62 CLAUS BERNET

MISZELLEN

Ein unbekannter Brief von in deutscher Sprache an die Hamburger Bürger aus dem Jahre 1679

George Fox (1624-1691) war der Begründer der Quäker, die als religiös-soziale Bewegung um die Mitte des siebzehnten Jahrhunderts in England entstanden wa- ren. Sehr früh wurden von dort Missionare auf den Kontinent geschickt, die Send- schreiben in verschiedenen europäischen Sprachen verteilten. Vornehmlich wa- ren dies, wegen ihrer guten Erreichbarkeit, Küstenstädte wie Danzig, oder Hamburg. Am 25. Juli 1677 war Fox zusammen mit Robert Barclay, George Keith, des- sen Frau Elizabeth (Johnson), John Furly und dessen Bruder Benjamin, William Tallcoat, George Watts und Isabel Yeomans von London zu einer Europareise aufgebrochen.1 Unter den Reisenden befand sich auch , der später die englische Kolonie Pennsylvanien gründete. Als Übersetzer begleitete der Holländer Jan Claus mit seiner Frau Barent van Tongueren die Gruppe. Er war ein Bruder des Amsterdamer Buchhändlers Jacob Claus, der den unten wiederge- gebenen Brief in Amsterdam in den Druck gab. Von Amsterdam aus schlossen sich noch James Harrison und John Hill der Gruppe an, beides englische Quäker. Andere hingegen, wie Penn, das Ehepaar Keith, Barclay, Gertrude Dirick Nieson und Yeoman, die mit Fox erst wieder im September 1677 in der Labadistenkolonie zusammentraf, verließen Amsterdam, um die Pfalzgräfin Elisabeth (1618-1680) aufzusuchen. Dieser Besuch ist oftmals beschrieben worden, wäh- rend die Aktivitäten von George Fox in Norddeutschland bislang kaum bekannt sind. Am 15. August 1677 erreichte er mit den übrigen Quäkern Emden. Dann ging die Reise mit gemieteten Wagen weiter nach Leer, Oldenburg, Delmenhorst und Bremen (18. August 1677). Über Buxtehude zog die Gruppe weiter nach Ham- burg, wo sie im Hause eines Quäkers Unterkunft fand. Da man an einem Sonntag (19. August) angereist war, wurde sogleich eine Quäkerandacht gehalten. George Fox war nicht der erste Quäker in Hamburg. 1657 waren bereits William Wilson und Reginald Holmes von London aus in die Hansestadt ge- kommen, um dort zu predigen. Das hieß, es wurden Andachten nach Art der Quäker gehalten, in denen Männer wie Frauen das Wort ergreifen konnten. Ein Jahr darauf erschienen wiederum zwei Quäker in Hamburg.2 Im Mai 1660 wur- de eine kleine Gruppe von Quäkern durch den Magistrat verhört, inhaftiert und gefoltert. Wenige Monate später wurde am 24. Juni 1660 ein Ausweisungsman-

1 Der Bericht über diese Reise ist nicht in den Tagebuchausgaben von H. S. Newman (1886), von P. L. Parker (1903, 21905), in der Cambridge-Edition von 1911 oder in der Ausgabe von N. Penney (Tercentenary-Edition, 1924), enthalten, sondern ausschließlich in: N. Penney (Hg.), The Short Journal and Itinerary Journals of George Fox. Cambridge 1925, hier S. 241-247. 2 Wenn Fox, wie hier, in seinem Tagebuch keine Namen angibt, kennzeichnet er Frauen gesondert als „women friends“. Dies ist bei den vier Predigern nicht der Fall, so daß es sich wahrscheinlich um vier Männer gehandelt hat. Einer davon war vermutlich John Hill (Hall); W. Hubben, Die Quäker in der deutschen Vergangenheit. Leipzig 1929, S. 90.

© Koninklijke Brill NV, Leiden ZRGG 58, 1 (2006) Also available online - www.brill.nl Brief von George Fox an die Hamburger Bürger aus dem Jahre 1679 63 dat für alle Quäker innerhalb der Hansestadt erlassen.3 1660 oder 1661 hielt sich William Ames hier auf, 1679 und vermutlich 1685 Roger Longworth – beides talentierte Prediger, die einen Großteil ihres Lebens dem Besuch auslän- discher Glaubensgenossen widmeten. Die Missionsbemühungen dieser Quäker scheinen wenig Erfolg gehabt zu haben. Eine Quäkergruppe wie in Danzig, Fried- richstadt und Kriegsheim konstituierte sich in Hamburg nicht.4 Es gab jedoch einzelne Familien, die dem Quäkertum nahe standen, wie die des ehemaligen Mennoniten und Lehrers Berend Roeloffs.5 Unter diejenigen, die sich zu den Quäkern hielten, zählten Pieter Hendricks (gest. 1689), Cornelius Roeloffs und Heinrich Deen.6 Alle wurden in der zweiten Hälfte des Jahres 1660 aus Ham- burg verwiesen und zogen nach Amsterdam, wo sich eine größere Quäkerge- meinde etabliert hatte. Hamburg wurde zu einem Zentrum der Streitschriften gegen Quäker. Das Hamburger lutherische Kirchenministerium war für die Schrift „Quäcker- Grewel“ verantwortlich, die zu den wichtigsten Antiquakeriana in deutscher Sprache zählt. Sie wurde 1661 durch Johann Müller (1598-1672) in den Druck gegeben. Darauf respondierte der Quäker William Caton wohl noch gegen Jah- resende 1661 mit der Schrift „Die alte Wahrheit erhöhet“. Schon ein Jahr dar- auf schaltete sich der Hamburger Pastor Ulrich Decker in die Auseinanderset- zung ein, „Quäcker Quackeley“ lautet der Titel seiner Schrift. Auch George Fox widmete sich in einem eigenständigen Traktat den Ham- burgischen Antiquakeriana. Es trägt den Titel „Beschirmung der Warheit“ und wurde 1679 in Amsterdam bei Jacob Claus gedruckt. Unmittelbarer Anlaß war offensichtlich sein Aufenthalt in der Hansestadt gewesen. Eine der letzten Schmäh- schriften aus Hamburg war der anonyme „Ausführliche Bericht von denen sich anitzo ereignenden verdamlichen und unrechtmäßigen Quäkerzusammenkünfften“, gedruckt 1693. In ihr berichtet eine Anne Petersen über den Schneider Franz Bothe und angebliche Umtriebe der Quäker in Hamburg. Die Reisegruppe hielt sich 1677 nicht lange in Hamburg auf. Nach nur ei- nem Tag Aufenthalt reiste man am Montag weiter. Es ging ostwärts über Elms- horn und Itzehoe nach Hohenhörn. Man kam nur schwer voran, ununterbrochen regnete es. Von dort ging es auf dem Schiff die Eider abwärts nach Friedrichstadt, wo Fox am Dienstag Abend, den 21. August 1677, eintraf. Nach weniger als einer Woche war er bereits wieder nach Hamburg zurückgekehrt, wo er John Hill wiedertraf, der in der Zwischenzeit in Hamburg geblieben war. Fox weilte diesmal zwei Tage in der Hansestadt, bevor er am 31. des sechsten Monats (August 1677) aufbrach und, teilweise mit dem Schiff, über Bremen, Oldenburg (2. bis 3. September 1677), Leer und Emden in die Niederlande und schließlich nach England zurückkehrte. Das unten wiedergegebene Flugblatt wurde kurz nach der Hamburger Reise verfaßt und verarbeitete die Eindrücke, die Fox zuvor persönlich gemacht hat-

3 Ebd., S. 91 f. 4 Die wenigen Quäker in Hamburg sollten mit denen von Friedrichstadt in einem „half- yearly meeting“ zusammengeschlossen werden; W. Hull, William Penn. Philadelphia 1935, S. 362. Dazu ist es jedoch nicht gekommen. Seit 1677 gehörte Hamburg zum „Amsterdam Yearly Meeting“. 5 Hubben, Quäker (wie Anm. 2), S. 90. Darunter befand sich Jan Roeloffs, der schon 1659 zu den Quäkern übergetreten war, siehe dazu „Dictionary of Quaker Biography in the Library of the Society of Friends“ (), London, U.K. 6 Hubben, Quäker (wie Anm. 2), S. 91.