Keane V. Keane
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Zu guter Letzt AJP/PJA 2/2015 Keane v. Keane 405 strong enough to stand up for my zess ohne Anwalt wie der Elefant im rights.»1 Porzellanladen – oder müsste man für Fünf Jahre nach der Scheidung amerikanische Verhältnisse sagen, wie fasste Margaret Mut und verkündete ein Laie im Gerichtssaal? Die detail- in einem Radiointerview, dass sie die lierten amerikanischen Beweisregeln bekannten Bilder gemalt habe. Auch und insbesondere die Regeln über re- forderte sie Walter öffentlich auf, ge- levance und hearsay4 halten schon für gen sie zu einem Mal-Wettkampf an- Juristen komplexe Fallstricke bereit – zutreten. Er nahm daran nicht teil – sie Laien verheddern sich darin vollends. aber malte in San Francisco in aller Der Film zeigt, wie Walter als pro se Öffentlichkeit eines ihrer typischen litigant sich selber ins Kreuzverhör Bilder.2 Der Streit eskalierte, als Wal- nimmt und für Fragen und Antwor- ter im Juli 1984 der USA Today ein ten zwischen Zeugenstand und An- Interview gewährte. Das Blatt hielt so- waltspult hin- und herspringt, bis der dann über Margaret fest: «Thinking he entnervte Richter das Theater beendet. ARNOLD F. RUSCH was dead, the second of his three ex- Das amerikanische Juristenvolk amü- PD Dr. iur., Rechtsanwalt, LL.M., Zürich wives (also a painter) claimed to have siert sich gerne und oft über crazy pro done some of the Keane paintings.»3 se litigants – es existieren dazu sogar Sie verklagte Walter und USA Today ein Juristen-Blog und Urteile, in de- zivilrechtlich wegen Verleumdung. nen Richter lauthals darüber lamentie- Während Jahrzehnten hat sich Wal- Walter wiederum nutzte die Gunst der ren.5 Erfahrene Anwälte warnen indes ter Keane als Urheber der berühmten Stunde und erhob im gleichen Verfah- eindringlich davor, vor Gericht die ju- und erfolgreichen «big eyes»-Bilder ren den Vorwurf, Margaret verletze ristische Ausbildung gegen den Laien gebrüstet – in Tat und Wahrheit hat sein Urheberrecht an den Bildern. auszuspielen.6 Die jury besteht ihrer- diese aber seine Gattin Margaret Anfänglich verlief der Prozess in seits aus juristischen Laien, die derar- Keane geschaffen. Im Prozess um das Honolulu ohne grosse Probleme. Wal- tiges Gehabe nur schlecht goutieren. Urheberrecht kam es sodann zu ei- ter profitierte davon, dass Margaret ihn So nutzten schon viele pro se litigants nem aussergewöhnlichen Beweis: Die zusammen mit der USA Today ver- Streithähne mussten vor der jury ein klagt hatte. So standen ihm wenigstens 4 Federal Rules of Evidence, Rules 401 ff. Bild malen. Für weitere Höhepunkte indirekt die Anwälte der USA Today sorgte Walter Keane als «pro se liti- und 801 ff. zur Seite. Diese verlangten aber schon 5 Internet: http://abovethelaw.com/pro-se- gant» – alles nachzusehen im unlängst bald für die USA Today erfolgreich ein litigants/ (27.1.2015); vgl. das Lamen- erschienenen Film «Big Eyes». to über das prozessuale Verhalten Walter «directed verdict» – ein Urteil ohne Keanes in Keane v. Keane, 893 F2d 1338, «Ah, come on. The painting says Beweisverfahren, vom Richter gefällt, N 7: «Nor could the court have anticipa- Keane. I’m Keane. You’re a Keane. weil er schon gestützt auf die Vorbrin- ted the extreme degree of Walter’s erratic, From now on, we’re one and the gen der Parteien alleine ein Urteil fäl- emotional, and repetitive conduct in the same.» Walter Keane (1915–2000) courtroom, which went well beyond what len kann (sog. judgment as a matter of might ordinarily be expected of pro se par- konnte zwar nicht malen, hatte aber law, FRCP 50 a). Fortan geschah das, ties.»; vgl. Franklin v. State of Or., 563 F. eine grosse Klappe. Margaret Keanes was der Film «Big Eyes» genüsslich Supp. 1310, 1316; vgl. Faretta v. Califor- (geb. 1927) Bilder gingen weg wie aufzeigt: Walter verhält sich im Pro- nia, 422 U.S. 806, 852: «If there is any warme Semmeln, doch beanspruchte truth to the old proverb that «one who is his own lawyer has a fool for a client,» the Walter Keane die Urheberschaft der Court by its opinion today now bestows a Manga-ähnlichen Werke und strich 1 Margaret Keane, zitiert bei KATHERINE constitutional right on one to make a fool dafür den ganzen Ruhm ein. Walter BISHOP, Keane’s saucer-eyed waif theme of himself.»; vgl. DREW SWANK, The Pro tat dies nur am Anfang heimlich. Die proves durable, The Vancouver Sun (Bri- Se Phenomenon, 19 BYU J. Pub. L. 373 tish Columbia), February 29, 1992, E 16. (2005), 384, m.w.H. Urheberrechtsanmassung entwickelte 2 The Lady behind those Keane-eyed kids, 6 SCOTT L. GARLAND, Avoiding Goliath’s sich graduell und erfolgte später mit LIFE, 20.11.1970, 57 f., 57. Fate: Defeating a Pro Se Litigant, Internet: Wissen seiner Frau: «The whole thing 3 Federal District Court jury awards Marga- http://www.americanbar.org/newsletter/ just snowballed and then it was too ret Keane $4 million in damages in slander publications/gp_solo_magazine_home/ action related to paintings of «big-eyed» gp_solo_magazine_index/garland.html late to say it wasn’t him who painted children, Entertainment Law Reporter, July (27.1.2015); vgl. auch SWANK (FN 5), 19 them. I’ll always regret that I wasn’t 1986, Vol. 8, No. 2. BYU J. Pub. L. 373 (2005), 379. Arnold F. Rusch AJP/PJA 2/2015 406 Die grossen Augen sind ihr Markenzeichen: Amy Adams als Margaret Keane im Film «Big Eyes» «Big Eyed Girl with Kitten» von Margaret Keane. (The Weinstein Company, 2014) den David gegen Goliath-Effekt und Es bleibt aber die Frage: Wie zeigt im Sinne des Art. 168 Abs. 1 lit. c ZPO konnten die jury für sich gewinnen.7 man den Geschworenen, dass man bezeichnen: Walter und Margaret be- Viele scheiterten indes an den pro- alle Bilder gemalt hat? Die gängige kamen vor Gericht eine Stunde Zeit, zessualen Regeln. Das ist besonders Beweisregel, wonach man den Zu- ein big eyes-Bild zu malen. Ausge- tragisch – nicht nur in Amerika, denn gang des Urheberrechtsverletzers zum rechnet in diesem Moment hinderte das Prozessrecht ist nicht dazu da, um geschützten Werk und die Ähnlichkeit eine alte Schulterverletzung Walter Prozesse abzuklemmen. Es hätte viel- der Werke belegt, hat vorliegend nicht daran, mit dem Malen loszulegen. mehr die edle Aufgabe, das materielle nur deshalb nicht funktioniert, weil Margaret hingegen schuf vor Gericht Recht zu verwirklichen.8 Bei Parteien Walter als unbeholfener pro se litigant eines ihrer typischen Bilder, das sie ohne anwaltliche Vertretung bedeutet gar nicht erst gezeigt hat, zu welchen fortan «exhibit 224» nannte – und ge- dies, dass die Gerichte ihnen gegen- seiner Werke die Ähnlichkeit bestehen wann den Prozess. Von den punitive über durch Hinweise und Nachfragen soll.10 Dies wäre auch einem erfahre- damages in der Höhe von 4 Millionen besondere Nachsicht zeigen sollten.9 nen Anwalt nicht gelungen, weil es Dollar hat sie allerdings nichts gese- diese Werke gar nicht gab. Das war hen, weil die obere Instanz den hohen aber nur die Begründung der oberen Strafschadenersatz nicht akzeptierte Instanz. Die erstinstanzliche jury kam und Walter ohnehin schon längst pleite 7 Einer der berühmtesten pro se litigants war in den besonders überzeugenden Ge- war.12 Robert Kearns, der die gesamte Autoindus- trie wegen der Verletzung seines Intervall- nuss eines vor ihren Augen durchge- 11 scheibenwischerpatents mehrheitlich er- führten paint fights. In der Schweiz folgreich verklagte (vgl. ARNOLD RUSCH, würde man dies wohl als Augenschein Der luzide Intervallscheibenwischer, AJP/ PJA 2014, 1019 f.). 8 Urteil BGer 4A_346/2013, E. 4.4.3.3; ZR 2012, 243 ff., 246, E. 2.3.5; BGE 127 10 Keane v. Keane, 893 F2d 1338, N 31. III 461 ff., 466. 11 Entertainment Law Reporter (FN 3), July, 9 Vgl. EDWARD HOLT, How to Treat «Fools»: 1986, Vol. 8, No. 2: «The jury may have Exploring the Duties Owed to Pro Se Liti- been impressed by Ms. Keane’s creation, in gants in Civil Cases, 25 J. Legal Prof. 167, their presence, of a painting of a big-eyed 12 Keane v. Keane, 893 F2d 1338, N 24–27; passim, m.w.H. und in der Schweiz Art. 56 child; Mr. Keane declined to demonstrate In re Keane, Bankruptcy No. 87-03845- ZPO sowie Urteil BGer 4D_57/2013, his artistic ability, citing a shoulder in- H7, Adv. No. C87-0628-H7, 110 B.R. 477 E. 3.2, m.w.H. jury.» (1990)..