Deutscher Protokoll Nr. 16/25 16. Wahlperiode

Ausschuss für Gesundheit

Wortprotokoll 25. Sitzung

Berlin, den 18.10.2006, 13:00 Uhr Sitzungsort: Reichstag, SPD-Fraktionssaal 3 S001

Vorsitz: Dr. Martina Bunge, MdB Dr. Hans Georg Faust, MdB (zeitweise)

TAGESORDNUNG:

Einziger Tagesordnungspunkt

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - VÄndG) BT-Drucksache 16/2474

Anlage Anwesenheitsliste Sachverständigenliste

Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006

Anwesenheitsliste*

Mitglieder des Ausschusses

Ordentliche Mitglieder des Ausschusse Stellv. Mitglieder des Ausschusses

CDU/CSU Albach, Peter Blumenthal, Antje Bauer, Wolf, Dr. Brüning, Monika

Eichhorn, Maria Hennrich, Michael Faust, Hans Georg, Dr. Jordan, Hans-Heinrich, Dr. Hüppe, Hubert Krichbaum, Gunther

Koschorrek, Rolf, Dr. Luther, Michael, Dr. Scharf, Hermann-Josef Meckelburg, Wolfgang Spahn, Jens Michalk, Maria

Straubinger, Max Philipp, Beatrix Widmann-Mauz, Annette Scheuer, Andreas, Dr.

Zylajew, Willi Zöller, Wolfgang

SPD Friedrich, Peter Bätzing, Sabine Hovermann, Eike Becker, Dirk Kleiminger, Christian Bollmann, Gerd Lauterbach, Karl, Dr. Ferner, Elke Mattheis, Hilde Gleicke, Iris Rawert, Mechthild Hemker, Reinhold Reimann, Carola, Dr. Kramme, Anette Spielmann, Margrit, Dr. Kühn-Mengel, Helga Teuchner, Jella Marks, Caren Volkmer, Marlies, Dr. Schmidt, Silvia Wodarg, Wolfgang, Dr. Schurer, Ewald

FDP Bahr, Daniel Ackermann, Jens Lanfermann, Heinz Kauch, Michael Schily, Konrad, Dr. Parr, Detlef

DIE LINKE. Bunge, Martina, Dr. Höger-Neuling, Inge

Ernst, Klaus Knoche, Monika

Spieth, Frank Seifert, Ilja, Dr.

B90/GRUENE Bender, Birgitt Haßelmann, Britta Scharfenberg, Elisabeth Koczy, Ute Terpe, Harald, Dr. Kurth, Markus ______*) Der Urschrift des Protokolls ist die Liste der Unterschriften beigefügt.

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Bundesregierung

Bundesrat

Fraktionen und Gruppen

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Sprechregister Abgeordnete Seite/n Sprechregister Sachverständige Seite/n Vorsitzende Abg. Dr. Martina 5,34 SV Dr. Andreas Köhler (Kassenärztli- 5,6,7,8,10,11,1 Bunge (DIE LINKE.) che Bundesvereinigung (KBV)) 2,13,14,16, 17,18,21,24, 26,29,30,33, 34 Abg. (CDU/CSU) 5,7,26,28,29 SV Johann-Magnus von Stackelberg 5,8,9,11,12, (AOK-Bundesverband) 13,14,20,21, 28,31,33 Abg. Dr. Hans Georg Faust 6,8,27,28,29 SV Dr. Jürgen Fedderwitz (Kassen- 6,7,10,11,12, (CDU/CSU) zahnärztliche Bundesvereinigung 13,19,27,34 (KZBV)) Abg. Dr. Rolf Koschorrek 7,9,27 SV Georg Baum (Deutsche Kranken- 6,10,14,18,25, (CDU/CSU) hausgesellschaft (DKG) 26,31,34 Abg. Eike Hovermann (SPD) 10,11,14,29 SV Andreas Wagener (DKG) 8,33 Abg. Peter Friedrich (SPD) 10,12,13,34 SV Dr. Hans-Joachim Helming (AG der 9,21 Kassenärztlichen Vereinigung der neuen Bundesländer) Abg. Christian Kleiminger (SPD) 11,12,13,33 SV Prof. Dr. Peter Axer 9,26

Abg. (Münster) (FDP) 15,16,18,19 SV Dr. Wulf-Dietrich Leber (AOK- 10,17 Bundesverband) Abg. Dr. Konrad Schily (FDP) 16,17,18 SV Carsten Frege (Hartmannbund – 11,17 Verband der Ärzte Deutschlands) Abg. Heinz Lanfermann (FDP) 17 SV Klaus Greppmeier (NAV-Virchow 11,17 Bund) Abg. Inge Höger-Neuling (DIE 19,22 SVe Dr. Birgit Clever (Bundesverband 11,22,24 LINKE.) der Vertragspsychotherapeuten (bvvp)) Abg. Frank Spieth (DIE LINKE.) 20,21 SV Prof. Dr. Christoph Fuchs (Bundes- 13,15,20,24, ärztekammer (BÄK)) 29 Abg. Dr. Harald Terpe (BÜND- 24,25,26 SV Dr. Peter Wigge (Bundesverband 14 NIS 90/DIE GRÜNEN) Managed Care (BMC)) Abg. Dr. Marlies Volkmer (SPD) 32 SV Thomas Bublitz (Bundesverband 14,25,26,32 Deutscher Privatkliniken (BDPK)) SV Prof. Dr. Christian Pestalozza 15

SV Dr. Ryszard van Rhee (Bundesver- 17 band Deutscher Belegärzte) SV Peter Lehndorfer (Bundespsycho- 18,25 therapeutenkammer (BPtK) SVe Regina Feldmann (AG der Kassen- 19 ärztlichen Vereinigung der neuen Bun- desländer) SV Dr. Stefan Etgeton 22,32

SV Dr. Martin Danner (Deutscher Be- 23 hindertenrat (DBR)) SV Eberhard Mehl (Deutscher Hausärz- 24 teverband) SV Dieter Best (Deutsche Psychothera- 24 peutenVereinigung) SV Wolfgang Abeln 26

SV Dr. Dr. Jürgen Weitkamp (BZÄK) 27 SV Dr. Axel Meeßen (VdAK/AEV) 28

SV Dr. Dirk Gopffarth (Bundesvers i- 28,29 cherungsamt (BVA)) SV Dr. Rainer Hess (Gemeinsamer 29,32 Bundesausschuss (G-BA)) SV Rainer Jeniche (BMVZ) 33

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Tagesordnungspunkt

Gesetzentwurf der Bundesregierung

Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Vertragsarztrechts und anderer Gesetze (Vertragsarztrechtsänderungsgesetz - VÄndG) BT-Drucksache 16/2474

SV Dr. Andreas Köhler (Kassenärztliche Beginn der Sitzung: 13.04 Uhr Bundesvereinigung (KBV)): Wir begrüßen die angesprochene Flexibilisierung. Im Hinblick auf die gleichmäßige flächendeckende Versor- Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE gung bietet das Vertragsarztrechtsänderungs- LINKE.): Ich begrüße Sie zur Anhörung zum gesetz allein allerdings keine Lösung. Wir Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein werden mit diesem Gesetz an die Grenzen der Vertragsarztrechtsänderungsgesetz auf BT- finanziellen Budgetierung stoßen. Durch die Drucksache 16/2474. Sie haben per E-Mail Möglichkeit zur Anstellung und zur Tätigkeit Änderungsanträge der Fraktionen der an mehreren Orten wird das Gesetz aber – CDU/CSU und SPD erhalten, die wir heute insbesondere in einigen unterversorgten Gebie- grundsätzlich einbeziehen wollen. Der Aus- ten – dazu beitragen, die Sicherstellung flä- schuss hat heute allerdings beschlossen, eine chendeckend zu gewährleisten. Die KV- zweite Anhörung zum Vertragsarztrechtsände- übergreifende Tätigkeit wird von uns ebenfalls rungsgesetz durchzuführen, speziell zu den unterstützt, dass sie tatsächlich Fragen der Änderungsanträgen auf Ausschuss-Drucksache Auslastung, zum Beispiel in ambulanten Ope- 0110 betreffend die Zustimmungspflicht und rationszentren, positiv beantworten wird. die Entschuldung der Kassen.

SV Johann-Magnus von Stackelberg (Bun- Abg. Jens Spahn (CDU/CSU): Meine erste desverband der allgemeinen Ortskrankenkas- Frage richtet sich an die Kassenärztliche Bun- sen (AOK-Bundesverband)): Grundsätzlich desvereinigung und die Spitzenverbände der begrüßt die GKV die Möglichkeiten zur Flexi- Krankenkassen. Wir möchten mit dem vorge- bilisierung. Wir stellen aber fest, dass die Re- legten Gesetzentwurf u. a. Beschlüsse des gelungen zur Flexibilisierung nicht nur in den Deutschen Ärztetages aus dem Jahr 2004 um- unterversorgten Gebieten greifen sollen, son- setzen und die Gestaltungsmöglichke iten für dern auch in den Gebieten, die voll – aber nicht die vertragsärztliche Tätigkeit sowie die ärztli- überversorgt – versorgt sind. Bei den Hausärz- che Berufsausübung erweitern, u. a. um Ver- ten sind dies 39 % der Planungsgebiete. Wir sorgungsengpässe in strukturschwachen Regi- haben die Sorge, dass sich die zukünftigen onen zu beseitigen. Vor diesem Hintergrund Ärzte in den voll-, aber nicht überversorgten interessiert mich, wie Sie die Regelung über Gebieten auf die Niederlassung konzentrieren die Ermöglichung der Tätigkeit an weiteren werden, nicht aber in den unterversorgten Ge- Orten für das Erreichen des Ziels einer von der bieten. Die vorgeschlagenen Maßnahmen soll- Koalition angestrebten gleichmäßigen flächen- ten nur für die nicht vollversorgten Gebiete deckenden Versorgung der Versicherten beur- gelten, um die Unterversorgung zu beseitigen. teilen.

Ist ferner die Ermöglichung von die Grenze Abg. Jens Spahn (CDU/CSU): Zum letzten einer Kassenärztlichen Vereinigung über- Punkt habe ich eine Zusatzfrage an die KZBV schreitenden Berufsausübungsgemeinschaften in Bezug auf die Zweckmäßigkeit der die zweckmäßig zur Erreichung einer wirtschaftli- Grenzen einer KZV überschreitenden Be- chen Versorgung von Versicherten? rufsausübungsgemeinschaft zur Erreichung des Ziels.

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Tätigkeit anzeigepflichtig sein muss und eine SV Dr. Jürgen Fedderwitz (Kassenzahnärzt- Selbsterklärung des Arztes erforderlich ist, liche Bundesvereinigung (KZBV)): Ich teile insbesondere eines Krankenhausarztes, ob und die Skepsis der Krankenkassenverbände. Für wie die Vertragsarztpraxis vom Krankenhaus- uns gelten einige andere Regelungen als für träger finanziert wird. Ärzte. Wir kennen die Degression, andere Budgetzwangs- und Steuerungsmaßnahmen. In Bezug auf § 20 benötigen wir eine ergän- Grundsätzlich begrüßen wir die Flexibilisie- zende Regelung, die sicherstellt, dass der Ver- rung, um veränderten Zeiten und neuen Ver- tragsarzt am Vertragsarztsitz präsent ist, der sorgungsstrukturen zu begegnen. Wir haben Zula ssungsausschuss zur Sicherung mit der hier aber die Befürchtung, dass es zu einem Zula ssung Auflagen verbinden kann und keine Missbrauch des Gestaltungsspielraumes nachteiligen Auswirkungen auf die freie Arzt- kommt. Wenn man Liberalisierungen will, wahl des Versicherten bei gleichzeitiger Tätig- wäre es konsequent, die Kontrollmechanismen, keit am Krankenhaus und in der Niederlassung Bedarfsplanung und dergleichen abzuschaffen. erfolgen. Ich verweise in diesem Zusammen- Ich fürchte, dass wir zu Praxisketten kommen, hang auf die früher bereits im Gesetzgebungs- die letztlich ökonomisch gesteuert sind. Wir verfahren diskutierte, aber nicht umgesetzte kennen das Beispiel McZahn aus der letzten Regelung zur Praxisklinik: Dieses Institut soll- Zeit. Das führt dazu, dass diese Strukturen te man möglicherweise mit dem Vertragsarzt- missbräuchlich dazu genutzt werden, die ur- rechtsänderungsgesetz nochmals erwägen. sprünglich freiberuflichen Strukturen versor- gungsnah zu unterla ufen. In Bezug auf die belegärztliche Tätigkeit bietet das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz neben der bisherigen Möglichkeit , gleichzeitig als Abg. Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): Belegarzt im Krankenhaus tätig und niederge- Meine Frage richtet sich sowohl an die KBV lassen zu sein, über Anstellungsmöglichkeiten als auch an die Deutsche Krankenhausgesell- am Krankenhaus nunmehr eine zweite Option. schaft. Wie bewerten Sie die Auswirkungen Diese Option wird es den Krankenkassen er- der Möglichkeit , als Vertragsarzt und gleic h- möglichen, einerseits über Hauptabteilungen zeitig auch als angestellter Arzt im Kranken- die Versorgung ehemals belegärztlicher Patie n- haus arbeiten zu können? Wie wirkt sich das ten sicherzuste llen, oder dies wie bisher in den auf die ambulante Versorgungsstruktur und die kollektivvertraglichen Regelungen zu lassen. Finanzierungsstruktur der Praxis aus? Ich bitte Wir sehen hier keinen Änderungsbedarf. Sie , auch auf die Regelungen in § 20 Zula s- sungsverordnung einzugehen, was die Auftei- lungsmöglichkeiten der Zeiten betrifft. SV Georg Baum (Deutsche Krankenhausge- sellschaft (DKG)): Auch aus Sicht der Kran- Meine zweite Frage bezieht sich auf das Be- kenhäuser wird grundsätzlich begrüßt, dass in legarztwesen: Welche Auswirkungen haben beide Richtungen mehr Flexibilität geschaffen die Veränderungen, die im Vertragsarztrechts- wird. Zu der Regelung gehört auch, dass Kran- änderungsgesetz vorgesehen sind, auf das Be- kenhausärzte in medizinischen Versorgungs- legarztwesen? Welche Maßnahmen müssten zentren mitwirken können, ebenso wie Ver- hier gegebenenfalls im Finanzierungsrecht tragsärzte in die klinische Arbeit eingebunden ergriffen werden, damit sich wieder eine sinn- werden können. Das hat sowohl in Bezug auf volle Konstruktion ergibt? die medizinische Qualität als auch ökonomisch große Vorteile, weil Facharztexpertise von außen besser im Krankenhaus mitarbeiten SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Wir bejahen kann. Das führt in gewisser Weise zu einer die Möglichkeit der gleichzeitigen Tätigkeit im Parallelstruktur im Verhältnis zum Belegarzt- Krankenhaus wie in der niedergelassenen Ver- wesen: Dort kann der niedergelassene Arzt sorgung. Es sind aber Vorkehrungen zu treffen, unter den engen Bedingungen des Belegarzt- damit Krankenhäuser keine Investitionen für wesens im Krankenhaus arbeiten. Nach dem Vertragsarztpraxen mit hälftigem Versor- Vertragsarztrechtsänderungsgesetz kann er gungsauftrag übernehmen, um für Kranken- unter deutlich erweiterten Möglichkeiten arbei- häuser damit verbundene eigennützige Zwecke ten. Die s wirft die Frage auf, ob das Bele g- zu verfolgen. Wir haben in unserer Stellung- arztwesen nicht besser aus der Restriktion her- nahme vorgeschlagen, dass die gleichzeitige ausgeholt werden und es grundsätzlich dem

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Krankenhaus überlassen sein sollte, mit wel- samtvergütung. Wir haben Honorarvertei- cher ärztlichen Kapazität es seine Leistungen lungsmaßstäbe und den degressiven Punktwert, erbringt, d. h. ob es Ärzte von außen unter den es nur im zahnärztlichen Bereich gibt. Vertrag nimmt, ohne die Restriktionen des Belegarztwesens zu haben. Sie brauchen Der Gestaltungsspielraum kann dazu führen, schließlich immer einen spezifisch zugelasse- dass beispielsweise nicht nur in einem KZV- nen Arzt usw. Dann wäre aber die logische Bereich, sondern auch in anderen KZV- Konsequenz, dass das Krankenhaus für die Bereichen Zweigpraxen gegründet werden, die gesamte stationäre Leistung eine Fallpauschale mit Assistenten oder angestellten Zahnärzten abrechnet, die den ärztlichen Leistungsanteil bestückt werden. Bisher gibt es eine Präsenz- beinhaltet, der heute noch über die KVen ver- pflicht eines Praxisinhabers in seiner Praxis. gütet wird. Der Praxissitz ist auf die Person bezogen. In Zukunft könnte es eine finanzkräftige Praxis Zu der Frage der Zeiten, die niedergela ssene eines Einzelzahnarztes oder eines finanzstar- Ärzte jetzt jenseits der Praxis im Krankenhaus ken Investors geben, die mit vielen Zweigpra- arbeiten dürfen, nimmt das Gesetz Bezug auf xen eine möglicherweise schlechtere Versor- die 13-Stunden-Regelung. Wir halten die se gung bietet, weil hier nicht mehr die Verpflic h- Regelung für zu eng. Bei einer solchen Libera- tung besteht, dass der Praxisinhaber vor Ort lisierung sollte man es den Partnern überla s- zugegen sein muss. Die Praxisketten, die sich sen, wie viele Stunden sie in den jeweiligen dort bilden können, bergen die Gefahr einer Sektionen arbeiten. Wir haben die Sorge, dass einseitig ausgerichteten Ökonomisie rung. Das die Regelung so interpretiert werden könnte, Beispiel McZahn hat gezeigt, dass man mit dass ein Krankenhausarzt, der in einem MVZ diesem Modell Geld verdienen will. Ein Pati- mitarbeitet, möglicherweise nur noch 13 Stun- ent kann in einer solchen Praxis folglich „ein- den stationär tätig sein kann. Es wäre wic htig äugig“ behandelt werden: McZahn kann hin- klarzustellen, dass das nicht gemeint sein kann. sichtlich der Möglichkeiten, bei den Material- Das würde die dort mitarbeitenden Kranken- und Laborkosten zum Zahnersatz einzusparen, hausärzte hinsichtlich ihrer stationären Arbeit einseitig die Prothetik forcieren. Mancher Pati- deutlich einschränken. Gemeint war wohl, dass ent, der nicht unbedingt als Prothetikpatient in der Vertragsarzt seinen Kassenarztsitz nicht die Praxis geht, kommt dann als Prothetikpati- durch Außerhalbtätigkeit zu lange verla ssen ent wieder heraus. Ich sehe dabei das Arzt- soll. Es wäre wichtig, dass hier im Laufe des Patienten-Verhältnis stark gefährdet und gla u- Gesetzgebungsverfahrens eine Klarstellung be nicht, dass eine nicht-kontrollierbare Ket- erfolgt. tenbildung durch „vagabundierende Ärzte“ im Sinne der Patienten wäre.

Abg. Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Mei- ne Frage richtet sich an die KZBV. Der Ge- Abg. Jens Spahn (CDU/CSU): Ich habe eine setzentwurf sieht für die Vertragszahnärzte Frage an die KBV, die DKG, einen der Spit- eine Liberalisierung und Flexibilisierung des zenverbände der Krankenkassen sowie den Vertragszahnarztrechts vor, z. B. die Anstel- Bundesverband Medizinischer Versorgungs- lung von Zahnärzten in zwei Praxen und KZV- zentren: Entspricht die Regelung über die übergreifende Tätigkeiten. Wie bewerten Sie selbstschuldnerische Bürgschaft der Gesell- diese gesetzlichen Regelungen, und welche schafter von MVZ, die als juristische Personen Konsequenzen ergeben sich daraus für die organisiert sind, dem Gleichbehandlungsgebot Strukturen der vertragszahnärztlichen Versor- zwischen Vertragsarztpraxen und MVZ? gung?

SV Dr. Andreas Köhler (Kassenärztliche SV Dr. Jürgen Fedderwitz (KZBV): Die Bundesvereinigung (KBV)): Wir begrüßen KZBV befürchtet, dass es hier zu ganz massi- diese Regelung mit Blick auf das völlig anders ven Verwerfungen kommen wird. Grundsätz- geartete Risiko: Das höhere Risiko besteht lich begrüßen wir die Liberalisierung und Fle- darin, dass zu Lasten der budgetierten Gesamt- xibilisierung, aber wir benötigen dann auch vergütung – und damit der Honorare aller Ver- eine entsprechende Liberalisierung beim Be- tragsärzte – Richtgrößenregresse erfolgen, die darfsplanungsrecht, beim Vergütungsrecht. aber vom Schuldner nicht mehr eingezogen Wir haben nach wie vor eine budgetierte Ge- werden können. Damit haftet die Gesamtver-

7 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 gütung für diesen Regress. Wenn die Kapita l- die Regelung der selbstschuld nerischen Bürg- gesellschaft bei Überschuldung Insolvenz an- schaft für nicht erforderlich. Bei juristischen gemeldet hat, wird das von der Gesamtheit der Personen des privaten Rechts handelt es sich anderen Vertragsärzte bezahlt. Deshalb brau- um eine eigenständige Konstruktion, die auch chen wir die Bürgschaft der Gesellschafter von wegen der körperschaftlichen Struktur entspre- MVZ. chenden Konsequenzen steuerlicher Natur unterworfen ist. Dabei würde das weitere For- SV Andreas Wagener (DKG): Der Ansatz ist dern einer Bürgschaft dem Sinn und Zweck nachvollziehbar. Dagegen sprechen aber in dieser Gesellschaftsform zuwiderlaufen und Bezug auf die gemeinnützigen Krankenhäuser eine nicht gerechtfertigte Ungleichbehandlung steuerrechtliche Befürchtungen: Wenn die darstellen, da die Vorteile dieser Gesellschafts- Bürgschaft nicht aus freien Mitteln gezogen form eliminiert würden, ohne die existierenden wird, sondern aus Mitteln, die dem Kranken- steuerrechtlichen Nachteile – die Gewerbe- haus im Rahmen der Gemeinnützigkeit zuste- steuerpflicht – zu beseitigen. hen, liegt eine nicht satzungsgemäße, für die Gemeinnützigkeit schädliche Mittelverwen- dung vor. Damit können sich Probleme aus Abg. Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): dem Gemeinnützigkeitsrecht ergeben. Meine Frage geht an die KBV, den AOK- Bundesverband und die Arbeitsgemeinschaft Noch gravierender ist jedoch, dass hiermit der Kassenärztlichen Vereinigungen der neuen Strukturen umgangen werden, die im Gesell- Bundesländer: Halten Sie die im Gesetzent- schaftsrecht anders ausgeprägt sind. Zweck wurf getroffenen Regelungen – die Aufhebung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung ist der Altersgrenzen von 55 und 68 Jahren in es nun einmal, eine beschränkte Haftung für unterversorgten Regionen, die Frage von Si- die Gesellschafter zu gewährleisten. Im Refe- cherstellungszuschlägen, die Frage der Zula s- rentenentwurf war hier zunächst eine andere sung auch bei nur lokalem Versorgungsbedarf Regelung vorgesehen. Über die Mittel einer – für geeignet, um das Zie l zu erreichen, regio- selbstschuldnerischen Bürgschaft wird hier nun nale Versorgungsprobleme abzumildern? Oder wieder eine Haftung für die Gesellschafter in müsste aus Ihrer Sicht zusätzlich etwas ge- zunächst unnachvollziehbarer Größenordnung macht werden – wobei ich nicht die im GKV- dargelegt. Im ärztlichen Bereich gibt es die Wettbewerbsstärkungsgesetz angedachten Möglichkeit, juristische Personen bzw. Perso- Maßnahmen meine? nengesellschaften zu gründen. Ich sehe hier keine Wettbewerbsverzerrung, weil diese Meine Zusatzfrage richtet sich an Professor Rechtsform sowohl den Vertragsärzten als Axer: Halten Sie die Regelungen des Gesetz- auch den entsprechenden Medizinischen Ver- entwurfs im Hinblick auf den Gleichbehand- sorgungszentren zusteht. Darüber hinaus kön- lungsgrundsatz für problematisch? nen nach neuerem Recht selbst Privatpersonen, die keine juristischen Personen sind, in Insol- venz gehen. So bleibt natürlich für die KVen SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Wir üben ein unkalkulierbares Risiko, das aber nicht mit grundsätzlich Kritik an den Altersgrenzen. Wir den Mitteln des Gesellschaftsrechts ausgehe- sind aber froh, wenn sie insbesondere für un- belt werden kann. terversorgte Regionen wegfallen. Wir sind im Hinblick auf den Arztmangel, insbesondere im Hausarztversorgungsbereich, darauf angewie- SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- sen. Allerdings wird die Perspektive, auch Bundesverband): Mir leuchten die Ausführun- noch über das 68ste Lebensjahr hinaus zu ar- gen von Herrn Köhler durchaus ein, aber wir beiten, die Ansiedelung eines jungen niederge- setzen auf die befreiende Wirkung der Ge- lassenen Vertragsarztes in unterversorgten samtvergütung, die die Krankenkassen – zu- Gebieten nicht gerade fördern. Die geplanten mindest noch – zahlen. Insofern geht es um Sicherstellungszuschläge halten wir für zu eine Frage der Solidarität unter den Leistungs- niedr ig. Sie sind aber ein wichtiges und sinn- erbringern. volles Instrument. Dennoch werden Sie regio- nale Versorgungsprobleme nicht allein damit lösen können. Es bleibt nach wie vor bei der SV Rainer Jeniche (Bundesverband Medizini- Vergütungsproblematik , d. h. der Unterde- sche Versorgungszentren (BMVZ)): Wir halten ckung der ärztlichen Leistungen. Deshalb ist

8 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 die Niederlassung zunehmend unattraktiv und tigkeit auf. In Brandenburg liegt der Durch- Ärzte wandern ins Ausland ab. schnitt des Ausstiegs aus der praktischen Tä- tigkeit bei 60,2 Jahren. Die Öffnung jenseits der Grenze von 68 oder 70 Jahren interessiert SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- deshalb niemanden: Diese Ärzte sind gar nicht Bundesverband): Man kann dankbar sein, mehr im System. Dafür gibt es vor allem zwei wenn man zusätzliche Instrumente zur Beseit i- Gründe : Wir haben eine hohe Frauenquote, gung der Unterversorgung in die Hand be- und die aus der praktischen Tätigkeit resultie- kommt. Dies bekäme man hier. Ich bleibe aber rende Verdienstmöglichkeit motiviert nicht bei der Grundaussage: Bitte schaffen sie diese dazu, die Altersgrenze zu überschreiten. Des- Instrumente nicht für vollversorgte Gebiete, wegen wird dieses Instrument wenig wirken. sondern nur für unterversorgte. Unterversor- gung ist ein schwerwiegendes Problem, dem Die Gewährung von Sicherstellungszuschlägen wir uns gemeinsam stellen. Schon jetzt gibt es in unterversorgten Gebieten begrüßen wir vom Bemühungen in der Selbstverwaltung. Grundsatz her genauso. Angesichts der Frage der Finanzierung der Sicherstellungszuschläge Die vorgesehenen Maßnahmen sind insofern wird jedoch auch hier die Wirksamkeit nicht sinnvoll, werden aber aus unserer Sicht nicht eintreten. Es ist vorgesehen, die Mittel zur ausreichen: Man sollte nicht nur an den Abbau Finanzierung der Zuschläge aus Abschlägen in der Unterversorgung denken, sondern auch an vermeintlich überversorgten Gebieten zu ak- die Überversorgung. Im Gesetzentwurf ist von quirieren. Damit wird man Schiffbruch er- unterversorgten Gebieten und Zuschlägen die leiden, wenn man nicht das von Herrn von Rede. Der Ball wird rund, wenn man gleichze i- Stackelberg fokussierte München nimmt, son- tig bei überversorgten Gebieten Abschläge dern Cottbus. Dort sind bereits in der Honorie- vorsieht. In überversorgten Gebieten wie der rung 30 % Unterfinanzierung zu beklagen. Es Stadt München haben wir gegenüber einer wird nicht funktionieren, diesen Ärzten weitere Vollversorgung zur zeit über 300 Hausärzte zu Geldmittel zu entziehen, um andere zu stützen. viel. Aufgrund grundgesetzlicher Vorschriften Diese Umverteilung wird keine tragfähige stellt der Arztsitz als solcher einen Eigen- Finanzierungsgrundlage eines durchaus sinn- tumswert für den abgehenden Arzt dar. Daran vollen Instrumentes bieten. wollen wir auch nichts ändern. Wenn ein Arzt nachrückt, sollte er aber keine Garantie auf die gleiche Einnahme haben. Als AOK- SV Prof. Dr. Peter Axer: Vor dem Hinter- Bundesverband und als GKV schlagen wir vor, grund der verfassungs- und bundessozialge- beim Nachrücken in einem überversorgten richtlichen Rechtsprechung ist die Neurege- Gebiet zeitgebunden entsprechende Abschläge lung der Altersgrenze unproblematisch. Das vorzusehen und die se an die unterversorgten Bundesverfassungs- und das Bundessozialge- Gebiete auszuschütten. Sie müssen sich vor- richt gestehen einen weiten Gestaltungsspie l- stellen, dass sich junge Ärzte in einem überal- raum zu. Die 2001 bzw. 1998 genannten Grün- terten Umfeld niederlassen sollen. Ob finan- de gelten auch heute noch fort. Der Gesetzge- zielle Anreize dafür ausreichen, ist zweifelhaft, ber reagiert in den Bereichen, wo eine Unter- aber es wäre eine weitere Maßnahme. versorgung herrscht. Insoweit sehe ich verfas- sungsrechtlich keine Probleme.

SV Dr. Hans -Joachim Helming (AG der Kassenärztlichen Vereinigungen der neuen Abg. Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Mei- Bundesländer): In Übereinstimmung mit der ne Frage richtet sich an die KZBV. Die zahn- KBV begrüßen auch wir den Wegfall von un- medizinische Versorgung der Patienten erfolgt nötigen Reglementierungen wie der Alters- in Deutschland schwerpunktmäßig durch frei- grenze. Angesichts der aktuellen Erfahrung aus beruflich tätige Zahnärzte. Deshalb spielen in der Praxis halten wir es jedoch nicht für ein diesen Versorgungsbereichen die Schnittstel- geeignetes Instrument, um dem schon beste- lenprobleme ambulant/stationär keine Rolle. henden und dem sich in naher Zukunft weiter Mit den Medizinischen Versorgungszentren eklatant verschärfenden Ärztemangel in den werden neue Versorgungsstrukturen im Wett- neuen Bundesländern sinnvoll entgegenzutre- bewerb zu den freiberuflichen Praxen ermög- ten. Gegenwärtig geben unsere Ärzte im Alter licht. Sind die Regelungen im VÄndG so ges- kurz oberhalb der 60er-Grenze ihre Praxistä- taltet, dass für MVZ und freiberufliche Praxis

9 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten? Oder Wir werden auch Richtlinien des Gemeinsa- kommt es zu einer Benachteiligung für die men Bundesausschusses, wie z. B. die Richtli- freiberuflich tätigen Zahnärzte? nie betreffend angestellte Ärzte, ändern. Auch die Bedarfsplanungsrichtlinien gehören dazu. Nicht zuletzt müssen wir eine bundesweit ein- SV Dr. Jürgen Fedderwitz (KZBV): Obwohl heitliche Arztabrechnungsnummer einführen. es in den verschiedenen Entwürfen schon eine Dies kann nicht alles zum 1. Januar 2007 vor- Korrektur gegeben hat, ist diese nicht ausrei- bereitet werden. Vielmehr bedarf die Vorberei- chend, weil es nach wie vor zu einer Benach- tung eines Gesetzesbeschlusses. Wenn Sie uns teiligung freiberuflicher Praxen kommt. Es diese Vorbereitungszeit nicht geben, wird das geht um den degressiven Punktwert, die An- Gesetz zwar da sein, und die Ärzte werden stellung von Zahnärzten und die Leistungsbe- nachfragen, aber es wird nicht umsetzbar sein, grenzungen in überversorgten Gebieten. Es ist weil die entsprechenden untergesetzlichen nach wie vor so, dass der in einer freiberuflich Normen noch nicht beschlossen sind. geprägten Praxis angestellte Zahnarzt in einem überversorgten Gebiet mit seinem Leistungs- volumen nicht angerechnet werden kann. Für SV Dr. Wulf-Dietrich Leber (AOK- das Medizinische Versorgungszentrum stellt Bundesverband): Wir sehen das genauso wie sich dies im Vergleichsfall anders dar, obwohl die KBV. Durch dieses Gesetz wird die Einheit es auch ein zulassungsgesperrter Bezirk ist und von Kassenarztpersonen und Kassenarztsitz die Leistungsbegrenzung folglich ebenfalls aufgehoben. Deshalb müssen sämtliche Rege- logisch wäre. Wollte man diesen überflüssigen lungen neu spezifiziert werden. Bestimmte Bereich haben – offensichtlich will das der Richtlinien zur Qualitätssicherung sind z. B. Gesetzgeber, müsste für das Medizinische auf den Praxissitz zu beziehen, ob er gekachelt Versorgungszentrum zumindest auch die Leis- sein muss o. ä., während andere Qualitätsan- tungsbegrenzung gelten. forderungen – wie z. B. Mindestmengen in der Koloskopie – auf die Person abgestellt sind. All dies muss neu geregelt werden. Dafür Abg. Eike Hovermann (SPD): Meine Frage scheint uns ein halbes Jahr notwendig zu sein. richtet sich an die KBV, die Spitzenverbände der Krankenkassen und die DKG. Es wurden Bedenken geäußert, dass die Umsetzung zum SV Georg Baum (DKG): Das Gesetz hat aus 1. Januar 2007 schwierig sein könnte. Wäre Sicht der Krankenhäuser eine stark positive eine Lösung bei späterer Umsetzung eher er- Strukturoption: Krankenhausärzte können in reichbar? Unter dem Aspekt des von Herrn MVZ und niedergelassene Ärzte in Kranken- Baum z. B. zur Umlenkung von Geldströmen häusern arbeiten. Mit Blick auf diese große oder der 13-Stunden-Regelung Gesagten bitte Strukturveränderung käme es auf drei Monate ich Sie, an einem Beispiel zu erlä utern, was früher oder später nicht an. In Bezug auf die eine allzu frühe Umsetzung zum 1. Januar Frage betreffend das Belegarztwesen und die 2007 an Problemen mit sich brächte. Geldströme bedürfte es der entsprechenden gesetzlichen Änderungen, die mit dem GKV- Wettbewerbsstärkungsgesetz kommen sollten. SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Wir begrü- ßen ausdrücklich und fordern sogar, dass das Gesetz zum 1. Januar 2007 beschlossen wird. Abg. Peter Friedrich (SPD): Meine Frage Es sollte aber erst zum 1. Juli 2006 in Kraft richtet sich an die KBV und die KZBV. Nach treten. Wir können es auch begründen. Dieses § 19a im Gesetzentwurf gibt es eine halbe Zu- Gesetz ändert noch keine untergesetzliche lassung, d. h. ein Arzt kann zwei Zulassungen Norm in der ambulanten vertragsärztlichen mit unterschiedlichen Vertragsarztsitzen ein- Versorgung. Wir müssen die Bundesmantel- nehmen – auch in verschiedenen KVen. Da- verträge, die Qualitätssicherungsvereinbarung, durch wäre er auch Mitglied in zwei KVen. unseren einheitlichen Bewertungsmaßstab, die Halten Sie es für sinnvoll und notwendig, dass Wirtschaftlichkeitsprüfung und die Richtlinien der Arzt in der Folge in zwei Ärzteregistern über den Datenträgeraustausch ändern. Wir eingetragen wäre und der dazu erforderliche brauchen ein vereinfachtes Verwaltungsverfah- Datenaustausch stattfindet? ren für die Vergütung und Abrechnung derje- nigen Ärzte, die in mehreren KVen tätig sind.

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SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Es wird not- wendig, in zwei Arztregistern eingetragen zu Abg. Eike Hovermann (SPD): Ich richte me i- sein. Die Möglichkeiten des Datenaustauschs ne Frage an die KBV, die Spitzenverbände der zwischen den Kassenärztlichen Vereinigungen Krankenkassen und den Bundesverband der sind aufgrund der Vorlage gegeben. Man sollte Vertragspsychotherapeuten. Der Gesetzent- diese Vorschrift bitte streichen. wurf sieht die Möglichkeit einer halben ver- tragsärztlichen Zulassung vor. Wie beurteilen Sie dies im Hinblick auf die mögliche Folge SV Dr. Jürgen Fedderwitz (KZBV): Aus einer Ausweitung im Zusammenhang mit psy- technischen Gründen müsste man wahrschein- chotherapeutischen Leistungen, die schlie ßlich lich zwei Register führen. Selbst dann wird nicht kontingentiert sind, in Bezug auf das man damit aber nichts Zielführendes erreichen, Facharztbudget? weil die Hauptkriterien unbeachtet bleiben. Es wird nach wie vor möglich sein, dass der dort Teilzeit beschäftigte Arzt für eine Zweigpraxis, SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Das wird in einer Berufsausübungsgemeinschaft arbeitet. Probleme für den fachärztlichen Vergütungs- Damit wird es möglich sein, dass Umgehungs- anteil der ambulanten vertragsärztlichen Ver- tatbestände zur Erlangung eines besseren Bud- sorgung bedeuten. Wir müssen erwarten, dass getanteils, eines anderen Honorarverteilungs- mit dem hälftigen Versorgungsauftrag ein grö- maßstabs u. ä. ausgenutzt werden. Auch mit ßeres Angebot psychotherapeutischer Leistun- einem noch so filigranen Datenträgeraustausch gen existieren wird. Hierzu werden wir sicher- ist es nicht möglich, dass die einzelne KZV in lich geeignete Steuerungsmaßnahmen ergrei- allen Bereichen auch hinsichtlich solcher In- fen müssen. Insgesamt sehen wir aus Gleic h- strumente wie der Wirtschaftlichkeitsprüfung förmigkeitsgründen keine Möglichkeit, die des Problems Herr werden könnte. Systematik der hälftigen Verträge für die psy- chologischen und ärztlichen Psychotherapeu- ten zu verlassen. Man muss dabei auch beden- Abg. Christian Kleiminger (SPD): Meine ken, dass die Stundenansammlung, die ein Frage richtet sich an den Hartmannbund sowie ärztlicher oder psychologischer Psychothera- den NAV-Virchow Bund. Trägt die Regelung peut erbringt, jetzt schon in der Tendenz dem über die Ermöglichung von Teilzula ssung, die hälftigen Versorgungsauftrag entspricht. zukünftig die Halbierung eines vollen Versor- gungsauftrages zulässt, den beruflichen Gestal- tungswünschen der freiberuflich tätigen Ärzte SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- hinreichend Rechnung? Bundesverband): Es könnte sein, dass es hier zu Mengenausweitungen kommt. Da müssen wir Lösungen schaffen. Ich sehe aber auch SV Carsten Fre ge (Hartmannbund – Verband keine Möglichkeit, den Psychotherapeuten die der Ärzte Deutschlands): Insbesondere die Möglichkeit der hälftigen Zulassung zu ver- Regelungen zur überörtlichen Teilgemein- weigern. schaftspraxis werden vom Hartmannbund be- grüßt. Wir tragen die Ausführungen der KBV voll umfänglich mit. Wir sehen insbesondere Der stellvertretende Vorsitzende, Abg. Dr. vor dem Hintergrund der Ausübung der Freibe- Hans Georg Faust (CDU/CSU), übernimmt ruflichkeit Möglichkeiten, hier Attraktivität für den Vo rsitz. junge niederlassungswillige Vertragsärzte zu schaffen. Allein diese Maßnahmen werden jedoch nicht ausreichen. Dies hat insbesondere SVe Dr. Birgit Clever (Bundesverband der die Arbeitsgemeinschaft der Kassenärztlichen Vertragspsychotherapeuten (bvvp)): Wir sehen Vereinigungen der neuen Bundesländer schon die Frage der hälftigen Zulassungsmöglichke i- hinreichend begründet. ten im psychotherapeutischen Bereich vor allen Dingen unter dem Aspekt, ob die Versor- gung damit verbessert werden kann oder nicht. SV Klaus Greppmeir (NAV-Virchow Bund): In der Psychotherapie bildet die jetzige Be- Wir haben dem Hartmannbund inhaltlich darfsplanung nicht unbedingt die Versorgungs- nichts hinzuzufügen. erfordernisse ab. Ich verweise auf das allge- mein bekannte Phänomen umfangreicher Ver-

11 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 sorgungsengpässe, die wir gerade im Bereich warne aber davor, Nichtzahler nicht zu verfol- der Kinder- und Jugend-Psychotherapie haben. gen: Das Beispiel würde die Runde machen. Diese sind auch durch hälftige Versorgungssit- ze nicht behebbar. Für die halben Versor- gungssitze gelten die Argumente von Herrn SV Dr. Jürgen Fedderwitz (KZBV): Die Helming in Bezug auf die Altersgrenze analog. Praxisgebühr ist eigentlich keine Praxis-, son- Gerade in den neuen Bundesländern gibt es dern eine Krankenkassengebühr. Damit ist eine große Unterversorgung mit Psychothera- klar, wer das Hauptinteresse daran haben soll- pie. Die beheben wir nicht dadurch, dass wir te, dass die Zahlungen eingehen. Ich stimme hälftige Versorgungssitze schaffen. Das ist meinem Vorredner ausdrücklich zu: Es muss nicht das Problem. Das Problem ist, dass es eine Art Steuerungselement und Druck geben, keine Psychotherapeuten gibt, die dort tätig sonst schreibt die Bild-Zeitung auf Seite 1: „So werden. Es gibt sehr viele offene Sitze, und können Sie Geld sparen: Wenn sie nicht zah- niemand geht dort hin. Wir wollen auch auf die len, sind Sie gerichtlich auch nicht zu bela n- enormen juristischen Probleme verweisen, die gen.“ Es gibt bisher eine unterschiedliche Re- die Definition der halben Tätigkeit nach sich gelung bei Ärzte- und Zahnärzteschaft. Das zieht. Das hängt mit der Frage zusammen, wie Schiedsamt hat für die vertragszahnärztliche viel Versorgung geleistet wird und an welchen Versorgung einen anderen Weg vorgegeben als Kriterien man das festmachen soll. Wir würden den, der in der ambulanten ärztlichen Versor- davon abraten und dies allenfalls als freiwillige gung geregelt ist. Die Zahnärzte und Kassen- Möglichkeit verankert wissen wollen. zahnärztlichen Vereinigungen sind nicht in der Pflicht, das Geld vorzustrecken. Vielmehr geht hier die Verantwortung direkt auf die Kran- Abg. Christian Kleiminger (SPD): Meine kenkassen über, die entscheiden können, ob sie Frage richtet sich an die KBV, die KZBV und den einzelnen Säumigen „verfolgen“ oder die Spitzenverbände der Krankenkassen. Das nicht. Das ist nach unserer Auffassung der Gesetz sieht vor, dass Versicherte bei Streitig- richtige Weg. keiten um die Praxisgebühr unter bestimmten Voraussetzungen Kosten zu tragen haben. Hal- ten Sie eine solche Regelung mit Blick auf die SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- Nichtzahlerquote für erforderlich? Rechnen Sie Bundesverband): Im Gesetzentwurf ist in Be- damit, dass viele Streitigkeiten um die Praxis- zug auf die Versicherten von „missbräuchlich“ gebühr vor Gericht enden? Oder ist die Hoff- die Rede. Für Juristen ist dies eine sehr scharfe nung berechtigt, dass sich solche Streitigkeiten Vorschrift. Dies könnte wirken. Da die Miss- durch den nunmehr vorgelagerten Verwal- bräuchlichkeit aber nur in Einzelfällen nach- tungsakt vorher erledigen? zuweisen sein wird, stellt sich die Frage, ob das gewünschte Ziel mit dieser Formulierung erreicht wird. SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Wir begrü- ßen die Regelung. Es ist wie mit der Ge- Ich möchte in diesem Zusammenhang die Fra- schwindigkeitsbegrenzung: Wenn Sie die ge der Sozialgerichtsgebühren von 150 Euro Schilder abschaffen, würden viel mehr Leute ansprechen, die jeder bezahlen muss und die schneller fahren. Wir haben hier eines der er- auch bei einem gewonnenen Prozess nicht folgreichsten Modelle von Zuzahlungen. Im zurückgezahlt wird. Es wäre hilfreich, wenn ambulanten Bereich haben wir mit 99,86 % der Gesetzgeber festlegen würde, dass diese Zahlungsbereitschaft ein Erfolgsmodell von Sozialgerichtsgebühr bei Streitigkeiten in Sa- Zuzahlungen, wie Sie es nach meinem Wissen chen der Praxisgebühr nicht erhoben wird. in anderen Leistungsbereichen der GKV nicht Die s wäre zur Durchsetzung der Ansprüche auf kennen. Das ist auch der konsequenten Verfol- die Praxisgebühr gegenüber säumigen Zahlern gung mittels Mahnungen der Nichtzahler ge- weitaus hilfreicher als die Anwendung des schuldet. Wir müssen das schlechte Beispiel Missbrauchs. verhindern. In Anbetracht dieser Zahlungsbe- reitschaft und der Möglichkeiten über Mahn- verfahren sowie das weitergehende Verfahren Abg. Peter Friedrich (SPD): Ich haben eine rechnen wir nicht damit, dass allzu viele Ge- Frage an die KZBV. Mich interessiert, wie ic h richtsverfahren vor den Richtern landen. Ich mir in der Praxis die angesprochene Ungleic h- behandlung von angestellten Ärzten, d. h. den

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Unterschied zwischen den für MVZ geltenden sorgung teilstationäre und stationäre Fälle zu Regelungen, und den Vertragsärzten vorzustel- behandeln und so die Balance zu wahren. len habe, insbesondere auch hinsichtlich der Degressionsregelungen. Was bewirkt diese Ungleichbehandlung unter Umständen in der SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- Frage, welche Erlöse oder Umsätze zu tätigen Bundesverband): Wir sehen zurzeit keine Ver- sind bzw. welche Grenzen dies findet? sorgungslücke, prüfen den Vorschlag der KBV jedoch noch einmal: Bei der Vorbereitung auf diese Sitzung habe ich mir den Vorschlag der SV Dr. Jürgen Fedderwitz (KZBV): Ich kann KBV nicht in der notwendigen Intensität Ihnen keine Umsatzzahlen nennen: Die Um- durchgelesen. sätze hängen von den Praxisstrukturen ab und davon, in welchem zeitlichen Umfang der an- gestellte Zahnarzt in einem MVZ bzw. in einer SV Prof. Dr. Christoph Fuchs (Bundesärzte- freiberuflich tätigen Praxis arbeitet. Man kann kammer (BÄK)): Die Bundesärztekammer allerdings sagen, dass der Gesetzgeber hier schließ sich den Ausführungen von Herrn Dr. bewusst eine Bremse angelegt hat. Man wollte Köhler an. keine Leistungsausweitung. Auf diese Weise ist die Degression eine Abstrafung derer, die über die bewilligten Leistungsmengen hinaus- Abg. Peter Friedrich (SPD): Meine Frage gehen. Wenn ich in einem zulassungsgesperr- richtet sich an die KBV, die Spitzenverbände ten Bezirk mit einem angestellten Zahnarzt der Krankenkassen und den Bundesverband arbeite, kommt es durch seine Tätigkeit und Managed Care e.V. Halten Sie das Verbot von die Patienten, die in dieser Praxis behandelt Berufsausübungsgemeinschaften zwischen werden, zu einer Leistungsausweitung. Wenn einem Angehörigen eines therapieorientierten diese Leistungsausweitung hinsichtlich der Fachgebietes, also z. B. eines Gynäkologen, Degression und der Budgetsituation nun anders und einem Angehörigen eines Methodenfa- bewertet wird als bei der vergleichbaren Situa- ches, z. B. eines Laborarztes, für ausreichend, tion eines angestellten Zahnarztes in einem um berufsrechtswidrige Konstellationen auszu- MZV, indem im MZV der durch die Leis- schließen, d. h. „Kick-backs“, bei denen bestel- tungsausweitung gegebene wirtschaftliche lender und Empfängerarzt zusammenarbeiten? Vorteil weitergereicht wird, besteht hier ekla- tant ein Bedarf zur Gleichstellung. SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Das Verbot besteht für Teilberufsausübungsgemeinschaf- Abg. Christian Kleiminger (SPD): Meine ten und ist ausreichend. Es ist sinnvoll und Frage geht an die KBV, die Spitzenverbände notwendig, weil über eine Teil- der Krankenkassen und die BÄK. Die Leis- berufsausübungsgemeinschaftspraxis mögli- tungserbringer bitte ich um Erläuterung, wa- cherweise vorhandene „Kick-back“-Verfahren rum Sie die in Ihrer schriftlichen Stellungnah- über die Gewinn- und Verlustrechnung legali- me geforderten, ergänzenden Regelungen zu siert werden könnten. Für die Bundesmantel- Praxiskliniken für notwendig halten. Anschlie- vertragspartner brauchen wir aber in diesem ßend interessiert mich, wie die GKV dazu Gesetz eine Legitimation, weitergehende Re- steht. gelungen über Kombinationen von speziellen Leistungen zu treffen, die unter Berücksichti- gung der Versorgungsbedürfnisse der Patienten SV Dr. Andre as Köhler (KBV): Folgt man solche Teilberufsausübungsgemeinschaften der für das deutsche Gesundheitswesen ausge- möglich machen. Diese Legitimation, entspre- gebenen Wettbewerbsordnung, braucht man chende untergesetzliche Regelungen zu treffen, zum Ausgleich der Wettbewerbssituation zw i- haben wir auch in unserer Stellungnahme ein- schen Krankenhäusern, Vertragsärzten und gefordert. Wenn wir diese Regelungen nicht MVZ das Institut der Praxisklinik. Neben der treffen, könnten die Teilberufsausübungsge- Möglichkeit, dass Vertragsärzte im Kranken- meinschaften auch zur missbräuchlichen An- haus arbeiten und Krankenhäuser ambulante wendung motivieren. Leistungen erbringen können, hätten wir damit auch die Möglichkeit , in der ambulanten Ver-

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SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- lich bejahen, so dass die Frage übrig bleibt, ob Bundesverband): Auch die Spitzenverbände aus Gründen des Selbstzwecks des Wettbe- sprechen sich nachdrücklich für eine derartige werbs zusätzliche Kapazitäten zugelassen wer- Legitimation der Bundesmantelvertragspartner den. Zum Beispie l sieht das Gesundheitsre- aus, damit wir schnelle Anpassungsmöglic h- formgesetz vor, dass Hebammen ambulante keiten an Entwicklungen in der Praxis haben Entbindungen neben Krankenhäusern auch in und mit rechtmäßigen Mitteln entsprechende ähnlichen Strukturen vornehmen können. untergesetzliche Regelungen treffen können. Die Frage der Praxisklinik würde ich auch so beantworten. Dann gebt den Krankenhäusern SV Dr. Peter Wigge (Bundesverband Mana- ähnliche Instrumente, z. B. deutlich erweiterte ged Care (BMC)): Wir begrüßen diese Rege- Möglichkeiten für teilstationäre Behandlungen, lung ausdrücklich. Die Problematik der nicht um zu ähnlichen Strukturen zu kommen, wie indizierten Mengenausweitung besteht im hier vorgesehen ist. In einem Nebeneinander Rahmen von MVZ und Gemeinschaftspraxen von gleichlangen Spießen kann sich dann si- auch bei der fachgebietsfremden Anstellung cherlich auch so etwas wie Wettbewerb entwi- von Ärzten. Wir haben auch eine Mengenaus- ckeln. weitung in den Bereichen, die nicht unter die überweisungsabhängigen Fachgebiete nach Bundesmantelvertrag fallen, z. B. der hochspe- SV Thomas Bublitz (Bundesverband Deut- zialisierte Leistungen erbringende Kardiologe, scher Privatkliniken (BDPK)): In Ergänzung der mit einem Überweiser eine entsprechende zu den Ausführungen von Herrn Baum möch- Teilgemeinschaftspraxis gründet, die nach der ten wir die gleiche Frage stellen: Wo liegt der derzeitigen Regelung nicht verboten wäre. Er Vorteil für die Versorgung, wenn wir lediglich unterliegt genau den Problemen, die wir beim im ambulanten Setting versuchen, eine zusätz- Radiologen und Orthopäden oder Kardiologen liche stationäre Adaption zu schaffen? Das und Radiologen haben. Insofern ist die Rege- bringt, glaube ich, in erster Linie nicht einen lung richtig, weil die Mengenausweitungen unbedingten Vorrang oder Vorteil für die Ver- anders als im privatärztlichen Bereich zu Las- sorgungsqualität. Wir haben heute schon gute ten der Solidargemeinschaft gehen, aber sie ist Möglichkeiten im Bereich der Kooperation nicht konsistent und greift zu kurz. Besser von ambulant tätigen Vertragsärzten mit Kran- wären Regelungen, wie wir sie in § 135 in kenhäusern –Stichwort: belegärztliche Versor- Bezug auf die Kernleistungen haben, die im gung– wo wir genau diesen Effekt, der eigent- Rahmen des GMG eingeführt worden sind. lich erreicht werden soll, bereits abbilden kön- Man könnte die Frage des Überweisungsvor- nen. Ich glaube, wir wären gut beraten, zu- behaltes stärker auch auf andere Fachgruppen nächst einmal dieses Reglementarium den fokussieren, insbesondere bei Teilleistungen. Notwendigkeiten, die sich aktuell stellen, an- zupassen.

Abg. Eike Hovermann (SPD): In Bezug auf die geforderten ergänzenden Regelungen zu Abg. Eike Hovermann (SPD): Herr Dr. Köh- Praxiskliniken interessiert mich, mit welchem ler, wollen Sie zu den beiden vorherigen Aus- Inhalt und Ziel dies aus Sicht der Deutschen sagen etwas sagen? Krankenhausgesellschaft und des Bundesver- bands Deutscher Privatkliniken geschehen sollte. SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Ich kenne zwei Grundsätze, der erste ist: ambulant vor stationär. Der zweite Grundsatz ist, dass wir SV Georg Baum (DKG): Grundsätzlich kann Wettbewerb wollen und ein Wettbewerbsport- man sicherlich diskutieren, ob es neben den folio benötigen. Es gibt Leistungen, die sie mit bestehenden stationären Strukturen andere einer Übernachtung durchaus in der ambula n- stationäre Strukturen gibt. Man sollte sich aber ten Versorgung erbringen können. Beispie lhaft die Frage stellen: Können die bestehenden sind die Kataraktoperation und andere Berei- stationären Strukturen den gegenwärtigen sta- che der Ophthalmochirurgie. Warum sollen tionären Behandlungsbedarf auffangen? Das nicht in gemeinsamer Berufsausübung tätige würde ich bei einer 75 %igen Kapazitätsausla s- niedergelassene Vertragsärzte das Institut der tung der deutschen Krankenhäuser grundsätz- Praxisklinik nutzen können? Wir hätten mögli-

14 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 cherweise auch aus Wirtschaftlichkeitsaspek- Abg. Heinz Lanfermann (FDP): Ich darf bei ten Möglichkeiten, Effizienzreserven zu heben. dem Punkt bleiben und eine Frage an Herrn Ich darf vie lleicht daran erinnern, dass die Prof. Pestalozza stellen. Ich darf dazu sagen, Regierung bereits im Jahre 1997 im Kranken- Sie sind Verfasser eines Gutachtens im Auftrag hausneuordnungsgesetz dieses zunächst vorge- der bayerischen Landesärztekammer, in dem sehen und dann aber wieder verworfen hat. Sie auch für den Vorrang des Berufsrechts Offensichtlich hatte man damals das sin nvolle gegenüber dem Vertragsarztrecht eingetreten Instrument der vorgeschalteten Praxisklinik für sind. Zunächst die Frage auch an Sie: Wie notwendig erachtet. schätzen Sie die Gegenäußerung der Bundes- regierung zu den Vorschlägen des Bundesrates ein? Noch einmal speziell auf das zuletzt An- Abg. Daniel Bahr (Münster) (FDP): Ich gesprochene: Was halten Sie von der in der möchte beginnen mit dem Komplex „Berufs- Gegenäußerung anklingenden Auffassung, recht versus SGB V“. Ich möchte meine erste dass der Sozialgesetzgeber gleichsam auf Vor- Frage an die Bundesärztekammer richten: In rat, wie es hieß, Berufsausübungsfigurationen seiner Stellungnahme hat der Bundesrat darge- für das Vertragsarztrecht schaffen könne, und stellt, dass er für die Bereiche „Anstellung von zwar auch, wenn entsprechende Berufsrechts- Angestellten-Ärzte“, „Ausübung vertragsärzt- verbote oder -erlaubnisse bestehen oder nicht licher Tätigkeit an weiteren Orten“ und für den daran gedacht ist, entsprechende Erlaubnisse Bereich „überörtliche Gemeinschaftspraxen“ zu schaffen? jeweils den Vorrang des Berufsrechts durch eine entsprechende Einfügung des Vorbehalts landesrechtlicher Vorschriften klarstellen SV Prof. Dr. Christian Pestalozza: Inhaltlich möchte. Die Bundesregierung hat dem in ihrer stimme ich mit der Stellungnahme des Bundes- Gegenäußerung widersprochen. Wie sieht die rates völlig überein. Der Gesetzesentwurf Bundesärztekammer diese Frage? formt an mehreren Punkten das Landesberufs- recht um, teilweise übernimmt er es. Dabei nimmt er keine Rücksicht darauf, dass die la n- SV Prof. Dr. Christoph Fuchs (BÄK): Die desberufsrechtlichen Regelungen in der Bun- Bundesärztekammer begrüßt die Auffassung desrepublik teilweise unterschiedlich sind. des Bundesrates. Diese Auffassung klärt und Unstrittig ist der Ausgangspunkt, dass es eine unterstreicht das Verständnis der Bundesärzte- ausschließliche Landeskompetenz für das Be- kammer zum verfassungsmäßigen Verhältnis rufsausübungsrecht der Ärzte gibt. Der Arti- zwischen Berufsrecht, das durch die Heilberufe kel 74 Absatz 1 Nummer 19, der dem Bund der Länder begründet ist, und dem Sozia lrecht. konkurrierend, allerdings nur allenfalls, die Insofern halten wir es auch für richtig –und das Zuständigkeit gibt, die Zulassung zu den Heil- ist vordergründig beruhigend– dass die Bun- berufen zu regeln, ist da ganz deutlich. Vor desregierung in ihrer Gegenäußerung den Vor- dieser deutlichen Aussage muss auch die Zu- rang des Berufsrechts anerkannt hat. Aber ständigkeit für die Sozialversicherung und nicht zufrieden stellend und kritisch sehen wir damit für das Vertragsarztrecht gesehen wer- in der Gegenäußerung die Meinung, dass der den. Das ist eng zu interpretieren. Sozia lbuchgesetzgeber glaubt, sozialrechtliche Berufsausübungskonfigurationen für die ver- Die Forderung des Bundesrates, dass dieser tragsärztliche Versorgung schaffen zu können, eigentlich unstrittige Vorrang des Landesbe- wenn entsprechende Ausübungsformen berufs- rufsrechts –damit ist gemeint die Ausschlie ß- rechtlich nicht erlaubt sind oder wenn sie noch lichkeit der Landesgesetzgebung– eine Art nicht existieren. Eine solche Art der –wenn ich Vorrang des Landesrechts gegenüber dem so sagen darf– Vorratsrechtssetzung tangiert Bundesrecht begründet, ist gut nachvollzie h- die Autonomie des Landesgesetzgebers und bar. Ich würde mich dem anschließen. Was die tangiert insoweit auch die Ermächtigungen der Bundesregierung in ihrer Gegenäußerung dazu Landesärztekammern auf Setzung von Berufs- zu sagen hat, hat mich überrascht. Sie sagt recht. Insofern schließt sich die Bundesärzte- erfreulicherweise, dass sie das Landesberufs- kammer der Forderung des Bundesrates nach recht nicht berühren will und dass der Entwurf Herstellung eines klaren Berufsrechtsvorbe- dies auch nicht tue. Diese zweite Aussage ist halts an. sicher falsch, weil der Entwurf in seiner jetzi- gen Fassung zum Teil ändernd, zum Teil bestä- tigend in das momentan geltende Landesbe-

15 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 rufsrecht eingreift. Die Berührungspunkte und eröffnet und das wäre nach unserer Auffassung die Änderungspunkte sind völlig klar. Wenn in einigen Jahren der Tod der freiberuflich die Bundesregierung der Auffassung ist, sie tätigen Vertragsärzte in der ambulanten Ver- wolle den Vorrang eigentlich unangetastet sorgung. Deswegen müssen wir bei allen Be- lassen, muss sie dafür Sorge tragen, dass das denken die Wettbewerbschancen für die Frei- im Gesetzestext zum Ausdruck kommt. Das beruflichkeit, die das Gesetz uns eröffnet, nut- geschieht zweckmäßigerweise an allen Punk- zen, um die freiberufliche Tätigkeit zu erhal- ten, wo diese Berührung zwischen Landesbe- ten. rufsrecht und Vertragsarztrecht aktuell wird, und das sind die Punkte, die der Bundesrat im Einzelnen genannt hat. Man könnte sich noch Die Vorsitzende, Abg. Dr. Martina Bunge vorstellen, vorsorglich, generalklausela rtig an (DIE LINKE.), übernimmt wieder den Au s- irgendeiner Stelle im Sozialgesetzbuch V einen schussvorsitz. solchen Vorbehalt zugunsten bestehenden Landesberufsrechts anzubringen, aber das muss vielleicht nicht unbedingt sein. Abg. Daniel Bahr (Münster) (FDP): Ich möchte bei Herrn Dr. Köhler bleiben. Sie ha- ben in der Öffentlichkeit zum Vertragsarzt- Abg. Dr. Konrad Schily (FDP): Meine Frage rechtsänderungsgesetz durchaus immer eine ist allgemeiner Natur und geht an Herrn Dr. Zustimmung erkennen lassen zur Liberalisie- Köhler, Kassenärztliche Bundesvereinigung: rung des Vertragsarztrechts mit seinen vielen Wie schätzen Sie die Chancen ein für freibe- Facetten, haben das aber immer von einer ver- ruflich tätige niedergelassene Ärzte im Hin- nünftigen Vergütungsstruktur abhängig ge- blick auf die Gesamtschau der Regelungen, die macht und gesagt, das müsse eigentlich in ei- seit dem Gesundheitsmodernisierungsgesetz nem Gleichklang laufen. Vor diesem Hinter- für medizinische Versorgungszentren getroffen grund möchte ich Sie fragen, wie Sie die aktu- worden sind? Wie sind sie jetzt im Hinblick elle Diskussion um ein begleitendes Gesetz, auf das geplante Vertragsarztrechtsänderungs- nämlich das GKV-Wettbewerbsstärkungs- gesetz mit den Möglichkeiten der Berufsaus- gesetz und die dortige Regelung der Vergü- übungsgemeinschaft, der Teilzulassung mit tungsstruktur beurteilen. Wir diskutieren hier parallelem Arbeitsdienst im Krankenhaus und über das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz in der Niederlassung und für eine Vielzahl von und wissen aber, was dort in den nächsten angestellten Ärzten an unterschiedlichen Orten Monaten möglicherweise auf uns zukommt. zu arbeiten? Glauben Sie dabei, dass insbeson- Sind Sie mit Ihrer Zustimmung immer noch so dere der niedergela ssene Facharzt vor diesem positiv? Szenario noch eine Zukunft hat?

SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Wir haben SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Mit dem immer gefordert, dass mit dem Vertragsarzt- GMG ist eine Phase eingeläutet worden, in der rechtsänderungsgesetz die jetzige Vergütungs- die ambulante Versorgung nicht mehr primär form der Vertragsärzte aufgehoben werden durch den freiberuflich tätigen Vertragsarzt, muss, da das Vertragsarztrechtsänderungsge- sondern auch durch angestellte Ärzte sicherge- setz an die Grenzen von Budgetregelungen, stellt wird. Der Trend –und das ist aus dem Zahlungen mittels Kopfpauschalen und Bin- GMG zu erkennen– geht dahin, dass die freibe- dung an Grundlohnsummensteigerungen sto- rufliche Tätigkeit niedergelassener Vertrags- ßen wird. Die regional unterschiedlichen Ge- ärzte ersetzt werden soll durch angestellte Ärz- samtvergütungen –insbesondere sei hier ver- te in Kooperationsstrukturen. Das Vertrags- wiesen auf die Situation der neuen Bundeslä n- arztrechtsänderungsgesetz bietet aber mit den der– werden erhebliche Probleme bei der Um- Möglichkeiten der Anstellungen auch fachge- setzung dieses Vertragsarztrechtsänderungsge- bietsfremder Assistenten und der Tätigkeit an setz bereiten. Die Zustimmung zu diesem Ge- mehreren Orten die Chance, als freiberuflich setz ist unsererseits immer in Abhängigkeit tätiger Vertragsarzt in diesem Wettbewerb der von der Aufhebung der Budgetierung erfolgt. Kooperationsstruturen mit ausschließlich ange- Die jetzt vorgesehene zeitliche Verschiebung stellten Ärzten einzusteigen. Ohne das Ver- auf frühestens 2009 wird nicht nur an die tragsarztrechtsänderungsgesetz würde die se Grenzen des Budgets stoßen, sondern es wird Wettbewerbsmöglic hkeit noch nicht einmal

16 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 sie letztendlich schon zu einem früheren Zeit- den von der Politik immer wieder als Vorteil punkt aufheben lassen müssen. angesehen. Daran hat sich nichts geändert. Es hat sich aber geändert, dass wir seit der neuen EBM-Reform, seit Anfang 2005, honorarmä- Abg. Heinz Lanfermann (FDP): Eine Frage ßig sehr unterschiedlich bewertet werden und an NAV-Virchow-Bund e.V. und Hartmann- sehr abgewertet wurden, was eigentlich mit bund: Der Gesetzentwurf sieht vor, dass Ver- diesem doch hohen integrativen Aspekt nicht tragsärzte über ihren Vertragsarztsitz hinaus an übereinstimmt. Von daher wäre es sehr wic h- weiteren Orten tätig sein können und hierzu tig, dass die Umsetzung des Vertragsarzt- auch andere Ärzte anstellen können. Halten Sie rechtsänderungsgesetzes nach einer entspre- diese Regelung für zielführend bzw. für gut chenden Aufbesserung und bundesweiten oder halten Sie Beschränkungen der Anzahl Gleichschaltung der Honorare der Belegärzte der Orte und/oder der Anzahl der angestellten erfolgt. Andernfalls wird es dazu kommen, Ärzte für erforderlich? dass das Belegarztwesen dann tatsächlich den Exodus erfährt und die Belegärzte in Hauptab- teilungen für wesentlich mehr Geld arbeiten. SV Klaus Greppmeir (NAV-Virchow-Bund): Wir sehen in der Zahl von angestellten Ärzten eine Möglichkeit für eine wirkungsvolle Ver- SV Dr. Wulf-Dietrich Leber (AOK- besserung in der ambulanten Versorgung. Wie Bundesverband): Wir rechnen in der Tat mit Herr Dr. Köhler vorhin ausgeführt hat, sind wir erheblichen Auswirkungen auf das Belegarzt- davon überzeugt, dass weitere Korrekturen der wesen. Ein Großteil der Leistungen, die bisher Rahmenbedingungen notwendig sind und die belegärztlich abgerechnet werden, werden liberalisierten Berufsausübungsformen weitere künftig als Hauptabteilungsleistung abgerech- strukturelle und finanzielle Reformen erfor- net werden. Der bisherige Belegarzt wird dann dern. in einer Art privatrechtlichem Verhältnis mit dem Krankenhaus kooperieren. Für den Patie n- ten bedeutet das zwar keine Verschlechterung, SV Carsten Frege (Hartmannbund – Verband allerdings entstehen aber in erheblichem Maße der Ärzte Deutschlands): Der Hartmannbund finanzielle Auswirkungen, weil die Abrech- begrüßt die Möglichkeit der überörtlichen Be- nung der entsprechenden Diseases als Haupt- rufsausübung in verschiedenen Praxisformen. abteilungsdisease ungefähre Mehrkosten in Die notwendigen Regelungen zum Eintrag in Höhe von 400 bis 500 Mio. Euro bedeuten die Arztregister einschließlich des Datenaus- würden. Dieses erfordert eine Refinanzierung tauschs sind hier bereits ausreichend geschil- aus den Budgets der Kassenärztlichen Verein i- dert worden. Das ist für uns das wichtigste gungen, aus denen bisher die belegärztlichen Augenmerk. Ansonsten wird die Regelung von Leistungen vergütet wurden. Hier scheint uns uns grundsätzlich unterstützt. Nachbearbeitungsbedarf in einem der nächsten Gesetze zu sein, wenn dann dieser Shift in größerem Umfang stattfindet. Abg. Dr. Konrad Schily (FDP): Ich habe eine Frage an den Verband Deutscher Belegärzte, an die Spitzenverbände der Krankenkassen und SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Belegärztli- an die Kassenärztliche Bundesvereinigung: Die che Versorgung ist die Versorgungsform, bei belegärztliche Tätigkeit galt bisher als optima- der der Arzt mit dem Patienten alle Versor- le Verzahnung von ambulanter und stationärer gungsebenen durchläuft und damit haben sie Versorgung. Wird das nach wie vor so gesehen eine optimale Verzahnung. Deswegen ist ei- und wenn ja, welche Maßnahmen wären not- gentlich nach § 115 SGB V die belegärztliche wendig, um die Existenz dieser Versorgungs- Versorgung zu fördern. Das ist bisher aber form auch weiterhin zu gewährleisten? nicht erfolgt. Resultat der EBM-Reform –es wurde vom Vorredner angesprochen– ist eine nicht kostendeckende Vergütung der Belegärz- SV Dr. Ryszard van Rhee (Bundesverband te. Wir sehen aus diesen Zwängen heraus –und Deutscher Belegärzte): Die Verzahnung, das weil wir diese Form der Versorgung fördern integrative Arbeiten und das intersektorielle wollen– nur die im Rahmen des Vertragsarzt- Arbeiten, was die Belegärzte seit jeher ablie- rechtsänderungsgesetzes gegebene Options- fern, sind weiterhin sehr interessant und wer- möglichkeit , über Hauptabteilungen eine adä-

17 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 quate Vergütung der belegarzttätigen Ärzte zu –das, was jetzt vor dem Verlängerungsfeld erreichen. Wir werden aber weiter mit den liegt– jetzt zu machen. Je mehr und länger man Spitzenverbänden der Krankenkassen darüber das nach hinten zieht, um so intransparenter beraten, wie eine angemessene Vergütung werden die Vorgänge. Man muss sich vorstel- dieser für die Versorgung der Patienten sinn- len, dass über 250 Krankenkassen individuelle vollen Versorgungsform erreicht werden kann. Abrechnungen auf verschiedenen Ebenen regi- Nachdem wir die Förderung des Belegarztwe- onal, bundesweit usw. machen müssen. Eine sens gemäß § 115 SGB V nicht erreicht haben, Verlängerung würde die Abrechnung gänzlich ist der Trend, der sich mit dem Vertragsarzt- unübersichtlich machen. rechtsänderungsgesetz anlässt, für das Gesamt- system mehr Finanzmittel zu entlocken als eine Wir sehen auch Zusammenhänge zu der Dis- adäquate Vergütung der Belegärzte es erfor- kussion im Krankenhausbereich mit den derte. 1 %igen Kürzungen und bitten, die Geldein- sammelregelung, nach der Krankenhäuser wie niedergela ssene Ärzte 1 % bringen müssen, zu Abg. Daniel Bahr (Münster)(FDP): Wir hatten überdenken. Das führt dazu, dass von dem heute Vormittag im Ausschuss einige Ände- größeren Volumen der Krankenhäuser mit 440 rungsanträge zum Vertragsarztrechtsände- bis 500 Mio. Euro viel mehr Geld für Integra- rungsgesetz. Einige werden wir erfreulicher- tionsverträge eingezogen wird und letztlich weise noch zum Thema einer Extra-Anhörung wenig mehr als die Hälfte bei Krankenhäusern „Entschuldung“ machen. ankommt. Weil die Inanspruchnahme von Geldmitteln im niedergela ssenen Bereich viel Aber zu einem Änderungsantrag möchte ich höher ist als im Krankenhaus, sollte mit der hier eine Frage stellen. Das ist der Änderungs- Verlängerungsregelung eine Neuregelung ver- antrag zur integrierten Versorgung, deren An- bunden werden, nach der die Krankenhäuser schubfinanzierung nicht nur bis Ende 2007, 0,5 % und die Niedergelassenen 1 % Budget- sondern bis Ende 2008 verlängert werden soll, abzug bekommen, damit jeder das gleiche wobei nicht verbrauchte Mittel erst drei Jahre Geld in den Topf geben würde. nach Einbehaltung zurückgezahlt werden müs- sen. Damit könnte der Eindruck entstehen, dass den Krankenkassen eventuell ein zinsloser Abg. Dr. Konrad Schily (FDP): Meine Frage Kredit zur Verfügung gestellt wird. Deswegen geht an die Bundespsychotherapeutenkammer: möchte ich die Kassenärztliche Bundesverein i- Wie sehen die Vorschläge aus, um die Unter- gung und Deutsche Krankenhausgesellschaft versorgung im Bereich der Kinder- und Ju- fragen, wie Sie zu diesem Änderungsantrag gendpsychiatrie zu beseitigen und welche stehen. Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang notwendig, um zu verhindern, dass die daraus resultierenden Mehrausgaben durch die ande- SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Grundsätz- ren Fachärzte refinanziert werden müssen? lich begrüßen wir die Verlängerung der An- schubfinanzierung, nachdem die notwendigen Begleitregelungen für die Vergütungen im SV Peter Lehndorfer (Bundespsychothera- ambulanten Bereich nicht zeitgleich erfolgen peutenkammer (BPtK)): Teilzulassungen sind können. Wir fordern aber in diesem Bereich ein Schritt in die richtige Richtung. Die Mög- eine erheblich bessere Transparenz, da die lichkeit zur Flexibilisierung der Arbeitszeit Vergütung unter anderem auch aus Abzügen von zugelassenen Ärzten und Psychotherapeu- aus den Gesamtvergütungen der Kassenärztli- ten ist gerade für Frauen notwendig, um Fami- chen Vereinigungen erfolgt. Diese Transparenz lienzeiten und Beruf mehr als bisher in Ein- ist nicht gegeben. Im Hinblick auf die Drei- klang zu bringen. Zwei Drittel der Psychothe- Jahres-Rechnung ist es richtig, dass wir einen rapeuten sind Frauen. Bei Kinder- und Jugend- zinslosen Kredit geben müssen, was wir able h- Psychotherapeuten sind es sogar 75 %. Damit nen. Teilzulassungen für diese Kolleginnen attraktiv werden, ist es notwendig, Widereinstiegsmög- lichkeiten in eine Praxis zu schaffen, z. B. nach SV Georg Baum (DKG): Auch für die Kran- der Familie nzeit. Deshalb halten wir es für kenhäuser müssen wir dezidiert fordern, die sinnvoll, dass halbe Sitze im Rahmen des Abrechnung über den vergangenen Zeitraum § 103 Absatz 4 SGB V abgegeben werden

18 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 können. Beim Widereinstieg könnte man sich stärkungsgesetzes und des Vertragsarztrechts- dann um einen halben Sitz bewerben. änderungsgesetzes unterzugehen.

Die Unterversorgung von psychotherapeuti- Ein Ausblick auf das Wettbewerbsstärkungs- schen Angeboten für Kinder und Jugendliche gesetz zeigt, wir haben noch nie einen so tiefen wird diese Regelung aber nicht ausreichend Eingriff staatlicher Institutionen auf die Ver- beseitigen. Hier sind einerseits qualitative sorgung bekommen. Ich meine, vieles, was Maßnahmen in Bezug auf das Zusammenspiel jetzt vielleicht ein bisschen mit Flexibilisie- von pädiatrischer, psychotherapeutischer Ver- rung und Liberalisierung zu tun hat und auch sorgung im ambulanten und stationären Sektor in die ric htige Richtung gehen mag, wird mit von Nöten. Hierzu bieten Verträge der integ- manchen Regelungen im Wettbewerbsstär- rierten Versorgung neue Möglichkeiten. Ande- kungsgesetz nicht nur unterlaufen, sondern rerseits gibt es Bedarf an gesetzlichen Rege- gerade konterkariert. lungen, um die Versorgung quantitativ an den Bedarf anzupassen. Hierzu schlägt die Bun- despsychotherapeutenkammer vor, in § 101 Abg. Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.): Ich SGB V eine Mindestquote von 20 % der Be- habe zwei Fragen an die Bundesvereinigung handler aufzunehmen, die ausschließlich Kin- der Kassenärztlichen Vereinigungen in den der und Jugendliche psychotherapeutisch be- neuen Bundesländern, an die Bundesärzte- handeln. Etwa 20 % der Bevölkerung sind kammer und an den AOK-Bundesverband. Kinder und Jugendliche, die Prävalenz psychi- Vorhin wurde darauf hingewiesen, dass einige scher Erkrankung ist ähnlich wie bei Erwach- der Regelungen, die eigentlich zur Bekämp- senen. Dies könnte dazu beitragen, die psycho- fung der Unterversorgung mit Ärzten in ein i- therapeutische Versorgung von Kindern und gen Gebieten gedacht sind, dazu führen könn- Jugendlichen in Deutschland deutlich zu ver- ten, dass sich die Ärzte doch wieder in über- bessern. Die Finanzierung dieser Maßnahme versorgten Gebieten niederlassen. Es wurde sollte über eine Bundesempfehlung geregelt dann der Vorschlag gemacht, eventuell Hono- werden. rarabschläge für ÄrztInnen in ausreichend oder überversorgten Gebieten vorzunehmen. Meine Frage: In welcher Höhe müssten diese Hono- Abg. Daniel Bahr (Münster)(FDP): Ich hätte rarabschläge gestaltet sein oder erfolgen, damit eine Frage an die KZBV nach dem Zusam- sie wirklich eine steuernde Wirkung haben? menhang des drohenden Wettbewerbsstär- kungs gesetzes mit dem Vertragsarztrechtsän- Was halten Sie von einer bevorzugten Zula s- derungsgesetz: Nach dem, was wir sehen, ist sung von ÄrztInnen, die ihre Allgemeinarzt- im Wettbewerbsstärkungsgesetz eine Abschaf- weiterbildung in unterversorgten Gebieten fung der Bedarfsplanung im zahnärztlichen absolviert haben und dort mindestens fünf Bereich geplant: Wie beurteilen Sie diese Re- Jahre tätig waren? gelung, die vor uns steht, im Zusammenhang mit den Regelungen des Vertragsarztrechtsän- derungsgesetzes? SVe Regina Feldmann (AG der Kassenärztli- chen Vereinigungen der neuen Bundesländer): Die Problematik der jetzt vorgesehenen Rege- SV Dr. Jürgen Fedderwitz (KZBV): Es wäre lungen besteht darin, dass sie nur Änderungen schön, wenn die verschiedenen Rädchen inein- in der Organisation der Versorgung mit sich ander greifen könnten und zumindest Regelun- bringen, aber an den Rahmenbedingungen gen, deren Inhalte in verschiedenen Gesetzen insgesamt in den neuen Bundesländern nichts abgearbeitet werden, auch aufeinander abge- ändern. Die Frage nach Abschlägen oder nach stimmt werden könnten. Insofern ist es immer der Höhe von Abschlägen kann ich Ihnen be- schlecht, wenn ein Gesetz zu einem früheren antworten. Thüringen hat 26 Unterbereiche. Zeitpunkt seine Gültigkeit bekommt und ein Wir haben sie kleiner gegliedert. Von diesen anderes noch auf sich warten lässt. Ich möchte 26 Unterbereichen sind 15 hausärztlich dro- es an Beispielen klar machen. Wir haben in der hend unterversorgt. Das bedeutet, dass auch in Zahnärzteschaft eine relativ wohnortnahe den anderen Bereichen, weil die Bereiche sehr hauszahnärztliche Versorgungsstruktur. Diese klein sind, von den dort tätigen Ärzten Patie n- hauszahnärztliche Versorgungsstruktur droht ten aus diesen Bereichen mit übernommen mit den ganzen Regelungen des Wettbewerbs- werden, und es ist einfach nicht zu vermitteln,

19 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 dass ich diesen Kollegen Abschläge für ihre Unser erster Vorschlag: Bitte für alle nicht voll rettende Tätigkeit für die Versorgung auferle- versorgten Gebiete. Wir reden über eine Ver- ge. Bei einer Unterfinanzierung von jetzt noch sorgung zwischen 100 % und 110 %, in denen zwischen 20 und 30 % für die gesamte medizi- die Mechanismen und Instrumente auch ange- nische Versorgung in den neuen Bundeslä n- wendet werden sollen. Bei Hausärzten würden dern reden wir überhaupt nicht von der Mög- ungefähr 39 % der Planungsbezirke hierunter lichkeit von Abschlägen, sondern ich sage fallen. Ihnen ganz einfach ein Beispiel aus der alten DDR. Da gab es auch Unterversorgung auf Die zweite Maßnahme haben Sie angespro- dem Land. Daraufhin wurde vom Gesetzgeber chen. Es war unser Vorschlag, nicht nur sinn- ein Zuschlag init iiert, d. h. zusätzliches Geld volle Honorarzuschläge im unterversorgten bereitgestellt, um dort die Versorgung wieder Gebiet zu geben, sondern dies zu verbinden sicher zu stellen. Darüber müsste man nach- mit Honorarabschlägen im überversorgten denken. Gebiet. Honorarabschläge sollten aber nicht generell für alle Ärzte im überversorgten Ge- biet, sondern nur bei der Übernahme einer SV Prof. Dr. Christoph Fuchs (BÄK): Ich dortigen Praxis erfolgen. Sie werden auf Zeit möchte mich zu den Honorarabschlägen in einen Honorarabschlag sicher im Grundsatz unterversorgten Gebieten aus Sicht der Bun- vorsehen können. Unser Vorschlag ist 10 %. desärztekammer nicht äußern. Das ist nicht so sehr das Gebiet der Bundesärztekammer. Ich Man kann noch weitere Anreize bieten. Wir würde nur gerne ordnungspolitisch dazu sagen halten es für hoch sinnvoll, wenn jemand, der wollen, dass es sicher günstiger ist, Anreize zu sich im überversorgten Gebiet niederlassen schaffen anstatt mit Abschlägen zu arbeiten. will, Vorteile bekommt oder in der Warte- schlange auf einen dortigen Arztsitz nach vor- Das Andere ist, dass ich mir den Hinweis er- ne rückt, wenn er vorher entsprechende Zeit im laube, dass die Bundesärztekammer sich sehr unterversorgten Gebiet tätig war. Das ist genau deutlich dafür stark gemacht hat, dass man der Ansatzpunkt, den Sie ansprechen. Den gerade im Lichte der Unterversorgung in den kann man jetzt variieren. Man kann sagen, wer neuen Bundesländern zumindest das psycholo- fünf Jahre in einem unterversorgten Gebiet gisch wichtige Signal aussendet, dass der Ost- tätig war, erhält Vorteile, wenn er sich im ü- abschlag bei der je tzigen Gebührenordnung berversorgten Gebiet auf einen Kassenarztsitz nun endlich aufgehoben wird. Ich denke, das bewirbt. Er rückt in der Warteschlange gegen- wäre nach 16 Jahren noch mal ein Zeichen über einem, der das nicht gemacht hat, nach dafür, dass Ost und West zusammenwachsen. vorne. Das halte ich für einen sehr wirksamen Dies würde von den dort tätigen Ärztinnen und nicht-monetären Anreiz, und ich sagte bereits, niederlassungsbereiten Ärzten zumindest als wir werden sehr viele Anreize setzen müssen, wohltuend empfunden werden. um die Unterversorgung und die drohende Unterversorgung in Gebieten zu vermeiden. Ich meine, dass natürlich im Falle von konkur- Bei den Hausärzten gibt es zurzeit bei insge- rierenden Situationen, gerade wenn es um die samt 395 Planungsgebieten 152 überversorgte Versorgung von Patienten in unterversorgten Gebiete, und es gibt nach meinem Kenntnis- Gebieten geht, Ärztinnen bevorzugt werden stand keine Kassenärztliche Vereinigung, die können. Aber rein von der Systematik her kann nicht mindestens einen Hausarztbezirk hat, der man sie nur bevorzugen, wenn es ein Angebot überversorgt ist. gibt, von denen, die da hingehen möchten. Wenn ein Defizit da ist, wird man froh sein, wenn man das Defizit decken kann und dies Abg. Frank Spieth (DIE LINKE.): Meine nicht irgendwie geschlechtsspezifisch. erste Frage an den AOK-Bundesverband und an die Kassenärztliche Bundesvereinigung: Sind Sie der Auffassung, dass die heutigen SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- Kriterien für die Fragen „Überversorgung, Bundesverband): Ich möchte klar sagen, dass Vollversorgung oder Unterversorgung“, wie der Abbau von Unterversorgung eine Vielzahl sie einmal willkürlich festgelegt wurden, noch von Maßnahmen erfordert. Der Gesetzentwurf sinnvoll und anwendbar sind und tatsächlich schlägt vor, Mechanismen und Instrumente für den medizinischen Erfordernissen entspre- alle nicht überversorgten Gebiete vorzusehen. chen?

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die Ausführungen von Herrn Dr. Köhler. Auch An die Arbeitsgemeinschaft der Kassenärztli- wir betonen seit langem, dass die einstmals auf chen Vereinigungen Ost richtet sich meine Basis statistischer Größen ermittelte Bedarfs- zweite Frage: Welche Auswirkungen auf die zuordnung von Ärzten im Verhältnis zu einer Budgets in den einzelnen Landeskassenärztli- Einwohnerzahl überhaupt nicht mehr den tat- chen Vereinigungen hat nach Ihrer Me inung sächlichen Versorgungsbedarf widerspiegelt. die Möglichkeit, in mehreren Kassenärztlichen Wir haben gerade mit Blick auf die demografi- Vereinigungen bzw. Kassenzahnärztlichen- sche Entwicklung der zu versorgenden Bevöl- Bezirken gleichzeitig tätig zu sein? Hierbei ist kerung feststellen müssen, dass diese Bedarfs- der Zusammenhang zu sehen von Bedarfspla- zahlen, die damals auf der Basis eines Status nung und Wirtschaftlichkeit unter der Voraus- Quo einfach festgeschrieben wurden, nunmehr setzung der Budget-Deckelung, die wir mit das Problem aufweisen, dass die immer älter hoher Wahrscheinlichkeit auch zukünftig be- und kränker werdende Bevölkerung mit den halten werden. damals festgelegten numerischen Verhältnis- sen einfach nicht mehr kompatibel ist. Dies unterstreicht das, was Herr Dr. Köhler gerade SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- sagte. Wir brauchen eine am Versorgungsbe- Bundesverband): Die erste Frage war, wie ist darf ausgerichtete Bemessung von Versor- es mit den Kriterien der Überversorgung tat- gungskapazitäten. Von der Seite her sind alle sächlich. Das ist eine Festschreibung von frü- Steuerungsmechanismen, die auf der Begriff- heren gegebenen Tatbeständen. Die Kriterien lichkeit derzeitiger Bedarfsplanung basieren, werden oder wurden von der Bundesregierung, ungeeignet. auch was die haus- und fachärztliche Versor- gung betrifft, festgelegt. Hier hat die Bundes- Zur zweiten Frage hinsichtlich der Kombinati- regierung Schwierigkeiten, dies in einen Ge- on von bestehen bleibenden Budgets und setzentwurf zu packen, und es ist tatsächlic h Wirksamwerden der hier diskutierten Ver- die Frage, was ist unter- und überversorgt. tragsarztrechtsänderungen im Bereich der Welche medizinischen Kriterien, welche wei- Mehrbereichs-KV-Zulassung: Ich glaube, auch teren Kriterien geben Sie da vor? Wir sind hierzu hat Herr Dr. Köhler sehr deutlich ge- zurzeit froh, dass wir ein handhabbares Krite- macht, dass das Budget zu einem weiteren rium haben. Ich kann mir aber auch weitere Male klar zeigt, wo die Grenzen liegen. Mit Kriterien vorstellen. den derzeitigen Steuerungsmöglichkeiten ist es einfach nicht möglich, das Budget, das den Kassenärztlichen Vereinigungen zugeteilt SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Die jetzige wurde, in dieser Überbereichstätigkeit zu re- Bedarfsplanung ist ein kompletter Anachro- geln. Wir brauchen eine neu zu schaffende nismus. Sie ist zu großflächig. Die Arztgrup- gesetzliche Norm. Wie das möglich ist, er- pen, die dort definiert werden, entsprechen schließt sich mir noch nicht, da ist Herr Dr. heute nicht mehr der Differenzierung und Ar- Köhler wesentlich optimistischer. beitsteilung in der Versorgung. Wenn wir da- mit weiter arbeiten, werden wir die falschen Fazit ist, sobald das Budget fällt und wir die Anreize setzen. Wir fordern eine Versorgungs- Möglichkeit der arztindividuellen Zuordnung steuerung, die kleinräumig ist, die Mobilität von Leistungen durch diese neuen Arztnum- der Wohnbevölkerung in diesen Bezirken be- mern haben, wäre auch eine die Kassenärztli- rücksichtigt und die Einbindung ambula nter che Vereinigung übergreifende Tätigkeit und stationärer Kapazitäten. Eine solche Ver- durchaus möglich. Unter Budget-Bedingungen sorgungssteuerung mit monetären Anreizen zu gestaltet sich aber die Realisierung dieser Op- versehen, wäre eine zukunftsweisende Versor- tion als ausgesprochen schwierig, insbesondere gungsplanung. Sie merken, der Begriff „Be- dann, wenn das Budget zu gering bemessen ist. darfsplanung“ in diesem Zusammenhang fällt mir jetzt schwer. Wir kommen mit dieser Be- darfsplanung nicht weiter. Abg. Frank Spieth (DIE LINKE.): Ich möchte noch eine Frage an den Bundesverband der Vertragspsychotherapeuten nachschieben. Sie SV Dr. Hans -Joachim Helming (AG der hatten vorhin gesagt, dass Sie diese Teilzula s- Kassenärztlichen Vereinigungen der neuen sungsregelung begrüßen, hatten dabei darauf Bundesländer): Ich unterstütze ausdrücklich hingewiesen, dass das allerdings einige Prob-

21 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 leme aufwerfen könnte: Mich würde interessie- schen Behandlung besonders deutlich wird, ren, ob Sie befürchten, dass die Teilzula s- man es aber auch an anderen Behandlungsfor- sungsmöglichkeiten durch freiwerdende Pra- men sehen kann. Wir erleben in der Praxis, xen in überversorgten Gebieten genutzt werden dass wir in Gegenden, wo angeblich viele Psy- und damit der Druck auf unterversorgte Gebie- chotherapeuten tätig sind, lange Wartelisten te zusätzlich verstärkt wird, sich dort zu ent- haben. Dieses Problem verschärft sich noch bei fernen, was zwar ökonomisch verständlich ist, speziellem Bedarf, wie im Bereich der Kinder- aber verheerende Versorgungsprobleme auf- psychotherapie. Ich würde daher unterstützen, wirft? Mich würde dazu auch die Stellung- wenn man sagt, wir müssen zu einer regiona- nahme der Verbraucherzentrale aus der Patie n- len, auch kleinteiligeren, Versorgungsplanung tensicht interessieren? kommen. Ich denke aber, dass es wichtig ist, neutrale Instanzen, wie z. B. den öffentlichen Gesundheitsdienst und die Patie nten- und SVe Dr. Birgit Clever (bvvp): Das Problem in Verbraucherorganisationen, in diese regionale den unterversorgten Gebieten ist nicht durch Planung mit einzubeziehen. Die Probleme, die Regelungen zu beheben, die durch die Halbie- wir haben, entstehen zum Teil auch daraus, rung von Sitzen ein mehr an Niederlassungs- dass sich die unterschiedlichen Ärztegruppen möglichkeiten schaffen. Denn es gibt einen in den Kassenärztlichen Vereinigungen, die für Mangel an niederlassungswilligen Vertragsbe- die Planung zuständig sind, gegenseitig auski- handlern, die dort hingehen würden. Herr Dr. cken. Ich denke, es wäre sinnvoll, hier neutrale Köhler hat vorhin darauf hingewiesen, dass die Akteure im Rahmen einer solchen Planung mit Definition der Bedarfsplanung hoch fragwür- an den Tisch zu nehmen. dig ist. Ich bleibe jetzt in diesen Begriffen. Natürlich haben wir Gebiete, die besser ver- sorgt sind. Schaffe ich dort Möglic hkeiten, Abg. Inge Höger-Neuling (DIE LINKE.): noch intensiver zu versorgen, dann ist das un- Eine Frage an Herrn Etgeton und an den Deut- ter Umständen auch gut. schen Behindertenrat: Würde die Einführung eines Gemeindeschwesternmodells bei der Ich verweise noch mal auf die Kinder- und Versorgung in unterversorgten Regionen für Jugendlichenversorgung. Die ist in jetzt formal die Patientinnen und Patienten Vorteile brin- gut versorgten und überversorgten Gebieten gen, z. B. eine bessere Verfügbarkeit medizini- trotzdem nicht gewährleistet, weil es ein spe- scher Leistungen in dünn besiedelten Gebie- zielles Problem der Bedarfsplanung ist, dass ten? die Kinderbedarfsplanung mit der Erwachse- nenbedarfsplanung vermengt ist und nicht genügend differenziert wird. Da behebe ich SV Dr. Stefan Etgeton: Die Einführung einer unter Umständen in formal nicht gut versorg- Gemeindeschwester könnte tatsächlich gerade ten Gebieten Teilunterversorgungen. Ich habe in den dünn besiedelten Gebieten zu einer aber trotzdem nicht genügend Kindertherapeu- Verbesserung führen und auch zu einer Entla s- ten und schaffe vielleicht eine noch stärkere tung der Hausärzte beitragen. Allerdings ver- Versorgung in Bereichen, wo ich es nicht weise ich auf die Kompetenzproblematik zw i- brauche. Gerade im Bereich der Psychothera- schen Gemeindeschwestern, pflegerischem und pie ist die Hoffnung, durch die Teilung der ärztlichem Kompetenzbereich. Das muss gere- Vertragsarztsitze eine generelle Versorgungs- gelt werden, möglicherweise mit besonderen verbesserung hervorzubringen, nicht realis- Anforderungen an die Gemeindeschwester, so tisch. Man braucht insgesamt ein Überdenken dass bestimmte Aufgaben aus dem ärztlichen der Bedarfsplanung, da schließe ich mich Bereich kompetent übernommen werden kön- Herrn Dr. Köhler vollumfänglich an. Aber man nen. Ich denke, dass die Gemeindeschwester benötigt zusätzliche eine Differenzierung in oder der Gemeindepflegehelfer in der wohn- die verschie denen Versorgungsbereiche, gera- ortnahen Versorgung Hinweisfunktionen über- de was die Kindertherapie angeht. nehmen können, wo es Versorgungsdefiz ite bis hin zu Verwahrlosungsphänomenen gibt. Ich erinnere an die aktuelle Diskussion, die wir im SV Dr. Stefan Etgeton: Ich kann mich der Moment haben, zum Thema „Verwahrloste Vorrednerin anschließen. Ich denke auch, dass Kinder und Jugendliche“. Auch da könnte der Begriff der Bedarfsplanung problematisch etwas passieren. Alle rdings muss dann auch ist und dies gerade an der psychotherapeuti- kostenmäßig die Abgrenzung zwischen der

22 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006

GKV und dem öffentlichen Gesundheitsdienst SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Wir haben geklärt werden. Im Grunde sind das Aufgaben, die Möglichkeit, über die untergesetzliche die zumindest starke Überschneidungsflächen Normgebung die Anzahl der angestellten Ärz- zum öffentlichen Gesundheitsdienst haben, für tInnen in Vertragsarztpraxen zu steuern. Es ist die man nicht sagen kann, dass sie rein auf notwendig, die Anzahl der Ärzte je nach Fach- Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ausrichtung zu begrenzen, um die Aspekte der zu tragen wären. Freiberuflichkeit, der Präsenz des Arztes an einem Vertragsarztsitz und der Notwendigkeit der Leitung der Praxis zu berücksichtigen. SV Dr. Martin Danner (DBR): Ich kann mich Damit haben sie wiederum einen Nachteil ge- voll umfänglich meinem Vorredner anschlie- genüber den medizinischen Versorgungszent- ßen und darauf hinweisen, dass sich hier keine ren, bei denen das in diesem Umfang derzeit kurzfristige Lösung anbietet, dass es vielmehr nicht erfolgt. Das ist ein Wettbewerbshinder- für eine sachgerechte Lösung wichtig ist, die nis. Da wir aber die Frage der Präsenz und Erfahrungen aus dem internationalen Bereich Leitung der Praxen hier in den Vordergrund sorgfältig zu analysieren. stellen, werden wir diese untergesetzliche Normgebung nutzen müssen. Konkrete Zahlen dazu gibt es nicht. Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN): Wir haben hier wesentliche Be- Die Problematik einer möglic hen noch stärke- gründungen und Motivationen gehört, warum ren Unterversorgung sehe ich nicht durch das wir dieses Vertragsarztrechtsänderungsgesetz Vertragsarztrechtsänderungsgesetz induziert. brauchen. Es wird davon ausgegangen, dass Ich sehe es primär induziert durch die Fortfüh- der Wettbewerb gesteigert wird, dass wir etwas rung der Budgets und die fehlenden Möglic h- gegen die Unterversorgung tun und letztend- keiten, über monetäre Anreize, die außerhalb lich auch eine liberale Gestaltung von Lebens- der Budgets erfolgen, Ärzte dort anzusiedeln. läufen und Lebensentwürfen bei Ärztinnen und Wir werden in der untergesetzlichen Normge- Ärzten herbeiführen. In diesem Zusammen- bung insbesondere darauf achten, dass im hang möchte ich zu den Berufsausübungsge- hausärztlichen Versorgungsbereich, aber auch meinschaften und der Möglic hkeit, geografisch im fachärztlichen Versorgungsbereich, solche und numerisch unbegrenzt Ärzte, anzustellen, Ärzte, die die Möglichkeiten des Vertragsarzt- fragen: Gibt es in dem Vertragsarztrechtsände- rechtsänderungsgesetzes nicht nutzen wollen, rungsgesetz auch Regelungen, die vielleicht nicht mit zusätzlicher Bürokratie belegt wer- schädlich sind beim Abbau, be ispielsweise der den. Ein Nachteil dieses Gesetzes ist, dass wir Unterversorgung? Ich denke an die Berufsaus- keinen Bürokratieabbau betreiben, sondern das übungsgemeinschaften, wo ein bisschen an- Ganze noch etwas bürokratischer gestalten klang, dass eine ganze Menge Gestaltungs- müssen, wenn ein Vertragsarzt diese Möglich- möglic hkeiten existieren, wenn man sie in den keiten des Gesetzes nicht nutzt. KV-Bereichen übergreifend macht. Das gilt auch für die KZV-Bereiche. Meine Frage ric h- tet sich an die Kassenärztliche Bundesverein i- SV Dr. Jürgen Fedderwitz (KZBV): Zu dem, gung, an die Kassenzahnärztliche Bundesver- was Herr Dr. Köhler gesagt hat, ist nichts hin- einigung und an den Hausärzteverband: Sehen zuzufügen. Wenn man das Stichwort „wirt- Sie die Möglichkeit, dass von den Regelungen schaftliche Anreize“ nimmt und sich dann der Ausübungsgemeinschaften und der ent- fragt, wie diese in der zahnärztlichen Versor- sprechenden Anstellungsmöglichkeiten vie l- gung gestaltet oder ausgestaltet werden kön- leicht diejenigen, die als Hausärzte oder als nen, ist zu befürchten, dass hier, zumindest in Fachärzte niedergelassen sind, keinen der wohnortnahen Betreuung, einiges kaputt Gebrauch machen? Letztendlich, weil wir auf gehen wird. Auf Grund der wirtschaftlichen die neuen Vergütungsregelungen noch mehrere Anreize, die sich nicht nur in medizin ischen Jahre warten müssen und wir dann in drei Jah- Versorgungszentren, sondern auch in Franchi- ren den Zustand haben, dass wir noch weniger se-System-gesteuerten oder in Kettenpraxen Haus- und Fachärzte in den unterversorgten darstellen, wird es sicherlich zu einer Fokus- Gebieten haben? sierung auf einzelne Leistungsbereiche kom- men. Der Generalist, der in dieser wohnortna- hen Versorgung ein allumfassendes Leistungs- spektrum vorhalten soll, ist letztlic h im Hinter-

23 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 treffen. Diese wohnortnahe hauszahnärztliche band der Vertragspsychotherapeuten, an die Betreuung wird durch Wirtschaftsanreize, von Deutsche PsychotherapeutenVereinigung und denen, die sich die Rosinen aus dem Markt die Bundespsychotherapeutenkammer: Ich herauspicken, ausgehöhlt. Damit ist der umfas- habe Ihren Ausführungen, insbesondere beim sende Generalist nicht mehr konkurrenzfähig, letzten Verband, entnommen, dass Sie mit was nur zu Lasten der Versorgung gehen kann. dieser Halbzulassung nicht richtig umgehen können oder dass es für Sie keine Hilfe sei. In einem persönlichen Gespräch hatten Sie aber SV Eberhard Mehl (Deutscher Hausärztever- erkennen lassen, dass es beispielsweise für die band): Wir begrüßen die Regelungen der Aus- Versorgung von Kindern und Jugendlichen, übungsgemeinschaften, würden uns aber in- insbesondere, wenn die Bedarfsplanung geän- haltlich der Stellungnahme von Herrn Dr. Köh- dert werden würde, durchaus ein sinnvolles ler anschließen. Sie sind nur dann sinnvoll, Instrument sei, weil es dort insbesondere um wenn wir vom Budget befreit werden und im bestimmte Tageszeiten gehe, die vielleicht Jahr 2007 eine neue Gebührenordnung erhal- bloß einen halben Behandlungstag abbildeten: ten. Hier sehen wir die direkte Verbindung. Habe ich Sie da insgesamt oder wollen Sie dazu Stellung nehmen? Ich möchte darauf hinweisen, dass die Mög- lichkeiten, die hier eingeräumt werden, bedeu- tend sind, da der Hausarztberuf immer mehr SVe Dr. Birgit Clever (bvvp): Wenn ich darf, ein weiblicher Beruf wird. Die meisten Absol- würde ich dem Kollegen von der Deutschen venten in der Allgemeinmedizin in der Weiter- PsychotherapeutenVerein igung den Vortritt bildung sind Frauen. Da brauchen wir diese lassen. Angestelltenverhältnisse. Das ist eine wichtige Chance, die wir uns erhalten, ausbauen und durch gezielte Anreizsysteme unterstützen SV Dieter Best (Deutsche Psychotherapeu- sollten. tenVereinigung): Ich greife den Vorschlag von Herrn Lehndorfer auf, eine 20 %ige Quote in der Bedarfsplanung für Kinder- und Jugendli- Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE chen-Psychotherapie zu schaffen. Das können GRÜNEN): Es ist die Rede gewesen von Teil- sowohl Kinderpsychotherapeuten, ärztliche zulassungen oder hälftigen Teilzula ssungen Psychotherapeuten und psychologische Thera- und dem Widereinstieg oder der Wiedererla n- peuten sein, die Kinder und Jugendliche be- gung einer Vollzulassung. Für mich wäre die handeln dürfen. Dieser Vorschlag würde we- Frage an die Kassenärztliche Bundesverein i- nigstens dafür sorgen, dass Plätze für Kinder- gung und an die Bundesärztekammer: Wie und Jugendlichen-Psychotherapie geschaffen sehen Sie das aus Ihrer Sicht? werden. Ob sie dann ausgefüllt werden, ist eine andere Frage. Das können wir nicht garantie- ren. Wenn Plätze alleine für psychologische SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Wir begrü- Psychotherapeuten reserviert sind, ist es ausge- ßen die vorgesehene Regelung, wonach wir schlossen, dass Kinder- und Jugendlichen- einen Vollversorgungsauftrag auf Antrag bei Psychotherapeuten sich auf solche Plätze be- Bedarfsprüfungen verlangen können. Weiter- werben können. Man kann sich vorstellen, dass gehende Regelungen, die eine Garantie dafür es z. B. in Sachsen-Anhalt nur zwei Plätze, geben, dass ich, wenn ich mich auf den hälfti- zwei Kinder- und Jugendlichen- gen Versorgungsauftrag beschränke, immer Psychotherapeuten gibt, während in Heide l- den garantie rten Anspruch habe, lehnen wir berg um die 50 Kinder- und Jugendlichen- alle rdings ab. Einmal zurück ist zurück. Psychotherapeuten tätig sind. In Sachsen- Anhalt herrscht jetzt Überversorgung im Be- reich Kinder- und Jugendlichen- SV Prof. Dr. Christoph Fuchs (BÄK): Ich Psychotherapie. Ein weiterer Platz ist dort schließe mich den Ausführungen von Herr Dr. nicht möglich. Dieser Vorschlag würde we- Köhler an. nigstens Plätze schaffen und, wie die Berech- nungen gezeigt haben, würde dieser Vorschlag dazu führen, dass in bisher unterversorgten Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE Gebieten erheblich mehr und in überversorgten GRÜNEN): Eine Anfrage an den Bundesver- Gebieten kaum zusätzliche Plätze geschaffen

24 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 würden. Es würde eine gewisse Novellierung begrüßen, wenn das Problem der „Belegmise- stattfinden. re“, das auch durch die Vergütungsdiskussion zum Ausdruck gekommen ist, schnell ange- gangen und aus dem Krankenhaussystem ge- SV Peter Lehndorfer (BPtK): Die Bundes- löst würde. Der Belegarzt kommt mit den Pati- psychotherapeutenkammer hat in ihren Aus- enten ins Krankenhaus und erbringt eine Kran- führungen gesagt, dass die Schaffung von ha l- kenhausleistung. Aus der Zufälligkeit heraus, ben Sitzen ein Schritt in die richtige Ric htung mit der eine Geburt in einer Belegklinik oder sei. Ich will ein Beispiel geben. Ich selber in einer hauptamtlich geführten Klinik durch- komme aus Bayern. Bayern ist in seiner Ge- geführt wird, wird in dem einen Fall der KV- samtheit letztlich gesperrt. Es können sich dort Topf mit floatenden Punktwerteffekten etc. weder psychologische Psychotherapeuten noch tangiert, im anderen Fall nur der Krankenkas- Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeuten sentopf zur Zahlung der DRG. Diese Vergü- niederla ssen. Es gibt einen Landkreis Freiung tungsunlogik kann nur dadurch aufgelöst wer- Grafenau im Bayerischen Wald. Da gibt es den, dass eine voll stationäre Leistung, deren keinen einzigen Kinder- und Jugendlichen- Abarbeitung unter Hinzuzie hung eines Arztes Psychotherapeuten, aber dieses Gebiet ist ge- von außen erfolgt, als Gesamtvorgang vom sperrt für Kinder- und Jugendlichen- Krankenhaus zu verantworten ist und entspre- Psychotherapeuten. chend unter den Finanzierungsbedingungen und -mechanismen des Krankenhauses abge- Wenn man halbe Sitze schaffen würde, dann handelt wird. Eine solche Reform wäre sicher- hätte man die Möglichkeit, im Bayerischen lich kurzfristig möglich. Sie würde das Grund- Wald im Landkreis Freiung Grafenau einen prinzip, dass der niedergela ssene Arzt im Sitz zu schaffen. Dann müsste man motivieren, Krankenhaus arbeiten kann – und damit den dass jemand da hingeht. Aber das kann erst Verzahnungsgedanken nicht kaputt machen. geschehen, wenn überhaupt freie Plätze da Dadurch würden im Gegenteil mehr Möglic h- sind. Es ist also ein Schritt in die richtige Ric h- keiten für die Zukunft geschaffen. tung. Wir denken aber, dass mit dem, was Herr Best erwähnt hat, d. h. mit der 20 %igen Min- destversorgungsquote, für die Versorgung von SV Thomas Bublitz (BDPK): Ich glaube, dass Kindern und Jugendlichen mehr zu erreichen das Problem der Zulassung von medizin ischen wäre. Versorgungszentren und des Wettbewerbs zwischen Vertragsärzten und Krankenhäusern vor allem für die Akteure auf der Bundesebene Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE existiert und sich weniger vor Ort stellt, wenn GRÜNEN): Wir hatten die Frage des Wettbe- ein Versorgungszentrum aufmacht. Ich kann werbes und möglicher Wettbewerbsverzerrung nicht erkennen, inwiefern es ein Fortschritt bei der Einrichtung von medizinischen Versor- wäre, wenn die Finanzierung bzw. Finanzie- gungszentren. Da hat insbesondere die KBV rungsbeteiligung von Krankenhäusern an MVZ darauf hingewiesen, dass die Krankenhäuser u. ä. durch gesetzlichen Eingriff offen gelegt dazu angehalten werden müssten offen zu le- werden sollte, d. h. inwiefern dies die Grün- gen, wie die Finanzierung von Teilniederla s- dung von MVZ fördern oder zur Verbesserung sungen in aus Krankenhäusern ausgegründeten der Versorgung der Patienten führen würde. medizin ischen Versorgungszentren erfolgt. Mich interessiert, ob die Deutsche Kranken- hausgesellschaft und der Bundesverband Deut- Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE scher Privatkliniken mit einem entsprechenden GRÜNEN): Meine Frage richtet sich an die Änderungsantrag Schwierigkeiten hätten. KBV und die Vertreter der Krankenhäuser. Keiner glaubt, dass die medizinischen Versor- gungszentren an der Unterversorgung im Osten SV Georg Baum (DKG): Über einen Ände- etwas ändern. Dies haben wir bereits lange rungsantrag die Frage der belegärztlichen Ver- diskutiert, auch im Zusammenhang mit der sorgung neu zu strukturieren, ist sicherlich Begründung zum Vertragsarztrechtsände- gesetzestechnisch eine Herausforderung, die rungsgesetz. In den Stellungnahmen wird nun man aber arbeitsmäßig annehmen könnte. Man verschiedentlich kommentiert, dass vorgesehen muss sich aber über das Gewicht des Vorha- ist, dass sich in einem medizinischen Versor- bens klar sein. Grundsätzlich würden wir es gungszentrum angestellte Ärzte nach einer

25 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 gewissen Zeit von Jahren das Anrecht erarbei- SV Wolfgang Abeln: § 85 Abs. 3d SGB V ten können sich niederzulassen. In den medizi- regelt, dass die Vergütung der vertragsärztli- nischen Versorgungszentren können die Stel- chen Versorgung in den neuen Bundesländern len nachbesetzt werden. Gibt es mit dieser in den Jahren 2004 bis 2006 um insgesamt Möglichkeit nicht eine Leistungsausweitung 3,8 % angehoben werden soll. Diese Norm ist bzw. Verstärkung der Überversorgung in den so klar, da die Generalnorm des vierten Kapi- Gebieten, wo medizinische Versorgungszent- tels des SGB V, § 72 Abs. 1 Satz 2, hier vier ren aktuell bevorzugt gegründet werden, d. h. Berufsgruppen ausführt: die Ärzte, die Ver- in den Ballungsgebieten? tragszahnärzte, die Psychotherapeuten, wie aber auch die MVZ. Der Gesetzgeber hat mit Verabschiedung des GMG nicht aufgeführt, SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Diese Rege- dass die Angleichung der Vergütung gemäß lung lehnen wir ab, weil sie Überkapazitäten § 85 Abs. 3d nicht für die Vertragszahnärzte schaffen wird. Es ist zudem ein klarer Vorteil gelten soll. Insofern geht es hier nicht um die des MVZ gegenüber dem freiberuflich tätigen Frage, dass die Regelung an sich gilt. Vielmehr Vertragsarzt, der mit diesem Gesetz nicht be- geht es hier darum, dass die Beteiligten die hoben wird. In dieser Kombination und unter Reglung umsetzen müssen. Berücksichtigung der Diskussion über eine fehlende Offenlegung der Finanzströme gera- ten wir in die Gefahr einer „McDonaldisie- Abg. Jens Spahn (CDU/CSU): Ich habe eine rung“ der ambulanten Versorgung. Wenn eher Frage an Professor Axer von der Universität der Anreiz gesetzt wird, im MVZ tätig zu wer- Trier. Mich interessiert Ihre Stellungnahme zu den, und später die Option besteht, ohne Be- den Äußerungen von Professor Pestalozza und darfsprüfung zugelassen zu werden, während der Bundesärztekammer hinsichtlich der Ge- gleichzeitig die Nachbesetzung erfolgt, ist das setzgebungskompetenz des Bundes, insbeson- die wundersame Vermehrung der Arztzahl bei dere in Bezug auf das Berufsausübungsrecht. bestehender anachronistischer Bedarfsplanung. Ferner bitte ich um Ihre Einschätzung zu der Frage, ob die gesetzliche Ermächtigung zu den Gebührensätzen, d. h. § 98, hinreichend be- SV Georg Baum (DKG): Wie Herr Köhler stimmt ist. deutlich gemacht hat, ist es grundsätzlich ein Problem des Zustroms in die vertragsärztliche Versorgung. Aus Krankenhaussicht sollte so SV Prof. Dr. Peter Axer: Das Gesetz ist von viel wie möglich frei geregelt werden. Da Herr der Gesetzgebungskompetenz für die Sozia l- Köhler deutlich gemacht hat, dass die Bedarfs- versicherung gedeckt. Sozialversicherung wird planung der herkömmlichen Form auf Dauer weit verstanden. Das Bundesverfassungsge- nicht überlebensfähig ist, dürften sich vie l- richt und das Bundessozialgericht rechnen leicht auch die mit solchen Vorgängen verbun- dazu auch das Vertragsarztrecht. Soweit aus denen Öffnungen und Teilöffnungen im Laufe Gründen der Versorgung der Sozialversicher- der Zeit erledigen, so dass wir als Kranken- ten eine Regelung geboten ist, ist diese auch in hausverband kein Problem darin sehen. Abkehr vom Berufsrecht möglich, das Landes- sache ist. Das Leistungserbringungsrecht ist Teil des Sozialversicherungsrechts. Es gibt SV Thomas Bublitz (BDPK): Diesen Ausfüh- auch keinen kategorischen Vorrang des Be- rungen schließen wir uns an. rufsrechts: Wenn dem so wäre, würde das be- deuten, dass die Ärztekammer auch SGB V- Recht setzen könnte. Folglich gibt es eine Ge- Abg. Dr. Harald Terpe (BÜNDNIS 90/DIE setzgebungskompetenz für dieses Gesetz. GRÜNEN): Meine letzte Frage richtet sich an den Einzelsachverständigen Wolfgang Abeln Die angesprochene Ermächtigung ist hingegen von der Kassenzahnärztlichen Vereinigung sehr unbestimmt. Da würde ich der Bitte des Mecklenburg-Vorpommern. Wie bewerten Sie Bundesrates folgen. Das Bundesverfassungsge- es, dass die Vertragszahnärzte im Osten an der richt geht in letzter Zeit dazu über, gesetzliche Verbesserung der Vergütung auch im GKV- Ermächtigungen zum Erlass von Rechtsver- Bereich nicht partizipieren können? ordnungen, gerade auch im Gebührenrecht, strenger zu prüfen. Deshalb wäre es sicherlich

26 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 sinnvoll und verfassungsrechtlich geboten, auf das Westniveau fortführen würde. Insofern § 98 Abs. 2 Nr. 4 präziser zu formulieren. begrüßen wir auch die sechste Gebührenanpas- sungsverordnung. Bei allem Verständnis für die Kollegen im Osten muss ich darauf hinwei- Abg. Dr. Rolf Koschorrek (CDU/CSU): Mei- sen, dass manche Kollegen in Bundesländern ne Frage geht an die Kassenzahnärztliche Bun- im Süden Deutschlands schon durch die Ein- desvereinigung. Das Gesetz stellt klar, dass für führung eines bundeseinheitlichen Punktwertes den ärztlichen Bereich geltende Regelungen für Zahnersatz 10-bis 12 %ige Honorarabsen- aus dem GMG zur Anpassung der Vergütung kungen haben hinnehmen müssen. Dies ist ein mit einer Anhebung in den neuen und einer Beleg dafür, dass eine Anpassung durch Nive l- Absenkung der Vergütung in den alten Bun- lierung des Westniveaus nach unten der falsche desländern nicht für den Bereich der vertrags- Weg ist und die Kollegen im Osten – anders zahnärztlichen Versorgung gilt. Wie bewerten als es für sie wünschenswert wäre – nur zu Sie diese Klarstellung? einem nicht vollständigen Westniveau kämen.

Die Bundeszahnärztekammer bitte ich, noch einmal zu erläutern, warum die Altersgrenze SV Dr. Dr. Jürgen Weitkamp (BZÄK): Die für die Zulassung von Vertragszahnärzten Zahnärzteschaft fordert die Abschaffung der grundsätzlich abgeschafft werden sollte. Altersgrenze von 68 Jahren. Im zahnärztlichen Bereich gibt es erfreulicherweise weder eine Über-, noch eine Unter- oder Fehlversorgung. SV Dr. Jürgen Fedderwitz (KZBV): Wir Alle Prognosen und ernsthaften wissenschaftli- haben uns immer dafür eingesetzt, dass es zu chen Auseinandersetzungen beweisen, dass die einer Angleichung des Ost- auf das Westni- Zahnärztezahl und der Bedarf an zahnärztli- veau kommt. Das ist schließlich nicht nur im chen Leistungen bis zum Jahre 2020 so fort - Rahmen der Honorare in der ärztlichen und geschrieben werden, wie dies im Augenblick zahnärztlichen Versorgung allgemein gesell- der Fall ist und weiterhin weder Über-, noch schaftspolitischer Konsens. Unter- oder Fehlversorgung zu erwarten sind. Deswegen halten wir die 68-Jahre-Regelung Das GMG gilt seit drei Jahren. Die Kassen- für überfällig. zahnärztliche Bundesvereinigung ist – zusam- men mit den Spitzenverbänden der Kranken- Dieser strenge Eingriff in die Kassenzahnärzt- kassen, aber auch mit dem BMG – der Auffas- liche Versorgung trifft im Übrigen nicht nur sung, dass es sich tatsächlich nicht auf die den Zahnarzt, sondern im gleichen Maße – und vertragszahnärztliche Versorgung bezieht, wie oft sogar härter – auch den Patienten. Wir ha- dies aus der Begründung zum Gesetzestext ben eine sehr starke Patientenbindung. Der hervorgeht. Wir haben sehr viel Verständnis Patient, der von einem auf den anderen Tag für das Ansinnen der Kollegen aus den neuen nach 20, 30 oder 40 Jahren regelmäßigen Be- Bundesländern, müssen aber auch darauf hin- suchs bei seinem Zahnarzt diesen plötzlich weisen, dass in dem Fall eine erneute Absen- verliert, ist häufig hart getroffen. Insofern wür- kung der Honorare aus den Westbereichen de man mit der Abschaffung der Regelung stattfinden müsste. Deshalb würde es auch auch der Altersdiskriminierung entgegenkom- nicht ausreichen, den Halbsatz zu streichen, men. Letztlich stellt die Regelung überflüssi- dies gelte nicht für die vertragszahnärztliche gen Bürokratismus dar, den man an dieser Versorgung. Das wäre nur unvollständig, denn Stelle tatsächlich einmal abbauen könnte. Wir das GMG ist so angelegt, dass sich die plädieren deshalb mit Nachdruck für die Ab- 3,8 % auf der Anpassungsseite im Ostbereich schaffung der Altersgrenze im zahnärztlichen und die 0,6 % auf der Anpassungsseite im Bereich. Westbereich grundsätzlich auf die ärztlichen Vergütungsvolumina beziehen und berechnen. Insofern müsste der Gesetzgeber die Konstruk- Abg. Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): tionsmerkmale für die zahnärztliche Versor- Meine Frage geht an die Vertreter der anw e- gung neu konzipieren. Aber das ist nach unse- senden Spitzenverbände der Krankenkassen. rer Auffassung der falsche Weg. Vor dem Hintergrund der Änderungsanträge zur Neuregelung von § 265 interessiert mich, Der Gesetzgeber ist eher auf dem richtigen wie hoch der Brutto- bzw. Nettoschuldenstand Weg, wenn er hier eine Gebührenanpassung

27 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 der Mitgliedskassen Ihrer Kassenart zum 31. ein. Dies gilt auch für die damit zusammen- Dezember 2005 bzw. Mitte 2006 ist. hängende Frage der erheblichen Belastungen, die damit auf die Krankenkassen zukommen und die bisher keine andere Körperschaft bi- SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- lanziert hat, die aber nach dem Insolvenzrecht BV): Ich bin mir nicht sicher, ob dazu nicht am sofort bilanziert werden müssten. Das wären 23. Oktober 2006 eine gesonderte Anhörung erhebliche Summen. Insofern ist die Frage der stattfindet. Belastung unmittelbar mit der Frage ihrer Stel- lung verknüpft: Bleibt die Körperschaftseigen- schaft, die in diesem Schuldenszenario den Abg. Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): Das Schlussstein für die Spitzenverbände bildet, wollen wir schon heute wissen, damit wir uns bestehen? Wenn Sie das Insolvenzrecht voll- auf die Anhörung vorbereiten können. ständig auf die Krankenkassen anwenden – das gilt auch für den VdAK –, ergeben sich erheb- liche Belastungen, die Sie vermutlich so nicht SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- vor Augen hatten. Da muss man sich sehr gut BV): Ich habe die Vorbereitung hie rzu schon überlegen, ob man das will. zur Seite gelegt für die Anhörung am Montag. Geben Sie mir zwei Min uten Zeit? Abg. Jens Spahn (CDU/CSU): Zuerst möchte ich feststellen, dass sich die Krankenkassen SV Dr. Axel Meeßen (VdAK/AEV): Ich habe alle so weit auf eine Anhörung am Montag das gleiche Problem. Ich nehme die Frage gern vorbereitet haben, dass sie in der Lage wären, mit, damit wir sie bei der Anhörung beantwor- die dann gestellten Fragen zu beantworten. ten. Meine Anschlussfrage richtet sich an Herrn von Stackelberg. Welche Daten sind in den Abg. Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): Ich Unterlagen, die die Krankenkassen weiterge- habe die Information, dass bei der heutigen ben, nicht bilanziert? Um welche Summen Pressekonferenz der Kassen hierzu schon et- geht es? was gesagt wurde. Meine zweite Frage geht an das Bundesversi- cherungsamt. Halten Sie eine Entschuldung SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- sämtlicher Krankenkassen vor Einführung BV): Laut der KJ 1-Zahlen, der Jahresrechung eines möglichen Gesundheitsfonds im Rahmen zum 31. Dezember 2005, beträgt die Nettover- einer Gesundheitsreform für zwingend erfor- schuldung im AOK-Bereich 1,6 Mrd. Euro. derlich? Halten Sie eine fristgerechte Ent- Die Bruttoverschuldung beträgt 2,7 Mrd. Euro schuldung der Ihrer Aufsicht unterstehenden – netto bedeutet saldiert, brutto unsaldiert. Kassen bis zum 31. Dezember 2007 für ge- währleistet?

Abg. Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): Gibt es über die in der KJ 1-Statistik ausgewie- SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- senen Schulden hinaus Verbindlic hkeiten der BV): Ich bitte Sie um Verständnis, wenn ich Krankenkassen, die noch abzutragen sind? auf die Anhörung am Montag verweise und dann gern antworte. Es geht z. B. um Pensi- onsverpflichtungen, aber auch um weitere Be- SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- reiche. BV): Gerade mit Blick auf diese Frage halten wir die Anhörung am 23. Oktober 2006 für sinnvoll: Diese Frage hängt unmittelbar mit SV Dr. Dirk Gopffarth (Bundesversicherung- den Fragen des WSG zusammen. Wenn das samt (BVA)): Ich würde auch gern auf Montag Insolvenzrecht für die Krankenkassen einge- verweisen, weil Herr Dr. Daubenbüchel schon führt wird, kommen Verpflichtungen aus dem abgereist ist, nachdem wir keine Fragen mehr Personalbereich auf die Krankenkassen zu, die zu diesem Themenkomplex erwartet haben und sie als Körperschaften zurzeit nicht bilanzieren ich deshalb keine Auskünfte geben kann. mussten. Darauf gehen wir am Montag gern

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schuss, die KBV, die DKG und den BDPK. Im Abg. Jens Spahn (CDU/CSU): Aber ich darf Zusammenhang mit dem Thema Bedarfspla- feststellen, dass auch das Bundesversicherung- nung hatte die KBV den Begriff „Anachronis- samt am Montag bereit wäre, die dann gestell- mus“ gebraucht. Zugleich hat der AOK- ten Fragen zu beantworten? Bundesverband im Zusammenhang mit der Lösung des Problems der Über- und Unterver- sorgung von einem 10 %igen Zu- und Ab- SV Dr. Dirk Gopffarth (BVA): Selbstver- schlag gesprochen. Beides passt nicht zusam- ständlich. men: In ein anachronistisches System stecke ich nicht 10 % Zu- und Abschläge, bevor ich nicht andere Kriterien gefunden habe. Bisher Abg. Dr. Hans Georg Faust (CDU/CSU): haben wir immer von der Spreizung zwischen Meine erste Frage geht an die KBV. Wie beur- ländlichem Bereich und Ballungszentren ge- teilen Sie die Verschiebung der Fristen in den sprochen. Das betrifft nicht nur niedergelasse- §§ 85a, 85b und damit die Fortgeltung des ne, d. h. „normale“ ambulante Praxen, sondern derzeitigen Vergütungssystems mit Gesamt- in der Folge auch ambulant im MVZ erbrachte vergütungen und Honorarverteilungsmaßstab? Leistungen. Wie wir gehört haben, geht es auch um das Umlenken von Geldströmen. Vor Die zweite Frage richtet sich an die Bundesärz- dem Hintergrund des angesprochenen Prob- tekammer. Wir haben bisher die Situation, dass lemkreises und dem Zusammenspiel von 10 % bei einzelnen Ärztinnen und Ärzten wegen Zu-/Abschlag, Bedarfsplanung sowie den Aus- Kindererziehungszeiten dann keine Aufnahme wirkungen auf die Praxen interessiert mich, in das Arztregister erfolgen konnte, wenn dies wie das aussehen würde und wie man das bes- nach der alten Regelung – drei Jahre Facharzt ser machen könnte. für Allgemeinmedizin – gemacht wurde. Jetzt gibt es eine Neuregelung. Halten Sie die im Gesetz vorgesehene Vorschrift für vernünftig? SV Dr. Rainer Hess (Gemeinsamer Bundes- ausschuss (G-BA)): Das Gesetz hat zur Konse- quenz, dass die Bedarfsplanung droht, verfas- SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Die Ver- sungswidrig zu werden, weil der Bedarf ange- schiebung der Neuregelung und Neustrukturie- sichts der Wanderungsbewegungen und dem rung der Vergütung vertragsärztlicher Leistun- Tätigwerden in verschiedenen KV-Bereichen gen hat die Budgetie rung zur Folge. Dies wie- mit fachfremden Assistenten in Berufsaus- derum führt zur chronischen Unterfinanzierung übungsgemeinschaften usw. gar nicht mehr und Auswanderung von Ärzten. Damit be- festgestellt werden kann. Für mich ist das kommen wir Sicherstellungsprobleme. Deshalb Hauptproblem, dass die Grundlage der Be- sind wir gegen die Verschiebung – auch und darfsplanung verfassungswidrig zu werden trotz der Kenntnis, dass die vorbereitenden droht, bevor wir eine Alternative haben. Ich Maßnahmen nicht so zügig gelaufen sind, wie bin auch dafür, die Bedarfsplanung jetziger wir uns das gewünscht haben. Prägung aufzugeben, weil der Versorgungs- stand zum 31. Dezember 1990, auf dem das Die in der zweiten Frage angesprochene Rege- System basiert, nicht mehr der heutigen Ver- lung begrüßen wir ausdrücklich und streben sorgungsrealität und -notwendigkeit entspricht eine entsprechende Ergänzung an. Wir brau- und die Bedarfsplanung mit ihrer statistischen chen jeden Arzt und jede Ärztin. Handhabung der spezialisie rten Medizin und den neuen Versorgungsstrukturen nicht mehr gerecht werden kann. Wer das aber jetzt ab- SV Prof. Dr. Christoph Fuchs (BÄK): Die schaffen will, muss natürlich entscheiden, was Problematik ist aus Landesärztekammern an er an die Stelle setzen will. uns herangetragen worden, wie Sie wahr- scheinlich wissen. Wir sind froh, dass diese In diesem Zusammenhang stellt sich in der Tat Init iative ergriffen worden ist und zum Tragen die spannende Frage, ob Geldsteuerung ein kommt. Ersatz sein kann. Ich habe erhebliche Beden- ken, dass das funktioniert. Wenn man dem Einen 10 % wegnimmt und dem Anderen Abg. Eike Hovermann (SPD): Meine Frage 10 % gibt, muss man genau entscheiden, wem richtet sich an den Gemeinsamen Bundesaus- man wegnimmt bzw. gibt. Das kann man nicht

29 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 schematisch machen und allen Ärzten in über- trifft. Von daher stehe ich persönlich solch rein versorgten Gebieten 10 % abziehen, um allen ökonomisch ausgerichteten Umverteilungssys- Ärzten in unterversorgten Gebieten 10 % mehr temen in Bezug auf ihre Wirkung zur Versor- zu geben. Sie müssten hier eine sehr differen- gungsverbesserung sehr kritisch gegenüber. zierte Steuerung einführen. Ich habe bisher noch keine Vorschläge gehört, wie man das Insgesamt glaube ich, dass man hier noch ein- sachgerecht machen kann. Deshalb muss man mal sehr sauber prüfen muss, wie die Versor- aufpassen, dass man nicht zu früh in einen gungssituation in den einzelnen Planungsberei- verfassungswidrigen Zustand der jetzigen Be- chen ist und wie viel Geld überhaupt zur Ver- darfsplanung hineingerät. Dann würde nicht fügung steht, um hier wirklich attraktive An- die Unterversorgung beseitigt, sondern die reize zu setzen, damit eine solche Umvertei- Überversorgung vergrößert, denn die Bedarfs- lung wirkt. Solange das nicht genau geregelt planung wurde eingeführt, um Überversorgung ist, warne ich dringend davor, die jetzige Be- zu verhindern. darfsplanung ad acta zu legen und zu hoffen, dass das andere System funktionieren wird. Wenn Sie dies über Geldströme regeln wollen, bezweifle ich, dass Geldströme alleine ausrei- chen. Schauen Sie sich einmal die Versor- SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Ich gebe gungssituation in München an: Die Ärzte dort Herrn Hess recht: Das Vertragsarztrechtsände- verdienen nicht mehr sehr viel Geld, denn in rungsgesetz läuft wie ein Panzer gegen die jedem Haus sitzt ein Arzt. Die Ärzte bleiben Holzwand der Bedarfsplanung. Ich möchte aber trotzdem in München, weil es attraktiv ist, aber darauf hinweisen, dass der Vorschlag von dort zu leben. Herrn Hess, Arbeitsanteile zuzuordnen, eine bürokratische Wahnsinnsmaßnahme ist. Da Ihre Frage würde ich deshalb folgendermaßen sollte man vielleicht den Aspekt des Bürokra- beantworten: Man sollte zunächst darauf ach- tieabbaus berücksichtigen. ten, dass die jetzige Bedarfsplanung nicht ver- fassungswidrig wird. Das setzt mindestens ein Unter der jetzt bestehenden Bedarfsplanung System voraus, in dem Sie jeden Arzt mit sei- kann ich nicht mit Zu- und Abschlägen arbei- nem Leistungsanteil dort erfassen, wo er tätig ten. Aus dem Rechenexempel von Herrn von ist, damit wir ihn in der Bedarfsplanungsricht- Stackelberg und den von ihm zu Versorgungs- linie zuordnen können. Ein Arzt in mehreren graden genannten Zahlen erschließt sich mir KV-Bereichen müsste z. B. mit seinen Leis- nicht, wie viele Milliarden die Kassen zuschie- tungsanteilen erfassbar sein, damit ich ihn ßen müssten – und das ist wohl nicht in der noch verfassungsgemäß in der Bedarfsplanung Intention von Herrn von Stackelberg gelegen. einordnen kann und nicht nur beim Vertrags- Sie brauchen eine Ablösung der jetzigen Be- arztsitz die Anrechnung mit dem Faktor 1 ha- darfsplanung, die Sie deshalb so lange wie be, obwohl er in Wirklichkeit zu 30 % in ei- möglich beibehalten müssen, durch eine klein- nem anderen KV-Bereich tätig ist. räumige „pretiale Versorgungssteuerung“, die stationäre Vorhaltungen mit berücksichtigen Ferner muss man sich überlegen, wie man die und in den Arztgruppen differenziert sein Geldströme bei einer Steuerung über Geld- muss. Wenn Sie einem Internisten einen ströme so regelt, dass das Geld dorthin fließt, 10 %igen Zuschlag geben, in der Region aber wo wirklich Unterversorgung ist. Da stimme eigentlich einen Rheumatologen haben wollen, ich denen zu, die sagen, das hänge nicht von ist die rheumatologische Versorgung deswegen der Versorgungssituation des gesamten Pla- nicht sichergestellt. Auf solchen kleinräumigen nungsbereiches ab. Es gibt Planungsbereiche, Versorgungsbedarfsanalysen können wir dann die statistisch überversorgt sind, wo es aber in aufsetzen und die Kapazität an bestimmten Teilbereichen eine krasse Unterversorgung Fachrichtungen ermitteln. Auf dieser Basis gibt. Die Geldströme müsste man nach der können wir über eine sinnvolle pretiale Ver- Versorgungssituation im Planungsbereich re- sorgungssteuerung den Anreiz dafür schaffen, geln. Man wird wahrscheinlich – jedenfalls in dass sich ein junger Arzt dort niederlässt und den neuen Bundesländern – Probleme bekom- nicht in München, wo ein entsprechender Ab- men, anderen Ärzten das Geld wegzunehmen. schlag vorhanden ist. Eine reine Umverteilung wird an den Budget- grenzen zu scheitern drohen – jedenfalls was Ein solches Instrument hat einen zweiten Vor- die Attraktivität solcher Umverteilungen be- teil. Heute muss ich mich als junger Vertrags-

30 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 arzt lebenslang an einen Ort begeben und hof- angehen, auch über die Vergütung. Ich plädiere fen, dort meine Ehefrau zu finden oder umge- also noch einmal dafür, die vorgeschlagenen kehrt. In dem System können Sie demnächst Maßnahmen nur maximal bis zur Vollversor- auch als Arzt wandern, einige Fronjahre in der gung gelten zu lassen, pretial einzugreifen und Fläche machen, wo es vielleicht nicht ganz so auch in der Überversorgung tätig zu werden. attraktiv ist, um dann in eine für Lebensquali- tätsaspekte möglicherweise attraktivere Ge- Mit „Frondienst“ habe ich gemeint, dass es für gend zu gehen. Für die neuen Bundesländer einen jungen Arzt eine Herausforderung be- funktioniert dieses System bei bestehender deutet, sich mit seiner Familie sehr langfristig Bedarfsplanung nicht, weil aus den überver- in einem überalterten Gebiet zu binden. Des- sorgten Gebieten keine Finanzmittel freiwer- wegen halte ich es für vertretbar, dass er bei den. einer weiteren Niederlassung in anderen Ge- bieten Vorteile bei der Niederlassungsreihen- folge hat und z. B. dort an den Anfang der SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- Warteschlange rückt. Im Übrigen hoffe ich BV): Ich bin insofern missverstanden, als un- schon, dass sich ihm die landschaftlichen und terstellt wurde, ich hätte die Illusion einer sonstigen Reize der unterversorgten Gebiete Wippe: Nur das, was man von den überver- erschließen und er nach der Niederla ssung sorgten Gebieten abschöpft, ginge in die unter- sieht, dass die Unterversorgung teilweise die versorgten. Diese Illusion habe ich nicht. Ich schönsten Gegenden Deutschlands betrifft. habe nur darauf hingewiesen, dass wir über- versorgte Gebiete haben. Ich habe mich auch nicht für den Erhalt der jetzigen Bedarfspla- SV Georg Baum (DKG): Grundsätzlich steu- nung ausgesprochen, aber auch wenn Sie die ert die Bedarfsplanung alles und behindert Planung feingliedriger machen, wird es immer alles: Sie steuert die Patienten, hindert Patie n- überversorgte Gebiete geben. Nach der jetzi- ten an der freien Arztwahl, verhindert den gen Planung sind 152 hausärztliche Versor- Aufbau einer medizinischen Versorgung aus gungsgebiete überversorgt. einem Guss und macht die Kontingentierung und Budgetierung des Geldflusses – das Ge- Lassen Sie uns nicht auf die Frage kommen, ob samtvergütungskonzept – erforderlich. Das eine kleinräumigere Planung besser wäre oder verhindert wiederum, dass Geld der Leistung nicht. Ich spreche mich nicht für den Erhalt der folgen kann. Die Bedarfsplanung stellt deshalb jetzigen Bedarfsplanung aus – da schließe ich den Kern des Problems dar, wenn man in der mich den Ausführungen von Herrn Hess an. Gesundheitsversorgung eine bessere Verzah- Wenn Sie die Überversorgung aber nicht auch nung usw. will. Deshalb hätte ich keine Angst mit pretialen Mitteln angehen, werden Sie bei davor, wenn das Vertragsarztrechtsänderungs- der Unterversorgung nichts ändern. Wir müs- gesetz ein weiterer Schritt dazu wäre, die Be- sen etwas dagegen tun, dass die Überversor- darfsplanung auch verfassungsrechtlich in gung in München – ich bleibe bei meinem Frage zu stellen. Vielleicht führt diese Gesetz- Beispiel – weitergeführt wird und wir nach wie gebung schneller zu einer Reform. vor 300 Hausarztsitze voll füllen, die wir dort nicht brauchen, obwohl wir sie in jungen Bun- Problematisch ist, dass die Vergütung z. B. für desländern und in den anderen unterversorgten medizinische Versorgungszentren im Eigen- Gebieten dringend benötigen. Das müssen wir tum der Krankenhäuser oder ambulante Opera- auch finanziell anpacken. tionsleistungen, die Krankenhäuser erbringen, aus dem Vertragsarztsystem abgeleitet ist. Es Wir werden verschiedenste Mittel brauchen. ist unvorstellbar, dass ich heute ein ambulantes Die finanziellen Mittel, die aus dem überver- Operationszentrum einrichte und morgen die sorgten Gebiet abgeschöpft werden, müssen Gebühr erfahre, die ich in Zukunft für jede nic ht unbedingt in einen unterversorgten Be- ambulante Operation bekomme, nur weil das reich fließen. Ich kann mir auch vorstellen, Zentrum nach der neuen Definition jetzt in dass man zusammen mit der KV in überver- einem überversorgten Gebiet liegt. Solche sorgten Gebieten die Vertragsarztsitze auf- Zufälligkeiten und Abhängigkeiten sind nicht kauft, damit sie nicht mehr entstehen o. ä. geeignet, stabile medizinische Versorgungs- Wenn Sie die Unterversorgung beseitigen wol- strukturen aufzubauen. An dem Beispiel wird len, müssen Sie auch das andere Ende der Ge- deutlich, wie problematisch es wäre, wenn schichte sehen und die Überversorgung aktiv

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Verknüpfungen mit der Über- oder Unterver- wendigen Unterlagen den Belangen der Patie n- sorgung aufgebaut würden. tenvertreter gerecht zu werden, soweit wir das können.

SV Thomas Bublitz (BDPK): Dem ist nicht viel hinzuzufügen. Die Krankenhäuser sind SV Dr. Stefan Etgeton: Im Grundsatz sehe ich sicherlich nicht die Experten für Bedarfspla- die Maßgaben des Koalitionsvertrages, die nungen in ambulanten Fragen. Wesentlich Patientenbeteiligung auszubauen, in dem Ver- erscheint mir aber die Frage, wo die Schnitt- tragsarztrechtsänderungsgesetz noch nicht stelle zwischen Krankenhaus und ambulanter erfüllt. Vielmehr ist es nur eine Klarstellung Versorgung liegt. Ich glaube, darauf muss man der Patientenbeteiligung, wie sie im GMG den Blick auch richten, denn die Unterversor- vorgesehen war. So ist es sehr zu begrüßen, gungssituation hat für Kliniken eine konkrete dass die Beteiligungsrechte der Patientenver- Bedeutung, insbesondere bei Notfällen. Ver- treter und Patientenvertreterinnen auf Landes- tragsärzte entziehen sich zunehmend – vie l- ebene geklärt werden und Regelungen zur leicht auch bedingt durch die Unterversor- besseren Vergütung für die sachkundigen Per- gungssituation – der Notfallversorgung. Die sonen vorgesehen sind. Erweitert werden Kliniken müssen dafür mit einem 24-stündigen müssten die Patientenvollmacht und die Betei- Notdienst usw. in die Bresche springen. So ligung auf Landesebene. Was wir auf der Bun- entstehen willfährige Vergütungswippen, die desebene im Gemeinsamen Bundesausschuss „Gleiches Geld für gle iche Leistungen“ so verhandeln, findet auf Landesebene zum Teil charakterisieren wollen, dass es zu problemati- nicht in den Landeszulassungs- und Beru- schen Negativeffekten im Krankenhaus käme. fungsausschüssen statt, sondern dort, wo Strukturverträge, Verträge zur integrierten Versorgung, aber auch Rahmen- und Gesamt- Abg. Dr. Marlies Volkmer (SPD): Ich habe verträge oder Vereinbarungen zur Qualitätssi- eine Frage an den Gemeinsamen Bundesaus- cherung ausgehandelt werden. Hier sollten schuss und Herrn Dr. Etgeton. Die Koalition Beteiligungsformen gefunden werden, um auf hat sich grundsätzlich darauf verständigt, die der Landes- und Regionalebene ein Pendant zu Beteiligungsrechte für Patientinnen und Patie n- dem zu haben, was auf Bundesebene an Inhal- ten zu stärken. Halten Sie es über die vorgese- ten verhandelt wird. Das müssen keine Bera- henen Regelungen hinaus für notwendig, die tungsbeteiligungen sein: Denkbar sind auch Arbeit der Patientinnen- und Patientenvertreter Verfahrensbeteiligungen. im Gemeinsamen Bundesausschuss durch ge- eignete Maßnahmen organisatorischer oder Es reicht nicht aus, die sachkundigen Personen inhaltlicher Art zu stärken? soweit mit Aufwandsentschädigungen zu ver- sorgen, dass zumindest kein Verdienstausfall entsteht, wie dies jetzt vorgesehen ist. Auch SV Dr. Rainer Hess (G-BA): Wir haben ver- die entsendenden Organisationen haben erheb- sucht, dem im Rahmen des geltenden Rechts lichen Aufwand, der u. a. durch das Gesetz insofern nachzukommen, als wir in der Ge- entsteht, denn wir sind dazu genötigt, Einver- schäftsstelle des Gemeinsamen Bundesaus- nehmen bei der Benennung der sachkundigen schusses eine speziell als Anlaufstelle und Personen zu erzielen. Das ist ein gesetzlicher Kontaktstelle für die Patientenvertreter gedach- Auftrag, den wir erfüllen, der aber erheblichen te Stelle geschaffen haben. Diese Stelle unter- Koordinierungsaufwand nach sich zieht. Die- stützt auch die Kommunikation zu den Patie n- sen Aufwand tragen im Moment die Organisa- tenvertretungsorganisationen und steht vor tionen aus Bordmitteln. Es wäre daher wün- allem Herrn Danner zur Seite, der die Koordi- schenswert, wenn der Gemeinsame Bundes- nierungsfunktion für die vier Patientenvertre- ausschuss dies übernehmen könnte. Im Ge- tungsorganisationen hat. Man kann darüber meinsamen Bundesausschuss ist dies umstrit- nachdenken, diese Stelle in der Geschäftsstelle ten, weil es die Neutralität der Geschäftsstelle des Gemeinsamen Bundesausschusses auszu- verletzen könnte, wenn einseitig eine besonde- bauen, aber dazu braucht man vielleicht eine re Unterstützung für eine Bank erfolgt. Der andere Grundlage. Darüber hinaus führen wir Bundesausschuss sollte daher durch das Gesetz spezifische Fortbildungsveranstaltungen für hierzu ermächtigt werden, gerade weil Patie n- Patientenvertreter durch und bemühen uns, tenvertreter keine vollberechtigten Mitglieder durch die zeitgerechte Bereitstellung der not-

32 Ausschuss für Gesundheit, 25. Sitzung, 18.10.2006 sind, sondern sachkundige Personen, die zur Meine zweite Frage richtet sich an die DKG, Beratung beitragen. den BMVZ und die KBV. Der Gesetzentwurf sieht eine haftungsrechtliche Gleichstellung Mit den durch das Wettbewerbsstärkungsge- medizinischer Versorgungszentren mit außer- setz zu erwartenden Änderungen befürchten halb medizinischer Versorgungszentren tätigen wir eine faktische Minderung der Patientenbe- Vertragsärzten vor. Gibt es aus Ihrer Sicht teiligungsrechte. Das betrifft zum einen die alternative Möglichkeiten, um das angestrebte Zahl der Patientenvertreter in den Beschluss- Ziel einheitlicher und fairer Wettbewerbsbe- gremien: Bisher sind wir analog zu der Zahl dingungen zu erreichen? der Kassenvertreter neun Patientenvertreter, die die vier benannten Organisationen reprä- sentieren. Nach der Gesetzesänderung wären SV Johann-Magnus von Stackelberg (AOK- es nur noch drei Patientenvertreter, die diese BV): Wir teilen die Aussage der KBV und vier Organisationen repräsentieren sollen. Das KZBV nicht. Ganz im Gegenteil: Wir kaufen halten wir für zu wenig: Die Vielfalt der Orga- jetzt vom Kollektivvertragspartner KV und nisationen, die alleine der Deutsche Behinder- KZV eine Leistung, die im unterversorgten tenrat repräsentiert, geht schon weit darüber Gebiet nicht erbracht wird. Gerade unter bud- hinaus – von den Beraterverbänden ganz zu getären Verhältnissen sind Flexibilisierungs- schweigen. möglichkeiten umso wichtiger, damit die Leis- tung endlich erbracht werden kann. Die Erhö- Durch die angestrebte Professionalisierung der hung des Budgets hätte beitragssatzrelevante Bankvertreter, die sich im Gemeinsamen Bun- Folgen für die Krankenkassen, die in Verbin- desausschuss täglich über den Weg laufen, dung mit dem WSG sofort in die kleine Prämie befürchten wir ferner, dass Entscheidungen münden würden. schon vorbereitet und vorstrukturiert werden. In den eigentlichen Sitzungen, die der einzige Ort sind, wo wir bisher unsere Beratungskom- SV Andreas Wagener (DKG): Wir haben – petenz haben einbringen können, könnten wir wie eingangs erwähnt – steuerrechtliche Be- dies in Zukunft dann nicht mehr vernünftig tun denken in Bezug auf das Gemeinnützigkeits- – vor alle m bei öffentlichen Sitzungen. Inso- recht sowie gesellschaftsrechtliche Bedenken fern sollte man die Reform an dieser Stelle in Bezug auf die Aushebelung gesellschafts- noch einmal überprüfen und in jedem Fall die rechtlicher Strukturen, die in anderen Gesetzen Unterstützung der entsprechenden Organisati- vorgegeben sind und dagegensprechen. Wir on im Sinne einer professionellen Arbeit ge- sehen keinen Ersatzmechanismus, sondern währleisten. Wir streben ausdrücklich keine würden für eine ersatzlose Streichung dieser hauptamtlichen Patientenvertreter an, wie das Passage plädieren. im ersten Arbeitsentwurf vorgesehen war.

Ergänzend sehe ich den Bedarf, möglicherwei- SV Rainer Jeniche (BMVZ): Diese Auffas- se in ein Stimmrecht der Patie ntenvertreter sung vertreten wir auch. einzusteigen, insbesondere bei Verfahrensfra- gen, d. h. Fragen der Geschäfts- und Tagesord- nung sowie der Protokollabstimmung. Das SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Wir vertreten wäre eine sinnvolle Weiterentwicklung. genau die gegenläufige Auffassung, sehen allerdings auch keine Alternativen zu der Bürgschaftsregelung. Im Falle der Insolvenz Abg. Christian Kleiminger (SPD): Meine und der fehlenden persönlichen Haftung blie- erste Frage richtet sich an die Spitzenverbände ben die anderen Vertragsärzte, die nicht im der Krankenkassen. Teilen Sie die Auffassung medizinischen Versorgungszentrum tätig sind, der KBV, dass die Flexibilisierung der ver- ansonsten auf den Regressforderungen sitzen. tragsärztlichen Tätigkeit nur funktioniert, wenn Herr von Stackelberg hat ausgeführt, dass er gleichzeitig die Budgetierung abgeschafft mit entlastender Wirkung zahle. Damit würde wird? Welche Auswirkungen hätte das von keine Wettbewerbsgleichheit mehr zw ischen in KBV und KZBV geforderte Vorgehen für die MVZ tätigen Ärzten und freiberuflich tätigen GKV? Vertragsärzten erreicht.

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Abg. Peter Friedrich (SPD): Meine Frage Ausschussdrucksache 0110 sowie zum Ände- richtet sich an KBV, KZBV und DKG. Wir rungsantrag Nr. 7 auf Ausschussdrucksache beraten einen Änderungsantrag, der es möglich 0107 wird es noch eine weitere Anhörung ge- machen soll, in der Schweiz analog zu den für ben. andere EU-Staaten geltenden Regelungen Leis- tungen in Anspruch zu nehmen, und den Kas- sen die Möglic hkeit gibt, Versorgungsverträge mit Schweizer Leistungserbringern zu schlie- Ende der Sitzung: 16.00 Uhr. ßen. Wie beurteilen Sie das im Hinblick auf die Versorgungssituation in den grenznahen deutschen Gebieten?

SV Dr. Andreas Köhler (KBV): Wir haben keine Bedenken gegen diese Regelung und sehen eher positive Tendenzen für die Versor- gung in den Grenzgebieten.

SV Dr. Jürgen Fedderwitz (KZBV): Wir haben das Werkzeug der Kostenerstattung. Wenn man sich auf diese Weise einigt, sehe ich keine großen Probleme. Das würde aber bedeuten, dass für den deutschen Zahnarzt im Grenzgebiet auch die gleichen Kostenerstat- tungsstrukturen ge lten müssen. Es kann nicht sein, dass der AOK-Versicherte in der Schweiz z. B. im Urlaub oder unmittelbar hinter der Grenze bei seinem ganz normalen Hauszahn- arzt die einzelne Leistung erhält und dafür – demnächst in Einklang mit dem GKV-System – Kostenerstattung wählen kann, während der auf deutscher Seite im Grenzgebiet niederge- lassene Zahnarzt die Möglichkeiten der Kos- tenerstattung nicht hat, weil der Patient an den gesamten Versorgungsbereich gebunden ist und sich dieser Zahnarzt möglicherweise auch noch mit Abschlägen quälen muss, die das Vergütungsniveau drücken.

SV Georg Baum (DKG): Soweit ich den Än- derungsantrag verstanden habe, gilt die Rege- lung nur eingeschränkt für den Krankenhaus- bereich, weil es dort einer gesonderten Ge- nehmigung der Krankenkasse bedarf, wenn ausländische Krankenhausleistungen in An- spruch genommen werden. Das ist in der Sys- tematik der bisherigen Inanspruchnahme von Auslandsleistungen. So ist das wohl auch zu akzeptieren.

Vorsitzende Abg. Dr. Martina Bunge (DIE LINKE): Ich bedanke mich bei Ihnen für die Unterstützung mit Ihren schriftlichen Stellung- nahmen und den Antworten auf die Fragen der Abgeordneten. Zu den Änderungsanträgen auf

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