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Magazin der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien April 2009

Herzenssache

Fabio Luisi, die Dresdner und

Nicht weniger als neun seiner Opern ließ Richard Strauss in Dresden uraufführen, und die „Alpensmphonie“ widmete er, enflammiert von der Gipfelkunst der Dresdner, der Sächsischen Staatskapelle. Deren Chef heißt nun . Und der hat sich, noblesse oblige, besonders dem Werk von Richard Strauss verschrieben.

Begonnen hat es 2001 an der Salzach: Dort plante der designierte Festspielintendant Peter Ruzicka einen über mehrere Festspielsommer verteilten Zyklus sämtlicher Opern von Richard Strauss. Als Dirigent war der designierte Generalmusikdirektor der Dresdner , , vorgesehen.

Als dieser während einer „“-Vorstellung an der Deutschen Oper überraschend starb, war guter Rat teuer. Wer sollte nun diese Serie musikalisch verantworten? Noch dazu, wo man mit jener Oper starten wollte, die es in Salzburg kriegsbedingt nur zur Generalprobe gebrachte hatte und die alles andere als selbstverständlicher Teil des Opernrepertoires ist: „Die Liebe der Danae“.

Liebesgeschichten und Opernsachen Gerd Uecker, Operndirektor an der Bayerischen Staatsoper in München, heute Intendant der Dresdner Semperoper, wusste eine Antwort: Fabio Luisi. Er kannte den damals 43-jährigen Dirigenten von mehreren Dirigaten in München und wusste, dass dieser den dritten Akt dieser „Danae“ konzertant mit den Münchner Philharmonikern aufgeführt hatte.

Uecker sprach Luisi an und teilte ihm bei dieser Gelegenheit mit, dass ihn die Staatskapelle – sie war als Orchester für diese Produktion vorgesehen – kennenlernen wolle. Luisi sagte zu, fuhr zu Orchesterproben nach Dresden und traf sich mit dem Regisseur Günter Krämer.

Der Rest ist längst Geschichte: Die Produktion wurde ein Erfolg. Im Sommer 2003 setzte Luisi diese Strauss-Serie mit einer konzertanten Aufführung der „Ägyptischen Helena“ fort, 2006 folgte Mozarts „Idomeneo“ in der Fassung von Richard Strauss. Im Festspielsommer 2002 kam es auch zu einer Begegnung mit der Staatskapelle im Konzert. Sie entschloss sich spontan zu einem Benefizkonzert für die damals vom Hochwasser schwer betroffene Salzburger Bevölkerung.

Ein Italiener in Elbflorenz Wenig später stand Luisi abermals am Pult des Orchesters: bei Vorstellungen von „Tosca“, „Un ballo di maschera“ und „Madama Butterfly“ an der Semperoper. Damals, im Herbst 2003, wurde er erstmals damit konfrontiert, in der engeren Auswahl für die Sinopoli-Nachfolge zu stehen.

Wenig später machte das Orchester einen Dreiervorschlag, bereits am 7. Jänner 2004 wurde Luisi mit deutlicher Mehrheit vom Orchester zum neuen Generalmusikdirektor gewählt. So glatt, wie es aussah, ging diese Bestellung dann nicht über die Bühne. Ein Interview des

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damaligen Chefdramaturgen führte dazu, dass plötzlich diskutiert wurde, ob sich Luisi nicht auf die Aufgabe in der Oper beschränken, die Staatskapelle weiter dem interimistischen Leiter überlassen und erst später auch hier die Nachfolge antreten sollte. Genützt haben diese Querelen niemand, außer dass kurzfristig die Gefahr der Spaltung des Orchesters im Raum stand, Haitink vorzeitig seine Position verließ und seit dem nie mehr am Pult der Staatskapelle erschienen ist.

Längst ist auch dieses Kapitel Geschichte: Seit September 2007 amtiert der kürzlich 50 Jahre alt gewordene Fabio Luisi parallel zu seiner Aufgabe als Chefdirigent der Wiener Symphoniker als Dresdner GMD.

Die Kapelle im 461. Jahr Fünf Jahre läuft Luisis Vertrag mit der üblichen Option auf Verlängerung. Was man von ihm will, ist klar definiert: 40 Auftritte pro Saison, davon 28 in der Oper, zwölf im Konzert, Premierenverpflichtung gibt es keine. Aber bei einem GMD ist es ohnehin selbstverständlich, dass er die eine oder andere Neuproduktion selbst leitet. Im ersten Jahr waren es Wagners „Meistersinger“ und Verdis „Rigoletto“, dieses Jahr Verdis „Il trovatore“ und Mitte März Hindemiths „Cardillac“. Für die kommende Saison sind Verdis „La traviata“ und Franz Schmidts „Notre Dame“ geplant, schließlich zählt Luisi zu den Dirigenten, die sich von Anbeginn ihrer Karriere mit dem Schaffen dieses österreichischen Spätromantikers intensiv auseinander setzen.

Immer wieder dirigiert er dessen Symphonien und das „Buch mit sieben Siegeln“ – das Oratorium zuletzt beim Palmsonntagskonzert in der Semperoper, zugleich einem der fünf von zwölf Sinfoniekonzerten der Sächsischen Staatskapelle, die Luisi diese Saison leitet. Dabei reicht sein künstlerischer Radius von Schuberts „Unvollendeter“, der „Vierten Brahms“, dem Verdi-Requiem, Mahlers 5. Symphonie bis zu einer Uraufführung des für diese Saison gekürten „Capell-Compositeurs“ Bernhard Lang, womit Luisi die seit Jahrhunderten bestehende Uraufführungstradition des Orchesters fortsetzt. Immerhin gibt es die Staatskapelle seit 1548. Sie steht damit in ihrem 461. Jahr und ist das einzige, seit viereinhalb Jahrhunderten kontinuierlich bestehende Orchester.

Straussens „liebe Dräsdner“ Das ist nicht der einzige Rekord, mit dem die „Dresdner“ aufwarten können. Schwerlich wird man einen Klangkörper finden, der soviel erlauchte Namen bei seinen Chefdirigenten vereint – wie Heinrich Schütz, Johann Adolph Hasse, Carl Maria von Weber, , , , , Karl Böhm, , oder Giuseppe Sinopoli. Legendär wie die Musikdirektoren dieser „Zauberharfe“, wie Wagner das Orchester charakterisierte, ist auch die Beziehung zu Richard Strauss. Nicht weniger als 67 Jahre währte die Beziehung zwischen dem Komponisten und seinen „lieben Dräsdnern“. Begonnen hat sie 1882 mit der Uraufführung der Bläserserenade des damals 17-Jährigen, nicht weniger als neun seiner Opern erlebten an der Dresdner Semperoper ihre Weltpremiere.

Transparenz der Opulenz Richard Strauss zählt längst zum bevorzugten Repertoire von Fabio Luisi. Gleich zu Beginn seiner Dresdner Tätigkeit kündigte er eine Aufführung sämtlicher symphonischer Dichtungen

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und Konzerte von Strauss, die parallel dazu eingespielt werden, an. Ein ehrgeiziges, aber auch mutiges Unterfangen, hat man doch die große Konkurrenz im eigenen Haus. Denn die letzte Gesamteinspielung entstand ebenfalls in Dresden unter dem damaligen Chefdirigenten Rudolf Kempe.

Mittlerweile sind drei CDs dieser neuer Strauss-Serie erschienen: die erste mit „Don Quixote“ und der Romanze für Cello und Orchester (Solist: Jan Vogler), die zweite mit „“ und den Metamorphosen und eine dritte mit den „Vier letzten Liedern“, gesungen von , der „Alpensymphonie“.

„Wunderbar präsentiert sich das Klangbild, ein Sound zum darin Baden, aber gänzlich frei von obenauf schwimmenden Fettaugen“, urteilte die Plattenkritik über Luisis auf Transparenz setzende Lesart des in der Urfassung eingespielten „Heldenleben“. Die Aufnahme der „Alpensymphonie“ wird als eine der „vorzüglichsten Einspielungen“ gerühmt. „Auch die Beigabe ist luxuriös: Anja Harteros singt die ‚Vier letzten Lieder‘ mit warmer, wunderbar aufblühender Stimme“, lässt Werner Pfister seiner Begeisterung freien Lauf.

Am 20. und 21. April gibt es Gelegenheit, dies nachzuprüfen. Am ersten Abend gastiert die Sächsische ausschließlich mit Strauss: mit „Till Eulenspiegel“, „Also sprach Zarathustra“ und selbstverständlich der Harteros mit den „Vier letzten Liedern“, am zweiten Abend steht neben „Don Juan“ und der Burleske (mit dem vorzüglichen Emanuel Ax am Klavier) auch die „Vierten Brahms“ auf dem Programm. Gleich anschließend werden Luisi und seine „Dresdner“ damit nach Japan und China weiterreisen.

Walter Dobner Prof. Dr. Walter Dobner ist Musikkritiker, Programmautor, Juror und Buchautor. Er zeichnete die Autobiografie von Fabio Luisi „Erst der halbe Weg“ auf. Seine letzte Buchveröffentlichung ist „Unser Haydn“, Gespräche mit bedeutenden Interpreten anlässlich des Haydn-Jahres 2009.

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