Eingereicht von: Jasmin Baumgartinger

Angefertigt am: Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte

Die Presse und ihre JournalistInnen in der Zeit des Betreuer: Univ.-Prof. Dr. Marcus Nationalsozialismus in Österreich (1938-1945) Gräser

Datum: Linz, März 2016 Eine Studie zur österreichischen Pressegeschichte mit Fokus auf das Bundesland Oberösterreich

Masterarbeit zur Erlangung des akademischen Grades Master of Arts im Masterstudium Politische Bildung

EIDESSTATTLICHE ERKLÄRUNG

Ich, Jasmin Baumgartinger, erkläre an Eides statt, dass ich die vorliegende Masterarbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt bzw. die wörtlich oder sinngemäß entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Die vorliegende Masterarbeit ist mit dem elektronisch übermittelten Textdokument identisch.

Linz, März 2016

Jasmin Baumgartinger

Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung ...... 1 2. Forschungsstand ...... 5 3. Erste Einschränkungen der Pressefreiheit während der Dollfuß-/Schuschniggregierung (1933-1938) ...... 7 3.1Vorzensur und die ersten Maßnahmen gegenüber Zeitungen, sowie den JournalistInnen ...... 8

4. Die Presselandschaft in Österreich nach dem „Anschluss“ 1938 ...... 14 4.1Die zwei Einstellungswellen des Anschluss-Jahres 1938 ...... 15

4.1.1 Maßnahmen gegenüber jüdischen JournalistInnen ...... 18 4.1.2 Einstellungen der Tageszeitungen ...... 19 4.2 Strategien der Presselenkung im nationalsozialistischen Österreich ...... 24

4.2.1. Presselenkung auf ökonomischer, rechtlich-institutioneller und inhaltlicher Ebene ...... 25 4.2.2 Die vier Anordnungen Max Amanns ...... 26 4.2.3. Das Schriftleitergesetz ...... 29 4.2.3.1 Die Nichtaufnahme in den Reichsverband der deutschen Presse bedeutete Berufsverbot ...... 35 4.2.3.2 Geschlechterverhältnisse in der Berufsliste der JournalistInnen ...... 36 4.2.3.3 Wie konnte man der „Säuberung“ entgehen? ...... 41 4.2.4 Steuerungsmaßnahmen und Institutionen ...... 42 4.2.4.1 Der Reichsverband der deutschen Presse, die Reichskulturkammer, die Reichspressekammer, das Reichspropagandaamt und das Gaupresseamt ...... 42 4.2.4.2 Nachrichtendienste, Presseanweisungen und Pressekonferenzen ...... 44 5. Die oberösterreichische Presselandschaft vor dem „Anschluss“ ...... 46

5.1 Die Berichterstattungen der Zeitungen zur Tagespolitik kurz vor dem Anschluss in Oberösterreich ...... 50

5.2 Berichterstattungen der oberösterreichischen Tageszeitungen zur Volksbefragung ....57

5.3 Die Berichterstattung der oberösterreichischen Presse zum Zeitpunkt des Anschlusses mit Fokus auf die drei dominantesten Strömungen ...... 60

6. Oberösterreichs Presselandschaft nach der Annexion...... 67 6.1 Besetzung der oberösterreichischen Zeitungsredaktionen ...... 71

6.2 Personelle „Säuberungen“ ...... 71

6.3 Reichsdeutsche Presseverordnungen ...... 72

6.4 Einstellung, Gleichschaltung, Enteignungen und Einverleibungen ...... 75

6.5 Die Probleme der oberösterreichischen Presse während des Krieges ...... 76

6.6 Das Schriftleitergesetz und seine Auswirkungen auf die oberösterreichischen JournalistInnen ...... 77

6.7 Totalitäre Kommunikationskontrolle und ihre Strukturlosigkeit ...... 80

7. Exempel: Die drei dominantesten Tageszeitungen in Oberösterreich von 1938-1945 im Fokus ...... 83 8. Zusammenfassung und Resümee ...... 90 9. Quellenverzeichnis ...... 95 9.1 Verordnungen ...... 105

9.2 Abbildungsverzeichnis...... 106

9.3 Abkürzungsverzeichnis ...... 109

10. Anhang ...... 110 10.1Interview mit dem Herausgeber und Geschäftsführer der Oberösterreichischen Nachrichten: Rudolf Andreas Cuturi am 9. Dezember 2015 ...... 110

1. Einleitung

Die Medien1: Die wohl mächtigsten Meinungsbildner werden häufig als die „vierte Gewalt“ im Staat bezeichnet. Denn neben der nach westeuropäischem Demokratieverständnis vorhandenen Gewaltenteilung: Der Exekutive, der Legislative und der Judikative besitzen die Medien als inoffizielle „vierte Gewalt“ bedeutende Funktionen und großen Einfluss auf das politischen System. Erwartet wird, dass die Medien die Bevölkerung informieren, durch korrekte Berichterstattung und Diskussion zur Meinungsbildung beitragen, um dadurch Partizipation möglich zu machen. Sie regen zur öffentlichen Debatte an, bilden, formen Kritik, polarisieren, mobilisieren die Öffentlichkeit, steuern mit Themensetzung und prägen Meinungen ganzer Bevölkerungsschichten.

Als am 3. August 1783 in Österreich die erste täglich erscheinende Tageszeitung das „Wienerblättchen“ auftaucht, konnte die Bevölkerung noch kaum erahnen, welch wichtigen Faktor Zeitungen im gesellschaftlichen, politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Leben Österreichs, jemals spielen würden. Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg wussten die Machthaber mithilfe von Tageszeitungen die Bevölkerung zu beeinflussen und zu steuern. Nach der Zerschlagung des freien Pressewesens im Jahre 1938 wurden die Zeitungen gleichsam wie die JournalistInnen zu Propagandazwecken missbraucht. Dabei war es das Ziel der Nationalsozialisten, die freie Meinung und das individualistische Denken innerhalb der Bevölkerung zu zerschlagen, sowie kritisches Hinterfragen und Zweifeln einzudämmen. Ein zentrales Anliegen des totalitären Regimes war eine möglichst rasche Kontrolle der öffentlichen Meinung. Die Presse, in Form von Zeitungen und Zeitschriften, war neben dem aufstrebenden Rundfunk und den vereinzelten Fernsehberichterstattungen, das wichtigste Informationsmedium während des Zweiten Weltkrieges.

1 Unter dem Terminus „Medien“ werden in der Publizistikwissenschaft „jene technischen Mittel [verstanden], die zur Verbreitung von Aussagen an ein potentiell unbegrenztes Publikum geeignet sind (also Presse, Hörfunk, Film, Fernsehen)“ (Wilke 2000, 1).

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Basis jeder journalistischen Tätigkeit ist die Information. Diese zu sammeln, niederzuschreiben und dem Leser schnellstmöglich zugänglich zu machen, ist das Anliegen und die Aufgabe eines jeden Journalisten und einer jeden Journalistin. Was in den Nachrichtenagenturen einlangt ist das eine, welche Themen es tatsächlich in die Berichterstattung schaffen, das andere. Fakt ist, dass die Auswahl von Berichten und deren Ausformulierung eine starke meinungsbildende Funktion haben. Die freie Entscheidungsfähigkeit der JournalistInnen wurde schon im Ständestaat Österreich eingeschränkt und nach 1938 gänzlich zunichte gemacht. JournalistInnen waren nur das Instrument, das das NS-Regime benutzte, um ihre Informationen ehest möglichst unters Volk zu bringen. Dies funktionierte am besten mit regimetreuen, von der Propagandamaschinerie ausgebildeten und ausgewählten JournalistInnen. Das zentrale Anliegen der Nationalsozialisten: die Berichtauffassung der Bevölkerung zu eigenen Zwecken zu beeinflussen und zu lenken. Dadurch wird klar, weshalb die Kontrolle des Staates über den Informationsfluss an die Bevölkerung zu den ersten Maßnahmen eines totalitären Regimes gehört.

„Die Tageszeitung ist nicht nur Chronist des Zeitgeschehens, sondern wirkt gestaltend am Entwicklungsprozeß von Staat und Gesellschaft mit“ (Ivan/Lang/Pürer 1983, 7). Lange vor dem Hörfunk, Film- und Fernsehen herrschte die Presse weitgehend als alleiniger Meinungsbildner. Zwar muss sie sich heutzutage gegen ihre großen Konkurrenten dem Internet, dem Fernsehen und dem Radio behaupten, tut das dabei wie früher ohne eigener, direkter Gewalt zur Änderung des politischen Geschehens. Jedoch mit einer nicht zu unterschätzenden täglichen Reichweite von mehr als 69 Prozent in Österreich (vgl. Media-Analyse 2014/15). Über mehr als 230 Jahre nach dem das Pionierblatt „Das Wienerblättchen“ zum ersten Mal publiziert wurde, erscheinen in Österreich nun tagtäglich 16 Tageszeitungen (vgl. VÖZ Pressestatistik Tageszeitungen 2015). Zum Vergleich dazu: Im Jahre 1900 erschienen 48 Tageszeitungen im Gebiet des jetzigen Österreichs (darunter: vier Nebenausgaben, das heißt: 44 publizistische Einheiten2). Waren es zu Beginn des

2„Unter publizistischer Einheit versteht man redaktionell selbstständige Tageszeitungen mit Vollredaktion. Dazu gehören alle Blätter, die den gesamten redaktionellen Teil (und damit sämtliche Ressorts) wie auch den Anzeigenteil selbstständig erarbeiten und verantworten“ (Pürer/Raabe 2007, 20).

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Zweiten Weltkrieges noch 47 publizistische Einheiten, so wurde diese große Zahl im Laufe des Krieges drastisch minimiert. Viele Zeitungen wurden gleichgeschalten und eingestellt – weshalb die Presselandschaft zu Ende des Krieges in ganz Österreich nur mehr 19 publizistische Einheiten verzeichnen konnte (vgl. Melischek/Seethaler 2003, 1).

Die Zeitungen besitzen nach wie vor eine hohe Bedeutung als Kommunikator und Informationsträger und fungieren als wichtige zeitgeschichtliche Dokumente. Wie bereits erwähnt waren Tageszeitungen vor und während des Zweiten Weltkriegs ein mächtiges Instrument. Doch im Laufe der letzten sieben Jahrzehnte hat sich etwas verändert: die aufstrebende Macht der Gewalt der Medien. Nicht zu vergessen und maßgeblich für die Stärkung dieser Macht sind die neuen Medien: Das Internet in Verbindung mit den „sozialen“ Medien wie Facebook, Twitter und Co., welche zunehmend an Relevanz gewinnen. Dennoch gilt: Damals so wie heute, sind Medien das Scharnier zwischen Staat und Volk – Diese befinden sich in einem Wechselspiel der Beeinflussung, Kontrolle und Regulierung.

Eingebettet in diesen Kontext soll sich die Masterarbeit mit den Veränderungen und Entwicklungen der Presse und der journalistischen Tätigkeiten in Österreich während des Nationalsozialismus in den Jahren 1938-1945 mit Fokus auf das Bundesland Oberösterreich beschäftigten. Dies bedarf einer Analyse der nationalsozialistisch- geprägten Presse, der Strategien ihrer Verantwortlichen, sowie ihrer ökonomischen, institutionellen und inhaltlichen Steuerung und nicht zuletzt einer Untersuchung der JournalistInnen und Tageszeitungen jener Zeit, welche als Werkzeug der Propagandamaschinerie fungierten und das Regime dadurch wesentlich mitprägten.

Oberösterreich nahm nach dem „Anschluss“ Österreichs an das nationalsozialistische Deutschland als „Heimatgau“ und „Linz als Patenstadt“ Adolf Hitlers, eine besondere Stellung ein. Konzentrierte sich die nationalsozialistische Propaganda in den Tageszeitungen in Österreich doch in besonderer Weise, bereits mit dem Beginn des Propagandafeldzuges im Geburtsort Hitlers in Braunau, am 12. März 1938, auf Oberösterreich. Dabei keine lokalpatriotische Heimatforschung zu betreiben, sondern dem kollektivem Vergessen und Verdrängen in Oberösterreich im

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Jahr 2016 entgegenzuwirken, Aufarbeitung und eine kritische Auseinandersetzung mit der Zeit des Nationalsozialismus in Österreich und Oberösterreich zu leisten, war die Intention hinter der Wahl des medienhistorischen Themas.

Vor diesem Hintergrund wird sich die vorliegende Masterarbeit mit folgender Fragestellung auseinandersetzen: Wie sah die Presse und die journalistische Arbeit in Österreich, mit genauem Blick auf Oberösterreich, während der Zeit des Nationalsozialismus in den Jahren 1938 bis 1945 aus?

Als wissenschaftliche Methode wird zur Beantwortung der Fragestellung die qualitative Inhaltsanalyse nach Phillip Mayring zur Anwendung kommen. „Ziel der Inhaltsanalyse ist (…) die Analyse von Material, das aus irgendeiner Art von Kommunikation stammt“ (Mayring 2010, 11). Dies meint die „die Erhebung und Analyse von Dokumenten unterschiedlichster Natur“ (Mayring 2010, 33). Im Sinne der qualitativen Sozialforschung sollte ein „Interesse an der Analyse von Deutung, Wahrnehmung und komplexen Deutungssystemen“ (Hopf 1979, 18) vorherrschen. Zudem ein „Interesse an einer möglichst umfassenden Analyse der Handlungskontexte von Individuen“ (Hopf 1979, 18). Zu diesem Zwecke erfolgt eine genaue Auseinandersetzung mit Sekundärliteratur, Handbüchern, wissenschaftlichen Sammelwerken, Zeitdokumenten, historischen Texten und Erinnerungsliteratur. „Die Stärke der qualitativen Inhaltsanalyse liegt in ihrem systematischen, regelgeleiteten Vorgehen, mit dem auch große Materialmengen bearbeitet werden können“ (Mayring 2010, 124). Ein großer Teil der Arbeit konzentriert sich auf die Auseinandersetzung mit oberösterreichischen Tageszeitungen aus der Zeit von 1938 bis 1945. Des Weiteren werden sich Teile der Arbeit auf ein Interview mit Rudolf Andreas Cuturi Senior, Herausgeber und Geschäftsführer der Oberösterreichischen Nachrichten und direkter Nachfahre des Linzer Druckereiunternehmers und Gründers der Tages-Post, Josef Wimmer, stützen.

Zu Beginn dieser Masterarbeit wird der aktuelle Forschungsstand dargelegt. Daraufhin erfolgt ein Exkurs über die Einschränkungen der Pressefreiheit in Österreich mittels Vorzensur durch die Regierung Dollfuß im März 1933. Im vierten Kapitel steht der „Presse-Anschluss“ Österreichs 1938 an das nationalsozialistisch

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regierte Deutsche Reich bis zur Wiedererrichtung der Republik im Frühjahr 1945 im Fokus. Die Effekte der Einstellungs- sowie Gleichschaltungsmaßnahmen werden dargelegt und diskutiert. Die Maßnahmen der Nationalsozialisten gegenüber den österreichischen JournalistInnen werden aufgezeigt, sowie die Strategien der Presselenkung betrachtet. Dem folgt im fünften Kapitel eine Auseinandersetzung mit dem Bundesland Oberösterreich: Auch hier wird die Presselandschaft vor dem Anschluss beschrieben. Es werden die Berichterstattungen zur Tagespolitik in Oberösterreich kurz vor dem Anschluss, anhand von Zeitungsartikeln dargelegt. Wie die oberösterreichischen Tageszeitungen in den Tagen des Anschlusses gestimmt waren, soll anhand von drei Zeitungen unterschiedlicher Strömungen gezeigt werden. Dies soll die Entwicklungen in den ersten Tagen des Anschlusses sichtbar machen und die unterschiedliche Berichterstattung der Zeitungen aufzeigen. Die Ausschnitte aus den Tageszeitungen und die Titelblätter sollen den Status-Quo jener Tage wiedergeben und dem Vergleich dienen. Wie die oberösterreichische Presselandschaft, die Tageszeitungen und die Situation der JournalistInnen nach der Annexion aussah, wird im sechsten Kapitel ausführlicher dargelegt. Hierbei wird der Fokus wieder auf ökonomischen, inhaltlichen und institutionellen Maßnahmen liegen. Das letzte große Kapitel konzentriert sich auf die drei größten Tageszeitungen der Jahre 1938-1945 in Oberösterreich und setzt sich mit ihnen detailliert auseinander. Ein Resümee und eine Zusammenfassung der Ergebnisse sollen die Masterarbeit beschließen.

2. Forschungsstand

„Auf der Landkarte der historischen Medien- und Kommunikationsforschung für das Österreich der 30er und 40er Jahre sehen wir viele weiße Flecken, die uns beunruhigen müssen“ (Hausjell 2004, 308).

Die Anzahl der Literatur und der Fallstudien, welche sich mit der Geschichte der Publizistik in Österreich – vor allem mit der Geschichte des Zeitungswesens – und mit der nationalsozialistischen Propaganda auseinandergesetzt haben, ist zwar groß, jedoch lagen die Schwerpunkte der Untersuchungen der Medien in Österreich meist

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auf der österreichischen Pressegeschichte an sich und weniger auf der Situation der JournalistInnen. Detaillierte Auseinandersetzungen mit den Berichterstattungen der Tageszeitungen einzelner Bundesländer Österreichs (ausgenommen Wien) findet man wenige. Meist wurde den politischen Verhältnissen, den presserechtlichen Anordnungen, der Strategien der Presselenkung, den Maßnahmen des nationalsozialistischen Regimes und den Institutionen größere Aufmerksamkeit geschenkt, als der Tätigkeit der Publizisten an sich.

Hausjell (1988, 183) hält fest, dass “nie vor 1938 sowie auch nach 1945 in der Geschichte des österreichischen Journalismus eine politische Zäsur für einen derart großen Teil dieser Berufsgruppen Folgen [hatte]” (Hausjell 1988, 183). Die Gleichschaltung und Verfolgung der JournalistInnen ist historisch einmalig und so auch die Auseinandersetzung mit diesem Thema. Von der journalistischen Tätigkeit selbst ist wenig bis gar nichts wissenschaftlich festgehalten worden. Das liegt daran, dass nur wenige JournalistInnen ihre Erinnerungen an die Zeit des Nationalsozialismus festgehalten haben. Des Weiteren sind zahlreiche Aktenbestände entweder verschollen oder erlagen der „Säuberung“ der Nationalsozialisten und wurden daher nur in Bruchteilen überliefert. Demzufolge sind Zahlen und Statistiken oft mit Schätzungen verbunden und repräsentieren meist nicht die Gesamtgruppe. Die Realität der journalistischen Tätigkeit während des NS- Regimes in Österreich beschreiben zu wollen, ist also ein Vorhaben, das nicht leicht zu bewältigen ist. Auch die Lebenssituationen der JournalistInnen in Österreich, welche sich nach dem Anschluss 1938 in einem Dilemma zwischen Anpassung, Unterstützung und Opposition befanden, wurden kaum aufgearbeitet (vgl. Hausjell 2004, 308).

„Denn auf der einen Seite haben wir es mit der Erinnerungsliteratur zu tun, in der hauptsächlich Journalisten vertreten sind, die bei ihrer Berufsausübung mit Widrigkeiten zu kämpfen hatten und deswegen ihr Schicksal für aufzeichnungswürdig gehalten haben. Auf der anderen Seite gibt es die Selbstdarstellung einiger NS-Größen (…), die nichts über das Alltagsgeschäft des Journalisten an sich aussagen, weil sie nicht daran teilgenommen haben. Von Otto Normaljournalist gibt es keine Memoiren aus

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dieser Zeit ohne einen besonderen Aspekt wie rassistische oder politische Verfolgung“ (Toepser-Ziegert 2007, 75).

Beschreibt Gabriele Toepser-Ziegerts, welche sich mit der Existenz der JournalistInnen unter den Bedingungen der Diktatur 1933-1945 auseinandergesetzt hat, den Forschungsstand.

Zwar setzte man sich mit österreichischen Tageszeitungen und ihrer Geschichte vertieft auseinander, der Berichterstattung zur Tagespolitik wurde jedoch meist weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Für Oberösterreich konnte Michaela Gustenau mit ihrem Buch „Mit brauner Tinte“ einen großen Teil der Geschichte der nationalsozialistischen Presse und ihrer JournalistInnen in Oberösterreich (1933- 1945) aufarbeiten. Diese legte den Fokus bei einem Großteil ihrer Arbeit auch auf die Berichterstattung der oberösterreichischen Tageszeitungen. Die vorliegende Masterarbeit soll bei dieser Aufgabe anknüpfen und sich sowohl mit der historischen Aufarbeitung der Pressegeschichte, als auch mit zeitungswissenschaftlicher Forschung beschäftigen. Dies soll anhand einer genauen Betrachtung einzelner Tageszeitungen des Bundeslandes Oberösterreich erfolgen. Außerdem wird versucht – durch eine Analyse der Berichterstattung zur Tagespolitik in den ersten Tagen vor, während und nach dem „Anschluss“ – ein Bild der Stimmung in Österreich wiedergeben zu können.

3. Erste Einschränkungen der Pressefreiheit während der Dollfuß-/Schuschniggregierung (1933-1938)

„Es war die Zeit eines wahren Regens an Verordnungen.“ (Paupié 1960,47)

Im März 1933 wurden im autoritären Ständestaat der Pressefreiheit mit der Einführung der „Vorzensur“ die ersten Schranken gesetzt, welche das in der Ersten Republik festgelegte Grundrecht der Pressefreiheit massiv einschränkte und bis zur Machtübernahme der Nazis im März 1938 in vollen Zügen ausgeschöpft wurde. Das Ende der Pressefreiheit im autoritären Ständestaat wird als Nährboden für die

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Errichtung des nationalsozialistischen Presselenkungsapparates nach 1938 angesehen (vgl. Gustenau 1992, 20). Dieses Kapitel soll daher – um die Geschehnisse, die zum Presse-Anschluss im Jahre 1938 führten, besser verstehen zu können – einen Überblick darüber verschaffen, wie es zur vollständigen Zensur der unabhängigen Presse kam und aufklären, wie die Presse im Ständestaat Österreich organisiert war.

3.1 Vorzensur und die ersten Maßnahmen gegenüber Zeitungen, sowie den JournalistInnen3

Der autoritäre Kurs, der das bereits in der Ersten Republik verankerte Grundrecht der Pressefreiheit immens einschränkte und sich wie ein roter Faden bis hin zu der Machtübernahme der Nationalsozialisten im März 1938 hinauszog, etablierte sich im Jahre 1933 mit der Machtübernahme in Österreich durch Engelbert Dollfuß. Der autoritäre Ständestaat Österreich hat bereits 1933 mit den sogenannten Märzverordnungen die ersten Restriktionen für die österreichische Presse getätigt. Vorerst als wirtschaftliche Schutzmaßnahme getarnt, war die Regierung bemüht, das verfassungsrechtliche Zensurverbot trotzdem nach außen hin einzuhalten (vgl. Jagschitz 1983, 42ff.). Doch mit der als „Kriegswirtschaftliches Ermächtigungsgesetz“ betitelten Restriktion kam die Vorzensur. Und damit unter Dollfuß mittels der „Verordnung der Bundesregierung vom 7. März 1933, betreffend besondere Maßnahmen zur Hintanhaltung der mit einer Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit verbundenen Schädigung des wirtschaftlichen Lebens“ (BGBl Nr. 41/ 1933) zur ersten Einschränkung der Pressefreiheit. Die Maßnahmen, welche einen Verstoß gegen diese neue Verordnung nach sich zogen, wurden in Absatz 1

3 Um der historischen Wahrheit gerecht zu werden, wird in diesem Kapitel von JournalistInnen gesprochen. In den österreichischen Tageszeitungen zählte man am 1. Jänner 1935, 14 festangestellte Redakteurinnen, 23 festangestellte Redaktionsstenographinnen und Sekretärinnen, 14 freie Journalistinnen, sieben stellenlose Redaktionsstenographinnen, vier pensionierte Journalistinnen, sowie zwei Fotoreporterinnen (vgl. Lindinger 1995, 21). Bei den übrigen im Text vorkommenden Personen, kommt ausschließlich das generische Maskulinum zur Anwendung. Dieses soll die weibliche Form ebenso miteinschließen und der besseren Lesbarkeit dienen.

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verschärft: „wegen einer (…) durch den Inhalt einer Zeitung begangenen strafbaren Handlung (…) kann der Bundeskanzler (….) anordnen, daß (sic!) die Pflichtstücke dieser Zeitung zwei Stunden vor Beginn der Verbreitung abzuliefern sind.“ (BGBl Nr. 41/ 1933). Wenn die strafbare Handlung „durch Verletzung des vaterländischen, religiösen oder sittlichen Empfindens eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit herbeizuführen geeignet war“ (BGBl Nr.41/ 1933) konnte eine Zensurverfügung eingeleitet werden. Nur der Bundeskanzler konnte diese anordnen. Da diese Anordnung sehr breit auslegbar war, fiel es der Regierung umso leichter, unliebsame Zeitungen mit der Vorzensur zu strafen (vgl. Paupié 1960, 47). Ebenso wurde die „öffentliche Beleidigung der Bundesregierung, einer Landesregierung, einer ausländischen Regierung oder von Mitglieder dieser Regierungen“(BGBl Nr.41/ 1933) unter Strafe gesetzt. JournalistInnen der jeweiligen Zeitung mussten bei einer Übertretung dieser Verordnung mit einem dreimonatigen Arrest oder einer Geldstrafe von 2.000 S rechnen, was durch die politische Bezirksbehörde geahndet wurde. Bei Zuwiderhandeln drohte der Verlust der Gewerbeberechtigung.

Mit dem Argument, Missbräuche der Pressefreiheit verhindern zu wollen, folgte eine Flut weiterer Verordnungen. Mediale Kritik am autoritären Regierungsstil sollte mit diesem Kurs unterdrückt und somit „der Schädlingspresse (…) das Handwerk gelegt“ (Duchkowitsch 1995, 567) werden, formulierte die regierungstreue Reichspost, welche dem nationalsozialistischen Vokabular um nichts nachstand (vgl. Duchkowitsch 1995, 567). Am 10. Juni 1933 kam es bereits zu einer weiteren Verordnung betreffend „besondere Maßnahmen gegen den Mißbrauch (sic!) der Preßfreiheit (sic!)“ (BGBl Nr. 217/ 1933), welche einem bedingten Kolportageverbot gleich kam, über eine Zeitung für drei Monate verhängt werden konnte und mit dem Verbot des Verkaufs von ausländischen Zeitungen einherging. Die Verordnung konnte jedoch zum Teil mit dem Versand auf dem Postweg und mit der Bezahlung des doppelten Portos übergangen werden (vgl. Paupié 1960, 48 und Huemer 1968, 238). Diese Maßnahme diente als materieller Schlag gegen die missliebigen Zeitungen, da vor allem in der Bundeshauptstadt die Verbreitung durch Straßenverkauf populär und Postabonnement hingegen kaum gebräuchlich war. Von dieser Maßnahme betroffen waren vor allem die Arbeiter-Zeitung und reichsdeutsche Zeitungen, welche der NS-Propaganda dienten. Dies führte dazu, dass in Österreich

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bis zum Juli-Abkommen (11. Juli 1936) alle reichsdeutschen Zeitungen verboten wurden (vgl. Paupié 1960, 48).

Ende Juni des Jahres 1933 wurde die Veröffentlichungspflicht für amtliche Verlautbarungen eingeführt (vgl. BGBl Nr. 282 /1933). Dadurch bekam die Tages- und Wochenpresse zum ersten Mal den direkten Einfluss der Regierung zu spüren (vgl. Duchkowitsch 1995, 566). Verboten wurde „auch das Anbringen von sogenannten ´Blickfängern´ (Pfeile, große Kreise, geometrische Figuren aller Art) …, die zum Zwecke der sensationellen Aufmachung bei Überschriften verwendet werden.“ (BGBl Nr. 323/ 1933). Des Weiteren wurden Formalitäten wie die optische Aufmachung, Schriftgröße, Verwendung von Überschriften in Zeitschriften und Zeitungen reglementiert (vgl. BGBl Nr. 323/ 1933). Die Liste der Verordnungen zur Einschränkung der Pressefreiheit nahm auch 1934 kein Ende. Mit weiteren Einschränkungen erfolgten am 26. Jänner 1934 Einstellungsmaßnahmen des Straßenverkaufs von Zeitungen und Zeitschriften (vgl. BGBl I 1934/50) sowie eine Genehmigungspflicht für den Verkauf von Zeitungen aus dem Ausland an Straßenkolporteure (vgl. BGBl I Nr. 50/ 1934).

Die Regierung Dollfuß/Schuschnigg zeigte sich gegenüber der nationalsozialistischen Presse, welche im Untergrund illegal weiterarbeiteten, weniger durchsetzungsstark, als bei der sozialdemokratischen oder kommunistischen. Diese wurden beschlagnahmt, zensiert, verboten oder der Verwaltungsapparat der Druckerei ausgetauscht (vgl. Gustenau 1992, 21f.). Bereits März/April 1933 mussten die „Rote Fahne“, das Zentralorgan der Kommunisten und kurz darauf die sozialdemokratischen Zeitungen „Das kleine Blatt“, „Arbeiter-Wille“ und „Arbeiter-Zeitung“, sowie das nationalsozialistische Organ „Deutschösterreichische Tages-Zeitung“ vor ihrer Veröffentlichung der Zensurbehörde vorgelegt werden. Diese erschienen darauffolgend regelmäßig mit weißen Flecken anstatt der zensurierten Berichte (vgl. Duchkowitsch 1995, 566). Anders als in der Theorie, erlagen in der Praxis nicht nur kritische Kommentare allein, sondern auch ganze Berichte und Artikel der Zensur (vgl. Huemer 1968, 238). Nationalsozialistische Kolportagezeitungen umgingen die Vorzensur, indem sie unter einem anderen Namen weiterhin erscheinen (vgl Paupié 1960, 47ff.). Kurz darauf

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wurde am 10. April 1933 die Verordnung BGBl Nr.41/ 1933 abgeändert, um auch diese Umgehung zu unterbinden (vgl. BGBL Nr. 120/ 1933). Durch eine weitere Verordnung am 12. Februar 1934 wurde die Möglichkeit geschaffen jede Art der politisch organisierten Opposition zu unterdrücken. Es wurde der „Sozialdemokratischen Arbeiterpartei Österreichs jede Betätigung in Österreich verboten“ (Jagschitz 1983, 54) und im selben Zuge die „reich gefächerte sozialdemokratische Presse“ (Jagschitz 1983, 54).

Abbildung 1: Sukzessive Eindämmung sozialdemokratischer Arbeiter-Tageszeitungen

Obwohl es mit der darauffolgenden Gesamtausschaltung legaler kommunistischer und sozialdemokratischer Zeitungen zwar nicht zu einer Gleichschaltung nach nationalsozialistischem Muster kam, war die Wirkung dennoch im gleichen Maße folgenschwer: Kommunistische und sozialdemokratische Blätter wurden ins Exil vertrieben oder mussten in die Illegalität abtauchen (vgl. Duchkowitsch 1995, 568). Das hatte zur Folge, dass neben der zensurierten, offiziellen Fassung der Arbeiter- Zeitung auch eine illegale, unzensierte Ausgabe erschien, welche in Brünn in der Tschechoslowakei herausgegeben wurde und mit bis zu 75.000 Exemplaren wöchentlich die Tagesauflage der vorherigen legalen Zeitung überstieg (vgl. Neugebauer 1984, 117). Außerdem kam es aufgrund der einschlägigen Berichterstattung der legal erscheinenden Presse zu Leserstreiks, was wiederum zur Abkehr von nationalen Zeitungen hin zur Informationsbeschaffung aus deutschsprachigen Schweizer Zeitungen führte. Und alles geschah, ohne dass die Zensur direkt von der Regierung Dollfuß eingeführt wurde (vgl. Duchkowitsch 1995, 568). „Es geschah alles indirekt, hintenherum.“ (Jagschitz 1983, 54).

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Am 1.März 1934 wurde in der ständischen Verfassung von der Regierung die Pressefreiheit verankert, jedoch nicht ohne, dass sie sich ein Hintertürchen schufen. Denn die Regierung war gemäß dem Gesetz dazu berechtigt die Pressefreiheit zu beschneiden, sollte diese eine Gefahr für den Schutz der Staats- oder Volksinteressen darstellen (vgl. Wisshaupt 1950, 41f.).

Ergänzend dazu erfolgten Maßnahmen gegen Flugblätter, Plakate, die Wochenschau, den Rundfunk und nachdem die Sozialdemokratische Partei verboten wurde, die Entfernung von bis zu 50.000 unerwünschten Büchern aus Bibliotheken (vgl. Duchkowitsch 1995, 567). Dazu erstellte die Bundes-Polizeidirektion Wien, Listen aller verbotenen Schriftstücke, zu denen nicht nur kirchenkritische Druckwerke, sondern auch Werke und Zeitungen der politischen Theorie, Romane, sowie regimekritische Literatur bekannter SchriftstellerInnen zählten (vgl. Neugebauer 2005, 310). Die Publikation von Zeitungen, Zeitschriften oder Zeitungskorrespondenz wurde ab 26. Oktober 1934 von einer polizeilichen Bewilligung abhängig gemacht, weshalb HerausgeberInnen und JournalistInnen permanenten Druck ausgesetzt waren, da es der Regierung von nun an möglich war, alle unliebsamen ZeitungsherausgeberInnen mühelos auszuschalten (vgl. Paupié 1960, 51 und Neugebauer 2005, 310). Die Zensurvorschriften waren nicht das einzige Mittel zur Verfolgung von MedieninhaberInnen und JournalistInnen. Durch medienrechtliche Straf- und Verwaltungsstrafverfahren wurde ihnen beispielsweise auch vorgeworfen, die öffentliche Ruhe zu stören (vgl. Neugebauer 2005, 309).

Der Vorzensur folgte, charakteristisch für ein autoritäres Regime, eine Kontrolle über den gesamten österreichischen Pressedienst. Zu diesem Zweck wurden eine amtliche Presseorganisation und ein staatlicher Propagandadienst geschaffen. Das „Bundesgesetz über die Errichtung der Pressekammer“ (BGBl Nr.228/ 1936) folgte am 18. Juli 1936. Das Zeitungswesen sollte durch die gesetzmäßige Einführung einer Pressekammer in den ständischen Aufbau integriert werden. Die Zusammenfassung der Arbeitnehmer und Arbeitgeber in einer Organisation war dabei das ausschlaggebendste Ziel dieser Institution. Ergänzt wurde es am 4. November 1936 durch eine „Verordnung betreffend Pressekammer“ (BGBl Nr. 368/ 1936), der „Verordnung, betreffend Standesstrafsenat innerhalb der Pressekammer“

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(BGBl Nr. 240/ 1937) und der „Verordnung, betreffend Wahlen in die Pressekammer“ (BGBl Nr. 250/ 1937).

Für die Herausgeber verpflichtend, jedoch nicht für die JournalistInnen, trugen diese Institutionen nicht sonderlich zur Organisation der Presse bei: Die einschlägigen Bestimmungen verunsicherten die Bevölkerung und verstimmten die JournalistInnnen. Ein Beschwerdebrief der Bezirkshauptmannschaft Braunau vom 1. Februar 1937, über die mangelnde Organisationsfähigkeit der Presse im Ständestaat, an die Sicherheitsdirektion in Linz zeigt die Unzufriedenheit der JournalistInnen auf. „Die Anordnungen im Pressebereich würden als erschwerend empfunden, weil etwa wiederholt Nachrichten vorerst nicht gebracht werden durften, in den Wiener Blättern gebracht wurden und schließlich durch einen späteren Erlaß dann auch hier doch wieder freigegeben wurden“ (Gustenau 1992, 21).

Die Vor- und Nachzensur, Beschlagnahme, das Verbot von Zeitungen und Nachrichtensteuerung durch den eigens dafür geschaffenen Propagandadienst wurde „integraler Bestandteil der austrofaschistischen Kommunikationskontrolle“ (Duchkowitsch 1995, 565) und besiegelte in Österreich das vorübergehende Ende der Pressefreiheit. Pressedelikte zählten fortan im Ständestaat zu jenen Verbrechen, welche am häufigsten zur Verfolgung der oppositionellen Partei per Gericht herangezogen wurde (vgl. Neugebauer 1995, 118). Offiziell wurde die Pressefreiheit jedoch, und mit dieser das demokratische Pressegesetz, unter dem Dollfuß/Schuschnigg-Regime nicht angetastet, mittels Kolportageverbot und Vorzensur wurde ein demokratisches Pressewesen jedoch de-facto unterbunden (vgl. Wisshaupt 1950, 176).

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4. Die Presselandschaft in Österreich nach dem „Anschluss“ 1938

„Zum Zeitpunkt der Besetzung Österreichs im März 1938 konnte der NS-Staat bereits auf eine mehr als fünfjährige Praxis in der Beherrschung und Unterdrückung der Bevölkerung und in der Verfolgung und Ausschaltung von Gegner und Feindgruppen aller Art zurückblicken.“ (Neugebauer 2001, 723).

Die bereits erfolgten Einschränkungen in der Pressefreiheit während der Dollfuß- /Schuschnigg Regierung erleichterte den Nationalsozialisten die Presse in Österreich auf schnellem Wege unter ihre Herrschaft zu stellen. „Österreich [wurde] gänzlich zu einem außenpolitisch, militärischen, wirtschaftlichen und pressepolitischen Satelliten Deutschland[s].“ (Botz 2008, 57).

Am 1. März 1938 erfolgten in Wien bereits erste Einstellungsmaßnahmen: waren am 1. März 1938 noch 22 Tageszeitungen in der Wiener Presselandschaft zu verzeichnen, so waren es ein Jahr später nur mehr zwölf und ein Jahr darauf lediglich neun Tageszeitungen. Am 1 März 1945 sogar nur mehr vier (vgl. Paupié 1960, 70).

„Das Regime verfolgte das Ziel, die Presse in den Besitz der NSDAP zu bringen und damit auch dem totalitären Staat zu verpflichten, im gesamten ´Dritten Reich´ mit Erfolg: 1944 erschienen 82 Prozent der Gesamtauflage der damals insgesamt 977 Zeitungen unter der Kontrolle des NS- Pressetrusts“ (Hausjell o.J., o.S., in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands).

Anhand der Tabelle lässt sich die Entwicklung der Tageszeitungen in den österreichischen Bundesländern erkennen. Die Einstellungswelle des ersten Jahres ist deutlich anhand der abnehmenden Publizistischen Einheiten und Zeitungsdichte4 ersichtlich. Nach dem Anschluss an Deutschland, kam es zur Gleichschaltung der Zeitungen und demnach zu kontinuierlichen Einstellungen.

4 „Zahl der Zeitungen je 1000 Einwohner“ (Wolff 2010, 62).

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Zeitungsdichte

Publizistische Einheiten

Abbildung 2: Entwicklung der Tageszeitungen in den Bundesländern Österreichs 1938-1945 (ohne Wien)

4.1 Die zwei Einstellungswellen des Anschluss-Jahres 1938

„Der Nationalsozialismus machte tabula rase. Es war wie bei Haydns Abschiedssymphonie, in der ein Instrument nach dem anderen verstummt, ein Licht nach dem anderen gelöscht wird.“ (Skalnik 1964, 19)

In dreierlei Hinsicht setzte man in Österreich die Gleichschaltung der Presse um: personell, besitzrechtlich und organisatorisch. Wobei im Vergleich zu den vielzähligen Enteignungen und den personellen „Säuberungen“, die mit Ende des Jahres 1938 bereits abgeschlossen waren, die organisatorische Neuordnung die langwierigste Veränderung darstellte (vgl. Gustenau 1992, 69). Mit dem Jahre 1938 begann die radikale Umstrukturierung des Pressewesens: Zeitungen wurden eingestellt, das Personal und die Herausgeber entlassen sowie ausgetauscht und zahlreiche Enteignungen durchgeführt.

Melischek und Seethaler (2006, 7) gliederten die Einstellungswelle im Jahr 1938 in zwei Phasen. Bereits während der ersten Einstellungsphase, wurden am 12. März 1938 die Zeitungsredaktionen im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten

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von örtlichen NSDAP-Parteimitgliedern besetzt. Am 11. März 1938 wies Reichsmarschall und Hauptorganisator des Anschlusses, Hermann Göring in einem Ferngespräch Globocnik von der Deutschen Gesandtschaft in Wien an: „Passen Sie auf, die ganzen Presseleute, die müssen sofort weg und unsere Leute hineinkommen“ (Göring, in: Des Teufels Telefon 1987, 149). Göring, selbst zwar kein Presseexperte, konnte mithilfe nationalsozialistischer JournalistInnen5, der Sturmabteilung und Einheiten und Unterstützung der Hitlerjugend vom 11. zum 12. März 1938 über Nacht die Zeitungsredaktionen besetzen (vgl. Hausjell 1988a, 184). Direkt nach dem Einmarsch der Deutschen Wehrmacht waren vorerst nur kleine Truppen aus den verschiedenen Formationen der NSDAP unterwegs, welche einerseits von den Gauleitungen beauftragt wurden, andererseits auch als selbsternannte „Gleichschalter“ agierten, um die Redaktionen sukzessive einer „Säuberung“ zu unterziehen, was bedeutete, dass das unliebsame Personal aus den österreichischen Zeitungsredaktionen entfernt oder verhaftet und die freien Stellen mit sich selbst oder neuen Leuten zu besetzt wurden. Unmittelbar danach wurden ab dem 17. März 1938 „kommissarische Hauptschriftleiter“ sowie neue Verlagsleiter eingesetzt. Die Kommissare hatten dafür zu sorgen, dass die Zeitungen im Sinne des neuen Regimes funktionierten und in Aussicht auf die Volksabstimmung, welche am 10. April 1938 stattfinden sollte, ideologiegetreue Propaganda verbreiteten. Dieses Vorhaben erforderte auch eine Reorganisation der Redaktionen. Da aufgrund der brutalen „Säuberungsaktionen“ der Nationalsozialisten kaum mehr fähige JournalistInnen in den Redaktionen aufzufinden waren, sah man sich in weiterer Folge gezwungen, auf bereits Entlassene zurückzugreifen. Darunter befanden sich auch jene JournalistInnen, die als „jüdisch“ kategorisiert wurden. Diese schrieben darauffolgend meist anonym eine Zeit lang für das jeweilige Blatt. Jedoch war die Zahl dieser bereits entlassenen JournalistInnen klein und ihre Arbeit konnten sie nur in untergeordneten Stellungen vollbringen (vgl. Hausjell 1988a, 185ff.). Um den Personalmangel entgegenzuwirken, wurden kurze Zeit nach dem Bundeskanzler Kurt Schuschnigg am 11. März 1938 seinen erzwungenen Rücktritt ankündigte, deutsche

5 Bezogen auf das Thema der Masterarbeit und um der historischen Wahrheit gerecht zu werden, wird auch in den folgenden Kapiteln von den JournalistInnen/SchriftleiterInnen gesprochen (Details siehe S. 33). Bei den übrigen im Text vorkommenden Personen, kommt ausschließlich das generische Maskulinum zur Anwendung. Dieses soll die weibliche Form ebenso miteinschließen und der besseren Lesbarkeit dienen.

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JournalistInnen mit Bahn, Auto und Flugzeug in Richtung Österreich, in die Bundeshauptstadt geschickt. Organisiert wurde das Vorhaben von der Presseabteilung des Propagandaministeriums und der Reichspressestelle der NSDAP. Zusammen mit den österreichischen Nationalsozialisten übernahmen diese im Zuge der Machtergreifung in den österreichischen Zeitungsredaktionen die führenden Positionen (vgl. Hausjell 1988, 319). Ein großer Teil der österreichischen Nationalsozialisten war davor im Untergrund aktiv gewesen, beziehungsweise hatte bereits vor 1933, als das Parteiverbot kam, als JournalistInnen gearbeitet. Manch einer war im Ständestaat inhaftiert worden oder ist nach Deutschland ausgewandert. In jenem März schufen sich manche nationalsozialistischen, österreichischen JournalistInnen ihre Aufstiegschancen durch Denunziation von Konkurrenten. Außerdem fanden auch viele deutsche JournalistInnen an der Ausschaltung einer großen Anzahl an qualifizierten österreichischen JournalistInnen nicht nur eine politische, sondern gleichsam eigennützige motivierte Freude. Mindestens 59 reichsdeutsche JournalistInnen kamen aufgrund des „Anschlusses“ nach Österreich und konnten in diversen Tages- und Wochenzeitungen, sowie Presseagenturen Fuß fassen. Häufig bekamen sie eine Anstellung in einer hohen Funktion und spielten gegenüber den österreichischen JournalistInnen diese höhere Machtposition aus (vgl. Hausjell 1993, 16f.). Ehemalige Redakteure der im Jahre 1933 aufgrund der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts verbotenen „Deutschösterreichischen Tageszeitung“ besetzten zum Beispiel, infolge der Umstrukturierungen die Redaktion der „Illustrierten Krone-Zeitung“ (vgl. Hausjell 1988a, 184).

Eine zusätzliche Plattform für die nahtlose Übernahme österreichischer JournalistInnen und der Presse im Jahre 1938 bildete das Juliabkommen von 1936. Dieses sorgte für die Zulassung in Österreich von fünf reichsdeutscher Zeitungen, darunter die „Essener Nationalzeitung“, Hermann Görings Organ, welche der NSDAP in Österreich als Sprachrohr diente (vgl. Duchkowitsch 1991, 75f. und Schopper 1941, 172).

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4.1.1 Maßnahmen gegenüber jüdischen JournalistInnen

„Der Feldzug des Terrors, der nun im Auftrag Himmlers und Heydrichs in Österreich begann, übertraf alles, was bis dahin im Deutschen Reich geschehen war. (...) Der ersten großen Verhaftungswelle im März und April 1938 fielen vor allem Funktionäre des untergegangenen ´väterländischen´ Regimes, Kommunisten, Sozialisten und bekannte Antinazis sowie Juden zum Opfer. Die Zahlenangaben schwanken zwischen 50.000 und 76.000.“ (Neugebauer 1988, 164)

Die erste Phase der Maßnahmen gegen Juden wurde jedoch schon vor dem Einzug der Nationalsozialisten von der Regierung Seyß-Inquart eingeleitet. Erste Schritte waren die Berufsverbote für jüdische Schauspieler, Musiker, Rechtsanwälte, jüdischen JournalistInnen und Beamten an Außendienststellen (vgl. Moser 1988, 189). Viele als „jüdisch“ eingestufte JournalistInnen, mitunter auch die oppositionellen, wurden in den ersten Tagen des Anschlusses entweder sofort gekündigt oder festgenommen. „Nichtarische“ JournalistInnen, in erster Linie jüdische, konnten sich zwar um einen Nachweis der „arischen Abstammung“ ansuchen, doch wurde dessen Genehmigung mit Härte gehandhabt. Aufgrund des folgenden Personalmangels und dem Fehlen qualifizierter Fachkräften kam es in weiterer Folge wieder zu einer Lockerung dieser Maßnahme (vgl. Hausjell 1988, 324).

„Das Fallbeil schlug nicht plötzlich zu, der Prozeß (sic!) der Eliminierung der jüdischen Journalisten vollzog sich sukzessive und sollte auf diese Weise das weitere, wenn auch limitierte Erscheinen der wichtigsten Zeitungen sicherstellen“ (Dubrovic 1985, 250).

Unmittelbar nach dem „Anschluss“ am 1. April 1938 befanden sich beim ersten Transport ins Konzentrationslager Dachau mehrere JournalistInnen. Besonders betroffen waren jüdische Redakteure und auch jene, welche aufgrund ihrer anti- nationalsozialistischen Einstellung die Aufmerksamkeit der Nationalsozialisten auf sich gezogen haben. Einige konnten frühzeitig untertauchen oder ins Ausland flüchten, während manche als letzten Ausweg vor den Verfolgungen den Freitod

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wählten (vgl. Hausjell 1988, 320). Erschütternd war die hohe Selbstmordrate in der ersten Phase des Anschlusses. Aus Angst vor einer Verhaftung, aus Verzweiflung aufgrund des Verlustes des Geschäfts oder des Arbeitsplatzes und durch das Verbot der Berufsausübung wählten viele JüdInnen den Freitod. 79 Selbstmorde wurden in Wien allein zu Beginn des Anschlusses im März 1938 (im Vergleich dazu 1937: 3) begangen. 62 JüdInnen begingen im April 1938 Selbstmord (1937: 7), 78 Personen im Mai 1938 (1937: 9) und 41 JüdInnen wählten diese Form des Todes im November 1938 (1937: 7). Diese hohe Anzahl an Selbstmorden, allein in Wien, wurde nur von jenen zu Beginn der Deportationen übertroffen (vgl. Moser 1988, 189).

„Mehr als 900 jüdische Journalisten dürften während des NS-Regimes vertrieben und mindestens 200 von ihnen in Konzentrationslager deportiert worden sein. Die Zahl der Ermordeten ist noch nicht bekannt“ (Enigl 2010, o.S.).

4.1.2 Einstellungen der Tageszeitungen

Siebzehn Tageszeitungen fielen im März 1938 unmittelbar nach der Machtübernahme den radikalen Einstellungsmaßnahmen der Nationalsozialisten zum Opfer. Davon wurden sechs unter abgeändertem Titel weitergeführt. Zum Beispiel führte man die Blätter der Wiener Telegraf Zeitungs GmbH: Den „Telegraf“, „Telegraf am Mittag“ und „Das Echo“, unter seinen neuen Namen, als NS-Telegraf und später als Deutscher Telegraf, oder „NS-Telegraf am Mittag“ und später als „Der Deutsche Telegraf am Mittag“, sowie „Deutsches Echo“ bis zum September 1938 weiter (vgl. Melischek/Seethaler 2006, 7). Schon am 12. März 1938 wurde den LeserInnen des „Telegraf“ und dessen Nebenblättern bewusst, dass die Zeitung von nun an in neuen Händen war.

„Der ´Telegraf´ und seine Nebenblätter waren bisher der Inbegriff und der Ausdruck verbrecherischer, jüdischer Geisteswelt. Daher war es eine unserer ersten und wichtigsten Aufgaben (…) hier Ordnung zu machen. Das ist restlos und mit nationalsozialistischer Gründlichkeit besorgt worden“ (N.N., in: NS- Telegraf Nr.1, Jg.1 /12. März 1938, 1).

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Die Redakteure und JournalistInnen des „Telegraf“ – und der „Echo“ Zeitung wurden darauffolgend „vorläufig in sicheren Gewahrsam genommen“ (N.N., in: NS-Telegraf am Mittag Nr.1, Jg.1/ 14. März 1938, 1). Der Chefredakteur, Hofrat Dr. Emil Löbl, des „Neuen Wiener Tagblattes“, verfasste für die Ausgabe am 12. März 1938 noch mutig einen Abschiedsartikel auf Schuschnigg. Darauffolgend wurde er aufgefordert die Redaktion zu verlassen. Delegierte des „Gaupresseamtes“ riefen alle als „arisch“ geltenden Redakteure auf, sich zu versammeln. Das waren von den 32 Redakteuren der Zeitung sechs.

Aufgrund des Personalmangels und der Überforderung eine große Zeitung, wie das „Neue Wiener Tagblatt“ und seine Nebenausgaben alleine zu gestalten, stellte es die kommissarische Leitung des Gaupresseamtes den „jüdischen“ JournalistInnen frei, unter der Leitung „arischer“ JournalistInnen vorerst weiterzuarbeiten. Einige der entrechteten „jüdischen“ RedakteurInnen verließen die Redaktion sofort, andere arbeiteten weiter. Wer jedoch den ersten brutalen Maßnahmen der NationalsozialistInnen durch Flucht entgehen konnte, wurde ebenso wenig dokumentiert, wie die Anzahl der JournalistInnen, welche in den ersten Tages des „Presse-Anschlusses“ in „Gestapo“- oder „Schutz-Haft“ gerieten (vgl. Hausjell 1988a, 184ff.)

Besonders betroffen waren von der ersten Phase der Einstellungswelle Zeitungen aus jenen Verlagen, welche sich bereits vor 1938 im Fokus der Diffamierungskampagnen der Nationalsozialisten befanden, so wie die letzten vormaligen Parteizeitungen der Sozialdemokraten, die 1934 aufgrund ihrer damaligen Marktstellung übernommen und darauffolgend unter regimetreue Leitung gestellt wurden. Mit der Auflösung der „Vorarlberger Wacht“ und dem „Tagblatt“ (Linz) und der Namensänderung der „Volks-Zeitung“ in „Deutsche Volkszeitung“ (Innsbruck) entwichen auch die letzten der vormals sozialdemokratischen Partei- Tageszeitungen. Der „Steirische Arbeiterwille“, die „Salzburger Wacht“ und das Zentralorgan „Arbeiter Zeitung“ wurden bereits 1934 verboten. Nur das „Kleine Blatt“, das auflagenstärkste dieser Blätter, konnte unter seinem alten Titel, jedoch mehr als zwei Mal umstrukturiert, weitererscheinen. Melischek und Seethaler (2006, 7) merken hier allerdings an, dass es keinesfalls der Fall war, dass nur die weniger rentablen

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Zeitungen den Einstellungsmaßnahmen der Nationalsozialisten zum Opfer fielen – wie dies von den Nationalsozialisten gerne propagiert wurde. Denn die Zeitungen „Der Wiener Tag“ oder „Die Stunde“ gehörten zu jener Zeit „zum erfolgreichen Mittelfeld im Auflagenranking und wurden trotzdem eingestellt“ (Melischek und Seethaler 2006,7).

„Die Taktik des nationalsozialistischen Propagandaapparates lief sichtlich darauf hinaus, schockartige Veränderungen im Wiener Pressewesen zunächst zu vermeiden“ (Dubrovic 1985, 250). Obwohl der Direktor des Eher NSDAP- Verlagskonzerns und Präsident der Reichspressekammer Max Amann, ein paar Tage nach dem „Anschluss“, am 15. März 1938 die „Wiener Ausgabe6“ des ersten „Völkischen Beobachters“ herausbrachte und gleichzeitig den deutschen Zeitungsverlegern Neugründungen in Österreich, sowie den Vertrieb von Blättern aus dem „Altreich“ und deren Bewerbung verbot, konnte dieser sein Vorhaben, möglichst schnell alle unrentablen Blätter einzustellen, um mit den übrig gebliebenen Zeitungen noch gute Gewinne einzufahren, nicht sofort erreichen (vgl. Hausjell 1988, 322). Denn Gauleiter Josef Bürckel – als Reichskommissar am 23. April 1938 für die Wiedervereinigung eingesetzt und vormals Zuständiger des „Führers“ für die Volksabstimmung, welche am 10. April 1938 stattfinden sollte (vgl. Botz 1988, 50) – „bemühte sich, möglichst viele österreichische Zeitungen zunächst zu erhalten, um über ein gutes Propagandaorchester für die Vorbereitung der Volksabstimmung am 10. April zu verfügen“ und um den Schein einer möglichst großen Zeitungsvielfalt zu wahren (Hausjell 1988a, 189 und Hausjell 1993, 19). Bis zum Sommer 1938 konnte Bürckel das von Max Amann forcierte große Zeitungssterben, um für seine durch „Arisierung“ erworbenen Zeitungsverlage günstigere wirtschaftliche Bedingungen zu schaffen, in Österreich tatsächlich eindämmen. Danach fielen die österreichischen

6 Die Wiener Ausgabe des Völkischen Beobachters, des größten publizistischen Parteiorgans der NSDAP, erschien zwischen 15. März 1938 und 7. April 1945 allmorgendlich und wurde vom Zentralverlag der NSDAP (, Ges.m.b.H., München-Berlin-Wien) publiziert. Die Auflage betrug circa 60.000 Exemplare. Trotz des Versuches durch einen Lokalteil eine „Wiener Note“ in die Zeitung zu bringen, blieb das Blatt stets ein Fremdkörper in der Presselandschaft Wiens. Zwar wurde er während des Krieges bei der Papierzuteilung bevorzugt – daher besaß er einen Vorteil gegenüber anderen Wiener Zeitungen – wies jedoch auch am Ende des Krieges nur mehr zwei Seiten Text auf (Paupié 1960, 73).

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Zeitungen nach und nach der Strategie Max Amanns zum Opfer. Im Zuge dessen verloren erneut viele JournalistInnen ihre Arbeitsplätze. Keine Zeitung wurde mehr finanziell unterstützt. 82 Prozent aller Zeitungen waren bis 1944 im NSDAP-Besitz (vgl. Hausjell 1988, 189).

Die zweite Phase der Einstellungswelle erfolgte im Spätsommer des Jahres 1938 und traf vor allem ehemalige christlichsoziale Tageszeitungen. Die Nationalsozialisten beschlagnahmten, die den katholischen Pressvereinen unterstellten Betriebe oder enteigneten sie den früheren Eigentümern, nur um sie daraufhin den neu gegründeten, dem Gauverlag angehörenden Eher-Konzern, einzuverleiben. Das betraf die Verlage der Pressvereine in Linz, Salzburg, St. Pölten und Klagenfurt. In Innsbruck wurde dem Verlag Wagner und in Graz der Leykam Verlag diese Rolle zuteil. Kurzerhand übernahmen die Tageszeitungen, die von jetzt an von den Gauverlagen herausgegeben wurden, die Funktion parteiamtlicher Organe. Darauffolgend wurden die noch verbliebenen amtlichen Zeitungen ebenfalls eingestellt. Schließlich wurden am 1. Februar 1939 auch die zwei großen traditionsreichen liberalen Zeitungen, das „Neue Wiener Journal“ und die „Neue Freie Presse“, mit dem „Neuen Wiener Tagblatt“, das bereits zum Eher-Konzern gehörte vereinigt (vgl. Melischek und Seethaler 2006,8).

„Insgesamt sank die Zahl der publizistischen Einheiten durch die pressepolitischen Eingriffe im ersten Jahr der NS-Herrschaft in Österreich um fast 40% (nachdem sie in den davor liegenden vier Jahren des „Ständestaats“ bereits um 20% durch politisch motivierte Verbote reduziert worden war). Die Gesamtauflage der österreichischen Tageszeitungen fiel vom März 1938 bis zum September 1939 um ein Drittel von rund 1,750.000 auf 1,170.000 Exemplare.“ (Melischek und Seethaler 2006,8).

Von 47 Publizistischen Einheiten zu Beginn des Jahres 1938 konnte man nach einem Jahr der NS-Herrschaft in Österreich nur mehr 29 verzeichnen. Was einem Rückgang von 40 Prozent entspricht. Bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges waren mehr als die Hälfte der Publizistischen Einheiten aus Österreichs Presselandschaft verschwunden.

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Abbildung 3: Verlage und Publizistische Einheiten in Österreich von 1938 bis1945 7

Im österreichweiten Vergleich war Wien am stärksten von der Einstellungswelle betroffen. Der Auflagenrückgang lag im gesamtösterreichischen Abwärtstrend – die Zahl der Exemplare sank von 1.440 000 auf circa 940 000. Auf manchen Bundesländermärkten war das Angebot so schmal, dass die Nationalsozialisten den Prozess der Einstellungen zügeln mussten. Diese versuchten den ländlichen Raum durch die Schaffung zusätzlicher Regionalausgaben, weniger jedoch durch die Etablierung neuer Zeitungen – welche nach dem Einzug der deutschen Wehrmachtstruppen eher chaotisch erfolgte – Einstellungen nicht liebsamer Blätter zu kompensieren, beziehungsweise demnach breitere Absatzgebiete zu erschließen. In einigen Bundesländer gab es eine stark etablierte, lokale Tagespresse, die von den Nationalsozialisten – falls sie nicht wie in südlichen Teilen Niederösterreichs oder wie Osttirol ihre Interessen störte und von nationaler Gesinnung war – zur „Belohnung“ den einheimischen Verleger überlassen wurde (vgl. Melischek und Seethaler 2006, 8ff.).

7Anmerkung zur pressestatistischen Zähleinheit: Melischek und Seethaler (1992) stützen sich bei ihren Definitionen auf Walter Schütz. Demnach ist eine Ausgabe „jede Zeitung, die sich durch inhaltliche Abweichungen (im Regelfall im Lokalteil), z.T. auch nur durch den Titel, von anderen Zeitungen unterscheidet“ (Schütz 1969, 354). „Zur gleichen ´Publizistischen Einheit´ gehören (…) jeweils die Ausgaben, die in einzelnen Teilen, stets jedoch im ´Mantel´ (insbesondere im politischen Teil) übereinstimmen, in anderen Sparten (insbesondere im lokalen Teil) aber abweichend gestaltet sind“ (Schütz 1969, 354).

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„Denn während die NSDAP vor der Machtergreifung lediglich 120 Printmedien mit einer Druckauflage von 1 Million besaß, verfügte sie bereits 1934 über 169 Produkte mit einer Druckauflage von 4,5 Millionen und schließlich 1944 über 352 Organe mit einer Druckauflage von 21 Millionen. Die antifaschistischen Titel wurde dagegen von 4000 Zeitungseinheiten mit einer Druckauflage von 18,6 Millionen im Jahr 1933 auf 625 Blätter mit einer Druckauflage von 4 Millionen im Jahr 1944 dezimiert. (Baumgartner 1980, 27).

Der Eher-Konzern beherrschte, gemessen am Marktanteil in Österreich zu Anfang des Jahres 1943, 95 Prozent des Tageszeitungsmarkts. Der Weg bis zu diesem Ergebnis, verlief je nach Region unterschiedlich. Je nachdem, ob es Max Amann – Chef des NSDAP Eher-Verlagskonzerns – gelang, auch die vor dem Jahre 1938 bereits auflagenstärksten, regionalen Zeitungen einzunehmen (wie in Wien, in der Steiermark und Tirol), oder ob jener (wie in Oberösterreich, Salzburg oder Kärnten) auf eigenen, neuen Zeitungsgründungen aufzubauen hatte, welche sich nur erschwert gegen traditionelle Blätter behaupten konnten, da diese Großteils von lokalen NS-Machthabern gestützt wurden. Diese Blätter hielten sich dementsprechend länger auf dem Markt, solange bis Amann sich auch bei jenen durchsetzen konnte. Das Ergebnis war letztendlich dasselbe: In Form des jeweiligen Gauverlags blieb der Eher-Konzern, beziehungsweise in Niederösterreich und Wien als Zweigstelle der Franz-Eher-Nachfolger-GmbH, gemeinsam mit den Verlagsgesellschaften, welche in das Konzernnetzwerkes eingegliedert waren, als einziger Akteur übrig, welcher bundeslandweit Zeitungen herausgab. (vgl. Melischek und Seethaler 2006, 9ff.).

4.2 Strategien der Presselenkung im nationalsozialistischen Österreich

Das NS-Regime überließ bei der Presselenkung nichts dem Zufall. Mit ausgeklügelten Strategien wurde es zum Dirigent innerhalb der Presselandschaft Österreichs. Der kontrollierte Besitz der österreichischen Medien und der über das

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Schriftleitergesetz regulierte Zugang zum Journalismus reichten alleine für eine systemkonforme Medienöffentlichkeit. Reichspresschef und Propagandaminister Joseph Goebbels gedachten jedoch die gesamte Medienlandschaft des „Dritten Reichs“ sowohl für Regierungszwecke, als selbstverständlich auch für eigene Zwecke genauestens zu steuern. Zu diesem Zwecke wurden Instrumente und Strategien, wie die vier Anordnungen Max Amanns geschaffen, die Presseanweisungen aus dem Deutschen Nachrichtenbüro, Instruktionen auf den Pressekonferenzen in Berlin, sowie die schriftlichen „Vertraulichen Informationen“ aus dem Propagandaministerium und die Meldungen aus dem Gaupresseamt, geschaffen. Dies erfolgte um die österreichische Bevölkerung auf die militärischen Aggressionen einzustimmen. Was das Volk erfahren durfte beziehungsweise sollte und was man ihm nicht mitteilte, war genauestens geregelt (vgl. Hausjell o.J., o.S., in Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands).

4.2.1. Presselenkung auf ökonomischer, rechtlich-institutioneller und inhaltlicher Ebene

Die Presselenkung spielte sich auf drei Ebenen ab:

a. Die ökonomische Ebene: Anordnungen (unter anderem die vier Anordnungen Max Amanns) und diverse Bestimmungen sollten dazu dienen, die Pressebetriebe durch wirtschaftliche Maßnahmen besser zu kontrollieren. Die Schließaktionen von Zeitungsunternehmen und die Etablierung eines NS- Gauverlages waren weitere Maßnahmen.

b. Die rechtlich-institutionelle Ebene: Diese Form der Presselenkung bezieht sich auf alle Maßnahmen, welche auf einer formal gesetzlichen Basis Institutionen und Institute zur Kontrolle und Überwachung der Presse schufen, seien es berufsständische und organisatorische Voraussetzungen für die Berufsausübung wie die Reichspressekammer oder die Errichtung der Reichspropaganda- und Gaupresseämter, oder sei es die strenge

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Reglementierung des Berufszugangs in Form der Einführung eines Schriftleitergesetzes des Propagandaministeriums.

c. Die inhaltliche Ebene: Die inhaltliche Presselenkung war für die Kontrolle und direkte Lenkung zuständig. Im Fokus standen die Informationsbeschaffung und deren Interpretation. Das bedeutet: das Propagandaministerium gab konkrete Anweisungen an die JournalistInnen über aktuelle Themen und den Umgang mit diesen. Die inhaltliche Steuerung erfolgte zum einem größtenteils über den Pressedienst der NS-Gauleitung, als auch über die Nachrichtendienste und täglichen Presseanweisungen aus dem Propagandaministerium, die über Reichspropagandaämter der Gauen an die Lokalzeitungen weitergegeben wurden. Das Resultat war eine Lahmlegung der Recherchekraft der JournalistInnen, welche sich nur mehr auf einige Lokalberichte und auf ein bloßes Nachdrucken amtlicher Nachrichtendienste beschränkte (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 33 und Studt 2007, 79f.).

4.2.2 Die vier Anordnungen Max Amanns

Reichskommissar Bürckel gab infolge eines Führererlasses die Aufgabe der Umstrukturierung des Zeitungswesens in der „Ostmark“ nun zur Gänze in die Hände von Max Amann. Darauffolgend erließ dieser am 2. Mai 1938 vier Anordnungen. Dabei handelte es sich um Bestimmungen, die zwischen 1933 und 1938 in Deutschland in Kraft getreten waren, mit dem Ziel, den Personenkreis der Herausgeber einzuschränken, Kartellbildungen auszuschließen, Presseprodukte an einem Ort festzulegen, die „Skandalpresse“ zu beschränken und die gesamte Presse in Besitz und unter Kontrolle der NSDAP bzw. des Staates zu bringen (vgl. Merzinger 2005, 2f.).

Der Wirkungsbereich der Reichspressekammer wurde mit der ersten Anordnung auf Österreich ausgedehnt. Alle Mitarbeiter der Presse – mit Ausnahme der JournalistInnen, welche erst später durch die Einführung des Schriftleitergesetzes folgten (vgl. Gustenau 1992, 77) – mussten bis spätestens 16. Mai 1938 um die Mitgliedschaft beim Fachverband der Reichspressekammer in Wien ansuchen. Die Seite 26 von 123

Voraussetzung, um in die Reichspressekammer aufgenommen zu werden, war die „Abstammung von Vorfahren deutschen oder artverwandten Blutes“ (N.N., in: Neues Wiener Tagblatt Nr.121, Jg.72/ 3.Mai 1938, 8). Außerdem konnte das Ansuchen abgelehnt werden, wenn eine Person „die für die Ausübung seiner Tätigkeit erforderliche Zuverlässigkeit und Eignung nicht besitzt“ (N.N., in: Neues Wiener Tagblatt Nr.121, Jg.72/ 3.Mai 1938, 8). Dass hier primär von der politischen Zuverlässigkeit die Rede war, wurde jedoch verschwiegen. Des Weiteren wurden die Fachverbände der Österreichischen Pressekammer des Ständestaates in die Fachverbände der Reichspressekammer Deutschlands integriert (vgl. Hausjell 1993, 20).

Aufgrund der zweiten Anordnung war „jede Neugründung oder Veränderung von Presseprodukten bei der Reichspressekammer im Voraus anzumelden und von dieser genehmigungspflichtig“ (Hausjell 2001, 631). Weil Max Amann alle Entscheidungen sich selbst vorbehielt, war diese Anordnung ein praktisches Instrument, um für die NSDAP-Gauverlage und um für sich selbst eine konkurrenzfreie wirtschaftliche Basis in Österreich zu schaffen, sowie um unliebsame verlegerische Tätigkeiten zu verhindern.

Die dritte Anordnung Amanns zur „Wahrung der Unabhängigkeit des Zeitungsverlagswesens“ (Hausjell 1993, 21) brachte das Verbot der anonymen Kapitalgesellschaften als Verleger und wurde in Deutschland schon am 24. April 1935 erlassen. Die Anordnung sollte der Arisierung der Presse dienen, sowie politische Gegner als konkurrierende Verleger ausschließen. Das hatte zur Folge, dass sowohl „nicht arische“ Personen, als auch politische Gegner, welche beispielsweise unerkannt in Aktiengesellschaften das Sagen hatten, ausgeschaltet wurden, vor allem da ihnen auch die Aufnahme im Reichsverband der deutschen Zeitungsverleger verweigert wurde. Die Verleger mussten sich dazu verpflichten, der Reichspressekammer die Gesellschafter, die Eigentümer und die anderen Berechtigten am Verlag zu nennen. All jene Personen sowie deren Ehegatten mussten einen „Ariernachweis bis zum Jahre 1800 zurück“ (N.N., in: Neues Wiener Tagblatt Nr.121, Jg.72/ 3.Mai 1938, 8) erbringen. Weiters mussten Genehmigungen bei der Reichspressekammer für Besitzveränderungen eingeholt und Subventionen

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sowie ihre Geber bekanntgegeben werden. Ergebnis dieser dritten Anordnung war, dass nur noch Personalgesellschaften oder Einzelpersonen als Inhaber auftreten konnten, wobei diese persönlich ein Mitglied der Reichspressekammer sein musste (vgl. Hausjell 1993, 20ff.).

Abbildung 4: Neue Anordnungen für das österreichische Pressewesen

Einerseits konnte das NS-Regime durch diese Anordnung alle Personen, die gemäß den Nürnberger Gesetzen als „nichtarisch“ galten, vom Zeitungssektor wegdrängen. Zudem war es politisch oppositionellen Zeitungseigentümern nun nicht mehr erlaubt, als Inhaber einer Zeitung zu fungieren, weil bei der Beantragung der Mitgliedschaft innerhalb der Reichspressekammer nicht nur nach dem „Ariernachweis“, sondern auch die „politische Zuverlässigkeit“ überprüft wurde. Für den Präsidenten der Reichspressekammer, Max Amann, war es in weiterer Folge sehr einfach, die Zeitungen aufzukaufen. Denn durch die dritte Anordnung war es auch juristischen Personen und Personengruppen nicht mehr möglich eine Zeitung zu leiten. Da die dritte Anordnung Amanns das Gebot enthielt, dass Zeitungen inhaltlich „nicht auf einen konfessionell, beruflich oder interessenmäßig bestimmten Personenkreis abgestellt sein“ (Hausjell 2001, 631) durften – war dies auch ein klares Verbot gegen die katholische Presse. Zudem ordnete Amann noch die „Beseitigung der Skandalpresse“ an, sodass kleinformatige Boulevardblätter – welche zu dieser Zeit in der Bundeshauptstadt Wien in großen Auflagen erschienen – anstatt Lokalberichterstattung oder Chronik zukünftig nur mehr Politikthemen auf der Titelseite drucken durften (vgl. Hausjell 1993, 19f.)

Die vierte Anordnung galt den Nachrichten-, Korrespondenzbüros und Zeitschriftenverlagen, sowie den Vertriebsfirmen. Diese waren dazu verpflichtet, der Reichspressekammer die Berechtigten beziehungsweise die Eigentümer am Seite 28 von 123

jeweiligen Unternehmen zu melden. Des Weiteren mussten sie, gleichsam wie die Zeitungsverlage, einen Besitzwechsel von der Reichspressekammer bewilligen lassen (vgl. Hausjell 1993, 22).

Mit der Durchführung dieser vier Anordnungen wurde der Reichsverband der deutschen Zeitungsverleger von Amann beauftragt, wobei jeweils eine dreimonatige Übergangszeit festgesetzt wurde (vgl. Hausjell 1993, 22).

Neben diesen vier Anordnungen hatte sich Amman in seiner Funktion als Präsident der Reichspressekammer bereits 1937 im „Altreich“ ein zusätzliches Instrument zur Presselenkung vonseiten der Verleger geschaffen: die „Papierbewirtschaftungsstelle“. Existenz und Entwicklung jeder Zeitung war von den Entscheidungen dieser Stelle abhängig. Erfolgreich verfolgte Max Amann sein Ziel, die Presse in Abhängigkeit der NSDAP zu bringen, sowie dem totalitären Staat unterzuordnen. Max Amann erlangte vor allem aufgrund der Konzentration auf der Eigentümerebene eine beachtlich hohe Position innerhalb des NS-Regimes. Durch die unbarmherzige Politik der Profit- und Machtmaximierung konnte sich der Eher- Verlag inklusive seiner Tochtergesellschaften zum größten Wirtschaftskonzern Deutschlands des Jahres 1939 entwickeln. So kam es, dass 1944 circa 82 Prozent der Gesamtauflage von den 977 Zeitungen der Kontrolle des NS-Pressetrusts unterlagen. Der Nettogewinn des Verlages betrug bis 1939 35 Millionen RM. 1943 warf der NS-Parteiverlag 562 Millionen RM an Gewinn ab, was für Amann ein Vermögen von 10,3 Millionen RM bedeutete (vgl. Hausjell 2001, 631ff. und Aleff 1970, 103).

Um eine völlige Gleichschaltung der österreichischen Presse voranzutreiben, wurden zudem das Schriftleitergesetz und das Reichskulturkammergesetz geschaffen.

4.2.3. Das Schriftleitergesetz

Drei Monate waren erst nach dem Anschluss der „Ostmark“ an das nationalsozialistische „Altreich“ vergangen, als durch eine Verordnung am 14. Juni 1938 die Einführung des Schriftleitergesetzes von der Legislative beschlossen

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wurde. Dieses Gesetz enthielt ausschließlich repressive Anordnungen, mit denen das Recht auf eine freie Meinungsäußerung und das in Österreich in der Verfassung seit 1920 verankerte Verbot der Zensur, de facto abgeschaffen wurden (vgl. Baumgartner 1980, 27).

„Nicht jeder hat das Recht zu schreiben! Das Recht zu schreiben muss durch sittliche und nationale Reife erworben werden. Dieses Erwerben des Rechtes zu schreiben ist verbunden mit Verpflichtungen dem Staate gegenüber“ (Schmidt-Leonhardt/Gast 1938, 18) rechtfertigte Joseph Goebbels am 4. Oktober 1933 vor deutschen JournalistInnen die Einführung des Schriftleitergesetzes in Deutschland. Die Folgen in Deutschland waren nach der Einführung des Schriftleitergesetz fatal: Denn im Jahr 1934 verkündete der Chef des Reichsverbandes der deutschen Presse stolz, dass diese „von mindestens 1300 jüdischen und marxistischen Journalisten befreit“ (Frei/Schmitz 1989, 28) wurde. Was einer Ausgrenzungs- beziehungsweise Ablehnungsquote von circa zehn Prozent entsprach, da die Gesamtzahl der Schriftleiter im Jahr 1935 bei 13 000 lag (vgl. Frei/Schmitz 1989, 28).

Der Pressechef der Reichsregierung und Reichspressechef der NSDAP, Dr. Otto Dietrich, versuchte wie auch Dr. Joseph Goebbels, damaliger Propagandaminister, mit jenem Gesetz die Presse über ihre JournalistInnen abhängig zu machen. Max Amann und der Stabschef Rolf Rienhardt versuchten dieses hingegen in Österreich zu verhindern, da dadurch der Einfluss der Verleger auf die JournalistInnen geschwächt wurde. Bei der Kabinettssitzung am 4. Oktober 1933 nutzten Goebbels und Dietrich die Abwesenheit Amanns und setzten das Schriftleitergesetz durch. Relativ spät wurde das für die nationalsozialistische Pressepolitik zentrale Gesetzeswerk am 14. Juni 1938 auch in Österreich eingeführt.

Über das Schriftleitergesetz wurden die Redakteure der österreichischen Presse, die von nun an wie ihre deutschen Kollegen als SchriftleiterInnen bezeichnet werden sollten, dem Staat verpflichtet und somit indirekt der NSDAP (vgl. Baumgartner 1980, 27). „Der Schriftleiterberuf wurde dadurch zur ´öffentlichen Aufgabe´ erklärt und der Journalist in eine ´beamtenähnliche Stellung´ versetzt“ (Hausjell 2001, 632). Durch die Etablierung des Gesetzes wurde die provisorische Situation in den Redaktionen

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(kommissarische HauptschriftleiterInnen kontrollierten die politisch sowie systematisch noch nicht überprüften Redakteure) systematisch beseitigt und nach nationalsozialistischem Vorbild durften die JournalistInnen erst dann arbeiten, nachdem sie eingehend auf ihre arische Abstammung (nach den Nürnberger Gesetzen) und politische Zuverlässigkeit überprüft worden waren (vgl. Hausjell 1993, 28).

Um ihren Beruf ausüben zu können, mussten JournalistInnen von nun an sieben nationalsozialistisch definierte Anforderungen erfüllen.

„Schriftleiter kann nur sein, wer: 1. die deutsche Reichsangehörigkeit besitzt, 2. die bürgerlichen Ehrenrechte und die Fähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter nicht verloren hat. 3. arischer Abstammung ist und nicht mit einer Person von nicht-arischer Abstammung verheiratet ist, 4. das 21. Lebensjahr vollendet hat, 5. geschäftsfähig ist, 6. fachmännisch ausgebildet ist, 7. die Eigenschaften hat, die die Aufgabe der geistigen Einwirkung auf die Öffentlichkeit erfordert.“ (Schmitz-Berning 2007, 560).

Nach der Verkündung des Schriftleitergesetzes, mussten sich die österreichischen JournalistInnen bis zum 30. Juni 1938 beim „Landesverband Ostmark des Reichsverbandes der deutschen Presse“ in Wien melden und in einem sechsseitigen Fragebogen, Auskunft über den Verlauf ihrer beruflichen Karriere und auch über Mitgliedschaften bei Parteien und Verbänden sowie Informationen über ihre rassische Herkunft geben. Am 18. Juli 1938 konnten beim Landesverband Ostmark bereits über 1000 Anträge gezählt werden (vgl. Hausjell 1993, 29 und Gustenau 1992, 134f.).

Die SchriftleiterInnen waren in den Augen der Nationalsozialisten als „Erzieher der Öffentlichkeit“ dienlich und mussten deshalb dieser strengen Kontrolle unterzogen werden. Zudem waren diese für den reibungslosen Ablauf der nationalsozialistischen

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Propagandapolitik und für die Berichterstattung im nationalsozialistischen Stil verantwortlich (vgl. Gustenau 1992, 133). Das Schriftleitergesetz bildete „die sichtbarste Manifestation des totalitären NS-Staates auf dem Gebiet des Pressewesens“ und war „eines der wirksamsten Instrumente autoritärer Presselenkung“ (Abel 1968, 36f.). Ein Instrument, das tiefer griff als Verbote und Zensur, war geschaffen. Dieses Gesetz kratzte am Fundament des Pressewesens: den JournalistInnen. Es degradierte diese „zum beamteten Katalysator des Herrschaftswillens und der Herrschaftsideologie“ (Gustenau 1992, 133).

Die wohl gravierendste Auswirkung für die Ausübung des Schriftleiterberufes war die offen antisemitisch formulierte Forderung nach dem Nachweis der arischen Abstammung in Punkt drei. Die „arische Abstammung“ nahm die oberste Priorität für die Zulassung zum Journalistenberuf ein. Die Personaldaten mussten mit Taufschein und Geburtsurkunde der Anwärter, sowie jener der Eltern und Großeltern nachgewiesen werden. War man dazu verheiratet, musste der „arische“ Nachweis auch für den Ehegatten beziehungsweise die Ehegattin, sowie auch dessen/deren Eltern und Großeltern eingereicht werden (vgl. Hausjell 1988, 325). So umfassten zwei Drittel des Fragebogens, die Angaben für die Fertigung des geforderten „Ariernachweises“. Dazu kam die siebente, vielseitig interpretierbare und unpräzise definierte Forderung nach der „geistigen Eignung“. Diese ließ einen großen Interpretationsspielraum zu, weshalb vielen österreichischen JournalistInnen Berufsverbot erteilt wurde und diese ab 1938 in weiterer Folge vertrieben oder ermordet wurden (vgl. Hausjell 1993, 41).

Neben dem „Ariernachweis“ wurde Wert auf „politische Zuverlässigkeit“ gelegt, um den Beruf des/der Journalisten/in ausüben zu können und die Karriere im „Dritten Reich“ fortsetzen zu können. Obwohl die Mitgliedschaft bei der NSDAP nicht vonnöten war um in die Berufsliste der SchriftleiterInnen aufgenommen zu werden, wurde die Aufnahme jedoch hauptsächlich von der Beurteilung der Partei beeinflusst, welche eines von zwei nötigen Gutachten erstellte (vgl. Hausjell 1993, 47). Dieses Gutachten musste von der Gauleitung der NSDAP eingeholt werden. Parteimitgliedschaft war somit klarerweise von Vorteil. Das zweite forderte der Reichsverband der deutschen Presse von der Gestapo an. Zuvor entschied der

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Reichsverband der deutschen Presse lediglich mit den Daten, welche am Fragebogen angegeben wurden, über die Mitgliedschaft, ohne die beiden Gutachten anzufordern. Ab September 1936 ging dieser jedoch dazu über, die beiden politischen Gutachten bei der NSDAP-Gauleitung sowie der Geheimen Staatspolizei einzuholen, da sich herausgestellt hat, „dass sich unter den in die Berufsliste eingetragenen Schriftleitern solche befanden, die über ihre frühere politische Tätigkeit, Zugehörigkeit, Vorstrafen usw. unwahre Angaben gemacht haben“ (Hausjell 1993, 47).

Darauffolgend wurden auch rückwirkend über JournalistInnen Gutachten eingeholt, die bereits zwischen den Jahren 1933 und 1938 in die Berufsliste aufgenommen wurden. Der Terminus der „politischen Zuverlässigkeit“ wurde im Laufe der Kriegsjahre vom Reichsverband der deutschen Presse“ zunehmend mehr mit „nationalsozialistisch“ gleichgesetzt.

Da sich nach dem 14. Juni 1938 in Österreich alle JournalistInnen einer derartigen Überprüfung unterziehen mussten, war es den Nationalsozialisten ein Leichtes gleich nach dem Anschluss, politisch „untragbare“ Redakteure zu eliminieren und die Printmedien gleichzuschalten. „Den übrigen Journalisten stand aber täglich der Verlust der Existenz vor Augen, so daß sie sich, um einer allzeit möglichen Suspendierung zu entgehen, kaum gegen das bestehende Unrechtsystem auflehnten“ (Baumgartner 1980, 28).

Paragraph 14 des Schriftleitergesetzes bekräftigt noch einmal die strikten Zensurauflagen. So kann man aus den Absätzen 2 und 3 entnehmen:

„Schriftleiter sind insbesonderheit verpflichtet, aus den Zeitungen alles fernzuhalten, was geeignet ist, die Kraft des Deutschen Reiches nach außen oder im Innern, den Gemeinschaftswillen des Deutschen Volkes, die deutsche Wehrhaftigkeit, Kultur oder Wirtschaft zu schwächen oder die religiösen Empfindungen anderer zu verletzen [und] was gegen die Ehre und Würde eines Deutschen verstößt“ (Schriftleitergesetz §14, Abs. 2 und Abs. 3).

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Allein mit diesen zwei gesetzlichen Maßnahmen avancierte die Zensurstelle Goebbels zu einer allmächtigen Institution, welche die Presse nach Willkür diktieren konnte.

Jeder Autor konnte für seine Beiträge gemäß dem Schriftleitergesetz zu Zeiten des Nationalsozialismus zur Verantwortung gezogen werden und war rechtlich haftbar. „Schriftleiter einer Zeitung tragen für deren geistigen Inhalt die berufs-, straf- und zivilrechtliche Verantwortung so weit, als sie ihn selbst verfaßt oder zur Aufnahme bestimmt haben“ (Schriftleitergesetz §20, Abs. 1). Durch diesen Paragraphen konnten alle JournalistInnen direkt belangt und verfolgt werden, was selbstverständlich auch dazu beitrug, diese zu willkürlichen Instrumenten der faschistischen Ideologie zu degradieren (vgl. Baumgartner 1980, 28).

Gegenüber der aufgezwungenen Veränderung waren jedoch nicht alle JournalistInnen negativ eingestellt. Sie verloren durch die Quasi-Verbeamtung zwar an journalistischer Freiheit, gewannen dazu aber an Sicherheit (vgl. Sösemann 2011, 1115).

„Sie, die seit der Französischen Revolution darum kämpften, akzeptiert zu werden, waren plötzlich der Volksgemeinschaft verpflichtet, kriegten Orden und Ehrenzeichen, wurden wie Notare behandelt. Durch dieses Gesetz wurde ihr Berufsstand akzeptiert, aufgewertet“ (Sösemann 2013, zit. nach Grob 2013, o.S.)

Machte ein/e SchriftleiterIn einen Fehler, so musste dieser sich vor dem Berufsgericht verantworten. Eine schmerzliche Geldstrafe, eine Verwarnung oder gar eine Entfernung aus der Berufsliste waren die Folgen. Letzteres bedeutete für diesen ein Berufsverbot, da nur die Mitglieder der Reichspressekammer als SchriftleiterInnen arbeiten durften (vgl. Hausjell, in: Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes o.J, o.S.).

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Die Gutachtertätigkeit wurde aufgrund der Kriegssituation immer schwieriger und Gutachten der Gauleitung sowie der Gestapo ließen immer länger auf sich warten. Deshalb ordnete Wilhelm Weiß, Chefredakteur des „Völkischen Beobachters“, im September 1944 an, dass von nun an die Landesleiter des Reichsverbands der deutschen Presse ohne derartige Gutachten über JournalistInnen urteilen dürften. „Die ´politische Vergangenheit´ und die gegenwärtige ´Haltung der Schriftleiter´ sei allerdings genau von den Landesverbänden zu überprüfen“ (Hausjell 1988,193f.).

Durch die Abänderung des §21 der „Verordnung über das Inkrafttreten und die Durchführung des Schriftleitergesetzes“ (Hausjell 1993, 47), welche noch kurz vor der Etablierung des Schriftleitergesetzes in Österreich eingeführt wurde, konnten nun auch die Leiter der Landesverbände, genaugenommen Funktionäre der NSDAP, entscheiden, ob ein Antragssteller alle Anforderungen erfüllte. Außerdem besaß der Reichsminister für Propaganda und Volksaufklärung noch ein Vetorecht. Dadurch konnte trotzdem noch jeder unliebsame Bewerber rechtskräftig ohne Schwierigkeiten abgelehnt werden (vgl. Baumgartner 1980, 27).

4.2.3.1 Die Nichtaufnahme in den Reichsverband der deutschen Presse bedeutete Berufsverbot

Die Verweigerung der Aufnahme in den Reichsverband der deutschen Presse und somit in die Berufsliste der SchriftleiterInnen bedeutete zugleich das Ausübungsverbot des journalistischen Berufes. Außerdem hieß die Aufnahme nicht, dass man die Befugnis erhielt, in jedem Ressort arbeiten zu dürfen. In der „Berufsliste“ gab es drei unterschiedliche „Abteilungen“ (A, B und C), welche genauestens im „Schriftleiter-Ausweis“ eingetragen waren. Nur die JournalistInnen, welche in die Abteilung „A“ aufgenommen wurden konnten in allen Bereichen, insbesondere in politischen tätig sein. In der Praxis erhielten die JournalistInnen jedoch eher einen Ausweis mit der Zuteilung zur Abteilung „B“. Im Schriftleiter- Ausweis wurde zudem genau festgehalten, für welche(s) Ressort(s) der/die JournalistIn eine Zulassung erhielt. Schriftleiter, welche sich in Ausbildung befanden, gehörten der dritten Kategorie, der Abteilung „C“ an. Ohne den Schriftleiter-Ausweis kam man als JournalistIn zu keiner Anstellung. Des Weiteren wurden die Namen der

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JournalistInnen, die vom Reichsverband der deutschen Presse abgelehnt und dadurch ausgeschlossen wurden, im Organ des Reichsverbands der deutschen Presse mitsamt dem Ablehnungsgrund veröffentlicht. Gegen die Ablehnung der Aufnahme beim Reichsverband der deutschen Presse beziehungsweise gegen den Ausschluss aus dem Zwangsberufsverband konnten die JournalistInnen beim „Berufsgericht der deutschen Presse“ Einspruch erheben (vgl. Hausjell 1988, 194). Im „Landesverband Alpen-Donau“ (bis 1942: ostmärkische Landesverband) waren am 1. März 1944 „insgesamt 950 Journalisten und 165 Journalistinnen (das sind 14,8 %) – zusammen also 1.115 Personen – [als] Mitglieder“ (Hausjell 1988, 196) eingetragen.

4.2.3.2 Geschlechterverhältnisse in der Berufsliste der JournalistInnen

15.360 JournalistInnen waren am 1. Jänner 1938 im Reichsverband der deutschen Presse organisiert (vgl. Hausjell 1993, 73). Mit der Kriegsdauer nahm auch die Zahl der weiblichen Journalisten beständig zu. Bereits im ersten Kriegsjahr 1939/40 waren schon über 100 Journalisten aus Österreich zum Wehrdienst eingezogen worden. Viele davon wurden im Laufe des Krieges vor allem als Kriegsberichterstatter an die Front geschickt. Die leeren Schriftleiterposten wurden deshalb oftmals mit Frauen nachbesetzt. Mitte des Jahres 1942 arbeiteten 16,1Prozent Pressejournalistinnen in Wien8 (vgl. Lindinger 1995, 23, zit. nach Hausjell 1985, o.S.). Auch in den Redaktionen der Provinzzeitungen konnte man zunehmend mehr Frauen verzeichnen. Anfang 1944 beschäftigte in Linz der NS-Gauverlag und Druckerei Oberdonau 13 festangestellte Schriftleiter, darunter drei Frauen. Bis Kriegsende 1945 war der Frauenanteil auf 27,2 Prozent angestiegen9. Diesen Trend bestätigte

8 Für Details siehe: Bestand Hausjell (1985), RDP-Akt „Verschiedene Listen", Liste der Schriftleiterinnen im LV Ostmark: Von 105 Redaktionsmitgliedern waren 17 Journalistinnen. Wiener Mittag und Neues Wiener Tagblatt: 3 Frauen von 23 Redaktionsmitgliedern (13%); Volkszeitung: 2 von 12 (16,6%); Das Kleine Blatt: 3 von 9 (33,3%); Wiener Neueste Nachrichten: 3 von 9 (33,3%); Das Kleine Volks-blatt: 1 von 8 (12,5%); Illustrierte Kronenzeitung: 1 von 8 (12,5%); Neuigkeits- Weltblatt: 4 von 10 (40%).

9 Für Details siehe: Bundesarchiv Koblenz (BAK), R 10.3/227, Umlagen der Schriftleiter des „NS- Gauverlags und Druckerei Oberdonau", 8.3.1944 und 9.1.1945, zit. nach Lindinger 1995, 23.

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die Gesamtentwicklung der Neuzugänge des Reichsverbands der Deutschen Presse-Landesverband „Ostmark“: Unter den zwischen den Jahren 1938 bis April 1942 in den Reichsverband der deutschen Presse aufgenommenen Journalisten waren 13 Prozent weiblich, unter den von Mai 1942 bis zum Frühjahr 1945 aufgenommenen Journalisten konnten 27 Prozent Frauen verzeichnet werden – mehr als das Doppelte.

Von Juli 1938 bis zum Beginn des Jahres 1940 wurden nur rund 196 weibliche und männliche Journalisten in die sogenannte „Berufsliste“ des Reichsverbands der deutschen Presse-Landesverband Ostmark aufgenommen. Davon wurden rund 80 Prozent schon im Juli 1938 eingetragen.

Abteilung A B C (unbeschränkt) (Ressortbeschränkung) (in Ausbildung) Gesamt Anz. % Anz. % Anz. % Anz. % Frauen 2 18,2 9 81,2 - - 11 5,6 Männer 60 32,4 118 63,8 7 3,8 185 94,4 Gesamt 62 31,6 127 64,8 7 3,6 196 100

Abbildung 5: Abteilungen, in denen die 196 weiblichen und männlichen Journalisten zwischen Juli 1938 bis Anfang 1940 aufgeteilt wurden

Abbildung 6: Anzahl der Journalisten und Journalistinnen im Landesverband Ostmark des Reichsverbands der deutschen Presse zwischen den Jahren 1938 und 1945

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Der Reichsverband der deutschen Presse-„Landesverband Alpen Donau“ (so nannte sich der Landesverband „Ostmark“ ab dem Frühjahr 1942) zählte am 1. März 1944 insgesamt 165 Journalistinnen (14,8 Prozent) und 950 Journalisten – zusammen 1.115 Mitglieder (vgl. Hausjell 1993, 74).

Frauen Männer Unbekannt Gesamt Zeitraum Anz. % Anz. % Anz. % Anz. % 3/1938-4/1942 89 11,2 661 83,0 45 5,7 796 74,0 5/1942-3/1945 74 26,4 204 72,6 2 0,7 280 26,0 3/1938-3/1945 163 15,2 865 80,4 47 4,4 1.076 100

Abbildung 7: Entwicklung der Geschlechterverhältnisse

Mit Andauer des Krieges gab es zunehmend mehr weibliche Journalistinnen. Der Frauenanteil betrug 1938 lediglich rund 5 Prozent im österreichischen Journalismus. In den letzten drei Kriegsjahren (Mai 1942 bis März 1945) wurde auf intensive Ausbildung von Nachwuchskräften gesetzt. Daher auch die hohe Anzahl an durchschnittlich 93 weiblichen und männlichen Journalisten, welche jährlich in den Reichsverband der deutschen Presse-„Landesverband Alpen Donau“ in die Berufsliste eingetragen wurden (Hausjell 1993, 74).

Auch der journalistische Nachwuchs bestand zu Anfang des Jahres 1943 überwiegend aus Frauen. Am „Zeitungsfachlichen Lehrgang“, welcher vom Gaupresseamt Wien im Februar 1943 angeboten wurde, nahmen mehr als zwei Drittel Frauen (71,4%) teil. Bei derartigen Lehrgängen stand neben der fachlichen Ausbildung hauptsächlich auch die politische Integration der teils sehr jungen SchriftleiterInnen im Vordergrund.

Obwohl man ab dem Jahre 1943 durchwegs positive Berichte zur weiblichen Berufstätigkeit im journalistischen Bereich finden konnte, betonten die Verantwortlichen immer wieder ihre Einstellung zum Thema Frauen im Journalismus:

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„Augenblicklich haben die jungen Schriftleiterinnen zumindest einen leichten Start. Die Aussichten auf Anstellung sind im Krieg so gut wie nie zuvor. Diejenigen, bei denen die romantischen Vorstellungen jedoch zwingender sind als die Berufung zum Beruf, sollten vor der Entscheidung einen Augenblick an die Meere von Kriegsberichtern denken, die einmal zurückkommen und den ersten Anspruch auf Unterkommen haben. Da werden sich nur die allerbesten Schriftleiterinnen behaupten können (…)“ (Hammer 1943, 187).

Verantwortungsvolle, beziehungsweise leitende Posten blieben den Frauen in der gleichgeschalteten, nationalsozialistischen Presse jedoch verschlossen. Beim „Neuen Wiener Tagblatt“ leitete die Journalistin Helyett von Hoffmann-Ostenhof den Mode- und Frauenteil von Juli 1938 bis zum Beginn des Jahres 1940. In Oberösterreich – „Oberdonau“ – war Charlotte Steigleder bis 1943 bei der parteiamtlichen Zeitung „Volksstimme“ (ab Juli 1943: „Oberdonauzeitung“) tätig. Seit September 1939 war sie für „Kulturpolitik und Unterhaltung“ zuständig, am 1. Juli 1940 zeichnete sie als verantwortliche Schriftleiterin für das Ressort „Reportagen und Beilagen“. Bei der im faschistischen Kroatien publizierten „Donauzeitung“ leitete ab Mitte 1942 das Kulturressort Else Petra Stukenkemper. Sie fungierte als Ersatzkraft für Kulturchef Schulz, der zur Wehrmacht eingezogen wurde (vgl. Lindinger 1995, 24).

Zur höheren Position der Hauptschriftleiterin brachte es eine Schriftleiterin trotzdem nur selten, und falls doch, dann nur bei Zeitschriften und Wochenblättern. Die Wochenzeitung „Innviertler Heimatblatt“ wurde beispielsweise ab 1944 von Gertrude Pretterebner geleitet, da Hermann Jungreuthmayer, der frühere Hauptschriftleiter zum Wehrdienst einberufen wurde. Von 1938 bis 1943 waren in Wien nur zwei Frauen als Hauptschriftleiterinnen aktiv: Die Leitung der Modezeitschrift „Société Graphique“ hatte Gabriele Rosenberg über und die „Universitäts-Correspondenz“ Sidona Gebhardt. Diese beiden SchriftleiterInnen verfügten über den Schriftleiterausweis der Kategorie „A“ und waren somit befugt, in allen Ressorts zu arbeiten. Der Großteil der SchriftleiterInnen war jedoch nur im Besitz eines Ausweises der Kategorie „B“ und hatte dadurch nur Zugang zu bestimmten Ressorts, welche auf dem Schriftleiterausweis festgehalten wurden (vgl. Lindinger 1995, 24).

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Bei der Durchsicht der Tageszeitungen fällt auf, in welchen Ressorts die Journalistinnen erwünscht waren. Diese schrieben oftmals nur für das Kunst- und Kulturressort, später auch für die Sparte „Für die deutsche (Haus-)Frau“. Infolge des Krieges und dem damit verbundenen Papiermangel wurden die Zeitungen immer dünner – dadurch verschwand auch bis Ende 1944 das Frauenressort aus sämtlichen Zeitungen. Politische Schriftleiterinnen gab es in der Praxis selten.

Die überwiegende Mehrheit der nationalsozialistischen SchriftleiterInnen war im Kunst- und Kulturbereich tätig. Während der NS-Diktatur gab es gemäß Lindinger (1995, 24) kaum Theaterstücke, Filme, Kurzgeschichten oder Gedichte, die nicht zum Zwecke der faschistischen Propaganda geschaffen wurden. Lindinger vertritt die Meinung, dass die

„nur scheinbar „unpolitischen" Journalistinnen (…) vielleicht sogar auf subtilere Weise zur Indoktrinierung der Leserinnen und Leser beigetragen [haben] als die männlichen Journalisten mit ihren sich ständig wiederholenden Durchhalteartikeln. Journalistinnen waren es auch des öfteren (sic!), die ihre Geschlechtsgenossinnen in die Fabriken riefen und den Arbeitseinsatz für Frauen populär zu machen versuchten“ (Lindinger 1995, 24).

Obwohl weibliche Schriftleiterinnen kaum dieselben hohen Positionen, wie ihre männlichen Kollegen anstreben konnten, erreichten sie dennoch Einkommensklassen, welche ihnen zu Beginn des Krieges verwehrt blieben. Maximal 3. 000 Reichsmark erhielt die bestverdienende Frau im Zeitraum 1938/39, 7. 300 Reichsmark im Jahre 1942. Außerdem verdiente im Jahr 1942 die Hälfte aller „Ostmark“-Schriftleiterinnen mindestens genauso viel wie die Bestverdienerin der Jahre 1938/39. Trotz dieser Steigerung konnte keine Schriftleiterin mit den männlichen Topverdienern im Journalismus Bereich mithalten. Denn die männlichen Kollegen verdienten 1942 8.000 Reichsmark im Jahr und damit auch mehr als die Bestverdienerin der Journalistinnen (vgl. Lindinger 1995, 26).

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Abbildung 8: Berufliche Positionierungen der Schriftleiterinnen in den drei Abteilungen A, B, C im Landesverband Ostmark

4.2.3.3 Wie konnte man der „Säuberung“ entgehen?

Den verschiedenen Säuberungsmaßnahmen der Nationalsozialisten zu entgehen, war ein schwieriges Vorhaben. Manche JournalistInnen versuchten ihre hinderliche politische Vergangenheit durch einen Ortswechsel abzustreifen. Andere wiederum versuchten ihr Glück mit der Flucht in die sprichwörtliche Höhle des Löwen und baten im „Alt-Reich“ um die Aufnahme in die Berufsliste.

Dies wurde mit einer Anordnung des Hauptgeschäftsführers des Reichsverbands der deutschen Presse zu unterbinden versucht:

„Da die Möglichkeit besteht, daß die in Österreich nach dem Umbruch zur Entlassung gekommenen Schriftleiter bei den Landesverbänden im Alt- Reich Antrag auf Eintragung in die Berufsliste stellen, bitte ich in allen Fällen über solche Antragssteller, die entweder aus der Ostmark stammen oder auch in den letzten Jahren bei österreichischen Zeitungen und Zeitschriften tätig waren, zunächst bei dem Landesverband Ostmark eine Auskunft einzuholen“ (BA Koblenz, R 103, Aktenband 4, Rundschreiben Nr. 47 v. 13. Juli 1938, zit. nach: Hausjell 1988, 194).

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Eine weitere Alternative, welche die österreichischen JournalistInnen in Betracht zogen, um drohender oder bereits erfolgter Entlassung gegenzusteuern, war der lautstarke Gesinnungswandel bei oft parallel dazu stattfindender Verleugnung, der vor dem Jahre 1938 vertretenen politischen Position (vgl. Hausjell 1988, 195).

4.2.4 Steuerungsmaßnahmen und Institutionen

Der zweite Schritt zur Verwirklichung der völligen Gleichschaltung der österreichischen Presse der Nationalsozialisten und der behördlichen Kontrolle der Presselandschaft war die Einführung verschiedener Steuerungsmaßnahmen und Institutionen.

Zusammen mit dem Reichsverband der deutschen Presse sollte die Reichskulturkammer politische Überwachung jeglicher geistig schaffender ArbeiternehmerInnen, mit dem Ziel der sukzessiven Vertreibung jüdischer MitarbeiterInnen aus der Presse, garantieren. Presselenkung auf inhaltlicher Ebene, funktionierte durch Nachrichtendienste (aus dem „Deutschen Nachrichtenbüro“) und den Presseanweisungen.

4.2.4.1 Der Reichsverband der deutschen Presse, die Reichskulturkammer, die Reichspressekammer, das Reichspropagandaamt und das Gaupresseamt

Das Reichskulturkammergesetz, welches in Deutschland bereits am 22. September 1933 in Kraft trat, wurde am 11. Juni 1938 auch in Österreich wirksam (vgl. Pfeifer 1941, 520). Eine Reichskulturkammer wurde geschaffen, welche in sieben Einzelkammern gegliedert war und dem Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda unterstand. Die Reichspressekammer, mit dem Direktor des NSDAP- Verlags und der Presse der NSDAP Max Amann als Präsident, stellte eine der Kammern dar. Diese war für die gesamte Presselandschaft in der Ostmark zuständig. Im März 1938 wurde von der Reichspressekammer ein Landesbüro in Wien errichtet. Außerdem wurde im selben Monat des Jahres 1938 im Wiener Parlament das Presseamt des Reichskommissars Bürckel eingerichtet, welches die Kontrolle und Betreuung der gesamten österreichischen Presse zur Aufgabe hatte.

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Das Reichspropagandaamt mit Sitz in Wien, war eine weitere wichtige Organisation zur Presselenkung. Zudem wurden weitere Reichspropagandaämter in den einzelnen Gauen geschaffen, welche direkt dem Propagandaminister unterstanden. Als das Schriftleitergesetz in Österreich eingeführt werden sollte, schuf auch der Reichsverband der deutschen Presse in Wien einen eigenen Landesverband. Die völlige Gleichschaltung der Presse in Österreich mit dem übrigen Reichsgebiet erfolgte durch die Errichtung eines ersten Reichspropagandaamtes in Wien am 31. März 1938. Dieses verfügte über Kompetenzen über alle Ostmarkgaue (vgl. Gustenau 1992, 152). Am 12. Juli 1938 wurde das Reichspropagandaamt Oberdonau mit Sitz in Linz geschaffen.

Zweck der Einführung des Kammernsystems war die totalitäre Kontrolle: „Die gesamte Arbeitswelt sollte in Stände aufgebaut werden, deren Ziel die Zurückdrängung von Einzelinteressen sei“ (Hausjell 1993, 23). Die Funktionäre der Kammern wurden entsprechend dem nationalsozialistischen Prinzip von oben eingesetzt und waren daher keine gewählten Vertreter. Weitere Ziele des Kammersystems waren die politische

„Kontrolle aller geistig schaffenden Gesellschaftsmitglieder sowie [die] systematischen Ausgrenzung einer Bevölkerungsgruppe aus allen kulturell- intellektuellen Berufen gemäß der rassistischen Ideologie der staatstragenden NSDAP“ (Hausjell 1993, 23).

Denn „Wer bei der (…) Vermittlung (…) von Kulturgut mitwirkt, muß (sic!) Mitglied der Einzelkammer sein, die für seine Tätigkeit zuständig ist“ (Abel 1968, 28).

Als Kontrolleur der Einhaltung dieser Ziele, des Inhalts und des Stils und für die Organisation der JournalistInnen zuständig verstand sich der Reichsverband der deutschen Presse. Verantwortlich für die reichsweite Berufsorganisation für JournalistInnen stellte dieser die „Körperschaft des öffentlichen Rechts“ (Hausjell 1993, 23) dar und unterstand dem Propagandaministerium. Der Reichsverband des deutschen Presse-Landesverbandes der Ostmark wurde überwiegend von

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JournalistInnen des „Völkischen Beobachters“ geführt, welche von der Leitung bis zur Geschäftsführung Parteimitglieder der NSDAP waren (vgl. Hausjell 1993, 23ff.).

Die „zentrale Pressedienststelle der NSDAP für das Gaugebiet“ (Organisationsbuch der NSDAP, 306) war das „Gaupresseamt“, als dessen Hauptaufgabe sich die Herausgabe des parteiamtlichen Nachrichtendienstes gestaltete. Im Gegensatz zum staatlichen Reichspropagandaamt war dieses eine Parteidienststelle. Das hieß: Das Gaupresseamt vertrat vor allem die Belange der Partei und die Interessen des Gauleiters. Aufgabengebiete des Gaupresseamts waren zudem die Kontrolle der Gaupresse, deren Versorgung mit Parteinachrichten und die Mitbestimmung bei der Wahl der SchriftleiterInnen (vgl. Gustenau 1992, 145).

4.2.4.2 Nachrichtendienste, Presseanweisungen und Pressekonferenzen

Neben dem Schriftleitergesetz wurde mit Nachrichtendiensten und Presseanweisungen ein Informationsmonopol geschaffen, welches die Recherchefreiheit der JournalistInnen immens einschränkte. Für Partei und Staat bedeutete dies jedoch einen wesentlichen Machtfaktor. Anstatt Informationen und Fakten erhielten die JournalistInnen Instruktionen und Anweisungen, die von „oben nach unten“ verteilt wurden und unreflektiert reproduziert werden mussten. Sämtliche Presseanweisungen mussten geheim gehalten, vertraulich behandelt und regelmäßig vernichtet werden. Zudem wurden diese während Pressekonferenzen in Berlin ausgeben, welche von der Presseabteilung des Propagandaministeriums veranstaltet wurden. Ausgewählte JournalistInnen konnten daran teilhaben. Diese erfuhren die aktuellen Aufmacherthemen und die erwünschte Argumentationsweise (vgl. Gustenau 1992, 163ff.) Die Presseanweisungen machten nur einen kleinen, jedoch durchaus gewichtigen Teil der Informationsmaterialien aus.

Der Großteil der Informationen an die SchriftleiterInnen stammte von Nachrichtenagenturen, allen voran vom staatlichen „Deutschen Nachrichtenbüro“. Dieses wurde vom Propagandaministerium als weiteres Instrument inhaltlicher Presselenkung benutzt und diente diesem als Sprachrohr. Die Informationen, welches das Deutsche Nachrichtenbüro den SchriftleiterInnen übermittelte, waren „maßgeblich für die Berichterstattung der gesamten Reichspresse und auf

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Anweisung unverändert als sogenannte Auflagenachrichten zu veröffentlichen“ (Gustenau 1992, 166f.). Unmittelbar nach dem Anschluss wurde in Wien und in den Zweigstellen der Bundesländer die österreichische „Amtliche Nachrichtenagentur“ in das Deutsche Nachrichtenbüro eingegliedert und zum Teil mit Mitarbeitern aus Deutschland besetzt. Ein Jahr später, am 15. April 1939 wurde die gesamte Nachrichtenversorgung der österreichischen Zeitungen vom Deutschen Nachrichtenbüro gesteuert. Die Pressenkonferenzen der Reichsregierung, sowie das staatliche Deutsche Nachrichtenbüro, welches dem Propagandaministerium unterstand, beeinflussten somit die gesamte Berichterstattung der österreichischen Tageszeitungen.

An NS-Presselenkungsinstitutionen mangelte es dem nationalsozialistischen Österreich in den Jahren 1938-1945 nicht. Welche Themen und Inhalte in den Zeitungen veröffentlicht werden durften, wurde von Reichspropagandaämtern in den Gauen und von den Meldungen des Deutschen Nachrichtenbüros sowie den Mitteilungen auf den Berliner Pressekonferenzen bestimmt (vgl. Müller 2003, 43f. und 47ff.).

Die Presselenkung von Wien aus basierte somit auf vier Säulen: 1. Auf den Pressekonferenzen in Berlin und den Verlautbarungen der Presseämter 2. Auf den „vertraulichen Nachrichten“, welche vom Propagandaministerium über das Reichspropagandaamt in Wien an die Redaktionen weitergeleitet wurden 3. Auf den Mitteilungen des Deutschen Nachrichtenbüros 4. Auf den Informationen aus dem Gaupresseamt

Unmittelbare, jedoch vorhersagbare Folge der NS-Presselenkung war das Problem der Uniformität, welches durch das komplizierte System der Presselenkung verstärkt wurde und hauptsächlich auf Vertuschung basierte. Bald zeigte sich das auch in der Unzufriedenheit der Rezipienten und Kommunikatoren, die der Mangel an Eigeninitiative, nachgedruckten Nachrichten aus dem Deutschen Nachrichtenbüro, den gauamtlichen Meldungen, kurzen Lokalberichten, der Selbstbeweihräucherung, sowie den kriegsbedingten Seitenkürzungen mit sich brachte (vgl. Gustenau 1992, 172ff.).

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5. Die oberösterreichische Presselandschaft vor dem „Anschluss“

„Der Oberösterreicher (…) bleibt jahrzehntelang bei seinem Blatt (…). Seit der Jahrhundertwende kamen nur ganz wenige Blätter dazu, die alteingesessenen hielten sich und fast alle konnten die politischen und wirtschaftlichen Fährnisse bis zum Umbruch 1938 überstehen. Zu Beginn des Jahres 1914 gab es in Oberösterreich vier Tageszeitungen (TAGES-POST gegründet 1865, LINZER VOLKSBLATT gegründet 1869, TAGBLATT gegründet 1897, STEYRER TAGBLATT gegründet 1900) während des I. Weltkrieges (1916) wurde in Gmunden (…) die NEUESTE POST [gegründet], die bis 1938 bestehen blieb“ (Rohleder 1966, 8).

Bis zum Parteiverbot am 12. Februar 1934 trat das sozialdemokratische „Tagblatt“ in Oberösterreich für das Interesse der Arbeiterschaft und für eine freie Presse ein. Dafür nahm sie den täglichen Kampf gegen die restriktiven Regelungen der Behörden auf sich. Dennoch kam auch für das Tagblatt mit dem Verbot der Partei, die vorübergehende Einstellung der Zeitung der Sozialdemokraten und seiner Wochenausgabe, die „Wahrheit“ (vgl. Gustenau 1992, 22). Um weiterhin den Schein der Pressefreiheit zu wahren, tauschte man die Leitung der Gutenberg Druckerei aus und wechselte den Chefredakteur aus. Somit wollte man die Arbeiterschaft vertretenden Sozialdemokraten, die immerhin 30 Prozent an Stimmen bei den Landtagswahlen 1931 erreichten, in den Ständestaat eingliedern und ließ die Zeitung am 31. März 1934, zumindest äußerlich unverändert, bis 1938 wieder publizieren (vgl. Gustenau 1992, 22ff.).

In Oberösterreich war bis dato die Kontinuität der Zeitungslandschaft sehr hoch, bedeutende Umbrüche geschahen erst ab 1938. Nach dem Verbot der nationalsozialistischen, sozialdemokratischen und kommunistischen Parteien in den Jahren 1933/34 war die einzige Partei in Österreich, die Christlichsoziale. So kam es, dass die am stärksten durch Presseprodukte vertreten Partei, neben den Großdeutschen, die Vorläuferin der ÖVP – die Christlichsoziale Partei, war. Die Blätter der verbotenen Parteien wurden Großteils eingestellt. Die Presse sollte von

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nun an unter der Herrschaft der Christlichsozialen dem Staat dienlich sein. Die verbleibenden Zeitschriften und Zeitungen wurden gemäß der Maßnahmen im Austrofaschismus umstrukturiert: Pflichtmeldungen, welche ab 1934 in allen Blättern veröffentlich werten mussten, ersetzten den innenpolitischen Teil. Beilagen und Lokalteile wurden ausgebaut, alleinig die Außenpolitik wurde von der Zensur weitgehend verschont.

Die oberösterreichische Presselandschaft war unmittelbar vor dem Anschluss nun in zwei Lager geteilt: Einerseits gab es die Blätter des Katholischen Pressvereins (Linzer Wochenblatt, Linzer Volksblatt), welcher zur großen christlich- regierungstreuklerikalen Front zählte. Dieser stand jedoch des Öfteren wegen Meinungsverschiedenheiten unter Regierungsbeobachtung. Andererseits existierte eine kleine Gruppe durch Zensur und Kontrolle geprägter, jedoch legaler Oppositionsblätter in der Hand von Privatverlegern von großdeutsch-national- liberaler Herkunft. Zu diesem Lager zählten auch Tageszeitungen welche während des Austrofaschismus „getarnt“ Berichte nationalsozialistischer Gesinnung publizierten und somit als propagandistische Stützen der verbotenen NSDAP galten. Bei den „getarnten“ Zeitungen handelte es sich um jene „braun-gefärbten“ Blätter, die trotz Kontrolle mittels Vorzensur, Geldstrafen, Beschlagnahme und Konzessionsentzug, legal publiziert wurden und nationalsozialistische Gesinnung in unterschiedlicher Radikalität verbreiteten (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 29). Dazu zählte: Die alteingesessene „Tages-Post“, die größte Tageszeitung Oberösterreichs, mit einer Auflage von 30.000 Stück, die „Alpenländische Morgenzeitung“, „Die neue Zeit“ und die Wochenzeitung „Die Welser Landpost“.

Unter den alteingeführten, nationalen Blättern befand sich auch eine beachtliche Zahl an Neugründungen. Abgesehen von den „getarnten Blättern“, zumeist großdeutsch- liberal-nationale Zeitungen, konzentrierte sich die nationalsozialistische Pressearbeit auch auf die Verteilung von illegalen Flugschriften und Propagandablättern im Untergrund.

In der folgenden Tabelle werden die Tageszeitungen mit „getarnten“ nationalsozialistischen Botschaften genauer dargestellt:

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Tages-Post Bereits seit 1934 Deutschland- freundliche Berichterstattung. Wurde wiederholt beschlagnahmt und 1937 für vier Monate unter Vorzensur gestellt. Nach dem Anschluss reihte sie sich ohne personelle oder besitzrechtliche Veränderungen den nationalsozialistischen Propagandablättern zu. Alpenländische Morgenzeitung Vom „Verein für ständische Erneuerung“ mit national-antisemitischer Zielsetzung gegründet. Am 2. Dezember 1933 das erste Mal erschienen und mit 20. März 1934 von der Regierung eingestellt. Die neue Zeit Ursprünglich, bis zur Neubesetzung der Druckerei Gutenberg, sozialdemokratisch und das Organ des Heimatschutzes. Danach nationalsozialistisch. Im Herbst 1936 wurde die Zeitung zum „Sprachrohr der illegalen Landesleitung der NSDAP“ (Schopper 1941, 112). Wurde im Juni 1937 eingestellt. Die Welser Landpost Offiziell unpolitisch. Ein Unterhaltungs- und Informationsblatt für die bäuerliche Landbevölkerung mit nationalsozialistischen Parolen. Wurde 1935 von der Firma Haas in Wels gegründet. Nach dem 10.Oktober 1938 wurde die Landpost mit dem offiziellen Organ des Reichsnährstandes zusammengelegt. Abbildung 9: Zeitungen, welche vor dem Anschluss „legal“ nationalsozialistische Inhalte publizierten

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Als getarnte NS-Blätter sind auch folgende Wochenzeitungen zu bezeichnen: weitere Zeitungen der Firma Haas, das „Schärdinger Wochenblatt“ und der „Welser Anzeiger“, der „Oberösterreichischer Gebirgsbote“ (Vöcklabruck), der „Kremstalbote“ (Kirchdorf/Krems), das „Greiner Wochenblatt“ und die „Innviertler Nachrichten“ (Nationaler Pressverein Innviertel) (vgl. Gustenau 1992, 33). Diese waren als „getarnte“ Zeitungen der NSDAP, welche nach dem 19. Juni 1933 verboten wurde, eine wichtige propagandistische Stütze.

„Die Propagandalinie war bei allen „getarnten Blättern“ gleich: Neben mehr oder weniger direkten Angriffen gegen die österreichische Regierung, Antisemitismus und Antibolschewismus nützten sie die wirtschaftliche und politische Situation in Deutschland, um Lesern die „Unfähigkeit“ der österreichischen Regierung vor Augen zu führen. Ergossen sich manche kleine Wochenblätter geradezu in Lobeshymnen auf das Hitlerregime, mussten die auflagenstärkeren Tageszeitungen vorsichtiger vorgehen.“ (Gustenau 1992, 33-34).

In der Zeit der Illegalität der NSDAP funktionierte nationalsozialistische Pressearbeit und Propaganda jedoch nicht nur durch die „getarnten“ Blätter, sondern auch durch die Erzeugung und Weiterverbreitung von illegalen Flugblättern sowie Zeitungen: wie des „Österreichischen Beobachters“, des „Innviertler Beobachters“ und der „Volksstimme“ (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 29).

Die nationalsozialistische Presse konnte sich trotz der neuen Pressegesetze und des Parteiverbots der NSDAP relativ gut in Oberösterreich halten und bis um Anschluss 1938 ihr Gedankengut in Oberösterreich verbreiten. Ein Grund war, dass die Zeitungen mit nationalsozialistischem Gedankengut regelmäßig mit Geldflüssen aus Deutschland unterstützt wurden. Ein weiterer waren die eben erwähnten Flugblätter und die von der NSDAP im Untergrund publizierten illegalen Zeitungen. Darunter zählten jene drei: Der „Innviertler Beobachter“, der vom Jänner 1934 wöchentlich bis zum Juliputsch erschien und die „Linzer Volksstimme“, die von der Landesparteileitung 1923 gegründet wurde und bis 1934, eventuell sogar bis 1936 erschien und der „Österreichische Beobachter“, der für Österreich als das zentrale

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NSDAP-Organ geschaffen werden sollte. Dieser erschien für die Bundesländer in vier verschiedenen Ausgaben. In Oberösterreich (zudem für Vorarlberg, Tirol und Salzburg) wurde die erste alpenländische Ausgabe mit einer Auflage von 3000 Exemplaren am 12. September 1936 herausgegeben. Der Gau Oberösterreich verfügte als erster über eine gut eingerichtete Druckerei. Daher war auch die oberösterreichische Ausgabe die erste mit guter Ausstattung und wurde später sogar mit Bildern versehen (vgl. Schopper 1941, 246ff.). Anton Fellner, welcher in Oberösterreich ab März 1938 zum amtlichen Pressestellenleiter ernannt wurde, hatte die redaktionelle Leitung inne. Die Zeitung erschien zweimal pro Monat und „entpuppte sich als das mit Abstand aggressivste Propagandablatt in der illegalen NS-Presselandschaft“ (Gustenau 1992, 49). Im Gegensatz zu den anderen illegalen NS-Zeitungen erschien der „Österreichische Beobachter“ in sehr professioneller Aufmachung.

„Der Großteil der Blätter wurde hektographiert, die Köpfe, wenn überhaupt vorhanden, von Handgezeichnet. Abgesehen von der schlechten Ausstattung und Qualität der Reproduktion verrät auch der Stil der Beiträge, die von Grammatik- und Rechtschreibfehlern strotzen, das Niveau der Autoren“ (vgl. Gustenau 1992, 45).

Vor dem Anschluss waren die relevantesten, amtlichen Zeitungen in Oberösterreich ohne nationalsozialistischen Botschaften in der Berichterstattung: das „Linzer Wochenblatt“ und das „Linzer Volksblatt“.

5.1 Die Berichterstattungen der Zeitungen zur Tagespolitik kurz vor dem Anschluss in Oberösterreich

Wie die Zeitungen kurz vor dem „Anschluss“ gestimmt waren, sollen die folgenden Zeitungsausschnitte darlegen. Die Tageszeitungen, welche hier behandelt werden, sind legal publiziert worden. Folgend soll dargestellt werden, wie unterschiedlich die Berichterstattung zu den gleichen Themen war. Anhand dieser Analyse der Tageszeitungen in Oberösterreich, lässt sich erkennen wie gespalten die

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Presselandschaft war. Außerdem veranschaulichen die Ausschnitte, wie die Tageszeitungen zu polarisieren wussten.

Abbildung 10: Linzer Volksblatt vom 27. Jänner 1938

Am 27. Jänner 1938 berichtete das „Linzer Volksblatt“ (Abbildung 10) in einem Bericht über den Plan der Vaterländischen Front zur „friedlichen“ Beseitigung der illegalen Gruppen in Österreich. Im Artikel wird darauffolgend die Bezeichnung „ein Illegaler“ genauer definiert: Jede Person, die der Vaterländische Front und folglich Österreich gegnerisch gesinnt ist. „Unsere Geduld ist zu Ende, hier in Österreich gibt es nur einen Weg: den Willen des Frontführers, den Willen der Vaterländischen Front und den Weg, den Dollfuß uns gewiesen hat“ (Linzer Volksblatt, Nr.21, Jg.70/ 27. Jänner 1938, 1).

Abbildung 11: Tages-Post vom 26. Jänner 1938

Die Lage spitzt sich zu: Am 26. Jänner 1938 berichtet die „Tages-Post“ in dem Artikel „Was kostet die anti-deutsche Politik?“ (N.N., in: Tages-Post Nr. 20, Jg.70/ 26. Jänner 1938, 1) über die Verbindungen Deutschlands mit der Tschechoslowakei. Der Bericht betont die Überlegenheit des Deutschen Reiches gegenüber der Tschechoslowakei. Auf derselben Seite berichtet die „Tages-Post“ über die Ziele der Juden in Europa, sowie über die Genfer Liga, die nur den Juden dienlich ist. „Die jüdische Politik benötige die Genfer Liga für ihre Ziele, und es bestätige sich, was Seite 51 von 123

kürzlich auch der rumänische Minister Goga ausgesprochen habe, daß (sic!) die Genfer Institution ein jüdischer Verband zur Beherrschung der Völker sei“ (N.N., in: Tages-Post Nr. 20, Jg.70/ 26. Jänner 1938, 1).

Abbildung 12: Tages-Post vom 12. Februar 1938

Mit dem Bericht „Die Alarmnachrichten über Deutschland“ möchte die „Tages-Post“ am 12. Februar 1938, über die „Lügen“, die über das Deutsche Reich kursieren, aufklären. Folgt man dem Artikel, der sich beinahe über eine halbe Seite erstreckt, so wird einem suggeriert, dass es niemals zu Straßenkämpfen zwischen der Reichswehr, SS und Truppenrevolten in Berlin kam. Außerdem hieß es bei Fragen der Presseleute über Personalveränderungen:

„Es ist wahr, dass die deutsche Armee einer Verjüngung unterworfen wurde. Wenn so etwas in England, Frankreich oder Amerika geschieht, so errege das bei niemandem Verwunderung. Nur wenn Deutschland diesen Schritt unternimmt, werde er sofort in tendenziöser Weise ausgebeutet“ (N.N., in: Tagespost Nr.35, Jg.75/ 12. Februar 1938, 1).

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Abbildung 13: Linzer Volksblatt vom 14. Februar 1938

Am 14. Februar 1938 betonte das Linzer „Volksblatt“ in einem Artikel auf der Titelseite, dass Schuschniggs Visite in Obersalzberg bei lediglich auf Einladung des Führers stattfand, da der beidseitige Wunsch bestand, sich über die offenen Fragen „(…) die das Verhältnis zwischen dem Deutschen Reich und Österreich betreffen, auszusprechen“ (N.N., in: Linzer Volksblatt Nr. 36/ Jg.70, 14. Februar 1938).

Abbildung 14: Tages-Post vom 14. Februar 1938

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Das Zusammentreffen von Hitler und Schuschnigg war gemäß dem Bericht, welcher am 14. Februar 1938 von der „Tages-Post“ publiziert wurde, eine Sensation. „Besonders stark war der Eindruck in London, Paris und Prag“ (N.N., in: Tages-Post Nr. 36, Jg.74/ 14. Februar 1938, 1). Nachfolgend wurde auch mangels Informationen, in der „Tages-Post“ auf genauere Details über den Ablauf des Treffens verzichtet.

Abbildung 15: Tages-Post vom 15. Februar 1938

Am 15. Februar 1938 erschien in der Tages-Post der Bericht mit dem Titel „Der Ausbau des Juli-Abkommens“, der das Volk über den Ausgang des Zusammentreffens in Berchtesgaden informieren soll. Das Juli-Abkommen von 1936 sollte ausgebaut werden.

„Daneben wird auch die Regelung der wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Österreich und dem Deutschen Reich eine wichtige Rolle spielen. Parallel mit diesen in das diplomatische Gebiet fallenden Arbeiten dürfte auch eine Teilrekonstruktion des Kabinetts zu Ausführung gelangen“ (N.N., in: Tages- Post Nr.37, Jg. 74/ 15. Februar 1938, 1).

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Das am 11. Juli 1936 beschlossene „Deutsch-österreichisches Verständigungsabkommen, so genanntes »Juli- Abkommen«, definiert Österreich als »zweiten deutschen« Staat. Deutschland erkennt die staatliche Unabhängigkeit Österreichs an, Österreich verpflichtet sich zu einer Amnestie angeklagter und verurteilter Nationalsozialisten und zur Hereinnahme von Vertretern der den Nationalsozialisten nahe stehenden ´nationalen Opposition´ in politische Verantwortung (´Anschluss von innen´)“ (Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes o.J., o.S.).

Abbildung 16: Linzer Volksblatt vom 15. Februar 1938

Das Linzer „Volksblatt“ berichtete am 15. Februar 1938 im Artikel „Wichtige Konferenzen des Kanzlers“ nicht über einen Ausbau (wie im Artikel von Abbildung 15), sondern betonte auch, dass es zu einem Umbau des Juli-Abkommens kommen wird. Der Artikel hebt hervor, dass Kanzler Schuschnigg „(…) die Konferenzen mit den Mitgliedern seines Kabinetts und einigen österreichischen Politikern (…)“ (N.N., in: Volksblatt Nr. 37, Jg. 70/ 15. Februar 1938, 1) abhielt. Des Weiteren betonte das „Volksblatt“, dass die Umstrukturierung des Kabinettes nicht im direkten Zusammenhang mit dem Treffen in Berchtesgaden steht. „Es ist aber immerhin möglich, dass irgendeine Persönlichkeit aus dem nationalen Lager, die das Vertrauen des Regierungschefs im vollsten Maße besitzt, in das Kabinett berufen wird.“ (ebd., 15. Februar 1938, 1). Der Bericht suggeriert den Lesern, in Kanzler Schuschnigg und in seine Entscheidungen zu vertrauen und betonte, dass bei dem

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Zusammentreffen mit dem Führer des Dritten Reiches ein freundlicher Umgangston geführt wurde.

Abbildung 17: „Linzer Volksblatt“ vom 26. Februar 1938

Das „Linzer Volksblatt“ sprach in der Ausgabe vom 26. Februar 1938 dem Kanzler Schuschnigg sein Verständnis, für das beharrliche Schweigen über das Zusammentreffen mit Hitler in Berchtesgaden am 12. Februar 1938, zu. „Vom harten Tag in Berchtesgaden an, wie der Kanzler den 12. Februar nannte, waren an die Nerven des Kanzlers weitaus größere Zumutungen gestellt als an die Nerven irgendeinen von uns“ (N.N., in: Linzer Volksblatt Nr.4,/Jg. 70/ 26. Februar 1938, 1). Das Volksblatt folgte fort: „Denn er dürfte und konnte noch nicht sprechen, er durfte nicht gleich in den ersten Tagen vor das österreichische Volk hintreten, sondern musste erst die in Berchtesgaden vereinbarten Dinge ordnen und verabschieden, ehe er seine große Rechtfertigungs- und Programmrede hielt“ (ebd. 26. Februar 1938, 1). Sehr befürwortend wurde auch in der gleichen Ausgabe über das Pressegesetz zur Wahrung des Friedens geschrieben, welches andere Druckwerke dazu ermahnte, „den inneren Frieden oder die zwischenstaatlichen Beziehungen Österreichs zu einem anderen Staat“ (ebd. 26. Februar 1938, 1) nicht zu gefährden. Ebenso in dieser Ausgabe richtete Kanzler Schuschnigg Dankesworte an die Presse, welche für eine ruhige Stimmung innerhalb der Nation sorgen sollte, worin die Bitte auf Wahrung dieser Atmosphäre enthalten war, damit es in Österreich nicht zu einer Spaltung kommen wird.

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Abbildung 18: Linzer Volksblatt vom 26. Februar 1938

Den „Gerüchten“, über einen möglichen Einmarsch der deutschen Wehrmachtstruppen konnte man bereits am 26. Februar 1938 folgen. Das Linzer Volksblatt schrieb dazu in einem Bericht „Hitler gegen Lügen über die Legion“, dass der Reichskanzler die Behauptungen, einen Vormarsch nach Österreich zu planen, abstritt und erklärte gegen die Gerüchte vorgehen zu wollen.

5.2 Berichterstattungen der oberösterreichischen Tageszeitungen zur Volksbefragung

Nach dem Zusammentreffen mit dem deutschen Reichskanzler Adolf Hitler am 12. Februar 1938 auf dem Obersalzberg in Berchtesgaden ratifizierte Schuschnigg ein Abkommen mit dem Deutschen Reich. Den österreichischen Nationalsozialisten wurden dadurch weitreichende politische Entfaltungsmöglichkeiten zugesichert. Außerdem wurde der in Österreich illegalen NSDAP eine stärkere Regierungsbeteiligung zugesagt. Die NSDAP konnte nach diesem Abkommen legal agieren. Arthur Seyß-Inquart wurde darin zum Innenminister mit absoluter Polizeigewalt erklärt. Der Druck auf Bundeskanzler Schuschnigg, für ein freies und unabhängiges Österreich zu kämpfen, vergrößerte sich dadurch zunehmend. Schuschnigg kündigte angesichts der drohenden Gefahr für Österreichs Souveränität eine Volksbefragung zur „Unabhängigkeit und Freiheit Österreichs“ für den 13. März

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an. Das österreichische Volk sollte die Wahl haben und selbst entscheiden, ob Österreich frei bleiben soll.

„Für ein freies und deutsches, unabhängiges und soziales, für ein christliches und einiges Österreich, für Friede und Arbeit und die Gleichberechtigung aller, die sich zu Volk und Vaterland bekennen. Das ist das Ziel meiner Politik“ (Cerwenka 2008, 16).

Noch in der Nacht des 9. März 1938 startete die Schuschnigg-Regierung eine große vaterländische Wahlpropaganda. Ebenso von der linken Parteiführung unterstützt, setzte Schuschnigg große Hoffnung in die Volksbefragung, die am 13. März 1938 stattfinden sollte. Positive Erwartungen waren durchaus noch realistisch: Denn die Nationalsozialisten bildeten zu dieser Zeit noch eine Minderheit in der österreichischen Bevölkerung. Vaterländische Bürger demonstrierten in vielen Städten und Landgemeinden noch gemeinsam mit sozialdemokratischen für ein freies Österreich. Bereits am Vormittag, mit der Ankündigung das Plebiszit keinesfalls zu dulden, verlangte Hitler mit „diplomatischem Druck“ die Aufhebung der Volksbefragung.

Das „Linzer Wochenblatt“ sowie das „Tagblatt“ (siehe Abbildung 19 und 20) veröffentlichten am 10. März 1938 eine Plakatseite zur Volksbefragung in Österreich.

Abbildung 19: Linzer Wochenblatt vom 10. März 1938

Abbildung 20: Tagblatt vom 10. März 1938

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Die „Tages-Post“ berichtete im Gegensatz zum „Tagblatt“ und dem „Linzer Wochenblatt“ weniger plakativ, jedoch faktisch über die bevorstehende Volksbefragung. Am 10. März 1938 konnte man in der „Tages-Post“ Ausgabe wörtliche Zitate der Reden Schuschniggs entnehmen und einen Beitrag zum administrativen Vorgang der Volksbefragung lesen.

Abbildung 21: Tages-Post vom 10.März 1938

Abbildung 22: Tagblatt vom 11. März 1938

Das „Tagblatt“ und die linken Parteiführer forderten am 11. März 1938 die Arbeiterschaft noch einmal auf, bei der Volksbefragung mit einem „Ja“ für ein unabhängiges und freies Österreich zu stimmen.

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Abbildung 23: Linzer Volksblatt vom 11. März 1938

Am 11. März versuchte das Volksblatt dem Volk noch zu erklären „Glaubt keinen Gerüchten. Die Volksbefragung findet am Sonntag, 13. März statt. Alle Gerüchte über Verschiebungen oder Veränderungen sind unzutreffend. Es besteht selbstverständlich die Möglichkeit vollkommen freier, geheimer Stimmabgabe für jedermann“ (N.N., in: Linzer Volksblatt 1938, Nr.58/Jg. 70, 1).

Am 12. März 1938 erfolgte der „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich. Die Volksbefragung fand nicht mehr statt. Somit wurde das Ende des souveränen österreichischen Staates mit dem Berchtesgadener Abkommen besiegelt.

5.3 Die Berichterstattung der oberösterreichischen Presse zum Zeitpunkt des Anschlusses mit Fokus auf die drei dominantesten Strömungen

Am 12. März 1938 waren die oberösterreichischen Zeitungsredaktionen bereits von den Mitgliedern der örtlichen NSDAP besetzt. Die Maßnahmen der Nationalsozialisten hatten gravierende Folgen für die oberösterreichische Presselandschaft. Das Linzer Tagblatt, welches mit seinem Apell „Österreich muss Seite 60 von 123

Österreich bleiben“ (siehe Abbildung 22) am 11. März noch an ein freies Österreich glaubte, erschien tags darauf als das Kampfblatt der nationalsozialistischen Arbeiter und Angestellten Deutschösterreichs mit dem Namen „Arbeitersturm“. Neben dem „Arbeitersturm“ erschienen nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Wien weiterhin die Tageszeitungen das „Linzer Volksblatt“ (bis Juni 1938) und die „Tages- Post“ (bis Jänner 1944). Die ersten Berichte nach der Nazifizierung der österreichischen Presselandschaft am 12. März 1938 waren summa summarum geprägt von nationalsozialistischer Ideologie und Propaganda. Nachfolgend werden die ersten Artikel nach dem „Presse-Anschluss“ der „Tages-Post“, des „Linzer Volksblatt“ und dem „Arbeitersturm“ dargestellt:

1) Großdeutsch-national-liberale Presse: Tages-Post 2) Katholische/ Christlich-regierungstreue Presse: Linzer Volksblatt 3) Ehemals Sozialdemokratische Presse: Linzer Tagblatt (später: „Arbeitersturm“ bis Juli 1938, ab Juli: „Volksstimme“, ab 1.Jänner 1943 bis 3.Mai 1945 in „Oberdonau Zeitung“ unbenannt)

1) Tages-Post: großdeutsch-national-liberal Am 11. März 1938 veröffentlichte die Tages- Post einen pronationalsozialistischen Beitrag von Hugo Jury, welcher von 1936 bis 1938 als stellvertretender Landesleiter der vormals illegalen NSDAP fungierte. Der Beitrag gilt als Pendant zu dem Versuch des Linzer Volksblatts, welche mit dem Artikel “Glaubt keinen Gerüchten” (siehe Abbildung 24), der österreichischen Bevölkerung mitzuteilen gedachte, dass die Volksbefragung trotz allen Gerüchten am 13. März stattfinden wird. Die Regierung Schuschnigg zensierte den Artikel Jurys, was sich an den weißen Stellen des Titelblattes der Tages-Post erkennen lässt.

Abbildung 24: Tages-Post 11. März 1938

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Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 12. März 1938 in Oberösterreich, folgte auch nach und nach die Besetzung der Zeitungsredaktionen mit nationalsozialistischen RedakteurInnen. Mit dem Titelbild Adolf Hitlers und der Schlagzeile „Die geschichtliche Stunde Deutschösterreich“, „Dr. Seyß-Inquart Bundeskanzler“, präsentierte sich die Tages-Post am 12. März 1938 zum ersten Mal in seiner nun neuen Form. Mit weiteren Überschriften wie: „Der Glaube hat gesiegt“, „Österreich ist frei geworden!“ und „Es lebe das Großdeutsche Reich!“ bekannte sich die Tages-Post als Überbringer nationalsozialistischen Gedankenguts. Sie bejubelte in weiterer Folge Österreichs „Befreiung“ und den Einzug deutscher Truppen in Wien. Die Redakteure schrieben von der „Geschichtlichen Stunde Deutschösterreichs“.

Abbildung 25: Tages-Post 12. März 1938

„Ein Volk – ein Reich – ein Führer!“: Nicht nur das Titelblatt und die ersten Seiten der Tages- Post vom 14.März 1938 waren durchzogen von nationalsozialistischer Propaganda. Ganz im Vordergrund stand auch das Eintreffen Adolf Hitlers in Oberösterreich und in seiner Geburtsstadt Braunau.

Abbildung 26: Tages-Post 14.März 1938

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2) Linzer Volksblatt: christlich-regierungstreu

Am 11. März versuchte das Linzer Volksblatt der österreichischen Bevölkerung noch zu mitzuteilen „Glaubt keinen Gerüchten. Die Volksbefragung findet am Sonntag, 13. März statt. Alle Gerüchte über Verschiebungen oder Veränderungen sind unzutreffend“ (N.N., in: Linzer Volksblatt Nr. 58. Jg. 70 1938, 1). Weiters wurde bekräftigt, dass die Stimmabgabe vollkommen frei und geheim erfolgen wird.

Abbildung 27: Linzer Volksblatt 11. März

1938

Tags darauf, am 12. März 1938 sah das Titelblatt des Linzer Volksblatts deutlich verändert aus. „Dr. Seyß-Inquart mit den Regierungsgeschäftem betraut“ lautete die Schlagzeile. Weiters wurde die neue Regierung vorgestellt. „Österreich ist frei, ist nationalsozialistisch, ist wieder deutsch geworden“ (N.N., in Linzer Volksblatt Nr. 59, Jg. 70 1938, 1) war in einem Appell an alle deutschen Männer und Frauen zu lesen. Die Rede Fellners „Oberösterreich feiert die Befreiung“ wurde groß auf das Titelblatt gedruckt. Das Linzer Volksblatt verzichtete jedoch auf das obligatorische Hitlerfoto, das auf den übrigen oberösterreichischen Zeitungen prangerte. Abbildung 28: Linzer Volksblatt Außerdem gab es keine „Heilparolen“ und auch 12.März 1938 keine lange Berichterstattung über den

nationalsozialistischen „Siegeszug“ (vgl. Gustenau

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1992, 71). Auch die christlich-regierungstreue Presse hatte sichtlich nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Oberösterreich innerhalb eines Tages die Fronten gewechselt und sich nationalsozialistischer Propaganda bedient.

„Der Führer in Linz. Österreich ein Land des Deutschen Reiches“ prangerte am 14. März 1938 in großen Lettern auf dem Titelblatt des vormaligen christlich-regierungstreuen Linzer Volksblatts. Die Volksabstimmung wurde nun, wie zuvor angekündigt auf den 10. April 1938 datiert. Die Annexion Österreichs an das Deutsche Reich sollte mit dieser Volksabstimmung „legitimiert“ werden. Gleichzeitig gab das Volk mit der Zustimmung sein Votum Adolf Hitler. Außerdem informierte das Linzer Volksblatt über den Rücktritt des Bundespräsidenten Miklas. Auch auf den nächsten Seiten war eine klare nationalsozialistische Linie erkennbar, welche auch auf die rasche Umstrukturierung innerhalb der Zeitungsredaktion zurückzuführen ist. Abbildung 29: Linzer Volksblatt 14. März 1938

3) Tagblatt: ehemals sozialdemokratisch

„Sonntag, den 13. März 1938: Volksabstimmung in Österreich“ wurde hier in der Schlagzeile noch groß verkündet. „Für Friede und Arbeit“ tat das Arbeiterblatt kund. Optimistisch blickte das Linzer Tagblatt der Volksabstimmung entgegen und forderte ein „freies, deutsches, unabhängiges, soziales christliches, einiges Österreich“ (N.N. Tagblatt Nr. 57, Jg. 42/ 10.März 1938, 1). Abbildung 30: Linzer Tagblatt 10.März 1938

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„Österreich muß (sic!) Österreich bleiben!“. Mit diesem Titel erschien das Linzer Tagblatt am 11. März 1938 zum letzten Mal. Als ehemals sozialdemokratische Tageszeitung vertrat es die Interessen der Arbeiterschaft und der Gewerkschaft, die sich klar zur Unabhängigkeit und Freiheit Österreichs bekannte. Die Bundesleitung der Sozialen Arbeitsgemeinschaft appellierte an die Arbeiterschaft: „Es gilt, offen einzustehen für die Freiheit und Unabhängigkeit unseres Landes“ (N.N. Tagblatt Nr. 59, Jg. 42/ 11. März 1938). Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten wurde das Linzer Tagblatt eingestellt. Der Chefredakteur Abbildung 31: Linzer Tagblatt 11. Dr. Franz Blum wurde infolgedessen inhaftiert und März 1938 in das Konzentrationslager Dachau deportiert (vgl.

Gustenau 1992, 71).

Als Nachfolgeorgan erscheint von nun an der nationalsozialistische „Arbeitersturm“ („Kampfblatt der nationalsozialistischen Arbeiter und Angestellten Deutschösterreichs“). Das Tagblatt, erschien am Samstag, dem 12. März 1938 nicht. Am Sonntag, dem 13. März erschien es äußerlich und inhaltlich stark verändert als „Arbeitersturm“. Auf sechs Seiten singt die „nationalsozialistische Arbeiterpresse“ (N.N. Arbeitersturm Nr.1/Jg.1, 13. März 1938, 1) Loblieder auf Adolf Hitler und die NSDAP, bezeichnet Schuschnigg als Vertragsschwindler (vgl. N.N. Arbeitersturm Nr.1/Jg.1, 13. März 1938, 3) und verkündet „Auch die Arbeiterschaft wird nationalsozialistisch“ N.N. Arbeitersturm Nr.1/Jg.1, 13. März 1938, 4).

Abbildung 32: Arbeitersturm vom 13. März 1938

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Abbildung 33: Arbeitersturm vom 13. März Abbildung 34: Arbeitersturm vom 13. März

1938 1938

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6. Oberösterreichs Presselandschaft nach der Annexion

„Der Journalist von gestern, der Söldner einer gewissenlosen Presse, ist tot. Der Soldat einer neuen Zeit wird herangezogen“ (Oebsger-Röder 1936, 30)

Bereits wenige Tage nach dem Einzug der deutschen Truppen in Österreich wurde auch die oberösterreichische Presse inhaltlich und wirtschaftlich völlig gleichgeschalten (vgl. Hausjell 1988, 317 ff.). Dr. Anton Fellner wurde unmittelbar nach dem Anschluss im Gau „Oberdonau“10 durch Gauleiter Eigruber zum Gaupresseamtsleiter ernannt und betreute die Tages- und Wochenzeitungen in Oberösterreich. Somit wurde dieser zunächst zum einflussreichsten Mann in der oberösterreichischen Presselandschaft. Alle Redaktionen in Oberösterreich unterstanden in den ersten Monaten seiner Führung. Diese wurden nach und nach wie in ganz Österreich personell, besitzrechtlich und organisatorisch gleichgeschaltet (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 29f.).

Mehrere Einstellungswellen kennzeichneten die Presselandschaft nach 1938. Wie in den ersten Kapiteln zuvor erwähnt, fielen alle vormaligen sozialdemokratischen Blätter der ersten Einstellungswelle zum Opfer. Allen voran das Linzer „Tagblatt“, das von März bis Ende Juni 1938 als „Arbeitersturm“ weitergeführt und darauffolgend eingestellt wurde. Mit der Zeitung „Tagblatt“ verschwanden sowohl die „Wahrheit“ zusammen mit den Kopfblättern „Vöcklabrucker Wochenblatt“, der „Salzkammergutbote“ als auch die Blätter des Preßvereinskonsortiums (sic!) Gmunden, darunter die „Neue Post“, sowie die Wochenausgabe „Salzkammergut Zeitung“. Die anderen Zeitungen folgten später, denn das Erscheinungsbild der Presse sollte bis zur Volksabstimmung für den Anschluss am 10. April 1938 möglichst unverändert bleiben. Daraufhin ließ Fellner in der Presse verlautbaren, dass der Linzer Pressverein „von einigen personellen Umänderungen abgesehen keinerlei Einstellung oder Einschränkung“ (N.N., in: Mühlviertler Nachrichten, Nr.12, o.Jg./ 25. März 1938, 1).vornehmen werde. Aufgrund der bevorstehenden

10 In diesem Zusammenhang sei erwähnt, dass „der Reichsgau Oberdonau (…) nun über 17 Kreise auf einer Fläche von 14.213,83 km² und erstmals über mehr als eine Million Einwohner, nämlich 1,042.339 [verfügte]“ (Slapnicka 1978, 28). Diese Studie bezieht sich jedoch nur auf die oberösterreichische Presse in seiner heutigen Grenzziehung.

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Volksabstimmung erschienen sämtliche Zeitungen des Linzer Pressvereins äußerlich unverändert weiter. Die ersten Ausgaben unmittelbar nach dem Anschluss waren deshalb von auffälliger Gleichförmigkeit. So prägten parteiamtliche Mitteilungen und wörtliche Abdrucke von Politikerreden das Zeitungsbild. Vorrangiges Ziel des neuen Presseapparates war die Unterstützung des Propagandafeldzuges mit Fokussierung auf die kommende Volksabstimmung. Dieser Thematik mussten alle anderen Berichte auch die in den kleinsten Blättern weichen (vgl. Gustenau 1992, 72).

Abbildung 35: Pressestatistische Basisdaten für Oberösterreich

Gab es zu Beginn des Zweiten Weltkrieges in Oberösterreich noch fünf Publizistische Einheiten, so zerfiel die Zeitungsvielfalt im Laufe der Kriegsjahre und der Jahre der Gleichschaltungs- und Propagandamaschinerie. Am Ende existierte eine Publizistische Einheit: das nationalsozialistische Sprachrohr, die „Oberdonau- Zeitung“.

„In Oberösterreichs Presse während des Dritten Reichs gab es weder intellektuelle Ausreißer noch Ansätze von Resistenz. Die Presse im NS-Staat hatte generell nicht den Status einer selbstständigen politischen Kraft, sondern war politisches Instrument der herrschenden Ideologie und der Staatsführung.“ (Goldberger/Sulzbacher 2008, 33)

Ein wichtiger Baustein der NS-Propaganda war die lokale Presse. Ihre Aufgabe war es die nationalsozialistische Ideologie mit der Alltagswirklichkeit lokaler Berichte Seite 68 von 123

vermischen und diese in Form von Artikel in jeden Haushalt zu bringen. Mit dem Ziel den/die LeserIn insoweit zu beeinflussen, sodass diese/r nicht mehr zwischen Alltags- und Parteiwirklichkeit unterscheiden konnte.

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Die Statistik zeigt die Zeitungsdichte in Oberösterreich ab Beginn des Zweiten Weltkrieges:

Abbildung 36: Zeitungsdichte in Oberösterreich

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6.1 Besetzung der oberösterreichischen Zeitungsredaktionen

Am 12. März 1938 wurden die Zeitungsredaktionen im Zuge der Annexion Österreichs an Deutschland, von örtlichen NSDAP-Mitgliedern belegt. Welche politische Linie die Zeitungen zuvor verfolgten, wirkte sich unmittelbar nach dem Anschluss in unterschiedlichem Ausmaße auch auf die Entlassung der JournalistInnen aus (vgl. Hausjell 1988a, 186). Die Chefredakteure waren unter Androhung strengster Sanktionen dazu angehalten worden, die Vorbereitungen zur anstehenden Volksabstimmung und den damit verbundenen Propagandafeldzug zu unterstützen, indem sie sich an die neue politische Lage anzupassen hatten. Das hatte zur Folge, dass sämtliche oberösterreichische Zeitungen zu Beginn zwar äußerlich unverändert schienen, diese aber innerhalb kürzester Zeit inhaltlich gleichgeschalten wurden. Die einzige ehemals christlichsoziale Wochenzeitung, die bis 1945 weiter erscheinen konnte war die „Neue Warte am Inn“ und auf vormals nationaler Seite die Wochenzeitungen der „Oberösterreichische Gebirgsbote“ und der „Kremstal-Bote“ (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 30).

6.2 Personelle „Säuberungen“

Die „personellen Umänderungen“ kamen Hand in Hand mit den Verhaftungen, die bereits am 13. März ihren Anfang nahmen. Zu den ersten JournalistInnen, welche „in Schutzhaft“ genommen wurden, zählte der Redakteur des Politikteils des „Linzer Volksblattes“ Gustav Putz. (vgl. Gustenau 1992, 73).

Aufgrund der personellen „Säuberungen“ innerhalb der Zeitungsredaktionen kam es zu immensen personellen Engpässen. Die freien Stellen wurden darauffolgend mit SchriftleiterInnen aus dem „Altreich“ sowie deutschen Redakteure belegt. Die Besetzung der oberösterreichischen Redaktionen mit Redakteuren aus Deutschland erfolgte jedoch erst zwischen den Jahren 1939 und 1943. Insgesamt kamen circa zehn deutsche Redakteure nach Oberösterreich (vgl. Rohleder 1966, 115, 230, 253).

Gemäß Gustenau übten von den circa 300 freien Mitarbeiter und JournalistInnen, die während des NS-Regimes von 1938 bis 1945 in oberösterreichischen Zeitungen publiziert haben, mindestens 61 davon bereits vor dem Anschluss eine Seite 71 von 123

journalistische Tätigkeit aus. Diese Kontinuität schreibt Gustenau vor allem der bereits vor 1938 hohen Anzahl an Zeitschriften und Zeitungen mit nationalsozialistischem Gedankengut zu (vgl. Gustenau 1988, 389). Zudem wurde wie bereits zuvor erwähnt, der Nationalsozialismus durchaus weniger bekämpft als der Kommunismus und die Sozialdemokratie. All diese Faktoren erleichterten den Nationalsozialisten die schnelle Gleichschaltung der verbliebenen Presse. Bereits von den vorherigen Machthaber wurde einiges an Vorarbeit geleistet, was zu dem folgenden Ergebnis führte: „Von einer demokratischen Vielfalt war die Presse (...) schon zu diesem Zeitpunkt weit entfernt, die Kraft einer wirkungsvollen Opposition längst gebrochen.“ (Gustenau 1992, 24). Deshalb war es mehr eine logische Konsequenz die ohnehin anpassungswilligen JournalistInnen der austrofaschistischen Presse zu übernehmen.

6.3 Reichsdeutsche Presseverordnungen

Ungefähr zeitgleich zur Volksabstimmung wurden in Österreich die reichsdeutschen Presseverordnungen eingeführt. Max Amann, der Präsident der Reichspressekammer und Reichsleiter für die Presse war für den Auf- und Umbau der Presse in Österreich sowie Oberösterreich als Leitfigur tätig. Sämtliche Veränderungen und Neugründungen mussten durch die Reichspressekammer legitimiert werden. Gleichzeitig sputete man sich, den Aufbau des NS-Gauverlages voranzutreiben. Die Standesverbände wurden in die Fachverbände der Reichspressekammer integriert. Auch in Oberösterreich mussten sich alle Angestellten der Presse, um die Mitgliedschaft bei den zuständigen Fachverbänden bewerben.

Nach und nach wurden bis in den Spätsommer 1938 beinahe alle Blätter der Katholischen Pressvereine Gmunden, Steyr und Linz (Linzer Wochenblatt, Linzer Volksblatt, Welser Zeitung, Mühlviertler Nachrichten, Innviertler Zeitung, Rieder Rundschau, Steyrer Zeitung, Neue Post) und bis zum Beginn des Jahres 1939 viele der großdeutsch-national-liberalen Blätter (Schärdinger Wochenblatt, Welser Anzeiger, Greiner Wochenblatt, Innviertler Nachrichten, Landpost) eingestellt (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 30).

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Daraufhin ging es Schlag auf Schlag. Das größte und mächtigste Verlags- und Druckereiunternehmen Oberösterreichs, der Katholische Pressverein mit den Standorten in Gmunden, Steyr und Linz wurde 1938 enteignet und aufgelöst. Die Zeitungen des Verlages fielen entweder den Einstellungsmaßnahmen zum Opfer oder wurden in Propagandablätter der Nationalsozialisten umgestaltet. Die Enteignung des Pressvereins der Diözese Linz wurde durch einen offiziellen Kaufvertrag getarnt. Mit dem 30. Juni 1938 wurde das „Linzer Volksblatt“, sowie das „Linzer Wochenblatt“, die „Welser Zeitung“, die „Mühlviertler Nachrichten“, die „Innviertler Zeitung“ und die „Rieder Rundschau“ eingestellt. Ab 1. September 1938 wurde die „Steyrer Zeitung“, dem Pressverein Steyr zugehörig, durch zwei nationalsozialistische Zeitungen ersetzt. Bereits nach zwei Ausgaben wurde die „Kirchdorfer Zeitung“ eingestellt. Die einzige Zeitung aus dem christlichsozialen Sektor war die „Neue Warte am Inn“, die bis 1945 im „Innviertler Zeitungsverlag“ weiterhin erschien. Die großdeutsch-national-liberalen Wochenzeitungen wie der „Welser Anzeiger“, das „Schärdinger Wochenblatt“, das „Greiner Wochenblatt“ und die „Innviertler Nachrichten“, welche die Annexion mit regem Beifall begrüßten, wurden Anfang des Jahres 1939 durch diverse Neugründungen nationalsozialistischer Wochen- und Heimatblätter ersetzt oder ganz eingestellt. In Wels war die „Landpost“ bereits im Oktober 1938 mit dem offiziellen Blatt des Reichsnährstandes fusioniert worden. Bis zum Kriegsende erschienen somit nur mehr der „Gebirgsbote“ und der „Kremstal-Bote“ (vgl. Gustenau 1992, 75).

Dadurch hatte Max Amann sein Ziel bereits im Sommer 1938 erreicht: nämlich die nationalsozialistische Partei zum Haupteigentümer der Presse Oberösterreichs zu machen. Ebenso wurde die Druckerei Gutenberg enteignet und schrittweise liquidiert´(vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 31). Harald Schreiner übernahm die Druckerei. Bereits in der Nacht des 12. März ließ dieser den Druck der ersten parteiamtlichen Zeitung der NSDAP in Oberösterreich, den „Arbeitersturm“, anordnen. Als Nachfolgeorgan der Zeitung der Arbeiterschaft, dem „Tagblatt“, welches am 11. März noch mit der Schlagzeile „Österreich muß (sic!) Österreich bleiben!“ (vgl. Tagblatt Nr. 59, Jg. 42/ 11. März 1938, 1) vehement gegen die neue Ordnung anzukämpfen versuchte, bezeichnete dieses sich nun selbst als „Kampfblatt

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der nationalsozialistischen Arbeit und Angestellten Deutschösterreichs“ (vgl. N.N., in: Arbeitersturm, Nr.1, Jg.1 / 13. März 1938, 4). Unter Hauptschriftleiter Schreiner wurde die Druckerei Gutenberg in „NS-Druckerei und Verlag“ (vgl. N.N., in: Arbeitersturm, Nr.1/ 13. März 1938, 4) unbenannt. Der zu diesem Zeitpunkt für das Blatt zuständige Chefredakteur Dr. Franz Blum wurde alsdann verhaftet und in das Konzentrationslager Dachau gebracht (vgl. Gustenau 1992, 70). Der verantwortliche Redakteur des Wochenblattes „Wahrheit“, des „Salzkammergutboten“ und des „Vöcklabrucker Wochenblattes“, Franz Lettner sowie Karl Kromar, Hans Keplinger, Josef Scherbantin und Friedrich Werber wurden aufgrund „politischer Unzuverlässigkeit“ nicht in den neuen Arbeitskreis des „Arbeitersturms“ aufgenommen (vgl. Gustenau 1992, 70).

Der NS-Gauverlag entwickelte sich im Gau Oberdonau zum mächtigsten Druck- und Verlagsunternehmen. Als Hauptsitz diente dem Unternehmen in Linz das einstige Zentralgebäude des Katholischen Pressvereins auf der Landstraße 41. Eine kleine Anzahl der einstmaligen nationalen Druckereien und Verlagen konnten im ersten Anschlussjahr mit ihren Presseprodukten noch weiterbestehen. In gewisser Weise als belohnende Geste für die Unterstützung während der Zeit der Illegalität. Dazu zählten: „Wimmer in Linz (Tages-Post), Haas in Wels (Welser Anzeiger, Landpost), Vees in Schärding (Schärdinger Wochenblatt), Hiebl in Grein (Greiner Wochenblatt), Heitzendorfer in Vöcklabruck (Oberösterreichischer Gebirgsbote), Ziegler und Heininger in Kirchdorf (Kremstal-Bote), Stampfl in Braunau (Neue Warte am Inn)“ (Goldberger/Sulzbacher 2008, 31).

Der NS-Gauverlag (die Druckerei Oberdonau) und die NS-Gauverlagsgesellschaft nahmen mit dem 1. Juli 1938 ihre Tätigkeiten auf. Als Parteiverlag waren sie Max Amann unterstellt. Raimund Haintz, ein Wiener übernahm die Leitung des NS- Gauverlags. Die restlichen wichtigen Positionen hatten „reichsdeutsche“ Fachleute inne. Im Laufe der Jahre kam es bis 1945 zu einer zunehmenden Zentralisierung des Verlags. Nach und nach wurden die Zweigstellen bis auf die Filialen in Ried und Wels eingestellt oder verkauft. Die Etablierung des NS-Gauverlages Oberdonau erfolgte in fünf Phasen:

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1. „Sofortige Einstellung mißliebiger Zeitungen; 2. Einsetzung von kommissarischen Verwaltern und Schriftleitern; inhaltliche Gleichschaltung der ehemals christlichsozialen Blätter; 3. Enteignung des Preßvereins; Schaffung der materiellen Basis für den NS-Gauverlag; 4. Monopolisierung; Einverleibung und folgende Einstellung privater Wochenblätter großdeutsch-national-liberaler Herkunft Anfang 1939; 5. Fusionierung; Konzentration der nationalsozialistischen Zeitungen“ (Gustenau 1992, 107).

6.4 Einstellung, Gleichschaltung, Enteignungen und Einverleibungen

Im ersten Jahr des Anschlusses wurden also politisch unerwünschte Zeitungen eingestellt, vormals christlichsoziale Blätter inhaltlich gleichgeschalten, der Pressverein enteignet und private Wochenblätter großdeutsch-national-liberaler Abstammung einverleibt. Deshalb konnte man ab Jänner 1939 die neuen Produkte der parteiamtlichen Presse des Gaus Oberdonau, die Tages- sowie Wochenzeitungen des NS-Gauverlags, hürdenfrei bewerben. Das neue Schlagwort lautete: „In jedem Haushalt eine Zeitung“ (Goldberger/Sulzbacher 2008, 31) und wurde zur Parole der Werbeoffensive 1939 (vgl. Gustenau 1992, 108).

Eine der ersten Tageszeitungen, aus nationalsozialistischer Feder in den Märztagen des Jahres 1938 entsprungen, war der „Arbeitersturm“. Aus diesem Nachfolger des „Tagblattes“ – Zentralorgan der nationalsozialistischen Arbeiterschaft – wurde im Juli 1938 die „Volksstimme“, welche als Oberdonaus neue amtliche Tageszeitung galt. Diese Zeitung ersetzte außerdem das „Linzer Volksblatt“, welches bereits im Juni des Jahres 1938 eingestellt wurde. Anfang 1943 wurde die „Volksstimme“ auf Reichsstandard gebracht, wurde in „Oberdonau-Zeitung“ unbenannt und bekam ein neues Layout. Bereits im darauffolgenden Jahr wurde diese aufgrund einer Anordnung Eigrubers mit der „Tages-Post“ fusioniert. Von den zwei verbliebenen Tageszeitungen in der Presselandschaft Oberösterreichs, konnte bis zum Kriegsende nur mehr eine bestehen. Am 3. Mai 1945 erschien von der „Oberdonau- Zeitung“ die letzte Ausgabe.

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Der Gauverlag intervenierte auch im Sektor der Wochenblätter. Die vielen nationalen und katholisch-konservativen Lokalblätter wurden strukturell in so genannte „Heimatblätter“ vereinheitlicht, welche in unterschiedlichen Regionen Oberdonaus erschienen.

Neben Tageszeitungen und Wochenblättern zählten auch Zeitschriften zu den Propagandamedien der Nationalsozialisten. Bis September 1944 erschien ein bis zwei Mal im Monat der „Österreichische Beobachter“, das bereits zu Zeiten der Illegalität der NSDAP berühmt-berüchtigte Kampfblatt und die Kultur- und Heimatzeitschrift „Oberdonau. Querschnitt durch Kultur und Schaffen im Heimatgau des Führers“, welche zweimonatlich von 1941 bis 1943 publiziert wurde. Ihr Erscheinen wurde als Verpflichtung empfunden, da diese bei Hitler einen besonderen Stellenwert einnahm. Das Pendant dazu stellte die Zeitschrift „Der Heimatgau. Zeitschrift für Volks- und Landschaftskunde sowie für die Geschichte des Oberdonau-Landes“ dar. Diese wurde von dem Braunauer Dr. Eduard Kriechbaum, Gauheimatpfleger verwaltet und erschien beim Linzer Verlag Pirngruber ab 1938 als Fortsetzung der von Dr. Adalbert Depinys publizierten Zeitschrift für oberösterreichische Geschichte, Landes- und Volkskunde „Heimatgaue“, welche 1919 das erste Mal und alle zwei Monate bis 1943 herauskam.

6.5 Die Probleme der oberösterreichischen Presse während des Krieges

Vielerlei Faktoren prägten die Presse zu jener Zeit und veränderten diese wesentlich. Dazu kam neben dem Mangel an Fachpersonal auch der akute Papiermangel hinzu. Da viele Produktionsstätten während der Kriegszeit zerstört wurden, kam es zu einer akuten Papierknappheit. Max Amann nutze dies für sich und schuf eine weitere Kontrollinstanz. Durch die Leitung der Papierbewirtschaftungsstelle der Reichspressekammer, war er für die Zuteilung des Papierkontingentes an die Zeitungen zuständig. Der kriegswirtschaftlich bedingte Papiermangel zeigte sich in den Umfangsbeschränkungen, an der Erscheinungshäufigkeit und der Zusammenlegung oder Einstellung von Zeitungen. Der Höchstumfang von Tageszeitungen sollte im Sommer 1944 nur mehr vier Seiten ausmachen, zum Ende Seite 76 von 123

des Krieges 1945 durften diese nur mehr drei Mal pro Woche und zweiseitig erscheinen (vgl. Gustenau 1992, 123).

„In Oberdonau sah die Situation folgendermaßen aus: Die „Volksstimme“/“Oberdonau Zeitung“, 1938 noch 16 bis 24 Seiten stark, umfaßte (sic!) 1943 4 bis 6, 1945 nur mehr 2 bis 4 Seiten. Auch der Umfang der Wochenzeitungen sank 1938 bis 1945 kontinuierlich von 24 auf vier Seiten“ (Gustenau 1992, 124).

Zu Beginn des Jahres 1938 existierten noch vier Tageszeitungen in Oberösterreich (Tages-Post, Linzer Volksblatt, Tagblatt/Arbeitersturm und die Neue Post in Gmunden) sowie in etwa 20 Wochenzeitungen. Bis 1939 reduzierte sich die Zahl dieser Tageszeitungen allerdings auf zwei (Volksstimme, Tages-Post) und ab 1944/45 sogar nur mehr auf eine (Oberdonau-Zeitung). Wochenzeitungen gab es bis 1941 acht, welche sich bis Kriegsende hielten (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 31ff. und Gustenau 1992, 127).

6.6 Das Schriftleitergesetz und seine Auswirkungen auf die oberösterreichischen JournalistInnen „Wozu ein Kopf mit Hirn darin? Er kann ihn getrost verlieren, Die Politik, die macht Berlin, Er braucht sie bloß kopieren.“ („Der politische Redakteur“, Baumgärtel 1940, o.S.)

Presselenkung auf rechtlich-institutioneller Ebene zeichnete sich durch die Einführung des Schriftleitergesetzes im Juni 1938 in Österreich ab. Dadurch erhielten nach dem Anschluss die rassischen und politischen „Säuberungen“ nun auch in Oberösterreich einen gesetzlichen Rahmen.

„Es degradierte die Journalisten zu beamteten Vollziehern des Herrschaftswillens, den Beruf des Schriftleiters zu einem öffentlichen Amt. Der

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Schriftleiter war nicht mehr seinem Verleger, sondern Staat und Partei verpflichtet.“ (Goldberger/Sulzbacher 2008, 33)

Wie in ganz Österreich reglementierte auch in Oberösterreich ab 14. Juni 1938 das Gesetz den Berufszugang der JournalistInnen und zwang diese dem Reichsverband der deutschen Presse beizutreten, der dem Reichspropagandaministeriums angehörigen einzigen Vertretung und gesetzlichen Organisation der JournalistInnen. Ebenso mussten die oberösterreichischen JournalistInnen bei dessen Landesverband Ostmark (später: Landesverband Alpen-Donau ab 1. Mai 1942) bis Ende Juni 1938 die Mitgliedschaft beantragen. Auch hier galt es die Eigenschaften, die eine/n regimetreue/n Journalisten/in ausmachte, zur Genüge zu erfüllen, um aufgenommen zu werden. Dazu zählten als oberste Prämisse: rassische Eignung (arischer Abstammung) und politische Zuverlässigkeit (welche von Gauleitung und Gestapo peinlichst überprüft wurde und denen somit ein gewisses Mitspracherecht bei der Wahl der Journalisten eingeräumt wurde). „Aus Oberösterreich ist kein Fall einer Ablehnung aus rassischen Gründen bekannt“ (Gustenau 1992, 135). Parteimitgliedschaft war zwar nicht erforderlich, jedoch ratsam, wobei in Oberdonau ohnehin die meisten SchriftleiterInnen Mitglieder der NSDAP waren (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 33).

„Von 35 aus Oberösterreich bekannten Ablehnungen erfolgten 13 aus politischen Gründen, für 16 Antragsteller lautete die Begründung „nicht hauptberuflich tätig“, 6 wurden aufgrund § 5 Abs. 6 des Schriftleitergesetzes (betraf die fachmännische Ausbildung) nicht in den RDP aufgenommen. Bis 1945 wurden 18 Personen wergen „Berufsaufgabe“ aus der Berufsliste gelöscht, fünf Mitglieder starben oder fielen. Insgesamt verzeichnete der Landesverband Alpen-Donau (…) mit Stichtag 1. Mai 1944 1.115 Mitglieder (950 Männer und 165 Frauen)“ (Gustenau 1992, 136f.).

In den verschiedenen Verzeichnissen und Listen des Reichsverbands der deutschen Presse, sowie in der „Deutschen Presse“ wurden in Oberösterreich bis 1945 „108 Mitglieder registriert, darunter 14 Frauen“ (Gustenau 1992, 137). Somit konnte Oberösterreich 13 Prozent an weiblichen Schriftleiterinnen verzeichnen. Damit lag

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Oberösterreich etwas unterhalb des österreichischen Durschnitts (14,8%). Rund 390 namentlich genannte Mitarbeiter konnte die oberösterreichische Presse in der Zeit von 1938 bis 1945 verzeichnen. Darunter befanden sich neben den in den Berufslisten eingetragenen hauptberuflichen SchriftleiterInnen vor allem Lokalpolitiker, Schriftsteller und Lehrer – und außerdem 35 Frauen (vgl. Gustenau 1992, 137). Viele davon waren jedoch in untergeordneten Positionen tätig. Fünf Schriftleiterinnen konnte eine höhere Funktion bekleiden:

„Ella Hiebl, verantwortliche Schriftleiterin des kleinen „Greiner Wochenblattes“, Gabriele Pöschmann, die das Ressort Unterhaltung und die Frauenbeilage der „Tages-Post“ leitete, Charlotte Steigleder, Kulturredakteurin der „Volksstimme“ und „Oberdonau-Zeitung“, Gertrude Pretterebner, die ab 1944 als stellvertretende Hauptschriftleiterin des „Innviertler Heimatblattes“ zeichnete, und Senta Estermann, die in Vertretung Anton Fellners die Hauptschriftleitung des „Österreichischen Beobachters“ und der Kulturzeitschrift „Oberdonau“ übernahm, was jedoch, nach ihrer eigenen Aussage, einen reinen Formalakt darstellte“ (Gustenau 1992, 137).

Verhaftungen und Entlassungen von JournalistInnen führten auch in Oberdonau zu personellen Engpässen. Unverzüglich wurden zur Einschulung und zur Kontrolle der österreichischen Redakteure SchriftleiterInnen aus dem Deutschen Reich nach Österreich geschickt. Neben Dr. Wahl, dem Pressebeauftragten für Oberösterreich wurden mindestens noch sieben weitere SchriftleiterInnen nach Oberdonau überwiesen. Die „Tages-Post“ schrieb in einem Artikel zur Einführung des Schriftleitergesetzes: „Der Beruf des Schriftleiters wird (…) durch das Schriftleitergesetz zur öffentlichen Aufgabe erklärt und der Schriftleiter tritt damit in ein Pflichtverhältnis des öffentlichen Rechts“ (N.N., in: Tages-Post Nr.141,Jg. 20/20. Juni 1938, 3).

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Abbildung 37: Tages-Post vom 20. Juni 1938

Die JournalistInnen wurden somit auf die Wiedergabe von geprüften Nachrichten reduziert. Die Aufgabe des Verlegers wurde durch das Schriftleitergesetz nur mehr auf rein unternehmerische Belange reduziert – sehr zum Leidwesen von Rolf Rienhardt und Max Amann. Dadurch verlor der Verleger seinen Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung. Der Schriftleiter war infolgedessen nicht mehr dem Verleger, sondern Partei und Staat verpflichtet.

6.7 Totalitäre Kommunikationskontrolle und ihre Strukturlosigkeit

In der Zeit des Nationalsozialismus bedeutete die totalitäre Kontrolle keineswegs eine zentrale, klar geregelte Steuerung. In diesem System, das sich mit Informationsmonopolismus rühmte, offenbarte sich die „Strukturlosigkeit“ (Arendt 1968, 618) des Machtkörpers erst bei näherer Betrachtung. Es kam zu Überschneidungen der Kompetenzen von Instanzen, Zuständigkeiten verschwommen und die doppelte Funktion von Partei und Staat wurde mit divergierenden Machtansprüchen im Führungskader sowie persönlichen Rivalitäten überlagert. „Das kalkulierte Chaos der Presselenkung im nationalsozialistischen Staat und die Situation der Zeitungen im Lenkungswirrwarrr“ (Abel 1968, 68) zeigte sich in allen Sektoren der inneren Staatsführung.

„Diese Entwicklung entsprach einer Herrschaftstechnik, die für den Aufbau und das Funktionieren des nach außen hin zwar monolithisch auftretenden, im Inneren aber zur Erhaltung der omnipotenten Schlüsselstellung des Diktators mit bewußter (sic!) Parallelschaltung der Kompetenzen arbeitenden NS- Staatswesens typisch war“ (Abel 1968, 104).

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Anders ausgedrückt: Die Aufrechterhaltung des Führerprinzips verlangte andauernde Bewegung, dazu eine regelmäßige Verschiebung der Machtzentren und kontinuierliche Fluktuation von Kompetenzen. Die Rivalitäten und Kompetenzstreitigkeiten verkörperten sich auch auf höchster Führungsebene in den ständigen Machtkämpfen zwischen Joseph Goebbels (dem Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda, sowie Präsident der Reichskulturkammer und Reichspropagandaleiter der Partei), Max Amann (dem Reichsleiter für die Presse) und auch Otto Dietrich (dem Staatssekretär im Propagandaministerium und Reichspressechef). Mit der Etablierung des Schriftleitergesetzes übernahm das Propagandaministerium die Kontrolle und Aussiebung der JournalistInnen, Amann sicherte sich sowie der NSDAP den Zugriff auf die Zeitungen über die Verleger. Dietrich baute sich innerhalb seines Einflussgebietes einen rivalisierenden Parallelbereich auf und minderte dadurch Goebbels Einflussnahme auf die Presselenkung beträchtlich. Nebenbei versuchten auch die anderen Ministerien (wie zum Beispiel das Außen- und Wirtschaftsministerium), die lokalen Parteidienststellen oder das Oberkommando der Wehrmacht ihren Einflussbereich zu erweitern. Diesem „Lenkungswirrwarr“ (Abel 1968, 68) auf der höchsten Instanz entsprach, insbesondere auf lokaler Ebene und bei den Ämtern, eine ebenso verwirrende wie vielschichtige Kompetenzverteilung in der Provinz – diese vor allem im Bereich der Gaue (vgl. Gustenau 1992, 130f.).

Die übliche Verdoppelung der Ämter und die daraus resultierenden Streitigkeiten zwischen dem Staat und den Stellen der Partei wurden zum Kennzeichen der institutionellen Presselenkung im NS-Staat. In Oberdonau kam es zu andauernden Kompetenzstreitigkeiten zwischen der im Juli 1938 eingerichteten Landesstelle des Reichspropagandaministeriums, nämlich dem Reichspropagandaamt in Oberdonau mit dessen Pressestelle (dem Staat zugehörig) und dem Gaupresseamt der Gauleitung (der Partei zugehörig), (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 33f.). Das Gaupresseamt war mit der Entwicklung und Verteilung des parteiamtlichen Nachrichtendienstes (dem NS-Gaudienst) betraut. Alle Tages- und Wochenzeitungen bezogen diesen Dienst der Gauleitung. 1938 übernahm das Gaupresseamt Ende März des Weiteren die Herausgabe der „Amtlichen Linzer Zeitung“, welche jedoch im Frühjahr 1940 eingestellt wurde und von da an integraler Bestandteil des

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„Verordnungs- und Amtsblatt für den Reichsgau Oberdonau“ war (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 34). Die „Amtliche Linzer Zeitung“ war als offizielles Organ der Behörde dem Schriftleitergesetz nicht direkt unterworfen, stand aber aufgrund der Weisungsgebundenheit der beamteten JournalistInnen unter größeren Druck der nationalsozialistischen Herrschaft als die nichtamtlichen Printmedien. Die Wochenzeitung beschränkte sich auf rein amtliche Meldungen, musste jedoch nach den Märztagen faschistoide Sinnsprüche und Zitate Adolf Hitlers, Josef Goebbels oder Friedrich Nietzsche über Gewalt, Herrenrasse und Unterrasse aufnehmen.

„In diesen Jahren, als dunkle und finstere Mächte Österreich ergriffen hatten, mußte (sic!) auch die „Amtliche Linzer Zeitung“ in das Schattenreich des Todes treten und wie ihr Wiener Pendant im zweiten Kriegsjahr das Erscheinen einstellen. Nachdem der Wochenzeitung mit 5. August 1938 befohlen worden war, den Untertitel „Amtsblatt für Oberösterreich“ in „Amtsblatt für Oberdonau“ zu ändern, wurde sie nach 310jährigem Bestand am 2. Jänner 1940 eingestellt und durch das „Verordnungs- und Amtsblatt für den Reichsgau Oberdonau abgelöst“ (Baumgartner 1980, 28).

Wie bereits erwähnt unterlag Anton Fellner die Führung des Gaupresseamtes, dessen Verantwortlichkeiten im Juli 1938 durch die Einführung eines Reichspropagandaamtes in Oberdonau zunehmend beschnitten wurden. Sodann beschränkte dieser sich auf die Übernahme der Kulturabteilung der Reichsstatthalterei und damit auf das Amt des Kulturbeauftragten des Gauleiters. Das Gaupresseamt wurde von nun an von seinen Mitarbeitern geführt. Von 1942 bis 1944 veröffentlichte das Gaupresseamt die „Kulturnachrichten aus Oberdonau“.

Das Reichspropagandaamt Oberdonau wurde von Dr. Ferry Pohl geleitet, darauffolgend von Rudolf Irkowsky, es folgte Bruno Katzlberger, zuletzt Ferry Hietler und zählte als „der verlängerte Arm des Propagandaministeriums Goebbels“ (Goldberger/Sulzbacher 2008, 34). Da Gauleiter Eigruber keinen direkten Einfluss auf die Pressestelle des Reichspropagandaamtes hatte versuchte dieser diese weitestgehend zu ignorieren (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 34).

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7. Exempel: Die drei dominantesten Tageszeitungen in Oberösterreich von 1938-1945 im Fokus

Unmittelbar nach dem Anschluss erschienen in Oberösterreich drei Tageszeitungen: die „Tages-Post“, das „Linzer Volksblatt“ und der neugegründete „Arbeitersturm“ (vormaliges „Linzer Tagblatt“).

Die Tages-Post

Die erste Ausgabe der „Tages-Post“ wurde am 1. Jänner 1865 in der Druckerei Wimmer gedruckt. Bereits im Jahre 1934 war die „Tages-Post“ bekannt für ihre Deutschland-freundliche Berichterstattung. „Die Tages-Post hat eindeutig so Mitte der 30er Jahren angefangen nach rechts zu schwenken“ (Interview mit Rudolf A. Cuturi Dezember 2015). Die Zeitung wurde wiederholt beschlagnahmt, hauptsächlich wegen der „Außenpolitischen Wochenschau“, „einer Sparte, in die sich in den Kampfjahren vielfach die Redaktionen flüchteten, um überhaupt noch die Erfolge des Reiches und die Mißerfolge (sic!) der österreichischen Politik aufzeigen zu können“ (Schopper 1941, 93). Aufgrund der Veröffentlichung des Artikels, des ehemaligen Lehrers Hitlers, „Bei Hitler zu Gast“, stellte man die „Tages-Post“ am 31. Mai 1937 für vier Monate unter Vorzensur. „Gegen Ende 1937 und mit Beginn des Jahres 1938 trat das Blatt immer offener für die nationalsozialistische Bewegung ein (…)“ (Gustenau 1992, 38). Die oberösterreichischen Sicherheitsbehörden unternahmen am 11. März 1938 noch einen letzten Versuch, die Tageszeitung unter Kontrolle zu bringen. Entsprechende pro-nationalsozialistische Berichte von Dr. Hugo Jury wurden am Titelblatt zensiert und erschienen als weiße Stellen (vgl. Gustenau 1992, 40). Tage vor dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht berichtete die „Tages-Post“ über das freudige Erwarten und das Ankommen der deutschen Nationalsozialisten in Österreich. Mit dem Titel „In Erwartung Dr. Seyß-Inquarts. Ein bedeutungsvoller Tag für Linz“ wurde am 5. März 1938 auf der Titelseite der erste offizielle Auftritt Seyß- Inquarts in Oberösterreich angekündigt (vgl. N.N, in: Tages-Post, Nr.53, Jg. 74/ 05. März 1938, 1). „Samstag der 5. März wurde nicht nur für Linz, sondern für ganz Österreich und vor allem für die österreichischen Nationalsozialisten ein bedeutungsvoller Tag“ (N.N., in: Tages-Post Nr.54, Jg. 74/ 07. März 1938, 1)

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folgerten die Journalisten der „Tages-Post“ zwei Tage später. Die Zeitung trat zunehmend für die nationalsozialistische Bewegung, ein offenbarte ihre Gesinnung auch auf den Titelseiten der Blätter, die vor dem Anschluss erschienen.

„Der Einfluss der Familie auf die Zeitung ist mit Eintritt des Anschlusses unterbunden worden. Die haben ab diesem Zeitpunkt nichts mehr mitzureden gehabt“ (Interview mit Rudolf A. Cuturi Dezember 2015). „Die Pressefreiheit wird außer Kraft gesetzt. Der Familie bleibt wenigstens das Eigentumsrecht an der „Tages-Post“ erhalten, die als „Oberdonau-Zeitung – Amtliche Zeitung der NSDAP“ weitergeführt wird“ (Geschichte der Oberösterreichischen Nachrichten 2015, o.S.). Ohne besitzrechtliche oder personelle Umstrukturierung reihte sich die „Tages-Post“ nach dem Anschluss in die Reihe der nationalsozialistischen Propagandablätter ein. Die NS-Machthaber hatten bei der „Tages-Post“ keine Einwände gegen die JournalistInnen, die auch bereits vor 1938 die Tageszeitung mitgestaltet hatten. Gemäß Aussage Rudolf Andreas Cuturi wurden die JournalistInnen, die bereits vor dem Jahre 1938 die Tageszeitung wesentlich mitgestalten, durch die NS- Machthaber weder entlassen noch gekündigt (vgl. Hausjell 1988a, 188 und Interview Rudolf A. Cuturi Dezember 2015). „Und daher ist letztendlich nach dem Anschluss, bei den Redakteuren der Tages-Post, soviel ich weiß, nicht viel geschehen, weil alle bereits vor dem Anschluss, eher Richtung rechts getrimmt wurden“ (Interview mit Rudolf A. Cuturi). Die „Tages-Post“ wurde am 15. Jänner 1944 eingestellt, um darauffolgend durch eine Anordnung Eigrubers mit der „Oberdonau-Zeitung“ zusammengelegt zu werden (vgl. Gustenau 1992, 112).

„Diese [Anm.: Die Oberdonau-Zeitung] war mehr oder weniger eine Nazizeitung, das war eine amtliche Tageszeitung der NSDAP. Zu dieser Zeit herrschte ein Papiermangel, (…) und die Tages-Post war etwas unabhängiger, soweit man in dieser Zeit unabhängig sagen kann. Dann im Jahr 1944, weil Papiermangel herrschte, ist die Tages-Post als Teil der Oberdonau Zeitung erschienen. Beide Zeitungen sind fusioniert worden und als eine Zeitung gedruckt worden“ (Interview Rudolf A. Cuturi Dezember 2015)

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Abbildung 38: Tages-Post vom 15./16. Jänner 1944

Das Linzer Volksblatt (nur bis Juni 1938)

Am 2. Jänner 1869 erschien die Tageszeitung das „Linzer Volksblatt“ zum ersten Mal. Der Linzer „Katholikenverein“ zeichnete als Herausgeber des Blattes. Die Zeitung hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Verbreitung des christlich-sozialen Gedankenguts zu fördern und die Bekämpfung des politischen Liberalismus in Oberösterreich. Träger der Tageszeitung war der Katholische Preßverein (sic!) Linz. Am Abend des 11. März 1938 wurden die Redaktionsräume der Zeitung von den Nationalsozialisten gestürmt. Der Katholische Preßverein (sic!)-Verlag und damit auch die Tageszeitung wurden am 13. März 1938 von der NSDAP übernommen (vgl. Gustenau 1992, 84 und Ivan/Lang/Pürer 1983, 211).

Im Gegensatz zu den christlichsozialen haben sich linke JournalistInnen seltener den politischen Repressionen gebeugt und wählten 1933/34 die Emigration oder tauchten in den Untergrund ab (vgl. Hausjell 1988a, 183). Es stellt sich die Frage, weshalb viele christlichsoziale Redakteure auch noch unter der NS-Herrschaft weiterschrieben?

„Die katholische Presse hat in jenen Jahren das Autoritäre um der Ordnung willen begrüßt und dem Antisemitismus zumindest nicht widersprochen. Sie hat sich andererseits vor 1938 in der Regel für ein freies und selbstständiges Seite 85 von 123

Österreich eingesetzt. Ihre Kritik am deutschen Nationalsozialismus war von wohlwollenden Einräumungen durchsetzt, und es scheint so, daß (sic!) Sozialismus und Kommunismus jedenfalls für die gefährlicheren Feinde gehalten wurden.“ (Schmolke 1988, 20)

Der Katholische Preßverein(sic!) publizierte seine Wochenzeitungen weiterhin und erschien ebenso wie das „Linzer Volksblatt“ zwischen März und Juli des Jahres 1938 weiter. Jedoch mussten die Redakteure ihre Schreibweise ändern. Die JournalistInnen jener Zeitungen blieben bis Ende 1938, bis auf einige Ausnahmen, dieselben wie vor der Annexion. Gustav Putz, politischer Redakteur des Linzer Volksblattes war gleich nach dem Anschluss als einer der ersten von der personellen „Säuberung“ betroffen, und wurde verhaftet.

Der Chefredakteur des „Linzer Volksblatts“ im Jahre 1938, der Geistliche Franz Xaver Baldinger, schilderte im „Linzer Volksblatt“ 1968 seine Eindrücke über den Presseanschluss und die Übernahme der oberösterreichischen Zeitungen durch die Nationalsozialisten:

„Ich ließ mich von einem Polizisten zu Dr. Fellner führen. Dieser gab mir zu meiner Überraschung die Weisung: „Das ´Linzer Volksblatt´ wird nicht eingestellt, es soll weiterhin erscheinen; diese beiden Aufrufe des Gauleiters und des Bürgermeisters müssen auf die erste Seite kommen! (...) Das ´Linzer Volksblatt´ kann den weltanschaulichen Charakter behalten, nur der neuen politischen Lage muß Rechnung getragen werden. Sabotage würde strengstens bestraft.“ Ich lasse mir die Zusicherung geben, daß keiner meiner Redakteure und niemand vom Betrieb wegen der politischen Gesinnung irgendeiner Pression ausgesetzt werde, sowie, daß alle ihre Arbeitsplätze behalten dürften. Die Erfüllung dieser Bitte wird mir dezidiert versprochen. Nun muß mit den erreichbaren Hilfskräften die Zeitung – vom Vorabend halbfertig – ausgedruckt werden und mit den erwähnten Aufrufen des Gauleiters und des Bürgermeisters erscheinen. Auf der Frauenseite prang noch das „Treu Österreich!“.“ (Baldinger 1968, 8)

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Baldinger schrieb in den folgenden Tagen keine Leitartikel und unter Ernst Seidl, der neue kommissarische Leiter des Preßvereins (sic!), passten die Redakteure ihre Schreibweise den Machthabern an. Übrig blieben in der Redaktion der Chefredakteur und Geistliche Franz Xaver Baldinger, der Wirtschafts- und Lokalredakteure Alois Perschl und der für die Ressorts Sport und Gerichtssaal zuständige Julius Freiinger, sowie der Kulturredakteur Franz Pfeffer (vgl. Gustenau 1992, 73f.).

„Ein wichtiger Grund, warum die Nationalsozialisten die Redakteure nicht entließen, erscheint mir der Mangel an Fachkräften gerade im journalistischen Bereich zu sein. In Wien hatten die Nationalsozialisten viele Redaktionen „judenrein“ gemacht (...), die fehlenden Journalisten konnten nur zum Teil durch Schriftleiter aus dem „Altreich“ ersetzt werden. In der Provinz mußte man sich vorerst mit den „alten“ Journalisten begnügen, weil ansonsten das Erscheinen der Zeitungen nicht gesichert gewesen wäre.“ (Lagler 1990, 123).

Am 30. Juni 1938 wurden jedoch mit der Ausnahme von Dr. Franz Pfeffer und der Redaktionssekretärin Josefine Barth alle „Volksblatt“-Mitarbeiter entlassen. Baldinger wurde in den Reichsverband der Deutschen Presse übernommen und fungierte beim „Linzer Pfarrblatt“ als Hauptschriftleiter. (vgl. Gustenau 1992, 73ff.).

Am 11. Mai 1940 wurde der Katholische Preßverein (sic!), ohne je eine Reichsmark erhalten zu haben, aufgelöst. Ihr Vermögen wurde beschlagnahmt. Die Tageszeitung erschien noch bis zum 30. Juni 1938 als „Linzer Volksblatt“, als „Ersatz“ fungierte darauffolgend die neugegründete „Volksstimme“, die im Anschluss durch die NS-Tageszeitung „Oberdonau-Zeitung“ ersetzt

Das Tagblatt/ Der Arbeitersturm/ Die Volksstimme/ Die Oberdonau-Zeitung/ Die Oberdonau-Tages-Post Zeitung

Mit der Machtübernahme der oberösterreichischen Nationalsozialisten wurde die Zeitungsredaktion des „Tagblattes“ am 12. März 1938 von ortsansässigen Parteimitgliedern besetzt. Noch in der gleichen Nacht wurde „die erste parteiamtliche Tageszeitung der NSDAP in Oberösterreich“ (Eisenrauch 2000, 87) gedruckt. Als

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Nachfolgeorgan des Linzer Tagblatts, „der pseudo-sozialdemokratischen Tageszeitung, erschien der ´Arbeitersturm´, das ´Kampfblatt der nationalsozialistischen Arbeiter und Angestellten Deutschösterreich´“ (Eisenrauch 2000, 87) und sollte in erster Linie die NS-Arbeiterschaft ansprechen (vgl. Gustenau 1992, 110). Harald Schreiner (bekannt als vormaliger redaktioneller Leiter der nationalsozialistischen Zeitung „Die neue Zeit“) wurde Hauptschriftleiter und die Druckerei existierte fortan unter dem Namen „NS-Druckerei und Verlag, Linz a. D.“. Franz Blum, vorher der zuständige Chefredakteur, wurde verhaftet und ins Konzentrationslager Dachau deportiert. Einstige Redakteure wurden aufgrund „politischer Unzuverlässigkeit“ nicht in den neugegründeten „Arbeitersturm“ übernommen (vgl. Goldberger/Sulzbacher 2008, 30 und Eisenrauch 2000, 87). Eisenrauch nimmt an, dass Schreiner die Hoffnung hegte, dass der „Arbeitersturm“ aufgrund seines raschen Erscheinens bald zur offiziellen Parteizeitung avancieren würde. Dadurch wäre vermutlich der Bestand der Druckerei Gutenberg gesichert gewesen. Die Herausgabe jener wurde jedoch aufgrund besserer technischer Ausstattung, dem ebenfalls beschlagnahmten Preßverein (sic!) zu teil.

Die Tageszeitung erschien bis 30. Juni 1938 täglich und an Samstagen in 15 Nummern als Wochenausgabe (vgl. Gustenau 1992, 110). Die Einstellung des „Arbeitersturms“ und die Auflösung der Druckerei Gutenberg erfolgten am 30. Juni 1938. Der Betrieb war bis 31. Dezember vollständig geräumt und die technische Einrichtung wurde vom NS-Gauverlag (dem ehemaligen Pressverein) übernommen. „Offiziell erwarb der NS-Gauverlag Liegenschaft und Druckerei der Firma Gutenberg auf der Spittelwiese 5 in Linz um 59.022.65 Reichsmark“ (Eisenrauch 2000, 88). Es ist nicht bekannt, ob dieser Betrag jemals entrichtet wurde. Bis 1940 hatten auch das Gaupropagandaamt und das Reichspropagandaamt seinen Hauptsitz in der Spittelwiese 5, übersiedelte danach ins Landhaus, in dem auch das Gaupresseamt verweilte.

„Als Fortsetzung des ´Arbeitersturms´ und als Ersatz für das ebenfalls mit 30. Juni 1938 eingestellte ´Linzer Volksblatt´ erschien einen Tag später, am 1. Juli 1938, die neue amtliche Tageszeitung von Oberdonau (…), die ´Volksstimme´ im NS- Gauverlag“ (Eisenrauch 2000, 88). Diese wurde nicht mehr in der Druckerei

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Gutenberg, sondern im Hauptgebäude des Gauverlags gedruckt. Als Beilage wurde der „Arbeitersturm“ noch bis November 1938 in der „Volksstimme“ weitergeführt (vgl. Gustenau 1992, 110). Die vormalige Redaktion des „Arbeitersturms“ wurde in die neue der „Volksstimme“ übernommen. Im Jänner 1939 erschien die „Volksstimme“ sieben Mal pro Woche. Auch das „Amtsblatt der Stadt Linz“, das als Mitteilungsblatt des Magistrates diente, wurde in die „Volksstimme“ eingegliedert. Dadurch flossen zum einen öffentliche Geldmittel in das Parteiblatt, zum anderen mussten die an amtlichen Nachrichten interessierten Leser das Blatt kaufen. Die „Volksstimme“ kam in jener Zeit in zwei Ausgaben heraus: in der Provinzausgabe A, welche sich in die „Steyrer Volksstimme“ und die „Salzkammergut Volksstimme“ gliederte, und in der Stadtausgabe B (vgl. Gustenau 1992, 111).

Diese Tageszeitung wechselte am 1. Jänner 1943 ihr Erscheinungsbild und ihren Titel in „Oberdonau-Zeitung“. Mit völlig verändertem Layout und in Antiqua sollte die Zeitung auch reichsweit Bekanntheitsgrad erlangen und an die einheitliche Linie der Reichszeitungen angepasst werden (vgl. Gustenau 1992, 110f.). Der Gauverlag übernahm mit 16. Jänner 1944 über einen Pachtvertrag „die vom Verlag J. Wimmer, Kommanditgesellschaft in Linz, herausgegebene ´Tages-Post´, und beide Zeitungen erschienen nun unter dem Titel ´Oberdonau-Zeitung Tagespost´ im Gauverlag“ (Eisenrauch 2000, 88).

In Oberösterreich gab es bis zum Kriegsende nur mehr eine Tageszeitung. Zum einen lagen die Ursachen am Papier-, Material-, und Personalmangel, zum anderen aber auch am reichsweiten Schließungstrend der Tageszeitungen. Bis zur letzten Ausgabe der „Oberdonau-Zeitung“, die am 3. Mai 1945 erschien, propagierte Eigruber mit der Zeitung als Sprachrohr weiterhin den Sieg, an den keiner mehr glaubte und ging hart gegen „Verräter“ in der Bevölkerung und die SchriftleiterInnen vor (vgl. Gustenau 1992, 112).

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8. Zusammenfassung und Resümee

Die Masterarbeit hat sich mit den Veränderungen und Entwicklungen der Presse, ihrer Berichterstattung und den journalistischen Tätigkeiten in Österreich und Oberösterreich während der Jahre 1938 bis 1945 beschäftigt. Von einer „Entwicklung“ der Zeitungen ist zu dieser Zeit des Nationalsozialismus kaum zu reden, „Veränderung“ trifft es eher. Das aus Verordnungen, Gesetze und Anweisungen gesponnene Netz, welches die JournalistInnen nach und nach in „vorgeschriebene Bahnen der geistigen Produktion“ (Abel 1968, 103) zwängte, führte zu einer vollkommenen Gleichschaltung auf allen Ebenen. Mit dem „Schriftleitergesetz“, bekam diese vorgeschriebene geistige Uniformität der journalistischen Träger einer Zeitung, einen gesetzlichen Rahmen. Eine „Veränderung“ auf allen Ebenen hin zur vollkommenen uniformen Gesellschaft war das Ziel.

Die Beschränkungen der Pressefreiheit, durch die autoritäre Regierung Dollfuß/Schuschnigg, waren nur der Vorbote einer weitaus restriktiveren Politik der Nationalsozialisten.

„Obgleich infolge der Maßnahmen des ´Ständestaates´ in den Jahren 1933 bis 1938 in Österreich keine freie Presse mehr existierte, waren die Veränderungen in diesem gesellschaftlichen Teilbereich nach der nationalsozialistischen Machtergreifung durch den ´Anschluss´ gewaltig. Hatte der ´Ständestaat´ verschämt die Pressefreiheit zwar gesetzlich beibehalten (...), so ging das NS-Regime ganz offen gegen die Freiheit der Presse vor.“ (Hausjell 2001, 627)

Hinter der Beschränkung der Meinungs- und Pressefreiheit stand bereits während des Dollfuß-/Schuschnigg Regimes, aber auch später während der Nazi-Herrschaft, die Idee die Bevölkerung durch gezielte Propaganda für das Vorhaben der jeweiligen herrschenden Macht zu begeistern. Zeitungen waren die wichtigste politische Informationsquelle zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Ein Umstand, welcher auch den Nationalsozialisten bewusst war. Diese erkannten bald, dass Zeitungen zur Erreichung und Verbreitung ihrer politischen Ziele in Deutschland und in Österreich Seite 90 von 123

ein durchaus hilfreiches Medium waren (vgl. Mindler 2006, 42). Die Presse - das Scharnier zwischen Staat und Öffentlichkeit wurde bereits ab 1933 genutzt, um regierungsfreundliche Propaganda zu betreiben und wurde nicht müde, diesen Kurs bis zum Anschluss mit zunehmender Zahl an Verordnungen weiterzuverfolgen. Zeitungen, welche der Propagandamaschinerie nicht folgsam wurden, wurden bedingungslos eingestellt. Das Ziel der Propaganda der Nationalsozialisten war es dabei dem Regime genehme Verhaltens- und Gefühlsweisen in die Menschen einzupflanzen und das eigenständische, kritische Denken abzutöten. In „“ beschrieb Hitler die Merkmale einer seiner Überzeugung nach erfolgreichen Propaganda: Diese hatte

„ihr Niveau einzustellen nach der Aufnahmefähigkeit des Beschränktesten, sich auf wenig zu beschränken und dieses ewig zu wiederholen, weniger nüchterne Überlegung, vielmehr gefühlsmäßige Empfindung anzubieten, nicht viel Differenzierungen, sondern ein Positiv oder ein Negativ, rücksichtslose und fanatische einseitige Einstellung zu zeigen, nicht Objektivität, also Schwäche, sondern Wille und Kraft“ (Aleff 1970, 102).

Obwohl es schien, als würden erst seit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht in Österreich am 12. März 1938 alle JournalistInnen der gänzlichen Kontrolle unterliegen, wurden viele Kontrollmaßnahmen bereits Jahre zuvor im österreichischen Ständestaat auf subtilere Weise und schleichend vollzogen. Die totale Überwachung der österreichischen Presse erlangte im März 1938 nur ihren traurigen Höhepunkt.

„(…) In den liberalen Ländern wird die Mission der Presse so aufgefasst, dass es heisst (sic!): Presse plus Volk gegen Führung. Und bei uns muss es heissen (sic!): Führung plus Propaganda und Presse usw. vor dem Volk! Das alles ist Führung des Volkes. (Hitler, zitiert nach Sösemann 2011, 1116).

Mit dieser Rede verdeutlichte Adolf Hitler über 400 JournalistInnen und Verlegern in München im Führerbau am 10. November 1938 erneut ihre Stellung. JournalistInnen wurden zu einem Instrument, das der Vollziehung nationalsozialistischer Propaganda

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diente und jegliches eigenständiges Denken sowohl bei sich selbst als auch bei der Bevölkerung zunichtemachen sollte. Zugelassen waren nur mehr „arische“ sowie politisch opportune JournalistInnen und Verleger. Jüdische JournalistInnen wurden entlassen oder in Konzentrationslager deportiert. Im Laufe der ersten Kriegsjahre wurde durch regimefreundliche Verordnungen der Zeitungsbesitz rasch in die Hände der NSDAP-Leute gespielt. Zudem wurden die JournalistInnen und die tägliche Berichterstattung durch ein System von Pressenweisungen, Pressekonferenzen und Nachrichtendienste gesteuert.

Das gesamte schriftstellerische Berufsfeld war mit dem Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich (und Oberösterreich) ab 1938 mit einer systematischen Umstrukturierung konfrontiert. In vielen Fällen wurde nicht nur die berufliche Zukunft der JournalistInnen, der Verleger und der Zeitungsmitarbeiter bedroht, sondern auch deren Leben. Der Plan der Nationalsozialisten war eine totalitäre Kontrolle in allen öffentlichen Bereichen und zwar vor allem in den Sparten zu schaffen, die der Beeinflussung der Bevölkerung dienten. Dies begann bei der Entlassung, Auswahl und Heranbildung der JournalistInnen, wurde mit unterschiedlichsten Steuerungsmaßnahmen vollzogen und endete noch lange nicht bei der Etablierung von zahlreichen Kontrollinstanzen. Die Presse und ihre JournalistInnen sollten nicht nur manipuliert werden, sondern bedingungslos der Gewalt des NS-Systems unterliegen.

Dem Leitsatz der Nationalsozialisten „Der Führer hat immer recht“ (Aleff 1970, 14) entsprechend, wurden gegensätzliche Meinungen von JournalistInnen nicht geduldet. Wenn ein/e JournalistIn es trotzdem wagte, die Stimme gegen das Regime zu heben, war diese/r stets mit der Möglichkeit konfrontiert, ins Konzentrationslager oder Zuchthaus gesperrt zu werden. Wer jedoch gegen die restriktiven Pressegesetze verstieß, der wurde vor dem Volksgerichtshof – in den meisten Fällen wegen Hochverrats – angeklagt. Wahrscheinlich gab es mehr als 2.500 solcher Volksgerichtshof-Verfahren, wobei die Betroffenen meist harte Urteile erwarteten. Widerstand gegen das Nazi-Regime zu leisten, war den JournalistInnen somit nur

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aus dem Exil11 oder dem Untergrund möglich (vgl. Mindler 2006, 50). Unter Hitler war die Presse keine eigenständige politische Kraft mehr, sondern wurde zum Instrument der herrschenden Ideologie (vgl. Gustenau 1992, 129).

Neben der Reduktion an unliebsamen JournalistInnen kam auch das Verbot unerwünschter Zeitungen. Von 47 Publizistischen Einheiten im Jahre 1938 konnte man nach einem Jahr der NS-Herrschaft in Österreich noch 29 (im Jahre 1939) in der österreichischen Presselandschaft zählen. Insgesamt fiel die Anzahl der Zeitungen dadurch um beinah 40 Prozent. Die Gesamtauflage der Tageszeitungen in Österreich ging um ein Drittel zurück: Vom März 1938 bis September 1939 sank die Zahl der Exemplare von 1,750.000 auf 1,170.000. Bis zum Jahre 1945 konnte weiterhin ein kontinuierlicher Rückgang vermerkt werden. Dies wurde zudem durch kriegsbedingte Rationalisierungsmaßnahmen mitverursacht und so kam es 1944 dazu, dass die Hälfte aller publizistischen Einheiten aus der Presselandschaft verschwunden waren. In Oberösterreich erschien am Ende des Krieges sogar nur mehr eine Tageszeitung: Die Oberdonau- Zeitung.

Die Presse wurde in den Jahren 1938 bis 1945 zu einem wichtigen Werkzeug der Durchsetzung der nationalsozialistischen Propaganda und Herrschaft. Durch Tageszeitungen und Zeitschriften wurden militärische Aggressionen, gleichsam wie die Ausgrenzungspolitik, Enteignungswellen und die Ermordung von großen Teilen der Bevölkerung stimmungsmäßig aufbereitet. Das Zusammenspiel der vielschichtigen Mechanismen und Propagandainstitutionen waren somit wesentliche Faktoren für den Antrieb der nationalsozialistischen Propagandamaschinerie und der

11 „Wie viele österreichischen Journalisten und Publizisten in den 30er Jahren emigrierten bzw. ins Exil gedrängt wurden, wissen wir heute nicht. Daß (sic!) es wahrscheinlich relativ viele waren, dafür spricht schon der Umstand, daß (sic!) gerade der Wiener Journalismus der Ersten Republik, (…), zu rund 50 bis 70 Prozent von Juden gestaltet worden war“ (Hausjell 2004, 304). Hausjell untersuchte in einer Fallstudie 172 Biografien österreichischer Exilpublizisten und -journalistInnen und kam zu dem Ergebnis, dass vor allem jüngere Personen und jene mittleren Alters ins Exil auswanderten. „Diese Emigranten waren weiters zu einem großen Teil Juden; und sie waren mehrheitlich sozialdemokratisch und kommunistisch eingestellt“ (Hausjell 2004, 334). Eine andere Fallstudie zeigt, dass 40 Prozent der ExiljournalistInnen im Zuge der rigorosen Maßnahmen des „Ständestaates“ flohen. 60 Prozent wurden ab 1938 vom NS-Regime vertrieben (vgl. Hausjell 2001, 637).

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breiten Akzeptanz zum Vollzug des Anschlusses. Schlussendlich war das Ergebnis dieser mehrjährigen Praxis der Steuerung und des sich zunehmend verschärfenden Lenkungszwanges zum einen nicht nur die Zerstörung der Vielfalt, des individualistischen Denkens, sondern auch folglich ein qualitativer Rückgang, Sterilität von Form und Inhalt durch geistige Uniformität der österreichischen Journalistinnen und der Presse, welche gleichgeschaltet sowohl beim österreichischen als auch beim Leserpublikum im Ausland an Glaubwürdigkeit und Zugkraft verlor.

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9. Quellenverzeichnis

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9.1 Verordnungen

Verordnung der Bundesregierung vom 7. März 1933, betreffend besondere Maßnahmen zur Hintanhaltung der mit einer Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit verbundenen Schädigungen des wirtschaftlichen Lebens, BGBl Nr. 41/ 1933.

Verordnung der Bundesregierung vom 10. April 1933, womit die Verordnung der Bundesregierung vom 7. März 1933, B. G. Bl. Nr. 41, betreffend besondere Maßnahmen zur Hintanhaltung der mit einer Störung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit verbundenen Schädigungen des wirtschaftlichen Lebens, abgeändert wird BGBl Nr. 120/ 1933.

Verordnung der Bundesregierung vom 10. Juni 1933, betreffend besondere Maßnahmen gegen den Mißbrauch der Preßfreiheit BGBl 1933/217.

Verordnung der Bundesregierung vom 30. Juni 1933 über die Veröffentlichung amtlicher Verlautbarungen in Zeitungen BGBl Nr. 282 1933.

Verordnung der Bundesregierung vom 21. Juli 1933, betreffend weitere Maßnahmen gegen Mißbräuche im Pressewesen BGBl Nr. 323/ 1933.

Verordnung des mit der Leitung des Bundesministeriums für Justiz beauftragten Bundesminister für Unterricht vom 12. Jänner 1934, womit die Vorschriften des Preßgesetzes über die Berichtigung von Zeitungsmitteilungen abgeändert und ergänzt werden (Preßgesetz-Novelle vom Jahre 1934) BGBl I Nr. 27/ 1934.

Verordnung der Bundesregierung vom 26. Jänner 1934 betreffend die Einschränkung des Kolportageverkaufs von Zeitungen (Kolportageverordnung) BGBl I Nr. 50/ 1934.

Verordnung der Bundesregierung vom 18. Juli 1936 betreffend die Errichtung einer Pressekammer BGBl Nr. 228/ 1936.

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Verordnung des Bundeskanzlers vom 4 .November 1936 betreffend die Bestimmung des Zeitpunktes der Aufnahme der Tätigkeit der Pressekammer, des Verbandes der Tageszeitungen und des Verbandes der Wochenzeitungen, Zeitschriften und Fachblätter BGBl Nr. 368/ 1936.

Verordnung des Bundeskanzlers vom 17. Juli 1937 im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Verwaltung, betreffend die Zusammensetzung des Standesstrafsenates für Pressewesen und das Verfahren vor diesem Senat BGBl Nr. 240/ 1937.

Verordnung des Bundeskanzlers vom 28. Juli 1937 über den Zeitpunkt der Wahlen in die Organe der Pressekammer und der zugehörigen Verbände BGBl Nr. 250/ 1937.

9.2 Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Sukzessive Eindämmung sozialdemokratischer Arbeiter- Tageszeitungen: vgl. Druck- und Verlagsanstalt Vorwärts AG. Sozialdemokratische Arbeiterpartei (1933), in: Bildarchiv Austria, abgerufen von der Internet-Homepage der Österreichischen Nationalbibliothek: http://www.bildarchivaustria.at/Pages/Search/Result.aspx?p_ItemID=1 (21.11.2015).

Abbildung 2: Entwicklungen der Tageszeitungen in den Bundesländern Österreichs 1938-45 (ohne Wien): vgl. Melischek/Seethaler 2003, 5, in: Melischek, Gabriele/ Seethaler, Josef (2003). Österreichische Pressestatistik. Zur Entwicklung der österreichischen Tagespresse 1938-1945, Frankfurt am Main.

Abbildung 3: Verlage und Publizistische Einheiten in Österreich von 1938 bis1945: vgl. Melischek/Seethaler 2003, 1, in: Melischek, Gabriele/ Seethaler, Josef (2003). Österreichische Pressestatistik. Zur Entwicklung der österreichischen Tagespresse 1938-1945, Frankfurt am Main.

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Abbildung 4: Neue Anordnungen für das österreichische Pressewesen, in: N.N. (1938). Österreichs Presse wird neu geordnet, in: Neues Wiener Tagblatt, Nr. 121, Jg. 72/ 03. Mai 1938, Wien, 8.

Abbildung 5: Abteilungen, in denen die 196 weiblichen und männlichen Journalisten zwischen Juli 1938 bis Anfang 1940 aufgeteilt wurden: vgl. Hausjell 1993, 73, in: Hausjell, Fritz (1993). Journalisten für das Reich. Der „Reichsverband der deutschen Presse“ in Österreich 1938-1945, Wien.

Abbildung 6: Anzahl der Journalisten und Journalistinnen im Landesverband Ostmark des Reichsverbands der deutschen Presse zwischen den Jahren 1938 und 1945: vgl. Lindinger 1995, 23, in: Lindinger, Michaela (1995). „Geistige Strumpfstrickerei”. Journalistinnen in Österreich 1938-1945, in: Medien & Zeit. Forum für historische Kommunikationsforschung, 3/95, Jg.10, Wien.

Abbildung 7: Entwicklung der Geschlechterverhältnisse: vgl. Hausjell 1993, 74, in: Hausjell, Fritz (1993). Journalisten für das Reich. Der „Reichsverband der deutschen Presse“ in Österreich 1938-1945, Wien.

Abbildung 8: Berufliche Positionierungen der Schriftleiterinnen in den drei Abteilungen A, B, C im Landesverband Ostmark: vgl. Lindinger 1995, 25, in: Lindinger, Michaela (1995). „Geistige Strumpfstrickerei”. Journalistinnen in Österreich 1938-1945, in: Medien & Zeit. Forum für historische Kommunikationsforschung, 3/95, Jg.10, Wien.

Abbildung 9: Zeitungen, welche vor dem Anschluss „legal“ nationalsozialistische Inhalte publizierten: vgl. Gustenau 1992, 32ff., in: Gustenau, Michaela (1992). Mit brauner Tinte. Nationalsozialistische Presse und ihre Journalisten in Oberösterreich (1933-1945), Linz.

Abbildung 10: vgl. Linzer Volksblatt Nr. 21, Jg. 70/ 27. Jänner 1938, 1, Linz.

Abbildung 11: vgl. Tages-Post Nr. 20, Jg.70/ 26. Jänner 1938, 1, Linz.

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Abbildung 12: vgl. Tages-Post Nr. 35, Jg. 75/ 12. Februar 1938, 1, Linz.

Abbildung 13: vgl. Linzer Volksblatt Nr. 36, Jg. 70/ 14. Februar 1938, 1, Linz.

Abbildung 14: vgl. Tages-Post Nr. 36, Jg.74/ 14. Februar 1938, 1, Linz.

Abbildung 15: vgl. Tages-Post Nr. 37, Jg.74/ 15. Februar 1938, 1, Linz.

Abbildung 16: vgl. Linzer Volksblatt Nr. 37, Jg. 70/ 15. Februar 1938, 1, Linz.

Abbildung 17: vgl. Linzer Volksblatt Nr. 47, Jg. 70/ 26. Februar 1938, 1, Linz.

Abbildung 18: vgl. Linzer Volksblatt Nr. 47, Jg. 70/ 26. Februar 1938, 2, Linz.

Abbildung 19: vgl. Linzer Wochenblatt Nr.?, Jg.?/ 10. März 1938,1, Linz.

Abbildung 20: vgl. Linzer Tagblatt Nr. 37, Jg.42/ 10. März 1938, 1, Linz.

Abbildung 21: vgl. Tages-Post Nr. 57, Jg. 74/ 10. März 1938, 1, Linz.

Abbildung 22: vgl. Linzer Tagblatt Nr. 59, Jg. 42/ 11. März 1938, 1, Linz.

Abbildung 23: vgl. Linzer Volksblatt Nr. 58, Jg. 70/ 11. März 1938, 1, Linz.

Abbildung 24: vgl. Tages-Post Nr. 58, Jg.74/ 11. März 1938, 1, Linz.

Abbildung 25: vgl. Tages-Post Nr. 59, Jg.74/ 12. März 1938, 1, Linz.

Abbildung 26: vgl. Tages-Post Nr. 61, Jg. 74/ 14. März 1938, 1, Linz.

Abbildung 27: vgl. Linzer Volksblatt Nr. 58, Jg. 70/ 11. März 1938, 1, Linz.

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Abbildung 28: vgl. Linzer Volksblatt Nr. 59, Jg. 70/ 12. März 1938, 1, Linz.

Abbildung 29: vgl. Linzer Volksblatt Nr. 60, Jg. 70/ 14. März 1938, 1, Linz.

Abbildung 30: vgl. Linzer Tagblatt Nr. 57, Jg. 42/ 10. März 1938, 1, Linz.

Abbildung 31: vgl. Linzer Tagblatt Nr. 59, Jg. 42/ 11. März 1938, 1, Linz.

Abbildung 32/33/34: vgl. Arbeitersturm Nr. 1, Jg. 1/ 13. März 1938, 1,3,4, Linz.

Abbildung 35: Pressestatistische Basisdaten für Oberösterreich, in: Grafik aus: Melischek/Seethaler 2003, 2, in: Melischek, Gabriele/ Seethaler, Josef (2003). Österreichische Pressestatistik. Zur Entwicklung der österreichischen Tagespresse 1938-1945, Frankfurt am Main.

Abbildung 36: Zeitungsdichte in Oberösterreich, in: Grafik aus: Melischek/Seethaler 2003, 9, in: Melischek, Gabriele/ Seethaler, Josef (2003). Österreichische Pressestatistik. Zur Entwicklung der österreichischen Tagespresse 1938-1945, Frankfurt am Main.

Abbildung 37: vgl. Tages-Post Nr. 141, Jg. 20/20. Juni 1938, 1, Linz.

Abbildung 38: vgl. Tages-Post Nr.12, Jg.80 / 15./16. Jänner 1944,1, Linz.

9.3 Abkürzungsverzeichnis

NSDAP: Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei

NS-Regime: Nationalsozialistisches Regime

RM: Reichsmark

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10. Anhang

10.1 Interview mit dem Herausgeber und Geschäftsführer der Oberösterreichischen Nachrichten: Rudolf Andreas Cuturi am 9. Dezember 2015

Gesprächsdauer: 56:55 min.

Ich möchte mich in meiner Masterarbeit vor allem auf die journalistische Tätigkeit vor und während des NS-Regimes in Österreich konzentrieren. Wissen Sie, wie die Journalisten zu dieser Zeit gearbeitet haben?

Also ich muss eine gewisse Prämisse setzen. Und das was ich sage, ist das was ich vom Hören und Sagen gehört habe, natürlich. Das ist: Mein Urgroßvater, Julius Wimmer war Herausgeber der Tages-Post, ab wann weiß ich nicht genau, aber das könnte man herausfinden, mehr oder weniger bis zu seinem Tod im Jahre 1945. Mein Urgroßvater Julius Wimmer war der Gesinnung nach, sagen wir, er gehörte zu jene die eher für Großdeutschland sympathisiert haben. Was nicht heißt, dass er ein Nazi war, sondern es bedeutete, dass es eine nicht kleine Gruppe von Österreichern gab, – die Gruppe ist glaub ich auch immer größer geworden – die an die Möglichkeit, dass Österreich selbstständig die Kurve kratzt, nicht geglaubt haben und eine Annäherung von Österreich an Deutschland bevorzugt haben. Soviel ich weiß mit dem Vertrag von St. Germain wurde verboten, dass Österreich und Deutschland politisch zusammenkommen. Aber man hätte diese Möglichkeit auch mit, heutzutage klingt das plausibler, damals war das noch gar nicht so plausibel, einer Grenzunion, einer Zollunion, einer Partnerschaft und verschiedenen andere Sachen schaffen können.

Sie wissen, dass nach 1934/35 die Situation in Österreich immer instabiler geworden ist. Und ich glaube, es hat in Österreich viele Sympathisanten für den Nationalsozialismus in dieser Zeit gegeben. Nicht vielleicht aus der Begeisterung für die Ideologie des Nationalsozialismus, sondern aufgrund der pragmatischen Tatsache, dass in Österreich der Eindruck entstand, dass mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten in Deutschland viele Probleme aus dem Weg geräumt Seite 110 von 123

wurden. Naja wenn ich die Sozialisten nicht mag und sie wegschiebe, dann ist das auch eine Lösung. Ob die jetzt demokratisch gesehen, sehr richtig ist, das sei dahingestellt. Aber auf jeden Fall ist der wirtschaftliche Aufschwung in Deutschland ab der Machtergreifung der Nationalsozialisten sehr, wie soll ich sagen, offensichtlich gewesen: Autobahnbau, verschiedene andere Sachen. Dass die – ein beachtlicher Teil der Österreicher, von diesen Entwicklungen des Nationalsozialismus sehr beeindruckt waren – scheint verständlich, noch dazu, da in Österreich Leute teilweise gehungert haben. Und ich glaube auch, dass es niemanden in Österreich bewusst war, dass die Nazis mit der Kriegsführung ernst machen würden – ein Jahr später haben es alle gewusst. Das ist eine Prämisse, die ich machen möchte, um zu erklären, was ich von meinem Großvater, Urgroßvater, weiß.

Und zwar: Gesellschafter von der, J. Wimmer – ob die jetzt schon eine Kommanditgesellschaft war zu dieser Zeit, weiß ich nicht – waren mein Urgroßvater, meine Großmutter und mein Großvater. Er glaub ich mit 50 oder 51 Prozent und die anderen, meine Großmutter und mein Großvater mit 49, also 24 oder 24,5 Prozent - so genau weiß ich das jetzt nicht, aber das wäre nachvollziehbar. Und er war natürlich der Herausgeber der Zeitung. Darüber hinaus, nachdem er, 89 Jahre alt geworden ist, war er, sagen wir, im Jahre 1935, ungefähr 79 Jahre alt. Jetzt kann man natürlich sagen, die Tages-Post hat eindeutig so Mitte der 30er Jahren angefangen, nach rechts zu schwenken. Meine Großmutter hat immer von einem Chefredakteur Smirnowski gesprochen, der angefangen hat, die Zeitung immer mehr nach rechts zu steuern. Und mein Urgroßvater hatte entweder, wie viele andere Österreicher den Eindruck gehabt, die Machtübernahme der Nationalsozialisten sei mehr oder weniger unvermeidbar, oder er war auch zu alt um irgendetwas zu unternehmen. Sicher ist Untätigkeit auch eine gewisse strafbare Tat in diesem Fall – aber so war es. Und daher ist letztendlich nach dem Anschluss, bei den Redakteuren der Tages-Post, soviel ich weiß, nicht viel geschehen, weil alle bereits vor dem Anschluss, eher Richtung rechts getrimmt wurden. Ob der eine oder der andere nach dem Anschluss gekündigt wurde, oder so ähnlich, weiß ich nicht, im Konzentrationslager ist keiner gelandet. Aber das hat damit zu tun, dass die Tages- Post schon eher ziemlich rechts gepolt war.

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Ich habe gelesen, dass viele JournalistInnen am Beginn des Krieges aufgrund der einfachen Tatsache weitergearbeitet haben, weil ihnen das Ausmaß des Krieges und der damit verbundenen Auswirkungen auf ihre Branche keineswegs bewusst war, beziehungsweise das noch kaum absehbar war.

Naja, also es ist das Problem, unter den Journalisten ist auch nicht jeder zweite ein Held. Natürlich in vielen Ländern über denen Diktaturen gekommen sind, haben die Journalisten nolens volens die neue Situation zur Kenntnis genommen. Es wird sich schon der ein oder andere geweigert haben, aber Sie sehen was in Russland passiert ist in den letzten zehn Jahren. Die, die probiert haben gegen den Putin aufzustehen, sind nicht nur mundtot, sondern überhaupt tot.

Das ist, was ich über diese Zeit weiß. Ich habe Ihnen ein paar Bücher empfohlen, ich weiß nicht ob Sie die gefunden haben. Ich habe sie geschenkt bekommen, bei denen kommt die Familie Wimmer jedoch nicht so gut weg, da ihnen mehr oder weniger Untätigkeit vorgeworfen wird. Aber, brauchen wir die Zeit nicht verschönern, es war eine schlimme Zeit. Meine Familie, also das kann ich mit hundertprozentigem Gewissen sagen, war nie ein persönlicher Sympathisant des Nationalsozialismus. Mein Urgroßvater war verhältnismäßig alt und hat sich aus dieser Geschichte schon langsam herausgehalten. Mein Großvater war ein Offizier der alten K u. K Monarchie und hat mit dem ganzen Regime eigentlich nichts am Hut gehabt. Eine Art des Snobismus wenn Sie wollen. Meine Großmutter und meine Mutter erst recht nicht. Die Familie hat sich in dieser Zeit eher zurückgehalten und das ist auch natürlich nicht nur hier, sondern auch woanders passiert. Der Einfluss der Familie auf die Zeitung ist mit Eintritt des Anschlusses unterbunden worden. Die haben ab diesem Zeitpunkt nichts mehr mitzureden gehabt.

Sie haben mir von Mayrhofer und Schuster das Buch „Nationalsozialismus in Linz“ empfohlen.

In diesem Buch befindet sich ein Teil über die Schicksale der Familie Wimmer, der Tages-Post und später der Nachrichten. Die Autoren haben sich nicht sehr schmeichelhaft über das Verhalten der Familie geäußert hat. Ganz Unrecht kann ich

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ihm nicht geben, nur das Problem ist, den Heldentod sterben ist sehr ruhmvoll, aber wenige wollen das. Und daher haben viele Österreicher in dieser Zeit, auch die die nicht begeisterte Nazis waren, sich mehr oder weniger mit dieser Situation arrangiert. Sie kennen den Herrn Karl, das ist eine sehr typische, böse, aber letztendlich menschlich verständliche Position. Okay der war ein extremer Opportunist, aber dass manche Leute irgendwie die Kröte geschluckt haben und gekuscht haben, das kann man nicht verleugnen.

Wissen Sie, wie es mit der Zensur in der Presse in der Dollfuß-/ Schuschnigg Zeit ausgesehen hat?

Ich kann Ihnen dazu nicht wirklich etwas sagen, aber ich glaube dass das gemessen an das was nachher gekommen ist, noch relativ, wie soll ich sagen, tolerierbar, oder nicht so streng war.

Ist Ihnen direkt zu meinem Ausgangsthema, über die Arbeit der JournalistInnen ab 1938, etwas bekannt?

Es wäre gelogen, wenn ich Ihnen etwas erzählen würde. Denn dazu weiß ich wirklich nichts. Ich weiß nur, dass es bei der Tages-Post – ich meine bei den anderen, beim Volksblatt oder bei anderen Zeitungen, da wird es schon anders gewesen sein nehme ich an – aber bei der Tages-Post ist nicht viel geschehen, weil eben die Journalisten der Tages-Post, oder ein Großteil davon eher schon nach rechts umgepolt worden sind. Und dementsprechend nehme ich an – es wird sicherlich danach die Zensur viel strenger gewesen sein – das glaube ich schon, dass sie an der kurzen Leine genommen worden sind, selbstverständlich. Aber natürlich auch dann als der Krieg angefangen hat, da ist auch durch die Tages-Post, wie soll ich sagen, sagen wir mal nicht manipuliert worden, sagen wir es sind Informationen gekommen. Darin war alles bis März 1945 in bester Ordnung und die Truppen erfolgreich und ich weiß nicht was noch alles.

Mein Vater, der italienischer Diplomat in Berlin war, der ist dann gegen Ende des Weltkrieges nach Linz gekommen, um – das ist eine kleine Episode – mehr oder

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weniger mit meiner Mutter und uns Kindern das Ende des Krieges abzuwarten. Er wollte, wenn er in die Geschäfte in Linz ging, nicht „Heil Hitler“ sagen – weil er eigentlich eher sehr kritisch gegenüber den Nationalsozialismus und Hitler eingestellt war – sondern er sagte „Sieg heil“, das war erlaubt. Und er hat erzählt, dass wenn er in eine Apotheke oder in ein Lebensmittelgeschäft hineingekommen ist und „Sieg heil“ gesagt hatte, dass die Leute mehr oder weniger geschmunzelt haben, denn vom Sieg war nicht mehr viel übrig. Na gut, das sind so die Geschichten.

Aber wegen dieser Zensur: Wir haben hier in der Druckerei zwei Zeitungen gedruckt: Die Tages-Post und die Oberdonau-Zeitung. Die Oberdonau-Zeitung war mehr oder weniger eine Nazizeitung, eine amtliche Tageszeitung der NSDAP. Die Tages-Post war etwas unabhängiger, soweit man in dieser Zeit unabhängig sagen kann. Zu dieser Zeit herrschte ein Papiermangel. Dann im Jahr 1944, weil Papiermangel herrschte, ist die Tages-Post als Teil der Oberdonau Zeitung erschienen. Beide Zeitungen sind fusioniert worden und als eine Zeitung gedruckt worden.

Die Geschichte der Druckerei ist folgendermaßen: Mein Ur-Ur-Großvater namens Josef Wimmer hat in den 40er Jahren des 19. Jahrhunderts einen Witwe geheiratet, die eine kleine Druckerei hatte, mit elf Leuten ungefähr. Er hatte mit dieser Frau dann ein Kind gezeugt. Leider sind beide, Frau und Kind, bei der Geburt gestorben. Dann hat er wieder geheiratet und hat dann diese Druckerei – das war typische Gründerzeit der Zukunft – immer vergrößert und zur Jahrhundertwende zum 20. Jahrhundert, als er gestorben ist, waren es schon 300 Leute. Die hat sich schnell vergrößert. Und er hat im Jahre 1865 eine Zeitung gegründet und das war die Tages- Post. Die erste Nummer der Tages-Post: Datiert 1. Jänner 1865. Und diese Zeitung hat er mit einem zweiten Mitarbeiter gemacht. Er hat selber für die Zeitung geschrieben. Einige Jahre, ich weiß nicht wie lange. Und das war eine Zeitung, die hatte am Beginn eine Nachfrage von 2000 Stück, oder so ähnlich. Dann ist die Zeitung immer größer geworden, aber sie machte nur einen Bruchteil der Umsätze aus, hauptsächlich machten sie diese mit der Druckerei. Die Zeitung war, wenn ich sage ein Hobby von meinem Ur-Ur- Großvater wäre übertrieben – aber es war eine Chance. Es war eine der ersten Zeitungen, die auch in der Provinz gedruckt worden sind. Und die Zeitung ist natürlich dann von 65 bis um die Jahrhundertwende, also so

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um 1900 erschienen und hat schon 20.000 bis 30.000 Auflagen gehabt. Dann hat mein Großvater angefangen Setzmaschinen, die berühmten Linotype – ich weiß nicht ob die Ihnen etwas sagen, aber es waren berühmte Setzmaschinen aus Amerika – und dann eine Rotationsmaschine und dann eine zweite Rotationsmaschine anzuschaffen. Dann ist es so weitergegangen. Die Druckerei hatte dann um die 300 Mitarbeiter beschäftigt. Für oberösterreichische Verhältnisse mit Abstand die größte Druckerei. Und daher und noch dazu zufällig, hatte mein Großvater im Jahre 1937 eine neue Rotationsmaschine bestellt, die dann im Jahre 1938 auch aufgestellt wurde. Also praktisch eine sehr moderne Druckerei und die konnten eigentlich von der Kapazität her, beide Zeitungen produzieren. Und daher sind beide Zeitungen dort produziert worden, soviel ich weiß.

Wer war nach dem Anschluss der Herausgeber der Zeitung?

Sinngemäß war es eine von den Nationalsozialisten dafür eingesetzte Kommission, oder wie man es nennen mag. Ja, das ist nahezu am selben Tag passiert. Also die Nazis haben den Einfluss der Familie Wimmer auf die Zeitung von einem Tag auf den anderen vollkommen unterbunden und diese auf die Kommission übertragen. Allerdings, und das war nicht überall der Fall, haben die das Eigentümerrecht der Druckerei der Familie Wimmer überlassen. Also die Zeitungen haben ein Geld bezahlt, diese Oberdonau-Zeitung nehme ich an, solange an die Druckerei, dafür dass sie gedruckt wurde. Aber auch damals kam der Großteil der Umsätze eher aus dem Druckereibetrieb, nicht von der Zeitung. So genau weiß ich es nicht, da ich die Bilanzen nicht habe. Aber ich glaube, dass die Bedeutung der Zeitung – die dann Oberösterreichische Nachrichten hieß – erst nach dem Zweiten Weltkrieg wichtiger geworden ist, als die Umsätze der Druckerei.

Die Familie ist natürlich in den ersten Tagen nach dem Krieg zu den amerikanischen Offizieren oder Kommissaren gegangen, um mit ihnen reden. Sie haben ihnen die Geschichte erzählt, ungefähr so wie ich sie Ihnen jetzt erzählt haben. Was dann nach dem Krieg geschehen ist, ist dass die Amerikaner, die hier die Zone besetzt hatten, der Familie Wimmer/Streit – Streit war dann der Name meiner Großmutter als Verheiratete – verständlicherweise Folgendes gesagt haben: Okay, wir überprüfen

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eure Geschichte und überprüfen ob die Familie Streit irgendetwas mit dem Nationalsozialismus am Hut hatte. Das kann man aber nicht von dem einen auf den anderen Tag machen. Wir wollen aber gleich eine Zeitung gründen. Denn für die Amerikaner war eine freie Presse ein sehr wichtiger Teil der Demokratie letztendlich. Und haben am 11. Juni 1945 die Oberösterreichischen Nachrichten gegründet. Und da steht: „Herausgegeben von der zwölften Heeresgruppe für die Bevölkerung Oberösterreichs“. Und die Amerikaner haben dann relativ bald diese Herausgeberschaft, aber ich glaube sogar das Eigentum, von diesen Oberösterreichischen Nachrichten an eine Gruppe, wenn ich es richtig in Erinnerung habe, von sechs Leuten, die aus verschiedenen politischen Gruppierungen gewählt waren, übergeben. Also es war ein Kommunist dabei, es war ein Sozialist dabei, es war ein Christlicher dabei, es war auch soweit ich weiß der Chefredakteur dabei, mehr weiß ich nicht. Und die haben dann diese Oberösterreichischen Nachrichten seit Juni 1945 geführt. Gedruckt wurde auf der Maschine der Druckerei. Und die Druckerei wurde zwangsverpachtet an irgendeinen Herr Behrmann. Meine Familie, also meine Großmutter – mein Ur-Großvater war schon gestorben – hat dafür eine Pacht bekommen. Hatte aber eigentlich keinen direkten Einfluss auf die Druckerei. Diese Geschichte hat ein paar Jahre gedauert und dann sind die Amerikaner gekommen und haben der Familie Wimmer, nennen wir es mal einen Passierschein gegeben – da steht: Family Wimmer and Streit were never involved in Nazi activity, nobody was a member of the NSDAP, und so weiter und so fort. Danach haben die Amerikaner das „Permit“ erteilt, das war die Erlaubnis die Zeitung zu drucken. Das ist eher Ende der 40er Jahre geschehen.

Und wissen Sie auch, ob die Journalisten übernommen worden sind, die während der Kriegszeit gearbeitet haben?

Das ist eine gute Frage, die ich Ihnen aber leider nicht beantworten kann. Es sind sicher einige geflohen. Der Chefredakteur und einige wichtige Redakteure haben sicher Probleme bekommen. Wie groß die Probleme waren, weiß ich nicht. Ich gehe davon aus, dass sie sich als Unschuldslamm hingestellt haben, die von den Nazis gezwungen wurden zu schreiben, was sie geschrieben haben. Aber ob es stimmt, weiß ich nicht. Es gibt aber sicherlich die Möglichkeit das herauszufinden.

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Auf jeden Fall um diese Geschichte nach dem Krieg fertig zu erzählen. Der Maleta, der damals Generalsekretär der ÖAAB [Anm.: Österreichischer Arbeitnehmerinnen- und Arbeitnehmerbund] war, dem ist es gelungen im Laufe der Zeit, die Anteile der anderen Gesellschafter zu übernehmen. In erster Linie von diesem Behrmann, der die Druckerei gepachtet hat und damit sehr viel Geld verdient hat. Maleta hat die Anteile von diesem Behrmann schlussendlich gekauft. Das war irgendwann Ende der 40er Jahre, Anfang der 50er Jahre, soviel ich weiß. Dann sind die Oberösterreichische Nachrichten unter Maleta sozusagen erschienen, er war natürlich auch Herausgeber und einziger Gesellschafter. Und dann ist die Tages- Post wieder erschienen [Anm.: Am 1. Oktober 1953 durch die „J. Wimmer KG“]. Das muss irgendwann Ende der 40er, Anfang der 50er Jahre gewesen sein. Und dann haben sie sich einige Jahre ziemlich bitter bekämpft, bis dann, vernünftigerweise die Rechtsanwälte sich zusammengesetzt haben und den Gesellschafter klar gemacht haben, dass egal wer gewinnt, beide viele Jahre an ihren Wunden bluten werden. Und daher ist es beschlossen worden die Zeitungen zu vereinen – das hat natürlich auch mit dem Wiedererlangen der österreichischen Freiheit 1955 zu tun. Dann sind die Oberösterreichischen Nachrichten mit der Tages-Post im Jänner 1955 vereinigt erschienen. Da war der Maleta mit 26 Prozent beteiligt am Gesamtunternehmen der Zeitung und wir mit 74 Prozent. Allerdings hatte der Maleta für sich die Herausgeberrechte gesichert. 1986 hatte Maleta mir dann seine Anteile der Zeitung verkauft. Bis dahin hatte ich eigentlich mit der Zeitung nichts zu tun. Sondern ich habe hauptsächlich den Druckereibetrieb geführt. Als er dann seine Anteile verkauft hatte, habe ich meine Aktivitäten geändert, von hauptsächlich Druckerei zu hauptsächlich Zeitung. Maleta hat seine Anteile verkauft, weil er de facto keinen Nachfolger hatte. Er hatte eine Tochter aus erster Ehe, die 86 sicher schon über 50 war und einen Sohn der vielleicht 40 war, der hätte es machen können, rein theoretisch, aber der war nicht vorbereitet darauf und hatte auch keine Lust darauf, hatte andere Ideen im Kopf. Und daher hat Maleta irgendwann einmal gesagt: „Das hat keinen Sinn, ich verkaufe meinen Anteil besser noch solange ich lebe. Da bekomme ich auch vielleicht einen vernünftigen Preis“. Was auch der Fall war. Naja und das ist mehr oder weniger die Geschichte.

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Wenn Sie sich umdrehen sehen Sie eine leere Flasche Champagner. Das ist auch eine Geschichte, die ich gerne erzähle. Naja das ist jetzt ein bisschen weit hergeholt, aber wir plaudern. Als ich nach Österreich gekommen bin, im Jahre 1968 glaube ich, habe ich drei Flaschen Champagner gekauft. Und da habe ich gesagt: Drei Ziele habe ich im Leben. Das erste Ziel ist es die Anteile wieder in die Familie zurückzubringen. Das war die erste Flasche. Die zweite Flasche – wir hatten einen Konkurrenzverlag, über den Sie eventuell auch recherchieren werden – und das ist der Landesverlag. Und der Landesverlag war immer schon ein Verlag der ziemlich stark von der katholischen Kirche, der Diözese Linz beeinflusst wurde. Wir waren damals eine liberale Zeitung, die Tages-Post war, wenn man diese paar Jahre des Schwenkens nach rechts während der Nazizeit absieht, eigentlich eine liberale Zeitung. Das sind die Nachrichten heutzutage auch im Wesentlichen – eine liberale Zeitung. Also diesem Landesverlag, also dem haben die Nachrichten nicht gefallen – unsere Beziehung war nicht gerade von Freundschaft geprägt. Die haben dann angefangen Sachen zu machen, die ziemlich unter die Gürtellinie gingen. Jetzt ohne ins Detail zu gehen. Die zweite Flasche, habe ich gesagt, die werde ich aufmachen, wenn die Sache mit dem Landesverlag einigermaßen ausgestanden ist. Und das war ungefähr im Jahre 2004. Zwischen der ersten und zweiten Flasche sind ungefähr 20 Jahre gelegen. Und die dritte Flasche ist noch zu. Die dritte Flasche ist für unseren zweiten großen Konkurrenten in Oberösterreich, im Zeitungssektor: Die Kronen Zeitung. Die Kronen Zeitung hat ein Drittel, ein Viertel mehr Leser wie wir. Und da habe ich gesagt, die dritte Flasche mache ich auf, wenn wir die Auflage oder die Leserzahlen der Kronen Zeitung übersteigen. Ich befürchte, die wird noch einige Jahre geschlossen bleiben, aber es könnte theoretisch passieren, dass unsere Auflage steigt und die Auflagen der Kronenzeitung sinken, dann wäre das nicht ganz auszuschließen. Ich bin ein Optimist, aber auch ein relativ realistischer Mensch und denke dass das nicht so schnell der Fall sein wird. Aber lassen wir uns überraschen. Gut, kann ich noch etwas für Sie tun?

Vielen Dank. Die wichtigste Frage wäre die über die journalistische Tätigkeit gewesen. Leider weiß man davon noch zu wenig.

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Mein Problem ist es, dass ich tendenziell, logischerweise wie jeder Unternehmer eher nach vorne schaue und nicht nach hinten. Daher diese Geschichten kenne ich, aber für mich sind das Geschichten im wahrsten Sinne des Wortes, mit denen ich mich zwar auseinandergesetzt habe einigermaßen, aber es ist nicht das Hauptthema meiner Tätigkeit, darum erzähle ich Ihnen eher Anekdoten, weil wirklich wissenschaftlich habe ich mich nicht damit beschäftigt. Es gibt manche Unternehmen die lassen einen Historiker kommen. Ich habe gerade über die Salzburger Nachrichten eine Reihe gelesen. Geschichte der Salzburger Nachrichten, in acht Volumen, jedes Volumen relativ dick. Die haben offensichtlich einen Historiker recherchieren lassen. Das Schicksal von den Salzburgern ist viel schlimmer, als das unsrige, weil mein Ur- oder Ur-Ur-Großvater, der hat irgendwann einmal Ahnenforschung betrieben und ist drei oder vier Generationen zurückgegangen oder mehr. Die Nazis haben verlangt, dass ein Verleger drei Generationen, wie es heißt „judenfrei“ sein soll. Jetzt war in Salzburg eine Familie Kiesel. Und diese Familie hatte dieselbe Situation wie wir. Eine Druckerei und eine Zeitung. Sie hieß nicht Salzburger Nachrichten die Zeitung. Wahrscheinlich Salzburger Volksblatt, oder wie auch immer. Die sind enteignet worden. Nach dem Krieg ist ihnen die Druckerei zurückgegeben worden, aber die haben sich nicht, wie es so schön auf oberösterreichisch heißt „dafangen“. Die Salzburger Nachrichten ist auch eine amerikanische Gründung. Und die ist zwischen einem Herrn Karnaval und einem Herrn Tasch aufgeteilt worden. Tasch glaub ich war der Chefredakteur und Karanval war der kaufmännische Leiter. Die haben die Salzburger Nachrichten bekommen und die Familie Kiesel hat ziemlich durch die Finger geschaut. Eben wegen den jüdischen Vorfahren, aber auf jeden Fall, haben die ein härteres Schicksal gehabt als wir. So, mehr fällt mir dazu nicht ein.

Vielen Dank für die vielen Informationen.

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