Diplomarbeit
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DIPLOMARBEIT Titel der Diplomarbeit „Traficando Cultura“ Funk aus Rio de Janeiro im Spannungsfeld zwischen lokaler Identität und globalisierter Jugendkultur Verfasserin Susanne Senekowitsch, MAS angestrebter akademischer Grad Magistra der Philosophie (Mag. Phil.) Wien, Februar 2010 Studienkennzahl lt. Studienblatt: A 307 Studienrichtung lt. Studienblatt: Kultur- und Sozialanthropologie Betreuer: ao. Univ.-Prof. Mag. DDr. Werner Zips 2 Für Ricardo und Debora sowie die Funkeiros und Funkeiras aller Comunidades Cariocas, Brasiliens und weltweit „When you see a river from afar, it may look like a blue (or green, or brown) line across a landscape; something of awesome permanence. But at the same time, ‘you cannot step into the same river twice,’ for it is always moving, and only in this way does it achieve its durability. The same way with culture – even as you perceive structure, it is entirely dependent on ongoing process. More precisely, the flow occurs in time and has directions. As a whole, it is endless; externalizations depend on previous interpretations, depending on previous externalizations. And the externalization now will bring about interpretations which in their turn lead to further externalizations in the future. Yet in detail there are differences, as some of the externalizations are constantly present, some occur again and again, although in each instance they are short lived phenomena; and some seldom or only once. In one way or other, also, the flow is everywhere, for as soon as people make themselves accessible to the senses of others, through physical co-presence or artefactual extensions, they render themselves interpretable” (Hannerz 1992: 4). 3 Danksagung Mein erster und ganz besonderer Dank gilt Ricardo und Debora Nemer, für ihre Gastfreundschaft, Unterstützung und Hilfe während meiner Feldforschung in Rio de Janeiro. Ohne ihren freundschaftlichen Beistand wäre nicht nur ein großer Teil meiner Forschung vor Ort nicht möglich gewesen, sondern wären mir auch persönlich einige Lebenseinsichten verborgen geblieben. Außerdem möchte ich meinen Interviewpartnern innerhalb und außerhalb der Funk-Szene für ihre Mitarbeit danken und allen anderen Menschen in Rio de Janeiro, die mir während meines Aufenthaltes begegneten. Weiters gilt mein Dank Johanna Mayr für ihre Übersetzungshilfe und Mag. Dr. José Rocha Filho, Maanila de Moraes und Guilherme Armani für die Transkription der Interviews. Ein besonderer Dank richtet sich an meine Mutter, meine Schwester, Oliver Stummer und Martin Sägmüller für das Korrekturlesen, meine Eltern und meinen Onkel für ihre Unterstützung und an alle Freunde, Verwandte und Bekannte, die meinen Enthusiasmus erdulden mussten. DDr. Werner Zips danke ich für seine Geduld. 4 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung 8 1.1. Thema 9 1.2. Problemstellung, Zielsetzung, Hypothesen 14 1.3. Aufbau der Arbeit 16 2. Forschungsansatz 19 2.1. Methoden und Techniken 19 2.2. Erläuterung grundlegender Begriffe 31 3. Lokalkulturen im Spannungsfeld der Globalisierung 32 3.1. Neue Kulturkonzepte 33 3.1.1. Veränderungen im Kulturbegriff 33 3.1.2. Hybride Kulturen 36 3.2. Globalisierung 41 3.2.1. Global Flows 43 3.2.2. The Global City 50 3.2.3. Elektronische Medien und neue Kommunikationstechnologien 55 3.2.4. Globalisierung und Lokalisierung 63 4. Lokale Kreativität und globale Einflüsse 68 4.1. Das lokale Umfeld des Funk in Rio de Janeiro 68 4.1.1. Rio de Janeiro – eine „geteilte Stadt“ 69 4.1.2. Die Favelas von Rio de Janeiro 71 4.2. Die historische Entwicklung des Genres 77 4.2.1. Die Zona Norte tanzt zu US-amerikanischer Black Music 78 4.2.2. Die Entwicklung eines eigenen Musikstils 88 4.3. Charakteristiken des Funk Carioca 99 4.3.1. Der Baile Funk – das Fest 99 4.3.2. Aspekte der Funk-Kultur 112 4.3.3. Organisation und Produktion 116 5 5. Zur Konstruktion des „Anderen“ im lokalen Diskurs 121 5.1. Der lokale Diskurs 121 5.1.1. Diskurstheorie und Diskursanalyse 122 5.1.2. Zwischen Verbot und Anerkennung 128 5.1.3. Ein umstrittener Teil der Lokalkultur 137 5.2. Funk, Identität und Repräsentation 150 5.2.1. Selbst- und Fremdrepräsentation 151 5.2.1.1. Der Funkeiro als Sinnbild des Marginalen 151 5.2.1.2. Funk als Ausdruck der Comunidades 159 5.2.2. Ein neuer Repräsentant brasilianischer Kultur 164 5.2.2.1. Funk und Samba 164 5.2.2.2. Das Konzept der Antropofagia 168 5.2.2.3. Der Mythos der democracia racial 172 6. Die globale Betrachtung eines lokalen Phänomens 180 6.1. Ein transnationaler musikalischer Trend entsteht 180 6.2. Der mediale Diskurs 188 6.2.1. Der internationale Mediendiskurs zu Funk 189 6.2.1.1. Funk als Synonym für Sex und Gewalt 189 6.2.1.2. Charakteristiken des Diskurses 194 6.2.1.3. Der „Andere“ im internationalen Diskurs 202 6.2.2. Der mediale Diskurs zur internationalen Verbreitung 205 6.3. Kennzeichen der internationalen Verbreitung 208 6.4. Funk Carioca als Teil einer globalen Ghettokultur 221 6.4.1. Die „New World Music“ und das globale „Hipster“-Publikum 221 6.4.2. Die Diskussion um M.I.A. in der „Blogosphäre“ 229 6.4.3. Die „New World Music“ als Nicht-Ort 234 6.4.4. Clubkulturen und DJ Cultures 242 7. Schluss 249 Bibliographie 264 6 Anhang 276 Abbildungen 276 Portugiesische Originalzitate 276 Glossar 285 Interviews (Gruppen von Interviewpartnern, Codierleitfaden) 287 Abstract (Deutsch) 289 Abstract (Englisch) 290 7 1. Einleitung Traficando Cultura Pintam na sua frente abordando o negão Sebá, pergunta se está portando Por isso vai lhe interrogar Ofendem, são intolerantes, marginalizam só pra variar dizendo favela é local suspeito Por isso eu vou lhe revistar E responde Sebá Meu movimento é político-social, meu tráfico é cultural, Meu movimento é político-social, meu tráfico é cultural, Vem comigo, Vamos traficar cultura, desentocar as peças, marcar atividade, o negócio é plantar Vamo lá, vamo lá, vamos traficar cultura, desentocar as peças, marcar atividade, o negócio é plantar Vou te dizer, tem preto e tem branco moço, tem sim, empenhado no seu bem-estar A favela é socialista me deu overdose de consciência, Religiosidade, fé em Deus, trazemos no coração Paz, justiça e liberdade, guerra pelo bem sem destruição E responde Sebá, Meu movimento é político-social, meu tráfico é cultural, Meu movimento é político-social, meu tráfico é cultural Vem comigo, vem comigo Vamos traficar cultura, desentocar as peças, marcar atividade, o negócio é plantar Vamos traficar cultura, desentocar as peças, marcar atividade, o negócio é plantar… (Mr. Catra , CD: Mr. Catra - O Fiel, 1997) Mit Kultur handeln 1 Sie tauchten vor ihm auf und durchsuchten den Schwarzen Sebá, fragten, ob er eine Waffe trägt Deshalb wird er ihn verhören Sie beleidigen, sind intolerant, marginalisieren nur zur Zerstreuung, sagen, dass die Favela ein verdächtiger Ort ist Deshalb werde ich dich durchsuchen Und da antwortete Sebá Meine Bewegung ist gesellschaftspolitisch, mein Handel ist kulturell, Meine Bewegung ist gesellschaftspolitisch, mein Handel ist kulturell, Komm mit mir, Wir werden mit Kultur handeln, die Stücke aufstöbern [bedeutet im Drogenhandel auch „die Waffen aus dem Versteck holen“, Anm. d. A..], aktiv sein [bedeutet im Drogenhandel auch „in Alarmbereitschaft, wach sein und etwas bewachen“ Anm. d. A..], es geht darum etwas zu errichten [bedeutet im Drogenhandel auch „an einem fixen Ort bleiben, um das Territorium abzustecken und es nur tot zu verlassen“ Anm. d. A..] Lass uns gehen, lass uns gehen, wir werden mit Kultur handeln, die Stücke aufstöbern, aktiv sein, es geht darum etwas zu errichten Ich sage dir, es gibt schwarz, es gibt weiß [einerseits auf die Hautfarbe bezogen, bedeutet im Drogenhandel aber auch Marihuana und Kokain, Anm. d. A..], Junge, ja das gibt es, bemüht mit ihrem Wohlergehen, Die Favela ist sozialistisch, gibt mir eine Überdosis an Bewusstsein, Religiosität, Glauben an Gott, tragen wir im Herzen, Friede, Gerechtigkeit und Freiheit [ist im Drogenhandel der Slogan der Drogenorganisation Comando Vermelho, Anm. d. A..], der Krieg für das Gute ohne Zerstörung, Und es antwortete Sebá Meine Bewegung ist gesellschaftspolitisch, mein Handel ist kulturell, Meine Bewegung ist gesellschaftspolitisch, mein Handel ist kulturell, Komm mit mir, komm mit mir Wir werden mit Kultur handeln, die Stücke aufstöbern, aktiv sein, es geht darum etwas zu errichten, Wir werden mit Kultur handeln, die Stücke aufstöbern, aktiv sein, es geht darum etwas zu errichten… 1 Die Übersetzung stammt von der Verfasserin der Arbeit. 8 1.1. Thema Traficando Cultura Der Titel meiner Arbeit lautet Traficando Cultura und stammt von einer Funk Carioca Musiknummer von Mr. Catra. Damit soll auf verschiedene Ebenen und Problembereiche verwiesen werden, die in meiner Diplomarbeit eine Rolle spielen. Der Ausdruck Traficando Cultura lässt sich sowohl auf lokale Charakteristiken als auch auf Sachverhalte beziehen, die in Verbindung mit der Globalisierung der Musikrichtung auftreten. Das Wort traficar (im Englischen to traffic ) bezeichnet einerseits „handeln“, im Besonderen „illegal Handel betreiben“, anderseits benennt es speziell im brasilianischen Portugiesisch die Tätigkeiten des Drogenhandels. So werden die Drogenhändler traficantes genannt. Der Funksänger Mr. Catra spielt in der Nummer mit Zweideutigkeiten, so dass aus dem Drogenhandel der Handel mit Kultur wird. Die ganze Nummer kann zweifach gelesen werden. Die gleichen Substantive und Verben, die den Drogenhandel bezeichnen, werden hier auch für den Handel mit Kultur verwendet. Mit dieser Ambiguität verweist Catra auf die Vorurteile, die gegen den Funk und die Favelas existieren und stellt