Michael Proepper (Universität Hamburg)

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Michael Proepper (Universität Hamburg) Michael Proepper (Universität Hamburg) Der ethnographische Forschungsstand zum Kavangogebiet in Nordost Namibia 2006 – eine kommentierte Bibliographie Ethnographic Research Literature on the Kavango Area of North-Eastern Namibia 2006 – a Commented Bibliography BAB Working Paper No 1: 2007 ISSN 1422-8769 © The author © Basler Afrika Bibliographien Basler Afrika Bibliographien Klosterberg 23 CH 4051 Basel Switzerland Tel. 061 228 93 33 Fax 061 228 93 30 Email [email protected] Der ethnographische Forschungsstand zum Kavangogebiet in Nordost Namibia 2006 – eine kommentierte Bibliographie Ethnographic Research Literature on the Kavango Area of North-Eastern Namibia 2006 – a Commented Bibliography Michael Proepper (Universität Hamburg) In diesem Aufsatz wird die vorhandene ethnographische Literatur zum namibischen Kavangogebiet quellenkritisch diskutiert. Vor allem wissenschaftliche Texte von Ethnologen, aber auch anderen Ethnographen, werden auf ihre Datengrundlage und Entstehungsumstände hin untersucht und kommentiert. Es handelt sich im ersten Teil der anhängenden Bibliographie weitgehend um Arbeiten, die lokalisiert und beschafft werden konnten. In einigen Fällen sind jedoch auch Arbeiten aufgenommen worden, die nicht beschafft werden konnten, aber deren Aufnahme gerechtfertigt schien. Nicht alle Arbeiten sind streng ethnographisch und auch nicht als solche intendiert. Eingang fanden sie aufgrund ihres Informationsgehaltes zum Thema Lebensweisen und Kultur im Kavango. Die anhängende Bibliographie enthält – im zweiten unkommentierten Teil – auch Zensusreports und Werke aus dem Bereich sprachliche Verständigung/ Sprachunter- richt sowie Mythensammlungen (z.B. Knappert 1981; Legère 2001; Mendelsohn & el Obeid 2003), die jedoch nicht explizit besprochen werden. Einige exemplarische humanbiologische und human-anthropologische Studien werden abgebildet, jedoch nicht besprochen (Christiansen 1991; Kirchengast 1998; 1995a; Kirchengast & Winkler 1995b; 1996). Es sind in dieser Übersicht auch keine rein geologischen, geographischen, archäologischen, biologischen, botanischen, zoologischen, hydro- graphischen, literarischen, religions- oder populär-wissenschaftlichen Arbeiten enthalten – es sei denn sie enthalten aus meiner Sicht wichtiges Material für eine Ethnographie der Region. In der folgenden Diskussion BAB Working Paper 2007:01 1 des Forschungsstandes werden Arbeiten – soweit sie die gewünschten Informationen transparent machen – nach folgenden strukturellen Kriterien untersucht: - Akademischer Hintergrund des Forschers/Autors? - Primärdaten erhoben durch Feldforschung? - Thema der Feldforschung/Studie? - Ort und Informanten der Feldforschung? - Dauer der Feldforschung? - Eingesetzte Methoden? - Ethnographische Quellenkritik (Aktualität – Generalisierbarkeit – Historizität – Terminologie)? Chronologische quellenkritische Diskussion Beschreibungen von Begegnungen mit den Bewohnern des Kavango gibt es seit den ersten Kontakten von Händlern, Reisenden, Abenteurern und Jägern während des neunzehnten Jahrhunderts, so z.B. die Berichte von Brochado 1851, Anderson 1859, Duparquet 1880, de Paiva Couceiro 1890 (vgl. Gibson, et al. 1981:3; Otto 1987:160), Schulz und Hammar 1885, 1897 (vgl. Eckl 2003:66f) und Seiner 1905–06 (Seiner 1909) sowie von Missionaren wie Gotthardt 1933 (Gotthardt 1960), Bierfert 1913, 1925, 1935, 1938 und Wüst 1940 (vgl. Beris 1996) und deutschen Kolonialbeamten wie Eggers (1900), Jodtka 1902 oder Streitwolf 1909 (vgl. Eckl 2003:65; Gibson, et al. 1981:4). Diese Schilderungen sind in den in dieser Arbeit besprochenen Ethnographien und Historiographien jüngeren Datums hinlänglich aufgegriffen worden. Die südafrikanische Kolonialverwaltung hat in regelmäßigen Abständen Reports der vierteljährlichen Besuche der lokalen Beamten bei den Gruppen anfertigen lassen, die sich mit Bevölkerungsschätzungen, der Gesundheitssituation und auch ethnographischen Informationen befassten (vgl. Campher 1963; Eedes 1933; Inligtingsdiens, Kavango 1970; Inligtingsdiens, SWA Namibie 1985). Erste größere ethnographische Studien – vor allem Dissertationen zu einzelnen Kulturen – erschienen in den 1960er Jahren. Johannes L. Bosch (1964) veröffent- lichte eine später vielzitierte „volkenkundige Studie“ zu den Shambiu am Okavango, die auf einer eigenen achtmonatigen Feldforschung 1961 basierte (Fleisch & Möhlig BAB Working Paper 2007:01 2 2002:65). Die Arbeit konnte für diese Übersicht leider nicht beschafft werden. Romanus Kampungu, ein im Kwangaligebiet geborener Priester und Missionar der katholischen Kirche in Tondoro und Musese, legte 1966 eine Dissertation in kanoni- schem Recht zu Heiratsgebräuchen im Kavangogebiet vor. Die Arbeit ist m. W. die erste indigene ethnographische Arbeit über den Kavango. Die Datengrundlage bilden „Customs, history and traditions“, die trotz des breiten Titels hauptsächlich unter den Kwangali mit Befragungen und auch Fragebögen gesammelt wurden (vgl. Fleisch & Möhlig 2002:177; Kampungu 1966:5/30). Die Arbeit ist gedacht als Beitrag zur missionarischen Entwicklung des „Okavango Native Territory“, aber auch als ethnographisches Dokument für „all others interested and engaged in the difficult process of developing the Okavango tribes without detriment to the culture and mentality of the latter” (ebd.7). Trotz einer paternalitischen, klerikal ausgerichteten Terminologie und Argumentation1 enthält sie wertvolle Informationen mit vielen Übersetzungen zum Thema der Heirat. Johannes P. Bruwer publizierte im gleichen Jahr eine sozialethnologische Studie zum matrilinearen Verwandtschaftsbegriff im Kavango, deren generelle Informatio- nen über die Kavangobewohner laut Gibson ausschließlich auf Boschs Arbeit basieren (Bruwer van Schalkwyk 1965, 1966; Gibson, et al. 1981:5), aber auch Beispiele von den Mbukushu liefert. Bruwer war südafrikanischer Ethnologe und Missionar, hatte lange als Lehrer im Missionsdienst in Sambia gearbeitet und war zwischenzeitlich auch General-Kommissar im Ovamboland. Er war zur Zeit der Publikation Professor für Anthropologie an der Universität Port Elizabeth und galt als Autorität für Bantugruppen im südlichen Afrika. Sein vornehmliches Interesse galt Kinship- Studien. Dementsprechend umfangreich und gründlich ist die Arbeit, die die einzige Quelle bietet, um Veränderungen der Deszendenzordnung im Laufe der letzten vier Jahrzehnte heute zu prüfen. Ebenfalls 1966 verfasste Louis van Tonder eine sehr detailreiche ethnographische Dissertation auf Basis eine 13-monatigen Feldforschung im Mbukushugebiet (vgl. Larson in Gibson, et al. 1981:214; van Tonder 1966). Die Arbeit wurde von Bruwer betreut. Sie ist ein frühes Grundlagenwerk zu den Mbukushu, das in der Folgezeit häufig zitiert wurde. Das Werk konnte für eine weitere Kommentierung leider nicht beschafft werden. 1 Der Autor wählt explizit einen „… pastoral and missionary approach. […] From all these considerations it is deduced that the Okavango peoples can retain their heritage in respect of marriage. It is up to Missionary and other pastoral workers to clear these conceptions of any unacceptable taint” (1966:22f). BAB Working Paper 2007:01 3 Der Ethnologe Martin Gusinde beschäftigte sich in den sechziger Jahren neben zahlreichen anderen Forschungsfeldern auch mit San-Kulturen im südlichen Afrika. In einem Überblickswerk kommt auch das „Geistesleben der Hukwe“ (Kxoe) zur Sprache (Gusinde 1966). Der afrikanistisch/linguistischen Dissertation von Wilhelm Möhlig aus Köln zur Sprache der Gciriku lag ein Aufenthalt von Mitte Mai bis Ende November 1965 in der katholischen Missionsstation Nyangana zugrunde. Die Arbeit enthält historisches und ethnographisches Material speziell zu den Gciriku im Kontext der 1960er Jahre, ist ansonsten rein sprachwissenschaftlicher Natur (Möhlig 1967). Manfred Förg ist seit 1962 als katholischer Missionar im Kavango tätig und leitet heute die Missionsstation in Bunya. Sein Aufsatz zu Todesvorzeichen und -ursachen, Tod, Begräbnis sowie Trauer- und Reinigungszeremonien bei den Vambundza entstand 1967 während seiner Missionszeit in Bunja und ist der erste dieser Art zur Gruppe der Mbunza. Der Autor macht es sich zur Aufgabe „die Stammessitten der VaMbunza in ihrer ursprünglichen Eigenart, insofern dies überhaupt noch möglich ist, darzustellen und alle Fremdeinflüsse durch christliche Missionen, heimkehrende Kontraktarbeiter und durch von Angola aus nach Süden vordringende Stämme auszuschalten“ (Förg 1967:43). Obwohl die benutzte Terminologie klerikal geprägt bleibt, bietet der Bericht viele ethnographische Informationen. Der US-amerikanische Ethnologe Thomas J. Larson hatte erste Feldforschungen bei den Mbukushu Botswanas schon 1950/51 unternommen und publizierte ab 1953 und nach erneuten Besuchen 1969/70 und 1972 diverse Aufsätze zur Ethnographie der Mbukushu – sowohl in Botswana als auch in Namibia (Larson 1963, 1965, 1966, 1971, 1972a, 1972b, 1977, 1989, 2001). Er wurde 1981 von Gibson als „leading authority, outside the tribe itself, on the culture of that people” bezeichnet (1981:5). G.T. Nurse & T. Jenkins führten 1972 eine humangenetische Untersuchung von 600 Blutproben durch. Die Proben wurden in Missionsstationen, Schulen und Hospitälern unter Angehörigen der ethnischen Gruppen Kwangali, Mbunja (Mbun- za), Sambyu Gciriku, Mbukushu, Kwengo2, und G!ag!ai-San gesammelt, die Probe der Mbunza stellte sich nachträglich als zu klein heraus. Die Autoren benutzen die Analyse zur biologischen Populationsbeschreibung und zur genetischen Verwandt- schaftsbestimmung. Sie kommen zu weitreichenden humananthro-pologischen Aussagen,
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