben wenigstens einer Sonde bis zum Endpunkt der geplanten Bahnen mit einer behördlich und haushaltspolitisch vertretbaren Wahrscheinlichkeit nur auf diese Weise möglich erschien. In den Kürzungen zum Ende der Apollo-Missionen wurde jedoch ohne viel Aufhebens die Hälfte der unbemannten Sonden gestrichen, und die verbleibenden sollten unbedingt nur mit den für den Flug bis zum Saturn zwingend nötigen Reserven entworfen werden. Heute geben mehrere Projektbeteiligte zu, daß sie an den Aufsichtsbehörden vorbei heimlich zusätzliche Reserven an Treibstoff und robuster technischer Auslegung in die Missionen hineingerechnet haben, was nach wie vor eine schwere Straftat darstellt. Über-Bieten ist Bewerbern bei Ausschreibungen von Regierungsverträgen in den USA ebenso streng verboten, [20-72ff.,91,229,343ff.] wie für Staatsbedienstete das unbezahlte Ableisten des Dienstes. Dies mußten später auch europäische beteiligte Wissenschaftler beim Versuch erfahren, die ersten Ergebnisse der Galileo-Atmosphärensonde, die während einer totalen Haushaltssperre erfolgreich im Ziel ankam, in den USA zu veröffentlichen. [25-133f.] Die Weiterführung der Voyager-Flüge über Saturn und Titan hinaus war nicht nur nicht budgetiert, sondern auch explizit von den Vorgesetzten untersagt worden. Der Pluto-Vorbeiflug ging durch die auf Saturn und seinen Mond Titan bezogene Navigationsplanung von Voyager 1 verloren, was aus heutiger Sicht mit der Entdeckung weiterer planetarer Objekte im Kuipergürtel, von denen mindestens eines größer als Pluto ist und dabei ebenfalls einen Mond besitzt, besonders schmerzlich ist. Voyager 2, die eigentlich anfälligere Sonde, konnte aber ihren Flug bis zu Neptun und seinem vermutlich Pluto und den großen Kuipergürtelobjekten ähnlichen Mond Triton fortsetzen. Unterwegs wurde die Programmierung der Bordrechner mehrfach gewechselt, verbessert, und elektronischen Ausfällen angepaßt, das Klemmen der nach den Verhältnissen der heutigen Sonden luxuriösen drehbaren Kameraplattform repariert, erst nach dem Start neu erfundene Datenkompressionsverfahren in die bordseitige Datenverarbeitung eingeführt, und die Steuerung zum Mitziehen der Kamera für längere Belichtungen verändert. Dies konnte alles ausführlich an der nur sehr grob in Richtung Pluto weiterfliegenden Voyager 1 erprobt werden. Selbst an diesem kurzen Anriß der voraussichtlich bis um das Jahr 2030 weiter zu betreibenden Missionen wird klar, daß zu jedem Zeitpunkt ein anderer Zustand als quantifizierte Referenz für den in der Flugversuchsabsicht angenommenen Erfolg gälte, und daß dieser auch notwendigerweise die Erfolgswertung der jeweils anderen, baugleichen Sonde beeinflussen würde, 6. Schlußfolgerungen 103 obwohl die für diese beabsichtigten Ziele sich nicht verändern. [32-118ff.,TV][37][75] Nach den budgetierten Anforderungen hätten die Sonden trotz einiger kritischer Ausfälle sonst mehrhundertprozentig nach Plan gearbeitet. Gerade deshalb stellen die Kürzungen der 1970er Jahre, die Streichung der Hälfte der Sonden und das Verbot, die zweite Hälfte der Ziele anzufliegen oder auch nur für die Möglichkeit zu diesem Flug zu bedenken, einen schwerwiegenden Versagensfall dar. Durch dieses Vorgehen wurde das Programm wegen der geringeren Redundanz wesentlich riskanter und die Möglichkeit aufgegeben, mit den ohnehin nötigen Bodeneinrichtungen, Personalbeständen und Entwicklungsaufwendungen die mindestens doppelte Zahl an dann besser unterwegs an die Ergebnisse anpaßbaren Planetenvorbeiflügen durchzuführen.

Neben der strategisch und finanziell begründeten Einschränkung technisch eigentlich leistungsfähigerer Systeme gibt es noch die juristisch begründete. Wie in Kapitel 3.2.1. erwähnt, entwickelte und stationierte die Sowjetunion fast parallel zu den ersten ICBMs ihr erstes ABM- System, dem zwei weitere neue Systeme und mehrere Modernisierungen folgten. Die Abwehr von Sprengköpfen, die diese dedizierten Systeme durchdringen, kann dabei auf einer zweiten Ebene prinzipiell auch von modernen Langstrecken-Luftabwehrraketen übernommen werden, die wegen ihrer Reichweite und Manövrierbarkeit über eine ausreichende Leistungsreserve verfügen. Alle in der Sowjetunion entwickelten und ab etwa 1980 stationierten Typen dieser Klasse haben diese Fähigkeit zumindestens für von Mittelstreckenraketen gestartete Wiedereintrittskörper. Ihre technisch annähernden, aber für viel kleinere Verteidigungsräume ausgelegten Gegenstücke im Westen hatten mindestens bis zum Kuwait-Krieg einseitige, aber vertragsgemäße Blockaden gegen die anti-ballistische Einsatzform in den Abschuß- und Lenkprogrammen, da die ABM- und SALT-I-Verträge mit einem Addendum ab 1974 für ein ABM-System nur einen einzigen Stationierungsstandort mit 100 Flugkörpern zuließen, wobei die Sowjetunion Moskau und die USA einen Ort in den Minuteman-Silofeldern in den Prärie-Staaten wählten. Das nach anfänglichen Studien seit 1955 über mehrere Umorganisationen, Streichungen, Kürzungen und strategisch- politisch begründete Ausdünnungen seiner Fähigkeiten hinweg ab März 1963 bis Mitte 1975 entwickelte amerikanische Raketenabwehrsystem wurde in seiner letzten Version ab 1969 Safeguard genannt. Es konnte nie auch nur annähernd so aufwendig erprobt werden wie die sowjetischen Systeme A, A-35 und A-135. Mit seinen Flugkörpern LIM-49A Spartan und Sprint (ohne offizielle Bezeichnung, möglicherweise war XLIM-99A oder XLIM-100A reserviert) konnte es einzelne LGM-30 Minuteman-Wiedereintrittskörper genau genug abfangen, um sie in einem zweilagigen Verteidigungsvorgang mit nuklearen Sprengköpfen der Typen W71 (5 MtTNT) bzw. W66 (1 ktTNT, Neutronenstrahlungsintensiviert) einigermaßen sicher zu zerstören, was erstmals am 28.08.1970 bzw. 23.12.1970 lediglich bahnmechanisch nachgewiesen wurde, da inzwischen atmosphärische Atomversuche vertraglich untersagt waren. Eine ähnliche bahngeometrische Demonstration eines nuklearen Abfangvorganges hatte ein Vorläufer der Spartan, eine XLIM-49A Nike Zeus B, am 19.07.1962 an einem Wiedereintrittkörper einer Atlas B durchgeführt. Die letzten Erprobungsstarts, die sämtlich nicht scharf waren, fanden am 17. bzw. 30.04.1975 statt. Das System Safeguard wurde am 01.10.1975 mit 30 Spartan und 70 Sprint in Dienst gestellt, was einen Rückschluß auf die erwartete Effizienz der Lagen relativ zueinander erlaubt, und nach einem Tag aktivem Dienst am folgenden Tag vom Kongreß aus Kostengründen und als einseitige Geste des guten Willens wieder abgerüstet. [8][10][51] 6. Schlußfolgerungen 104

Das mit dem mindestens erwartungsgemäß funktionierenden System erreichte Kosten-Nutzen- Verhältnis erlaubt es, dies als schweren Versagensfall zu bezeichnen, da faktisch alle nicht geflogenen Flugkörper und ihre am Boden befindlichen gemeinsamen Systembestandteile verloren gingen. Dies geschah allerdings im Gegensatz zu den anderen Beispielen und insbesondere den Genetrix-Ballonen unerprobt als Kollateralschaden, was keine Auswirkung auf die verwendeten Ergebnisauszüge der durchgeführten rechnerische Untersuchung hat.

Zumindest für die Nutzlasten Explorer 3, SOHO und Gemini 11 gilt, daß sie direkt durch ein Versagen besser wurden. Explorer 3 erreichte eine höhere und flächenhaftere Abdeckung der inneren van-Allen-Gürtel durch einen Bahneinschußwinkelfehler in eine relativ schnell aerodynamisch abgebremste Umlaufbahn von 187 km Perigäums- und 2785 km Apogäumshöhe statt der üblichen 260 bis 352 km bzw. 2200 bis 2553 km von Explorer 1 und 4. Trotz des verfrühten Verglühens in der Atmosphäre wurde so durch das kontinuierlich durch die atmosphärische Abbremsung um das Perigäum sinkende Apogäum ein großer Bereich in allen Positionswinkeln auf der Umlaufbahn überstrichen. [11-182] Beim im Lagrangepunkt L1 der Erde stationierten Sonnenobservatorium SOHO kam es durch eine Überhitzung der Instrumente nach einem kritischen Lageregelungsverlust zu einer höheren Qualität der Aufnahmen bestimmter Instrumente. [32-162][76] Bei Gemini 11 war die Besatzung durch eine festsitzende Radarantenne beim Rendezvous mit dem Raumschlepper Agena D GATV zum Ankoppeln von Hand gezwungen, das nur 44% des für den automatischen Vorgang geplanten und auch nötigen Treibstoffes verbrauchte, und daher das mehrfache Üben des eigentlichen Koppelungsvorganges ermöglichte. Dieser Flug erreichte auch die erste Landung unter Computervorgabe, die erfolgreich verlief, nach acht vorherigen Flügen, die manuell in ein rotierendes ballistisches Profil umgeschaltet oder in einen handgesteuerten Wiedereintritt umgesteuert werden mußten. [7-82]

In diesen Fällen erzeugte ein Versagen in ihm eine höher als erwartete Leistung des Systems. Erfolg ist also auch eine Frage der Erfolgskriterien. Das gilt auch für die oft in der gleichen Weise wie die in Kapitel 2.2.1. beschriebenen ersten Satellitenversuche überhaupt kritisierten Apollo- Mondmissionen. Die als präsidiale Selbstverpflichtung der USA gestellte Aufgabe war, vor dem Ende des Jahrzehts, also bis zum 31.12.1970 einen Menschen zum Mond und sicher wieder zurück zur Erde zu bringen. Dies wurde von allen bis dahin zum Mond gestarteten Apollo-Flügen vollständig erfüllt, auch von Apollo 13. Ein derartiger Mondumflug auf einer freien Rückkehrbahn ist mit der zu genau diesem Ziel entwickelten Kombination 8K82K Proton / 11S824 Block D / 7K- L1 Zond nur zweimal und nur unbemannt gelungen, mit Zond 7 am 07.08.1969 und Zond 8 am 20.10.1970. Das universell ausgelegte Raumschiff Apollo 13 flog dieses Profil als reine Notfallantwort. Das verunglückte und der Funktion fast aller technischen Bordeinrichtungen beraubte CSLM mußte erst wieder auf eine solche Bahn manövriert werden, während die 7K-L1 des speziell für dieses Profil ausgelegten sowjetischen bemannten Mondprogramms von vornherein auf einer derartigen sicheren Bahn starteten. Apollo 13 war der erste Flug, der eine leistungsfähigere sogenannte Hybridbahn flog, die nicht automatisch zur Erde zurückführt wie die von Apollo 8 und 10 bis 12 geflogene. Von den 7K-L1-Varianten wurden 15 Exemplare 6. Schlußfolgerungen 105 produziert, aber in elf unbemannten Versuchen mit intakten Raumschiffen gelang keine einwandfreier Flug, auch wenn alle wesentlichen einzelnen Phasen der Mission auf verschiedenen Flügen wenigstens einmal erfolgreich absolviert wurden, und die beiden letzten nummerierten Zond 7 und 8 einem vollständigen Erfolg sehr nahe kamen. Für Zond 8 wurde dafür der Wiedereintrittsweg umgekehrt, da die erforderliche Navigationsgenauigkeit immer noch nicht zuverlässig erreicht werden konnte, was aber eine Wasserlandung mit langer Suche durch die unzureichenden Rettungskräfteerzwang. Nur Zond 7 erreichte das Zielgebiet mit einer gerade noch akzeptablen Abweichung von 50km zum Zielpunkt nahe der Stadt Kustanay im Nordosten , und hätte als einzige der Serie Kosmonauten sicher zurückgebracht. [12-296] Die normale Abweichung bei Apollo- und Gemini-Flügen war im Bereich einiger Kilometer, Apollo 13 landete nur 750m vom aufnehmenden Flugzeugträger entfernt. [7-112] Das Zond-Programm war eigentlich schon nach dem Erfolg von Apollo 8 im Dezember 1968 abgebrochen worden, jedoch wurde dies nur für den bemannten Flug eingehalten, da große Teile der Kombination Block D / Zond identisch mit Teilen des eigentlichen Mondlandeschiffes waren. Ein großer Teil der Verluste war auf das Versagen der Träger 8K82K, 11S824 und N-1 zurückzuführen, während alle Saturn IB und Saturn V des Apollo-Programmes ausreichend für einen sicheren Flug funktionierten. [8][14- 261f.][64-639]

Heute wird als wichtigste Leistung der Mondprogramme die Rückführung von Mondgestein und die Dokumentation der Mondoberfläche angesehen, was eine nachträgliche Erweiterung der Aufgabe darstellt, also eine Änderung der Erfolgskriterien, die sich durch die Wertung und Wichtung dieser Leistung vor dem Beginn der Flüge, aber auch nach dem Ende des Programmes noch weiter verschoben. In der Probenrückführung waren nur sechs der sieben Apollo-Flüge, bei denen dies Bestandteil der Flugabsicht war, erfolgreich, aber Apollo 13 konnte bei der notfallbedingten Mondumfliegung sonst nicht erreichbare Gebiete des Mondes photographieren. Der Flug wäre also in wenigstens diesem Teilbereich ein größerer als beabsichtigter Erfolg, und sicherlich auch in der Leistungsfähigkeit der Besatzung und des LM als Rettungsboot.

Auch wenn es nach den angeführten Beispielen nicht so erscheinen mag, ist die nachträgliche Änderung der Kriterien nach dem Experiment legitim, insbesondere auch zum Zweck der negativen Kritik. Diese kann an Raumfahrtvorhaben allgemein geübt werden, oder an im Sinne des in Kapitel 2.1.6. definierten Raumflugbegriffes entfernt vom menschlichen Eingriff stattfindenden wissenschaftlichen Experimenten. Zum Beispiel bedurften nach dem Bekanntwerden weiterer Daten die vorher erstellten Entscheidungskriterien für die experimentelle Erkennung von mikrobiellen Leben auf dem Mars bei den entsprechenden Viking-Experimenten nach deren Durchführung der nachträglichen Modifikation. Andernfalls wäre nämlich bereits 1976 mehrfach und unabhängig voneinander in mehreren Experimenten und Versuchsdurchläufen an weit voneinander entfernten Orten die Entdeckung von Leben auf dem Mars erfolgt. [24- VII][26][32][37][39][41][66] Diese Notwendigkeit kann sich für die jeweils zu einer Klassifizierung, Beurteilung oder Kritik neu aufgestellten Kriterien ebenfalls wieder ergeben, wenn noch mehr Daten bekannt oder neue Zusammenhänge erkannt werden. 6. Schlußfolgerungen 106

In folgenden sollen nun die über die eigentliche, technische Erscheinung der Versagensereignisse hinausgehenden Ursachen betrachtet werden. Hierbei wird auf die Verteilung der Verursacher- und Behebungsbeiträge zurückgegriffen. In der folgenden Tabelle sind, in gleicher Weise wie in Tabelle 6.3, die aus Tabelle 6.2 entnommenen Werte der Behebungsbeiträge jeweils relativ zur Summe der für eine Klasse der Verusacherbeiträge behobenen Versagensereignisse und zur Summe aller Verursacherbeiträge dargestellt: alle Flugkörper außer A4 und Fi-103 Einsatzflugkörper, alle Fehler - anteilig in 1/1000

Verur- Kon- Testen Boden- Crew Man- Wissen, Ferti- Proce- Mensch- NN, Sicher- Ferti- Verfah- NN, auto- Summe uner- Lebens sacher struk- kon- age- Grund- gung dures Maschine- mensch heitsein- gung, ren matisch klärter -erhal- -> tion trolle ment lagen Interface -lich richtung automa- Verur- tungs- behoben tisiert sacher sysem

auto- matisch 51 71 23 29 22 76 64 32 34 55 57 71 75 48 53 48 106

Boden- kontrol- le 161 148 701 173 118 268 113 243 556 87 194 170 380 56 201 53 128 Crew 355 328 244 692 336 450 132 202 353 59 512 125 371 44 258 50 723

Turn- around 429 452 27 58 521 194 689 516 44 40 237 634 166 191 302 25 43 NN 4 1 5 48 3 12 2 7 13 759 8 660 187 824

Summe, behoben 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000

Alle Fehler 1665 2284 1633 1173 4394 1881 3277 2099 1771 6959 1548 2688 1712 2375 2222 2000 1319 Verursacher - behoben: n/(Summe, behoben(Verursacher)) - n , Summe, behoben aus Tabelle 6.2

Verur- Kon- Testen Boden- Crew Man- Wissen, Ferti- Proce- Mensch- NN, Sicher- Ferti- Verfah- NN, auto- Summe uner- Lebens sacher struk- kon- age- Grund- gung dures Maschine- mensch heitsein- gung, ren matisch klärter -erhal- -> tion trolle ment lagen Interface -lich richtung automa- Verur- tungs- behoben tisiert sacher sysem

auto- matisch 31 31 14 25 5 40 20 15 19 8 37 27 44 20 24 24 81

Boden- kontrol- le 97 65 429 148 27 142 34 116 314 13 125 63 222 24 91 26 97 Crew 213 144 150 590 76 239 40 96 199 9 331 47 217 18 116 25 548

Turn- around 257 198 17 49 119 103 210 246 25 6 153 236 97 81 136 13 32 NN 2 .. 3 41 1 6 1 3 7 109 4 278 84 412

Summe, behoben 600 438 612 852 228 532 305 477 565 143 646 372 584 421 450 500 758

Alle Fehler 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 1000 Eintrag .. für Werte < 1/1000 Verursacher - behoben: n/(Alle Fehler(Verursacher)) - n , Alle Fehler aus Tabelle 6.2

Tabelle 6.7 - Ergebnisauszug der Behebungsbeiträge ohne A4 und Fi-103, nach Verursacherbeitrag 6. Schlußfolgerungen 107

In der unteren Teiltabelle jedes Ergebnisauszuges der Standardform (Tabelle 6.1 bis 6.3) sind die Beiträge bestimmter Verantwortungsbereiche bei der Verursachung und Behebung von Versagensereignissen eingetragen, wobei hier wie erwähnt für beide Mehrfachnennungen zu einem Versagensereignis möglich sind. Die Summierung zeigt also eine Überlagerung der einzelnen Wege des Verantwortungsflusses, wobei jeder beiderseits definierte Eintrag den Anteil eines anteiligen Behebungsweges aufzeigt. Es wurde hier keine Verknüpfung zu der Gruppenkombinationen System - Fachbereich einbezogen. Entsprechende Untersuchungen sind aber durch das flexible Rechensystem der verwendeten Struktur des Tabellendokumentes leicht möglich, soweit es die gerade verfügbare Zeit und Rechnerleistung zuläßt. Bei der Betrachtung dieses Teils des Ergebnisauszuges alle Flugkörper außer A4 und Fi-103 Einsatzflugkörper, alle Fehler (Tabellen 6.2, 6.3, 6.7) fällt zuerst auf, daß die an der unmittelbarsten Durchführung eines Fluges arbeitenden Verantwortlichen der Bereiche Bodenkontrolle und Crew bei den Versagensereignissen, an deren Entstehen sie selbst beteiligt sind, auch am häufigsten zu ihrer Behebung beitragen. Die folgende Tabelle faßt dies mit einem Vergleich der Situation bei anderen Bereiche zusammen:

Behebungsbeiträge Verursacherbeitrag Versagensereignisse ohne Einsatz mit Einsatz A4, Fi-103 A4, Fi-103 Bodenkontrolle Bodenkontrolle alle aufgetretenen 42.9% 42.9% Bodenkontrolle Bodenkontrolle alle behobenen 70.1% 70.1% Crew Crew alle aufgetretenen 59.0% 59.0% Crew Crew alle behobenen 69.2% 69.2% Bodenkontrolle, Crew Bodenkontrolle alle behobenen 94.5% 94.5% Bodenkontrolle, Crew Mensch-Maschine-Interface alle behobenen 90.9% 90.9% Bodenkontrolle, Crew Crew alle behobenen 86.5% 86.5% Bodenkontrolle, Crew alle alle behobenen 45.9% 44.7% alle Konstruktion alle behobenen 60.0% 7.0% alle Verfahren alle behobenen 58.4% 5.8% alle mittlerer Anteil alle behobenen 45.0% 14.2% alle Testen alle behobenen 43.8% 43.7% alle Fertigung, automatisiert alle behobenen 37.2% 37.2% alle Fertigung alle behobenen 30.5% 25.2% alle Management alle behobenen 22.8% 23.0%

Tabelle 6.8 - Verursacher- und Behebungsbeiträge und unmittelbarste menschliche Beteiligung 6. Schlußfolgerungen 108

Der außerordentlich hohe Anteil an von den menschlichen Mitverursachern in Bodenkontrolle und Crew selbst behobenen Fehlern in diesen beiden Bereichen spiegelt sich auch im durch die jeweilige Beteiligung verwandten Bereich Mensch-Maschine-Interface wieder. Der kombinierte Anteil der beiden Behebungsbeiträge ist hier am zweithöchsten, was sich ebenso wie der höchste Anteil beim Verursacherbeitrag Bodenkontrolle durch das mögliche Zusammenwirken von Bodenkontrolle und Crew bei den Behebung erklären läßt. Bei Versagensereignissen an Bord ist diese Möglichkeit zum Teil nicht so leicht gegeben ist, da die Bodenkontrolle bestenfalls über die von Natur aus eingeschränkten Fernverbindungen beitragen kann. Wenn in diesen ein Teil der Versagensereignisse liegt, oder sich letztere sehr schnell ereignen, ist die Crew zumindest bei der unmittelbarsten Behebung auf sich selbst gestellt. Außerdem kann sie immer mehr von den Versagensereignisse direkt erkennen und mit allen Möglichkeiten den menschlichen Wahrnehmung beurteilen, als dies umgekehrt der nicht an Bord befindlichen Bodenkontrolle möglich wäre. Die Einbeziehung von A4 und Fi-103 (Tabelle 6.1) als unbemannte und technisch nicht ausentwickelte Einsatzgeräte verdeutlicht diesen Zusammenhang. Sie wirken sich kaum auf den Anteil von Bodenkontrolle und Crew an den gesamten Behebungsbeiträgen aus, da sie einmal gestartet, völlig autonom und unbemannt flogen. Lediglich ein kleiner Teil der Fi-103 war mit einem Peilsender zur Triangulation des Einschlagpunktes als einzige Telemetrie versehen, die zu einer als Bodenkontrolle klassifizierbaren Institution rückwirken konnte. Ihre extrem große Startzahl im Einsatz und der munitionsartige Verschuß wirken sich dagegen stark auf den Anteil der Behebungsbeiträge zu Verursacherbeiträgen von Konstruktion und den in ihr und anderen an der Entwicklung beteiligten Bereichen gewählten technischen Verfahren aus. Mit ihnen bricht auch der mittlere Anteil der behobenen Versagensereignisse entsprechend zusammen. Für die mit der Fertigung der Muster und Massenproduktion der Einsatzflugkörper und der Erprobung verbundenen Bereiche Testen, Fertigung, automatisiert, Fertigung und Management sinkt der Anteil der Behebungsbeiträge nur leicht oder bleibt fast unverändert.

Daraus kann geschlossen werden, daß Fehler, die in diesen Bereichen der Verursacherbeiträge in das Produkt geraten, später nur noch selten mit Erfolg von den unmittelbaren Betreibern, also Bodenkontrolle und Crew, zu beheben sind. Dies spiegelt sich auch in dem hier stark erhöhten relativen Anteil der Behebungsbeiträge des zwischen den Flugversuchen eingreifenden Bereiches Turnaround wieder. Trotzdem sind die relativen Anteile der insgesamt zu den Verursacherbeiträgen Testen, Fertigung, automatisiert, Fertigung und Management von allen Bereichen geleisteten Behebungsbeiträge die niedrigsten aller bestimmt zugeordneten Verursacherbeiträge, also der ohne die als NN, menschlich und NN, automatisch bezeichneten. Bis auf Fertigung, automatisiert handelt es sich dabei außerdem um die Bereiche mit der absolut höchsten Zahl der Verursacherbeiträge, während die von Bodenkontrolle und Crew mit zu verantwortenden Bereiche mit Fertigung, automatisiert die drei absolut kleinsten sind. (Tabelle 6.1 bis 6.3). Der Verantwortungsbereich einer Besatzung (Crew) kann sich dabei natürlich nur auf bemannte Systeme und ihre fliegenden Bestandteile erstrecken, die in einigen sehr seltenen Fällen auch einen zur Wartung eingefangenen, eigentlich unbemannten Satelliten umfassen können. Diese unterliegen einer wesentlich besseren, ausführlicheren und detaillierteren Berichterstattung in der untersuchten Literatur. Dennoch werden über diesen sehr kleinen Anteil der Flugkörper und den damit verbundenen immer noch relativ kleinen Anteil der berichteten Versagensereignisse von dem Verantwortungsbereich Crew gut ein Viertel aller Behebungsbeiträge geleistet, und sogar fast ein 6. Schlußfolgerungen 109

Drittel aller definiert zugeordneten Behebungsbeiträge (Tabelle 6.7 o.). Die folgende Tabelle zeigt dies, und die Anteile der Verantwortung für Versagensereignisse des Verantwortungsbereiches Crew im Vergleich zur gezählten Menge der Versuche und Versagensereignisse:

ohne Einsatz A4, Fi-103 mit Einsatz A4, Fi-103

Anteil des Verantwortungsbereiches Crew an.. ...allen Verursacherbeiträgen (mit NN) 0.58% (122 / 20912) 0.18% (122 / 67996) ...zugeordneten Verursacherbeiträgen (o. NN) 0.78% (122 / 15577) 0.25% (122 / 49391) ...alle Verursacherbeiträgen bemannter Rfk. 1.46% (122 / 8333) 1.46% (122 / 8333) ...allen Behebungsbeiträgen (mit NN) 25.78% (2426/ 9411) 25.13% (2426/ 9654) ...zugeordneten Behebungsbeiträgen (o. NN) 31.71% (2426/ 7651) 30.77% (2426/ 7884) Anteil des Lebenserhaltungssystems an...... an allen gezählten Versagensereignissen 0.20% (62 / 30425) 0.06% (62 / 106944) ...an allen gez. Versagensereignissen bem.Rfk. 0.47% (62 / 8333) 0.47% (62 / 8333) ...dito, mit Behebungsbeitrag Crew 54.84% (34 / 62) 54.84% (34 / 62) Anteil Kombination Struktur - Pneumatik ... 0.05% (15 / 30425) 0.01% (15 / 106944) ...an allen gez. Versagensereignissen bem.Rfk. 0.13% (11 / 8333) 0.13% (11 / 8333) ...dito, in Funktion als Lebenserhaltungssystem 0.04% (3 / 8333) 0.04% (3 / 8333) ...dito, mit Behebungsbeitrag Crew 66.67% (2 / 3) 66.67% (2 / 3) Anteil bemannter Raumflugkörper...... an allen gezählten Versuchen 22.70% (3733 / 16445) 9.41% (3733 / 39675) ...an allen gezählten Versagensereignissen 27.39% (8333 / 30425) 7.79% (8333 / 106944) ..., Versagensereignisse relativ zu Versuchen 120.66% (27.39 / 22.70) 82.78% (7.79 / 9.41) Anteil bemannter Raumschiffe...... an allen gezählten Versuchen 1.39% (229 / 16445) 0.58% (229/ 39675) ...an den gezählten Versagensereignissen 10.74% (3268 / 30425) 3.06% (3268/106944) ..., Versagensereignisse relativ zu Versuchen 772.66% (10.74 / 1.39) 527.59% (3.06 / 0.58) Anteil bemannter Raumschiffe...... an allen bemannten Versuchen 6.13% (229 / 3733) 6.13% (229 / 3733) ...an dabei berichteten Versagensereignissen 39.22% (3268 / 8333) 39.22% (3268 / 8333) ..., Versagensereignisse relativ zu Versuchen 639.80% (39.22 / 6.13) 639.80% (39.22 / 6.13) nach Tabelle 4.1 und Ergebnisauszügen Tabellen 6.2, 6.3, 6.7 Tabelle 6.1

Tabelle 6.9 - Anteile bemannter Raumflugkörper und des Verantwortungsbereiches Crew 6. Schlußfolgerungen 110

Dies scheint zunächst zu zeigen, daß bemannte Raumflugkörper aller Arten zwar in der gesamten betrachteten Entwicklung ein wenig zuverlässiger sind als das Mittel, dies aber bereits nicht mehr gilt, wenn die möglicherweise den einzigartigen Umständen anzulastenden, besoders hohen Zahlen der Versagenereignisse beim Einsatz des A4 und der Fi-103 ausgeschlossen werden. Die eigentlichen bemannten Raumschiffe, also in die mit einer Besatzung in die Erdumlaufbahn oder zum Mond entsandten Raumflugkörper, scheinen in beiden Fällen durch einen im Vergleich zum Anteil an den gezählten Versuchen stark erhöhten Anteil an den gezählten Versagensereignissen hervorzutreten, also allgemein als Raumflugkörper betrachtet eine deutlich niedrigere Zuverlässigkeit zu besitzen als solche ohne Besatzung.

Dagegen spricht deutlich, daß die Behebungsbeiträge der Besatzung (Crew) auch bei Versagensereignissen mit Verusacherbeiträgen aus den Verantwortlichkeitsbereichen Wissen, Grundlagen- und Sicherheitseinrichtung den größten, und bei Verursacherbeiträgen aus den Bereichen Konstruktion, Testen, Management, Fertigung, Mensch-Maschine-Interface, NN, menschlich und Verfahren, den zum Teil nur knapp zweitgrößten Anteil stellen. Da die Anteile aller anderen Verursacherbeiträge und Behebungsbeiträge alle Arten von Raumflugkörpern betreffen, aber die jeweils als Crew benannten naturgemäß nur die bemannten Flugkörper, wird mit dem geringen Anteil der bemannten Flugkörper und der von ihnen gründlicher berichteten Versagensereignisse sehr klar deutlich, daß die Anwesenheit von Menschen in einem Flugkörper die mit großem Abstand wirksamste Maßnahme zur Erhöhung der Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern ist.

Diese Vergleiche zeigen auch den Wert der praktischen operationellen Erfahrung aus erster - eigener - Hand beim tatsächlichen Betrieb eines Systems, und spricht für eine möglichst enge Kopplung von Konstruktion, Fertigung und Betrieb, im Idealfall in den Händen derselben Gruppe Menschen am selben Ort, und unter großer Beteiligung einer etwaigen Besatzung. Die besten Beispiele für den praktischen Erfolg dieser Vorgehensweise auch bei großen Raumflugkörper- Projekten finden sich in [4][12][14][16][20][28][30][42][44][45][66], aber auch die Autoren von Werken, die sich mit der Realisation ähnlich komplexer und schwer vermarktbarer Projekte in verwandten und anderen industriell organisierten Bereichen befassen, ziehen unabhängig davon sinngemäß ähnliche Schlüsse. [20][72][86] Praktische Gegenbeispiele sind in beiden Bereichen der Literatur ebenfalls zur Genüge angeführt.

Diese Schlußfolgerungen werden dadurch bekräftigt, daß fast alle ausgewerteten Werke den Details der bemannten Raumfahrt, insbesondere der in der Erdumlaufbahn und zum Mond, einen überproportional großen Anteil ihrer Berichterstattung zuwenden, und einige der ausgewerteten Werke sich ausschließlich auf diese Bereiche beschränken, um das größtmögliche Detail in diesen zu erreichen. Dabei wird auch eine sehr große Zahl von Versagensfällen geringer Schwere berichtet, die bei unbemannten Missionen meist nicht erwähnt werden, wie ausnahmsweise besser dokumentierte Flugkörper dieser Art zeigen, oder garnicht bemerkt werden, da sie nicht von der vorgesehenen Telemetrie nicht erfaßt werden können, obwohl sie einem anwesenden menschlichen Beobachter mit Sicherheit aufgefallen wären. [A.6] Gelegentlich werden solche Versagensereignisse nachträglich bemerkt, z.B. bei den Satellitenreparaturmissionen des Shuttle oder beim Besuch von Surveyor 3 durch die Besatzung des Apollo 12 LM. [4][10][16][25][32][36] [37][38][39][40][41][53][75][76] 6. Schlußfolgerungen 111

Dieser Berichtseffekt betrifft insbesondere auch Werke von der bemannten Raumfahrt in der Umlaufbahn sehr kritisch gegenüberstehenden Autoren, die besondere Sorgfalt bei der Recherche nach aufgetretenen Versagensfällen erkennen lassen, und diese auch so detailliert wie möglich im Hinblick auf die Zuordnung der Verantwortung untersuchen und schildern, was die Zahl der pro Versagensfall trennbaren Versagensereignisse, die ja hier einzeln gezählt werden, zudem noch stark erhöht; [1][7], teils auch [4][9][16][29][31][37][38][48][51][58]. Es ist also schon von der ausgewerteten Literatur her sichergestellt, daß eine bevorzugte Behandlung des Menschen an Bord vor allen anderen Menschen im System ausgeschlossen ist. Das analog der Tabelle 6.1 in einem Ergebnisauszug zusammengefaßte, unkorrigierte Rohdatenaufkommen findet sich zum Vergleich in [A.6]. Obwohl die meisten Gruppenkombinationen nur leicht um etwa ein Fünftel erhöht sind, zeigt sich eine besonders hohe Überrepresäntation der Todesfälle bei Menschen und Versuchstieren, bei Nutzlastverlusten durch Trägerfehler und bei Fehlern in Lebenserhaltungssystemen. Ein ähnliches Bild deutet sich auch beim Vergleich der Schilderungen einzelner unbemannter Testflüge mit der der später mit dem selben Flugkörpertyp durchgeführten, bemannten operationellen Flügen an, was sich aber eher im Detail der Schilderung ausmachen läßt, und wegen der geringen Zahl der Flüge in den Ergebnisauszügen streng statistisch nicht besonders augenfällig wird. [A.6]

Gut ein Viertel aller auf diese Weise berichteten, überhaupt behobenen Versagensereignisse aller in der ausgewerteten Literatur berichteten Versuche wurde an Bord der mit dem in Tabelle 6.9 gegebenen Anteil aller gezählten Versuche verbundenen Flugkörper von der anwesenden Besatzung behoben - also je nachdem, ob der Einsatz von A4 und Fi-103 mitgezählt wird, an Bord von knapp einem Zehntel oder knapp einem Viertel. Diese Flugkörper, Missionen oder Versuche hatten von vornherein, verglichen mit der Gesamtzahl, 83% bzw. 121% des für sie zu erwartenden Anteils aller Versagensereignisse. Der bis auf die erwähnten einzelnen Ausnahmen nur für bemannte Raumflugkörper mögliche Verursacherbeitrag Crew hat an den bei diesen Versuchen aufgetretenen Versagensereignissen nur einen vom Beitrag der Auschlußflugkörper unabhängigen Anteil von 1.46%. Dieser Anteil liegt absolut und relativ weit unter den zu allen Versagensereignissen aller Versuche führenden Verursacherbeiträgen aller anderen Verantwortlichkeitsbereiche, und auch weit unter den nicht zuordnenbaren Verursacherbeiträgen NN, menschlich und NN, automatisch. Damit deren ersterer keinen verdeckten Anteil von Besatzungsverursacherbeiträgen enthält, wurde bei der Auswertung im Zweifel gegen die Besatzung entschieden, was nur sehr selten notwendig war, da die meisten Autoren der ausgewerteten Quellen ohnehin bereits derart verfahren hatten. Diese Regel folgt also lediglich der Mehrheit der Quellen.

Der, neben dem von der Besatzung herrührenden Verursacherbeitrag, zweite Teil des Preises für die Leistung einer Besatzung an Behebungsbeiträgen, das Lebenserhaltungssystem als zusätzliche Quelle für Versagensereignisse, ist sehr klein. Nach den selben Kriterien betrachtet wie der Verursacherbeitrag Crew, rührt an allen gezählten Versagensereignissen nur ein Anteil im Promillebereich vom Lebenserhaltungssystem her; unter einem halben Prozent der Versagensereignisse im Anteil der bemannten Flugkörper. Zu diesen 62 berichteten Versagensereignissen wurden 47 Behebungsbeiträge geleistet, was in der analogen Betrachtung mit 75.8% der zweithöchste Anteil nach dem von 85.2% zum Verursacherbeitrag Crew wäre. 6. Schlußfolgerungen 112

Davon wurden 34 von der Besatzung (Crew), 6 von der Bodenkontrolle, 5 automatisch, und 2 in der Instandsetzung oder Folgefertigung (Turnaround) geleistet. In diesem Fall entsprechen Versagensereignis und der System-Verursacherbeitrag einander, da es sich um eine separate Zählung handelt und jedes Versagensereignis maximal einen Eintrag pro Spalte in seiner Zeile haben kann, was für die mit diesem Eintrag verschränkte Zahl der behobenen Versagensereignisse und die Summe der Behebungsbeiträge nicht notwendigerweise der Fall sein muß, da dort keine, einer oder mehrere Einträge in einer Zeile in den betreffenden Spalten möglich sind. Ungeklärte, als NN eingetragene Verursacher- oder Behebungsbeiträge liegen für Lebenserhaltungssysteme in der ausgewerteten Literatur aber nicht vor. Auch der oft wegen seiner Bedeutung für die Auslegung besonders hervorgehobene Anteil der für die Atmosphärenhaltung im Innenraum wichtigen Gasdichtigkeit an den Versagensereignissen ist verschwindend gering. Nur 15 von allen Versagensereignissen fallen in die betreffende Gruppenkombination Struktur - Pneumatik, elf betrafen bemannte Flugkörper, zehn bemannte Raumschiffe, und nur drei davon berührten die Funktion der Struktur als Teil des Lebenserhaltungssystemes. Zu zwei dieser drei Fälle wurde ein Behebungsbeitrag von der Besatzung geleistet. Bei der Klimatisierung sind außerdem die Anforderungen automatischer Meßgeräte oft viel höher als die des Menschen, insbesondere bei optischen Geräten wie Kameras, [1-260ff.][4-161][20] und Druckbehälter mit einem definierten Gasgemisch und Innendruck werden auch bei unbemannten Missionen verwendet, (Kapitel 2.1.3. bis 2.1.6., 6.2.2.) so daß als einzige weitere Besonderheit die Verwendung von Sauerstoff mit einem bestimmten zu regelnden vorgesehenen Anteil im inneren Druckgasgemisch bleibt, sowie die Notwendigkeit, Kohlendioxid und auch eine gewisse Menge Wasserdampf kontrolliert zu binden.

Die Ursache für die höhere Fehleranfälligkeit von bemannten Raumflugkörpern in der Umlaufbahn muß also in anderen Ursachen als denen, die letztlich auf der Anwesenheit des Menschen an Bord beruhen, begründet sein. Die Betrachtung etwa zeitgleicher unbemannter Missionen weist darauf hin, daß es zu dem jeweilgen technischen Stand einer Epoche der Entwicklung der Raumfahrt eine bestimmte Grenze der Komplexität gibt, die nicht ohne weiteres zu überschreiten ist. (Kapitel 2.1.6., 6.2.4.) Betrachtet man die vergleichbar komplexen, mit der selben Agena-Obersufe gestarteten Nutzlasten Ranger, bis 5 und die Spionagesatelliten der Serie Corona mit der jeweils dazugehörigen Agena, zeigt sich an Gesamtbild und in der Art der Einzelfälle eine sehr ähnliche allgemeine Entwicklung der Versagensfälle mit der mit der Startzahl wachsenden Erfahrung. Diese Versagensfälle entwickeln sich wiederum bemerkenswert parallel zu denen der Familie der nK, also 1K Korabl- Sputnik, 2K Zenit, 3KA Vostok und 3KV/3KD Voskhod, obwohl deren Konzeption vollkommen anders ist. [A.6] Zenit, Mariner, Ranger und Corona hatten aber vergleichbare Aufgaben - photographisch abbildende Planetenerkundung im weitesten Sinne. Alle diese Flugkörper waren automatisch und programmgesteuert mit gelegentlichen Eingriffen der Bodenkontrolle. Auch die ersten sowjetischen Kosmonauten flogen dabei als Passagiere fast ohne Eingriffsmöglichkeit in die Flugsteuerung der 3KA Vostok. Aus Gewichtsgründen war diese Eingriffsmöglichkeit bei der dreieinhalb mal leichteren Mercury-Kapsel zwingend nötig, da es zu dieser Zeit einfach unmöglich war, eine einfache automatische oder gar redundante Steuerung in das Massebudget einzupassen. Die mit einer viel kleineren Filmrückkehrkapsel für je maximal 80 lbs (36 kg) Film ausgestatteten, automatisierten Corona-Satelliten der selben Zeit waren schon 6. Schlußfolgerungen 113 als Gesamtflugkörper praktisch gleich schwer wie die Mercury-Kapsel, ohne »man-rated« sein zu müssen, und auch die Masse der Lenkeinrichtung für eine Trägerrakete lag bei mehreren hundert Kilogramm. [4][8][14][16]

Von den bemannt geflogenen Mercury mit ihrem komplexeren Flugprofil als die unbemannten oder mit Versuchstieren besetzten Erprobungsflüge wäre wohl keine unbemannt und intakt ins Zielgebiet zurückgekommen, und auch die ohne die astronautische Hilfestellung geflogenen ersten dreizehn Corona waren sämtlich nur auf die eine oder andere Art erfolgreiche Fehlschläge. Die sechs Vostok-KosmonautInnen sind alle als passive oder später auch wissenschaftlich experimentierende Passagiere geflogen, nicht als Piloten. Ihre Auswahl beinhaltete Jugend, Gesundheit und eine geringe Körpergröße, da sie mitsamt Schleudersitz in den Bauraum der anders als bei Corona wiederverwendbaren Kameraanlage des Aufklärungssatelliten Zenit passen mußten, der die selbe kugelförmige Rückkehrkapsel verwendete, aber eine größere Versorgungssektion hatte. Beim Start war der Schleudersitz die einzige Rettungsmöglichkeit, die aber nie im Flug der Rakete erprobt wurde. Bei den Voskhod-Flügen mit drei Mann bzw. zwei Mann in Druckanzügen und der aufblasbaren Luftschleuse fehlten Schleudersitze aus Platzgründen. Der durch die Kugelform bedingte ballistische Wiedereintritt erzeugte schon eine hohes Lastvielfaches von um die 10 g, aber der Fallschirm der Rückkehrkapsel bremste die Sinkgeschwindigkeit vor der Landung nur für technische Geräte ausreichend ab, so daß ein Ausschuß aus der Kapsel mit dem Schleudersitz zur gesunden Landung wesentlich sicherer war, da es nicht wie bei Soyuz Bremsraketen, oder wie bei Mercury einen airbag gab. Der Ausschuß wurde auch von Gagarin so durchgeführt, obwohl zur Anerkennung des FAI-Rekordes lange behauptet wurde, er sein in der Kapsel gelandet. Das besonders herausstechende Beispiel für die Auswahl der Kosmonauten und die vollständige Orientierung auf die Automatik ist leider, für die weitere Entwicklung des Kosmonautinnenkorps, Valentina Tereshkova, die vor ihrem Flug kaum über ihr Hobby Fallschirmspringen hinaus ausgebildet wurde, weil sie kurzfristig auf einen nach Gagarins Flug geschriebenen Wunschbrief und ihre makellose proletarische Ahnenreihe hin ausgewählt wurde. Die eigentlich für das Flugprogramm des Aufklärungssatelliten Zenit entwickelte Automatik rettete ihr das Leben und traumatisierte sie geradezu, selbst ohne das häufige Trennungsproblem der Versorgungssektion. Diese blieb gelegentlich an einem Verbindungskabel hängen und versetzte die Kapsel in wildes Kreiseln, bis das Kabel im Wiedereintritt von der Reibungshitze durchgebrannt wurde. Alle damaligen Vostok-Kosmonauten sahen ihr Raumschiff erst kurz vor dem Start, während die NASA- Astronauten ihres durch die gesamte Fertigung mit begleiteten. Die erste Entscheidung für automatische Systeme erfolgte nach dem Osoaviakhim Ballonunfall 1934 und wurde bis zum Raumschiff Vostok aufrecht erhalten, auch wegen der anfänglichen und letztlich unbegründeten Befürchtungen von Psychologen über die Reaktion des Geistes in der Umlaufbahn und bei der Erkenntnis der Trennung von der Erde. Später, in etwa ab 3KD Voskhod 2, nahm zwar die missionsspezifische Ausbildung notwendigerweise zu, aber bis weit in die Zeit des Soyuz- Zubringerverkehrs zu den Almaz- und Salyut-Raumstationen der 1970er Jahre wurden selbst wichtige Verfahren, wie das Ankoppeln oder das Einleiten eines Wiedereintritts von Hand kaum geübt. Aus diesem Grund, verbunden mit der sehr niedrigen Energie- und Treibstoffreserve der frühen 7K Soyuz, mußten mehrere ansonsten einwandfreie Flüge in Sichtweite der Station abgebrochen werden. Gefährliche Situationen traten dabei mehrfach durch isolierte Versagensfälle in der Automatik des an sich nicht sehr komplexen 7K Soyuz auf, die die Besatzung nicht ohne 6. Schlußfolgerungen 114

Hilfe des Bodens umgehen konnte, selbst wenn noch genug Treibstoff und Batterieladung vorhanden war. Hinzu kam die sehr spärliche Instrumentierung. So gab es zum Beispiel zur Steuerung der Triebwerkszündungen nur einen eindimensionalen, in Längsrichtung orientierten Beschleunigungsmesser und eine Stopuhr. Die im Gegensatz zum Apollo CSM sehr geringe Beschleunigung durch das relativ kleine Haupttriebwerk erlaubte dies, ohne daß kleinere Brennzeitfehler gefährlich waren. Für den Fall eines Versagens der Triebwerksabschaltung bei einem Manöver wurde den Kosmonauten empfohlen, bis fünf zu zählen, bevor sie es selbst von Hand abschalten. [7][8][9] Die so vorangetriebene Entwicklung und Bevorzugung vollautomatischer Systeme für die sowjetischen Kapseln und bemannten Mondprogramme führte letztlich zu so großen Verzögerungen bei der Erprobung, daß sie neben dem Scheitern der Trägerrakete N-1 und der unbedingten Priorität aller militärischen Programme der Hauptgrund für das Verlieren des Mondwettlaufes wurde. Hohe Automatisierung und der Ansatz, sich eher auf automatisierte Systeme als auf die Besatzung zu verlassen, war die Ursache hinter fast allen Versagensereignissen von 3KD Voskhod 2 und des tödlichen Fluges von Soyuz 1. Bei diesem Unglück war die eigentliche Todesursache ein unabhängiger Fehler der Fallschirmkonstruktion und -fertigung, der erst bei der Schirmauslösung auftrat. Der Kosmonaut Komarov konnte, wie zuvor die Besatzung von 3KD Voskhod 2, bis zur Landung alle vorherigen Versagensereignisse der Automatiken von Hand beheben oder umgehen. In beiden Fällen gelang dies den Besatzungen ohne nach westlichen Maßstäben ausreichendem Training, und wegen des unzureichenden Bodennetzwerkes, bei Soyuz 1 zusätzlich auch wegen versagender Funkgeräte, meist ohne wirksame Hilfe der Bodenkontrolle. Trotzdem wurden noch 18 Monate und fünf Testflüge in die Perfektionierung der Automatiken investiert, wobei mit den Paaren 7K Kosmos 186 und 188 bzw. 212 und 213 am 30.10.1967 und 15.04.1968 tatsächlich die ersten vollautomatischen Kopplungsvorgänge von Raumschiffen gelangen. Beregovoi in 7K brach den im Erdschatten (!) automatisch geführten Kopplungsversuch am unbemannten 7K Soyuz 2 in 30 bis 40 m Abstand ab, als er dessen Positionslichter in vertauschter Position sah. Die Lichter waren vertauscht montiert, und bis dies auf der Tagseite erkannt werden konnte, waren die Raumschiffe in eine windschiefe Lage gedriftet. Beregovoi verbrauchte in zwei Minuten 40 kg Treibstoff bei dem nicht trainierten Versuch, wieder eine für die Automatik verwendbare relative Lage herzustellen. Die Automatik hatte in 20 Minuten etwa 30 kg der zugeteilten 80 kg verbraucht, und der Rest von 8 bis 10 kg reichte nicht mehr für die automatische Fortsetzung. Ihm wurde das Scheitern der Mission alleine angelastet. In derselben Zeit, 1965 bis 1968, ließ die NASA die besten Testpiloten des Landes in den Gemini- Kapseln sich ihre für die Mondflüge nötige Erfahrung selbst erfliegen und erprobte Apollo unbemannt und bemannt in der Erdumlaufbahn. Später wurden auch in der Sowjetunion erfahrene Piloten als Kosmonauten ausgewählt und ab dem Flug des nK-Konstrukteurs Feoktistov auf 3KV Voskhod 1 auch in die Fertigung eingebunden.

Ähnliche Vergleiche wie der der frühen Agena-Nutzlasten und der nK-Serie lassen sich mit der bei den geringeren Versuchszahlen gebotenen Vorsicht auch zu späterer Zeit ziehen, wenn man vorsichtig annimmt, daß die geringere Zahl von interplanetaren Sonden durch ihre oft jahrelange Betriebsdauer und die schrittweise Weiterentwicklung von Flug zu Flug mit der höheren Startzahl der kürzer betriebenen bemannten Flugkörper vergleichbar bleibt. 6. Schlußfolgerungen 115

Es bieten sich, ausreichende Daten vorausgesetzt, die folgenden, etwa gleichzeitigen Paarungen an:

R-7-Venera, -Mars - 7K-OK Soyuz, Lunar Orbiter, Mariner 6 und 7 - Gemini, Mariner 8-10 - Apollo, Proton-Mars, -Venera - Soyuz 7K-OKS, 7K-T, mit Salyut 1..5, Surveyor, Viking - Apollo LM, Pioneer 10 und 11, Voyager - Apollo-Skylab, -ASTP, mit Salyut 6, 7, Pioneer-Venus, Hubble, Magellan, Galileo, Cassini - STS Shuttle, mit Mir und ISS.

Einen allgemeine Übersicht der erfaßten Versagensereignisse bieten die in den Anhängen [A.6] beigefügten Ergebnisauszüge. Die teilweise sehr geringe Versuchszahl im einstelligen Bereich und die stetige Veränderung der in wenigstens etwas höherer Zahl geflogenen Flugkörper, die immer mindestens eine Seite der Paarungen betrifft, macht jedoch eine rigide statistische Analyse unmöglich. Detailliertere Ergebnisauszüge werden daher nicht angeführt. Aus der Betrachtung genügend vieler Einzelfälle zeigt sich aber, daß die Ursprünge von Versagensereignissen bei unbemannten und bemannten Raumflugkörpern im Rahmen der hier verwendeten Klassifikation wie auch des detaillierten Herganges oft sehr ähnlich sind, gelegentlich sogar gleich. Einige Versagensfälle lassen sich ferngesteuert über Eingriffe der Bodenkontrolle umgehen oder sogar beheben, es kann also faktisch eine Reparatur und sogar eine Modernisierung einer Sonde nach dem Verlassen der Erde vorgenommen werden, solange nur genügend flexible und frei steuerbare Mechanismen dazu vorgesehen sind. Dies wurde unbemannt bei den interplanetaren Sonden Voyager 1 und 2, Magellan, Galileo und Cassini mit Bravour demonstriert. [8][14][25][31][32][37][38][39][66][76] Im Falle der Voyagers wurden sogar mechanische Baugruppen jenseits des Saturn im eigentlichen Sinne repariert und gewartet, wenn man [75] folgend die Neuverteilung des Schmierstoffes am Antrieb der Kameraplattform in der Art eines werkstattmäßigen »Gängigmachens« durch geeignete und erprobte, hier lediglich ferngesteuert erfolgende Bewegungen so bezeichnen will. Bemannt wurden beim dafür entworfenen Hubble- Teleskop Hauptbaugruppen ausgetauscht und auch viele weitere, nicht derart in der Konstruktion vorgesehene Reparaturen durchgeführt. Dies wurde ebenfalls an anderen vom STS aus eingefangenen und dann teils auch gewarteten Satelliten demonstriert, die insgesamt als Flugkörper überhaupt nicht konstruktiv dafür vorgesehen waren. [7][8][9][14][73][74][80]

Am deutlichsten wird der Unterschied der unbemannten und bemannten Eingriffsmöglichkeiten beim Vergleich von Versagensereignissen mit sehr ähnlichen Umständen. Das Festklemmen der Hauptantenne der Jupitersonde Galileo in ihrer zentralen Trägerstruktur wurde über eine Modernisierung der Bordrechnerprogramme ihre Funktion betreffend wenigstens soweit behoben wurde, daß eine nur bereichsweise stark reduzierte Mission wenigstens zu allen beabsichtigten Zielen noch möglich war. [25] Vergleichbar sind die gelegentlich klemmenden Luken bei den Kopplungen von Zubringerraumschiffen an Raumstationen oder bei Apollo 13, die fast immer innerhalb von Minuten durch einen kleinen Schubs oder ein Ziehen am Dichtgummi wie an einem Weckglas gelöst wurden. [1][44] Im Einzelfall sind es gerade diese mit kleinen Eingriffen direkt lösbaren oder sofort erkennbaren Probleme, an denen komplexe automatisierte Missionen scheitern. Nicht alle derartigen Versagensereignisse verlaufen glimpflich oder haben finanziell erträgliche Folgen. Der Absturz der Kampfstation Polyus durch einen um 180° verdreht messenden 6. Schlußfolgerungen 116

Lagesensor, der das Triebwerk zur Zirkularisierung der Umlaufbahn genau in die falsche Richtung zündete, [8][14-329] wäre im STS oder in den viel weniger komplexen Kapseln sicherlich sofort von der Besatzung bemerkt worden, wie es bei Soyuz-Flügen auch geschah. Am - live im Fernsehen übertragen - augenfälligsten war diese Symptomatik in der sprichwörtlichen »typischen Handbewegung« des Astronauten, der beim hier nicht mehr mit ausgewerteten STS-Flug im Sommer 2005 einige an sich wohl ungefährliche verschobene Vibrationspuffer-Glasfaserfilze aus den Kachelspalten des Hitzeschildes am Bauch des Shuttle zupfte. Der Kontrast dieser Handbewegung zur möglichen katastrophalen Auswirkung dieser winzigen und billigen Bauteile beim Wiedereintritt ist typisch für diese Versagenshergänge, aber auch das darum von den Medien schon präventiv aufgebaute Drama, das eine unbemannte, aber gleich komplexe oder teure Mission selten erleiden muß. [10] Der Spiegelfehler des Hubble-Teleskop ist wegen der bemannten Wartbarkeit nur bedingt eine Ausnahme von dieser Regel der Berichterstattung. Der Vorsprung des Menschen an Bord zeigt sich im Ergebnisauszug nach den Tabellen 6.1 bis 6.7 besonders dort, wo lange vor dem Beginn der eigentlichen Arbeit vorgesehene Abläufe oder angenommene Umstände sich nach Flugbeginn als ungeeignet oder unzutreffend herausstellen. Hieraus ergibt sich der besonders hohe Behebungsbeitrag Crew unter den Verursacherbeiträgen Konstruktion, Testen, Management, Wissen, Grundlagen-, Sicherheitseinrichtung und Verfahren. Besonders bemerkenswert ist von diesen der Punkt Sicherheitseinrichtung, denn hier liegt ein automatisches, aber zuvor meist auch in der Konstruktion festgelegtes oder bei der Erprobung nicht bemerktes Fehlverhalten einer Baugruppe in Folge eines anderen Versagensfalles vor, von denen jeder oft auch die automatische Behebung eines oder beider Versagensfälle verhindern kann. Außerhalb der von den unmittelbar in den Betrieb eingebundenen Gruppen Crew und Bodenkontrolle ist der Behebungsbeitrag Crew noch bei den Verursacherbeiträgen Wissen, Grundlagen- auffallend hoch. Hier umfaßt die Behebung eines Versagensereignisses das Betreten von technisch- wissenschaftlichem Neuland, die rasche Auswertung dieses neuen Wissens und seine unmittelbare Anwendung. Der Umkehrfall, die negativen Folgen der Einschränkung dieser besonderen Flexibilität des Menschen, zeigt sich deutlich in der Umkehr des Verhältnisses der Behebungsbeiträge unter dem Verursacherbeitrag Procedures, denn vor Flugbeginn festgelegte Handlungsabläufe automatisieren ja den menschlich ausgeführten funktionellen Teil der Mission. Dagegen zeigt die Verschiebung der Behebungsbeiträge von Crew zu Bodenkontrolle unter dem Verursacherbeitrag Mensch-Maschine- Interface den tatsächlich viel höheren Anteil unbemannter Versuche bzw. Flugkörper an. Dieser muß ganz besonders im anderen Umkehrfall berücksichtigt werden: Die extreme Beschränkung des vor Flugbeginn plan- und abschätzbaren in Tiefe und Variabilität der möglichen unerwünschten und gegebenenfalls zu behebenden Versagensereignisse zeigt sich an dem sehr kleinen Anteil der Behebungsbeiträge automatisch, die ja von allen erfaßten Versuchen und Flugkörpern stammen. Betrachtet man dagegen ausschließlich bemannte Raumflugkörper bzw. Raumschiffe, wird dieser Zusammenhang durch die normalerweise sehr enge operationelle Kooperation der drei menschlichen Komponenten und ihre Eingriffe in die nur auf bemannten Raumflugkörpern existierenden, teilautomatischen Systeme stark überdeckt. Es werden sehr oft zwei oder drei wirksame Behebungsbeiträge geleistet, gelegentlich alle vier. In den einzelnen Fällen stammt der entscheidende Behebungsbeitrag fast immer von der Crew in Zusammenarbeit mit der Bodenkontrolle. Diese Wertung wurde aber nicht bei der Auswertung der Literatur erfaßt. Die folgende Tabelle faßt den Zusammenhang von bemanntem Raumflugkörperanteil und unmittelbar eingebundenen, menschlichen Behebungsbeiträgen zusammen: 6. Schlußfolgerungen 117

Versuche ohne Einsatz A4, Fi-103 mit Einsatz A4, Fi-103 Behebungsbeiträge automatisch alle 5.26% (495 / 9411) 5.13% (495 / 9654) Behebungsbeiträge NN alle 18.70% (1760 / 9411) 18.33% (1770 / 9654) Behebungsbeiträge Bodenkontrolle alle 20.13% (1894 / 9411) 19.62% (1894 / 9654) Behebungsbeiträge Crew bemannt 25.78% (2426 / 9411) 25.13% (2426 / 9654) Behebungsbeiträge Turnaround alle 30.16% (2838 / 9411) 31.79% (3069 / 9654) Verhältnis der Behebungsbeiträge...... NN / automatisch alle 3.5556 (1760 / 495) 3.5758 (1770 / 495) ... Bodenkontrolle / automatisch alle 3.8263 (1894 / 495) 3.8263 (1894 / 495) ... Crew / automatisch alle 4.9010 (2426 / 495) 4.9010 (2426 / 495) ... Turnaround / automatisch alle 5.7333 (2838 / 495) 6.2000 (3069 / 495) Anteil bemannter Raumflugkörper...... an allen gezählten Versuchen bem./alle 22.70% (3733 / 16445) 9.41% (3733 / 39675) ...an allen gez. Versagensereignissen bem./alle 27.39% (8333 / 30425) 7.79% (8333/106944) ..., Versagensereignisse / Versuchen bem./alle 120.66% (27.39 / 22.70) 82.78% (7.79 / 9.41) Verhältnis insgesamt zu bemannt...... aller gezählten Versuche alle/bem. 4.4053 (16445 / 3733) 10.6282 (39675 / 3733) ...aller gez. Versagensereignisse alle/bem. 3.6511 (30425 / 8333) 12.8338 (106944/8333) Relative Effizienz der Behebung...... NN / automatisch alle 3.5556 3.5758 ... Bodenkontrolle / automatisch alle 3.8263 3.8263 ... Crew / automatisch (Versuche) bemannt 21.5904 52.0888 ... Crew / automatisch (Versagenser.) bemannt 17.8940 62.8985 ... Turnaround / automatisch alle 5.7333 6.2000

ausschl. bemannte ... Bodenk.; Crew; Turnaround / autom. Raumflugkörper 1.91 ; 4.86 ; 3.42 / 1 1.91 ; 4.86 ; 3.42 / 1

ausschl. bemannte ... Bodenk.; Crew; Turnaround / autom. Raumschiffe 1.97 ; 4.75 ; 3.12 / 1 1.97 ; 4.75 ; 3.12 / 1

Tabelle 6.10 - Relative Effizienz der Behebungsbeiträge leistenden Gruppen

Die jeweils mehrfach größere Menge aller erfaßten Versuche und Versagensereignisse der unbemannten und bemannten Flugkörper bringt nur gut ein Fünftel der Behebungsbeiträge auf konstruktiv vorgesehene und erprobte automatisierte Weise zusammen wie die Besatzungen an Bord der relativ wenigen bemannten Missionen, die über ein Viertel aller Behebungsbeiträge leisteten. Nicht ganz so extrem ist der menschliche Vorsprung bei dem direkt vergleichbaren 6. Schlußfolgerungen 118

Fünftel der Behebungsbeiträge durch die Bodenkontrolle, die noch relativ schnell eingreifen kann und gelegentlich ohne besondere Analyse schnell eingreifen muß. Der Anteil des Turnaround von knapp einem Drittel an den Behebungsbeiträgen wird erst in der Weiterentwicklung, Folgeproduktion und Anpassung von in Serie gebauten Flugkörpern nach der Analyse vorheriger Versagensfälle geleistet, bzw. bei der Reparatur, Wartung und Bereitstellung wiederverwendbarer Flugkörper. Hierbei sind weniger als ein Fünftel aller erfaßten Behebungsbeiträge ungeklärten Ursprunges. Anders formuliert:

Bei der Behebung von Versagensereignissen liegt die Wirksamkeit der Bodenkontrolle knapp vierfach, die der konstruktiv umgesetzten, durch Versagensfalluntersuchungen aufgebauten, gesammelten technischen Erfahrung etwa sechsfach, und die des Menschen an Bord mindestens siebzehn- bis über sechzigfach höher als die Wirksamkeit automatischer Einrichtungen.

Menschliches Versehen oder Versagen kann auch auf niedrigeren Ebenen des Managements oder der Produktionsorganisation als im geschilderten Fall Explorer 1 (Kapitel 2.2.1.) erhebliche Auswirkungen auf einen konkreten Flug eines einzelnen Flugkörpers haben. Beispiele dafür sind die beiden Shuttle-Unglücke, das Versagen der ersten Ariane 5 durch einen Programmfehler, die ähnlich gescheiterte Integration und Erprobung der Trägerrakete Europa, die organisatorische Geschichte des auf dem Weg zum Mond explodierten Sauerstofftanks von Apollo 13 (Kapitel 6.2.4.), das Doppler-Kommunikationsproblem der Huygens-Sonde mit ihrem Mutterschiff Cassini, oder die zunächst rein administrativ auf Jupiter und Saturn beschränkte Planung der Voyager- Missionen (Kapitel 6.2.5.). In allen diesen Fällen wurden eine Planungentscheidung, die Bestätigung der Erfüllung der von ihr geforderten Leistung, und die Überprüfung beider nach [72] in eine vom Produkt entrückte Ebene verlagert. Die Mittel zu diesem Zweck sind zahlreich. Am weitesten im Bereich der Raumfahrt griff das als aus dieser Zeit als Micromanagement bekannte Verfahren des Herausziehens von Informationsflüssen aus der operationellen Ebene in eine von ihr entrückte organisatorische Ebene in den 1960er Jahren im US-Verteidigungsministerium unter McNamara um sich. Eine Quellenstelle, [16-146,333] die im Original in Anhang [A.5] beigefügt ist, verdeutlicht besonders den großen Kontrast dieser Philosophie zu der Praxis bei Corona, dem erfolgreichsten dokumentierten und hier ausgewerteten Satellitenprogramm überhaupt. Die einander ähnliche Organisationsweise von Corona und den Flugzeugentwicklungen der Skunk Works beruhte auf kleinstmöglichem Personalbestand, minimalem Verwaltungs- und Berichtsaufwand, und möglichst informellen Entscheidungswegen, alles unter direkter Beteiligung der direkt an der Entwicklung arbeitenden Techniker. Für Projekte des Pentagon in der Zeit McNamaras wurden dagegen netzartige Planungsdiagramme erstellt, die für alle möglichen Aktivitäten genaue Zeitvorgaben und Meilensteine definierten, auch für wissenschaftliche oder technische Entdeckungen, Forschungsaufgaben, oder ähnlich prinzipiell unplanbare Dinge. Die Erfüllung dieser Pläne wurde von Verwaltungsstäben kontrolliert und durchgesetzt. Der Vergleich mit den 6. Schlußfolgerungen 119

Planungsmechanismen der früheren sozialistischen Staaten läßt vermuten - Daten liegen nicht ausreichend vor -, daß viele Ergebnisse lediglich für die Kontrollorganisationen oder durch geeignete Berichtsweise entstanden, und daß zu diesem Zweck ein erheblicher Teil der Arbeit der erfüllungsbeauftragten Arbeitskräfte nur für dieses Überprüfungsnetzwerk aufgewandt wurde. Diese perzeptionelle Bevorzugung der eigentlich zur nachgeordneten Qualitätskontrolle und vorlaufenden Abschätzung bei der Planung dienenden Hilfsmechanismen vor der Betrachtung des eigentlichen Gesamtproduktes und der mit ihm verbundenen Ziele führt rasch zur Zerstörung der zuvor angeführten wirksamen Mechanismen zum Erfahrungsaufbau direkt am Produkt. Das Produkt wird durch seine Verwaltungsmechanismen als Kriterium der Beurteilung ersetzt. Diese begrenzen den technischen Anteil des Informationsfluses, besonders wenn der Weg der Information nicht nur einfach zum Management führt, sondern auch wieder zurück in die direkt am Produkt liegende Ebene, etwa in eine andere Abteilung oder in Form der Bekanntgabe von Entscheidungen der Betriebsleitung oder des Auftragsgebers. An der technischen Entwicklungsarbeit beteiligte sind aber unbedingt auf die Qualität und Quantität der Informationsflüsse innerhalb des nach Kapitel 2.2.2. definierten Systems Raumflugkörper und an den Schnittstellen des Systems zu seiner rein technischen Entwicklungsumgebung angewiesen. Diese verwaltungstechnischen Prozeduren, die aus dem Management von einer entrückteren Ebene in das System der direkt mit dem Produkt verbundenen Ebene eingeführt werden, stellen genauso wie die ebenfalls in den Verursacherbeiträgen ausgewerteten Procedures eine Bindung menschlicher Funktionsanteile an - wie in Kapitel 6.3.1. gezeigt - wenig wirksame automatisierte Abläufe dar. In der vom Produkt entrückteren Ebene sind sie sinngemäß direkt vergleichbar einem im eigentlichen System stattfindenden Versagensereignis der Kategorie Programmierung in der Gruppe Fachbereich für produktbezogene Versagensereignisse, und dort insbesondere den Kombinationen Steuerung - Regelungstechnik und Steuerung - Programmierung. Die Bedeutung dieser ungebrochenen und direkten Informationsflüsse für den Erfolg komplexer technischer Vorhaben ergibt sich direkt aus der relativen Wirksamkeit der in Kapitel 6.3.1. verglichenen Gruppen bei der Behebung von Versagensereignissen im Vergleich zu technischen automatischen Lösungen. Um die Situation des fliegenden Systembestandteils oder nicht zugänglicher Bodeneinrichtungen zu beurteilen und sie über die jeweiligen Rückwirkungswege zu beeinflussen, steht der Bodenkontrolle neben ihrer bisher akkumulierten praktischen Erfahrung nur die augenblickliche Telemetrie und die Erinnerung an die vergangene Telemetrie zur Verfügung, gelegentlich auch die in Echtzeit nach einem vorher erstellten Muster aufbereitete Information aus der selben Quelle. Der als wesentlichem Bereich der oben als Turnaround bezeichten Bereiche anzusehenden Weiterentwicklung steht neben der eigenen akkumulierten praktischen Erfahrung auch die der Bodenkontrolle, und die gesamte aufgezeichnete oder erinnerte Telemetrie derart zur Verfügung, daß sie allesamt über eine längere, sich rein technisch nur aus den Notwendigkeiten der Aufgabenstellung ergebende Zeit nach beliebigen Verfahren analysiert werden können. Der Besatzung an Bord steht zwar kurzfristig nur die eigene praktische Erfahrung zur Verfügung, aber ihr steht jeder mögliche Weg der Informationsübertragung direkt zur Verfügung. Dazu kommen, ungestörte Kommunikation vorausgesetzt, in praktisch denselben charakteristischen Zeitspannen alle der Bodenkontrolle und der Weiterentwicklung zur Verfügung stehenden Informationen. Die Erfahrung meherer Hersteller, insbesondere der Lockheed Skunk Works und der ebenfalls bei Lockheed aus deren Erfahrungen aufgebauten Entwicklungs- und Produktionsabteilung für die Spionagesatelliten Corona und spätere Serien zeigt, daß die wirksamste Methode zur Erzielung eines zuverlässigen und leistungsfähigen Produktes in kurzer Zeit und mit begrenzten Mitteln das 6. Schlußfolgerungen 120 möglichst vollständige Entfernen aller vom Produkt entrückter Ebenen des Managements aus der Abteilung ist. Beträchtliche Kostenreduktion durch die drastische Verringerung des Personalstammes und damit verbundener Aufwendungen an Arbeit, Organisation, Unterbringung, Sicherheit und Kommunikation sind dabei eine vom industriellen Standpunkt aus willkommene Nebenwirkung. [4][16][20][42][45][58][72][86] Diese Einsicht wird heute, noch nach fast fünfzig Jahren, durch die Erfahrung aufrecht erhalten. Drei weitere, kurze Zitate aus den neueren ausgewerteten Werken [4-47,144][16-264f.] finden sich dazu ebenfalls in [A.5].

Diese Verfahrensweisen wurden von C.L. Johnson in einem Satz von vierzehn praktischen und erprobten Regeln zusammengefaßt, [20-53ff.,295,304] die als Kelly's Rules bekannt geworden sind. [A.5] Ähnliche Ansätze und Schlußfolgerungen sind aber auch aus den frühen Raumfahrtprogrammen der Sowjetunion unter Korolev bekanntgeworden, [12-78,112,205,209] oder gänzlich unabhängig gefunden worden. [72-315ff.][86]

Ein wesentlicher Beitrag zum Aufbau und der Erhaltung der technischen Erfahrung ist die Verwendung der gesamten einmal produzierten Flugkörper und Komponenten, wie sie auch bei Corona und den meisten sowjetischen Programmen durchgeführt wurde, selbst den abgebrochenen in indirekter Weise. Abgesehen von der unproduktiven Verwendung der ohnehin bereits ausgegebenen Mittel als Museumsexponat geht durch eine nicht-Verwendung eines an sich fliegbaren Gerätes auch die durch die praktische Erprobung der an ihm bewußt oder zufällig veränderten Bauteile gewinnbare technische Erfahrung verloren. Dies ist verbunden mit der Notwendigkeit, ein System überhaupt im Bodenversuch erproben zu können - »testability« nach [66] -, der oft die kategorische Feststellung entgegensteht man könne etwas nicht einfach tun - das Standardargument »You can't do that« nach [72][86]. Naturgemäß schließen sich beide Herangehensweisen aus, und im zweiten Fall ist die wissenschaftlich gebotene Möglichkeit der Widerlegung einer Theorie durch das Experiment unmöglich, also auch der Nachweis des Irrtums ebenso unmöglich wie des Lernen aus diesem oder anderen daher unbemerkten Fehlern. Ein erheblicher Teil der Verursacherbeiträge zu diesen Fehlern liegt, wie in Kapitel 6.3.1. und 6.3.2. gezeigt, außerhalb des eigentlichen Betriebs von Raumflugkörpern in dem Bereich, der diese Entscheidungen zum Versuch in Entwicklung, Erprobung und Flugbetrieb und zum Einsatz fällt, oder bindende Rahmenbedingungen und Verfahrensweisen dafür festsetzt. Die westlichen Raumstationen und Apollo stellen in dieser Hinsicht wohl die extremsten Fälle dar. Nach der Reparatur des beim Start stark beschädigten Skylab durch seine erste Besatzung mit bei der Bodenkontrolle improvisierten Vorrichtungen wurde das für diesen Fall vorgesehene Reserveexemplar Skylab B an das National Air and Space Museum übergeben, wo es noch heute steht. Die Entwicklung eines Manövrierschleppers, der Skylab bis zum geplanten ersten Ankoppeln eines Shuttle in der Umlaufbahn halten sollte, wurde abgebrochen, nachdem bereits zwei Drittel der für ihn bewilligten, minimalen Mittel ausgegeben waren - etwa ein Prozent der Gesamtkosten des Skylab-Programmes. Die ähnlich verursachten Verzögerungen bei der Entwicklung des STS führten dann nicht nur zum unkontrollierten Absturz von Skylab über Australien Jahre nach dem Ende seiner Nutzung, sondern auch zu zwei Jahrzehnten von jedem Produkt entrückter Studien, bevor 6. Schlußfolgerungen 121 wieder praktische Erfahrungen gesammelt werden konnten. Skylab bot 361 m³ bewohnbares Volumen, was etwa dem seit dem 26.04.1996 bis zur Kollision mit dem Transporter Progress M-34 am 25.06.1997 bestehenden Endausbau der Mir von 378 m³ entsprach, deren Aufteilung allerdings zergliedert und tunnelartig eng war. Die mögliche Kopplung von Skylab und dem fliegbaren Skylab B mit einem ASTP-ähnlichen Verbindungsmodul über jeweils einen der Kopplungsstutzen hätte zwanzig Jahre früher eine möglicherweise sogar flexibler nutzbare Raumstation von der heute geplanten Größe der ISS realisiert, für die nach den bereits aufgewendeten Mitteln in Milliardenhöhe nur noch die verhältnismäßig geringen Start- und Betriebskosten, und eventuell die zur Entwicklung von Schleppern aufzuwenden gewesen wären, für die auch die noch vorhandenen LM hätten angepaßt werden können. Die folgende Tabelle gibt dazu einen Überblick:

Posten Kosten, Mio.$1965/69 Kosten, Mio.$2005 1 S-V, 3 S-IB, 3 CSM mit Missionsdurchfg. [8][40-56] °) 1067.2 6242 Entwicklung, Umbau 2 Skylab aus S-IVB o. Missionsdfg. 2415.8 14130 Kosten Skylab, Gesamtprogramm aus AAP verblieben 2500 14622 ...mit in Apollo bezahlten Anteilen an Entwicklung u.Bau 4607 26945 Skylab 1 Manövrierschlepper, projektiert [8] ¹)*) 40 234 ...dito, davon ausgegeben bei Programmabbruch [8] ¹)*) 26 152 ASTP: 1 S-IB, CSM aus Apollo; DM und Missionsdfg. ²) 71.05 415 Mehrkosten Skylab 2, Apollo-Rest, Missionsdurchfg. ³)*) 84.20 493 ...dito, erweitert; Skylab B, ~ C, Int'l/Adv.Skylab [8] ¹)*) 220...650 1287...3801 hypoth. Kosten a'76: Skylab 1-2-Apollo-CSM-Reste ²)³)*) 2634 15407 ...dito, mit im Apollo-Programm geleisteten Anteilen ²)³)*) 6848 40053 ...dito, Mehrkosten nach Apollo und Skylab 134.20 785 hypoth. Kosten ISS'76: Skylab 1..3-ASTP-kpl.CSLM ²)³)*) 3300 19300 ...dito, mit im Apollo-Programm geleisteten Anteilen ²)³)*) 8735 51086 ...dito, Mehrkosten nach Apollo, Skylab und ASTP [8]*) 800 4679

vor-ISS Studien: Freedom, a, $1984/93 [14-351] >9800 >19723

ISS Bau - Schätzung nach [7-306], $2001 20000 23696

ISS Betrieb, 10 Jahre - Schätzung nach [7-306], $2001 36000 42652 ISS, insgesamt - Schätzung nach [7-306][14-351] >86071

$1997ª4.167*$1965/69, $2005ª1.0433^(2005 - Jahr) [12-298][54-I], Tab.6.25 - °) S-IB mittl.$1965, S-V mittl.$1966, Startkosten Preis-$1967, [8] mit Apollo bezahlt - ¹) $1973/77 - ²) Apollo-Soyuz Test Project 1975, verwendet 1 S-IB, 1 CSM, 1 DM wie LM geschätzt - ³) bereits gebaut und bezahlt, nach ASTP vorhanden: 1 Skylab, 2 S-V, 3 S-IB, 3 CSM, 2 LM und 1 teilweise fertiges LM - *) s.Text

Tabelle 6.11 - Kosten des Skylab-Programmes; geplante und hypothetische Nachfolger, und ISS 6. Schlußfolgerungen 122

Die angegebenen Entwicklungs-, Bau-, Start-, und Betriebskosten sind vom Apollo-Programm her bekannt. Skylab entstand aus dessen Apollo Application Program als letzter nicht gestrichener Rest. Diese Tabelle zeigt die Kosten des Apollo-Programmes mit der Spanne der Literaturangaben:

Posten Kosten, Mio.$1965/69 Kosten, Mio.$2005 Apollo-Programm bis einschließlich Apollo 8 [8] ¹) 14405 84251 Apollo-Programm bis einschließlich Apollo 11 21350 124870 Apollo-Programm bis einschließlich Apollo 17 (letzte 23390...24000 136802...140370 Mondlandung, erste mit einem Wissenschaftler) (auch ...25000) (...146219) Entwicklung Saturn V, 13 geflogen von 15 [8] ²) 7439.60 43512 1 Saturn V, Startkosten [8] ²) 431 2521 Entwicklung Saturn IB, 9 geflogen von 12 [8] ²) 1002.2 5849 1 Saturn IB, Startkosten [8] ²) 107 626 Saturn: 13 -V, 9 -IB, Entwicklung und Startkosten [8] ²) 15007.8 87777 ...dito, Apollo-Anteil: kpl. Entwick., 12 S-V, 5 S-IB [8] ²) 14148.8 82752 1 Saturn V, Entwicklung, Bau und Bereitstellung 400...441 2340...2580 1 Saturn IB, Entwicklung, Bau und Bereitstellung 100...120 585...702 16 Apollo CSM, Entwicklung und Bau [87] 4000 23395 Apollo CSM, Entwicklung nach [8][87] 2768 16189 1 Apollo CSM, 22 gebaut - auch [8] 77 451 15 Apollo LM, Entwicklung und Bau [87] 1420 8306 Apollo LM, Entwicklung nach [8][87] 670 3919 1 Apollo LM, 14 gebaut - auch [8] 50 292 1 Missionsdurchführung [8][40-56] 20...21.05 117...124 17 Apollo CSM im Apollo-Programm [8] 1309 7656 9 Apollo LM im Apollo-Programm [8] 450 2632 Apollo CSM+LM im Apollo-Programm [8] 1759 10288 alle Apollo-Programm S-V, S-IB, CSM, LM [8] 15907.8 93041 ...dito, mit Flugdurchführung [8] 16247.8 95029 damit verbleibender Rest der Programmkosten: andere 7142.2...7752.2 41773...45341 Aufwendungen, Wissenschaft und Rfz.-Überproduktion (auch ...8752.2) (...51189) nach [14-264f.] zur Schaffung der Technologiebasis für Erprobung aufgewandter Anteil des Apollo-Programmes 15000 87731

$2005, $1965/69 s. Tab.6.11, 6.25 - ¹) ohne $-Wertjahr - ²) div. $1965/66/67, wie °) zu Tabelle 6.11

Tabelle 6.12 - Kosten des Apollo-Programmes 6. Schlußfolgerungen 123

Besonders auffallend sind die relativ sehr kleinen Missionsdurchführungskosten. Diese sind der einzige Betrag, der jeweils durch die Streichung einer der nach dem bereits vorhandenen Material möglichen letzten drei Mondlandungen und des Programms Skylab 2 mit drei möglichen Apollo- Zubringerflügen eingespart wurde. Da und Mondmissionen sich die letzten drei Saturn V teilen mußten, entsprachen die in der Summe vom 04.01.1970 bis 01.01.1975 verteilt verbuchten Einsparungen von $105.25 Mio. nach dem Wert der späten 1960er Jahre, heute etwa $440 Mio., also nichteinmal den bereits ausgegebenen Mitteln für das Material einer einzigen der kleinsten dieser Missionen, der Kombination Saturn IB - Apollo CSM. Durch die Verschiebungen und Streichungen kam es bis zur Übergabe der verbleibenden Geräte an die Museen im Dezember 1976 zu erhöhten Lagerkosten, die einen Teil der Einsparungen sogleich wieder aufzehrten. Zu beachten ist, daß alle weiteren in den Tabellen 6.11 und 6.12 aufgeführten Posten zum Zeitpunkt der Streichung bereits längst ausgegebene Mittel darstellen. Lediglich der Bau des Apollo 20 LM wurde am 04.01.1970 in einem fortgeschrittenen Stadium abgebrochen, so daß für seine im Rahmen des Skylab-Programmes ohnehin nicht direkt mögliche Verwendung weitere Kosten in relativ geringer Höhe angefallen wären. [7][8][12][14][39][40-56][87] Die Skylabs selbst waren umgebaute Oberstufen S-IVB der Mondrakete Saturn V. Das Triebwerk wurde entfernt, der Wasserstofftank zum Labor, der Sauerstofftank zum Abfalldepot, und an der Nutzlastseite wurde eine Ausstiegsschleuse und ein Kopplungsadapter für zwei gleichzeitig angekoppelte Apollo CSM und das aus dem ebenfalls schrittchenweise völlig gestrichenem AAP halbfertig verbliebene Sonnenteleskop ATM angefügt. Mit den nach dem ASTP noch vorhandenen Geräten hätte ohne Modifikationen ein zweites Skylab-Programm mit zwei Langzeitflügen zu einer neuen Station durchgeführt werden können. Statt dem auf Skylab sehr erfolgreichen ATM hätte auch eine andere große Wissenschaftsnutzlast montiert werden können. Mit einem nach Art des ASTP-Kopplungsadapters DM in einer Saturn IB mitgeführten oder anstatt des ATM montierten Verbindungsmoduls hätte mit einer Kopplung über eine der Apollo-CSM-Ankopplungsstellen aus beiden Skylab eine mehr als doppelt so große Station geschaffen werden können, die wieder die Sicherheit zwei (per ATM-Ersatz sogar drei) gleichzeitig angekoppelter Apollo CSMs erlaubt hätte. Die Kosten des ASTP DM sind nicht bekannt, und werden daher hier geschätzt und, als einem LM entsprechend, hoch angesetzt. Der Umbau der Oberstufe der S-IVB der letzten Saturn V, die nach dem Start des Skylab B noch verblieben wäre, hätte mit erprobten Techniken ein drittes Skylab ermöglicht. Begrenzend wäre hier wohl die Menge der drei nach dem ASTP noch verfügbaren Kombinationen Saturn IB / Apollo CSM gewesen, aber mit dem für das ursprüngliche Skylab nötigen Vorlauf von 3¾ Jahren von der Vertragsvergabe am 08.08.1969 bis zum Start am 14.05.1973 hätte diese bis zum ersten Start des Shuttle 1981 passend in der Umlaufbahn bereitstehen können. Das zum Ersatzstart bereitstehende Skylab B wurde am 13.08.1973 gestrichen und alle Vorbereitungsarbeiten eingestellt. Die Saturn IB erlaubte es nicht, mit einem Apollo CSM noch ein LM zu starten, aber beide vorhandenen LM 18 und 19 hätten vollbetankt als bemannbare zweistufige Raumschlepper mit einem unveränderten Skylab auf einer Saturn V gestartet werden können, da hier noch mehr als genug Reserve in der möglichen Nutzlast vorhanden war. Beim ursprünglichen Skylab konnte man es sich ohne weiteres leisten, durch eine fertigungstechnisch einfachere und billigere, aber um 10800 kg schwerere Ausführung von Verkleidung, Gassystem und Struktur insgesamt $75 Mio. einzusparen. Die heute üblicherweise vom Shuttle zur ISS getragene Nutzlast liegt zwischen dieser Masse und der eines Apollo LM. Mit der Kopplung der drei möglichen Skylab mit Verbindungsmodulen und LM-basierten Raumschleppern wäre eine die größten ISS-Pläne übertreffende Station von etwa 1100 m³ Volumen und 240 t Masse entstanden. 6. Schlußfolgerungen 124

Eine Obergrenze der Betriebskosten der Skylab-Infrastruktur läßt sich mit der Dauer einer Mondmission und den Durchführungskosten abschätzen, oder aus den mit dem Unglück Apollo 1 (204) verbundenen Folgekosten und Verzögerungen. Die vorhandenden Flugkörper, ihre Eigenschaften, und die nach den selben Quellen wie zu den Tabellen 6.11 und 6.12 für den Einsatz neu aufzuwendenden Mehrkosten aus der Missionsdurchführung mit einer Abschätzung der Kosten um- oder neuzubauender Adapter zeigen die folgenden Tabellen im Vergleich zur Mir und zur ISS:

Flugkörper Masse, kg Nutzlast, kg Volumen, m³ spez. Vol., m³/t Saturn V, Nutzlast 185 km, 28°.0 3038500 118000 Saturn IB, Nutzlast 185 km, 28°.0 589770 18600 Apollo CSM °)¹) 20847 3 Pers., 200 6.17 0.2988 Apollo CM ¹) 5806 3 Pers., 200 6.17 1.1014 Apollo LM ²) 14696 2 Pers., 110 6.65 0.4559 Apollo LM AS Aufstiegsstufe ²) 4547 2 Pers., 110 6.65 1.4988 Apollo LM AS leer als Stationsmodul ²) 1935 2 Pers., 110 6.65 3.4367 ASTP DM Kopplungsadapter 2012 Skylab, in LEO 430±12 km, 50° *) 76295 361.00 4.7316 Shuttle ISS, Nutzlast 407km, 51°.6 ') 104326 16050 65.80 1.5855 Proton 8K82K, Nutzlast 186 km, 51°.6 693810 19760 Soyuz 11A511U, Nutzlast 200 km, 51°.6 310000 7200 Soyuz TMA 7K-STMA ¹) 7220 3 Pers., 50 9.00 1.2552 Soyuz TM SA Rückkehrkapsel ¹) 2850 3 Pers., 50 3.50 1.2500 Soyuz TM BO Orbitalsektion ¹) 1450 50 5.00 3.5714 Progress M1 7150 2230 4.00 0.8130 Mir, max. Ausbau, LEO 393±6 km, 51°.6 102805 ³) 11500 378.00 3.6769 ISS, Ausbau z.Zt., in LEO 407 km, 51°.6 78500 ³) 12650 Stationsmodule, Proton / Mir-Typen 18500 4100 40...90 2.1622 17KS, 37K, 77K, TKM-O, USM ...22000 ...7000 ...4.2875 Stationsmodule, Shuttle-ISS-Typen 6000 ³) Quest, MPLM, Unity, Destiny ...15000 ...12650 °) Masse Apollo CSM: Apollo 7 14674 kg, ASTP 14768 kg, Skylab 19979...20847 kg, zum Mond 28790...30358 kg; Apollo CM: Skylab 3 6106 kg, durch Fallschirme begrenzt [7-147] - ¹) Nutzlast zur Rückführung, Nutzlast zur Station: Soyuz TMA 100kg, Apollo Skylab 3 500kg - ²) Nutzlast Mondgestein bei Apollo 17 - ³) Mir insgesamt, in ISS Destiny 23 racks zu maximal 550kg - *) ATM 11180 kg, Stationskern 65115 kg mit Saturn IU - ') Startgewicht 2041166 kg, [88] > [8]

Tabelle 6.13 - Massen und bewohnbare Volumen von Skylab im Vergleich zu Mir und ISS 6. Schlußfolgerungen 125

Posten Kosten, Mio.$1965/69 Kosten, Mio.$2005 Skylab 2 wie Skylab, 3 Zubringerflüge Saturn IB - CSM 85 497 dito, mit Einbindung des ASTP 4 Zubringerflüge 106 620 Kopplung Skylab 1, 2 mit ATM-Ersatz oder ASTP DM ¹) 135 790 dito, mit Einbindung des ASTP 4 Zubringerflüge ¹) 156 912 Kopplung Skylab 1..3, 3 LM Schlepper, 3 Zubringer ¹) 800 4679 dito, mit Einbindung des ASTP 4 Zubringerflüge ¹) 822 4807 Skylab B, 3. S-IVB International od. Advanced Skylab [8] 220...650 917...2708 dito, mit Einbindung des ASTP 4 Zubringerflüge 242...672 1008...2800

ISS Bau - Schätzung nach [7-306], $2001 20000 23696 Betrieb Skylab p.a., Schätzung Apollo 1 Folgeaufwand ²) 273 1599 Betrieb Skylab p.a., Schätzung Apollo 17 Missionsdfg. ³) 611 3575 Betrieb Mir p.a., Schätzung nach [8] 220...240

Betrieb ISS, p.a., Schätzung nach [7-306], $2001 3600 4265

$2005, $1965/69 s. Tab.6.11, 6.25 - ¹) wie in Tabelle 6.11 - ²) Kosten $410 Mio., Verzögerung 18 Monate - ³) Apollo 17: Saturn V - Apollo CSLM, 12.58 d; Skylab 2..4: Saturn IB - Apollo CSM, 28.03...84.05 d

Tabelle 6.14 - Neu aufzuwendende Mehrkosten für Skylab-Fortsetzung im Vergleich zu Mir u. ISS

Die genauen Betriebskosten für die Zeit des Stationsbetriebes mit einer Besatzung an Bord hängen wesentlich von den beabsichtigten wissenschaftlichen Experimenten ab und sind daher nicht von deren Kosten zu trennen, die zum Teil wie beim ATM auch schon im gestrichenen Teil des AAP bezahlt worden wären. Die Abschätzung über die Missionsdurchführungskosten eines relativ kurzen Mondfluges mit einem größeren und komplexeren Gesamtfluggerät liegt durch die nur beim Start der Trägerrakete aufzuwendenden Mittel deutlich über den bei einer geringeren Anzahl längerer Flüge mit einem einfacheren Zubringer zu erwartenden Kosten, während die Abschätzung über die Folgen des Unglückes bei Apollo 1 (204) zwar keine Flüge an sich enthält, aber die Änderungen am Apollo CSM, die sich zum Teil mit dem ohnehin beabsichtigten Wechsel vom CSM Block I zum CSM Block II überschneiden. Die Schätzung der Betriebskosten der Mir bezieht sich auf die 1990er Jahre, also den damaligen Wechselkurs des Rubel und die entsprechend erniedrigten Personalkosten in Rußland. Teilt man die jeweiligen in Tabelle 6.11 und 6.12 gegebenben Entwicklungs-, Bau- und Missionsdurchführungskosten durch die Zahl der insgesamt oder mit einem bestimmten Gerät durchgeführten Flüge, so erhält man deutlich höhere als die tatsächlich für einen Flug anfallenden Kosten. Da der größte Teil der Entwicklungskosten nur einmal anfällt und auch getrennt ausgewiesen wurde, sind dies natürlich nicht die zusätzlich anfallenden Kosten für jeden weiteren Flug. Dennoch wird diese Rechenweise fast immer in der öffentlichen Diskussion von Raumflügen angewendet, gerade wenn es um die Entscheidung zur Fortsetzung eines einmal bestehenden 6. Schlußfolgerungen 126

Programmes geht. Im Fall Apollo ergeben sich dann die oft pauschal genannten »Startkosten für eine Saturn« oder »eine Mondlandung« von einer bis zwanzig »Milliarden«. Bisher wurde jeweils der $-Wert von 1969 verwendet. Meistens wird dieser für gesamten Kosten der beteiligten Programme benutzt, auf eine Milliarde aufgerundet, dann inflationsbereinigt, unter Umständen noch marktüblich verzinst, einfach durch die Zahl der erfolgreichen oder meist nur der erfolgreichen bemannten Flüge geteilt, und nocheinmal aufgerundet. Für Apollo läge dann jeder dieser Beträge mindestens vierfach höher, wobei oft sogar auch Skylab, das AAP und die Kosten gestrichenen Flüge mit einbezogen werden. Den Versuch einer Rekonstruktion der in der Öffentlichkeit kursierenden Angaben zeigt folgende Tabelle:

Posten Kosten, Mio.$1965/69 Kosten, Mio.$2005 Apollo-Gesamtaufwand $24 Mrd. / 17 Starts 1412 8258 ...dito, Wichtung Saturn IB / Saturn V ª 1:3; S-IB-CSM 585 3422 ...dito, Wichtung Saturn IB / Saturn V ª 1:3; S-V-CSLM 1756 10271 Apollo-Gesamtaufwand $24 Mrd. / 11 bemannte Starts 2182 12762 ...dito, Wichtung Saturn IB / Saturn V ª 1:3; S-IB-CSM 774 4527 ...dito, Wichtung Saturn IB / Saturn V ª 1:3; S-V-CSLM 2323 13586 Apollo und Skylab $24 + $2.5 Mrd. / 21 Starts 1262 7381 ...dito, Wichtung Saturn IB / Saturn V ª 1:3; S-IB-CSM 564 3299 ...dito, Wichtung Saturn IB / Saturn V ª 1:3; S-V-CSLM 1691 9890 Apollo und Skylab $24 + $2.5 Mrd. / 14 bemannte Starts 1892 11065 ...dito, Wichtung Saturn IB / Saturn V ª 1:3; S-IB-CSM 779 4556 ...dito, Wichtung Saturn IB / Saturn V ª 1:3; S-V-CSLM 2338 13675 »alles Apollo« $25 + $3 Mrd. / 15 bemannte Starts 1867 10919 ...dito, Wichtung Saturn IB / Saturn V ª 1:3; S-IB-CSM 800 4679 ...dito, Wichtung Saturn IB / Saturn V ª 1:3; S-V-CSLM 2400 14037 »alles Apollo« $25 + $3 Mrd. / 6 Mondlandungen 4667 27296

$2005, $1965/69 s. Tab.6.11, 6.25

Tabelle 6.15 - Vergleich mit pauschalen Kostenangaben zu Apollo in der Öffentlichkeit

Eine realistischere Betrachtung trennt mit der Entwicklung und anfänglichen Erprobung erreichte technische Möglichkeiten und ihre dann erfolgte tatsächliche Nutzung, die Anwendung der einmal gewonnenen Erfahrung. Die für die mit Kennedys Rede vom 25.05.1961 gestellte Aufgabe der Mondlandung verwendeten Träger Saturn IB und Saturn V wurden aus der fast fertigen entwickelt. Sie war seit dem 29.07.1958 vom von-Braun-team noch bei der ABMA für eine mögliche Mondumrundung nach der Art des 7K-L1 Zond entwickelt worden, flog am 27.10.1961 6. Schlußfolgerungen 127 zum ersten mal, und dann bis zum 30.07.1965 zehn mal, immer erfolgreich - und so früh, daß es anfangs keine zu ihrer Leistung passende Nutzlast gab. Ihre Entwicklungs- und Erprobungskosten dienten zur Vorbereitung und Durchführung von Apollo 8 und Apollo 11, wobei die nach Apollo 17 übrigen sechs Saturn IB zumeist durch die effiziente Entwicklung anderer Komponenten und daher eingesparte geplante Testflüge in der Anfangsphase freigesetzt wurden, und die übrigen drei Saturn V durch spätere Streichungen der letzten drei geplanten Mondflüge. Vier Saturn IB und eine Saturn V wurden mit vier der übrigen sieben CSM für Skylab und das ASTP genutzt, aber nicht zu diesem Zweck entwickelt. Ungenutzt verblieben je zwei Saturn IB, Saturn V, CSM und LM, sowie je ein weitgehend fertiggestelltes LM und Skylab. Die kritischste, am Ende der Tabelle 6.15 verwendete Rechnung erscheint nicht nur durch die Aufgabenstellung Kennedys berechtigt, sondern vor allem durch die Verwendung vieler gemeinsamer Komponenten, und entspricht in diesem Sinne auch der vom von-Braun-team von vornherein beabsichtigten Fortsetzung von Apollo und AAP/Skylab hin zu einem integrierten friedlichen Raumfahrtprogramm im Kalten Krieg, mit längeren Mondflügen, größeren Stationen und ihrer Shuttle-Komponente, und einer bemannten Erkundung des Mars in den 1980er Jahren. Das diese Idee bereits in den stark gekürzten Anfängen aufging, zeigt der Vergleich mit den Aufwendungen für gänzlich neue Programme mit den hier anfallenden Zusatzaufwendungen unter bestmöglicher Nutzung des einmal erarbeiteten technischen Wissens. Die vor dem Beginn des Apollo-Programms auf der Trägerseite mit der so weit wie möglich auf Redstone und Jupiter basierenden Saturn I gewonnene Erfahrung, die sich Betrieb von Saturn I, Saturn IB und Saturn V in 32 Starts ohne nutzlastgefährdende Versagensfälle zeigt, steht dabei den zum Teil tödlichen Schwierigkeiten bei der Entwicklung des Apollo CSM und LM gegenüber, die beide gänzlich neu waren. Das Apollo CSM basierte im Gegesatz zum konzeptionell moderneren, aber trotzdem weniger problematischen Gemini, nicht auf Mercury. Die anhaltenden Gewichtsprobleme machten das LM schließlich zum begrenzenden Faktor für das Datum der Mondlandung. Mit der Erprobung durch die Folgeflüge konnte es sich aber zu einem ab Apollo 15 auch wissenschaftlich sehr gut nutzbaren Gerät über die Aufgabenstellung hinaus entwickeln. Der dafür nötige Zusatzaufwand war ähnlich minimal wie der zur Nutzung vorhandener und bereits bezahlter Geräte als völlig aufgabenstellungsfremde Raumstation. Dies steht im Kontrast zur alleinstehenden Neuentwicklung des Shuttle und der dann erst nachfolgenden, ebenfalls gänzlich neuen ISS, und spiegelt sich in den Kosten wieder. Ursprünglich sollte der Shuttle Ende der 1970er Jahre Skylab 2 und einer Reihe von Skylab-Weiterentwicklungen aus Apollo-Material folgen, die mit dem Umbau einer dritten S-IVB als Advanced Skylab, oder unter Einbeziehung der ASTP-Zusammenarbeit, als International Skylab in der zweite Hälfte der 1970er Jahre beginnen und dann verkoppelt werden sollten. [8] Faßt man dem folgend Apollo, das zu Skylab gewordene AAP und das zusätzliche ASTP als ein inkrementell erweitertes, integriertes Programm auf, kann man die Kosten unter Verwendung der bekannten Daten aus den Tabellen 6.11 und 6.12 berechnen. Die präzise zeitliche Einordnung des Produktionsfortschrittes und der Entwicklung des LM ist nicht immer möglich, wozu auch die anfänglich sehr rasch vorangetriebene Entwicklung von Flug zu Flug beiträgt. Apollo 10 nutzte einerseits die seit Apollo 8 gegebene, erprobte Möglichkeit zur Mondumkreisung, diente aber auch zur Entwicklung der Mondlandung und des LM, dessen erster Flug mit Apollo 5 auf einer Saturn IB vor Apollo 8 stattfand. Nach den Daten erfolgter Flüge, Programmabbrüche und den teilweise bekannten Daten von Vertragsabänderungen wurde eine Einordnung getroffen, die sich auch mit den bekannten Gesamtaufwendungen bis zu entscheidenden Flügen einigermaßen zur Übereinstimmung bringen läßt. Eine Übersicht ist in der folgenden Tabelle zusammengefaßt: 6. Schlußfolgerungen 128

Posten Kosten, Mio.$1965/69 Kosten, Mio.$2005 Saturn V, Entwicklung [8] 7440 43512 Saturn IB, Entwicklung [8] 1002 5862 Apollo CSM, Entwicklung nach [8][87] 2768 16189 Produktion: 13 S-IB, 3 S-V, 7 CSM, 1 LM °) 3273 19144

Möglichkeit zur Mondumkreisung, 1 Erprobung Apollo 8 14405 Rest: -78 84251 Rest: -456 Nutzung Apollo 10 21 124 Produktion 10 S-V, 15 CSM, 3 LM 5615 32841 Apollo LM, Entwicklung nach [8][87] ¹) 670 3919 Entwicklung zur Mondlandung, Apollo 9, 11 ²) 561 3282 ...dito, ohne Missionsbetriebskosten ²) 519 3036

Möglichkeit zur Mondlandung, 1 Erprobung Apollo 11 21350 Rest: 0 124870 Rest: 0 Nutzung Apollo 12..14 ³) 63 369 Produktion 2 S-V, 8¾ LM 1300 7601 Entwicklung z. Flug v. Wissenschaftlern, Apollo 15..17 ²) 677 3560 ...dito, ohne Missionsbetriebskosten ²) 614 3591

Möglichkeit Wissenschaftler zum Mond, 1 Erp. Apollo 17 23390 Rest: 0 136801 Rest: 0 Nutzung Apollo 18, 19 - gestrichen 42 246 Nutzung Apollo 20 - gestrichen, zzgl.kpl. Bau eines LM 71 415 hypothetischer Abschluß von Apollo mit Apollo 20 23503 137464 Entwicklung zur Raumstation, Umbau von Geräten ²) 2458 14377 ...dito, ohne Missionsbetriebskosten ²) 2416 14130 Möglichkeit wissensch. Mondfl. u. mg-Forschung, 1 Erp. 25848 151178 Nutzung Skylab 3..4 42 246 Abschluß von Apollo mit Apollo-Skylab 25890 151424 Nutzung ASTP, Entwicklung ASTP DM *) 92 538 Abschluß von Apollo mit ASTP *) 25982 151962 Nutzung der verbliebenen S-IB, S-V, CSM, LM (s.Text) 84 493 Entwicklung und Umbau 3. Skylab, Kopplung (s.Text) *) 1500 8773 hypothetischer Abschluß mit Station für STS (s.Text) *) 27566 161226 °) Teile wurden erst kurz vor dem Flug gefertigt und montiert - ¹) erfolgte zum Teil vor Apollo 8 - ²) errechnet - ³) Apollo 14 war gegenüber Apollo 11..13 bereits etwas erweitert - *) geschätzt

Tabelle 6.16 - Kosten von Apollo, Skylab und ASTP als inkrementelle Entwicklung betrachtet 6. Schlußfolgerungen 129

Die nach Tabelle 6.12 verbleibenden Kosten von etwa $8 Mrd. sind für die in der ursprünglichen Aufgabe Kennedys bewußt nicht erwähnte wissenschaftliche Begleitung, später auch in anderen Programmen verwendete Bodenanlagen, und vor allem zur Schaffung einer technischen Erfahrungsbasis durch rigoroses Erproben aufgewendet worden, was die sehr hohen Entwicklungskosten der wichtigen Hauptkomponenten erklärt. Nach der Schätzung einer verläßlichen Quelle wurden insgesamt etwa zwei Drittel der Gesamtkosten von Apollo mittelbar oder unmittelbar für Testzwecke und zur Schaffung einer ingeneurwissenschaftlichen Erfahrungs- und Datenbasis ausgegeben. [8][14-264f.] Vergleicht man die ambitionierteren der ausschließlich vorhandenes Apollo-Material verwertenden Skylab-Folgekonzepte Advanced Skylab und International Skylab, die mit Skylab B und der S-IVB der letzten Saturn V aufgebaut werden sollten, mit der Schätzung der Kosten der ISS nach [7-306] ergibt sich für den Bau und den etwa fünfjährigen Betrieb, der in den Mitte der 1970er Jahre projektierten $650 Mio. Zusatzkosten zum existierenden Skylab enthalten ist, ein Unterschied von mindestens $30 Milliarden nach heutigem Wert. Dies ist der durch die ungebrochene Fortsetzung eines einmal begonnenen Programmes und die bestmögliche Nutzung seiner Ergebnisse, Produkte und Erfahrungen erwirtschaftbare Gewinn. Er verfällt vollständig bei einer Entscheidung für eine Neuentwicklung von Grund auf, wie z.B. beim Wechsel Apollo-Skylab-ASTP zu STS-ISS-Soyuz TMA, oder möglicherweise vom an sich zuverlässig funktionierenden STS-Orbiter zu einer neuen, mehrsitzigen Kapsel »Apollo 2.0«, bei deren derzeitigen Pläne ausgerechnet die unfallverursachenden Wegwerfkomponenten SRB und ET übernommen werden sollen. Die Serie der immer wieder an politisch veränderte Forderungen angepaßten Studien für die nie gebaute Space Station Alpha bzw. Freedom, in deren Rahmen keinerlei Geräte gefertigt wurden, kosteten in den 1980er Jahren zusätzlich noch $9.8 Milliarden, und sind hier noch nicht mit einbezogen. [14- 351]

Das erwähnte Gemini-Programm kostete nach zwei Quellen insgesamt $1.15 Mrd., entsprechend 5.6 Mrd. DM, woraus sich nebenbei ein Umrechnungsfaktor von 4.87DM/$ oder 2.49€/$ ergibt. [7- 84][14-223] Die Einheitskosten einer Gemini-Kapsel wurden zu nur $13 Millionen berechnet. [8] Das DM- oder $-Wertjahr ist hierbei nicht angegeben, letzteres liegt aber sehr wahrscheinlich bei 1965/66, also im Bereich der obigen Tabellenangaben. Die 12 Flüge dieses Programms, von denen 10 bemannt waren, kosteten nach heutigem Wert nur $4.8 Mrd - gemittelt $400 Mio./Flug. Im Vergleich mit Tabelle 6.15 zeigt sich hier der Erfahrungsvorteil dieses ursprünglich als Mercury Mark II entwickelten Gerätes.

Die nach ASTP noch im Lager befindlichen Flugkörper und Teile, für die keine weitere Verwendung vorgesehen war, wurden nach Abbruch aller Vorhaben im Dezember 1976 im 200. Jubiläumsjahr der USA an die Museen übergeben, was einer damaligen Sachspende seitens des Staates von insgesamt mindestens $2 Mrd. gleichkommt. Benutzt man die Rechenweise der öffentlichen Diskussion so wie sie für STS-ISS angewendet wird, also teilt die Summe der gesamten akkumulierten Projektkosten durch die Zahl der gemeinhin als gänzlich erfolgreich bewerteten vierzehn bemannten Flüge, so stieg der Wert der Spende bis heute auf etwa $45 Mrd. Damit sind die beiden Saturn V und Skylab B heute mit mindestens $1.6 Mrd. bzw. $5 Mrd. die teuersten Museumsstücke der Weltgeschichte. 6. Schlußfolgerungen 130

Es bietet sich hier auch an, die Effizienz bemannter und unbemannter Flüge zu vergleichen, da auf beide Weisen Mondgestein zur Erde transportiert wurde. Insgesamt wurden vom 19.02.1969 bis zum 09.08.1976 von der Sowjetunion 16 Sonden der »schweren Luna« Sondenserie Ye-8 in vier Versionen gestartet. Drei der elf darin enthaltenen Ye-8-5 und Ye-8-5M Probenrückholsonden waren erfolgreich. Ye-8-5 Luna 16 brachte 100 g Staub zurück, bei Ye-8-5 Luna 20 stoppte der Bohrer an einem Stein in nur 10 cm Tiefe, wodurch nur 30 g Mondmaterial erhalten wurden, und Ye-8-5M Luna 24 brachte einen aufgerollten und daher prinzipiell zerbrochenen und wegen des Staubgehaltes teilweise in Längsrichtung verschobenen und unvollständigen, 1.6 m langen Bohrkern von 170g Mondgestein zur Erde zurück. Eine Übersicht zeigt die folgende Tabelle:

Typ Funktion Resultat Benennung Proben- Proben- teufe, m masse, kg Ye-8 Rover-Träger Trägerversagen Ye-8, Lunokhod s/n 201 11 Monate, 11 km Luna 17, Lunokhod 1 4 Monate, 37 km Luna 21, Lunokhod 2 Ye-8-5 Probenrückholung, Trägerversagen: Ye-8-5 s/n 402, 405 bis zu 0.35 m tief Block D versagt: Cosmos 300, 305 Aufschlag: Luna 15, 18 Rückholung 30 km Luna 16 ¹) 0.35 0.100 Rückholung Luna 20 ²) 0.10 0.030 Ye-8-5M Probenrückholung, Block D versagt: Ye-8-5M s/n 412 bis zu 2 m tief Landeschaden: Rückholung Luna 24 ³) 1.60 0.170 Ye-8-LS Photo-Orbiter Kartierung Luna 19, 22 ¹) Staub, Bohrtiefe wahrscheinlich - ²) von Stein blockiert, Staub - ³) Kern gerollt, daher gebrochen

Tabelle 6.17 - Übersicht der Ye-8 Luna Landesonden

Die Proben konnten von den Ye-8-5 und Ye-8-5M nur an dem Ort entnommen werden, der sich durch die Landung der Sonde und die Montierung des Probennehmers an ihr ergab. Die Wahl dieses Landeortes unterlag großen Einschränkungen durch das automatische Landeverfahren und vor allem durch die bahnmechanischen Anforderungen der einfachen Rückstartmethode Vertikalstart, wodurch Probenrückführungen nur aus äquatornahen Gebieten 60° östlich des Meridians möglich waren. Die Apollo-Landeorte konnten daher nicht erreicht werden. Als Träger für Instrumente, Kameras und Rover war der schwere Luna-Lander-Bus mit seiner Nutzlast, die höher war als das Gesamtgewicht der Surveyor-Lander, gut geeignet, und in seinem Landeort technisch weniger eingeschränkt [40-313] als die früheren, leichten, halbweichen Luna-Lander 6. Schlußfolgerungen 131

E-6 Luna 4 bis 9 und E-6M Luna 13, die aus dem selben bahnmechanischen Grund nur bei 60° West äquatornah, also nur am Westrand des Oceanus Procellarum erfolgreich landen konnten. Hier wurde in umgekehrter Bewegung ein vertikaler Fall erreicht, bei dem man sich nicht um den kontrollierten Abbau einer lateralen Bewegungskomponente kümmern mußte. [40-2,313][89] Die Ye-8 wurden wie auch die Zond-Raumschiffe mit der einer Saturn IB nahezu vergleichbaren Kombination Proton 8K82K / 11S824 Block D gestartet, deren direkte Weiterentwicklung heute noch kommerziell angeboten wird. [8][14-354] Den Aufwand für die ebenfalls mit diesem Träger im Sommer 1973 gestarteten vier Sonden M-73 Mars 4 bis 7 wurde in [39-186] abgeschätzt, womit man für die drei erfolgreichen Probenrückholungen direkt die Kosten abschätzen kann. Man kann, ebenfalls [39-186] folgend, auch eine Abschätzung für die Aufwendungen aller Ye-8-5 Probenrückführungen mit der Schätzung der Kosten der vier Flüge der M-73-Kampagne in der selben Epoche finden. Der Träger kann als der zeitgleichen Saturn IB entsprechend von der Sonde getrennt werden, wobei der heutige Startpreis wegen des Verfalls des Rubels und der Wechselkursverschiebungen über die Zeit in etwa dem Dollar-Wert Ende der 1960er Jahre entspräche. Bei der hohen Zahl von 16 versuchten Starts der Ye-8-Serie kann man weniger als den verbleibenden Posten des Preises der M-73 pro Ye-8 annehmen. Schließlich kann man die Proton selbst, und etwa der Saturn IB entsprechende Missionsdurchführungskosten noch anderen Programmen wie 7K-L1 Zond oder der Erprobung der Proton zurechnen, was in der damaligen Phase der »Kinderkrankheiten« der Proton annehmbar sein kann. Der Preis für jede Sonde ist dann in der Größenordnung mit der Gemini-Kapsel vergleichbar. Die so ermittelten Kosten für das einbezogene Programm und das rückgeführte Mondgestein zeigt die folgende Tabelle:

Jahr Kosten, Mio.$Jahr Kosten, Mio.$2005 Proton 8K82K / 11S824 Block D [8] 1994 70 70 Proton 8K82K / 11S824 Block D [14-354] 1996 60 60 M-73 Mars 4..7, 4 Träger 8K82K / 11S824 [39-186] °) 1973 >500 2100 0.3 kg Mondgestein mit je 3 erfolgreichen Ye-8-5, 1969 8K82K / 11S824 - analog zu [39-186] °) 1976 375 2194 ...dito, pro Gramm Mondgestein, zufällig gewählt 1.25 7.3 0.3 kg Mondgestein mit je 11 Ye-8-5, 8K82K / 11S824 1969 für 3 erfolgreiche Rückholungen, analog zu [39-186] °) 1976 1375 8130 ...dito, pro Gramm Mondgestein, zufällig gewählt 4.58 26.8 0.3 kg Mondgestein mit 3 Ye-8-5; 8K82K / 11S824 zu 1969 anderem Programm - analog zu [39-186] °) 1976 102 597 ...dito, pro Gramm Mondgestein, zufällig gewählt 0.34 1.2 0.3 kg Mondgestein mit 11 Ye-8-5; 8K82K / 11S824 zu 1969 anderem Programm - analog zu [39-186] °) 1976 373 2181 ...dito, pro Gramm Mondgestein, zufällig gewählt 1.24 7.3

$2005, $1965/69 s. Tab.6.11, 6.25 - °) geschätzt

Tabelle 6.18 - Kostenabschätzung für Ye-8-5, Ye-8-5M Luna Landesonden mit Probenrückführung 6. Schlußfolgerungen 132

Eine optimistischere Abschätzung ist möglich, wenn man auch die gesamten Kosten der Sonden als anderen Programmen wie dem erfolgreicheren Ye-8 Lunokhod oder Ye-8-LS Orbiter zugehörig ansieht. Man kann auch mit der öffentlichen Wertung von Apollo nach Kennedys Aufgabenstellung analog zu Kapitel 6.3.3. annehmen, daß sie mit der noch während Apollo 11 am 20.07.1969 abgestürzten Ye-8-5 Luna 15 und der am 14.06.1969 in der Erdparkbahn gestrandeten Ye-8-5 s/n 402 durch den Verlust des Wettlaufs um die erste Rückholung von Mondgestein komplett abgeschrieben waren wie das Programm 7K-L1 Zond nach Apollo 8. Damit wären alle weiteren Versuche lediglich die von der trägen Masse des laufenden Programms und den damit verbundenen Interessen getriebene Verwertung des praktisch ohnehin schon vorhandenen oder bezahlten Materials. Dies wird gelegentlich für die Fortführung von Apollo oder die der bemannten sowjetischen Mondprogramme 7K-L1 Zond und N-1/L3 nach Apollo 11 als »institutionelles Argument« genannt. Man erhält dann nach [8][40-56] und Kapitel 6.3.3. mit den Saturn-IB- äquivalenten Missionsdurchführungskosten für die drei erfolgreichen Probenrückholungen als niedrigstmögliche aus den Quellen ableitbare Werte die in der folgenden Tabelle angegebenen:

Saturn-IB-äquivalente Missionsdurchführungskosten: $21.05 Mio./Flug $1969/76 / g $2005 / g Luna 16 - 12..24.09.1970 - 100 g Staub aus bis zu 0.35 m Tiefe 210500 1231259 Luna 20 - 14..25.02.1972 - 30 g Staub aus bis zu 0.10 m Tiefe 701667 4103867 Luna 24 - 09..22.08.1976 - 170 g fragmentierter Bohrkern bis 1.6 m Tiefe 123824 724211 Luna 16, 20, 24 - 1970/76 - 300 g Mondmaterial von drei Probeorten 210500 1231259

Tabelle 6.19 - Optimistische Kostenabschätzung für Ye-8-5, Ye-8-5M Probenrückführung

Bei dieser Betrachtung ist besonders zu beachten, daß der wissenschaftliche Nutzen einer gegebenen Masse Gestein für den Geologen nicht in erster Linie proportional zu deren Umfang ist, sondern daß die Vielfalt der Proben, ihre genaue Zuordnung zum Entnahmeort, und die durch die nähere und weitere Umgebung des Entnahmeortes hergestellten Zusammenhänge die gleichermaßen wichtigsten Faktoren sind. Nur mit allen vier zusammen läßt sich das Material der Proben wissenschaftlich ausschöpfen. Für die Geochemie reichen sehr kleine Proben aus, solange die Masse der einzelnen Kristalle der verschiedenen in einem Gestein enthaltenen Minerale sehr viel kleiner ist als die Probenmasse, und ihre Verteilung ausreichend repräsentativ. Ist dies nicht erfüllt, steigen die statistischen Fehler sehr stark an. Für die geologische Beurteilung der Gesteinsentwicklung zum Lesen der geologischen Geschichte eines Ortes ist die Form, Größe, Lage und Verteilung von Mineralkörnern in einer Probe sehr wichtig. Auf der Erde entnommene Proben dafür geeigneter Größe werden als Handstücke bezeichnet. Sie haben je nach Gestein und der in ihm gefundenen Erscheinungen eine Größe von einigen bis einigen zehn Zentimetern, und mit typischen Gesteinsdichten eine entsprechende Masse, meist im einstelligen Kilogramm-Bereich. Die schwerste Apollo-Probe wog 11.73 kg, und fast jede Landung ergab Stücke über 7 kg.

Die Sondenserie Ye-8-5 entwickelte sich besser als erwartet. Für die Perfektionierung des Lande- und Rückführungsverfahrens wurden 10 bis 15 Startversuche erwartet, aber Luna 16 war schon im sechsten Versuch erfolgreich, und die Kapsel landete im Zielgebiet mit 1500 km Radius nur 30 km 6. Schlußfolgerungen 133 vom Zielpunkt entfernt 80 km südöstlich von Dzhezkazgan. Nach sechs versuchten Mondlandungen gelang mit der letzten Sonde Luna 24 eine Punktlandung nur wenige hundert Meter von der bei der Landung beschädigten Luna 23. Luna 20 landete 120 km von der Aufschlagstelle von Luna 18 entfernt, wobei unklar ist, ob hier eine genaue Wiederholung beabsichtigt war. [8] Diese Genauigkeit ermöglicht über die Wahl des Landeortes die Wahl einer geologischen Formation, z.B. des Zentralberges im Steinheimer Beckens, bzw. einer geologischen Region, z.B. des Vredefort Dome, um irdische Einschlagskrater als Beispiele zu wählen. Die von Meteoriteneinschlägen und ihren Kraterauswürfen gestaltete Oberfäche des Mondes führt zu einem auf kürzesten Distanzen variierenden, vielfältigen Spektrum von Gesteinen, die von allen Orten der Oberfläche stammen können. Einmal gelandet, ist die Wahl der Probe durch die teilweise zufällige Orientierung der Sonde und die Beweglichkeit des Entnahmegerätes beschränkt. Für die Ye-8-5 ist dies ein Punkt, bei den Viking Landern war es ein gewisser Schwenkbereich von unter 1 m² Bodenfläche, der von den Kameras überblickt wurde. Die Auflösung der besten Mondaufnahmen der Lunar Orbiter war dank der KH-5-Optik im Meterbereich, wodurch der Schatten eines gelandeten Surveyor bei tiefem Sonnenstand erahnbar war, aber die Viking Orbiter erreichten bestenfalls 20 m Auflösung. Viking 1 verfehlte den 2 m hohen Stein Big Joe um nur 10m. [40][41]

Für die Apollo-Mondlandungen lassen sich durch die bessere Dokumentation auch ohne Abschätzungen entsprechende Rechnungen wie die für das Ye-8-5-Programm angeführten machen. Auch hier läßt sich die Spanne der möglichen Kosten vom umfassenden Gesamtprogramm bis herab auf die in diesem Fall nicht geschätzten Missionsdurchführungskosten der einzelnen Saturn- Starts ausdehnen. Für beide Grenzfälle kann man wiederum der allgemeinen Argumentation folgend annehmen, daß der alleinige Zweck des gesamten Apollo-Programmes nach Kennedys Aufgabe war, vor der Sowjetunion und vor dem Ende des Jahrzehntes einen Menschen auf dem Mond zu landen und sicher wieder zurück zur Erde zu bringen. Dies wäre schon mit der bloßen Rückkehr eines kurz gelandeten Apollo bis zum 31.12.1970 im Wortlaut erfüllt gewesen, auch ohne Außenaktivitäten. Da das Apollo LM einen Stehplatz mehr als das sowjetische LK hatte, wurden sogar zwei Menschen zum Ausstieg auf die Mondoberfläche und zurück zur Erde gebracht. Im Sinne von Kapitel 6.3.3. lassen sich auch hier realistischere Ansätze wählen, die die verschiedenen Kosten differenzierter betrachten, oder eine am Programmfortschritt orientierte, inkrementelle Teilung anwenden. Zu betrachten ist die Phase der sechs erfolgreichen Mondlandungen von Apollo 11 bis 17, gegebenenfalls mit Berücksichtigung von Apollo 13. Anfangs wurden etwa 30 Missionen erwartet, in drei Phasen zu je etwa zehn eingeteilt. Zuerst kamen Missionen zur Erprobung in der Erdumlaufbahn, dann solche zur Erprobung um und auf dem Mond mit der ersten Landung etwa in der Mitte, und schließlich vollwertige Wissenschaftsmissionen zur Erforschung der Oberfläche. Von den am 20.09.1967 definierten, mit einem Buchstaben gekennzeichneten Missionstypen war die G-Mission, Apollo 11, unmittelbar auf den ersten Landeort beschränkt. Armstrong nahm jedoch trotzdem spontan eine kurze geologische Erkundungswanderung (Traverse) vor. Die vier geplanten H-Missionen, letztlich nur Apollo 12 und 14, beinhalteten die erweiterte Erkundung eines geologischen Objektes auf einer Traverse zu Fuß von etwa einem Kilometer. Nach Apollo 13 kam aber bei Apollo 14 schon ein Handwagen in Erweiterung des H-Typ-Profiles hinzu, womit die Übergangsphase abgeschlossen war. Die vorgezogene F-Mission Apollo 8 ließ den Typ E in hoher Erdumlaufbahn entfallen, womit die erste Phase mit acht, und die Übergangsphase mit nur sechs Flügen abgeschlossen war. Die J-Missionen waren die eigentlichen Wissenschaftsmissionen der letzten Phase: Landung mit leistungsfähigerer 6. Schlußfolgerungen 134

Ausrüstung an Orten mit mehreren geologischen Objekten von Interesse. Wegen der von Apollo 13 und durch die andauernden Kürzungen verursachten Verzögerungen enthielten sie von Apollo 15 an bereits alle den Lunar Rover. Die ersten drei J-Missionen wurden durchgeführt, aber die bis Apollo 13 noch vorgesehenen restlichen drei wurden am 04.01. und 02.09.1970 gestrichen. Ihre fertigen Flugkörper wurden zum Teil in die verbliebenen vier Flüge des Skylab-Programmes und einer später ins ASTP überführt. Für deren gemeinsamen Ursprung AAP waren ab 23.03.1966 ursprünglich 45 eigene Saturn-Starts geplant worden. Die Typen A bis F umfaßten die auf etwa zehn Flüge geschätzte Erprobung bis in die Mondumlaufbahn, Typ I war für eine polare Kartographiemission reserviert. Die Missionsdaten zeigen besonders in den für die geologische Erkundung wichtigen Punkten, wie der zurückgelegten Strecke der Traverse, der Dauer der Außenarbeiten und der gesammelten Probenzahl und -masse, wie groß die durch den Erfahrungsaufbau mögliche Entwicklung war. Von der ersten Landung zu den technisch vollwertigen J-Missionen, und schließlich zu Apollo 17, der einzigen J-Mission mit einem ausgebildeten Wissenschaftler an Bord, wuchsen die Leistungen bei den verschiedenen Außenaktivitäten um einen Faktor 5 bis 140. Wie in [40-329f.] bemerkt wird, leisteten die J-Missionen mit dem bemannten Lunar Rover bei den Außenaufenthalten drei Viertel und mehr der jeweiligen wissenschaftlichen Aktivitäten. Wären die Flüge Apollo 18 bis 20 nicht gestrichen worden und ähnlich wie Apollo 17 verlaufen, hätte sich dieser Anteil nocheinmal stark erhöht. Die folgende Tabelle gibt dazu einen Überblick:

Anteil der Apollo-Missionstypen an Typ wie geflogen - bis 02.09.1970 bis 04.01.1970 den Außenaktivitäten und ihren Apollo 11..17 geplant - Apollo geplant - Ergebnissen, % 11..19 Apollo 11..20 zurückgelegte Traversen - gelandete Experimentmasse - Außenaufenthalte Apollo 11 G 0.3 - 4.9 - 3.1 0.2 - 3.3 - 2.0 0.1 - 2.8 - 1.7 Apollo 12, 14 H 5.6 - 17.8 - 21.1 3.2 - 12.0 - 13.6 2.6 - 10.3 - 11.6 Apollo 15..17 / 15..19 / 15..20 J 94.2 - 77.3 - 75.9 96.7 - 84.8 - 84.4 97.2 - 86.9 - 86.7 zurückgeholte Probenmasse - zurückgeholte Probenanzahl Apollo 11 G 5.8 - k.A. 3.7 - k.A. 3.1 - k.A. Apollo 12, 14 H 20.3 - 9.7 12.9 - 4.0 10.9 - 3.1 Apollo 15..17 / 15..19 / 15..20 J 73.9 - 90.2 83.5 - 96.0 86.1 - 96.9 Apollo-Exkursionsdaten nach [40-329,358ff.], siehe Tabelle 6.21 - ohne Apollo 13

Tabelle 6.20 - Verteilung der Außenaktivitäten auf die Apollo Missionstypen

Folgt man vor diesem Hintergrund der wissenschaftlichen Außenaktivitäten dem Ansatz der differenzierten Kostenbetrachtungen, ergeben sich die in der nächsten Tabelle angegebenen möglichen Kosten für einzelne Leistungen der einzelnen Flüge und aller Landungen im Mittel: 6. Schlußfolgerungen 135

Apollo-Landung 11 12 14 15 16 17 alle Missionstyp G H H J J J G, H, J geolog.Traverse, km °) 0.25 2.0 3.3 27.9 27.0 35.0 95.45 gelandete Experimente,kg°) 102 166 209 550 563 514 2104

Außenaufenthalt,hh:mm°)¹) 2:30 7:42 9:23 0:36 19:06 1:24 20:18 1:06 22:06 84:11 81:05 zurückgeholte Proben, kg °) 22 34.4 43.0 76.8 94.7 110.5 381.4 zurückgeholte Proben, 1 °) k.A. 20 36 53 56 408 573 Berechnung der Kosten, ohne '13 Gesteinsproben, $1965/69 / g mit '13 Gesamtprogramm bis 11/17 61327 $21.35 Mrd. / $23.39 Mrd. 970455 61327 61327 61327 61327 61327 61327 Material und Betrieb S-V 9109 CSLM, $579 Mio. / Flug 26320 16833 13466 7540 6115 5240 10628 Fortsetzungsaufwand nach 5676 11: $2.04Mrd./5 Landungen (18545) 11860 9488 5313 4308 3692 5676 Fortsetzungsaufwand nach 4730 11: $2.04Mrd. / 6 Flüge (15455) 9884 7907 4427 3590 3077 5676 Missionsbetriebskosten, 331 $21.05 Mio. / Flug 957 612 490 274 222 190 386

Gesteinsproben, k$1965/69 / 1 ohne '13 Gesamtprogramm bis 11/17 k.A. 40820 40820 40820 40820 40820 40820 Material und Betrieb S-V... k.A. 28953 16085 10925 10340 1419 6063 Fortsetzungsaufwand 5 Ldg k.A. 20400 11333 7698 7285 1000 3560 Fortsetzungsaufwand 6 Flg. k.A. 17000 9444 6415 6071 833 2967 Missionsbetriebskosten k.A. 1053 585 397 376 52 220

geland.Experim., $1965/69 / g ohne '13 Gesamtprogramm bis 11/17 209314 11117 11117 11117 11117 11117 11117 Material und Betrieb S-V... 5677 3488 2770 1053 1029 1127 1651 Missionsbetriebskosten 206 127 101 38 37 41 60

geolog.Traverse, $1965/69 / m ohne '13 Material und Betrieb S-V... 9264800 289525 175470 20754 21446 16544 36399

Außenaufenthalt, $1965/69 / s ohne '13 Material und Betrieb S-V... 64339 20889 17142 8421 7924 7278 11902

°) Apollo-Exkursionsdaten [40-329,358ff.] - ¹) SIM-Film-EVA auf dem Rückflugzur Erde klein engerückt

Tabelle 6.21 - Kostenabschätzung für Apollo Probenrückholung, Außenaktivität und Experimente 6. Schlußfolgerungen 136

Der in der Öffentlichkeit und der kritischen Literatur überwiegend genannte Wert von $1 Mio. für ein Gramm Mondgestein stellt also die Aufrundung der ungünstigsten möglichen, und ausschließlich auf Apollo 11 beschränkten Rechnung dar. Dies entspricht aber schon einer Zusatzleistung zur Erfüllung von Kennedys Aufgabenstellung, die bewußt keine Hinweise auf wissenschaftliche Themen enthielt. Kennedys Wissenschaftsberater, Dr. Jerome Wiesner vom MIT, hatte seine Zustimmung zu Apollo und der die Aufgabe stellenden Rede kategorisch davon Abhängig gemacht, daß das Wort Wissenschaft nicht im Zusammenhang mit Apollo genannt wird. Zuvor hatte er auch von der öffentlichen Unterstützung des als riskant empfundenen Mercury- Projektes durch den Präsidenten abgeraten, das Verschwinden des Discoverer-Programms aus den Pressemitteilungen der USAF bewirkt, daß die operationelle Legende der noch unter Eisenhower begonnenen Corona Spionagesatelliten darstellte, und er wirkte auch später in dieser Hinsicht. [1- 225f.,282][4-148][14-192,197,213f.][16-106][29-309,318,322,378][37-208] Alle anderen Leistungen zwischen Landung auf der und Rückkehr von der Mondoberfläche werden in der kritischen wissenschaftlichen und öffentlichen Argumentation also nach den Kriterien des beabsichtigten Raumfluges nach Kapitel 2.1.6, 2.2.2. und 2.3. korrekterweise nicht mit einbezogen. Eine Wichtung der zusätzlichen, wissenschaftlichen Leistungen hängt natürlich ausschließlich vom erwarteten oder beabsichtigten Nutzen, oder im Nachhinein auch vom wissenschaftlichen Interesse der Zeit oder des Bewertenden ab. Daher wurden in der obigen Tabelle 6.21 die gesamten angenommenen Kosten für einen Flug oder Programmabschnitt auf jeweils eine der Leistungen umgelegt, womit gleichzeitig die höchstmöglichen Kosten für jede mögliche Wichtung angegeben sind. Entsprechend für alle mit Apollo verbundenen Programme wie in Kapitel 6.3.3. gerechnet, ist für die Probenmasse und -anzahl ein Vergleich mit den Ye-8-5 und Ye-8-5M möglich. Diese Werte und die jeweils günstigsten aus den Tabellen 6.19 und 6.21 sind in der folgenden Tabelle mit den Daten aus Kapitel 6.3.3. zusammengefaßt:

Berechnung von Landungen und Leistungen $1965/76 / 1 $2005 / 1 $1965/76 / g $2005 / g bis zur ersten erfolgreichen Rückholung Apollo 11; $21.35 Mrd. für 22 kg, ? Proben k.A. k.A. 970455 5675938 6 Ye-8-5 bis Luna 16; $750 Mio.,0.1kg, 1 Probe 750000000 4386556027 7500000 43865560 bis zum Ende des gesamten Programmes Apollo 11..17; $28 Mrd., 381.4 kg, 573 Proben 48865620 285802370 73414 429379 16 Ye-8, Proton; $2 Mrd., 0.3 kg, 3 Proben 666666667 3899160913 6666667 38991609 Betriebskosten des gesamten Programmes Apollo 11..17; $126.3 Mio.,381.4 kg,573 Proben 220419 1289173 331 1937 Luna 16, 20, 24; $63.15 Mio., 0.3kg, 3 Proben 21050000 123116005 210500 12311601 Betriebskosten des ertragreichsten Fluges Apollo 17; $21.05 Mio., 110.5 kg, 408 Proben 51593 301754 191 1115 Luna 24; $21.05 Mio., 0.17 kg, 1 Probe 21050000 12311600 123824 724211

Tabelle 6.22 - Vergleich günstigster und ungünstigster Kostenschätzungen für Ye-8-5 und Apollo 6. Schlußfolgerungen 137

Wirtschaftlich orientiert gibt es Angaben zu den Arbeitszeitkosten auf der Mondoberfläche. Z.B. gibt [90] eine neuere Berechnung an. Auf den heutigen Währungsstand umgerechnet ähnliche Werte aus der Zeit der Mondlandungen werden auch in einigen Fernsehdokumentationen und Internetquellen genannt. Mit der auf der Oberfläche verbrachten Zeit gerechnet, liegen die Literaturangaben in der Größenordnung der reinen Missionsbetriebskosten für die jeweils betrachtete Kombination von Flügen. Die möglichen Extreme sind in der folgenden Tabelle wie zuvor mit den Daten aus den Tabellen 6.19 und 6.21 und aus dem Kapitel 6.3.3. zusammengefaßt:

Apollo-Landungen und Arbeitszeitkosten pro Personenstunde $1965/69 / h p.p. $2005 / h p.p. Angaben in der Literatur

$200000 per minute [90], $<1999 6000000 7737604 Für 1969/72: $2.9 Millionen pro Mannstunde, div.TV, auch [8] 2900000 16961350 Berechnung von Landungen und Leistungen Apollo 11; $21.35 Mrd. für 2:30 h, 2 Personen 4270000000 24974125648 Apollo 17; $28 Mrd. für 22:06 h, 1 ausgebildeter Wissenschaftler 1266968326 7410170061 Apollo 11..17; $28 Mrd. für 81:05 h, 2 Personen 172661871 1009854624 Apollo 11; $21.05 Mio. für 2:30 h, 2 Personen 4210000 24623202 Apollo 11..17; $126.3 Mio. für 81:05 h, 2 Personen 1557657 9110331 Apollo 17; $21.05 Mio. für 22:06 h, 2 Personen 476244 2785429

Tabelle 6.23 - Arbeitszeitaufwendungen für Mondexkursionen

Auf die Bedeutung der Auswahl der Proben und den Einfluß ihrer Vielfalt, Anzahl und Masse auf die aus ihnen schließbaren Informationen, und auf die mögliche Spannbreite der Wichtung bei der Wertung der bei einer Landung auf einer planetaren Oberfläche erbrachten Leistungen wurde bereits hingewiesen. Die Autoren der ausgewerteten Quellen nehmen, wie ebenfalls schon in Kapitel 3.2.2. bemerkt wurde, bewußt oder unbewußt immer eine Wertung vor, die vor der Auswertung im Rahmen der vorliegenden Arbeit geschieht und Einfluß auf die verfügbaren Informationen haben kann. Nach [1-323f.] »sackten die zwölf Astronauten, die den Mondboden betraten, genau 391.37kg Gesteinsproben ein« - ein höherer Wert als der in den Tabellen 6.20 bis 6.22 angenommene, bei dem es sich um den niedrigsten angegebenen Wert in der ausgewerteten Literatur handelt. - Mit angegebenen »Gesamtkosten über 25 Milliarden Dollar [...wurden pro] Gramm etwa 65000 Dollar ausgegeben«. Von den nach dieser Quelle nach dem Stand von 1998 entsandten sechs Luna-Sonden brachten drei erfolgreich »über 300 g Mondbodenproben« zurück, von denen 1.81 g an die DDR übergeben wurden. Mit diesen automatisch erbohrten Proben »erwies sich nicht die Masse des mitgebrachten Mondgesteins als entscheidend. Viel wichtiger war es, Materialproben aus verschiedenen Formationen und Regionen unseres Trabanten und durch Bohrungen aus unterschiedlichen Tiefen zu gewinnen.« Dies gelang nicht nur Ye-8-5M Luna 24, sondern zuvor auch den Astronauten bei den meisten Mondlandungen, wobei die ähnlich langen Kerne im 6. Schlußfolgerungen 138 wesentlichen intakt blieben. Von einem Besuch in Cape Canaveral berichtet der Autor von [1] weiter über die »acht Zentner« Proben der NASA: »Nur ein geringer Bruchteil davon wurde für die wissenschaftliche Auswertung benötigt. Mit dem Rest hat die NASA nichts als Ärger und Sorgen, muß er doch vor Hehlern und Dieben geschützt werden. Immerhin ist eine Unze Mondstaub weitaus teurer als eine Unze Feingold.« Bei der Rechnung in den Tabellen 6.18 bis 6.23 bleibt daher unberücksichtigt, daß alle Apollo- Proben vor Ort gezielt ausgewählt wurden - von elf über mehrere Jahre geologisch ausgebildeten Testpiloten mit einem entsprechenden technisch-wissenschaftlichen Hintergrund, und einem vor seiner Astronautenausbildung auf normale Weise als Wissenschaftler ausgebildeten Fachgeologen. Die Landeorte an sich wurden nach einer geologischen Kartierung des gesamten Mondes mithilfe der fünf Lunar Orbiter im mit Apollo belandbaren Gebiet der äquatornahen Vorderseite ausgewählt (Tabelle 6.24). Die ebenfalls so gewählten Standorte der auf der Mondoberfläche aufgestellten Experimente wurden gegebenenfalls vor Ort in Absprache mit den Wissenschaftlern bei der Bodenkontrolle präzisiert. Dies kann heute in Ansätzen von der Bodenkontrolle eines ferngelenkten Rovers ebenfalls geleistet werden, soweit es die Telemetrie qualitativ erlaubt, und stellt daher keine Besonderheit mehr da. Selbst hiernach bliebe noch der oben gezeigte Vorteil des Menschen an Bord des Systems unbeachtet, wenn es um den Umgang mit dem prinzipiell Unbekannten und die Nutzung aller Informationswege über die vorgesehene Telemetrie hinaus geht. Dem Ansatz der öffentlichen Diskussion folgend sind diese Punkte sämtlich nicht verläßlich als Kosten quantifizierbar und daher als Nutzen ebenfalls irrelevant für diese Betrachtung.

aktive Lander Begrenzung Landegebiet erflogen E-2 Luna 2 Erdsicht ±90° lat,lon ¹) 30° N, 1° W Ranger 7..9 ²) Erdsicht ±90° lat,lon ¹) 2°.6N...12°.9S, 24°.8E...20°.7W E-6,-6M Luna 7..9, 13 ²) Vertikalabstieg ª0°lat, ª60°W 18°.9N...9°N, 40°W...64°.4W Untersuchung der »Apollo- 5°.5N...3°.0(...40°.9)S, 23°.2E...43°.2W Surveyor 1..7 Box« für Surveyor 1..6 Ye-8-5,-5M Luna 15//24 Vertikalaufstieg ª0°lat, ª60°E 17°N...0°.7S, 62°.2E...56°.3E

Notfall-Rückstart in jedem CM- Apollo LM Orbit möglich; Sicherheit ±5°lat,±45°lon 26°.1N...8°.6S, 30°.8E...23°.4W Ye-8 Luna 17, 21 L'khod 38°.3N...25°.8N, 30°.5E...35°W ¹) zuzüglich Libration des Mondes 59% der Oberfläche bis ±6°.5 über N-u. S-Pol und ±97°E/W ²) und 6, und Luna 5 und 7 erreichen den Mond inaktiv oder mit starkem Bahnfehler

Tabelle 6.24 - Bahndynamisch mögliche und erflogene Landekoordinaten von Mondlandern

Damit verbleibt nur der Vergleich der streng quantifizierbaren, bei beiden Arten der Probenrückholung erfolgeten Leistungen. Tabelle 6.22 zeigt, daß bei jeder Betrachtungsweise - gleich ob nach Menge oder Zahl der Proben gewertet - die billigstmögliche Abschätzung des Aufwandes für eine mit Ye-8-5/-5M Luna gewonnene Einheitsmenge in der Größenordnung der teuerstmöglichen Abschätzung des bei Apollo nötigen Aufwandes liegt. Bei gleich angesetzten Abschätzungen ist der spezifische Aufwand mit Apollo eine bis drei Größenordnungen niedriger als mit Ye-8-5/-5M, und im Gegensatz zu dieser sinkt er stark im Verlauf des Apollo-Programmes. 6. Schlußfolgerungen 139

Es gibt einen weiteren praktischen Fall, in dem sich ein ähnlicher Vergleich tatsächlich geflogener Missionen anbietet. Hierbei geht es um den Ersatz der bemannten Experimente an Bord des STS durch automatisierte Rückkehrkapseln. Für das STS liegt eine große Zahl von Startkostenabschätzungen aus unabhängigen Quellen, früheren Projektionen der NASA und tatsächlich angebotenen und berechneten Preisen vor. Die Angaben aus der ausgewerteten Literatur sind in der folgenden Tabellen zusammengefaßt:

Angabe zum Startpreis Jahr Kosten, Mio.$Jahr Kosten, Mio.$2005 1 STS-Ladung 27850 kg, kostendeckend [14-321] 1982 155 411 1 STS-Ladung 27850 kg, Angebotspreis [14-321] 1982 42 111 1 STS Missionskosten; $11000/kg ergibt 23636 kg Nutzlast, alle 51.7 d im 24-h-Schichtbetrieb [7-224] 1983 260 661 GetAway Special 110 $/kg, Nutzl. 20500 kg [91] °) 1983 2.26 5.47 tatsächliche Startkosten, eingependelt [54-I-24,26] 1985 140.5 328 ...dito, inflationsbereinigt [54-I-24,26] ¹) 1971 52.9 238 ...vorhergesagt 1971 [54-I-24,26] 1971 7.7 35 »Launch Price in 1988 price $'s« [8] ²) 6 Flüge p.a. 1988 245 504 »Flyaway Unit Cost in 1988 unit $'s« [8] ²) weitere Fl. 1988 63 130 ...damit nach ²) [8] ermittelte STS-Fixkosten p.a. *) 1988 1092 2245 Startpreis nach ª50 Flügen = STS-Mitflug 1 Person = STS-Mir-Mission [7-295] 1992 100 174 1 Start, Kosten nach Aviation Week, nach [14-354] 1996 550 805 $4 Mrd. / 7 Flüge pro Jahr [12-316,320] 1998 572 770 ...dazu STS-Mir,ISS-Kopplungselmt.$472 Mio. / 7 Fl. 1998 67 90 ...dazu ISS Zarya Beitrag $215 Mio. / 7 Flüge 1998 31 42 ...insgesamt $4687 Mio. / 7 Flüge [12-316,320] 1998 670 901 Politologe Roger A. Pielke nach [7-263] ³) <2001 1500 >1778 ...dito, nach Abzug der Entwicklungskosten ³) <2001 935 >1108 häufigste Zahl in der Öffentlichkeit (evtl. ³) k.A. 1000

$1997 ª 4.167 * $1965/69, nach [12-298] ; inflationsbereinigt nach [54-I-22f.,26] in etwa fließend von $2005 ª 4.5 * $1971 bis $2005 ª 2.65 * $1981; ª 1.0433^(2005 - Jahr) - °) für Schulen; kleine Experimente bis 90.7 kg, 0.14 m³ - ¹) inflationsbereinigt 1985 auf 1971 - ²) »Cost comments: Shuttle has high fixed costs and low marginal costs. Cost per mission is dependent on rate. Flyaway cost is marginal cost for extra mission. Launch cost is cost per flight at 6 per year.«; Fixkosten mit MSFC $20052.8 Mrd., variabel <$2005100 Mio. [8] - ³) Gesamtkosten / Zahl der Flüge

Tabelle 6.25 - Entwicklung der Startkosten des STS und ihre Darstellung 6. Schlußfolgerungen 140

Die Zeit für die Vorbereitung zu einem Folgestart betrug anfangs 51.7 Tage bei 24-Stunden- Schichtbetrieb. [7-224] Die höchste erfolgte jährliche Starzahl waren neun im Jahr 1985, und bis dahin brauchte die Wiederbereitstellung zum Start 67 statt der ursprünglich geplanten 10 Tage. [54- I-24] 1996 veranschlagte Aviation Week nach [14-354] die Kosten eines Shuttle-Startes und gab an, daß mit 2800 NASA-Angestellten und 19700 Mitarbeitern von Auftragnehmern daran etwa so viele Menschen beteiligt sind, wie am Start einer Apollo-Mondmission, die 20000 Personen band. Die Einbindung des Aufwandes für die eigentliche Nutzlast ist hierbei oft unklar. In viele Schätzungen fließt sie zusammen mit ganz anderen Programmen zugeordneten Kosten offenbar ein, wie die seltene Aufschlüsselung in [12-316,320] zeigt, deren Ergebnis den pauschalen Angaben in der Öffentlichkeit schon sehr nahekommt. Eine Rettungsmission zur beschädigten STS-107 Columbia vom 16.01.2003 vor dem Unglück beim Wiedereintritt wäre interessant gewesen, da sie über die minimalen Zeit- und Personalaufwand die tatsächlichen und anderen Trägerkostenangaben vergleichbaren Grundkosten eines STS-Startes aktueller als [8] demonstriert hätte. Die SRB werden heute nicht mehr wiederverwendet, also sind sie ein erheblicher Teil der heutigen variablen Kosten. [7-226] Ihre Kosten und weitere, aus der ausgewerteten Literatur entnehmbare Angaben zu Teil- und Entwicklungskosten des STS sind in folgender Tabelle zusammengefaßt:

Posten Datum °) Kosten, Mio.$Datum Kosten, Mio.$2005 1 SSME, Preis [14-322] 1982 36 95 Verlust von 2 SRB bei STS-4 [7-226] 27.06.1982 36 95 1 Shuttle, Preis [7-224] 1983 1470 3735 Ersatz Challenger, mit Teil der Sicherheitsauf- 1986/88 rüstung der 3 verbliebenen Orbiter [7-253] 2800 6005 ...davon im folgenden Haushaltsjahr [7-253] FY1987 270 579 Sicherheitsaufrüstung d. 3 verbliebenen Orbiter 1986/88 insgesamt; Nutzlast sinkt auf 24400 kg [7-255] 2400 5147 OV-105 Endeavour, Challenger-Ersatz [88] (?) 1986/92 1700 2959...3804 Entwicklungskosten Deckelung bei der Bewilligung [54-I-22f.,26] FY1972 ¹) 5500 24750 ...15% überzogen bis 1981 [54-I-22f.,26] 1971 ²) 825 3713 ...damit tatsächlich Entwicklung [54-I-22f.,26] 1971 ¹)²) 6325 28463 ...dito, jahresweise addiert [54-I-22f.,26] FY1972/81 9900 28463 »Development Cost in 1977 average $'s« [8] ³) 1977 10100 33096 Neue Raumanzüge für STS [7-226] 1982 100 265

$2000/05 ª 4.167 * $1965/69, nach [12-298] ; inflationsbereinigt nach [54-I-22f.,26] in etwa fließend von $2005 ª 4.5 * $1971 bis $2005 ª 2.65 * $1981, ª entsprechend 1.0433^(2005-Datumsjahr) - °) FY: US-Haushaltsjahr - ¹) [8]: $19715150 bzw. 6744 Mio. - ²) inflationsbereinigt - ³) s. ²) zu Tab. 6.25

Tabelle 6.26 - Bau- und Entwicklungskosten des STS und ihre Darstellung 6. Schlußfolgerungen 141

Mit den von Pielke nach [7-263] gegebenen Kosten und denen des Ersatzshuttles nach [7- 224,253ff.] würde sich bereits eine drei- bis fünfmalige Wiederverwendung rentieren, was entgegen der Argumentation in [7] eine inzwischen hohe Wirtschaftlichkeit bedeuten würde. Die Entwicklungskosten des STS wurden beim Programmstart Anfang 1972 während des Tiefpunktes der Apollo- und Skylab-Kürzungen gedeckelt. Bis zum Erststart am 12.04.1981, den zwanzigsten Jahrestag von Gagarins Flug, waren sie inflationsbereinigt um nur 15% überzogen worden, was eine sehr kleine Kostenexplosion für ein derartiges Programm darstellt. [54-I-22ff.,26] Inflationsbereinigt für 1971 waren die bis 1985 eingependelten, variablen Startkosten allerdings das siebenfache der bei Projektbeginn vorhergesagten Werte angestiegen. Bei solchen Vergleichen ist besonders beim STS zu beachten, daß sehr oft unbereinigte Angaben verwendet werden. Fast immer werden die frühen Schätzungen im $-Wert von 1971 angegeben und dem zur Zeit der Erstellung der betreffenden Publikation aktuellen $-Wert für die tatsächlichen Kosten gegenübergestellt. Die Kostenexplosion erscheint dann durch die dazwischenliegende Inflation bis zu fünffach größer als sie tatsächlich ist. In den Anmerkungen zu den Tabellen 6.25 und 6.26 sind diese Faktoren angegeben. Das Programm WS-117L, aus dem die bereits erwähnte Satellitenserie Corona und die Agena- Oberstufe mit über 300 geflogenen Exemplaren abgezweigt wurden, hatte eine typische Kostenexplosion in der Projektphase. Der erste Vorschlag für 92 Satelliten vom 02.04.1956 wuchs von fast $115 Mio. bis zum Ende der 1950er Jahre zu projektierten Ausgaben von $600 Mio. an. Dies entspricht nicht inflationsbereinigt einem Faktor von 5.2, und bereinigt etwa 4.4. Für die gesamten 145 Flüge von Corona wurden schließlich bis 1972 tatsächlich $850 Mio. ausgegeben. [4- 145,182] Das STS und andere Schwerlastträger sind in der folgenden Tabelle aufgeführt:

Träger Erfolg, versagt Orbit, Orbit Nutzlast, Jahr Start, Start, spez.Kosten,

% ; Starts km Inkl., ° kg Mio.$Jahr Mio.$2005 $2005 / kg STS-26..90 100.00 0 ; 65 407 51.6 12500 1988 245 504 40320 Zenit-2 83.78 6 ; 37 200 51.4 13740 1994 45 72 5221 Ariane 5G 94.74 1 ; 19 407 51.6 16000 2000 180 222 13906 STS-ISS-91.. 95.83 1 ; 24 407 51.6 16050 1988 245 504 31402 Titan 4 90.91 2 ; 22 185 17700 1997 400 561 31722 Proton 8K82K 87.10 4 ; 31 186 51.6 19760 1994 50 80 4034 STS [91] 100.00 0 ; 7 ª300 28.5 20500 1983 141 328 16000 Titan 4B 87.50 2 ; 16 150 28.6 21680 1999 432 557 25697 STS [7-224] 100.00 0 ; 9 ª300 28.5 23636 1983 260 661 27951 STS-26..90 100.00 0 ; 66 204 28.5 24400 1988 245 504 20656 Delta IV Heavy 100.00 0 ; 1 185 28.5 25800 2004 254 265 10271 STS-ISS-91.. 95.83 1 ; 24 204 28.5 27500 1988 245 504 18327 STS-..25 96.00 1 ; 25 204 28.5 27850 1988 245 504 18097

Tabelle 6.27 - STS-Konfigurationen und andere Schwerlastträger im Vergleich, nach Nutzlast 6. Schlußfolgerungen 142

Alle diese Preise sind reine Marktpreise, auch wenn zum Teil staatliche Organisationen Kunden einiger der Starts waren, oder die Entwicklung eines Flugkörpers unterstützt oder angeregt haben. In dieser Klasse sind außer vom STS noch die Einheitskosten der Titan 4 und 4B, die Entwicklungskosten der Delta IV Heavy, sowie aus Kapitel 6.3.3. die der Saturn IB und Saturn V bekannt. [8] Damit lassen sich Entwicklungs- und Fixkosten und variable Kosten trennen. In der folgenden Tabelle sind diese Kosten zusammengefaßt:

Träger Starts p.a., °) Entwick- Start, FUC ¹), Entwickl. Fixkosten 6 Starts

min. ; mittl.1 ; lungskost., Mio.$2005 Mio.$2005 p.a. ²), p.a., p.a.mit ²),

mittl.2 ; max. Mio.$2005 Mio.$2005 Mio.$2005 Mio.$2005 STS 0 ; 4.56 ; 5.68 ; 9 33096 504 130 ') 1141 #) 2245 ') 4166 Titan 4 1 ; 2.20 ; 2.50 ; 4 ³) 1328 561 209 78 ³) 816 2148 Titan 4B 1 ; 1.78 ; 1.88 ; 3 ³) 1328 557 197 78 ³) 816 2076 Titan 4, 4B 1 ; 2.24 ; 2.33 ; 4 ³) 1328 559 204 78 ³) 816 2118 Delta IV Hvy. *) bis 2004: 1 *) 500 265 *) 53 >1643 °) Reduktion durch Startunfälle: STS: 0 in 1987, 2004; 1 in 2003, 2005; 2 in 1986, 1988; Titan 4: 1 in 1993; Titan 4 und 4B: 2 in 1998; Mittelwert 1 mit, 2 ohne diese Jahre - ¹) »Flyaway Unit Cost«, s. ²) zu Tab. 6.25, Titan 4: $198589.36 Mio., 4B: $198584.3 Mio. - ²) Entwicklungskosten / Betriebsjahre, unverzinst - ³) Entwicklung, Fertigung von 40, Start von 39 Titan 4: $199615.8 Mrd. ª $200523139 Mio., abzüglich Summe der Startkosten 22 Titan 4, 17 Titan 4B bis 2005/06; 1997/98 von Titan 4 auf 4B konvertiert, und beide flogen parallel. - *) nur Delta IV Heavy; Entwicklung, 19 Starts 5 nicht aufgeschlüsselter Delta IV-Versionen: $19991.38 Mrd. ª $20051.78 Mrd.; geflogen 11/2002..12/2004: 2 Medium, 1 Medium+(4.2), 1 Heavy [8] - ') bis 2010; Hersteller: technisch bis 2030 möglich: damit Entwickl.p.a. $2005675 Mio., 6 Starts p.a. $20053700 Mio. - #) s. ²) zu Tab. 6.25

Tabelle 6.28 - Feste und variable Kosten von Schwerlastträgern der STS-Klasse

Die Shuttle-Orbiter wurden mit ihrer planmäßigen Flugdauer von 5 bis 16 Tagen in Ermangelung der gestrichenen Raumstation, die sie wie der Name andeutet eigentlich nur versorgen sollten, in einer Art Wohnmobil-Modusals als deren Ersatz genutzt, um Forschung in der Schwerelosigkeit in Labormodulen in der Nutzlastbucht zu betreiben. Der längste Flug war STS-80 mit 17.66 Tagen. [8][88] Diese maximale Betriebszeit entspricht der erreichten Betriebszeit der späteren nK Zenit- Kapseln, die teilweise zivil unter den Öffentlichkeitsnamen 12KS Bion, 13KS , 36KS Efir, Foton, Foton-M, 14F40 Resurs F1 und F1M, 14F43 Resurs F1, 17F41 Resurs F1, und 17F42 Resurs F2 zum selben Zweck genutzt wurden. In großer Zahl fließbandartig hergestellt, und mit der preiswerten, ebenfalls massenproduzierten Trägerrakete 11A511U Soyuz-U gestartet, sind sie das ideale Vergleichsobjekt zum STS. Für diesen Vergleich sei angenommen, daß eine automatisierte Durchführung der selben wissenschaftlichen Experimente, die im Shuttle geflogen wurden, uneingeschränkt möglich ist, wobei die Astronauten gegebenenfalls zu Bodenoperateuren eines teilautonomen Manipulators oder Roboterarms an Bord des unbemannten Alternativsystems werden. Eine solche Einrichtung kann über eine vorhandene globale Telemetrieverbindung jederzeit und uneingeschränkt gesteuert werden, so wie es für das STS eine dauernde Verbindung 6. Schlußfolgerungen 143

über das TDRS-Netzwerk gibt. Damit wäre der Anteil ihrer Personalkosten und der Kosten der Infrastruktur bei einem ansonsten als gänzlich unverändert angenommenen Forschungsumfeld ebenfalls unverändert. Im militärischen Einsatz von nK Zenit wurden zum Teil drei Missionen überlappend geflogen und gesteuert, und die Innenklimatisierung erfüllte, wie bereits in Kapitel 6.2.2. erwähnt, die sehr hohen Anforderungen für die empfindliche Kameraanlage, womit das Grundsystem für größtenteils in dieser Beziehung weniger empfindliche biologische Experimente als geeignet gelten kann, was mit den Bion-, Vostok- und Voskhod-Missionen bereits an Pflanzen, niederen und höheren Tieren, und Menschen demonstriert wurde. Die Typen Foton und Foton-M sind durch Konstruktion, Betriebsweise ohne Schubmanöver und die Umlaufbahn mit 62°.8 Inklination auf die Mikrogravitationsforschung bei typischen Residualbeschleunigungen von 1 -5g optimiert. Es besteht die Möglichkeit, auf einem als Subsatellit 16KS Nauka abtrennbaren Container analog zum NASA-Angebot GetAway Special kleine Experimente im selben Gewichts- und Volumenbereich zu fliegen. Die folgenden Tabellen vergleichen einige Daten, die für den Flug von Experimentnutzlasten von Interesse sind, und praktische Beispiele:

Eigenschaft STS zivile nK Startkosten STS bei 6 Starts p.a. bzw. 11A511U °) 504 52 maximale alternative Startkosten, STS Pielke bzw. Soyuz FG °) >1108...1778 64 minimale alternatve Startkosten, STS FUC bzw. Soyuz ST °) 130 39 Entwurfsflugdauer bzw. Entwurfslebensdauer, Tage 16.00 30.00 längster Flug, Tage 17.66 ¹) 30.00 maximale Gesamtmasse des Wiedereintrittskörpers, kg ²) 104326 2400 maximale Nutzlast, STS-ISS Orbit 204km 51°.6, Foton M, kg 27500 ³) 790 maximale Nutzlast, STS-ISS Orbit 407 km 51°.6, Foton, kg 16050 404 Standard-Subnutzlast, STS GetAway Special, 16KS Nauka, kg 90.7 90 klimatisiertes Volumen, STS: Orbiter ; Spacelab Experimente, m³ 65.8 ; 22.2 4.7 maximaler Nutzlastanteil des Wiedereintrittskörpers, % #) 13.91 ³) 29.17 Anzahl der Flüge, zerstört ; insgesamt 2 ; 114 *) 2 ; 93 mittlere elektrische Leistung, STS Spacelab je nach Konfiguration, W #)3360...6160 400 max. elektrische Leistung, STS: 15 Min./ 3h, Foton: 90 Min./ 24 h, W #) 8200 700 Batteriekapazität pro Tag, STS Spacelab 9 d Mission, kWh #) 126 10 größte freie Länge, m ²) #) 5.4 2 maximale Wiedereintrittsbeschleunigung, ohne nK Landestoß, m/s² 40 150

°) in Mio.$2005, nach [8], Tab. 6.25 - ¹) 17F42 Resurs F2 #1 Kosmos 1906, 26.12.1987: 65 Tage - ²) nK Durchmesser 2.3 m, 3K Voskhod: 2900 kg; STS nach [8]: 99117 kg, Startmasse 12KS Bion: 6000 kg, Foton: 6245 kg, Foton M: 6535 kg - ³) mit 90 kg 16KS Nauka; 12KS Bion: 715 kg; 13KS Energia: 1200 kg - *) nK: 33 ; 809 (95.92%), 11A511U: 19 ; 708 (97.32%) - #) Stand 1991 [92]

Tabelle 6.29 - nK und STS als Träger für wissenschaftliche Experimente 6. Schlußfolgerungen 144

Eigenschaft STS Spacelab zivile nK Gesamtnutzlast, kg °) 12185 ²) 602 Experimentnutzlast, kg °) 6333 ²) 600 geplante Zahl der Experimente ; Flugdauer, h °) 92 ; 210 ²) 39 ; 384 tatsächlich geflogene Zahl der Experimente ; Flugdauer, h °) 88 ; 239 ²) 39 ; 384 Masse der Infrastruktur, kg °) ¹) 5852 semiautonomer Manipulator ROTEX, Netto-Masse, kg °)*) 40 Raum für Experimente, Anzahl 19'' Standardracks wie Spacelab D-2 °) 16 ³) 2 Experimentmasse pro 19'' Standardrack °) 396 ³) 300 Experimentnutzlastanteil des Wiedereintrittskörpers, % °) 6.07 20.69 weitere Missionen Spacelab 1, STS-9 Columbia, 28.11.1983, Gesamtnutzlast, kg #) 15088 Spacelab 1, STS-9 Columbia, 28.11.1983, Experimentnutzlast, kg ¹) 9263 Spacelab 2, STS-51-F Challenger, 29.07.1985, Gesamtnutzlast, kg #) 15603 Spacelab 2, STS-51-F Challenger, 29.07.1985, Experimentnutzl., kg ¹) 9751 D-1, STS-61-A Challenger, 30.10.1985, Gesamtnutzlast, kg #) 14451 D-1, STS-61-A Challenger, 30.10.1985, Experimentnutzlast, kg ¹) 8599 D-1, STS-61-A Challenger, 30.10.1985, Zahl der Experimente 76 Experimentmasse pro 19'' Standardrack ¹) 537 ... 609 Experimentnutzlastanteil des Wiedereintrittskörpers, % ¹) 8.24...9.35 16.8...29.2 °) STS: D-2-Mission, STS-55 Columbia, 26.04.1993, ohne Außenplattform, geplante Flugdauer 216 h, Experimentzeit 210 h; nK: Foton-M 2, 31.05.2002 - ¹) errechnet, Daten aus [8][93][94] - ²) 39 europäische Experimente: 385 kg, 215 kg russische »Instrumente«, Subsatellit Fotino M-2: 2 kg [8] - ³) geschätzt, für Kugelraum-Einbau volumenoptimal verkippte Montage einzelner 19''-Einschübe typischer Höhe - *) ohne Infrastruktur [95] - #) max. Landenutzlast 14515 kg [92]

Tabelle 6.30 - Vergleich typischer wissenschaftlicher Missionen von nK und STS

Die aktuelle 7K-STMA Soyuz TMA trägt neben einer Besatzung von drei Personen mit bis zu 255kg maximal 50kg zur Erde zurück. Dabei wird bei einer ähnlichen Gesamtmasse von 7250kg eine etwa 2850kg schwere Kapsel mit 3.5m³ Volumen verwendet, womit sich ein Nutzlastanteil von 11% ergibt. Die nicht rückholbare Orbitalsektion bietet nocheinmal 5m³ Raum. Der Vostok-Bus ist also besser für diese Art Experimentrückführung geeignet, wenn man nicht komplexe Mechanismen zur Extraktion von Proben aus der Orbitalsektion in die Kapsel entwickeln will. Berücksichtigt man nun die Masse eines ROTEX-ähnlichen Manipulatorsarmes wie er im Rahmen der D-2-Mission bezahlt, entwickelt, geflogen und erprobt wurde, [95] so verbleibt eine freie Restnutzlast in der nK-Kapsel für alle nötigen Infrastrukturen, Manipulator und Experimente. 6. Schlußfolgerungen 145

Der Platzbedarf von ROTEX bei der D-2-Mission war der Hauptteil eines 19''-Racks. Einige dieser Racks dienten auch als Stauraum für Material und im Flug aufzubauende Experimente. [8][93][94] Nach Abzug der Masse der nötigen Tragestruktur und weiterer Einrichtungen, die einen viermal härteren Wiedereintritt überstehen müssen als im Shuttle, läßt sich wohl etwa die Hälfte der verbleibenden Nutzlast einer Kapsel für Experimente nutzen. Hierbei wird angenommen, daß sich das innere Volumen der nK-Kapsel trotz der relativ kleinen Luke, einiger bereits vorhandener Einbauten und der Kugelform optimal ausnutzen läßt, und der Bauraum die Experimente und den Manipulator nicht einschränkt. Damit läßt sich unter der Annahme der optimalsten Bedingungen die Mindestzahl der erfolgreichen Flüge abschätzen, mit der die leistungsfähigsten verfügbaren, nicht wiederverwendbaren Kapseln eine der geflogenen Spacelab-Missionen ersetzen können. Beiden Systemen kommt ihre durch eine hohe Startzahl erflogene, hohe Zuverlässigkeit zu gute. Der Preis für eine zivile nK-Kapsel ist aus der vorhandenen Literatur nicht zu entnehmen. Kurz nach dem Fall der Sowjetunion gab es Medienangaben, wie später auch zu Flügen der bisher in Soyuz mitgeflogenen Weltraumtouristen. [10] Bei den Betriebskosten kann man sich an denen der Mondmissionen orientieren. (Tabelle 6.12) Eine Aufstellung des System-Vergleiches von STS und den zivilen nK zeigt die folgende Tabelle:

Eigenschaft STS Spacelab zivile nK Gesamtnutzlast, kg 12185... °) 15603 404...700 Experimentnutzlast im klimatisierten Innenraum, kg 6333... °) 9751 ¹) 182...330 Experimentnutzlast in nK-Einheiten 20..30..54 1 Trägerzuverlässigkeit, versagt ; geflogen (Erfolgsrate) 2 ; 114 (98.25%) ²) 1 ; 93 (98.92%) Satellitenzuverlässigkeit, versagt ; geflogen (Erfolgsrate) 0 ; 114 (100.0%) ²) 1 ; 93 (98.92%) Gesamtzuverlässigkeit, versagt ; geflogen (Erfolgsrate) 2 ; 114 (98.25%) ²) 2 ; 93 (97.85%) Missionssicherheitszuschlag = 1 / Gesamtzuverlässigkeit 1.0179 ²) 1.0220 spezifische Startzahl pro STS-Einheit 1 21..31..56

Startkosten, STS Pielke bzw. Soyuz ST, Mio.$2005 >1108...1778 39

gesamte Startkosten pro STS-Einheit, Mio.$2005 >1108...1778 819...1209...2184

nicht wiederverwendbarer Raumflugkörper, Mio.$2005 ³) 19

gesamte nicht wiederverwendbare Rfk., Mio.$2005 ³) 399... 589...1064

Missionsdurchführungskosten, STS FUC, Mio.$2005 130 *) 83

gesamte Missionsdurchführungskosten, Mio.$2005 130 1743...2573...4648

Gesamtkosten pro STS-Einheit, Mio.$2005 >1238...1908 2961...4371...7896 °) errechnet - ¹) siehe Text - ²) alle nK: 33 ; 809 (95.92%), alle 11A511U: 19 ; 708 (97.32%), zusammen 93.35%, 22..33..58 Missionen, Starts $20050.86...2.3 Mrd., gesamt $20053.1...8.2 Mrd. - ³) Medienangaben: Anfang 1990er Jahre, 1 Foton-Mission $199010 Mio. ª $200518.9 Mio.; um 2000: 1 Soyuz TM(A) Mitflug zu Mir, ISS: $200030 Mio. ª $200537.1 Mio. - *) wie Apollo, s. Tab. 6.12

Tabelle 6.31 - Ersatz des STS durch nK für Mikrogravitationsforschung 6. Schlußfolgerungen 146

Lediglich mit den sicher bekannten Startkosten der Trägerraketen ist aber schon ohne alle weiteren, stark inflationsbereinigten, geschätzten oder unsicheren Posten der höchste aller in der Literatur angegebenen Preise für einen Shuttle-Start praktisch überschritten. Die hier angesetzte Soyuz ST ist eine kommerzialisierte und um 40% billiger angebotene Variante der Soyuz FG, des etwas leistungsfähigeren Nachfolgers der normalerweise verwendeten 11A511U Soyuz-U. Alle bis auf ein ziviles nK verwendeten diesen Träger, nur der erste der beiden 13KS Energia Interkosmos 6 mit ihrer stark abweichenden Nutzlast zur Messung kosmischer Strahlung verwendete am 07.04.1972 die 11A57 Voskhod, eine ältere R-7-Variante. Diese kosten ohne irgendeine weitere Aufwendung bereits $920 bis $1480 Millionen. Mit der heute verfügbaren Soyuz FG für staatliche Betreiber und die Flüge mit Progress M1 und Soyuz TMA zur ISS liegt man klar über jedem genannten Shuttle-Preis. Bezieht man die niedrigstmöglich angesetzten Kosten für die nötigen nK mit ein, liegt der unbemannte Ersatz einer Shuttle-Mission über dem Jahresetat für das gesamte Shuttle-Programm bei der normalen jährlichen Startzahl. Aus diesen beiden Vergleichen folgt eindeutig:

Bemannte Raumfahrt ist bei quantitativ und qualitativ gleicher Aufgabenstellung in jedem Falle, und insbesondere zu Forschungszwecken, technisch effizienter und kosteneffizienter als automatische Missionen.

Diese Erkenntnis bleibt aber mit einem wichtigen Caveat verbunden: Unter einem bestimmten Grundpreis, der nur in Grenzen vom technischen Fortschritt abhängt, ist bemannte Raumfahrt nicht zu haben, obwohl sie nach den gegebenen Daten über dieser Schwelle kosteneffektiver ist, als gleichermaßen umfangreich angelegte unbemannte Raumfahrt zum selben Missionszweck und erreichten Missionsziel. Bei diesem Grundpreis handelt sich zum größten Teil um Ausgaben für Personal und die durch es erworbene und in ihm erhaltene praktische, d.h. experimentell nachweisbare und notwendigst nachzuweisende Erfahrung. Die Flüge der betrachteten automatisierten Alternativen sind einzeln zwar um eine Größenordnung billiger als die verglichenen bemannten Missionen, aber eben auch um einen noch höheren Faktor ineffizienter. Dies ist zum großen Teil darin begründet, daß die höhere Effizienz des Menschen an Bord bei der Behebung von Versagensfällen wesentlich komplexere Missionsszenarien, und damit auch schwerere Raumflugkörper mit mehr gleichzeitig geflogenen Experimenten überhaupt erst ermöglicht. Der Mensch an Bord kann mit seinen in Kapitel 6.3.1. herausgestellten Eigenschaften der stark steigenden Anfälligkeit größerer Flugkörper höheren Komplexität länger entgegenwirken als alle anderen direkt Missionsbeteiligten. Bei diesen erst so möglichen, komplexen Raumflugkörpern können sich die Größeneffekte ökonomisch günstiger Auswirken als der erhöhte relative Anteil der Entwicklungskosten durch die im Gegenzug verringerte Flugkörperanzahl und Flugfrequenz in einer Serie. Es gibt auch Aufgaben, bei denen wegen der beschränkten Anzahl der sinnvollen Experimente pro Flug automatisierte Missionen im Vorteil sind, eben weil die mögliche Stückelung kleiner ist. Es handelt sich dabei vor allem um Experimente oder Nutzlasten, die sich entweder durch ihre vollständige flächenhafte Abdeckung des betrachteten Objektes oder durch die Verteilung 6. Schlußfolgerungen 147 einfacher identischer Experimente auf sehr viele einzelne Orte auszeichnen. Dies trifft zu auf die flächenhafte Abdeckung durch bildgebende Verfahren zur Kartographierung und Erdbeobachtung, geostationäre Satelliten mit Funkfernverbindungen zur Kommunikation, die Beobachtung der physikalischen Zustände des Weltraumes durch Weltraumteleskope, die vorbereitende Untersuchung der Oberflächen von Himmelskörpern mit Multisensor-Sonden oder verteilten Mikrolandern, und große Satellitenkonstellationen in der niedrigen Erdumlaufahn mit Funkfernverbindungen zur Kommunikation. In genau diesen Bereichen haben sich relativ kleine unbemannte Nutzlasten bestens bewährt, nämlich als Spionage-, Wetter-, Erd- oder Planetenerkundungssatelliten; Kommunikations-, Navigations- und Fernsehsatelliten; bzw. Forschungs-, Astronomie-, Tiefraumsonden, und - außer auf der Erde - Planetenlander. Eine gute Aussicht auf Erfolg ist oft dann gegeben, wenn eine der beiden im folgenden enthaltenen Aussagen zutrifft:

Die Zuverlässigkeit automatisierter Raumflugkörper kann am wirksamsten erhöht werden, wenn wenige verschiedene Nutzlasten eine große gemeinsame flächenhafte Abdeckung erreichen, oder wenn eine große Zahl verschiedener Nutzlasten ein kompaktes gemeinsames Ziel abdeckt oder untersucht.

Seit den Zeiten der Spionagesatelliten der Serien Corona und Zenit ist es möglich, mit einem Satelliten die Erde innerhalb weniger Tage photographisch mit Auflösungen im Meterbereich abzudecken. Satellitenempfänger für Kommunikation, Navigation und Datenverkehr sind inzwischen ein bis zur Selbstverständlichkeit zuverlässiges Allgemeingut, ebenso wie der satellitengestützte Wetterdienst. Deshalb wurden unbemannte Satelliten zur Sondierung (Pioneer 1, 3, 4, Ranger, Luna 1 bis 3), Kartographierung (Lunar Orbiter, Luna Orbiter) und vorbereitenden Oberflächenuntersuchung (Surveyor, Luna Lander und Lunokhod) vor den geplanten oder durchgeführten bemannten Mondlandungen eingesetzt - nicht weil sie als unbemannte Flugkörper an sich besser als bemannte Missionen sind, sondern weil sie für diese hoch repetitiven oder beschränkten Aufgaben besser geeignet sind. Dies schließt auch eine bessere Wirtschaftlichkeit und das geringere Risiko für Menschenleben mit ein. Obwohl bisher fast alle Opfer der Raumfahrt bei unbemannten Starts oder ihrer Vorbereitung zu Tode kamen oder verletzt wurden, verteilt sich dieses Risiko auf einen ungleich viel höhere Zahl Startversuche als im bemannten Fall. Das Vorgehen für eine mögliche menschliche Marslandung ist das selbe. Die entsprechenden Phasen wurden mit Mariner 4, 6 und 7 (Sondierung), Mariner 9, den Viking Orbitern, Mars Global Surveyor und Mars Express (Kartographierung), bzw. Mars 3, den Viking Landern, Mars Pathfinder und den Rovern Sojourner, Opportunity und Spirit (Oberflächenuntersuchung) bereits durchgeführt. Weitergehend als beim Mond sind mit dem Mars Climate Orbiter schon wie bei der Erde die ersten Nutzlasten zur Navigationunterstützung und Kommunikation für andere Sonden wie den gescheiterten Beagle 2 auf den Orbitern vor Ort. Mit der Wetterbeobachtung durch Weitwinkelkameras haben sich auch die verbleibenden, auf der Erde erfolgreichen Grundtypen der Satelliten etabliert. [28] 6. Schlußfolgerungen 148

Kommunikations-, Navigations- und Wettersatelliten haben jedoch nur eine stetig operierende Nutzlast, wie auch viele kleine Forschungssatelliten. Selbst auf großen Erderkundungssatelliten sind kaum mehr als das runde Dutzend Experimente, die auf einer großen Planetensonde wie Voyager, Galileo/Jupiter Probe oder Cassini/Huygens zu finden sind. Bei den Corona-Satelliten wurde eine sekundäre Nutzlast neben der Kamera in der Regel schon auf Subsatelliten ausgelagert, denen die Bezeichnung Lockheed P.11 zugeschrieben wird. [8] Man vergleiche diese Zahl Experimente pro Mission mit dem, was im Skylab, Spacelab oder ähnlichen Einrichtungen durchgeführt wurde, wenn sie zur vollen Nutzung kamen.

Bei vollständiger Unterrichtung gänzlich freiwillig zu den jeweiligen Missionen bereite Astronauten vorausgesetzt, ist die eigentliche Entscheidung also lediglich, ob man bereit ist, den personalbedingten Grundpreis der bemannten Raumfahrt zu zahlen oder nicht, und inwieweit man darüberhinaus in die eigentliche Durchführung bestimmter Experimente oder Missionen investiert, um einen Nutzen aus der Gesamtinvestition zu ziehen. Der Nutzen bemannter Raumfahrt erwächst nahezu ausschließlich aus diesem relativ sehr kleinen Zusatzaufwand, was für die letzten Apollo-J- Missionen ebenso gilt wie für Skylab oder die heutige ISS. Spart man an diesem reativ sehr geringen Zusatzaufwand, so bleibt der hohe Grundpreis gezwungenermaßen Selbstzweck und wird zu recht von den Kritikern angegriffen. Verleugnet man die Notwendigkeit des Grundpreises, und spart man dort ein anstatt bei der Nutzung, um z.B. Mittel für Experimente, Nutzlasten oder andere Haushaltsposten freizustellen, oder dringend erwünschte Missionen vor einem bestimmten Zeitpunkt durchzuführen, so zahlt man einen Abschlag in Menschenleben, auf den nur der Zufall in der Statistik kleiner Stichproben bei niedriger experimenteller Fundierung Kredit gibt und Aufschub gewährt. Gut dokumentierte Beispiele dafür sind die Brände in der Sauerstoffatmosphäre in westlichen wie östlichen Testkabinen am Boden, in Apollo 1, und die Angst vor einem solchen Brand auf Voskhod 2. [7-55,70,95][9-70,109][12-185][14-188] Bei der Erprobung der aufblasbaren Ausstiegsschleuse dieser Mission ging zudem das Flugexemplar der Schleuse bei Flugzeugabwurftest zur Absprengung wegen eines Landeschirmversagens verloren. Es war keine Zeit mehr vorhanden eine neue zu bauen, also wurde das benutzte Trainingsexemplar vom Boden geflogen, das damit wenigstens bereits erprobt war. Der Wiedereintritt mit dem an der Kapsel verbleibenden Montagering der absprengbaren Schleuse wurde nur drei Tage vor dem Flug an einer serienmäßigen Zenit-Kapsel bei der Rückkehr von ihrer Aufklärungsmission erprobt. [7-70] Noch besser in ihren externen Ursachen dokumentiert sind neben dem STS und seinen beiden tödlichen Unglücken [8][54][58] vor allem das Scheitern der großen sowjetischen Mondrakete N-1 [7-130f.][8][12- 246,257ff.,294ff.,336ff.,369][14-262ff.][16-213ff.,231f.] und der tödliche Unfall mit Soyuz 1. [7- 172f.][8][9-372ff.][12-242,289f.,333][14-233] Alle sind zurückzuführen auf übertriebene Sparsamkeit bei der Erprobung, die geringe Reserve der Systeme an Nutzlast oder vorhandenen Sicherheitssystemen, und den politischen Druck, trotz dieser Mängel Missionen in Eile durchzuführen. Gegenbeispiele sind das Apollo-Programm nach dem Unglück, das seine Gesamtrobustheit mit Apollo 13 bewiesen hat, und das aus der Zusammenführung der Trümmer der sowjetischen bemannten Mondprogramme und der bemannten und bewaffneten militärischen Almaz- Aufklärungsstationen entstandene, robuste sowjetische - heute russisch-internationale - Raumstationsprogramm. Hier ist aus zwei bestenfalls marginal erfolgversprechendenvon und jeweils von ihren eigenen Schwierigkeiten geplagten Programmen ein solides entstanden, wenn 6. Schlußfolgerungen 149 auch nicht ohne Opfer. Was den eigentlichen Orbiter für sich betrachtet betrifft, zeichnet sich auch beim Shuttle seit dem Challenger-Unglück und trotz des Columbia-Unglückes vorerst eine ähnlich positive und anhaltende Wandlung ab wie in den jeweiligen Programmen nach den Unglücken mit Soyuz 1 und Apollo 1.

Während beide STS-Unglücke den Sinn eines ungekürzt voll wiederverwendbaren Shuttle durch sein Fehlen demonstrierten, weil jeweils eines der Wegwerf-Teile den Unfall verursachte, zeigte das Columbia-Unglück auch den Sinn eines integrierten Raumfahrtkonzeptes mit Stationen, Schleppern, und unabhängigen, reinen Fracht- oder Mannschaftstransportvehikel durch das Fehlen seiner anderen Komponenten. Eine separate Mission zur Durchführung eines Blockes Experimente, der ohnehin nach kurzer Zeit wieder zurückgeführt werden soll, kann auch außerhalb einer in einem integrierten Raumfahrtkonzept vorhandenen Raumstation im Wohnmobil-Modus des Shuttle sinnvoll sein. Das Be- und Entladen dieser Experimente an der Station entfällt, und speziell trainierte Operateure als menschlicher Teil der Nutzlastumgebung oder -infrastruktur können fliegen, ohne daß sie ein vollständiges Training auf alle Stationssysteme benötigen. Auf dem selben Orbit geflogen, wäre die Raumstation ein erreichbarer Rettungshafen gewesen; auch der Umkehrfall ist denkbar als eine zeitweise vorhandene, zusätzliche Sicherheitseigenschaft des STS für die Station. Doch selbst wenn aus operationellen Gründen ein anderer Orbit geflogen würde, aus dem der Shuttle nicht zur Station manövrieren kann, hätte es nur eines oder mehrerer Raumschlepper und eines immer mitgefüherten Standard-Andockadapters bedurft, um den Shuttle an die Station zu manövrieren. Von dort hätte die Besatzung, oder zumindest die Missionsspezialisten, mit den Zubringer-Fähren nach und nach zurückgeführt werden können, die auf dem Weg nach oben andere Fach-Astronauten zur Reparatur der Beschädigungen am Shuttle hätten mitbringen können. Die Schlepper könnten momentan nicht verfügbare Progress-Varianten mit mehr Antriebsleistung sein, oder ähnlich dem Skylab Reboost Module, eventuell auch beladen mit zusätzlichen Versorgungsgütern über den normalen 14-tägigen Vorrat des Shuttle hinaus. STS-107 Columbia wurde jedoch aus bürokratischer Gewohnheit und haushaltsbedingter Grenzbeladung des Orbiters in einen von der Station stark abweichenden Orbit gestartet. Das STS kann trotz seit STS-91 eingeführter Modifikationen, wie eines leichteren ET und eines neuen Aufstiegsprofils, in den Stationsorbit nur gut die Hälfte der sonst möglichen Nutzlast tragen. Dieses Rettungsszenario, selbst wenn es nur mit einem zweiten Shuttle und direktem Besatzungstransfer durchgeführt worden wäre, hätte auch die wirklichen Grundkosten einer Missionsausführung demonstriert. Der oft auf die Präsenz von Menschen in Raumschiffen an sich gemünzte Satz »cost is people« des Triebwerksspezialisten Adelbert Tischler bezieht sich, im korrekten Zusammenhang zitiert, auf alle Personen, die an einem Projekt arbeiten, und dessen Kosten. [14-254] Da es auch heute in der Raumfahrt kaum echte Zukaufteile gibt, gilt er nach wie vor, und die Kosten eines Projektes geteilt durch die mittleren Kosten eines Personenjahres ergeben nach wie vor in guter Näherung die Anzahl der gleichzeitig an diesem Projekt beschäftigten Vollzeit-Arbeitkräfte. Die sieben Astronauten gehen also in der Menge der 22500 Beschäftigten der weiteren Flugbetreuung unter. Im Falle der Rettung der Columbia-Astronauten und des Parkens 6. Schlußfolgerungen 150 des beschädigten Shuttle im Weltraum für eine spätere Nutzung oder Reparatur hätte sich gezeigt, was die wirklichen Grundkosten einer Shuttle-Flugdurchführung auf einer komplexen, jedoch »trockenen«, d.h. ohne wissenschaftliche Nutzlast fliegenden Mission sind. Die während der letzten Skylab-Mission wegen mehrerer Treibstofflecks am Apollo SM bereits fast fertig aufgebaute Rettungsmission mit einem fünfsitzigen CM, das später wieder rückgebaut für das ASTP verwendet wurde, wäre ein ähnlicher Vergleichsfall gewesen. Es bedarf einer gewissen Mindestanzahl unterschiedlich qualifizierter Spezialisten bedarf, um eine Mission durchzuführen. Sind diese mangels anderer Verwendung bei einer politisch über die Anzahl der bewilligten Forschungs- oder anderen Nutzlasten gesteuerten, geringen Missionsfrequenz faktisch zu vollem Einkommen und vollen Lohnnebenkosten teilzeitbeschäftigt, liegt eine externe Kostenverursachung vor.

Die angedachte, und nach dem Unfall oft beschriebene mögliche Rettungsmission mit einem weiteren Shuttle hätte gerade hierbei wertvollst-mögliche operationelle und praktische Erfahrungen und andere Informationen über die Reserven des Systems geben können, die unbekannt bleiben, weil die freie Erprobbarkeit aus Kostengründen nicht gegeben ist. Unter anderem wäre endlich auch eine genaue, aktuelle, und auch nicht mehr von der Hand zu weisende Angabe der tatsächlichen variablen Kosten einer Startkampagne vorhanden gewesen. Diese Basiskosten zur Vorbereitung der eigentlichen, reinen Infrastruktur STS hätten nicht die künstliche Inflation durch die erzwungen niedrige Startfrequenz enthalten. Es hätte keine zusätzlich anfallenden (Personal-) Kosten durch Verzögerungen bei unterfinanzierten oder daher ungenügend erprobten Nutzlasten gegeben. Großenteils entfallen wären Kosten, die durch nach [72] eine Ebene entrückte, also effektiv das Produkt der Arbeit garnicht beeinflussende Verwaltungsaufwände entstehen. Die Kampagne hätte nicht mehr als die wirklich durch die tatsächlich notwendige Vorbereitungs- und Flugzeit des eigentlichen Systems anteilig anfallenden Kosten des nicht STS-spezifischen Bodensegmentes der Flugvorbereitung und -durchführung beansprucht. Die in der ausgewerteten Literatur übliche, doch recht variablen Einrechnung von erweiterten Entwicklungskosten bis zurück zu den frühesten Studien in den 1960er Jahren, weiter Teile der Nutzlast- oder Projektfinanzierung, oder des gesamten, zum Teil auch ISS-bezogenen Astronautenprogrammes in die pauschal angegebenen Kosten des Shuttle-Starts wäre schließlich auch entfallen. (vgl. Tabellen 6.25 und 6.26) Entsprechendes gilt auch für durch aus Mangel an Mitteln oder Erfahrung bei der Arbeit in Raumflugsystemen von Experimenten verursachte Startverzögerungen. Verursacher dieser Kosten sind die für die niedrige Flugfrequenz verantwortlichen Gremien in der Forschungs- und Haushaltspolitik. Für den selben, durch die jährlichen Lohnkosten der minimalen effektiven Anzahl der dedizierten Vollzeitmitarbeiter gegebenen Sockelbetrag könnten entsprechend mehr Missionen zu dann geringerem jeweiligen Anteil an diesen Grundkosten geflogen werden, bevor die Gesamtkosten einer Mission durch einen zweiten Sektor der variablen Kosten wesentlich ansteigen würden, wenn zusätzliches Personal nötig wird. Mitverantwortlich für diese Kosten sind die Gremien, die über eine geringe Anzahl Experimente und die seltene Experimentiergelegenheit verhindern, daß externe Experimentatoren eine Erfahrungsbasis aufbauen, die es ihnen ermöglicht, Experimente aus dieser Erfahrung heraus so auszulegen, daß sie rechtzeitig fertig werden und mit einem geringen Risiko der Verursachung von Startverzögerungen arbeiten. Dies gilt für häufigere technische Versagensfälle und für durch Bestandteile geringer Haltbarkeit, z.B. biologische Proben, verursachte Verzögerungen gleichermaßen. Extrem verschärft wird diese Situation durch das praktische Fehlen einer regelmäßigen Fluggelegenheit, z.B. zur Raumstation, die es ermöglichen würde, Experimente bei unerwarteten Konstruktions- der Betriebsproblemen weiter im 6. Schlußfolgerungen 151

Bodenversuch reifen zu lassen, indem man einfach auf »den nächsten Bus aus der Stadt« wartet.

Bekanntgewordene Kosten von so oder ähnlich verursachten Verzögerungen sind für einen Überblick über ihre Größenordnung in der folgenden Tabelle zusammengefaßt:

Vorfall Verzögerung Jahr Kosten, Mio.$Jahr Kosten, Mio.$2005 Apollo 1, Umkonstruktion des CSM und 18 Monate Kosten der Programmverzögerung [8] 1967 410 2053 Zusatzaufwendungen für die Erprobung ª2 Jahre; des Shuttle-Haupttriebwerks SSME nach teils verdeckt mehreren Explosionen [7-212ff.] von TPS 1978 222 727 bis 2002 bei der ISS aufgelaufene Jahre Verzögerungskosten [7-312] 2002 600 681 nicht realisierbare russische Absicht, Jahre durch eigene Baugruppen $2 Mrd. im ISS-Programm zu sparen; aufgelaufene Verzögerungskosten von den USA alleine getragen [7-316] 2001 3000 3554

Tabelle 6.32 - Beispiele von Kosten durch Verzögerungen

Diese Kosten erreicht die Größenordnung der höheren Abschätzungen der teuersten Starts, oder sogar die in einer vergleichbaren Zeitspanne durch die Wiederentwicklung entstehenden Kosten von Programmabbrüchen wie Skylab oder Apollo.

Dieser völlige Neubeginn einer Technik zu einem vorher bereits gelösten Problem ist im Gegensatz zu den meisten sowjetischen Raumfahrtvorhaben bei westlichen Projekten ein typisches Verhalten, das sich von wenigen Ausnahmen wie Corona abgesehen, durch fast alle Phasen der Raumfahrtentwicklung zieht, wie einige Beispiele aus den wesentlichen Epochen zeigen: Der Fall des Höhenballons Explorer 2 brachte diese Erscheinung erstmals am 28.07.1934 in den betrachteten Bereich der Raumflugkörper. Es kam zu einem Versagensfall in der tragenden Hülle in 18 km Höhe und einer folgenden Wasserstoffexplosion, vor der sich die Besatzung gerade noch rechtzeitig mit dem Fallschirm retten konnte. Die Mission wurde wiederholt, aber erst nach einer mehrmonatigen Untersuchung durch eine Kommission, und dann nur in reduzierter Form, mit zwei statt drei Besatzungsmitgliedern und einer viel leichteren wissenschaftlichen Nutzlast. Nachdem diese Mission erfolgreich verlief, wurde das Programm sofort eingestellt, der geplante dritte Explorer-Ballon gestrichen, und der noch vorhandene zweite in Streifen geschnitten, die als Erinnerungs-Lesezeichen an die Mitglieder der unterstützenden National Geographic Society 6. Schlußfolgerungen 152 versandt wurden.

Ähnlich war auch die Situation bei der britischen Operation Backfire im Jahre 1945. Hier wurden aus der Nähe von Cuxhaven drei erbeutete A4 in die Nordsee verschossen, um die Betriebsverfahren zu dokumentieren. Diese Dokumentation ist die beste erhaltene über diesen Flugkörper, da sie nicht der Geheimhaltung und ihren Folgen unterlag. Die damals ebenfalls frei verfügbaren deutschen Unterlagen aus der Kriegszeit waren auf das für den betreffenden Verantwortungsbereich nötigste beschränkt. An der Aktion waren etwa tausend Deutsche beteiligt, inklusive 274 Kriegsgefangener, und 2500 Briten, aber praktisch keine alliierten Experten und nur wenige U.S.-Amerikaner. Die Sowjetunion sandte eine sehr kleine Delegation, die ausschließlich aus ihren damals besten Spezialisten bestand. Obwohl diese Delegation außen vor bleiben mußte, nutzte sie mehr der gewonnenen Erkenntnisse, als alle anderen Beteiligten aus diesem Vorhaben gewannen. Korolev war selbst anwesend. [12-75] Zwischen Chertok und Isayev, zwei später ebenfalls zu großer Bedeutung in der Raumfahrt gelangten russischen Delegationsmitgliedern, kam es beim ersten Anblick des Triebwerkes des A4 zu dem überlieferten Dialog »Was ist das?« - »Das ist etwas, was nicht sein kann.« - So weit war die realisierte Technik dem im Rest der Welt Bekannten voraus. Die Gegenseite, die ja Goddards ähnlich fortschrittliche, aber viel kleinere Raketen gekannt, aber nie gefördert hatte, begang noch mehr klassische Management-Fehler: Die später in die USA verbrachten A4 wurden nur erhalten durch eine eigenmächtige Umgehung von Eisenhowers Befehl, alles vereinbarungsgemäß den in dieser Zone zuständigen Sowjets zu übergeben. Im Rahmen derselben Insubordination einiger amerikanischer Raketenenthusiasten aus der Vorkriegszeit und ihrer militärischen Unterstützer folgte das Arrangement mit den Briten, durch die Operation Backfire auf ihren Anteil der Beute zu verzichten. Die Zusage an Frankreich, auch diesem Alliierten zehn der A4 abzugeben, wurde widerrufen, da man auf französischer Seite kategorisch nicht bereit war, über den Anteil der später nach Vernon verbrachten Deutschen zu verhandeln. Sie stellen mit 123 namentlich bekannten Spezialisten, plus einigen nachgeholten Fach- Sekretärinnen aus Peenemünde, die zweitgrößte exportierte Gruppe deutscher Techniker überhaupt dar, und begründeten die Hauptlinie der französischen militärischen und zivilen Raumfahrt, die direkt bis zur führt. [3-265ff.] Weitere Dokumente wurden von den wenigen interessierten Amerikanern knapp innerhalb der britischen Zone sichergestellt, und die Übernahme von 300 Wissenschaftlern gefordert, wovon später nur 100 genehmigt wurden - danach bemaß sich das von-Braun-team, das mit einigen baldigen Nachzüglern letztlich doch 115 Mitglieder umfaßte und damit die zweitkleinste Gruppe der in die einzelnen Siegermächte transferierten deutschen Raketenspezialisten darstellte. [12] Nach Großbritannien gingen nur zwanzig Deutsche, denen Verträge angeboten wurden, für die von vornherein keine besonderen Projektmittel zu erwarten waren. [3-194ff.] Im Kontrast dazu stand Stalins Sammelbefehl und seine Folgen, [3-222ff.] insbesondere der Wiederaufbau der Raketenindustrie durch mit großzügigen Versorgungsleistungen geworbene und wie rohe Eier behandelte Techniker. Ihnen wurde die Rehabilitierung durch die technische Tat angeboten, und - wichtiger noch - eine arbeitsvertraglich unbegrenzt zugesicherte tägliche Versorgung von mindestens 4500 Kalorien für jedes Familienmitglied und die Dauer der Nachkriegseinschränkungen. Dies lockte allein 6000 Mitarbeiter in die Rekonstruktionswerke für das A4 im Raum Nordhausen, und brachte insgesamt 7000 am A4 arbeitende Personen in der ganzen SBZ auf die Personallisten. Die Amerikaner konnten nur Halbjahresverträge für die USA ohne die Familien anbieten. Die letztlich durch die von untergeordneten Militärs ermöglichte 6. Schlußfolgerungen 153 illegale Einreise nach White Sands gelangten Deutschen fanden sich ohne viel Beschäftigung in der Wüste wieder. Sie mußten sich dort mit der Desorganisation in Friedenszeiten und mit störrischen zivilen Zuarbeitern durch Improvisation ohne Budget und nur mit internen Mitteln arrangieren. Die vielen inzwischen gut verpflegt im sowjetischen Machtbereich befindlichen Techniker wurden zu tausenden in die Sowjetunion verfrachtet, wo ihre Erfahrung voll genutzt wurde, ohne daß sie die über den Stand der Peenemünder Pläne für die Nachfolger des A4 hinausgehenden sowjetischen Vorhaben selbst zu gesicht bekamen. Mindestens etwa 2500, nach anderen Quellen sogar 5000 [12- 75] Spezialisten und Techniker wurden mit ihren Familien am Dienstag, dem 22.10.1946 um 04:00 Uhr früh morgens im Handstreich für anfäglich fünf Jahre zu Reparationsleistungen verpflichtet und - nach dem Potsdamer Abkommen unabsichtlich oder nicht völkerrechtlich von den Westmächten abgesichert - unverzüglich in die Sowjetunion deportiert. Ihre sämtlichen anwesenden Familienangehörigen und einige zufällig anwesende Freundinnen und Haushälterinnen wurden mitdeportiert, damit es keinen unbemerkten Schwund gab. 234 Raketenspezialisten unter ihnen sind namentlich bekannt, mehr als der von anderer Seite zugegebene Anteil von 6.5%. [3- 180,185ff.,194,205ff.,229] Für einige Hochfrequenz-, Flugregler-, Radar- und Steuerungsspezialisten, die wohl für antiballistische und Flugabwehrlenkraketen unentbehrlich waren oder zu viel über die sowjetischen Programme wußten, dauerte es trotz der Moskauer Abkommen über die Kriegsgefangenen von 1955 bis zur für sie nur in die DDR möglichen Rückkehr zwölf Jahre, bis 1958. Die größten Gruppen wurden in drei Schüben 1952 und Ende 1953 zurückgebracht. Mehr als 2000 Betriebe waren in der Deportationsaktion ebenfalls verlagert worden, und je nach der strategischen Interessenlage wurden verbliebene oder zurückgelassene Anlagen zerstört. [96-19,38] Eine weitere typische Variante des Verlusts durch Programmabbruch ist die Verschrottung der noch vorhandenen etwa 35 Atlas E/F in den frühen 1970er Jahren wegen der Lagerungskosten von $2000 pro Jahr und Exemplar, bei der Material im bezahlten Wert von einer halben Milliarde Dollar zerstört wurde, das schon damals einigen Milliarden Dollar Wiederbeschaffungkosten entsprach. Die aus ausgemusterten Interkontinentalraketen überholten und modifizierten Trägerraketen, deren Nachfolgemodelle in der Atlas-Familie heute mit 100% Startzuverlässigkeit für sich werben können, wurden mit einem Bulldozer plattgewalzt, um etwa eine Million Dollar Lagerkosten, verteilt über die nächsten zwanzig Jahre zu sparen. Der Offizier der USAF, der dies empfohlen hatte, erhielt für diese vorausschauende Planungsmaßnahme einen Orden. Die Atlas E/F hatte Gesamtstartkosten von etwa $15 Millionen, was einem Drittel der Titan II und weniger als einem Zwanzigstel des STS entspricht. [8] Eine im Nachhinein eher amüsante Seite dieser Erscheinungen ergab sich während des Absetzens der Galileo Atmosphärenkapsel auf dem Jupiter, als die amerikanische Bundesregierung zahlungsunfähig wurde, weil der Haushalt noch nicht vollständig beschlossen war. Da es Regierungsbeamten dort bei hohen Strafen verboten ist, ihren Dienst unbezahlt zu versehen, und weil daher alle nicht lebenswichtigen Kräfte derart in den Zwangsurlaub geschickt wurden, versuchten die europäischen Wissenschaftler am 19.12.1995 ihre Pressekonferenz vor das Gebäude des JPL zu verlegen, wovon sie ihre amerikanischen Kollegen erst im letzten Moment abbringen konnten. Sie hätten sich als Beteiligte am Galileo-Programm auch durch die Unterlassung des Verhinderns der Pressekonferenz strafbar gemacht, da die Pressekonferenz eine vorgesehene Arbeit an dem von der Regierung bezahlten Programm darstellte, auch wenn sie von anderen, nicht von der eigenen Regierung bezahlten Mitarbeitern abgehalten werden sollte, denn deren Arbeitgeber waren mit dem Programm über Staatsverträge unter Beteiligung der amerikanischen Regierung 6. Schlußfolgerungen 154 wiederum mit letzterer verbunden. [25-133f.] Zum Vergleich sei noch das erste staatliche Raumfahrtbudget der Welt angegeben. Der Reichswehr standen 1930 für die Zwecke der Raketenforschung, also zur Unterstützung der oft arbeitslosen arbeitswilligen Enthusiasten, insgesamt 5000 Reichsmark zur Verfügung. Für das Startgelände, den Raketenflugplatz Berlin-Reinickendorf am Tegeler Weg, war eine Pacht von zehn Reichsmark zu entrichten. [3-13]

Der Sparzwang der beschriebenen Art führte aber auch zu riskanten Missionsentscheidungen. Der Shuttle-Start STS-114 Discovery vom Sommer 2005 wurde nach zwei Jahren Pause durchgeführt, wobei das Wetter am Startort zeitweise kritisch war, und letztlich eine Landung auf der Ausweich- Basis Edwards AFB mit allen Folgekosten durch den Rücktransport erzwang. Einer der Wetterbeauftragten äußerte sich dazu vor dem Flug, man habe »keine Übung in dem was wir tun«. [97] Dies zeigt, daß nicht in die Erhaltung dieser Übung investiert wurde, indem der betreffende Dienst z.B. für andere Startvorhaben von der selben Basis aus genutzt wurde oder reale Übungsvorhersagen für virtuelle Flugsimulationen anfertigte. Schon beim Beginn des STS- Programms wurde kein eigentlicher Erprobungsstart durchgeführt, sondern wegen der hohen Kosten gleich eine bemannte, aber noch nicht voll operationelle Mission. Die Kostenfrage hatte hier die gleiche Wirkung wie die damals noch kaum technisch zu realisierende Möglichkeit, eine automatische Landung nach einem unbemannten Flug durchzuführen. Dies geschah beim sieben Jahre später geflogenen Buran, der sich allerdings wohl auch auf das mit dem STS gewonnene Grundlagenwissen stützen konnte. Die Zusatzkosten eines solchen Flugführungssystems machten das STS effektiv nicht erprobbar, da nur die Möglichkeit eines vollständigen und bemannten Fluges blieb. Bei den ursprünglich geplanten voll wiederverwendbaren Versionen wäre dies nicht der Fall gewesen, da ohne die nicht abschaltbaren SRB und den nicht wieder rückführbaren ET die Envelope wie bei der Erprobung von Flugzeugen schrittweise hätte erweitert werden können. [8][14-249ff.,257][54-I-21ff.][58] Lediglich der Landevorgang und der Lufttransport von der Ausweichbasis Edwards AFB zurück nach Cape Canaveral wurden mit dem 1:1-Demonstrator OV- 101 Enterprise vom 14.01. bis 18.11.1977 im Huckepack-Abwurf von einer Boeing 747 in 25 kft (7620 m) erprobt. [8] Mit einem ähnlichen Kostenargument begann auch die Planung der Entwicklung der Ariane 5 bis zu ihrem Erstflug, der mit dem Verlust der vier Cluster-Satelliten endete. Eine mit den gegebenen finanziellen Mitteln nicht durchgeführte, wohl aber technisch durchführbare praktische Erprobung am Boden brachte den unfallverursachenden Fehler in einer bei der Ariane 4 erfolgreich benutzten Programmroutine entsprechend auch nicht zum Vorschein. Das den detaillierten technischen Spezifikationen entsprechende Zusammenspiel der Komponenten war lediglich über eine lange Kette von Verträgen zwischen Unterauftragnehmern und ihren Unterauftragnehmern immer wieder zugesichert, aber nie unter realen oder realistisch simulierten Einsatzbedingungen probiert worden. Heute wird ähnlich wie bei Airbus ein iron bird genannter, nichtvirtueller Gesamtsimulator mit flugexemplargleichen Bauteilen benutzt, um genau diese Bodenerprobungen durchzuführen. [8] Die folgende Tabelle zeigt den praktischen Erprobungsaufwand und die Zahl der Einsätze für die am häufigsten geflogenen bemannten Raumfahrzeuge in der ausgewerteten Literatur: 6. Schlußfolgerungen 155

Art der Flüge 7K X-15A STS unbemannter Tragflug 5 Überführungsflugversuch 4 bemannter Tragflug 3 bemannter Freiflug 5 unbemannter, automatisierter Erprobungsflug (7K ohne LK) 36 Startabbruch vor dem Lösen von der Starteinrichtung 140 Startabbruch nach Triebwerksstartauslösung 1 5 Flugabbruch nach dem Lösen von der Starteinrichtung 1 24 Abbrüche insgesamt 2 164 5 bemannte Flüge in die Zielbahn 94 175 114 bemannte Startversuche in die Zielbahn 96 199 119 bemannbar, unbemannt gestartet in die Zielbahn 106 alle Startversuche (STS ohne Überführungsflüge, -versuche) 238 339 132 Unfälle mit tödlichem Ausgang 2 1 2 Anzahl der gebauten Flugkörper 238 3 6 wiederverwendbare Flugkörper: Abbrüche ; Flüge Flüge mit #1 - STS OV-101 Enterprise - X-15A No.1 73 ; 142 17 Flüge mit #2 - STS OV-102 Columbia - X-15A No.2 27 ; 53 + 1 ; 28 Flüge mit #3 - STS OV-099 Challenger - X-15A No.3 + 43 ; 98 + 1 ; 10 Flüge mit #4 - STS OV-103 Discovery - X-15A-2 No.2 °) 23 ; 46 3 ; 31 Flüge mit #5 - STS OV-104 Atlantis 24 Flüge mit #6 - STS OV-105 Endeavour 19 °) X-15A-2 Umbau aus X-15A #2 nach schwerem Landeunfall - + Verlust durch tödlichen Unfall

Tabelle 6.33 - Vergleich der Flugzahlen von STS, 7K und X-15A

Das STS kann mit der mittlerweile höchsten je erreichten bemannte Startzahl eines in der Umlaufbahn fliegenden Raumschiffes als gut erprobt gelten, was die Entwicklung der Versagensereignisverteilung über die Zeit auch für den eigentlichen Orbiter deutlich zeigt. [A.6] Nur alle bemannbaren 7K-Varianten zusammen sind häufiger geflogen - die Progress-Transporter wurden und werden ja nach dem Ankoppeln an die Raumstationen betreten bzw. beschwebt. Bei den bemannten Raumflugkörpern insgesamt liegen die drei X-15A vorne. [8][22-124-3464] 6. Schlußfolgerungen 156

Dennoch kann auch die umfangreichste Erprobung bestimmte konzeptionelle Schwächen nicht beseitigen. Die größte intrinsische Gefährdung des STS besteht nach wie vor in Form der beiden Feststoffbooster (SRB, Solid Rocket Booster), die an den Seiten des Außentanks (ET, External Tank) befestigt sind, an bzw. unter dem der Orbiter während des angetriebenen Aufstiegs reitet. Auf sie geht ein großer Teil, nämlich 45 aller 93 gezählten Versagensereignisse der Kombination Antrieb - Pyrotechnik zurück, die die vierthäufigste voll definierte Kombination von Versagensereignissen darstellt. Eine weitere Gruppe von 114 Versagensereignissen wird zwar eindeutig den SRBs zugeordnet, [7-237] aber da diese nicht nur den Feststoffantrieb enthalten, sonden unter anderem auch ein Rückholsystem, Steuerungseinrichtungen, Kreiselsysteme und antriebsunabhängige Strukturteile konnte keine pauschale Klassifizierung in Antrieb oder Pyrotechnik vorgenommen werden; sie sind als NN - NN eingetragen. Eine Überschneidung mit den 45 klar zugeordneten ist möglich, aber mit einer Gesamtzahl von 114 bis 159 Versagensereignissen lägen die SRBs unter allen gezählten Versagensereignissen in jedem Fall auf Platz 3 der Kombinationen (Tabelle 6.4), auf Platz 8 oder 9 der Gruppen System (Tabelle 6.5) und auf Platz 7 bis 11 der Gruppen Fachbereich (Tabelle 6.6) - als eine einzelne Fehlerquelle. Die gezählten 45 Fälle stammen aus der Zeit vor dem Challenger-Unglück, und die als NN - NN eingetragen 114 aus der Untersuchung der Rogers- Kommission zum Unglück. Aus der Zeit danach lagen keine Informationen über Versagensereignisse mit dieser Kombination zur Auswertung vor. Große Feststoffantriebe sind bei weitem nicht so zuverlässig, wie sie durch ihre gerne angenommene Einfachheit und das generelle Fehlen bewegter Teile im eigentlichen Antrieb erscheinen. Außerdem sind sie mindestens in dieser Größe nicht testbar, da bestenfalls kleine Antriebe nach einem statistischen System der Stichprobenentnahme überprüft werden können, um eine Abschätzung zu gewinnen. Der Zustand eines bestimmten Feststofftriebwerkes ist aber prinzipiell immer unbekannt bis zum Einsatz. Eine wesentliche Gefahr besteht dabei in allen Versagenshergängen, die eine deutlich asymmetrische Schuberzeugung zur Endfolge haben. Wichtigster dieser möglichen Hergänge ist ein pyrotechnisches Versagen des Feststoffantriebs bei der Zündung, infolgedessen ein SRB nicht oder erheblich verzögert oder mit erheblich reduziertem Schub oder zurückbleibendem Schubaufbau zündet. Feststoffantriebe können in ihrem Schubverlauf nicht gesteuert, und im Falle des STS auch nicht - z.B. durch Absprengen der Düsenbaugruppe oder massives Aufsprengen der Brennkammerhülle, wie bei einigen ICBMs üblich - abgeschaltet oder in einen schubarmen Abbrand überführt werden. Selbst wenn die Sprengbolzen, die das gesamte STS an den SRB-Düsenschürzen auf der Startplattform festhalten, nicht ohnehin früh im Zündungsprozeß ausgelöst würden, könnten sie sehr wahrscheinlich nicht der thermodynamischen, statischen und dynamischen Belastung eines vollständigen und unter Umständen voll asymetrischen SRB-Abbrands in dessen unmittelbarem Düsenbereich standhalten. Die Trennung von der Rampe erfolgt genau dann, wenn das STS nach dem Schubaufbau der drei Haupttriebwerke (SSME, Space Shuttle Main Engine) durch eine halbe Eigenschwingung in der Grundmode zurück in die Senkrechte gependelt ist. Auf diesen Moment wird die Zündung der SRB abgestimmt, um den Shuttle sofort kontrolliert abheben zu lassen. Das bei allen diesen Hergängen resultierende Flugmanöver eines solchen Versagens ist Segelfliegern als die fast immer tödliche »Rolle am Seil« bekannt, die aber nicht 721 t Flüssigwasserstoff und -sauerstoff, einige Tonnen lagerfähige Flüssigtreibstoffe, teils in unmittelbarer Nähe der Besatzung in der Nase, und bis zu 1007 t Festtreibstoff betrifft. 6. Schlußfolgerungen 157

Ein verwandter Hergang ist der eines durch nicht-pyrotechnische Hergänge verursachten asymmetrischen Schubes im Flug, der durch gasdynamisch wirksame strukturelle Schäden im Düsenbereich oder an der Struktur eines SRB entstehen kann. Im Falle des STS-51-L (STS-25) Challenger am 28.01.1986 trat letzteres durch pneumatisches und dynamisches Versagen der Segmentdichtungen ein, die einen Strukturschaden über eine Kette von Versagensereignissen entstehen ließen. All diesen Hergängen kann auch ein innerer Fehler der Treibsatzsegmente oder ihres Umfeldes, z.B. der Verklebung oder Befestigung in der Hülle oder untereinander vorangehen. Im Falle des beschädigten Boosters der Challenger entstand ein schnell wachsendes Loch in seiner Hülle an der Stelle, an der der Dichtungsdurchbruch mit folgendem -durchbrand zuerst erfolgte. Durch die damit verursachte Reduzierung der Klemmung des Treibsatzes erreichte der Schubrückgang eine derartige Größe, daß selbst ohne das Durchbrennen der unteren SRB- Befestigung am ET, die Loslösung des betroffenen SRB und die von ihm dadurch verursachte Beschädigung des ET und der Orbiter-Tragfläche nur wenige Sekunden später ohnehin ein totaler Kontrollverlust durch Überschreiten des Schwenkbereiches der SSMEs eingetreten wäre. Die Folge wäre ein ebenfalls aerodynamisches Zerbrechen gewesen, das wohl im Detail ähnlicher dem des Hergangs bei der ersten Ariane 5G V88 gewesen wäre als die schlagartige Zerlegung des vom herumschwenkenden SRB bereits stark beschädigten Challenger. Die Loslösung des SRB leitete den eigentlichen Vorgang der durch aerodynamische Kräfte bewirkten Disintegration des Fluggerätes mit folgendem Abbrand des Flüssigtreibstoffes lediglich einige Sekunden früher ein. Hierbei wirkte die Art des Gasaustritts senkrecht zur Strömungsrichtung im Brennraum und durch ein scharfkantiges Loch in Hülle und Treibsatz noch dämpfend auf den Einbruch der effektiven Klemmung im Vergleich zur geometrischen. Die Richtung des durchbrechenden Abgasstrahls fast zur Mittellinie des Flugkörpers hin wirkte außerdem dem einseitigen Schubverlust in Längsrichtung teilweise gegensteuernd. Ein ähnlicher Hergang in der Schubdüse selbst - hier kam es vielfach zu unerwartet starker bis nahezu totaler Erosion der abbrandfesten Auflage auf der Struktur des Düsenhalses - oder, besonders seitlich nach außen, vom Flugkörper weg hätte schon vor allen anderen Hergängen zum Totalverlust durch Einlaufen in die Hartruderlage geführt. Für die Startversuche zu STS-114 Discovery im Sommer 2005 ist außerdem die Ähnlichkeit des Sensor-Fehlers oder Verdrahtungsfehlers oder Übertragungsfehlers im Informationsflußpfad zum nicht anzeigenden Treibstoffsensor zu einem Versagenereignis bei der Corona 60 Mission 9052 vom 28.02.1963 bemerkenswert, wobei es sich um den ersten Start mit einer boosterunterstützten TAT-Agena-D handelte. Der wohl elektrisch nicht gezündete Feststoff-Booster #2 führte zur Zerstörung des Flugkörpers durch den Sicherheitsoffizier nach 126 s Flugzeit, nachdem ein Kontrollverlust eingetreten war. Auch dieser Fehler war als ein prinzipiell verstandener Sensorfehler übergangen worden. Der ungezündete Booster führte zum Verlust des Flugkörpers durch die asymmetrische tote Last, die die Steuerung überforderte.

Eine weitere wichtige Grundursache für Schäden, insbesondere am Orbiter selbst, ist das Abfallen von Material von den nicht bzw. praktisch nicht wiederverwendbaren Komponenten ET und SRB, das beim Aufschlag äußere Schutz- und Strukturelemente des Orbiters beschädigt. Es kam auch vor dem Verlust der STS-107 Columbia mehrfach zu Schäden an den Kacheln des Hitzeschutzschildes, die verursacht wurden durch vom ET und wohl auch den SRBs abfallende Objekte, vorallem Isolationsteile des ET, und möglicherweise auch dritte Objekte oder Vogelschlag. Daß sich Isolationsteile von Tanks mit kryogenen Treibstoffen lösen, ist an sich nicht ungewöhnlich. Der erste in der ausgewerteten Literatur erwähnte Fall betrifft den Flüssigsauerstofftank des 6. Schlußfolgerungen 158

Boosters #003 der ersten G-26 Navaho GM10989, dessen Fiberglasisolierung sich Ende August 1956 schon bei der Vorkühlung vor dem Betanken für einen Standversuch warf und blasenartig von der Aluminiumhaut löste. Für den gerade anstehenden Standversuch wurde die Isolationslage einfach mit Stuhlfedern umwickelt, und sehr wahrscheinlich wurde der Booster in diesem Zustand auch beim ersten Flug der G-26 am 06.11.1956 verwendet. Später wurde dann die Grundierung für die Aluminumhaut der Struktur verändert, was das Problem behob. [36-63,65] Am 27.07.2004 löste sich beim zweiten Startversuch von Rosetta von der Trägerrakete Ariane 5 ein 10 mal 15 cm großes Stück der Schaumisolation von der Zentralstufe und mußte neu angeklebt werden, was zu einem erneuten Abbruch kurz vor dem Start führte. [48-43-4-11] Beim STS wurde jedoch vorher nie die Vorderkante von einem so großen Stück Schaumstoff getroffen, und dieser Fall wurde zuvor auch nie theoretisch oder experimentell untersucht, obwohl das auslösende Versagensereignis bekanntermaßen häufig auftrat. Selbst das verwendete Simulationsprogramm für die bekannten Schäden im Kachelbereich war nur bis zu mehrere Größenordnungen kleineren Teilen experimentell verifiziert. [54] Dies ist merkwürdig, da jedem - auch interessierten Laien - der von früheren Trägersystemen mit kryogenen Treibstoffen mit Einsetzen der dynamischen Belastungen des Startvorgangs abfallende Platteneishagel aus Filmaufnahmen, die sogar im Fernsehen oft gezeigt werden, bekannt sein muß. Besonders auf die vom Startturm aus aufgenommenen Bilder der Saturn V sei hier hingewiesen. Eis ist dabei ein bis zwei Größenordnungen dichter, und auch härter als die am ET verwendeten Schaumkunststoffe bzw. die früher verwendeten Korklagen. Außer der Beschädigung durch Kondensations-Platteneis und Eiszapfen gab es auch in mehreren Fällen Beschädigungen durch Spechte, die sich während der langen Standzeit im Freien an den Wohnungsbau oder auf die Nahrungssuche im gut isolierenden und leicht bearbeitbaren Schaumstoffmaterial machten. In einem Fall wurden bei STS-70 Discovery im Juni 1995 105 Löcher in die Isolation geschlagen, was zu einer Startverschiebung führte. [7-260] Ein aktueller Fall bei den Startversuchen zu STS-114 Discovery ist zudem die Beschädigung von zwei Hitzeschutzkacheln auf einem Paneel in der Nähe oder an einer der Verkleidungen des Manövriersystems (OMS, Orbital Manoeuvring System) und seiner Tanks mit hypergolen Treibstoffen (Stickstofftetroxid, Monomethlyhydrazin) durch ein herabfallendes Segment des Kabinenfensterschutzes aus Schaumstoff. Dieser wird nach Medienangaben routinemäßig mit Klebeband befestigt. Das betroffene Paneel konnte innerhalb kurzer Zeit ausgetaucht werden. Das verwendete Klebeband ist nach wie vor das selbe Material wie beim in Kapitel 6.2.3. erwähnten »Angry Alligator«. Aus der Literatur ist mindestens ein Fall bekannt, bei dem eine Titan II am 19.09.1980 im Silo explodierte, nachdem ein herabfallender Schraubenschlüssen die - in diesem Fall von Hitze- oder anderen Schilden ungeschützten - Integraltanks aufgerissen hatte. Die hypergolischen Treibstoffe kamen nach einer 8½-stündigen Sickerzeit als Dampf oder Flüssigkeit in Kontakt, und damit zur sofortigen Selbstzündung. Bei der Explosion wurde der Silodeckel abgehoben, der mehrere Tonnen schwere 9 MtTNT-Sprengkopf 200 m hoch aus dem Silo geschleudert, 21 Techniker verletzt und einer getötet. [8] (vgl. Kapitel 3.3.1. und Tabelle 3.8)

Von einem voll wiederwerwendbaren System fallen im normalen Betrieb wesentlich seltener Teile ab, und voll wiederwerwendbare Systeme sind nahezu per Definition im normalen Betrieb jederzeit voll steuerbar. Das erwähnte Bauteil einer DC-10, das den Concorde-Absturz verursachte, ist so eine Seltenheit. (siehe Kapitel 3.3.4.) Eine Ausnahme in der Steuerbarkeit könnte eine Flugphase 6. Schlußfolgerungen 159 am Rundkappenfallschirm oder unter einem Ballon sein. Außerdem sind die Bodeneinrichtungen voll wiederverwendbarer Flugkörper in der Regel besser gesichert, einfach durch die im häufig wiederholten Betrieb benötigte Robustheit. Das STS war in seiner ursprünglichen Auslegung voll wiederverwendbar. [8][14-249ff.,257f.][54- I-21ff.][58] Im Zuge der Kürzungen in der nach-Apollo-Zeit wurde jedoch mit dem einzigen Zweck, möglichst geringe anfängliche Entwicklungs- bzw. Einstiegsinvestitionskosten zu erhalten, das freigegebene Entwicklungsbudget bewußt so eingeschränkt, daß keine voll wiederverwendbare Variante mehr möglich war. Treibende Kräfte hierbei waren einerseits das Office of Management and Budget (OMB) des Weißen Hauses, dem die NASA ihre Anfragen vorzulegen hatte, bevor sie auf normalem Weg in die Haushaltsvorschläge des Präsidenten eingebracht und von Nixon dem in Haushaltsfragen allein zuständigen U.S.-Kongreß zur jährlichen Abstimmung vorgelegt werden konnten, und andererseits als politisch Handelnder besonders herausragend Senator Mondale. Da aber - aus guten Gründen, wie die obigen Effizienz- und Kostenbetrachtungen zeigen - nicht der Wille oder auch ein Interesse daran bestand, bemannte Raumfahrt ganz aufzugeben, wurden langfristig erheblich höhere variable Betriebskosten des STS inkaufgenommen. Eine Nebenwirkung war eine hohe Teilwegwerfbarkeit, sowie die durch die Budgetlage erzwungene Zusammenführung der bestehenden bzw. begonnenen, voll wiederverwendbaren Orbiterauslegung mit Elementen und Technologien aus dem nichtwiederverwendbaren Bereich. Diese Änderungen wurden nicht von allen akzeptiert: Der damalige NASA-Administrator trat zurück, andere treibende Kräfte eines integrierten und synergetischen Shuttle/Station(/Exploration)-Konzeptes wechselten in die Industrie, darunter nicht zuletzt Wernher von Braun. Mit dem bereits erwähnten, praktisch gleichzeitigen Abbruch des Saturn/Apollo/Skylab- Komplexes wurde es unmöglich, für den neu an den weitgehend definierten Orbiter anzupassenden Wegwerf-Teil des Systems wenigstens erprobte und für den bemannten Betrieb akzeptierte Technologie zu nutzen, so z.B. an Stelle der SRBs die Erststufe S-IC der Mondrakete Saturn V, von der der ET immernoch den für eine Befestigung auf ihr angepaßten Außendurchmesser hat, oder die Antriebe der Saturn-V-Oberstufen, an deren Stelle das durch seine finanziell stark eingeschränkte praktische Erprobung sehr verzögerte SSME völlig neu entwickelt wurde, das zudem die niedrigere Leistung und mangelnde Gleichmäßigkeit der SRBs kompensieren mußte.

Die stattdessen eingefügten Behelfsbaugruppen ET und SRB haben bis jetzt an Kosten verursacht: - den katastrophalen Verlust des halben Gesamtprogramms von mehreren Milliarden Dollar, - den Totalverlust der bei den beiden Unfällen mitgeführten Nutzlasten, - den Verlust der dediziert für diese geleisteten Vorarbeiten und - im zweiten Fall - des während des Fluges angefallenen Arbeitsaufwandes, - den Neubau eines Orbiters aus Ersatzteilreserven und erhebliche Änderungen an den verbliebenen Geräten, verbunden mit der Reaktivierung schon lange stillgelegter Einrichtungen und entlassener Personalstämme, bzw. ohne deren Erfahrung, falls dies nicht mehr möglich war, - die Verzögerung anderer Nutzlasten, die durch Personalkosten im externen Wissenschaftsbereich erheblich verteuert, operationell eingeschränkt, oder sogar beschädigt wurden, - den Verlust der operationellen Übung während des Stillstands über die Zeit der Unfalluntersuchung und nachträglichen Anpassung des Geräts, - dauerhafte und erhebliche Erhöhung der Missions- und Betriebskosten, sowie mittlerweile deutlich höhere Gesamtkosten des Programms als bei einer voll wiederverwendbaren Lösung, selbst bei einer überproportional höheren Kostenüberschreitung, als die tatsächlich erreichte. 6. Schlußfolgerungen 160

Nicht zuletzt diese Kosten machen es praktisch unmöglich, das System an sich zu testen, ohne Belastung durch Nutzlasten und Rücksicht auf ihren Betrieb. Insbesondere die gerade durch die kritischen Bauteile SRB und ET wesentlich verursachten, hohen variablen Kosten verhindern den Erfahrungsaufbau, der sich bei anderen Systemen mit hoher Flugfrequenz (z.B. Corona/Agena/Thor, R-7/nK, oder der Ariane-Serie) rasch einstellt, und langfristig nur mit einem gewissen Produkt aus Flugrate und Verweildauer einzelner Personen in der Operation gehalten werden kann. Gleichzeitig erzeugen die selben, noch relativ hohen, flugzahlabhängig variablen Kosten zusätzlich zu den Sockelkosten einen hohen Zeitplan- und Auslastungsdruck, der Entscheidungsflüsse wesentlich von technisch-operationellen Fragestellungen hinweglenkt zu rechtfertigungsbezogenen Themen. Diese thematische Migration der Prioritäten der Entscheidungsträger, und das Wirken dieser Defokussierung auf untergeordnete Hierarchieebenen war aber die Hauptursache dafür, daß der Challenger-Start trotz aller bekannten und benannten Gegenanzeigen überhaupt durchgeführt wurde, [58] und keine Anstrengungen zur Rettung der Columbia begonnen wurden, obwohl hier sogar der gesamte Hergang des schadensauslösenden Vorfalls beobachtet und ausgewertet wurde, wenn auch ohne die wirkliche Schwere sinnentnehmend zu erfassen. [54]

Wie bereits erläutert, steht der Aufbau der technischen Erfahrung zwischen den Flügen und in der Konstruktion und Fertigung an zweiter Stelle der effizienten Maßnahmen zur Behebung von Versagensereignissen, zwar weit nach der flugbegleitenden menschlichen Improvisation an Bord, aber noch deutlich vor der am Boden bei der Missionsbetreuung. Unbedingte Voraussetzung für diesen Erfahrungsaufbau ist das Experiment. Der kürzliche Verlust der Genesis-Wiedereintrittskapsel zeigt dies ebenfalls. Die Ursache des Versagensfalles lag in der Konstruktion der Kapsel, die aerodynamisch nicht stabil genug war, um sich selbst in den Fahrtwind auszurichten, anders als die etwa 200 Corona/Discoverer-Kapseln, und vermutlich auch die ihrer Nachfolger. Durch das gefilmte Taumeln vor dem Einschlag am Boden wurde möglicherweise ein integrierender Beschleunigungsmesser überlistet, so daß es nicht zur Fallschirmauslösung kam, oder die dafür benötigte Thermalbatterie überhitzte sich, und brachte die nötige Leistung nicht auf. Das Verfahren entsprach ansonsten prinzipiell dem bei Corona angewendeten. [4][10][16] Selbst ein mindestens 300-fach erprobtes Verfahren zur Luftbergung von Wiedereintrittskapseln versagt also bei Übungsdiskontinuität. Die Methode an sich stammt unter Verwendung von Transportflugzeugen noch aus der Zeit der Ballonaufklärungsflüge der 1950er Jahre und der ihnen direkt folgenden Corona-Filmkapseln, wurde für diese mindestens bis zum 31.05.1972, und für die Nachfolgesatelliten wahrscheinlich bis Mitte der 1980er Jahre kontinuierlich angewandt. Die Luftbergung mit einem Hubschrauber, die im Vietnamkrieg regulär für düsengetriebene Aufklärungsdrohnen der Serie Ryan 147 noch weit häufiger durchgeführt wurde, scheiterte bei Genesis, obwohl die 17 Übungsflüge sämtlich erfolgreich waren. Die sonst als Stuntpiloten in Hollywood arbeitenden Hubschrauberführer konnten die Fallschirme der Übungskapseln für ein so schwieriges Manöver relativ problemlos im Fluge einfangen. Die Geschichte, die zum Versagen der großen sowjetischen Mondrakete N-1 bei allen vier Startversuchen führte, füllt ganze Bücher, [12] aber auch die für die bemannte Mondumfliegung und das unbemannte Mondprogramm der schweren Luna-Sonden verwendete Proton erlitt »späte Kinderkrankheiten«, nachdem fünf der ersten sechs Starts erfolgreich waren. Es folgte eine so große Serie von anhaltenden Versagensfällen, daß die dreistufige Proton 8K82K, die als unterer 6. Schlußfolgerungen 161

Teil aller mehrstufigen Varianten verwendet wurde, die Staatsprüfung erst bei ihrem 61. Start am 29.09.1977 mit Salyut 6 beendete, über zehn Jahre nach ihrem Erstflug als Teil der vierstufigen Proton 8K82K / 11S824 Block D. Danach stellte sich auch die erwartete Verläßlichkeit ein. [8] Beides ist auch ein Beispiel für die Tücken der Statistik. Im Falle der Luftbergungen würde ein Gesamtüberblick eine hohe Zuverlässigkeit zeigen, die heute nicht mehr gegeben ist, im Falle der Proton suggerierte der anfängliche Erfolg eine Zuverlässigkeit, die noch nicht errreicht war oder operationell unter Zeitdruck nicht gehanten werden konnte. Ohne Beachtung des tatsächlichen Systems rein mathematisch auf praktische Fälle angewandte statistische Methonden können zu ähnlichen Fehlschlüssen führen. Ein Beispiel ist die Rechnung in einem paper über die Europäischen Trägerraketen, in dem die Europa-Rakete aus den frühen 1970er Jahren trotz 0 Erfolgen von vier Startversuchen in die Umlaufbahn, also 0% Erfolgsrate, noch eine rechnerische Zuverlässig attestiert bekommt, die über die vier Versuche von etwa 29% auf lediglich genau 12.94% fällt. Abgesehen davon, daß es sich bei diesen vier Raketen um drei Versuche mit der dreistufigen Europa I am Startgelände Woomera und einen mit der vierstufigen Europa II von Kourou aus handelt, sind auch bei den Flugkörpern mit identischer Bezeichnung und der selben Startanlage in beiden technischen Bereichen von Flug zu Flug erhebliche Veränderungen vorgenommen worden. Über grundlegende Fehlerursachen, die zwar nicht im eigentlichen Flugkörper oder seinen Bodenanlagen liegen, aber trotzdem prinzipiell einen Erfolg verhindern, ergeben sich ohnehin aus dieser statistischen Berechnung keine Aussagen. Auch Europa wurde ähnlich wie die erste Ariane 5 nicht integriert unter einsatznahen Bedingungen vor einem Startversuch getestet. [52][59]

Bei der Organisation von Versuchen und Erprobungsvorgängen kann man sowohl den Erfolg als auch den Mißerfolg jeweils erwarten oder nicht, und sich auf das jeweilige Eintreten der beiden Möglichkeiten vorbereiten oder nicht. Vorbereitung auf Erfolg oder Mißerfolg, die ja in sehr verschiedener Intensität möglich sind, wie aus den bisher geschilderten Einzelfällen deutlich geworden ist, ist hierbei so zu verstehen, daß man auch die extremeren Fälle in einer oder beiden Richtungen als reale Möglichkeit einbezieht. Beispiele für eine bewußte Vorbereitung auf Erfolg sind die Entscheidungen, bei den Trägerraketen Minuteman, Titan II und Saturn V immer die gesamte Konfiguration mit einer aktiven Nutzlast zu erproben, im sogenannten all-up testing. Das übliche Vorgehen in der Erprobung von Trägerraketen war bis dahin, die Stufen von der ersten aufwärts schrittweise zu erproben, wobei die jeweils höheren Stufen nur als Massen- und Formmodelle simuliert wurden, bis nach jeweils einigen Versuchen eine weitere aktive Stufe, Nutzlast oder Verkleidung hinzugefügt wurde. Der unerwartete Erfolg, auf den man sich wahlweise vorbereiten konnte, war, daß alle Stufen auch frühzeitig funktionieren könnten. Dies war beim ersten Start der Minuteman der Fall. Die dreistufige feststoffgetriebene Interkontinentalrakete flog beim ersten Start Anfang 1961 auf Anhieb die volle Reichweite. Dies verkürzte das auf den erwarteten Mißerfolg ebenfalls vorbereitete Versuchsprogramm um ein volles Jahr. Ähnlich verhielt es sich bei der Erprobung der Titan II ab dem 16.03.1962. (Kapitel 3.3.1., Tabelle 3.8) [8][14- 146,214] Bei der Saturn V wurde zwar die selbe Art der Vorbereitung angenommen, aber der Erfolg nach sehr gründlichen Komponenten- und Standversuchen in gewisser Weise erwartet, was 6. Schlußfolgerungen 162 sich in den wenigen geplanten Flügen zeigte. Als die ersten zwei Flüge zufriedenstellend verliefen, wurde bereits die dritte Saturn V mit Apollo 8 zum Mond geschickt, was der Sowjetunion wohl sehr knapp bei der bemannten Mondumrundung durch ein Zond-Raumschiff zuvorkam. Der noch mögliche Achtungserfolg von Zond, das den Mond nur auf einer freien Rückkehrbahn umfliegen, aber nicht in seine Umlaufbahn gelangen konnte, wurde durch die zehn Mondumkreisungen von Apollo 8 unmöglich gemacht. Die Erwartung eines Erfolges nach einer Anzahl derart erfolgreicher Versuche kann aber auch dazu führen, daß die Vorbereitung auf den möglichen Mißerfolg durch gründliche Komponenten- und Bodenversuche, Sicherheitseinrichtungen, realistische Anforderungen und realistische Zeitpläne nicht ausreichend erfolgt. Dieses Verfahren ist als erfolgsorientiertes Management bekannt. Es ist die Ursache für die gravierendsten Probleme des STS, dessen Planer erwarteten, daß sie auch nach den Kürzungen durch das OMB mit einem Externen Tank und Feststoffboostern noch ein preiswertes, schnell wiederverwendbares, vielseitiges und sicheres Raumtransportsystem erhalten können würden. Ähnlich hat es auch zum Scheitern der großen sowjetischen Mondrakete N-1 beigetragen, die ebenfalls für viele andere Zwecke vorgesehen war. In der finanziellen Mangellage war das sowjetische Mondprogramm den militärischen Plänen nachgeordnet. Unter dem Zeitdruck des verspäteten Einstiegs in den großen Mondwettlauf lieferten die früheren Erfolge die Rechtfertigung des Unterlassens der Erprobung der kompletten ersten Stufe mit ihren 30 Triebwerken, und erzeugten die Erwartung einer schnellen Programmdurchführung, obwohl im Gegensatz zu den bisherigen R-7-basierten Systemen alles an der N-1 neu war. An der unerprobten ersten Stufe und ihrem Triebwerkskontrollsystem KORD scheiterten alle vier Flugversuche und endeten in Explosionen, die zum Teil den Energieinhalt einer kleinen taktischen Atomwaffe hatten und auch kurz nach dem Abheben erfolgten, wobei die Startanlagen zerstört wurden. Im Falle der N-1 wurde das gesamte geschaffene Material einschließlich der Startanlagen und der noch nicht gestarteten Flugkörper zum Zwecke der Geschichtstilgung völlig zerstört. Einige Strukturteile finden als Schweineunterstände und Spielplatzüberdachungen bis heute Verwendung. Die abgeschriebene Gesamtinvestition für das N-1/L-3-Programm faßt die folgende Tabelle zusammen:

Posten Datum Kosten, Mio.R1964/76 Kosten, Mio.$1965/69 Kosten, Mio.$2005 N-1/L-3 1970 600 2100 12282 N-1/L-3 bis 01.01.1971 2900 10150 59376 N-1/L-3 °) bis 17.02.1976 4000 14000 82818 Versuchswesen N-1/L-3 bis 13.08.1974 1000 5849 Apollo bis Apollo 8 bis 27.12.1968 14405 84251 Apollo bis Apollo 11 bis 24.07.1969 21350 124870 Apollo bis Apollo 17 bis 19.12.1972 23390 136802 Versuchswesen Apollo 15000 87731

[8][12-298][14-264f.] - Rubel-Wechselkurs für Hochtechnologie $1966/R1966 ª 3.5; $2005, $1965/69 s. Tabellen 6.11, 6.25 [12-298][54-I] - °) [8]: R6 Mrd. ª $2005123 Mrd., über 17 Jahre bis 13.08.1974

Tabelle 6.34 - Aufwendungen für N-1/L-3 und Saturn-Apollo im Vergleich 6. Schlußfolgerungen 163

Beim STS ging die Hälfte des ursprünglichen Programms (siehe Tabelle 6.26) direkt durch die mit dieser Art der Programmführung verbundenen Hauptbaugruppen ET und SRB verloren, und es starben 14 Menschen direkt durch diese Unfälle, sowie zwei Angehörige des fliegenden Personals der Columbia-Unfalluntersuchungskommission während ihrer Arbeit. [12][14][58][72] Das Überleben um jeden Preis, einschließlich den eines aufwendigen Sicherheitssystems, hatte paradoxerweise ausgerechnet vor dem militärischen Hintergrund der Raumfahrtsysteme des Kalten Krieges mit seinen halbgeheimen Verfahrensweisen eine höhere Priorität als sie die zivilen, zu parlamentarischer Rechenschaft verpflichteten Bürokraten der beginnenden Shuttle-Ära einräumten. [7-40] Ein Hauptgrund für die zur Zeit der ersten Shuttle-Studien erfolgte Einstellung des MOL-Programmes für eine bemannte Spionage-Raumstation mit der Kamera KH-10 war die Gefahr, daß bei einem Unfall mit der ebenfalls von sehr großen Feststoffboostern angetriebenen Trägerrakete Titan IIIM die Astronauten in ihrer auf der Spitze der Raumstation sitzenden Gemini- Kapsel verunglücken könnten. Die dann folgenden parlamentarischen Untersuchungen hätten die Spionage aus dem Orbit ähnlich lange unterbinden können wie das Apollo-1-Unglück die bemannten Flüge der NASA. Außerdem wäre die öffentliche Aufmerksamkeit über die Astronauten auf die großen Teile der Stationslänge gezogen worden, die die Spionageeinrichtungen enthielten, ähnlich wie heute die Orbitalsektion des festlandchinesischen Raumschiffes Shenzhou betrachtet wird. [8] Aus ähnlichen Gründen mottete die USAF die Shuttle-Startrampe für polare Umlaufbahnen in Vandenberg AFB nach dem Challenger-Unglück ein. In beiden Fällen griff man wieder auf unbemannte Großsatelliten zurück, die in der Technologie dem Hubble-Teleskop wahrscheinlich ähnlich, aber wahrscheinlich auch schwerer sind. Leider ist nichts genaues über ihre Kosten bekannt, und ihre Größe läßt sich vorerst nur aus den Innenabmessungen der Shuttle- Ladebucht und der Nutzlastverkleidungen der verwendeten Exemplare der Typen Titan III bis 4B, sowie deren Nutzlastkapazität abschätzen. [4][8][14-280ff.,305f.,345][16] Während der Anlaufschwierigkeiten der ISS wurde aber von Präsident Clinton bekanntgegeben, daß es separate Schleppermodule gibt, mit denen man im Falle einer weiteren Verzögerung die ISS-Umlaufbahn hätte anheben können. [10] Daß man sich auf einen schweren Mißerfolg trotz des früheren Verlustes des Challenger immer noch nicht hinreichend vorbereitet hatte, zeigt sich auch daran, daß das Angebot, die Columbia nach dem Start und der Entdeckung des Schaumstoff-Treffers in den Aufnahmen der Überwachungskameras von Spionagesatelliten hochauflösend photographieren zu lassen, nicht angenommen wurde. Die Möglichkeit einer solchen Maßnahme demonstrierten im Mai 2005 die Photos von Mars Odyssey, die durch den seit dem 12.09.1997 den Planeten umkreisenden Mars Global Surveyor mit 1m Auflösung bei 90 und 135km Abstand aufgenommen wurden. Die hier verwendete Optik war um eine Größenordnung kleiner als die des Hubble-Teleskops oder die für fortgeschrittene Spionagesatelliten anzunehmende. [48-44-11-11] Ein gewissermaßen mißerfolgsorientiertes Projektmanagement findet sich in der Frühzeit des interplanetaren Fluges, wo im kleinen Mondrennen der ersten Luna- und Pioneer-Sondengeneration eine sehr hohe Zahl von Fehlstarts und unterwegs verlorenen Sonden inkaufgenommen wurde, um den erwarteten Erfolg zu erreichen, als erster eine Sonde oder auch nur ein technisch totes Objekt auf einen anderen Himmelskörper zu schicken. Auf diesen möglichen Erfolg bereitete man sich durch die Bereitschaft zu einem unverhältnismäßig hohen Aufwand vor. Dies ist das Spiegelbild des traditionellen Versuchswesens, wo man sich sehr behutsam an ein Ziel herantastet, und deshalb garkein überraschend großer Erfolg möglich ist. Auf den Mißerfolg, etwa eine Triebwerksexplosion auf dem Teststand, bereitet man sich aber durch 6. Schlußfolgerungen 164

Schutzeinrichtungen für das Personal üblicherweise sehr gewissenhaft vor. Es bleibt noch die Möglichkeit, sich mit oder ohne Erwartung des Erfolges ungezwungen ans Experimentieren zu begeben. Ist eine Erfolgserwartung da, kann dies zu erheblichen Rechtfertigungsproblemen führen, wie es in der Frühzeit der Forschungsnutzlasterprobung vorkam. Die Denkweise der ursprünglich der Artillerie zugehörigen Versuchsmannschaften in Peenemünde oder am damals vergleichbaren Jet Propulsion Laboratory etablierte treffend eine als shoot and hope beschriebene Kultur, die den eigentlichen und wirklichen Versuch naturgemäß im Flug sah, und deshalb weniger in die Nachvollziehbarkeit der Produktentstehung investierte als in die Dokumentation und Erweiterung des Neuen und Erreichten. Erwartet man hierbei den Erfolg nicht, so befindet man sich in der freien Forschung. So ergeben sich acht mögliche Kombinationen für jeweils eine in der Raumfahrt verwirklichte, grundlegende Vorgehensweise in der Projektführung:

Erwartet Erfolg Mißerfolg Organisationsverfahren - Beispiel wird vorbereitet vorbereitet Erfolg ja ja all-up testing - Saturn V, ermöglicht Apollo 8 [14-214] Erfolg ja nein erfolgsorientiertes Management - STS, N-1 [12][14][58][72] Erfolg nein ja traditionelles Versuchswesen - Triebwerkserprobung Erfolg nein nein shoot and hope - Ranger 1 bis 6, JPL-Frühzeit [14-292ff.] Mißerfolg ja ja all-up testing - Minuteman, 1 Jahr testen gespart [14-146,214] Mißerfolg ja nein Wettlauf - frühe Luna, Venera, Mars, [12] und Pioneer [14] Mißerfolg nein ja traditionelle schrittweise Erprobung - Europa, Saturn I [14] Mißerfolg nein nein klassische wissenschaftliche Experimente und Entdeckungen

Tabelle 6.35 - Organisationsverfahren nach Vorbereitung und Erwartung von Erfolg und Mißerfolg

Die aktive Erprobung ist eine Eigenschaft, die die sowjetischen Programme und einige wenige westliche Programme wie z.B. Corona auszeichnet. In beiden Fällen wurden Lösungen für kritische Probleme vorzugsweise experimentell gefunden, wie z.B. die Corona lange Zeit plagenden Koronaentladungen an den Filmtransportrollen (siehe Kapitel 6.2.1.) oder die Probleme mit den spin/despin-Triebwerken an der Rückkehrkapsel. Die hier anfangs eingesetzten Feststofftriebwerke waren als solche prinzipiell nicht testbar, außer durch statistische Stichproben-Standversuche. Ihre durch hygroskopische Wasseranreicherung in der Lagerung bei der Zündung explodierenden Treibsätze wurden durch ein testbares Kaltgassystem ersetzt. Die gefundene Lösung wurde ein paar mal versucht, dann blieb man dabei, wenn es funktionierte. Dieses Vorgehen führte sehr viel schneller zum Erfolg als die bis heute im Westen vorzugsweise verwendete Methode, zuerst Studien anzufertigen, dann statistische Beweise zu sammeln, und schließlich den direkten Übergang zur vollen Nutzung zu versuchen. [12-226] Eine lange Studienphase kann, wie im Falle der Raumstation Freedom, Milliarden kosten, ohne greifbare Ergebnisse zu liefern. [14-351] Dabei werden keine Informationen über die Zuverlässigkeit der Komponenten gewonnen. Über ihr 6. Schlußfolgerungen 165

Funktionieren im Gesamtsystem ergibt auch die statistisch oder an technischen Schnittstellen- spezifikationen orientierte Erprobung von Einzelteilen keine Informationen, wie es beim Shuttle oder der Ariane 5 geschah, wo Komponenten zwar praktisch erprobt wurden, ihr Zusammenspiel aber nur virtuell simuliert, [54-I-23] oder garnicht, wie im Falle der Erststufe der N-1. [12-295ff.] Aus der Erfahrung mit diesen Raumflugkörpern heraus wird das Verkürzen der Testphasen für Einsparungen fast immer auch als Verursacherbeitrag unter Management zu verbuchen sein. Entweder handelt es sich um eine Fehleinschätzung des Managements direkt, in Verkennung technischer Notwendigkeiten oder durch aus welchem Grund auch immer mangelnde technische Informationen, oder es handelt sich um die Selbstüberschätzung unerfahrener Ingenieure. Dann liegt der Management-Fehler darin, sie ohne erfahrenere Aufsicht ihre Arbeit machen zu lassen. Dafür ist die Verwechslung von metrischen und amerikanischen Maßen in der Bahnrechnung, die zum Verlust von zwei Marssonden führte, ein Beispiel. Unter diese Ablehnung des Erfahrungsaufbaus fällt auch die Entscheidung zum Abbruch eines an sich funktionierenden Programmes. Ein Beispiel dafür ist der Abbruch des N-1/L-3-Programmes vor den Tests der letzten beiden, stark überarbeiteten Exemplare der N-1. Ihre modernisierten Triebwerke vom Typ NK-33 wurden mit einiger Kreativität vor der Zerstörung gerettet und dann nach dem Fall der Sowjetunion wiederentdeckt. Sie wurden schließlich erfolgreich nach westlichen Standards requalifiziert und wurden für einige westlicht Träger in Betracht gezogen, unter anderem Weiterentwicklungen von Delta und Atlas, und die wiederverwendbare Trägerrakete Kistler K-1. Der schon in Kapitel 6.3.3. und 6.3.4. erläuterte Saturn/Apollo/Skylab-Abbruch ist ein anderes Beispiel. Möglicherweise wird auch das sich zunehmend abzeichnende Ende des Shuttle ein solcher klassischer Fall des Wegwerfens eines - zumindest für den Orbiter selbst - nahezu funktionierenden Programms für einen Papiertiger oder ein von Grund auf mit allen Risiken neu zu entwickelndes Programm sein, das das trotz der inoffiziellen Bezeichnung »Apollo 2.0« jetzt darstellt. Nach dem Verschwinden der N-1 in der getilgten Geschichte dauerte es zehn Jahre bis zum ersten Start der Energia, der beinahe ebenso gescheitert wäre, wie der katastrophalste Fall der N-1. Die Steuerung setzte momentan aus, als sich die Rakete noch in der Höhe des Startturmes befand, schaltete aber auf ein redundantes System um. Die Rakete war schon so weit gekippt, daß der Abgasstrahl die Startrampe bis zur Unbrauchbarkeit verwüstete, wonach sich die Nutzlast Polyus noch wegen des schon erwähnten Sensorfehlers selbst im Pazifik versenkte. (Kapitel 5., 6.3.1.) Die Folgen der Shuttle-Entwicklung als teilwegwerfbares System nach der Streichung von Apollo wurden ebenfalls schon erläutert in Kapitel 6.3.3. und 6.3.4., ebenso wie die Studien, die das Skylab nie ersetzten. Betrachtet man die im Herbst 2005 vorgestellten Pläne für die Shuttle-Nachfolge- Kapsel, so fällt sofort auf, daß statt des Orbiters, der bis jetzt an sich sicher war, und der zuverlässigste Teil des gesamten STS, so lange er nicht von äußeren Einflüssen kritisch beschädigt oder zerstört wurde, genau die Komponenten weiterverwendet werden sollen, die diese Beschädigungen auslösten: SRB und ET sollen die Basis für die neuen bemannten und schweren Träger der NASA werden. Bisher hatte der Ersatz der SRB durch die ganz am Anfang einmal geplanten Flüssigtriebwerke die höchste Priorität bei den selten genehmigten Vorschlägen zur Weiterentwicklung des Shuttle. Der kommerzielle Sektor geht dagegen wieder auf den reinen Flüssigantrieb wie bei der Delta IV über. In diesem Fall handelt es sich sogar erstmals um einen voll kryogenen Antrieb wie beim SSME in allen Hauptantriebsstufen, mit den ersten seit Jahrzehnten im Westen neuentwickelten Triebwerken. Frühere Delta hatten auf immer größere Feststoffbooster gesetzt, die letztlich zu erheblichen Problemen führten oder beitrugen. [8] 6. Schlußfolgerungen 166

Zu den Regeln der Organisationsmethodik gehört die Kontrolle des Informationsflusses immer in irgendeiner Art. Nicht nur durch die Geheimhaltung im Kalten Krieg gab es wenig Kreuztransfer des Wissens, auch die innere Organisation eines Projektes oder eines Herstellers kann den notwendigen Informationsfluß so weit zum erliegen bringen, daß jede Chance zum Erfolg zunichte gemacht wird. Dies betrifft nicht nur die vermeidbaren tödlichen Unfälle in Sauerstoffgefüllten Druckkammern oder Raumflugkörpern auf beiden Seiten des eisernen Vorhangs, oder die beiden Shuttle-Unglücke. [12][14][54][58][72] Auch kleinere, in diesem Fall im wörtlichen Sinne, Dreckunfälle gleichen Hergangs hätten vermieden werden können. Die Empfindlichkeit von Flüssigraketentriebwerken für angesaugte feste Objekte war offenbar weder bei Arianespace noch Khrunichev noch in Korolevs OKB-1 derart erkannt worden, daß konstruktive Vorkehrungen getroffen wurden. Betroffen war am 22.02.1990 die Ariane 44L V36, bei der ein Lappen nach einer nicht standardgemäßen Überholungsarbeit im Treibstoffsystem verblieben war, der den eingspritzten Kühlwasserstrom in den Gasgenerator eines Triebwerkes 6.3 s nach der Zündung blockierte. Der reduzierte Schub führte zwei schwenkbare Triebwerke nach 90 s in die Hartruderlage, worauf die Kontrolle verloren ging und die Rakete aerodynamisch bis zur Explosion zerstört wurde. Bei der Ariane 42P V70 blockierte am 01.12.1994 Eis oder ein anderer loser Festkörper die Zuleitung von Flüssigsauerstoff zum Gasgenerator des Triebwerks HM7-B der dritten Stufe, die durch den Schubverlust nicht die Umlaufbahngeschwindigkeit erreichen konnte. [52-8f.] Beim ersten Start der Proton M Proton 8K82K / Briz-M 8K82KM am 05.07.1999 verursachte ein Aluminiumpartikel aus einer fehlerhaften Schweißnaht einen Brand im Triebwerk Nr.3 der zweiten Stufe, durch den der Träger und die Nutzlast Raduga 38 verloren gingen. [8][50] Der zweite Start der N-1 am 03.07.1969 scheiterte aus ähnlichem Grund, weil ein kleines Metallstück in die Flüssigsauerstoffpumpe von Triebwerk Nr.8 eintrat und diese zur Explosion brachte. Die Explosion verursachte einen Brand und zerstörte Kabel der Triebwerkskontrollanlage KORD, die daraufhin alle Triebwerke abschaltete, so daß die Rakete aus weniger als 100m Höhe auf die Rampe zurückfiel und sie in der bisher größten Explosion dieser Art völlig zerstörte. Fast 700t Kerosin und 1750t Flüssigsauerstoff explodierten mit einem Energieäquivalent von knapp 8 kt TNT. Erst zwei Jahre später konnte der nächste Versuch von diesem Startkomplex aus erfolgen. [7-133][8][12-295,336][14-262][16-213,232] Alle diese Fälle, oder bei geeigneter Kommunikation wenigstens alle bis auf den frühesten bei der N-1, wären mit einer geeigneten Anordnung von Sieben in den Flüssigkeitsleitungen kurz vor den Triebwerken zu vermeiden gewesen.

Die unterschiedliche Größe, die Informationsinseln haben können, zeigt sich im Vergleich der amerikanischen und sowjetischen Projekte. Das Umfeld einer offenen Gesellschaft mit investigativer und kritischer Presse, Anhörungen, Untersuchungsausschüssen, Kommittees und auf ihre Rechte bedachten Steuerzahlern erzeugt eine möglichst kompakte Organisationsweise. Typisch war die Organisation des mit der Atlas B 10B von - einschließlich Präsident Eisenhower - nur 88 amerikanischen Beteiligten improvisierten und bis zum Start nach geradezu sowjetischer Art geheimgehaltenen ersten Kommunikationssatelliten SCORE vom 18.12.1958. Selbst die Startmannschaft kannte die Veränderungen ihrer Rakete nicht, die die direkt folgende nach dem ersten überhaupt gänzlich erfolgreichen Weitenschuß Atlas B 12B über 10177 km nach Ascension 6. Schlußfolgerungen 167

Island war. Von der Startmannschaft war nur der Sicherheitsoffizier einer der 88 Eingeweihten. Er weigerte sich, die Rakete zu sprengen, als sie scheinbar vom Kurs abwich, selbst als andere Mitglieder der Bodenkontrolle ihm dies völlig entgeistert zuriefen. [14-130ff.] Im Luftfahrzeugbau war Heinkel einer der Vorläufer in der Anwendung dieser Arbeitsweise, die an der Bürokratie des Reichsluftfahrtministeriums vorbei zu den ersten Düsentriebwerken von Ohains, zum ersten damit angetriebenen Versuchsflugzeug He-178, zum ersten einsatzfähigen Düsenjäger He-280 und zum ersten reinen Raketenflugzeug He-176 aus seiner Firma führten. [45] Wenig später wurde sie unabhängig davon in Amerika ebenfalls zum Bau des ersten einsatzfähigen Düsenjägers, der P-80 Shooting Star, noch während des Krieges von Lockheeds Skunk Works unter C.L. Johnson improvisiert und mit allen weiteren dort betriebenen Projekte perfektioniert. [4][14][16][20][42][A.5] Dabei bearbeiteten wenige dutzend Menschen am Ort der Fertigung konzentriert ein Projekt, konnten aber meist mit niemand außerhalb, auch nicht mit Zulieferern über seine wahre Natur sprechen, obwohl innerhalb der Organisation ein praktisch freier Fluß der für ein Projekt nötigen Informationen die Regel war. Jedes Gespräch mit einem Fremden bedurfte aber einer Einführung, die erklärte, wer die andere Person war, und für welche Codewort-Bereiche er eine Sicherheitsfreigabe hatte. Im Gegensatz dazu hielten führende Größen der sowjetischen Raumfahrt Vorlesungen für ganz normale Studenten des Fachbereiches am Moskauer Luftfahrtinstitut MAI, auch über detaillierte Herangehensweisen bei der Konstruktion von Raumfahrzeugen. Dies war möglich, da der ganze sowjetische Militärisch-Industrielle Komplex einer Geheimhaltungsinsel wie die Skunk Works oder das Corona-Programm entsprach, innerhalb dessen der interne Austausch relativ wenig eingeschränkt war, obwohl es jeweils auch einen ganzen Archipel darin eingebetteter Geheimhaltungsinseln der nächsten Ebene gab, soweit sich die betreffenden Informationen eben kompartimentalisieren ließen. Das ganze umschloß aber eine hohe Barriere nach außen, die sowjetische Geheimnisgesellschaft mit ihren Staatssicherheitsgesetzen und -organen. In der UdSSR war die Todesstrafe für solche Vergehen selbst in kleinen Fällen ebenso möglich wie eine langjährige Verbannung oder Einweisung in die Psychatrie, sowie Sippenhaft die Regel in solchen Fällen. Dies war auch den Studenten wohl bewußt, womit die Information im Kreis der zugelassenen Zuhörer blieb. Über die mit für den Staat blamabel verlaufenen Programmen wie der N-1 gewonnenen Erfahrungen konnten die Lehrenden dennoch nicht sprechen, da ihre Existenz aus der Geschichte getilgt war. Das Leben in diesen Geheimhaltungsinseln fördert aber auch die Verschleierung von Fehlern innerhalb des eigentlich zugänglichen Bereiches durch die Schaffung eigentlich unnötiger Barrieren. So konnten niemand die sprunghafte Befehlslage kritisieren, wenn sich Khrushchev de facto zum obersten Flugplaner aufschwang - »war ein Hund gewünscht, flog eben ein Hund, war eine Frau gewünscht. flog eben eine Frau.« Diese Entscheidungen orientierten sich nur an der Wirkung für die Öffentlichkeit außerhalb der Geheimhaltungsinsel, und sie trugen auch zur völligen Geheimhaltung innerer Mißstände bei, wie z.B. des in Kapitel 3.3.1. erläuterten Nedelin-Desasters. Die Geheimhaltung erleichterte auch die geeignete plakative Verschleierung von nicht öffentlichkeitsverträglichen Erfolgen wie der frühen Einsatzbereitschaft derselben R-16 Interkontinentalrakete, besonders in dem für die zugeneigte westliche öffentliche Wahrnehmung gezeichneten Bild der friedliebenden Sowjetunion. Trotz dieser Funktion der veröffentlichten Erfolge der zivilverträglichen Programme wurde ihnen nie die selbe Priorität eingeräumt, die die offen agierende NASA ihren bemannten Programmen unter dem Interesse der Öffentlichkeit geben mußte. In der Sowjetunion kamen Interkontinentalraketen und strategische Raketenabwehr immer 6. Schlußfolgerungen 168 zuerst, und dann die Starts für die Propaganda. Diese Philosophie spiegelt sich in einem Aphorismus der strategischen Raketentruppen aus den späteren 1960er Jahren wieder: »Chelomei baut Mist, Korolev arbeitet für TASS, und Yangel für uns.« Chelomeis Konstruktionsbüro, heute Khrunichev, war wegen seiner Verbindungen zu Khrushchev in Ungnade gefallen. Er hatte Khrushchevs Sohn Sergei, der heute am MIT lehrt und mittelbar viel zum Gehalt der in der vorliegenden Arbeit ausgewerteten Literatur und zu vielen Fernsehdokumentationen beigetragen hat, als Stellvertreter für Steuerungsanlagen eingestellt. Durch die Proton und die militärischen Almaz-Raumstationen, deren Struktur auch für die ersten zivilen Raumstationen DOS Salyut Verwendung fand, erfolgte später unter Brezhnev eine gewisse Rehabilitierung. Dennoch sagte man noch, er sei im Gegensatz zu den anderen Chefkonstrukteuren zwar ein Wissenschaftler, seine Produkte würden aber trotzdem (sic!) funktionieren. OKB-1, heute RSC Energia, führte das wissenschaftliche und bemannte Programm durch, und war mit seinen militärischen Projekten nach der prinzipiell kaum als Waffe tauglichen R-7 eher glücklos. Yangels OKB-586 bzw. NPO Yuzhnoye, heute KB Yuzhnoye in Dnipropetrovsk in der Ukraine, baute den Löwenanteil aller ballistischen Raketen der früheren UdSSR, und hat damit weltweit mit großem Abstand die größte Erfahrung beim Bau und der Erprobung von Flugkörpern dieser Art überhaupt. Diese drei und der lange Zeit bestimmende Triebwerksentwickler Glushko stammten allesamt aus der Ukraine, obwohl Yangel in Irkutsk geboren wurde. [12-258] Sowohl unter Khrushchev wie unter seinem Nachfolger Brezhnev wurden für eine Aufgabe schonmal beide in einem Auftragswettbewerb konkurrierenden ICBMs bestellt, wenn sich die rivalisierenden Gruppen im Zentralkommittee nicht einigen konnten, welchem ihrer jeweiligen Protégés in der Industrie der Auftrag zukommen sollte. Dies erzeugte bei der Entwicklung, Produktion und Stationierung von zwei in der Leistung sehr ähnlichen Systemen Milliarden Rubel an zusätzlichen Kosten. Betroffen waren z.B. die Paarung R-16 8K64 (SS-7 Saddler, 186 stationiert) und R-9A 8K75 (SS-8 Sasin, 27 stationiert), und die beiden Nachfolger der UR-100 8K84 15A10 (SS-11 Sego, 1130 stationiert), der meistproduzierten meiststationierten Interkontinentalrakete, die UR-100N 15A30 (SS-19 Stilleto, 360 stationiert, auch Basis für den Satellitenträger ) und MR-UR-100 (SS-17 Spanker, 150 stationiert). In einem westlichen Umfeld der Haushaltsplanung ist und war dies selbst zu jeder Zeit des Kalten Krieges undenkbar in der Durchführung, obwohl einige Ansätze in Gestalt von parallelen oder technisch konservativeren Rückfalloptionen in den 1950er Jahren in den USA vorhanden waren, z.B. die parallele Entwicklung von Jupiter und Thor, bzw. Atlas und Titan I, und die Entwicklung der interkontinetalen cruise missiles Snark und Navaho.

Eine teilweise natürliche und teilkweise zufällige Begrenzung des Informationsflusses betraf am 21.07.1961 Mercury-Redstone MR-4 Liberty Bell 7 und den Astronauten Virgil Ivan 'Gus' Grissom. Bei oder sehr kurz nach dem Aufsetzen der Kapsel auf dem Wasser des Atlantik nach dem zweiten und letzten suborbitalen bemannten Flug des Mercury-Programmes von 15 Minuten 37 Sekunden Dauer sprengte sich die Luke der Kapsel von selbst auf. Dadurch sank die Kapsel am Bergeseil des Hubschraubers und wurde so schwer, daß es schließlich notgekappt werden mußte. Grissom konnte sich gerade noch aus der Kapsel retten, aber sein Raumanzug füllte sich durch offene Anschlüsse und die Helmöffnung ebenfalls so rasch mit Wasser, daß er Mühe hatte, die Besatzung des Rettungshubschraubers noch auf sich aufmerksam zu machen und an das Seil zu gelangen. Seine Begründung »It just blew« wurde lange bezweifelt, so daß er sich weigerte, nach der Landung die Luken seiner mit John Young geflogenen Gemini GT-3 nach der Wasserung zu 6. Schlußfolgerungen 169

öffnen. Die Astronauten wollten die Kapsel Molly Brown benennen, nach dem populären Filmmusical The Unsinkable. Die NASA verbot dann jede Benennung der Kapseln, so wie sie noch bei den Siebener-Namen der Mercury-Kapseln üblich war, bis sie zur Benennung gezwungen war, als erstmals mit dem Apollo 9 CSM und LM zwei Raumschiffe in der Umlaufbahn waren. Nach deren Rufzeichen Gumdrop und Spider wurden dann die Namen von oben verordnet. Grissom starb 1967 beim Apollo-1-Feuer und beharrte praktisch allein auf seinem Bericht der spontanen Lukenöffnung. Nach einem gescheiterten Bergeversuch 1994 wurde er 1999 durch die von einem Fernsehteam dokumentierte Hebung der Kapsel aus 5 km Tiefe und die nachfolgende Untersuchung rehabilitiert. Der Saum der Lukenöffnung zeigte tatsächlich die eindeutige Spur einer umlaufenden Spontanzündung der Sprengschnur, die auch in einem anderen Test aufgetreten war. Dies half freilich kaum gegen das einmal von der üblen Nachfilmung gezeichnete Bild aus The Right Stuff, der auch die damals freilich noch geheime Raumfahrtpolitik der Eisenhower-Administration gänzlich undokumentarisch darstellte.

Die Verbindung von eingeschränktem Informationsfluß und einer diese betreibenden hierarchisch übergeordneten Institution kann auch in einem an sich informationsoffenen System Probleme mit sich bringen. Ein Beispiel ist der Konflikt der Bodenkontrolle und der Besatzung der Mission Apollo 7 vom 11.10.1968, mit den dazu beitragenden natürlichen Einschränkungen der über eine Sprechfunkverbindung übermittelbaren Information. Es kam es zur kleineren Reibereien in der Besatzung, die sich eine Erkältung eingefangen hatte, was einige Symptome der Flüssigkeitsverschiebung in der Schwerelosigkeit verstärkt, und auch die Verbindung zum Boden fiel zeitweise minutenlang aus. Die Bodenkontrolle versuchte, trotz etwa 50 kleinerer Versagensereignisse ein ambitioniertes Flugprogramm durchzusetzen, und dies dann auch noch zu erweitern. Der Kommandant Walter M. 'Wally' Schirra lehnte diese Erweiterungen strikt ab. Es handelte sich schließlich um den ersten bemannten Flug des Systems überhaupt, nicht alle vorherigen unbemannten Flüge waren perfekt verlaufen, und ein Bodentest hatte mit dem Apollo-1- Feuer ein tragisches Ende gefunden. Dies mündete in eine angespannte Kooperation nach Vorschrift mit der Bodenkontrolle, die darin kulminierte, daß die Besatzung ihre Helme zum Wiedereintritt entgegen einer Bodenanweisung nicht aufsetzte, um gegen den durch die Erkältung verstärkten Schleimfluß und den sehr schmerzhaften Ohrdruck schlucken zu können, und bei Niesern nicht die Helm-Glaskugel von innen zu verschmieren. Schirra war wahrscheinlich der beste der Mercury-Testpiloten, aber er fiel wegen dieses Aktes fliegerischer Vernunft auf geradezu sowjetische Weise in Ungnade. Der Flugleiter Chris Kraft verweigerte kategorisch, Schirra oder eines der anderen Mitglieder der Mannschaft noch einmal »für mich« fliegen zu lassen. Schirras Erfahrung als einziger Astronaut, der alle drei Kapseltypen geflogen hatte, ging der NASA so durch seinen Rücktritt verloren, aber er konnte sich erfolgreich als spin-off in der Schnupfenmittelwerbung einen Nebenerwerb sichern. [27-255ff.]

Im sowjetischem bemannten Mondprogramm scheint es durch die Geheimhaltung immernoch dunkle Stellen in der etwa zeitgleich laufenden, heißesten Phase des Mondwettlaufes zu geben, aus deren Fehlern bis heute keine Lehren gezogen werden können. Die Flüge von 7K-OK Soyuz 2 (1968) bis 8 zeigen viele Verfahren, die nur mit einer Mondlandung vereinbar sind, aber wenig, was die der Öffentlichkeit bis heute gelieferte Geschichte der Vorbereitung auf die Raumstationen unterstützen würde, nachdem sich die seit dem 16.05.1969 zuerst von Keldysh verbreitete Legende, daß man nie bemannt zum Mond wollte, sich spätestens seit den 1990er Jahren als eine solche 6. Schlußfolgerungen 170 erwiesen hatte. Der Versuch, Soyuz 3 an die unbemannte Soyuz 2 (1968) zu koppeln, mißlang am 26.10.1968 wegen eines Orientierungsfehlers, den falsch beschaltete Positionslichter an Soyuz 2 verursachten oder vortäuschten, wie in Kapitel 6.3.1. beschrieben. Soyuz 4 und 5 demonstrierten am 14./15.01.1969 den für das Ankoppeln an einer Station wenig geeignete, aber für das sowjetische Mondschiff aus Gewichtsgründen vorgesehene externe Umsteigen vom 7K-LOK in den Mondlander LK, das ursprünglich für Soyuz 1 und 2 (1967) am 26.04.1967 vorgesehen war. Der Dreierflug von , 7 und 8 vom 11./12./13. bis 16./17./18.10.1969 beinhaltete nur ein einziges Experiment, ein Schweißexperiment auf Sojus 6. Die Dauerflugzeit von , 80 Erdumläufe in etwa fünf Tagen, war jedoch wichtig für einen Mondflug, sowohl medizinisch als auch als Nachweis der Tauglichkeit des Schiffes. Die Elektronik des Systems Igla für das Ankoppeln, das ab 250km Distanz automatisch übernehmen sollte, versagte wegen eines neuen Helium- Dichtigkeitstests, als die Schiffe in 1km Abstand waren. Dieses Problem betraf später auch die Sondenserie M-73 Mars 4 bis 7. (Kapitel 6.2.2.) und 8 hätten automatisch koppeln sollen, wobei Soyuz 6 den Vorgang aus nur 50m Abstand filmen sollte, aber die Bodenkontrolle untersagte zunächst, das Manöver manuell zuende zu führen. Am nächsten Tag wurden die nötigen Abstandsdaten nicht an die Kosmonauten gegeben, als ein vollständig manueller Versuch begann, aber die Schiffe statt dem erwarteten Kilometer 40km auseinandergedriftet waren. Zwei weitere Versuche versagten ebenfalls wegen großer Fehler in der Bahnberechnung am Boden. Mit dem letzten 7K-OK Soyuz 9 begannen am 01.06.1970 die über die Zeit einer Mondmission hinausgehenden Langzeitflüge, die tatsächlich in den Stationsbetrieb der 1970er Jahre mündeten. Zu diesem wenig zu den Notwendigkeiten des Stationsbetriebes passenden Missionsszenarien kommt die aufblasbare Luftschleuse, die bei Voskhod 2 schon 1965 erprobt wurde, als verschiedene Mondflugszenarien diskutiert wurden. Da weder die Proton noch die N-1 noch die beiden Mondschiffen 7K-L1 Zond und 7K-LOK gemeinsame Antriebsstufe Block D 11S824 rechtzeitig zum für bemannte Flüge zuverlässigen Funktionieren gebracht wurden, und auch die erfolgten Flüge der 7K-L1 Zond kritische Probleme zeigten, vermuten einige Autoren ein Umsteigeszenario mit einer Voskhod-artigen Schleuse oder einer einfachen Kopplungsmethode für in letzter Minute angesetzte bemannte Mondflüge ganz knapp vor Apollo 8 bzw. 11. Dabei sollte nach einem Szenario zuerst mit der Proton / Block D ein 7K-L1 Zond bzw. mit der N-1 ein 7K-LOK gestartet werden, dem im Falle des Erfolges eine normale Soyuz-Kombination aus dem Träger 11A511 und dem Schiff 7K-OK mit drei Kosmonauten gefolgt wäre, von denen zwei aus der Soyuz-seitig als Schleuse nutzbaren Orbitalsektion zu einer am 7K-L montierten aufblasbaren Schleuse freischwebend umsteigen sollten. Die Schleuse wäre dann am abwerfbaren Gerätekragen befestigt gewesen, der anstatt einer Orbitalsektion vor der Wiedereintrittskapsel der Mondschiffe angebracht war. Sein geringes Gewicht machte die Abtrennbarkeit sonst nicht nötig. Eine andere Möglichkeit wäre die Kombination eines externen Transfers nach einer Kopplung mit dem System Igla gewesen, was für alle Soyuz 1 bis 8 vorgesehen war, und bei Soyuz 4 und 5 auch zu einem erfolgreichen Außenumstieg führte. Beides, Igla und ein Außenumstieg durch eine Seitenluke, sollte auch beim 7K-LOK und LK in der Mondumlaufbahn erfolgen. Dieses Umsteigen war die einzige Lösung, die einen Mondflug bei den knapp zu niedrigen Nutzlasten der Proton / Block D und N-1 ermöglicht hätte. Tatsächlich gibt es deutliche Hinweise, auch aus heute öffentlich zugänglichen Aufnahmen der Corona-Spionagesatelliten, daß zu den möglichen Startfenstern, die sich für den Startort Tyuratam kurz vor denen für Cape Canaveral öffneten, solche Doppelstartkombinationen auf den jeweiligen Startrampen standen, aber nicht rechtzeitig genutzt wurden. Es ist möglich, daß die eigentlich für so ein Husarenstück vorgesehenen 11A511 und 6. Schlußfolgerungen 171

7K-OK später für normale Soyuz-Flüge genutzt wurden. Der wenig erfolgreiche Koppelversuch von Soyuz 2 (1968) und 3 fand etwa zwei Startfenster vor Apollo 8 statt, die anderen beiden Gruppenflüge aber jeweils kurz nach Apollo 8 bzw. 11. Gab es die rettende Ausrede wie bei Soyuz 2 (1967), deren Start wegen eines plötzlichen Starkregens abgesagt wurde, weil man die Trägerrakete erst sehr gründlich auf Kurzschlüsse untersuchen wollte, was die Kosmonauten Bykovsky, Khrunov und Yeliseyev vor demselben tödlichen Schicksal wie Komarov in Soyuz 1 bewahrte, oder gab es andere heute lehrreiche Versagensfälle? Leider fehlen ausgerechnet oder zufällig in Kamanins sonst sehr akribisch geführten Tagebüchern die Einträge für gerade diese betreffenden Wochen. [8]

Im Falle des Beagle-2 führte eine Begrenzung der Informationen bei der Übergabe einer Aufgabe an einen anderen Unterauftragnehmer zu Problemen. Für den airbag wurden vorläufige und unerprobte Daten so zwischen den beiden betroffenen Firmen übergeben, daß dieser Umstand nicht klar erkennbar wurde. Dies lag am damit verbundenen kommerziell-juristischen Vertragsdurcheinander bei der Datenübergabe, das ähnlich wie bei der ersten Ariane 5 die technische Durchführung der Herstellung des Landesystems in die Irre führte durch die Annahme einer nicht vorhandenen erprobten Technologiebasis. Bei den begrenzten Resourcen durch den eingesetzten Festbetragsvertrag erfolgte keine weitere Überprüfung der Angaben, die lediglich Ergebnisse von Studien darstellten. Eine früh auf minimale Beträge festgesetzte Finanzierung setzte das Team außerdem schon nahezu in eine Situation der Undurchführbarkeit des Projektes, die die ESA-Projektführung nicht wahrhaben wollte oder konnte. Hauptursache hierfür war die Kürzung des Nutzlastanteils für den Beagle auf Mars Express von anfänglich 150 kg auf 50 kg, was jede Landekapsel marginal gemacht hätte. Die sehr unterschiedlichen Berichte der ESA- Untersuchungskommission und des Beagle-2-teams zeigen im Vergleich auf einzigartige Weise in Umfang, Zeitaufwand, Detailliertheit und Argumentationsweise, wie anders Information auf vom Produkt entrückten Ebenen wahrgenommen und gewertet werden können, besonders wenn es um die rechtliche und finanzielle Klärung der Verantwortung geht. [53] Eine weitere mögliche Ursache des Verlustes von Beagle 2 ist eine Überhitzung durch die dünne Rückseitenabduckung und Überschallrezirkulation während des Atmosphäreneintrittes. [98] Es ist durch das bereits in Kapitel 6.3.6. erläuterte typische westliche Vorgehen in solchen Fällen anzunehmen, daß derart von vornherein als riskantes technologisches Experiment ausgelegte Nutzlasten keine Fluggelegenheit mehr bekommen werden. Die eigentliche Ursache des Versagens lag aber nicht in der zu hohen Risikobereitschaft des Beagle-2-teams, sondern darin, daß die ihm zur Verfügung stehenden Resourcen auf dem Trägerflugkörper so weit gekürzt wurden, daß kein Spielraum mehr innerhalb des Beagle existierte, wozu noch der Unterauftragnehmerwechsel kam. Hohe Versagensfallzahlen bei Programmen dieser Art, und speziell auch im sowjetischen interplanetaren Programm, heißen nicht notwendigerweise, daß es sich um a priori schlechtere Produkte oder Herstellungsformen handelt. Vielmehr zeigt es, daß die sowjetischen Konstrukteure allen politischen, organisatorischen und technischen Widrigkeiten zum Trotz weiterhin bereit waren, ihr Ziel zu erreichen, was gleichbedeutend damit ist, noch mehr Fehler in Kauf zu nehmen und mühsam die Lehren aus ihnen ziehen zu müssen. Eine hohe absolute Anzahl an Fehlern bedeutet sowohl bei niedriger als auch hoher Flugfrequenz, daß auch seltenere Versagensfälle erkannt und analysiert werden können, die bei einer hohen relativen Fehlerquote bei wenigen Flügen statistisch bedingt kaum oder nicht in Erscheinung getreten wären. Ebenso werden aus dieser einmal erworbenen Erfahrungsbasis heraus weniger offenkundig vermeidbare Fehler 6. Schlußfolgerungen 172 begangen, sobald die Resourcen zum Vermeiden dieser Fehler gegeben sind, und so lange das Wissen um die einmal erworbenen Erfahrungen im Entwicklungs- und Flugdurchführungskomplex präsent bleibt. Die nach schwerem Beginn letztendlich sehr erfolgreichen sowjetischen Venus- Missionen mögen hierfür als Beispiel stehen. Die Fehler des amerikanischen Marsprogramms in den 1990er Jahren können den Umkehreffekt belegen, der aus der Erinnerungslücke folgte, die personell durch die faktische Einstellung interplanetarer Missionen zu diesem Ziel für 15 Jahre gewachsen ist. Im europäischen Bereich ist die Entscheidung zur Nutzung der Reserven aus dem Mars Express- Programm für Venus Express eine richtige Entscheidung. Aus einem Versagen des Beagle 2 aber abzuleiten, solche Nutzlasten nicht mehr zu fördern, wäre wiederum das Verschenken der Chance, aus Fehlern zu lernen und damit eine bessere Erfahrungsbasis aufzubauen, die gerade den finanziell wertvolleren und daher auch selteneren Missionen zugute kommt, was besonders bei der ohnehin niedrigeren Flugrate der beteiligten Organisationen wichtig ist.

Oft ist was später realisiert wurde, erstaunlich ähnlich den frühen Grundkonzepten der Pioniere, die von den Zeitgenossen als zu phantastisch angesehen werden. Eine Ausnahme von dieser Regel sind die Wiedereintrittskörper und ihre Entstehung in den späten 1950er Jahren durch die Arbeit an ballistischen Raketen, und insbesondere die Filmrückkehrkapseln der Corona- und Zenit- Aufklärungssatelliten, deren Realisation selbst die Phantasten wenige Jahre zuvor für unmöglich hielten. [4][16] Das daraus erwachsene Konzept war der Aufklärungssatellit mit Bildfernübertragung, und für dieses galt die obige Regel: Die ersten Filmabtastersysteme an Bord der Satellitenserien SAMOS und 2K Zenit wurden bald eingestellt, und zumindest im ersten Fall nach viel weniger Starts aufgegeben, als die zeitgleich entwickelten Corona-Satelliten zur Reifung im Experiment brauchten. Die bestenfalls mögliche Datenrate, bei WS-117L nur fünf bis sechs Bilder pro Tag, war einfach zu niedrig, als daß dieses Konzept jemals realisierbar erschien, es gab Zweifel über die Haltbarkeit des Filmmaterials in der Weltraumstrahlung, (siehe Kapitel 6.2.2.) und weder Filmabtaster noch Fernsehkameras erreichten die Auflösung der Negative. So setzte man auf die eben entdeckte Möglichkeit der Filmrückkehrkapsel, deren radikalster Entwurf ein spinstabilisierter Satellit war, der als ganzes zurückgekehrt wäre, und rückblichend möglicherweise schneller einsatzbereit gewesen wäre als die dreiachsenstabilisierten Corona. Heute verwenden alle Arten der Erdbeobachtungssatelliten außer den chinesischen FSW Aufklärungssatelliten ausschließlich eine elektronische Bildübertragung, also das Konzept, das zunächst bis zur Entdeckung der Möglichkeit des Wiedereintritts als das einzig mögliche erschien, und dann danach als das unmögliche galt. Der inhärente Vorsprung des scheinbar konservativeren und erprobteren Konzepts bei Projektentscheidungen zeigt sich im Vergleich der getätigten Investitionen für weltweit oder über große Regionen nutzbare Satellitentelefonsysteme wie Iridium oder Thuraya mit den an sich ja verlorenen, immateriell angelegte Investitionen für die UMTS-Lizenzgebühren in und nur für Deutschland, die etwa eine Größenordnung höher liegen. 6. Schlußfolgerungen 173

Die immer wieder angeführten psychologischen Probleme bei längeren Raumflügen scheinen sich nicht mit dem erzielten Fortschritt zu verändern. Für den jeweils nächsten Schritt, vom Berg zum Höhenballon, vom Höhenballon in den suborbitalen Flug, in die Schwerelosigkeit, in die Umlaufbahn, zum Mond, zum Langzeitflug in Raumstationen, zum Mars - immer wird irgendeine Form des psychologischen Zusammenbruches des reisenden Menschen vorhergesagt. Momentan bezieht sich die Befürchtung auf die jahrelange Reise bei interplanetaren Flügen und die damit verbundene Isolation. Für beide Situationen als langjährige Isolation in einer lebensfeindlichen Umgebung kombiniert, liegen jedoch bereits seit langem Erfahrungen vor, die dies, abgesehen von dem bisherigen nicht-Eintreten der Vorhersagen dieser Art bei Höhenaufenthalten und Raumflügen, ebenfalls deutlich widerlegen. Die Berichte über die Lebensbedingungen auf atomgetriebenen U- Booten des Kalten Krieges und auf den immer jahrelang in der lebensfeindlichsten Umgebung isolierten Polarexpeditionen des 19. Jahrhunderts zeigen keine Hinweise auf das behauptete Risiko. Oft waren gerade die Expeditionen, die mit einer kleinen Mannschaft die längste Zeit im Eis eingeschlossen waren, und deren Rückkehr am unwahrscheinlichsten erschien, die Erfolgreichsten. [99] Weder die Abwesenheit der Erdoberfläche an sich oder als begeh- und überlebbarer Raum in der Wahrnehmung, noch ihre Wahrnehmung als praktisch sofort tödlicher Ort hatte in diesen Fällen die befürchteten psychologischen Folgen, auch nicht bei jahrelanger Exposition. Die Erfahrung des Schwindens der Erde als Himmelskörper aus dem Blickfeld wurde bis jetzt allerdings nur kurz gemacht, von den 24 Apollo-Astronauten, die den Mond umrundeten, drei von ihnen sogar zweimal, und besonders von den sechs CM-Piloten, die dies während der Landungen der anderen beiden Besatzungsmitglieder für längere Zeit alleine taten. Das Bild des Erdaufgangs über dem Mondhorizont nach der etwa einstündigen Isolation wurde von den Astronauten als besonders empfunden und oft photographiert, zuerst am 24.12.1968 von William Anders auf Apollo 8 in schwarzweiß und in Farbe. [47-30,107f.] Abgesehen davon, daß eine Unmöglichkeit langer interplanetarer Raumflüge wegen der psychologische Isolation nicht angezeigt ist, geben die erfolgreichen Großexpeditionen in die Arktis und Antarktis einen auch heute noch nützlichen Erfahrungsschatz ab: Wann immer möglich vom Land leben; vor, während und nach der eigentlichen Expedition wann immer möglich Depots legen; keinen Wettlauf beim Startdatum einlegen. In der selben Region der kanadischen Arktis, in der viele dieser Expeditionen ihre Schiffe für die zehn- bis elfmonatige Überwinterung einfrieren ließen, werden heute erste Ansätze für zukünftige Mars-Projekte getestet. Moderne Konzepte für Marsmissionen schließen die lokale Treibstofferzeugung, Nutzung von Sonnenenergie statt ausfallkritischer RTGs oder Reaktoren, das Depotkonzept bei der Vorerkundung und Positionierung von Rückkehrflugkörpern, und eine bei Versagensfällen zeitlich flexible Flugplanung vor. [66][99]

Psychologische Probleme im eigentlichen Sinne sind tatsächlich, soweit es aus der ausgewerteten Literatur hervorgeht, nie aufgetreten. Es gab einige nicht missionkritische Fälle von gegenseitiger Unverträglichkeit unter Besatzungsmitgliedern, z.B. bei der ersten Mission zu Salyut 7, was aber heute durch eine geeignete Auswahl und die langen gemeinsamen Trainingszeiten weitgehend ausgeschlossen ist, die es in den berichteten oder angedeuteten Fällen nicht gab. In einer Fernsehdokumentation wurde ein Fall, der nur genau einmal aufgetreten ist, berichtet. Dabei handelte es sich um Folgen starker Übermüdung infolge eines der inneren Uhr des Menschen nicht angepaßten Tageszyklus auf Salyut 5, einer militärischen Raumstation von Typ Almaz. Die photographische Aufklärungsarbeit über Nordamerika erforderte Schichten von vier Stunden Arbeit und zwei Stunden Ruhe, und die Symptome lassen sich auch auf der Erde reproduzieren, wenn man 6. Schlußfolgerungen 174

Menschen über längere Zeit in einen solchen Zyklus der Aktivität zwingt. [10] Ähnliche Probleme waren schon zuvor beim 22.5-Stundenzyklus auf Soyuz 9 aufgetreten. [1-461] Die militärischen Almaz unter den Tarnnamen Salyut 2 und Kosmos 557 konnten nicht bemannt werden, weil es zu einem Feuer an Bord und einer Triebwerksexplosion kam. Salyut 3 hatte eine Besatzung, die normal arbeitete, aber das Ankoppeln der zweiten in Soyuz 15 gelang nicht. Die 66-tägige Mission von zu Salyut 5 wurde nach 48 Tagen nur zwei Stunden nach einer Ankündigung wegen eines scharfen Geruches abgebrochen, wobei Ermüdung, Anspannung und eine interessante, aber komplizierte Mission, sowie die Erkrankung eines Kosmonauten berichtet wurden. Die Ankopplung von Soyuz 23 scheiterte, und die Besatzung von Soyuz 24 blieb nur 16 Tage, was eher für ein Problem mit der Station spricht. [7-190][9-211,223]

Ein im eigentlichen Sinne reines technisches Versagen gibt es nicht. Am nächsten kommt ihm ein Versagen, das von Materialfehlern oder ähnlichen Abweichungen in regulär außerhalb des Systems verfügbaren Zukaufteilen herrührt, die nie völlig durch Verfahrensweisen oder organisatorische Kontrollmechanismen ausgeschlossen werden können. Der Aufwand für eine vollständig wirksame, d.h. von einer totalen im Resultat nicht unterscheidbaren Kontrolle kann unfinanzierbar hoch sein, oder auch nach einer von den sinnvollen technischen Möglichkeiten und Aufwendungen abweichenden Entscheidung als zu teuer abgelehnt werden. Dann liegt aber insbesondere bei wiederholten Fällen ein Versagen der Warenkontrolle in der Fertigung und der Überwachung durch das Management vor, was zu den entsprechenden Einträgen für die Verursacherbeiträge zusätzlich zu dem unter Fertigung, automatisiert führt, wo Versagensereignisse, die diesem Beispiel entsprechen, markiert werden. Diese Gruppe von Verursacherbeiträgen ist nach Tabelle 6.1 und 6.2 mit 0.44% bzw. 1.44% (301 von 67996 bzw. 20912) die zweitkleinste nach der durch die Besatzung (Crew), noch vor der durch die Bodenkontrolle. Die Unzugänglichkeit dieser Art von Versagensfällen im Betrieb zeigt sich durch den insgesamt relativ, aber nicht extrem geringen Anteil von behobenen Versagensereignissen zu diesem Verursacherbeitrag von 37% (112 von 301), zu denen Besatzung (Crew) und Bodenkontrolle mit 12% bzw. 17% (14 bzw. 19 von 112) besonders wenig beitragen. (Tabelle 6.7) Ein ähnliches Bild unter NN, automatisch zeigt, daß es sich dort mit einiger Wahrscheinlichkeit um die selbe grundlegende Entstehungsweise der Versagensereignisse handelt, und das selbe Erscheinungsbild bei dem Eintrag Fertigung zeigt, daß die Annahme einer Trennung vom menschlichen Versagen nicht tragfähig ist. Auch die anderen beiden Verursacherbeiträge in der Gruppe Automatisches, nämlich Sicherheitseinrichtung und Verfahren zeigen mit einer weniger deutlichen Ähnlichkeit zu den Verursacherbeiträgen Wissen, Grundlagen- bzw. Mensch-Maschine- Interface und Procedures jeweils, daß hier zum Teil ähnliche Ursachen vorliegen könnten. Die Entscheidung für die Wirkungsweise einer Sicherheitseinrichtung läßt sich nur auf der Grundlage des Bekannten treffen, und die Wahl eines bestimmten technischen Verfahrens, das dann unbeeinflußt automatisch zur Erreichung einer Funktion abläuft, beinhaltet wie die vorgesehene Bedienung eines Gerätes auch eine Bindung an vorgesehene Handlungsabläufe. 6. Schlußfolgerungen 175

Besonders gilt dies für den sogenannten Computerfehler, der außer im oben erwähnten Fall des allgemeinen Zukaufteils immer entweder einen Fehler in der Programmierung oder der Konstruktion oder Fertigung der Elektronik, oder in der Erprobung oder Dokumentation beider darstellt. Dies gilt insbesondere, wenn sich bekannte Fehler durch die Bodenkontrolle oder die Besatzung durch geeignete Verfahren umgehen lassen, wie es z.B. bei den Apollo-Flügen der Fall war. Der Oft zitierte »Zusammenbruch« des Computers bei Apollo 11 war tatsächlich ein Fall vorgesehener automatischer Fehlerkorrektur, der Bodenkontrolle und Besatzung durch den oktal nummerierten Meldungen 1201 Alarm und 1202 Alarm mitgeteilt wurde. Hieraus konnte die Bodenkontrolle innerhalb von Sekunden erkennen, daß der Bordcomputer der Landefähre bei einigen Zyklen die niedrigstpriorisierten Daten wegen einer ansonsten eintretenden Überlastung gelegentlich überging. Diese Überschußdaten hatten ihren Ursprung im irrtümlich nicht abgeschalteten Kopplungsradar vor das Rendezvous in der Mondumlaufbahn. Die Blickrichtung des Radars in den leeren Raum führte dabei zur maximal für diesen Prozeß möglichen Belastung, was das auf etwa 80% Auslstung ausgelegte System einige male im Abstand sehr vieler normaler Zyklen sehr kurzzeitig in die Nähe der maximal zur Verfügung stehenden Rechenleistung brachte. [30]

Bei den bemannten Programmen war Gemini der bahnbrechende Erfolg, nicht trotz, sondern wegen der reichlich angefallenen Fehlererfahrung, die in einem Umfeld gemacht wurde, das robust genug dafür war, die eintretenden Versagensfälle ohne katastrophale Folgen zu überstehen. Der große Sprung Vorwärts, wenn es je einen technischen gab, der diesen Namen verdient, geschah meist mit heute fast vergessenen Programmen, wie z.B. Gemini. In zwölf bemannten Flügen lieferte es die Erfahrungen für den bemannten Mondflug, die das sowjetische Programm mit automatischen Verfahren so überflüssig machen wollte, daß mit zwei Voskhod-Flügen und Soyuz 1 und 2 (1967) der selbe technische Sprung wie von Mercury zu Apollo 7 möglich sein sollte, ohne in puncto Flugerfahrung an der Verbreiterung der experimentellen Basis der Konstruktionsbüros und des Kosmonautenkorps arbeiten zu müssen. Die mit der automatisierung verbundene Ausbildungsphilosophie für die Kosmonauten hielt sich noch bis weit in den Stationsbetrieb der 1970er und frühen 1980er Jahre. Im unbemannten Bereich brachten die in ähnlich rascher Folge wie Gemini geflogenen Lunar Orbiter Erfahrung in den operationellen Einsatz von interplanetaren Sonden über den Marginalminimalismus von und 4, der frühen Pioneer- und der Ranger-Serie hinaus. X- 10 und G-26 Navaho ermöglichten als konservativere Rückfalloption zur Interkontinentalrakete erst, die technische Basis für die erste Generation dieser Trägerraketen von der Redstone über Thor und Jupiter bis Delta und Atlas zu entwickeln. Der Erfolg dieser Folgeprogramme, bzw. von Apollo, Mariner 6, 7 und 9, Viking und Voyager, oder der Trägerraketen Saturn I, IB und V spricht für sich. Bezeichnenderweise gab es in der Sowjetunion diese Art Zwischenschritte garnicht oder nur ansatzweise, bedingt durch das politisch-propagandistisch, durch den Wettlauf und durch die Mangelwirtschaft induzierte aufs-Ganze-gehen. Das ganze Voskhod-Programm waren nach heutiger Sichtweise nur einige geeignet abgezweigte Kapseln aus einem letztendlich über 800 Flüge umfassenden Aufklärungssatellitenprogramm, das der drei Jahre verspäteten Entscheidung 6. Schlußfolgerungen 176 zum Aufsprigen auf den von der eigenen, nahezu substantierungsfreien Propaganda herbeigeführten Mondwettlauf folgte. Die letzten beiden Paarflüge der Vostok hatten ja nur den Außenstehenden durch die mit präzisen Starts herbeigeführte gegenseitige Annäherung suggeriert, es handele sich dabei bereits um ein manövrierfähiges Raumschiff; ein Eindruck den die sowjetische Öffentlichkeitsarbeit passiv gewähren ließ, nach dem Motto, ein Taschenspielertrick ist kein Betrug. Der geplante Langzeitflug Voskhod 3 wurde weder gestrichen noch durchgeführt. Erst Soyuz sollte alle Funktionen von Gemini und Apollo wirklich umfassen, erproben, und operationell durchführen, nicht nur ein hastiges Übertrumpfen der zweisitzigen Gemini-Kapsel. Dies blieb die einzige Leistung von Voskhod, das erste dreisitzige Raumschiff vor Apollo durch den ungeschützten Sardinen-Einsatz zu dritt im eigentlich einsitzigen Voskhod 1, und der Weltraumspaziergang durch die aufblasbare, an einem zusätzlichen Kamerafensterausschnitt in der Zenit-Kapsel von Voskhod 2 angebrachte Schleuse, vor dem zu diesem Zeitpunkt noch für einen späteren Flug als Gemini 4 geplanten Ausstieg. Das tragische Scheitern von Soyuz 1 war bei dieser teilweise selbstgeschaffenen Drucksituation von den operationell Beteiligten nicht mehr zu vermeiden, da sie in die selbstgestellte Falle eines auf von immer komplizierteren automatischen Absicherungsmechanismen garantierte Einzelleistungen fixierten Programmes getappt waren. Soyuz 1 ist jetzt, nach der Freigabe der Aufzeichnungen, als eine der, wenn nicht die herausragendste Leistung aller technisch-schöpferisch direkt an der Missionsdurchführung Beteiligten für das gesamte sowjetische Raumfahrtprogramm anzusehen - entgegen des ersten erschütternden Eindrucks allein angesichts des tödlichen Unglücks. Die größte fliegerische und raumfahrttechnische Leistung vollbrachte der verunglückten Komarov selbst darin, daß er überhaupt überlebte bis zum ungebremsten Aufschlag der Kapsel nach dem letzten von vielen technischen Versagensfällen, der Verschlingung von feststeckendem Fallschirm und Reservefallschirm. Bevor ihn das von der obersten Staats- und Parteiführung bürokratisch erzwungene Schicksal ereilte, meisterte er in Zusammenarbeit mit der Bodenkontrolle mindestens 38 schwere und schwerste Systemausfälle. Einer davon war eine katastrophale Funkverbindung zum Boden, und auf keinen hatte ihn das in aller Eile durchgeführte Training vorbereitet. Ohne den Menschen an Bord wäre Soyuz 1 noch vor dem Erreichen des stabilen Orbits ein sofortiger und katastrophaler Totalverlust geworden. Komarov hat seine Nachfolger vor mindestens 38 weiteren, potentiell gleichermaßen schweren, das heißt sehr wahrscheinlich tödlichen Katastrophen bewahrt, die durch das Versagen später aktivierter Systeme erst nach und nach hätten ausgelöst werden können, und deren Ursachen nicht notwendigerweise bei der geringen Zahl an automatischen Flügen bemerkt worden wären. Die Flugprogramme dieser automatischen Erprobungsflüge waren bis dahin möglichst einfach gehalten worden, um die Kapseln überhaupt zurückzuerhalten. Zum Teil sollte statt dem ohnehin schon auf geringstmögliches Gewicht hin konstruierten, vollwertigen 7K-OK Soyuz eine noch weiter abgemagerte Variante 7K-L1 Zond für den Mondumflug, und zumindest in der Anfangsphase auch als Teil des später erweiterten Landekomplexes 7K-LOK/LK benutzt werden. Der Mondumflug war im wesentlichen der Flug auf der freien Rückkehrbahn, die mit dem fast aller Bordenergie beraubten Raumschiff Apollo 13 als reine Rettungoption erfolgreich genutzt wurde. Da die unbemannten Zond-Erprobungsflüge im wesentlichen in der Zeit zwischen dem Unglück von Soyuz 1 und der mißlungenen Kopplung von Soyuz 2 und 3 stattfanden, kann ihr Verlauf als Beispiel dienen. Nur ein Zond-Test von fünfzehn hat den kompletten Flug ohne lebensbedrohende Fehler überstanden. Das Programm wurde dennoch fortgesetzt. Zwei Kapseln wurden nicht mehr geflogen, und mehrere in Produktionhalbfertig aufgegeben, sofort als nach der Rückkehr von Apollo 17 klar wurde, daß es in 6. Schlußfolgerungen 177 der absehbaren Zeit nie wieder amerikanische Mondflüge geben würde. Der letzte Zond-Start war ein Startversager am 23.11.1972, Apollo 17 kehrte in der nächsten Lunation am 19.12.1972 aus Taurus-Littrow zurück. Weitere Flüge waren bereits 1970 gestrichen worden, wie bereits in Kapitel 6.3.3.3. und 6.3.4. beschrieben. Das Apollo-Soyuz Test Project (ASTP) band dann die letzte geflogene Apollo-Kapsel und Saturn-IB, und entband in Gestalt eines sowjetisch-amerikanischen Vertrages damit die Sowjetunion von weiteren Mondflügen. Die flugbereiten und gründlich überarbeiteten Mondraketen N-1 wurden nach diesem Flug sofort auf Eis gelegt und direkt nach der Abgabe der restlichen Apollo, Saturn und Skylab an die Museen verschrottet. Nach dem mit Apollo 17 in eine Lunation fallenden Ye-8 Luna 21 Lunokhod-2 wurden die noch vorhandenen Luna- Sonden über die folgenden drei Jahre aufgebraucht, bis Luna 24 das Mondrennen 1976 abschloß. Die bis in die 1990er Jahre verbreitete und geglaubte Legende, daß man nie bemannt zum Mond wollte, weil unbemannte Sonden grundsätzlich viel effizienter und ungefährlicher seien, wurde so aufrecht erhalten. Ersteres ist, wie gezeigt, nicht der Fall, und letzteres ausschließlich ein Ergebnis der geeigneten oder ungeeigneten Projektführung, wobei bisher zumindest absolut in der unbemannten Raumfahrt wesentlich mehr Opfer zu beklagen sind als in der bemannten.

Die anfänglich erwartete verbesserte Planungsgrundlage für die im Betrieb größerer Satellitenkonstellationen oder Sondenflotten zu erwartenden Ausfälle und ihre zeitliche Entwicklung läßt sich aus den bisher zur Verfügung stehenden Daten nicht ausreichend statistisch abgesichert gewinnen. Dies liegt im wesentlichen an der Einschränkung der technischen Informationen, die über in großer Zahl geflogene und dabei nur langsam veränderte Raumflugkörperserien aus dem überwiegend militärischen und dem rein kommerziellen Bereich zur Verfügung stehen. Sollte diese Information in der Zukunft zugänglich werden, kann sie mit den für diese Arbeit geschaffenen Werkzeugen geeignet ausgewertet werden.

Den potentiellen Wert der gewinnbaren Informationen lassen besonders drei Bereiche der ausgewerteten Literatur erkennen: - die bisher einzige große und konsistente Datenmenge dieser Art über die Corona-Satelliten, - die überproportional detailliert und kritisch betrachteten bemannten Missionen, und - die meist gut dokumentierten interplanetaren Sonden, unter Einbeziehung der erst kürzlich bekanntgewordenen Versagensfälle aus der früheren Sowjetunion.

Aus dieser einen Serie, die einer starken technischen Weiterentwicklung unterliegt, und einer Sammlung von kleinen Gruppen oder Einzelflugkörpern können aber bisher keine gleichermaßen abgesicherten und allgemeingültigen statistischen Informationen gewonnen werden. Ein ähnlicher Überblick über technisch verschiedene Flugkörperfamilien ähnlichen Umfanges in Produktion und Einsatz wäre hierzu wünschenswert. Am geeignetesten erscheinen bei den Nutzlasten die variantenreiche nK-Serie von Korabl-Sputnik bis Foton M mit insgesamt 809, und bei den Trägern die R-7-Derivate, besonders 11A511U Soyuz U und 11A511U2 mit 708 bzw. 92 Startversuchen. 6. Schlußfolgerungen 178

Es können jedoch einige Schlüsse für die Erhöhung der Zuverlässigkeit und der Kosteneffizienz von Raumflugkörpern gezogen werden:

Praktisch fundierte Erfahrung ist die unbedingte Voraussetzung für die Erreichung einer hohen Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern. Sie kann nicht in Studien oder Simulationen gewonnen werden, und nur beschränkt in der Komponentenerprobung und der Erprobung unvollständiger Flugkörper. Der Abbruch von Projekten und die Unterbrechung von Entwicklungslinien entwerten den überwiegenden Teil der gewonnenen Erfahrung sofort bzw. in einer zu ihrer Ansammlung verhältnismäßig kurzen Zeit. Die Überführung der Erfahrung in gänzlich neue Entwicklungen oder stark eingeschränkte Ersatzvorhaben ist immer wenig effizient, meist schwierig, und oft unmöglich.

Es gibt für jede Phase der Entwicklung der Raumfahrt eine obere Grenze der Komplexität eines Raumflugkörpers, deren Überschreitung einen dramatischen Rückgang der Zuverlässigkeit zur Folge hat. Diese Grenze läßt sich für automatisierte Flugkörper nur bedingt, und dann nur mit einem unverhältnismäßig hohen und langwierigen, praktischen Erprobungsaufwand überwinden. Dies schließt insbesondere die Anzahl, Vielfalt und Komplexität der Nutzlasten eines Flugkörpers mit ein. Aus allen diesen Aspekten folgt ein unverhältnismäßiger starker Kostenanstieg für ein solches Vorhaben.

Die Komplexitätsgrenze ist nur im Laufe der Zeit durch den kontinuierlichen Aufbau und die Wahrung der gewonnenen praktischen Erfahrung in der Projektumgebung und der allgemeinen Raumfahrtentwicklung zu erweitern. Die beste Voraussetzung hierzu ist ein reger Flugbetrieb, der in die Vorbereitung weiterer und die Nachbereitung früherer Flüge eng eingebunden ist. Es ist hilfreich, Flugkörper und Baugruppen möglichst universell einsetzbar auszulegen, inkrementell weiterzuentwickeln, sie vollständig und praktisch am Boden und im realen Einsatz zu erproben, und sie häufig zu verwenden, auch wenn dies gelegentlich einen Mehraufwand erfordern kann. Möglichst realitätsidentische, aber daher auch aufwendige Simulationen können zur Vorbereitung sinnvoll sein.

Der Umfang der Möglichkeiten zur Behebung von Fehlern während der Mission und die hohe Flexibilität der dafür vorgesehenen Verfahren, und insbesondere die Dichte des Informationsflusses über Betriebszustände an Bord, sind wesentlich für die Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern. Die Effizienz der Behebung von Versagensereignissen steigt mit der zur Verfrügung stehenden Information und der Direktheit der Eingriffsmöglichkeiten. Die vorgesehene Behebung erwarteter Ausfälle durch automatisierte Sicherheitseinrichtungen leistet zur Behebung von Versagensereignissen nur einen verhältnismäßig geringen Beitrag. Im Vergleich zu automatisierten Einrichtungen ist die Behebung von vorhersehbaren und unvorhergesehenen Fehlern durch den Eingriff der Bodenkontrolle vierfach, die Behebung durch Einbindung der gesamten gewonnenen Erfahrung in Folgemissionen sechsfach, und die Behebung durch eine Besatzung etwa zwanzig- bis fünfzigfach wirksamer. (Kapitel 6.3.1.) 6. Schlußfolgerungen 179

Im gleichen Umfang zum selben Zweck und mit vergleichbarem Missionsziel betrieben ist bemannte Raumfahrt immer kostengünstiger als die Durchführung unbemannter Missionen. Dies ist hauptsächlich darin begründet, daß die Komplexitätsgrenze durch die Fehlerbehebungskapazität der Besatzung auch bei einer geringeren Zahl Flüge weit über die praktikable Komplexität selbst gut erprobter automatisierter Raumflugkörper angehoben wird. Hierdurch wird die Bündelung einer hohen Zahl von Experimenten in einer Mission mit einer hohen Netto-Experimentenmasse und geringen spezifischen Kosten erst möglich.

Der wissenschaftliche Nutzen von Forschungsmissionen hängt überwiegend von der Bereitschaft ab, bei ihrer Durchführung und Nachbereitung an den im Verhältnis zu den Gestehungskosten sehr kleinen Betriebskosten, der Auswertung und der Anwendungsförderung der gewonnenen Daten und Erfahrungen nicht zu sparen. Insbesondere wenn die Möglichkeit zur Nutzung vorhandener Reserveflugkörper oder zu Folgemissionen in einer laufenden Serie besteht, kann so die mit den Gestehungskosten und bisherigen Betriebskosten erworbene Erfahrung und Infrastruktur bruchlos zur Erzielung bestmöglicher Ergebinsse praktisch angewandt werden, was die Kosteneffizienz rasch und sehr stark erhöht.

Eine positive Wirkung von rein organisatorischen, von der Ebene des Produktes entrückten Maßnahmen auf die Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern ist in der vorliegenden Literatur nicht dokumentiert. Insbesondere wurde kein Beitrag zur Verhinderung oder Behebung eines Versagensereignisses durch besondere organisatorische Vorgehensweisen dokumentiert. In allen ausreichend detailliert dokumentierten Versagensfällen waren besondere Maßnahmen zur Qualitätssicherung, die nicht unmittelbar auf die Ebene des Produktes und der Produktion begrenzt sind, für die Verhinderung oder Behebung von Versagensereignissen wirkungslos. Die genaue Dokumentation der stofflichen, zeitlichen und fertigungstechnischen Herkunft von Bauteilen direkt auf der Ebene des Produktes kann hilfreich zur Beschleunigung der nachträglichen Aufklärung von Versagensereignissen sein.

Eine erprobte und wirksame Verfahrensweise zur Projektführung mit dem Ziel, schnell und kostengünstig zur Schaffung von zuverlässigen Raumflugkörpern zu gelangen, ist die Zusammenfassung von Planung, Konstruktion, Fertigung, Erprobung und Betrieb an einem Ort mit einer möglichst kleinen Mannschaft und völlig freiem Informationsfluß innerhalb derselben. Aus dieser Projektmannschaft sind alle von der Ebene des Produktes entrückten Tätigkeiten durch einfache und klare Dokumentationsverfahren und zum Produkt hin delegierte Entscheidungsverantwortung des Einzelnen auszugliedern. Der Fluß von Information durch innere oder äußere, vom Produkt entrückte Hierarchieebenen ist unbedingt zu vermeiden. Neuentwicklungen sind durch die Verwendung und ggf. zweckorientierte Erprobung erhältlicher Bauteile auf das unbedingt nötigste einzuschränken. Unter einem straff aber ausreichend gegebenen Budget muß die Projektmannschaft praktische und technische Entscheidungsfreiheit bis einschließlich zur praktischen und umfassenden Erprobung haben, wozu statt ausführlichen technischen Spezifikationen einfache und klare Zielspezifikationen und ein sinngemäß minimierter Berichtsschriftverkehr mit dem Auftraggeber hilfreich sind. (»Kelly's Rules«, [A.5]) 6. Schlußfolgerungen 180

Die weitere Verbreitung von bisher unzugänglichen Informationen über Versagensfälle kann wesentlich zur Vermeidung von Unfällen beitragen. Dies erscheint in weiten Teilen auch für technisch im Detail verschiedene und gänzlich unabhängig parallel entwickelte Systeme möglich, was die Berücksichtigung der militärischen und kommerziellen Geheimhaltung bei der Mitteilung dieser Informationen ermöglichen würde. Für den Verlauf bestimmter Versagensfälle erscheint die Berichtsweise der ausgewerteten technisch-historischen Werke zur Ausfilterung und Anonymisierung zu schützender Informationen als geeignet. Über die hier verwendete oder eine ähnliche technische Einteilung anonymisierte Informationen können allgemein zur Erhöhung der Zuverlässigkeit von Raumflugkörpern beitragen, indem Aufmerksamkeit auf bestimmte Muster von Versagensereignissen gelenkt wird, ohne daß dabei irgendeine Art von geschützten Informationen weitergeleitet werden muß.

Die hohen Kosten und das ungünstige Kosten-Nutzen-Verhältnis vieler im Westen entwickelter Raumfahrtvorhaben sind wesentlich auf die dort üblichen Verfahrensweisen der äußeren Kontrolle und Bewilligung von Projekten zurückzuführen. Zu überhöhten Kosten trägt bei, Vorhaben bereits nach einzelnen Fehlschlägen einzustellen; die Untersuchung von Versagensfällen externen oder fachfremden Institutionen zu unterstellen; nach einiger Zeit eine gänzlich neue Entwicklung für eine sehr ähnliche Aufgabe von Grund auf zu beginnen; weit fortgeschrittene Entwicklungen aus nicht-technischen Gründen abzubrechen; Vorhaben aus nicht-technischen Gründen mit geringer Intensität über lange Zeit zu bearbeiten; sehr detaillierte theoretische Studien der schrittweisen Entwicklung mit risikobehafteter praktischer Erprobung am Boden und im Flug vorzuziehen; trennbare Einzelvorhaben zu großen und komplexen, insbesondere automatisierten Missionen zu bündeln; Personalstämme bei Einstellung oder Scheitern von Vorhaben zu entlassen, umzusetzen oder früh zu verrenten; und infolgedessen den praktischen Erfahrungsaufbau durch die geringe Missionszahl pro Arbeitsleben erheblich zu erschweren.

Bei Vorhaben, die als Kooperation von mehreren ansonsten unabhängigen staatlichen oder kommerziellen Partnern durchgeführt werden, und bei denen die örtliche und umfangsgemäße Verteilung der Arbeit nicht ausschließlich nach technischen und praktischen Erfordernissen erfolgt, steigt der Gesamtaufwand überproportional mit der Anzahl der kooperationsbeteiligten Institutionen. Der Zusatzaufwand trägt nicht zum Produkt an sich bei, und insbesondere die örtliche Aufteilung wirkt sich nachteilig auf die Zuverlässigkeit aus durch einen erhöhten Fernkommunikationsbedarf und die Notwendigkeit der interinstitutionellen Kommunikation auf festgelegten Wegen oder durch die Hierarchieebenen der gewählten Aufteilungsform.

Die seit dem Ende des Kalten Krieges auch in der nicht-militärischen Raumfahrt zunehmende Wahl von Kleinsatelliten mit einer geringen Anzahl von Nutzlasten für eng eingegrenzte Aufgabenstellungen kann sehr wirksam zur Erhöhung der Kosteneffizienz und Zuverlässigkeit von automatisierten Raumflugkörpern beitragen. Kleinsatelliten in niedrigen Umlaufbahnen können insbesondere auch als Konstellationen die investitionsbehindernden strukturellen Schwächen der 6. Schlußfolgerungen 181 bisher üblichen, schweren und langlebigen Satelliten in höheren Umlaufbahnen umgehen und eine schnellere und kontinuierlichere technische Entwicklung ermöglichen, die leichter praktisch erprobbar ist. Der Übergang zu einer größeren Zahl kleinerer Satelliten auf niedrigen Umlaufbahnen muß nicht notwendigerweise eigene strukturelle Risiken für die allgemeine Raumfahrt mit sich bringen, wenn die technische Weiterentwicklung, die Bahngeometrie und die Erneuerungsfrequenz aufeinander abgestimmt an die Selbstreinigungskraft der Hochatmosphäre angepaßt werden.

Komplexe automatisierte Missionen mit einer hohen Anzahl gebündelter Nutzlasten können sinnvoll sein zur Erforschung schwer erreichbarer Ziele wie der äußeren Planeten, wenn für ihre zuverlässige Durchführung auf eine ungebrochene, umfangreiche und sehr lange praktische Erfahrungsbasis zurückgegriffen werden kann. In diesem Fall erreichen die Betriebskosten durch die lange Flugzeiten eine ähnliche Größenordnung wie die Gestehungskosten. In größerer Erdnähe erscheint auch hier die Verwendung von Kleinsatelliten sinnvoller, wenn eine hohe und regelmäßige Flugfrequenz langfristig vorausgesetzt werden kann. Ist im Erdorbit die mindestens gelegentliche Wartung durch den Menschen am Raumflugkörper möglich und vorgesehen, so kann auch hier der wissenschaftliche Vorteil der koordinierten Bündelung vieler gleichzeitig das selbe Objekt beobachtender Instrumente kosteneffektiv genutzt werden, da sich dann die Effizienz der Behebung von Versagensereignissen der einer dauerhaft bemannten Mission annähern kann.

»Die Praxis ist das einzige Kriterium für Wahrheit.« - Deng Xiaoping 7. Literatur 182

Es wird wenn möglich im Literaturverzeichnis außer der Auflage auch die laufende Nummer des Druckes und das Datum des Abschlusses, z.B. aus dem Vorwort, angegeben, um eine korrekte Zuordung zu erleichtern. In Helvetica 10pt ist gegebenenfalls die für die Auflistung im Tabellendokument verwende Nummer angegeben.

[1] Horst Hoffmann Die Deutschen im Weltraum edition ost, 1998, ISBN 3-932180-49-6 20

[2] Anonym Meldung der Leipziger Jllustrirte Zeitung Band 76 (1881), Nummer 1980, S.490 nach: Spektrum der Wissenschaft 6/1981 S.13, ISSN 0170-2971

[3] Jürgen Michels Peenemünde und seine Erben in Ost und West - Entwicklung und Weg deutscher Geheimwaffen Bernard & Graefe Verlag, 1997, ISBN 3-7637-5960-3 Vorwort Frühjahr 1997 2

[4] Dwayne A. Day, John M. Logsdon and Brian Latell (ed) Eye in the Sky: The Story of the Corona Spy Smithsonian Institution Press, 1998, ISBN 1-56098-830-4 printing: 98 2 7

[5] John S. Lewis Rain of Iron and Ice Addison-Wesley, 1996/7, ISBN 0-201-15494-3 (pbk.) first printing December 1995, first paperback printing, April 1997, printing 1, afterword to the paperback edition 1997 S.162ff.

[6] Michael Brown on the definition of a planet 2003UB313 website http://www.gps.caltech.edu/~mbrown/planetlila/index.html 7. Literatur 183

[7] Matthias Gründer unter Mitarbeit von Horst Hoffmann und Gerhard Kowalski SOS im All, Schwarzkopf & Schwarzkopf, 2000/2001, ISBN 3-89602-339-X Zweite, erweiterte Auflage, Vorbemerkung im Oktober 2001 20

[8] Mark Wade Encyclopedia Astronautica Adresse bei Zugriff: http://www.astronautix.com - Einzelne Flugkörper, Flüge, Organisationen und Personen können nach ihrer Funktion, Typen- bzw. Missionsbezeichnung in den entsprechenden Indizes nach Fachbereichen oder im Gesamtindex leicht aufgefunden werden. Da die Organisation einer website im Gegensatz zu einem Buch nicht statisch ist, und sich ein Momentanzustand nicht durch eine Auflage, ISBN und Drucknummerierung fixieren läßt, wird für diese Quelle auf eine nähere Spezifizierung verzichtet.

[9] David J. Shayler Disasters and Accidents in Manned Spaceflight Springer Praxis, 2000, ISBN 1-85233-225-5 Author's preface January 2000 8

[10] diverse BBC Fernsehdokumentationen und Nachrichten http://www.bbcworld.com und via VOX BBC Exclusiv [10-1] BBC World News 19/20.10.2005 - niedrigster je gemessener Druck auf Meereshöhe 882hPa im Kern des Hurrikans Wilma in der Karibik zwischen Kuba, Honduras und Yucatán-Halbinsel.

[11] Heinz von Diringshofen, W.G. Fesenkow, Friedrich Hecht, Robert Jungk, Eugen Sänger An der Schwelle zum Weltall Wilhelm Frick Verlag, 1959 Korrekturfußnoten nach 11.10.1958 (S.189u.) 19

[12] James Harford Korolev: How One Man Masterminded the Soviet Drive to Beat America to the Moon John Wiley & Sons, Inc., 1997, ISBN 0-471-14853-9 printing: 2 9

[13] Adresse bei Zugriff: http://www.spacedaily.com/news/spacetravel-05zzzl.html 7. Literatur 184

[14] T.A. Heppenheimer Countdown: A , John Wiley & Sons, Inc., 1997, ISBN 0-471-14439-8 printing: 1 4

[15] R. Staufenbiel Umdruck Raumfahrzeugbau I, ILR RWTH Aachen, S.25f.

[16] Curtis Peebles The Corona Project: America's First Spy Satellites Naval Institute Press (U.S.A.) / Airlife Publishing (UK), 1997, ISBN 1-55750-688-4 printing: 97 2 First printing 6

[17] Sven Grahn The US-A program (Radar Ocean Reconnaissance Satellites - RORSAT) and radio observations thereof Adresse bei Zugriff: http://www.svengrahn.pp.se/rorsat/RORSAT.html

[18] G. Koppenwallner Pressure-Temperature Measurements During Re-Entry (GA-BRE-REENT) - [BremSat] in: P.R. Sahm, M.H. Keller, B. Schiewe (ed) Research Program of the German Spacelab Mission D-2 - Second Revised Edition WPF c/o DLR Köln, S.507 January 1993

[19] Siegfried Ruff, Martin Ruck, Gerhard Sedlmayr Die deutsche Luftfahrt - Band 13 Sicherheit und Rettung in der Luftfahrt Bernhard & Graefe Verlag, 1989, ISBN 3-7637-5293-5, S.11ff. Vorwort im Oktober 1988

[20] Ben R. Rich & Leo Janos Skunk Works, Warner Books, 1994, ISBN 0 7515 1503 5 Acknowledgements January 1994, reprinted 1997

[21] Jesco v. Puttkamer Theoretische Leistung flüssiger Raketentreibstoffe in den Unterlagen zur Vorlesung an der FH Aachen, Dezember 1994/1996

[22] diverse Aero - das illustrierte Sammelwerk der Luftfahrt Marshall Cavendish, 1982/1989 7. Literatur 185

[23] Leitung: Rolf Sauermost Spektrum Lexikon der Astronomie Spektrum Akademischer Verlag/Zweitausendeins, 1987/1995, ISBN 3-86150-145-7 Einführung im Herbst 1989 Aktualisierte zweibändige deutsche Ausgabe 1995 mit Aktualisierungs-Anhang Redaktionsschluß Sommer 1995 exklusiv bei Zweitausendeins 22

[24] Bergmann · Schaefer Lehrbuch der Experimentalphysik Band 7 Erde und Planeten de Gruyter, 1997, ISBN 3-11-012985-X Vorwort Juni 1997 Band 8 Sterne und Weltraum de Gruyter, 1997, ISBN 3-11-015173-1 Vorwort Juni 1997

[25] Daniel Fischer Mission Jupiter Birkhäuser, 1998, ISBN 3-7643-5832-7 Vorwort im März 1998, Druck 1 12

[26] Ludolf Schultz Planetologie - Eine Einführung Birkhäuser, 1993, ISBN 3-7643-2294-2 Vorwort im Mai 1993, Druck 1

[27] Alan Shepard and Deke Slayton introduced by Neil Armstrong Moon Shot Virgin Books, 1994, ISBN 0 86369 940 5 Introduction February, 1994

[28] Helen Gavaghan Something New Under the Sun - Satellites and the Beginning of the Space Age Springer Copernicus, 1998, ISBN 0-387-94914-3 printing 1

[29] Walter A. McDougall ...The Heavens and the Earth - A Political History of the Space Age Johns Hopkins, 1985, ISBN 0-8018-5748-1 preface March 1984, paperback 1997, print 97 1, preface to paperback ed. March 1997 7. Literatur 186

[30] Eldon C. Hall Journey to the Moon - The History of the Apollo Guidance Computer AIAA, 1996, ISBN 1-56347-185-X Preface July 1996

[31] Carl Sagan und Ann Druyan Der Komet Knaur, 1985, ISBN 3-426-26238-X Druck 1, Vorwort 06.08.1985 - Übersetzung von Ute Mäurer

[32] David McNab and James Younger The Planets, BBC, 1999, ISBN 0 563 38469 7 chronology till 6 Feb 1999 - und zugehörige Fernsehserie [32-TV] 16

[33] Theodor Bennecke, Karl-Heinz Hedwig, Joachim Hermann Die deutsche Luftfahrt - Band 10 Flugkörper und Lenkraketen Bernard & Graefe Verlag, 1987, ISBN 3-7637-5284-6 Vorwort im Januar 1987 1

[34] Kyrill von Gersdorf, Kurt Grasmann Die deutsche Luftfahrt - Band 2 Flugmotoren und Strahltriebwerke Bernard & Graefe Verlag, 1985, ISBN 3-7637-5283-8 2. ergänzte und erweiterte Auflage, Vorwort im Herbst 1984 3

[35] L.Douglas Keeney, William Butler Fire In The Sky Butler, Keeny, Farmer - BKF, 1996, ISBN 1-884532-21-7 5

[36] James N. Gibson The Navaho Missile Project - The Story of the »Know-How« Missile of American Rocketry Schiffer Military History Books, 1996, ISBN 0-7643-0048-2 11 7. Literatur 187

[37] Carl Sagan Pale Blue Dot Random House, 1994, ISBN 0-679-43841-6 First Edition print 2 13

[38] Carl Sagan Cosmos Abacus, 1980, ISBN 0-349-10703-3 Taschenbuch Nachdruck 1999, Vorwort May 1980 14

[39] Jesco von Puttkamer Jahrtausendprojekt Mars Langen Müller, 1996, ISBN 3-7844-2571-2 15

[40] David M. Harland Exploring the Moon - The Apollo Expeditions Springer Praxis, 1999, ISBN 1-85233-099-6 preface December 1998 17

[41] Piers Bizony The Exploration of Mars Aurum Press Ltd, 1998, ISBN 1-85410-584-1 print 1998 - 1 (c)1997,1998 18

[42] Jay Miller 's Skunk Works - The Official History - Updated Edition Midland Publishing, 1995, ISBN 1-85780-037-0 Revised Edition, preface in August 1995, 21

[43] Horst Lommel Der erste bemannte Raketenstart der Welt - Geheimaktion Natter Motorbuch Verlag, 1998, ISBN 3-613-01862-4 2. Auflage, Vorwort im November 1997 23 7. Literatur 188

[44] Hrsg. Ron Howard, Jim and Marilyn Lovell, with Jeffrey Kluger, William Broyles, Jr. Apollo 13 Universal Pictures Germany, 1995/2004, p/n 903 679 9 . 18 Auflage 2004 Umschlag 2004 - Audio-Kommentar der Beteilgten 24

[45] H. Dieter Köhler Die deutsche Luftfahrt - Band 5 Ernst Heinkel - Pionier der Schnellflugzeuge Bernard & Graefe, 1983, ISBN 3-7637-5281-1 31

[46] Klaus Lindner, Karl-Heinz Neumann, Peter Stache (für Raumfahrt), u.a., Herausgeberkollektiv des »Jugendlexikon a-z« Gerhardt Butzmann, Jonny Gotschalg, Günter Gurst, Annelies Müller-Hegemann Jugendlexikon Astronomie und Raumfahrt VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1983, Best.Nr. 576 924 3 - LSV 9807 3., durchgesehene Auflage Redaktionsschluß 30.5.1982 32

[47] Michael Light 100 Suns Knesebeck, 2003, ISBN 3-89660-190-3 deutsche Auflage, letzter Eintrag in der Chronologie 19.03.2003; Beginn des 2. Irak- Krieges 33

[48] Sterne und Weltraum Spektrum, ISSN 0039-1263 - übliche Zitatenkennung SuW 41

[49] Günter Stein Die neue Bombengeneration - Die Gleitbombe (Archiv des Verfassers, kopierte Einlage in [33]) 42

[50] Marco Cáceres Why space mishaps are on the rise Aerospace America 7/2000 pp.18-20 43 7. Literatur 189

[51] Robert Braham (ed.) special report - Ballistic Missile Defense: It's Back David E. Mosher The Grand Plans Geoffrey E. Forden The Airborne Laser Dave Dooling Space Sentries George N. Lewis & Thoedore A. Postol Future challenges to ballistic missile defense IEEE Spectrum September 1997, ISSN 0018-9235/97, 9/1997 pp.26-69 44

[52] I-Shih Chang, Susumu Toda, Seishiro Kibe European Space Launch Failures AIAA 2000-3574 A00-36757 51

[53] ed. M.R. Sims Beagle 2 Mars Mission Report Lander Operations Control Centre - University of Leicester, 2004, ISBN 1 898489 35 1; Beagle-2: Lessons Learned and Management an Programmatics Lander Operations Control Centre - University of Leicester, 2004, ISBN 1 898489 36 X unter http://www.src.le.ac.uk/projects/beagle2/report/ als .pdf-Dateien verlinkt 20.08.2004, »Neither document is endorsed by PPARC, ESA, or any agency.«, sowie http://www.beagle2.com ; vergleiche besonders auch: ed. R.Bonnefoy Beagle 2 - ESA/UK Commission of Inquiry report, 5 April 2004 als .pdf-Datei, http://www.bnsc.gov.uk/assets/channels/resources/press/report.pdf

[54] Columbia Accident Investigation Board Report Volume I, August 2003 Volume II-VI, October 2003 unter als .pdf-Dateien http://www.caib.us http://www.nasa.gov/columbia , - siehe auch: http://www.nara.gov

[55] Johannes Fiebag, Thorsten Sasse Mars - Planet des Lebens Econ, 1996, ISBN 3-430-12790-4 Vorwort Oktober 1996, S.161f. 7. Literatur 190

[56] Lexikaeinträge zum Nedelin-Desaster aus http://www.aerospaceweb.org Q&A und http://www.wikipedia.org/ , Oktober 2005

[57] James Oberg Disaster at the Cosmodrome Air & Space Magazine December 1990, via [8]

[58] Diane Vaughan The Challenger Launch Decision - Risky Technology, Culture, and Deviance at NASA The University of Chicago Press, 1996, ISBN 0-226-85176-1 paperback edition 1997, printing 97 2

[59] Jesco v. Puttkamer Vorlesung an der FH Aachen, Dezember 1994/1996/2001

[60] D. Jacob Umdruck Raumfahrzeugbau II, ILR RWTH Aachen, Sommersemester 1996, Folie 5.3f., mit Notizen des Verfassers nach [61][62] u.a.

[61] Oskar Höfling Physik Band II Teil 3 Quanten und Atome Dümmler, 1986, ISBN 3-427- 3-X dreizehnte Auflage, Vorwort im Frühjahr 1986, S.979f.

[62] anonym Periodic Table of the Elements - Table of Periodic Properties of the Elements Sargent-Welch, 1979/1962-1980, Cat.No. S-188606

[63] Gunter Dieter Krebs Gunter's Space Page - Nuclear Powered Payloads, http://www.skyrocket.de/space/home.html last updated 03.01.2005

[64] Kleine Enzyklopädie Technik VEB Bibliographisches Institut Leipzig, 1984, LSV 3007 Best.-Nr. 576 960 6 . 01800 3., neubearbeitete Auflage, Redaktionsschluß Juni 1983, Tafeln nach S.752 7. Literatur 191

[65] Sven Grahn Space History Notes unter http://www.svengrahn.pp.se/histind/histind1.htm , Mars-3 image http://www.svengrahn.pp.se/histind/Mars3.html mit Bild von Mikhail Marov (Keldysh Institut) und Arnold Selivanov (Lavochkin-Gesellschaft) via Brian Harvey zum Zitat aus [32-TV] The E-3 Lunar probes of 1960 http://www.svengrahn.pp.se/histind/E3/E3.htm , und Object E - the early Soviet Lunar probes (zur Typbezeichnug E-2A, nach [8] : E-3) http://www.svengrahn.pp.se/histind/E3/Eobjects.htm

[66] Robert Zubrin The Case for Mars Touchstone, 1997, ISBN 0-684-83550-9 printing 2, foreword by Arthur C. Clarke 1 March 1996

[67] Heinz Gartmann Der Schuss zum Mond - Raketen Satelliten Raumflugkörper in: Das neue Universum Band 76 Union Verlag Stuttgart, 1959, S.182ff. letztes genanntes Datum April 1959

[68] Das Nedelin-Desaster Fernsehdokumentation 2003, ARD u.a. öffentlich-rechtliche, Archiv des Verfassers

[69] Die Mir-Kollision Besuch und Vortrag der Besatzung an der RWTH Aachen, übersetzt von Sigmund Jähn, ESA

[70] Wolfgang Wagner Die deutsche Luftfahrt - Band 1 Kurt Tank - Konstrukteur und Testpilot bei Focke-Wulf Bernard & Graefe Verlag, 1980, ISBN 3-7637-5271-4, S.205f. Vorwort im März 1980, mit Blatt Ergänzungen + Errata

[71] James E. Oberg The Sky's No Limit to Disinformation Air Force magazine, March 1986, Vol. 69, No. 3, pp. 52-56, http://www.jamesoberg.com/031986disinformation_saf.html , via [8]

[72] Scott Adams The Dilbert Principle, Boxtree, 1996, ISBN 0 7552 2287 2, S.315ff. printing 4 7. Literatur 192

[73] Andrei Ujica, Mannschaft Ozon Out of the Present, D/F/RUS 1995 - siehe auch http://www.imdb.com

[74] Station IMAX - siehe auch http://www.imdb.com

[75] Richard P. Laeser, William I. McLaughlin, Donna M. Wolf Fernsteuerung und Fehlerkontrolle von Voyager 2 Spektrum der Wissenschaft, ISSN 0170-2971, 1/1987 S.60ff.

[76] Thomas Bührke, SOHO - Exploring the Sun Sterne und Weltraum 5/2000 S.338ff. SuW 39 Nr. 5 - auch: Daniel Fischer Sohos Rückkehr: die Rettung eines Satelliten Sterne und Weltraum 11/1998 S.928ff. SuW 37 Nr. 11, ISSN 0039-1263; Soho wieder im Einsatz Sterne und Weltraum 4/1999 S.323 SuW 38 Nr. 4, ISSN 0039-1263; SuW Special 4 - Sonne, S.38ff., ISSN 1434-2057; und http://www.suw-online.de

[77] Sven Grahn China's first two satellites or - Did it ever occur to you how similar to Telstar-1 they look? Adresse bei Zugriff: http://www.svengrahn.pp.se/histind/China12/China12.htm

[78] Sven Grahn Luna 3 - the first view of the moon's far side Adresse bei Zugriff: http://www.svengrahn.pp.se/trackind/luna3/Luna3story.html

[79] Don P. Mitchell Soviet Moon Images Adresse bei Zugriff: http://www.mentallandscape.com/C_CatalogMoon.htm

[80] Graeme Ferguson, Toni Myers The Dream Is Alive National Air and Space Museum / Smithsonian Institution / Lockheed Corp. / NASA / IMAX, 1985/2001, Warner Brothers DVD Z5 X8017 Best.Nr. 89801795 - siehe auch http://www.imdb.com

[81] Willi Mönck Holzbau - Grundlagen für Bemessung und Konstruktion VEB Verlag für Bauwesen, 1974/1983, Best.Nr. 562 0254 DK 624.011.1, 694.1/5 9., durchgesehene Aufl. 7. Literatur 193

[82] Ivars Peterson Was Newton nicht wußte - Chaos im Sonnensystem Birkhäuser, 1994, ISBN 3-7643-2978-5 Druck 1, Vorwort Juni 1993

[83] André Wegener Sleeswyk Das Hodometer des Vitruvius Spektrum der Wissenschaft 12/1981 S.62ff., ISSN 0170-2971 aus Scientific American, Oktober 1981

[84] Johannes Kepler Brief an Wilhelm Schickard, mit Zeichnung von Wilhelm Schickard Spruch des Monats, mc, Franzis' Verlag, 4/1982 S.67

[85] Rostislav Apollosovich Belyakov and Jacques Marmain MiG - Fifty Years of Secret Design Airlife, 1994, ISBN 1 85310 488 4, print 2 erste französische Ausgabe 1991, Einleitungsinterview 06.03.1991, J. Marmain verstarb im Dezember 1993

[86] Bruce Campbell If Chins Could Kill Thomas Dunne Books, 2002, ISBN 0-312-29145-0 extended paperback edition August 2002 print 1

[87] Raumfahrt-Typenblätter AI/07a/1967 Saturn V, B II/38/1969 Apollo, B III/37/1969 Lunar Module DGRR-Mitteilungen - nach: Raumflugmechanik II, Umdruck zur Vorlesung an der RWTH Aachen Erstellt im April 1990, S.32b-e

[88] Dennis Armstrong (ed.), Brian Dunbar Frequently Asked Questions - Space Shuttle and International Space Station http://www.nasa.gov -> Shuttle-FAQ (Kennedy Space Center, About Kennedy) last updated: August 3, 2005

[89] Der Mond - Hallwag Universumkarte Hallwag, 1978/1992, ISBN 3 444 00001-4, Indexheft S.19 Ausgabe 1992, ohne Landeort Luna 24 7. Literatur 194

[90] Andrew Chaikin The Farthest Place p.2 in: Michael Light Full Moon Jonathan Cape - Random House, 1999, ISBN 0-224-05128-8, printing 1

[91] anonym NASA Educational Briefs - For the classroom EB 83-7 NASA's Getaway Special 1983 nach STS-6, 04.04.1983, mit MBB-ERNO PASS nach STS-7, 18.06.1983

[92] Gernot Schmidt Space Systems Technology - in: Space Course Aachen 1991, Vol.II, Kapitel 10, S. 40-7ff.

[93] Hauke Dodeck Mission Goals and Present Status of the Spacelab Mission D-2 in: P.R. Sahm, M.H. Keller, B. Schiewe (ed) Research Program of the German Spacelab Mission D-2 - Second Revised Edition WPF c/o DLR Köln, January 1993, S.23ff.,28

[94] H. Dodeck The D-2 Project in: ed. P.R. Sahm, M.H. Keller, B. Schiewe Proceedings of the Norderney Symposium on Scientific Results of the German Spacelab Mission D-2 DLR/RWTH - WPF, 1995, ISBN 3-89100-025-1, S.37ff. Vorwort im März 1995

[95] G. Hirzinger ROTEX - The First Remotely Controlled Robot in Space in: ed. P.R. Sahm, M.H. Keller, B. Schiewe Proceedings of the Norderney Symposium on Scientific Results of the German Spacelab Mission D-2 DLR/RWTH - WPF, 1995, ISBN 3-89100-025-1, S.71ff. Vorwort im März 1995

[96] Jürgen Michels, Jochen Werner Die deutsche Luftfahrt - Band 22 Luftfahrt Ost 1945-1990 Bernard & Graefe, 1994, ISBN 3-7637-6109-8 Vorworte im Frühjahr 1994

[97] BBC World News, 12.07.2005, 15:00MESZ 7. Literatur 195

[98] R. Boyce, Vortrag am ILR, 25.11.2005

[99] Peter Milger NordWestPassage - Der kurze aber tödliche Seeweg nach China oder die Gesellschaft der Abenteurer vgs, 1994, ISBN 3-8025-2295-8

[100] Reinhardt Wurzel und Jürgen Michelberger, Earthgrazer - Wunder des Himmels Sterne und Weltraum 11/2005 S.76ff. SuW 44 Nr. 11, ISSN 0039-1263 und http://www.suw-online.de

[101] Peter Scholl-Latour Allah ist mit den Standhaften - Begegnungen mit der islamischen Revolution Wilhelm Heyne Verlag, 1983, ISBN 3-453-05800-3, ungekürzte Taschenbuchausgabe Heyne Sachbuch Nr.19/210, 1992, Hinweise S.14 Anhänge 196

Astronomische Einheit, 1.4959787 11 m Bit eine binäre Informationseinheit Byte 8 in einem Wort zur gleichzeitigen Bearbeitung zusammengefaßte Bit g mittlere Schwerebeschleunigung an der Erdoberfläche, 1 g = 9.80665 m/s² GB Gigabyte, 1024³ * 8 binäre Informationseinheiten - °) ft Fuß, foot, feet 1 ft = 12 in = 0.3048 m in Zoll, inch 1 in = 0.0254 m kB Kilobyte, 1000 * 8 binäre Informationseinheiten - °) KB Kilobyte, 1024 * 8 binäre Informationseinheiten - °) lb Pfund, 1 lb = 0.4536 kg (Plural: lbs) MB Megabyte, 1024² * 8 binäre Informationseinheiten - °) Meile , römische, milia ~ 1480 m mile, UK, 1 mile = 1760 yds = 1609.3426 m statute mile, U.S., 1 mi = 1760 yds = 1609.3472 m international nautical mile, 1 NM = 1852 m Imperial nautical mile, 1 impNM = 1853.181 m US nautical mile, 1 USNM = 1853.248 m , französische = 4450 m , geographische = 1/15 Äquatorgrad = 7420.439 m Post-Meile, in Sachsen, im Norddeutschen Bund nach metrischem System = 7500 m , preußische, auch deutsche Land-Meile = 7532.48 m yd, yds yard, yards, 1 yd = 3 ft = 0.9144 m

°) oft werden für KB, MB, GB stillschweigend und fälschlich 1 3 * 8, 1 6 * 8, bzw. 1 9 * 8 binäre Informationseinheiten angenommen. Die Abweichung beträgt -2.34, -4.63, bzw. -6.87 %.

Für Begriffe aus Sprachen, die in einem anderen Alphabet dargestellt werden als dem Lateinischen wurde für die vorliegende Arbeit die inzwischen auch im Deutschen überwiegend verwendete und gelegentlich präzisere englische Transkription bzw. Transliteration gewählt, außer in begründeten Ausnahmefällen. Beispielsweise wird der kyrillisch geschriebene russische Name der Erzeugnisse 3KV und 3KB des OKB-1 als Voskhod transliteriert, nicht als Woschod oder, besser der tatsächlichen Aussprache entsprechend, Wos'chod oder Woß'chod; deren Basismodell, der Aufklärungssatellit 2K Zenit-2, hieße korrekt deutsch translitieriert Senit (S wie in See), nicht Zenit, wie oft auch in an sich deutsch transliterierten Büchern zu lesen steht. Ein Beispiel für die Anhänge 197 präzisere Transliteration ins Englische ist das bewährte Raumschiff 7K Soyuz, denn beim deutschen Sojus ist nicht offensichtlich, daß das S wie in Wasser, das s aber wie in See ausgesprochen wird. Dagegen bliebe z.B. der Arabisch nach Deutsch als es Scheikhu Tury transliterierte Name des früheren guinesischen Staatschefs in der international fast ausschließlich verwendeten französischen Schreibweise Sekou Touré. [101] Sergej Pawlowitsch Koroljow, langjähriger Leiter des OKB-1 und praktischer Pionier der sowjetischen Raumfahrt, wird als Sergei Pavlovich Korolev transliteriert, auch wenn diese fast ausschließlich verwendete Form das ausgesprochene yo (kyrillyisch nicht immer in der Lehrbuchschreibweise ë geschrieben) zum ye (kyrillisch e, das in den meisten Texten beide Aussprachen umfassen kann) werden läßt. [1-197][7-325f.][12-xvi]

Die oft erwähnte Populärbezeichnung Soyuz bezieht sich nicht nur auf die 18 verschiedenen geflogenen Raumschiffserien der Familie Soyuz 7K und mindestens drei weitere bis in die Komponentenfertigung fortgeschrittene Studien, sondern auch auf acht Serien von Trägerraketentypen und mindestens fünf weitere Studien zu diesen, die auf den Typ R-7 zurückgehen, die erste Interkontinentalrakete und den Träger des Sputnik. Ähnlich verhält es sich mit dem gemeinhin als Vostok bezeichneten Kapseltyp, der auf das Raumschiff 1KP Korabl- Sputnik 1 Sputnik IV vom 15.05.1960 zurückgeht, von dem 21 Versionen und fünf zugehörige Trägervarianten unter verschiedenen echten, geheimen, und Tarnbezeichnungen geflogen wurden. Zur eindeutigen Kennzeichnung wurden daher gegebenenfalls die sowjetischen Typenbezeichnungen verwendet, sofern sie sich aus der Quelle selbst, dem Kontext, anderen ausgewerteten Quellen oder zusätzlichen, aber nicht statistisch ausgewerteten Quellen erschließen lassen. Daher stimmt die verwendete Typbezeichnung unter Umständen nicht oder nur teilweise mit der in einer angeführten Quellenstelle verwendeten überein. Folgende Beispiele aus der verwendeten Literatur bezeichnen ein und den selben Flugkörper: Soyuz-U, Soyuz launcher, R-7-type , Artikel 11A511U, A-2 (im Library of Congress-System), SL-4 (im System des U.S. Department of Defence), Sapwood (im ASCC Berichtssystem). Bei rein militärischen Flugkörpern, z.B. Interkontinentalraketen, kommt oft noch eine Eingliederung in einen Komplex dazu, der andere Bezugsnummern und Tarnnamen haben kann. Für das Urmodell dieser Serie, die R-7 (Herstellerbezeichnung), Artikel 8K71, SS-6 (DoD), Sapwood (ASCC), ist die Einordnung in den Komplex 8K71. Die viel bekanntere R-11, Artikel 8A61 (Flugkörper), Artikel 8K14 (generell), Aerofan (Populärname), ist mit einer vom Flugkörper abweichenden Nummer dem Komplex 8K14 zugeordnet; die westlichen Bezeichnungen sind SS-1B (DoD) und Scud A (ASCC). Es kommt also zu teils erheblichen Mehrdeutigkeiten.

Bei einigen westlichen Systemen ergibt sich eine ähnliche Situation, wenn sich militärische Bezeichnungssysteme aus verwaltungstechnischen Gründen geändert haben, jedoch gibt es dort üblicherweise keine bewußt irreführenden Bezeichnungen, und alle verwendeten Bezeichnungen sind veröffentlicht, soweit es den Bereich der vorliegenden Arbeit betrifft. Auch hier ein Beispiel, bei dem sich alle Bezeichnungen auf einen einzigen Flugkörper beziehen: Atlas-F, Atlas, SM-65F (bis Juni 1963), HGM-16F (ab Juni 1963), CGM-16F (DoD), SLV-3 (USAF), Atlas E/F Space Booster (halboffiziell und technisch korrekt, da Bauteile aus beiden eingelagerten Serien je nach Anhänge 198

Missionsanforderung gemischt verwendet wurden, zusammen mit dem in Vandenberg AFB oder am Cape Canaveral stationierten GERTS Lenksystem der Atlas D), Atlas F/Trident, Atlas F 94F (tail number, aus den gegebenen Gründen nicht zwingend identisch mit der Seriennr., und in der Regel nicht identisch mit der fortlaufenden Startzahl), Atlas F/Trident 94F. Andere Atlas-Varianten hatten noch weitere Bezeichnungen außerhalb dieser Serien, nämlich MX-1593, X-11, WS-107A-1, B-65, (XSM-65A Atlas A); X-12, PGM-16B (XSM-65B Atlas B). [8] Über die Kennzeichnung von einfachen Varianten hinaus ist daher eine genauere Bestimmung nur dann erforderlich, wenn es sich vorallem technisch betrachtet um einzelne Exemplare handelt, z.B. in einer von der Serienfertigung abweichenden Form, oder in der Entwicklung, bevor es zu jener kommt.

Eine Hilfe bei der Ermittlung korrekter Zonenzeiten für die in Kapitel 3.2.1. erwähnten ballistischen Langstreckenflüge oder Rückführungen aus der Umlaufbahn kann die Tatsache sein, daß Satelliten, soweit sie nicht hoch manövrierfähig sind oder die Umlaufbahn über längere Zeiträume präzediert hat, bei einer in etwa konstanten Ortszeit ihre Bodenspur ziehen, wobei sich die Erde unter der in erster Näherung raumfesten Umlaufbahn dreht. Für die dort erwähnte Discoverer 14 Corona Mission 9009 wurde zwar in einer Quelle die GMT-Startzeit (heute, mit Verschiebung durch eingefügte Schaltsekunden zur Anpassung an die Erddrehung, annähernd gleich UTC) angegeben, aber die Kapselbergung ist in einer nicht definierten Zeitzone. Aus der Angabe der anderen Quelle zur Startzeit in Pacific Daylight-saving Time (PDT) und dem angegebenen Ort wird aber klar, daß es sich um die Zonenzeit für Hawaii handeln muß, das auch wie erwartet einige Minuten früher im von Nord nach Süd führenden Umlauf liegt, wobei die Lage beim absteigenden Knoten der Bahn aus dem Kontext bekannt ist, da das Wiedereintrittskommando einige Minuten vor der Rückführung von Alaska aus gegeben wird. [16-66ff.] In rein technisch- wissenschaftlichen Arbeiten kann von GMT bzw. UTC ausgegangen werden, wenn nicht die Missionszeit ab dem Start in Fortschreibung des Countdown angegeben ist (MET - Mission Elapsed Time). Westliche Pressemitteilungen enthalten in der Regel die möglicherweise unterschiedliche Zonen- oder Ortszeit, während die meisten Angaben sowjetischer Starts sich auf Moskauer Zeit beziehen. Aus dem Kontext oder Kollateralinformationen kann zuweilen auf Typ und Variante des Trägers geschlossen werden, wenn keine anderen Informationen vorliegen. Dies ist für interplanetare Träger manchmal möglich, auch wenn sie noch der Geheimhaltung unterlagen wie die Proton-Familie bis weit in die 1980er Jahre. Sowjetische interplanetare Sonden bis 1965 sind immer mit R-7-Derivaten gestartet worden, da die zweistufige UR-500 8K82 Proton erstmals am 16.07.1965 flog und die eigentlich interplanetaren vierstufigen Varianten mit der 8K82K / 11S824 erst ab dem 10.03.1967 für das 7K-L1 Zond-Programm und die großen Sonden der Serien Ye-8 Luna, M-69 bis M-73 Mars und 4V-1 Venera, wobei die dreistufige Basiskomponente UR-500K 8K82K Proton 3, die später für Raumstationsmodule verwendet wurde, sogar erst am 16.11.1968 unabhängig flog. [8][46][64] In diesem Fall kann man sich an der Nutzlastangabe orientieren. Die Verwendung einer Proton ist wahrscheinlich, wenn das angegebene Gewicht einer Landekapsel ohne ihren Bus nahe den Nutzlastgrenzen der R-7-Varianten für die betreffende Mission ist, oder auch bei einer fehlenden Gewichtsangabe für spätere Sonden in der sehr ertragreichen DDR-Literatur. Anhänge 199

Zu Kapitel 6.3.2., S.118:

»Mc Namara sought to centralize control of all Department of Defense (DoD) policies and activities. One symbol of this was the use of Program Evaluation and Review Technique (PERT) charts. These were spiderweb-like diagrams in which each step in a development program was laid out, with details as to how much each would cost, how long it would take, and how it affected the others. They were based on the assumption that the unknown could be planned, that innovation could be scheduled, and that the process was more important than the product. The PERT charts gave the Whiz Kids control. When McNamara looked at the satellite program, he found a strange little group of a few Air Force and CIA officers. It was highly decentralized, with a great deal of personal initiative and a close partnership between managers and contractors. They used none of the management techniques he was forcing on the DoD. The management of Corona was everything that McNamara opposed, did not understand, and saw as bad government.« [16-146], mit Hinweis auf Byrne, The Whiz Kids, S.419f. in Fußnote 53 [16-333].

Zu Kapitel 6.3.2., S.120:

»In our time, the lesson of Corona is of critical importance. Any future space activities [...] will require teamwork and continuing political support, even in the face of failures. In the current political environment, this will be particularly difficult. Self-appointed »experts« harp on any setback, oppose any and all programs, and denigrate those with the courage to try. But in the final analysis, these new »Whiz kids« have nothing positive to contribute.« [16-264f.]

»CORONA showed that using a small team of committed people is the right way to carry out such programs. All experience since then has shown that using accounting systems, business school approaches, and management slogans cannot substitute for a small team of intelligent and highly motivated people. If CORONA teaches anything, it is to be courageous and persevere. One can only admire the Bissel-Ritland team. They launched relentlessly until they got it right. Their incredible gift to the nation was the result of vision and determination. The country owes them an enormous debt.« [4-47]

»Bissell and Ritland gave Lockheed »performance« specifications for the U-2 rather than using the standard Air Force practice of giving »technical« specifications. According to Clarence L. »Kelly« Johnson, Lockheed program manager for the U-2, this allowed Lockheed to focus on performance goals rather than individual specifications. It gave the contractor greater flexibility in designing and building the aircraft. The arrangement became a unique partnership between the Lockheed Corporation and the government. Such unique streamlined management and acquisition practices were employed throughout the U-2's development, and set a precedent for the NRO's approach to reconnaissance satellites. Time and results mattered, not bureaucratic paperwork.« [4-144] Anhänge 200

»We had lived and died by fourteen basic operating rules that [Clarence L. '']Kelly['' Johnson] had written forty years earlier, one night while half in the bag. They had worked for him and they worked for me[, Ben R. Rich, as head of Lockheed's Skunk Works]:

1. The Skunk Works program manager must be delegated practically complete control of his program in all aspects. He should have the authority to make quick decisions regarding technical, financial, or operational matters. 2. Strong but small project offices must be provided both by the military and the industry. 3. The number of people having any connection with the project must be restricted in an almost vicious manner. Use a small number of good people. 4. Very simple drawing and drawing release system with great flexibility for making changes must be provided in order to make schedule recovery in the face of failures. 5. There must be a minimum number of reports required, but important work must be recorded thoroughly. 6. There must be a monthly cost review covering not only what has been spent and committed but also projected costs to the conclusion of the program. Don't have the books ninety days late and don't surprise the customer with sudden overruns. 7. The contractor must be delegated and must assume more than normal responsibility to get good vendor bids for subcontract on the project. Commercial bid procedures are often better than military ones. 8. The inspection system as currently used by the Skunk Works, which has been approved by both the Air Force and the Navy, meets the intent of existing military requirements and should be used on new projects. Push basic inspection responsibility back to the subcontractors and vendors. Don't duplicate so much inspection. 9. The contractor must be delegated the authority to test his final product in flight. He can and must test it in the initial stages. 10. The specifications applying to the hardware must be agreed to in advance of contracting. 11. Funding a program must be timely so that the contractor doesn't have to keep running to the bank to support government projects. 12. There must be absolute trust between the military project organization and the contractor with very close cooperation and liason on a day-to-day basis. This cuts down misunderstanding and correspondence to an absolute minimum. 13. Access by outsiders to the project and its personnel must be strictly controlled. 14. Because only a few people will be used in engineering and most other areas, ways must be provided to reward good performance by pay not based on the number of personnel supervised.

[...15.] Armed with high hopes [for the stealth submarine and surface ship], I took our design and test results to the Pentagon office of a Navy captain in charge of submarine R[esearch]&D[evelopment]. By the time I left his office, I was grimly reciting Kelly's Skunk Work Rule Number Fifteen. Fourteen of his rules had been written out, but the fifteenth was known only by word of mouth, verbal wisdom passed on from one generation of employees to the next: »Starve Anhänge 201 before doing business with the damned Navy. They don't know what the hell they want and will drive you up a wall before they break either your heart or a more exposed part of your anatomy.« [...] No ship ever went to sea - [...after tests that proved the surface ship, a small catamaran more invisible to radar than the sea itself, could do with a crew of four what an Aegis frigate couldn't with a crew of 300...] we were drydocked before we had really got launched. So I held back: I had a design for a stealthy aircraft carrier that would show up on radar no bigger than a life raft, but I had already proven Kelly's unwritten rule about dealing with the Navy. Why ignore it twice?« [20-53ff.,295,304]

Mit dem in Kapitel 4. beschriebenen Verfahren wurden Ergebnisauszüge der Auswertung für bestimmte Gruppen von Raumflugkörpern erstellt. Eine Auswahl der Auszüge, die im Text näher diskutierte Gegenstände betreffen, ist in der Standardform wie Tabelle 6.1 bis 6.3 im folgenden angefügt: