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Hardy Kettlitz

Isaac Asimov Schöpfer der Foundation

SF Personality 19 Dies ist die 20. Ausgabe der Reihe SF Personality, die sich mit der Person und dem Werk ausgewählter SF-Autoren beschäftigt. Die einzelnen Beiträge verstehen sich nicht als literaturwissenschaftliche Abhandlung, sondern wur- den in mehreren Jahren Arbeit aus Spaß an der Sache produziert. Die Texte entstanden in der Zeit zwischen Mai 2000 und August 2009. Der Autor dankt allen, die das Projekt tatkräftig unterstützt haben, insbesondere Uwe Schlegel, Hans-Peter Neumann und Hannes Riffel. Vor allem aber Christian Hoffmann (für die Besprechungen der Bücher Fantastic Voyage I und II, Foundations Edge, Foundation and Earth und Nemesis) und Alexander Schepke (für die Besprechung der Lucky-Starr-Romane).

Impressum

SF Personality 19: Hardy Kettlitz – Der Schöpfer der Foundation

SHAYOL Verlag Bergmannstraße 25, 10961 Berlin www.shayol-verlag.de Tel. 030 - 69 50 51 17 © 2009 by Hardy Kettlitz (Text) © 2009 by Hans-Peter Neumann (Bibliographie) © 2009 by Thomas Thiemeyer (Titelbild) Redaktionsschluss: September 2009 Herausgegeben und gestaltet von Hardy Kettlitz Redaktion: Uwe Schlegel Korrektur: Hans-Peter Neumann Produktion: Ronald Hoppe Druck und Verarbeitung: Schaltungsdienst Lange, Berlin SF PERSONALITY ist Teil des SHAYOL-Projektes, das ohne Gewinnorientierung SF-Texte und Texte über SF veröffentlicht. Preis: 22,90 Euro ISBN 978-3-926126-88-7

 SF Personality 19 · Isaac Asimov Inhalt

1. Einführung...... 5 1.1. Warum Isaac Asimov?...... 5 1.2. Biographie...... 5 1.3. Zur Orientierung...... 9 1.4. Die Robotergesetze...... 9

2. Die ersten Erzählungen (1939–1949)...... 10 2.1. Debüt und Einstieg in die SF-Szene...... 10 2.2. Magazinstar Asimov...... 22

3. Die fünfziger Jahre...... 31 3.1. Die frühe Foundation-Trilogie...... 3 1 3.2. Foundation...... 35 3.3. Storys 1950–1954...... 45 3.4. Die Roboterkrimis...... 67 3.5. Das Ende der Ewigkeit...... 71 3.6. Storys 1955–1959...... 72 3.7. Lucky Starr...... 102 3.8. Der erste Kriminalroman...... 109

4. Die sechziger Jahre...... 111 4.1. Storys 1960–1969...... 111 4.2. Die phantastische Reise...... 122

5. Die siebziger Jahre...... 124 5.1. Ein Hugo für Asimov...... 124 5.2. Storys 1970–1979...... 126 5.3. Die Larry-Storys...... 142 5.4. Die Schwarzen Witwer...... 142 5.5. Mord auf der Buchmesse...... 146

6. Die achtziger Jahre...... 147 6.1. Foundation in den Achtzigern...... 147 6.2. Dr. Schapirow und Nemesis...... 157 6.3. Storys 1980–1989...... 160 6.4. Erzählungsbände 1980–1989...... 167 6.5. Norby...... 173 6.6. Die Azazel-Storys...... 174

7. Die neunziger Jahre...... 183 7.1. Der letzte Foundation-Roman...... 183 7.2. Storys 1990–1995...... 185

SF Personality 19 · Isaac Asimov  8. Asimovs Universum...... 193 8.1. Isaac Asimov’s ...... 193 8.2. Robot City...... 195 8.3. Robots & Aliens...... 197 8.4. Romane nach Asimovs Storys...... 199 8.5. Weitere Roboterromane...... 201 8.6. Isaac‘s Universe...... 202 8.7. Die zweite Foundation-Trilogie ...... 204 8.8. Satire auf Asimov...... 208 8.9. Reale Roboter...... 210

9. Asimov als Herausgeber...... 212 9. 1. The Hugo Winners...... 212 9. 2. Nebula Awards...... 213 9. 3. The Great SF Stories...... 213 9. 4. Science Fiction Shorts...... 215 9. 5. Isaac Asimov‘s Wonderful Worlds of Science Fiction...... 216 9. 6. Isaac Asimov‘s Magical Worlds of Fantasy...... 216 9. 7. Anthologien für Jugendliche...... 217 9. 8. The Mammoth Book of ...... 217 9. 9. Einzelanthologien...... 218

10. Asimov als Sachbuchautor...... 234 10.1. Einzelne Sachbücher...... 234 10.2. Essays aus The Magazine of Fantasy and Science Fiction...... 253 10.3. How Did We Find Out About...... 254 10.4. Isaac Asimov‘s Library of the Universe...... 255

11. Weitere Bücher...... 257 11.1. Diverse Themen...... 257 11.2. Autobiographien...... 258

12. Verfilmungen...... 260 12.1. Fernsehen und frühe Filmarbeiten...... 260 12.2. The Bicentennial Man...... 261 12.3. I, Robot...... 261 12.4. Foundation...... 262

13. Titelübersicht...... 263 13.1. Asimovs Bücherliste...... 263 13.2. Ausgewählte Sekundärliteratur über Asimov...... 271

14. Bibliographie der belletristischen Werke Isaac Asimovs...... 272

15. Index...... 370

 SF Personality 19 · Isaac Asimov Themenanalyse der 1. Einführung Asimov-Bücher Eigene Belletristik SF- und Fantasybücher 15 % 1.1. Warum Isaac Asimov? Krimis und Krimicollections 3 % gesamt 18 % Als ich Anfang der 1990er Jahre die Reihe SF Personality begann, hatte ich mir vorgenom- Anthologien 25 % men, auf unbekannte und vergessene Auto- ren aufmerksam zu machen. Und es hat auch Sachbuch großen Spaß gemacht, das Gesamtwerk zum Naturwissenschaft 35 % Beispiel von oder Edgar Pang- Essaysammlungen 9 % born zu lesen und zu untersuchen. Sachbücher zu Geschichte und Literatur 8 % Vor den Größen der Science Fiction bin ich anderes 6 % damals aus verschiedenen Gründen zurück- gesamt 57 % geschreckt. Zum einen ist das Werk von Auto- ren wie Asimov, Heinlein oder Farmer enorm umfangreich, so dass die Arbeit an einer Aus- Ich habe mich hauptsächlich mit dem bel- gabe sich über Monate oder gar mehrere Jahre letristischen Werk Asimovs beschäftigt, auch hinzieht. Zum anderen ist bereits unglaublich wenn es den geringeren Teil seines Schaffens viel Material publiziert worden. Allerdings ausmacht. Im Vorwort zu Best of Asimov (1973) meist nur über die wichtigsten Werke wie im schrieb er, dass er rund zwei Millionen Wörter Fall von Asimov die Robotergeschichten oder Science Fiction, aber immerhin 7,5 Millionen auch den Foundation-Zyklus. Wörter Non-SF geschrieben hätte. Danach Außerdem hielt ich Asimov für einen sehr folgten immerhin noch ca. 20 aktive Autoren- durchschnittlichen Autor, dessen literarische jahre, die das Verhältnis noch weiter Richtung Qualitäten oftmals zu wünschen übrig lassen. Non-SF verschoben haben. An dieser Meinung hat sich auch nach der Ich gehe auf die in deutscher Übersetzung Arbeit an diesem Buch nicht viel geändert. vorliegenden Werke ausführlicher ein als Andererseits hat aber Asimov einen nicht zu auf Texte, die es nicht bis nach Deutschland übersehenden Einfluss auf die Science Fiction geschafft haben. Der Grund dafür ist vor allem, ausgeübt. dass der Leser dieser Ausgabe relativ geringe Landläufig – vor allem außerhalb der SF- Chancen hat, die wenigen nicht übersetzten Szene – gilt Asimov als bekanntester SF-Autor Texte in die Hand zu bekommen, denn sie sind der Welt. Er war wohl auch der erste, dessen Tod meist nur in alten Magazinen erschienen. sogar in der Tagesschau vermeldet wurde. Die- ser Bekanntheitsgrad dürfte im wesentlichen zwei Ursachen haben: Erstens hat Asimov sehr 1.2. Biographie populär und leichtverständlich geschrieben, es dabei jedoch verstanden, Wissen zu vermit- Kindheit und Jugend teln, wenn auch oft ein erhobener Zeigefinger Isaac Asimov wurde zwischen dem 4. Oktober aus den Buchseiten sticht. Zweitens ist seine 1919 und dem 2. Januar 1920 in Petrowitsch Bekanntheit eine Folge von Quantität, denn bei Smolensk in Russland geboren. In seiner unter Asimovs Namen wurden im Laufe meh- Autobiografie In Memory Yet Green schrieb rerer Jahrzehnte über 500 Bücher veröffentlicht. Asimov selbst, dass sein genaues Geburtsda- Hier eine statistische Auswertung der Themen- tum wegen fehlender Dokumente und Abwei- gebiete in Prozent am Gesamtwerk: chungen zwischen dem Gregorianischen und

SF Personality 19 · Isaac Asimov  dem Hebräischen Kalender Herausgeber von Astounding nicht bekannt seien und auch Science Fiction, geschickt, die seine Eltern keine genaueren jedoch abgelehnt wurden. Im Angaben machen konn- Juli 1939 erschien schließlich ten. Er selbst feierte seinen Asimovs erste Geschichte in Geburtstag jedoch immer am Astounding. Campbell hatte 2. Januar. in den folgenden Jahren gro- Seine Eltern waren Judah ßen Einfluss auf die schriftstel- Asimov und Anna Rachel lerische Entwicklung Asimovs Berman Asimov; sie gehör- und wurde zu einem guten ten zu einer generationenal- Freund des Autors. In den fol- ten Müllerfamilie. Der Name genden Jahren wurden einige Asimov wurde damals in der wichtigsten Geschichten Russland Озимов (Osimow) Asimovs gedruckt, vor allem geschrieben und leitet sich die Foundation- und Roboter- von dem Wort Osimije ab, das Wintergetreide geschichten. 1941 erschien »Nightfall«, seine bedeutet, mit dem sein Urgroßvater gehan- 32. Kurzgeschichte, die 1968 von den Science delt hat. Fiction Writers of America zur besten SF-Erzäh- Isaac hatte zwei Geschwister, seine Schwe- lung aller Zeiten gewählt wurde. Ein Jahr spä- ster Marcia (geb. 1922) und seinen Bruder Stan- ter, also 1942, wurde die erste Erzählung des ley (1929–1995). Foundation-Zyklus veröffentlicht, der Asimov Als Isaac drei Jahre alt war, wanderte die zu einem der weltweit populärsten SF-Autoren Familie in die USA aus. Da seine Eltern mit machen sollte. ihm immer Jiddisch und Englisch sprachen, lernte Isaac nie Russisch. Die Eltern betrieben Ausbildung in Brooklyn (New York) einen »Candy Store«, in Asimov besuchte öffentliche Schulen in New dem alle Familienmitglieder arbeiteten. Isaac York, unter anderem eine Boys’ High School verbrachte einen großen Teil seiner Kindheit in in Brooklyn. Später wechselte er zur Colum- dem Laden. In seiner Autobiografie I. Asimov bia University, von der er 1939 abging. Wäh- beschreibt er sehr anschaulich, dass er bereits rend des Zweiten Weltkriegs verbrachte er mit fünf Jahren lesen konnte und einige Zeit drei Jahre als Zivilist bei der Naval Air Experi- später im Laden auf Science-Fiction-Pulpma- mental Station in Philadelphia. Nach Kriegs- gazine stieß. Vater Asimov war es nicht recht, ende wurde er in die U.S. Army einberufen, dass der Sohn diese seltsamen Geschichten diente dort neun Monate und erreichte – nicht verschlang, sodass Isaac sich oft mit den Hef- zuletzt durch sein Geschick im Umgang mit der ten versteckte und sie heimlich las. Ungefähr Schreibmaschine – den Rang eines Corporals. im Alter von elf Jahren begann Isaac selbst Nachdem er in Ehren entlassen worden war, Geschichten zu verfassen. Als er neunzehn kehrte er an die Columbia University zurück Jahre alt war, entdeckte Isaac das Science- und erlangte 1948 den Doktorgrad im Fach Fiction-Fandom, wurde Mitglied des Freun- Biochemie. Nun durfte er sich Dr. Asimov deskreises The und konnte seine nennen und wechselte zur School of Medi- erste Geschichte (»Marooned off Vesta«) an cine der Boston University, der er auch später das Magazin verkaufen, wo weiter verbunden blieb. Als 1958 die Höhe sie im März 1939 erschien. Bereits im Sommer seiner Honorare aus der schriftstellerischen und Herbst 1938 hatte er drei Geschichten Tätigkeit sein Einkommen an der Universität (»Cosmic Corkscrew«, »Stowaway« und »This überschritt, entschloss sich Asimov, hauptbe- Irrational Planet«) an John W. Campbell jr., den ruflicher Schriftsteller zu werden, um sich aus-

 SF Personality 19 · Isaac Asimov schließlich auf das Schreiben konzentrieren zu und Außerirdische drehten. Asimov schrieb können, war aber trotzdem außerordentlicher einen Entwurf, berücksichtigte dabei aber Professor an der Boston University und 1979 nicht McCartneys Dialogfragmente. McCart- wurde er dann aufgrund seiner zahlreichen ney verwarf den Entwurf jedoch, weil er ihm Veröffentlichungen Professor für Biochemie. nicht gefiel. Das Papier ist in den Archiven der Asimovs persönliche Unterlagen aus den Jah- Boston University zu finden. ren seit 1965 sind in der Bibliothek der Boston University archiviert. Die 464 Kisten füllen eine Ehe Regallänge von 71 Metern. Asimov war zweimal verheiratet. Seine erste Frau (geb. Gertrude Blugerman, 1917–1990) Schaffensphasen heiratete er am 26. Juli 1942. Aus der Ehe gin- Obwohl Asimov sehr konstant gearbeitet hat, gen zwei Kinder hervor, David (geb. 1951) und gibt es in seiner Autorenkarriere mehrere Schaf­ Robyn Joan (geb. 1955). Im Jahr 1970 trennte fensphasen, in denen er sich auf unterschied­ sich Asimov von Gertrude und wurde 1973 von liche Themen konzentrierte. ihr geschieden. Noch im selben Jahr heiratete Anfangs schrieb er fast ausschließlich er Janet O. Jeppson. Science Fiction. 1939 erschienen seine ers- ten Erzählungen, ab 1950 folgten einige SF- Persönliche Eigenheiten Romane. Diese Phase endete 1957 mit dem Asimov war mittelgroß, untersetzt und trug Roman The Naked Sun, obwohl er auch wei- über viele Jahrzehnte einen eigenartigen Bac- terhin Erzählungen schrieb. Asimov selbst kenbart, der zu seinem Erkennungszeichen bezeichnete die fünfziger Jahre als sein ›gol- wurde. Er war sehr unsportlich und lernte Zeit denes Jahrzehnt‹, weil er dort einige seiner seines Lebens nicht Schwimmen oder Fahr- besten Geschichten in Magazinen wie Galaxy radfahren. Immerhin lernte er das Autofahren, und The Magazine of Fantasy and Science nachdem er nach Boston umgezogen war. Fiction veröffentlichte. Asimov mochte enge, geschlossene Räume 1952 war er zum ersten Mal an einem Lehr- und hielt sich lieber in Gebäuden als im Freien buch beteiligt und ab 1954 schrieb er regelmä- auf. In seiner ersten Autobiographie erinnert ßig Sachbücher, die zum Teil sehr populär und er sich an einen Kindheitswunsch, später ein- erfolgreich waren. Bis zum Anfang der acht- mal einen Zeitungskiosk in einer New Yorker ziger Jahre schrieb er nur wenige SF-Werke, U-Bahn-Station zu betreiben. bis er schließlich 1982 seine zweite Science- Asimov hatte Angst vor dem Fliegen. In Fiction-Karriere startete, die bis zu seinem seinem ganzen Leben ist er nur zweimal mit Tod andauerte und in der er einige Sequels einem Flugzeug geflogen, beide Male wäh- und Prequels seiner populären Roboter- und rend seiner Zeit bei der Army. Daher verreiste Foundation-Romane schrieb. Parallel dazu er nur selten und seine Flugangst machte die schrieb er über Jahrzehnte hinweg Kolumnen Organisation von Langstreckenreisen sehr für diverse Magazine und Zeitschriften. Am kompliziert. In den 70er Jahren unternahm bekanntesten war seine populärwissenschaft- er mit seiner Frau Janet per Bahn einige Rei- liche Kolumne in The Magazine of Fantasy and sen nach Florida und Kalifornien. Außerdem Science Fiction, die von 1958 bis 1992 erschien fuhren die beiden oft und gern mit Kreuz- und aus der allein 27 Bücher resultierten. fahrtschiffen in die Karibik, nach Westafrika, Im Dezember 1974 wurde Asimov übrigens England und Frankreich. Asimov ließ sich auf vom Ex-Beatle Paul McCartney gefragt, ob er den Schiffen häufig für das Unterhaltungs- das Drehbuch für ein Science-Fiction-Filmmu- programm einsetzen. Er hielt Vorträge zu wis- sical schreiben könne. McCartney hatte bereits senschaftlichen Themen, zum Beispiel auf der einige Ideen, die sich um eine Rockband Queen Elizabeth 2.

SF Personality 19 · Isaac Asimov  Asimov war ein sehr unterhaltsamer und Humanist Association; sein Nachfolger wurde begehrter Redner. Er hatte ein außerordent- dann sein Freund Kurt Vonnegut. liches Gespür für Timing, schaute nie auf die Asimov war ebenfalls ein enger Freund des Uhr und hielt sich trotzdem immer genau an Star-Trek-Erfinders Gene Roddenberry. Im die vorgegebene Redezeit. ersten Kinofilm Star Trek: The Motion Picture Asimov konnte es nicht ausstehen, dass ihn wurde Asimov übrigens als wissenschaftlicher irgendjemand mit einem Spitznamen versah, Berater genannt. vielleicht mit Ausnahme der Bezeichnung »The Good Doctor«. Nur eine Handvoll sehr Tod enger Freunde durfte ihn Ike nennen. Isaac Asimov starb am 6. April 1992. Zehn Jahre Außerdem wurde er sehr ärgerlich, wenn sein nach seinem Tod enthüllte seine Frau Janet in Name irgendwo falsch geschrieben worden einer zusammengefassten Neuausgabe von war, zum Beispiel »Azimov«. Nicht zuletzt des- Asimovs Autobiographien mit dem Titel It’s halb schrieb er 1957 die Geschichte »Spell my Been a Good Life, dass Isaac an AIDS gestorben Name with an ›S‹«. Auf der Novemberausgabe war. Er wurde versehentlich durch eine Blut- des Magazins Galaxy wurde seine Geschichte transfusion während einer Bypass-Operation »The Martian Way« angekündigt, und der Name im Dezember 1983 mit HIV infiziert. darunter lautete »Issaac Asimov«. Selbst in der deutschsprachigen Wikipe- Preise und Auszeichnungen dia war sein Name beim Eintrag zur »Psycho­ Asimov wurde häufig ausgezeichnet, was er historik« falsch geschrieben, dort stand noch nicht nur der Qualität seiner Werke, sondern im März 2009 mehrfach der Name »Isaak Asi- auch seinem Fleiß und seinem Bekanntheits- mov«. grad zu verdanken hatte. Zum Beispiel erhielt er ganze 14 Ehrendoktortitel von unterschied- Science Fiction Conventions lichen Universitäten. Asimov war, seit er das SF-Fandom entdeckt 1957 erhielt er den ›Thomas Alva Edison hatte, regelmäßiger Besucher und Ehrengast Foundation Award‹ für das Buch Building von Science Fiction Conventions, auf denen Blocks of the Universe. er immer freundlich und zugänglich auftrat. 1960 wurde er mit dem ›Howard W. Blakes- Den Fans gegenüber beantwortete er gedul- lee Award‹ der American Heart Association für dig zehntausende von Fragen, gab gern Auto- sein Buch The Living River ausgezeichnet. Es gramme und beantwortete auch sonst Fragen handelt sich dabei um ein Sachbuch über den von Lesern per Post, meist auf Postkarten. menschlichen Blutkreislauf. 1962 folgte der ›Publication Merit Award‹ Interessen und Hobbys der Boston University. Wie man zahlreichen Vorwörtern und seinen Den ersten Science-Fiction-Preis erhielt er Satirebüchern entnehmen kann, war Asimov 1963, nämlich einen ›Hugo Award‹ als Sonder- begeisterter Zuschauer der Operetten von Gil- auszeichnung für seine populärwissenschaft- bert und Sullivan und auch Mitglied in einer lichen Artikel in The Magazine of Fantasy and Organisation, die sich mit den Komponisten Science Fiction. Die Begründung für die Aus- beschäftigte. Ebenso war er Mitglied im Wolfe zeichnung war, dass er »die Wissenschaft zur Pack, einer Gruppe, die sich für die Nero- Science Fiction hinzufügte«. Wolfe-Romane von Rex Stout begeisterte. Er 1965 erhielt er den ›James T. Grady Award‹ war auch ein prominentes Mitglied der Baker der American Chemical Society. Street Irregulars, der wichtigsten Sherlock- 1966 folgte bereits wieder ein ›Hugo Award‹, Holmes-Gesellschaft. Von 1985 bis zu seinem diesmal ebenfalls ein Sonderpreis für die »Best Tod 1992 war Asimov Präsident der American All-time Novel Series« Foundation.

 SF Personality 19 · Isaac Asimov 1967 wurde er wieder für seine Sachbücher 1.4. Die Robotergesetze mit dem ›Westinghouse Science Writing Award‹ ausgezeichnet. Wie bereits erwähnt gehören die Roboter- Für den Roman The Gods Themselves erhielt geschichten zu den wichtigsten Texten in er 1973 sowohl den ›Hugo Award‹ als auch den Asimovs Werk. Auf Anregung von John W. ›Nebula Award‹. Campbell, dem Herausgeber des Magazins 1977 erhielt er wiederum ›Hugo Award‹ Astounding, postulierte Asimov drei Robo- und ›Nebula Award‹ in der Kategorie ›Best tergesetze, an die sich jeder seiner Roboter Novelette‹ für »The Bicentennial Man«. halten muss und die mehr als einmal selbst zu 1981 wurde ein Asteroid nach ihm benannt. Konflikten führen. 1983 wurde Foundation’s Edge mit dem Da die Robotergesetze im Folgenden sehr ›Hugo Award‹ als bester Roman ausgezeich- häufig erwähnt werden, hier einmal ihr Wort- net. laut: 1987 erhielt er den ›Nebula Grandmaster Award‹ für sein Lebenswerk. 1. Ein Roboter darf kein menschliches Wesen 1992 folgte der ›Hugo Award‹ in der Katego- verletzen oder durch Untätigkeit gestatten, rie ›Best Novelette‹ für die Erzählung »Gold«. dass einem menschlichen Wesen Schaden Seine Autobiografie I. Asimov: A Memoir zugefügt wird. wurde 1995 mit dem ›Hugo Award‹ in der 2. Ein Roboter muss den ihm von einem Kategorie ›Best Nonfiction‹ ausgezeichnet. Menschen gegebenen Befehlen gehorchen 1996 wurde der sogenannte ›Retro-Hugo – es sei denn, ein solcher Befehl würde mit 1946‹ für den besten Roman des Jahres 1945 Regel eins kollidieren. verliehen, und Asimov erhielt ihn für »The 3. Ein Roboter muss seine Existenz beschüt- Mule«, die siebente Foundation-Geschichte. zen, solange dieser Schutz nicht mit Regel 1997 wurde Asimov posthum in die ›Science eins oder zwei kollidiert. Fiction and Fantasy Hall of Fame‹ aufge- nommen. Zum ersten Mal wurden die Robotergesetze in der Geschichte »Runaround« (1942) erwähnt. Im späten Roman Robots and Empire wurde 1.3. Zur Orientierung noch ein Nulltes Gesetz hinzugefügt:

In den folgenden Kapiteln werden alle SF- 0. Ein Roboter darf die Menschheit nicht Geschichten und -Romane von Asimov bespro- verletzen oder durch Passivität zulassen, chen. »Mysteries« und Kriminalgeschichten dass die Menschheit zu Schaden kommt. sowie Sachliteratur werden weitgehend nur kurz erwähnt, wenn sie keinen direkten Bezug Die nachfolgenden Gesetze wurden dann zu SF-Werken des Autors haben. Ich habe entsprechend modifiziert, da sie hirarchisch darauf verzichtet, alle deutschen Veröffent­ aufgebaut sind. lichungsdaten im Text zu nennen, als deutsche Titel sind die der geläufigsten und verbrei- tetsten Ausgaben aufgeführt. Wer sich näher für einzelne Texte interessiert und erfahren möchte, in welchen Büchern sie erschienen sind, kann sich an der deutschen Bibliographie orientieren. Bestimmte Texte lassen sich über den Index am Ende dieses Buches finden.

SF Personality 19 · Isaac Asimov  2. Die ersten Erzählungen (1939–1949)

2.1. Debüt und Einstieg in die SF-Szene

»Marooned off Vesta« (März 1939 in Amazing Stories; dt. »Gefangene des Alls« bzw. »Havarie vor Vesta«) Dies ist die erste professionelle Geschichte, die Asimov verkaufen konnte, und das sogar an eines der angesehensten Magazine der dreißiger und vierziger Jahre. Laut seiner eige- nen Aussage war es die dritte, die er mit ern- sten Absichten geschrieben hatte. Die erste wurde nicht gedruckt und existiert wohl auch nicht mehr. Die zweite wurde erst Jahre später verkauft und Asimov meinte, sie wäre nicht sonderlich gut. Asimov thematisiert ein typisches SF-Pro- sondern in den Dialogen der Protagonisten blem: Nachdem das Raumschiff Silver Queen reflektiert. mit der Vesta zusammengestoßen ist, ohne vorher ein Notsignal absetzen zu können, »The Weapon Too Dreadful to Use« befindet sich ein Wrackteil mit drei Überle- (Mai 1939 in Amazing Stories; nicht auf Deutsch) benden in der Umlaufbahn des Asteroiden. Es geht in dieser Geschichte um einen Krieg Zwar leben Menschen auf Vesta, jedoch hat zwischen der Erde und der Venus, und es man kein Funkgerät, um sich mit ihnen in muss eine Entscheidung gefällt werden, ob Verbindung zu setzen, und der Sauerstoff eine schreckliche Waffe eingesetzt wird oder reicht nur noch für drei Tage. Allerdings hat nicht. man Wasser im Überfluss, denn der riesige Asimovs zweite veröffentlichte Geschichte Wassertank des Raumschiffs befindet sich in wurde nie ins Deutsche übertragen. Allerdings dem unversehrten Wrackteil. Nun bedarf es sollte das nicht verwundern, denn obwohl nur kurzen Nachdenkens, und die Rettung aus er zu den drei bekanntesten SF-Autoren der eigener Kraft ist möglich ... Welt zählt, war er so ungeheuer produktiv, Auch wenn man berücksichtigt, dass Asimov dass nicht alles übersetzt wurde. Es ist jedoch erst 19 Jahre alt war, als er diese Geschichte auch nicht weiter dramatisch, denn gerade schrieb, so ist sie doch sehr hölzern formuliert unter den ersten Erzählungen waren einige, und orientiert sich stark an den Klischees der die man nicht zwingend gelesen haben sollte, Pulps ihrer Zeit. Ein typisches Merkmal von wie Asimov selbst später bemerkte. Asimovs Erzählweise ist jedoch hier bereits erkennbar: Der dramatische Ausgangspunkt der Geschichte, also die Raumschiffkata- strophe selbst, wird nicht direkt geschildert,

10 SF Personality 19 · Isaac Asimov Jahren tatsächlich flugfähig ist. Als die erste Expedition den Mond umrundet hat und zur Erde zurückkehrt, hat sich das politische Klima jedoch schon wieder verändert und die Wissen- schaftler werden als Helden gefeiert. Zweifellos schrieb Asimov diese düstere Zukunftsvision, die in den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts angesiedelt ist, beein- flusst durch die politische Situation kurz vor dem Zweiten Weltkrieg. Wobei die Pointe sehr aufgesetzt wirkt, in einigen Details jedoch dar- auf schließen lässt, dass der Autor bereits über seine in den Foundation-Geschichten geschil- derte Psychohistorie nachdachte. Andererseits war er doch noch sehr den Ideen der Pulps verhaftet, indem er fünf Wissenschaftler inner- halb kurzer Zeit quasi auf dem Hinterhof ein weltraumtaugliches Schiff bauen ließ.

Asimov war 1939 mehr Fan als Autor. Im Alter von 19 Jahren hatte er zwar ein gewisses Talent, jedoch wenig Gespür für Literatur. Seine Kurz- geschichten waren typisch für die Science »Trends« Fiction der damaligen Zeit, und so drehten (ursprünglicher Titel: »Ad Astra«; Juli 1939 in Astounding sie sich – wie auch Jahre später noch – haupt- Science-Fiction; dt. »Tendenzen«) sächlich um Wissenschaft und Abenteuer, also Diese Erzählung nannte Asimov zuweilen typische Männerdomänen. Seine Einstellung seine »erste richtige« Veröffentlichung, denn dazu illustriert ein Zitat aus seinem Leserbrief, sie erschien im damals führenden Maga- der in im November 1939 zin auf dem SF-Markt und der junge Asimov erschien: war ganz besonders stolz darauf, dass John W. Campbell seine Story angekauft hatte. Sie Frauen passen gelegentlich, wenn man sie ist deutlich »kopflastiger« als die meisten sei- sittsam und zurückhaltend schildert, ganz ner frühen Geschichten. Auf wenigen Seiten gut in die Handlung einer Science-Fiction- skizziert Asimov eine dystopische Zukunft, in Story. der religiöse Eiferer das Ruder übernommen haben. Einige Wissenschaftler entwickeln das »Half-Breed« erste Raumschiff, doch selbst die Medien wet- (Februar 1940 in Astonishing Stories; dt. »Gleichberechtigung tern dagegen und wiegeln die Bevölkerung nur für Gleiche«) gegen die »Gotteslästerung« auf. Durch einen Professor Jefferson Scanlon ist ein Wissen- Sabotageakt explodiert das Raumschiff beim schaftler, der sich in den Kopf gesetzt hat, Start. Nicht zuletzt aufgrund dieser Katastrophe die Atomenergie friedlich nutzbar zu machen. wird wissenschaftliche Forschung durch einen Doch seine Experimente schlagen fehl. Eines Kongressbeschluss stark eingeschränkt und Tages beobachtet er ein paar Jungen, die einen teilweise verboten. Die Raketenwissenschaftler Misch verfolgen. Misch werden Mischlinge verstecken sich und bauen heimlich zu fünft ein zwischen Mensch und Marsianer genannt, sie neues, kleineres Raumschiff, das nach wenigen unterscheiden sich jedoch nur durch ihre stör-

SF Personality 19 · Isaac Asimov 11 rische weiße Haarmähne von den Erdbewoh- kaum etwas anderes als ein Reservat ist, das nern. Die Mischs werden allerorten verfolgt mit Sicherheit nicht zur Integration der Frem- und diskriminiert, weshalb sie für gewöhnlich den in die Gesellschaft beitragen kann und in staatlich betreuten Heimen leben müssen. vielleicht erst recht Vorurteile und Hassge- Scanlon hat Mitleid mit dem verfolgten Jun- fühle schüren würde. Stattdessen lässt er gen namens Max und nimmt ihn zu sich. Einige seine Mischlinge zu einer Superrasse werden, Zeit später zeigt sich, dass der Junge sehr die später das Sonnensystem beherrschen intelligent ist und dem Professor die wesentli- soll. Und selbst wenn sie zunächst zur Venus che Anregung zur Lösung des Atomproblems auswandern, sind spätere Konflikte mit der geben kann. Menschheit vorprogrammiert. Spätere Erzäh- Jahre später ist der Professor durch seine lungen Asimovs sind deutlich weitsichtiger. Erfindung reich und berühmt. Max jedoch Übrigens war es die erste Erzählung, bei fühlt sich einsam, und so beschließt Scan- der Asimov namentlich auf dem Cover eines lon, ihm eine Gefährtin zu besorgen. Im Laufe Magazins erwähnt wurde. der folgenden vierzig Jahre baut Scanlon eine ganze Stadt für die Mischs, doch die Menschen »Ring Around the Sun« fürchten sich vor ihnen, und so beschließen (März 1940 in Future Fiction; nicht auf Deutsch) die Mischs, zur Venus auszuwandern. In dieser eher uninteressanten Geschichte flie- Auch wenn Asimov mit der Thematik offen- gen zwei Testpiloten mit einem Raumschiff- sichtlich versucht, sich gegen Rassismus zu prototypen und nähern sich der Sonne mehr wenden, so sind die Überlegungen seines an, als es je versucht wurde. Beinahe geht Protagonisten Scanlon in ihrer Naivität kaum das Experiment schief. Asimov versuchte diese weniger rassistisch. Asimov hat wohl nicht Geschichte humoristisch zu gestalten, was lei- bedacht, dass eine eigene Stadt für die Misch der misslungen ist.

12 SF Personality 19 · Isaac Asimov »The Callistan Menace« (ursprünglicher Titel: »Stowaway«; April 1940 in Astonishing Stories; dt. »Gefahr auf Callisto«) Nachdem bereits sieben Expeditionen zur Callisto gescheitert und verschwunden sind, ist nun das Aufklärungsschiff Ceres dorthin unterwegs, um das Rätsel des Jupitermondes zu lösen. Von den vorherigen Expeditionen gibt es kein Lebenszeichen, die Nerven der Besatzungsmitglieder sind bis zum Zerreißen gespannt. Obendrein findet man an Bord einen blinden Passagier: einen zwölfjährigen Jun- gen, der reichlich romantische Vorstellungen von der Raumfahrt hat. Auf Callisto gelandet, werden die Raumfahrer mit Wurm-Monstern konfrontiert, die eine Art Magnetfeld besitzen, das von Metall verstärkt wird. Zwei bewusst- lose Besatzungsmitglieder können nur von dem Jungen gerettet werden, weil dessen Raumanzug keine Metalle enthält. Es handelt sich um eine simple, kaum erwähnenswerte Geschichte in typischer Pulp­ manier, die kaum ahnen lässt, dass Asimov schon sehr bald einige beachtliche Beiträge sein Name in den kommenden Jahrzehnten zur SF-Literatur liefern wird. meist in einem Zug mit Robotergeschichten genannt werden sollte. »The Magnificent Possession« Im Jahr 1998 ist die Robotertechnologie (ursprünglicher Titel: »Ammonium«; Juli 1940 in Future Fic- so weit entwickelt, dass die menschenähn- tion; nicht auf Deutsch) lichen Maschinen bereits zur Kinderbetreu- Bei Experimenten wird zufällig eine Substanz ung eingesetzt werden, aber noch nicht mit hergestellt, die genau wie Gold aussieht. Natür- Sprachprozessoren ausgestattet sind. Jedoch lich versuchen mehrere Personen, dieses Gold nutzen erst wenige sehr fortschrittliche Eltern an sich zu bringen, und vor allem will man her- die Technologie, viele Menschen fürchten sich ausfinden, wie das Gold hergestellt wird. Asi- vor den Robotern. mov versuchte erneut, mit dieser Geschichte Der Spielgefährte der achtjährigen Gloria witzig zu sein, was ihm nicht gelang. Weston wird genannt. Das Kind spielt mit Robbie und erzählt ihm Geschichten, kurz: Es »Robbie« liebt seinen Roboter ebenso wie es seine Eltern (Titel bei Erstveröffentlichung: »Strange Playfellow«; liebt. Während der Vater stolz auf die technolo- September 1940 in ; dt. »Robbie« bzw. »Ein gische Errungenschaft ist, befürchtet die Mutter, seltsamer Spielgefährte«) dass Gloria vereinsamen könnte und der Robo- Mit dieser Geschichte begann der schein- ter womöglich eines Tages – verursacht durch bar nicht enden wollende Zyklus der Robo­ eine Fehlfunktion – das Kind verletzen könn- tergeschichten, die, zusammen mit den Foun- te. Sie besteht darauf, dass Robbie aus dem dation-Storys Asimovs Weltruhm begründe- Haushalt verschwindet und durch ein Haustier ten. Damals gerade einmal zwanzig Jahre alt, ersetzt wird. Gloria ist tief betrübt und lässt sich ahnte Asimov sicher noch nichts davon, dass von den Eltern nicht trösten. Um das Mädchen

SF Personality 19 · Isaac Asimov 13 abzulenken, wird eine Reise nach New York geplant, das in Asimovs Zukunftswelt inzwi- schen zu einer Vergnügungsmetropole gewor- den ist. Während Mrs. Weston hofft, ihre Tochter auf andere Gedanken zu bringen, glaubt Gloria insgeheim, ihren geliebten Robbie wiederzu- finden. Die Erzählung ist der chronologisch erste Text der Robotergeschichten und nicht nur der Auftakt zu einer ganzen Reihe weiterer Roboter-Storys in Astounding, sondern auch die erste Geschichte im 1950 erschienenen ersten Erzählungsband des Autors I, Robot (dt. Ich, der Robot). Die Handlung ist einfach gestrickt und sehr geradlinig und schnörkellos erzählt. Dennoch erreicht Asimov durch die aufgrund des Verlu- stes des Spielkameraden ausführlich geschil- derten Leiden des kleinen Mädchens die Leser auf einer sehr emotionalen Ebene.

»Homo Sol« (September 1940 in Astounding Science-Fiction; nicht auf Deutsch) »History« Die Menschheit hat den interstellaren Raum- (März 1941 in Super Science Stories; nicht auf Deutsch) flug entwickelt und ist eigentlich bereit, sich Eine wenig interessante Geschichte, in der zu einer galaktischen Zivilisation auszuweiten. ein pazifistischer Professor auf dem Mars die Allerdings macht die Psychologie einen Strich Lösung zur Beendigung eines schrecklichen durch die Rechnung, denn ein Psychologe fin- Krieges auf der Erde in der Hand hält. det anhand exakter psychologischer Berech- nungen heraus, dass die Menschheit allen »The Secret Sense« anderen humanoiden Spezies unterlegen ist. (März 1941 in Cosmic Stories; nicht auf Deutsch) Campbell war damit nicht einverstanden, dass Hier geht es um Erdenmenschen und Marsia- die Menschheit als unterlegen dargestellt wird, ner, die sich physiologisch stark ähneln. Doch woraufhin Asimov in späteren Erzählungen für die Marsianer verfügen über einen sechsten Astounding gänzlich auf Außerirdische ver- Sinn, den sie kurzzeitig auch einem Menschen zichtete und nur Menschen auftreten ließ. zur Verfügung stellen können. Ein Erdling Im Grunde ist diese Geschichte eine Art kann eine solche Erfahrung machen, doch Vorstufe zum Foundation-Zyklus. Erstmals wird das Ergebnis ist gleichzeitig wunderbar und Psychologie hier als exakte, berechenbare Wis- erschreckend. senschaft dargestellt. »Heredity« »Half-Breeds on Venus« (ursprünglicher Titel: »Twins«; April 1941 in Astonishing Stories; (Dezember 1940 in Astonishing Stories; nicht auf Deutsch) nicht auf Deutsch) Diese Fortsetzung von »Half-Breed« vom Eine misslungene Pulpgeschichte über Zwil- Februar 1940 ist eine besonders misslungene linge, die nach der Geburt getrennt wurden Geschichte, in der die Mischlinge die Venus und viele Jahre später beweisen, dass Blut erreichen, um sie zu ihrer Heimat zu machen. dicker als Wasser ist.

14 SF Personality 19 · Isaac Asimov »Reason« den anderen Robotern der Station, die Cutie (April 1941 in Astounding Science-Fiction; dt. »Vernunft« bzw. als Propheten verehren. Schließlich untersagt »Logik«) der Roboter den beiden Menschen, die Kon- Die ist eine der schönsten und eindrucksvoll- trollen zu bedienen, weil sie unvollkommen sten frühen Geschichten Asimovs. Der Leser seien und Fehler machen könnten. begegnet zum ersten Mal den beiden Wissen- Am Ende bleibt Powell und Donovan nichts schaftlern Gregory Powell und Mike Donovan. anderes übrig, als Cutie gewähren zu lassen, Die beiden sind an Bord einer Raumstation, um da sie ihn nicht von den realen Gegebenheiten einen neuen, besonders intelligenten Robo- überzeugen können, er jedoch die eigentliche tertyp zu testen, der die Raumstation später Aufgabe – also die Führung der Raumstation – eigenständig übernehmen soll. Doch bereits problemlos bewältigt. kurz nach dem Zusammenbau des Modells Die Erzählung besticht durch herrliche Dia- QT1 – kurz »Cutie« genannt – macht dieser loge und die klare Logik des Roboters, der Probleme. Der Roboter zieht in Zweifel, dass aufgrund der ihm vorliegenden Daten seine unvollkommene Menschen ein so vollkom- Schlussfolgerungen über die Beschaffenheit menes Geschöpf wie ihn erschaffen haben. der Welt zieht. Gleichzeitig bringt der Autor Er versucht allein aufgrund seiner Intelligenz unmissverständlich seine persönliche Mei- die Welt zu erkennen und zieht alle Informa- nung zur Religion zum Ausdruck. tionen, die ihm die beiden Wissenschaftler geben, in Zweifel; er hält selbst die Informa- »Liar!« tionen der Bordbibliothek für eine geschickte (Mai 1941 in Astounding Science-Fiction; dt. »Ein Lügner« bzw. Fälschung. Schließlich entwickelt Cutie den »Robot RB-34 lügt« bzw. »Lügner!«) Glauben, dass der große Generator im Innern Dies ist die erste Erzählung, in der die Roboter- der Raumstation eine Manifestation Gottes ist psychologin Susan Calvin auftritt. In der Firma und gründet eine Religion, gemeinsam mit U.S. Robot Company wird ein neuer Roboter der

SF Personality 19 · Isaac Asimov 15 Serie RB – liebevoll Herbie genannt – gefertigt, doch der Prototyp weist eine Anomalie auf: Er kann Gedanken lesen. Natürlich würde das die Nutzer beunruhigen, und so hält man den Fehler geheim und versucht, dessen Ursache zu finden. Doch weder die Mathematiker noch Dr. Calvin finden etwas heraus, stattdessen befragt jeder für sich den Roboter. Doch Herbie erzählt allen nur das, was sie hören wollen. Schon bald kommt es zum Eklat, denn der Roboter lügt das Blaue vom Himmel. Die Logik dahinter ist einfach: Er folgt dem ersten Robotergesetz, wonach jeder Roboter den Menschen schüt- zen muss. Herbie versucht, seine Umwelt vor unliebsamen Wahrheiten zu schützen, und ist so zum Lügen gezwungen. Ein wahres Kabinett- stück und ein Paradebeispiel für eine gelungene Astounding-Geschichte.

»Super-Neutron« (September 1941 in Astonishing Stories; nicht auf Deutsch) Auf einem Treffen der Honorable Society of Ananias wird eine Geschichte über einen frem- den Planeten erzählt, der in die Sonne zu stür- Der Planet Lagash befindet sich mitten in zen und sie zur Explosion zu bringen droht. einem Sternenhaufen und beschreibt eine Aber es wird nicht ganz klar, ob es sich bei sehr komplizierte Bahn zwischen sechs Son- der Geschichte um eine Erfindung oder die nen. Dadurch herrscht auf Lagash ständig Wahrheit handelt. Der Autor lässt in diese Tag, künstliche Beleuchtung ist nahezu unbe- Geschichte einige wissenschaftliche Mutma- kannt. Als schließlich einige Wissenschaftler ßungen einfließen, trotzdem ist der Text nicht herausfinden, dass durch eine seltene Son- sonderlich interessant. nenkonstellation eine Finsternis bevorsteht, befürchten sie das Schlimmste. Das Buch der »Nightfall« Offenbarungen eines alten Kultes beschreibt, (September 1941 in Astounding Science-Fiction; dt. »Einbruch der dass etwa alle zweitausend Jahre eine solche Nacht« bzw. »Und Finsternis wird kommen ...« bzw. »Die Nacht Finsternis wiederkehrt, Wahnsinn und Chaos wird kommen«) bei den Menschen von Lagash hervorruft und Vielleicht mag es deprimierend für den Autor die Zivilisation in den Untergang stürzt. Die gewesen sein, dass einer seiner erfolgreich- Wissenschaftler versuchen, die Bevölkerung sten Texte ganz am Anfang seiner Karriere zu warnen, doch man glaubt ihnen nicht. erschien. »Nightfall« wurde bei der Umfrage Schließlich planen sie selbst das Überleben nach den besten SF-Geschichten aller Zeiten einer kleinen Gruppe, indem sie ihre Angehö- (Science Fiction Hall of Fame) auf den ersten rigen in ein Versteck schaffen, das künstlich Platz gewählt und zählt zu den bekannte- beleuchtet wird und wo diese nichts von der sten SF-Kurzgeschichten überhaupt. Jedoch Finsternis mitbekommen werden. Sie selbst betonte Asimov mehrfach, dass ihn der Erfolg bereiten sich teilweise durch Experimente, der Geschichte zwar freue, er sie selbst jedoch teilweise durch psychologische Übungen auf nicht zu seinen besten zähle. die Finsternis vor, doch niemand ahnt, welch

16 SF Personality 19 · Isaac Asimov überwältigender Anblick sie tatsächlich erwar- tet. Wenn jahrhundertelang immer nur sechs Sonnen sichtbar waren, so ist niemand auf den plötzlichen Anblick von Zehntausenden von Sonnen vorbereitet. Die Gesellschaft von Lagash ähnelt der unseren sehr. Vielleicht ist dies der Grund, warum die Motivation der Protagonisten so gut nachvollziehbar ist. Asimov lässt die Handlung seiner Geschichte fast ausschließ- lich im Observatorium spielen, jedoch erfährt der Leser durch Dialoge, was in der Umwelt geschieht. Hier wird besonders deutlich, wie rational Asimov gedacht hat. Andere Autoren wären angesichts des Plots versucht gewesen, mystische Elemente in die Geschichte einzu- bauen. Nicht so Asimov. Die einzige Form von Religion, die er schildert, wird hier als »Kult« bezeichnet, und die Vertreter des Kultes sind die negativsten Figuren der Geschichte. Der anhaltende Erfolg der Geschichte ver- anlasste Robert Silverberg dazu, den Text auf Romanlänge zu erweitern. Das Buch Nightfall »Not Final!« erschien 1990, vermag jedoch die Stimmung (Oktober 1941 in Astounding Science-Fiction; dt. »Das Jupiter- der Erzählung nicht in vollem Umfang wieder- Problem«) zugeben (siehe Kapitel 8). Auf dem Jupiter wurde von einer Station auf Auch später wurde Asimovs Idee von ande- einem der Monde aus eine intelligente Spezies ren aufgegriffen. In dem SF-Horror-Film Pitch entdeckt. Und es gelang sogar, mit ihnen in Black (2000) gibt es einen Planeten, der sich auf Kontakt zu treten. Doch die Jupiterbewohner ähnliche Weise wie Lagash in einem System wollen neben sich keine andere Intelligenz mehrerer Sonnen bewegt. Auch hier kommt gelten lassen und drohen, die Menschheit zu es nach langer Zeit zu einer Finsternis. Doch vernichten. Im Rest der Geschichte führen die da sich Kinozuschauer heutzutage wohl vom Protagonisten den wissenschaftlichen Nach- Anblick des bloßen Sternenhimmels kaum weis, dass es den Jupitanern niemals gelingen schrecken lassen, müssen lichtscheue Mon- wird, den Jupiter zu verlassen, so dass für die ster von ähnlicher Art wie Ridley Scotts Alien Menschheit keine Gefahr besteht. aus dem finsteren Untergrund hervorbrechen Eine unwichtige, aber immerhin sehr typi- und über die Menschen herfallen. sche Asimov-Geschichte. »Nightfall« gehört übrigens zu den in den USA am häufigsten nachgedruckten SF-Erzäh- »Christmas on Ganymede« lungen, zusammen mit »The Sound of Thun- (Januar 1942 in Startling Stories; dt. »Weihnachten auf Gany- der« von , »The Star« von H. G. med«) Wells, »›Repent, Harlequin!‹ Said the Ticktock- In einer Bergbaustation auf Ganymed erzählt man« von Harlan Ellison und »But Who Can ein Arbeiter beim Schmücken des Weih- Replace a Man?« von Brian W. Aldiss. nachtsbaums den eingeborenen Arbeitern vom Weihnachtsmann und dass dieser am

SF Personality 19 · Isaac Asimov 17 heiligen Abend auf einem Schlitten anreist, »Robot AL-76 Goes Astray« durch den Kamin kommt und allen Kindern (ursprünglicher Titel: »Source of Power«; Februar 1942 in Geschenke gibt. Die Ganymedbewohner neh- Amazing Stories; dt. »Robot AL-76 auf Abwegen« bzw. »Robot men die Geschichte für bare Münze und wollen AL-76 geht in die Irre«) auch vom Weihnachtsmann beschenkt wer- Er verwundert nicht, dass John W. Campbell den. Andernfalls drohen sie zu streiken. Da die diese Geschichte nicht für Astounding ange- Männer ohnehin Gefahr laufen, ihr Soll nicht zu nommen hat, denn sie ist nicht sonderlich erfüllen, bleibt ihnen nichts weiter übrig, als originell. Der im Titel erwähnte Roboter sollte den Aliens ihren Wunsch zu erfüllen. Und so eigentlich, zusammen mit sechs weiteren, zum wird ein Weihnachtsmannschlitten gebastelt Mond geschickt werden, kommt dort jedoch und einer der Männer muss sich verkleiden. nie an. Ein Farmer findet ihn und hofft, einen Am Ende sind die Aliens sehr begeistert vom kräftigen Finderlohn kassieren zu können. In Weihnachtsfest und verlangen, dass in jedem der Zwischenzeit macht sich der Robot an die Jahr der Weihnachtsmann mit Geschenken Arbeit, einen Disintegrator zu bauen, mit dem kommt. Nur dass ein Jahr auf Ganymed – also normalerweise die Unebenheiten der Mond- ein Umlauf um den Jupiter – nur sieben Tage oberfläche abgetragen werden sollten. Als der dauert ... Sherriff erfährt, dass ein Roboter sein Unwesen Ein simples, aber liebenswertes Geschicht­ treibt, trommelt er seine Männer zusammen, chen, das zu Weihnachten 1941 geschrieben um das Monstrum einzufangen. Doch da testet wurde und hervorragend in ein Pulpmagazin der Robot schon seine Maschine und ebnet wie Startling Stories passte. statt der Mondoberfläche weite Teile der Farm inklusive zweier Scheunen ein. Der Farmer bekommt es mit der Angst zu tun und befiehlt

18 SF Personality 19 · Isaac Asimov muss zwar die Anweisungen des Menschen befolgen, muss aber ebenso darauf achten, nicht seine eigene Existenz durch eine beste- hende Gefahr zu gefährden. Dadurch wurde ein Gleichgewicht zwischen beiden Geset- zen geschaffen, wodurch der Robot weder vor noch zurück kann. Erst durch einen Trick gelingt den beiden Wissenschaftlern die Lösung des Problems. Die Geschichte ist handlungsarm und gehört gewiss nicht zu den besten Roboterge- schichten, jedoch arbeitet Asimov mit reiner Logik und bringt dadurch einige spannende Elemente in die Story.

»Time Pussy« (April 1942 in Astounding Science-Fiction; nicht auf Deutsch) Dieser Text ist nur eine Vignette, die oben- drein unter dem Pseudonym George E. Dale erschien.

»The Weapon« (Mai 1942 in Super Science Stories; nicht auf Deutsch) Auf der Erde tobt ein Krieg, und die titelge- dem Robot, alles zu vergessen, was sich in den bende Waffe ist eine Chemikalie, die Marsianer letzten Stunden ereignet hat. Dummerweise entwickelt haben, um Menschen friedlicher vergisst dieser dabei auch, wie er die Maschine zu machen. gebaut hat, die ihre große Leistungsfähigkeit Dies ist eine der schlechtesten Geschichten aus ... zwei Taschenlampenbatterien gezogen Asimovs, sogar so schlecht, dass sie nicht ein- hat. mal in den Storyband The Early Asimov aufge- Eine typische Gadget-Geschichte, nur dass nommen wurde, in dem die Pulpgeschichten die Pointe ziemlich unglaubwürdig und der zu finden sind, die sonst in keinen Storyband Befehl des Farmers schlecht motiviert ist. gesammelt wurden.

»Runaround« »Black Friar of the Flame« (März 1942 in Astounding Science-Fiction; dt. »Runaround« bzw. (Frühjahr 1942 in ; nicht auf Deutsch) »Herumtreiber«) Die Menschheit wird seit langem von außer- Im Jahre 2015 findet die zweite Merkurexpe­ irdischen Herrschern unterdrückt und findet dition statt. Die beiden Wissenschaftler Dono- Trost in der Religion. Doch daraus resultiert van und Powell sind darauf angewiesen, dass eine Revolution, durch die sich die Menschen der Robot SPD 13, kurz Speedy genannt, von befreien. einem entfernten Rohstoffvorkommen Selen Die Geschichte war der erste Versuch Asimovs holt, ohne das sie nicht zur Erde zurückkehren für eine Future History. Allerdings hatte sie können. Doch der Robot kehrt nicht zurück. eine sehr unglückliche Publikationsgeschichte. Nach einiger Zeit finden die beiden heraus, Sie wurde von Herausgeber zu Herausgeber dass bei Speedy das zweite und dritte Roboter- herumgereicht, bis sie endlich erschien. Asimov gesetz im Widerstreit liegen, denn der Robot überarbeitete den Text ein halbes Dutzend Mal

SF Personality 19 · Isaac Asimov 19 und trotzdem wurde dieser innerhalb von zwei »Bridle and Saddle« Jahren zehnmal abgelehnt. Asimov war sehr (Juni 1942 in Astounding Science-Fiction) ärgerlich darüber und beschloss, niemals einen Dies ist die zweite Foundation-Story, die später Text öfter als zweimal zu überarbeiten. Eher ein Teil des Romans Foundation wurde (siehe wollte er eine endgültige Ablehnung riskieren. Kapitel 3.2.).

»Foundation« »Victory Unintentional« (Mai 1942 in Astounding Science-Fiction) (August 1942 in Super Science Stories; dt. »Unbeabsichtigter Wahrscheinlich ahnte Asimov selbst nicht, dass Sieg«) dieser ersten Geschichte des Foundation-Zyklus Diese Geschichte bezieht sich auf »Not Final« noch tausende Seiten folgen sollten und dass von 1941. Drei Roboter sind gebaut worden, um sie ihn zu einem der erfolgreichsten SF-Autoren den Jupiter zu besuchen und herauszufinden, aller Zeiten machen würden. Obwohl heute fast wie weit die Jupiterbewohner technologisch ausschließlich von den Foundation-Romanen entwickelt sind. Zwar berücksichtigt Asimov die Rede ist, wurde der überwiegende Teil der die enormen Schwerkraftverhältnisse auf dem Foundation zuerst veröffentlicht in Magazinen, Riesenplaneten, jedoch konnte er nicht wissen, denn eigentlich handelt es sich bei der Foun- dass es dort keine feste Oberfläche gibt. dation-Trilogie um einen Episodenroman, der Die Jupitaner halten sich für die höchst- problemlos in Einzeltexten zu lesen ist. Mit der entwickelte Spezies des Sonnensystems und ersten Geschichte legte Asimov den Grundstein wollen alle anderen vernichten. Durch die für eine komplette Serie. Eine ausführliche Vor- Entdeckung von Kraftfeldern werden sie auch stellung des Inhalts finden Sie in Kapitel 3. tatsächlich zu einer Bedrohung. Doch die drei Roboter können allen Angriffen widerstehen, bis die Jupitaner am Ende einsehen müssen,

20 SF Personality 19 · Isaac Asimov dass sie gegen die Menschen keine Chance »The Imaginary« haben. Die Roboter hatten nämlich vergessen (November 1942 in Super Science Stories; dt. »Die imaginäre zu erwähnen, dass sie selbst keine Menschen, Größe«) sondern nur Robots sind. Psychologen und Physiker führen seit Jahren Aus heutiger Sicht äußerst unwissenschaft- eine Fehde gegeneinander. Insbesondere, als lich, umständlich geschrieben und wahrlich einer der Psychologen nachweisen kann, nach kein Glanzlicht früher Asimov-Geschichten. welchen Prinzipien eine außerirdische Lebens- Super Science Stories, in dem der Text erschie- form in Form eines Tintenfisches reagiert. Und nen ist, gehörte damals auch eher zum Boden- dabei spielt natürlich die titelgebende imagi- satz der Genremagazine. näre Größe eine Rolle. Die Idee, die der Geschichte zugrunde liegt, »The Hazing« ist typisch für Asimov, aber nicht sonderlich (Oktober 1942 in Thrilling ; nicht auf Deutsch) originell. Eine seiner schwachen Geschichten, Die Geschichte spielt im gleichen Universum die sicher nicht umsonst nur in Super Science wie »Homo Sol«. Inzwischen wurden die Men- Stories erschienen ist. schen in die galaktische Gemeinschaft aufge- nommen und Menschen können an Univer- sitäten anderer Zivilisationen studieren. Die Geschichte erzählt von einem Scherz, den sich Studenten erlauben.

SF Personality 19 · Isaac Asimov 21 2.2. Magazinstar Asimov

»Death Sentence« (November 1943 in Astounding Science-Fiction; dt. »Todesurteil«) Erst Jahrzehnte später sollte Asimov seine Robotergeschichten mit dem Foundation- Zyklus – auf bei vielen Lesern umstrittene Weise – zusammenführen. Doch »Death Sen­ tence« ist quasi eine sehr frühe Variante, denn es geht sowohl um das Galaktische Imperium als auch um Roboter. Allerdings gehört die Geschichte inhaltlich zu keinem der beiden Zyklen. Das Zentrum der Galaktischen Konfödera- tion liegt bei der Wega. Der Psychologe Theor Realo kehrt nach Jahrzehnten von dem weit entfernten Planeten Dorlis zurück, den er zufällig entdeckt hat und der scheinbar frü- her das Zentrum eines anderen galaktischen Planetenverbundes war. Realo hat auf Dor- lis eine Gesellschaft von Robotern entdeckt, von der die Menschheit seit Jahrhunderten nichts mehr wusste. Er vermutet, dass es sich um ein uraltes Experiment handelt, das nach die Pointe überraschend vorbringen. Dorlis ist Jahrhunderten in Vergessenheit geraten ist. nämlich die alte Erde. Die Herrschenden der Wega sehen die Robo- Dabei überlässt es der Autor den Spekula- tergesellschaft als Bedrohung an, auch wenn tionen des Lesers, warum die Erde nur noch die Konföderation aus sehr vielen Planeten von Robotern besiedelt ist. Schade ist nur, dass besteht und Dorlis nur eine einzige Welt ist. solch dramatische und weitreichende Ent- Durch die Tatsache, dass Theor Realo mit einem scheidungen wie die Vernichtung einer Welt Raumschiff gelandet ist haben die Roboter lediglich in akademischen Streitgesprächen erfahren, dass der Flug durch den Weltraum diskutiert werden. Zwar wirkt dies deutlich möglich ist. Nun wollen sie selbst Raumschiffe realistischer als die Weltenzerstörergeschich- entwickeln. Die Konföderation beschließt am ten von Asimovs Kollegen aus den Pulpma­ Ende, nicht gegen die Bewohner von Dorlis gazinen, lässt den Text jedoch auch etwas troc- vorzugehen, bis diese das Raumfahrtzeitalter ken wirken. Vermutlich ist er deswegen in nur erreicht haben und somit eine akute Bedro- sehr wenigen Storysammelbänden Asimovs hung darstellen. erschienen. Asimov hat die gesamte Geschichte aus- »Death Sentence« ist die einzige Geschichte schließlich aus Dialogen aufgebaut. Ähnlich Asimovs, die 1943 erschien. wie in den Foundation-Geschichten findet eine direkte Handlung kaum statt, sondern wird lediglich in der wörtlichen Rede reflektiert und kommentiert. Der Leser erfährt sehr wenige Details über die Roboterwelt, was völlig in der Absicht des Autors liegt, denn nur so kann er

22 SF Personality 19 · Isaac Asimov »Catch That Rabbit« Die Erzählungen »The Big and the Little« (Februar 1944 in Astounding Science-Fiction; dt. »Erst den Hasen (August 1944 in Astounding Science-Fiction) fangen« bzw. »Fang den Hasen«) und »The Wedge« (Oktober 1944 in Astoun- Donovan und Powell befinden sich auf einem ding Science-Fiction) gehören zum Founda- Asteroiden, um den Bergwerksroboter DV 5 – tion-Zyklus und bilden die zweite Hälfte des Dave genannt – zu testen, der wiederum sechs ersten Romans der Trilogie. »Dead Hand« weitere, einfachere Roboter steuert. Doch es (April 1945 in Astounding Science-Fiction) kommt zu Zwischenfällen: Sobald die Men- bildet dann die erste Hälfte des zweiten Ban- schen außer Sichtweite sind, stellen die Robo- des der Foundation-Trilogie, Foundation and ter die Arbeit ein. Die beiden Wissenschaftler Empire (siehe Kapitel 3.2.). sind ratlos und beschließen, die Robots heim- lich zu beobachten. Doch dabei werden sie in »Blind Alley« einem Bergwerksschacht verschüttet. Durch (März 1945 in Astounding Science-Fiction; dt. »Sackgasse«) einen Trick machen sie die Roboter auf sich Die Geschichte gehört ins Foundation-Uni- aufmerksam und lösen dabei auch gleich das versum, auch wenn sie nicht in die spätere Problem: Dave ist mit der Steuerung von sechs Romantrilogie eingegliedert wurde, vermutlich Robotern schlichtweg überfordert. Sobald er weil hier Aliens auftauchen und Asimov später nur fünf befehligen muss, funktioniert alles beschlossen hat, dass sein Foundation-Univer- bestens. sum nur von Menschen besiedelt sein soll. Auf Die Geschichte ist nicht sonderlich überra- einem verödeten Planeten wird eine vernunft- schend und ein sehr ähnliches Sujet verwen- begabte Lebensform entdeckt. Die letzten det Asimov bereits bei früheren Geschichten. 5.000 Überlebenden dieser Rasse werden nach Cepheus 18 gebracht, einem menschlichen

SF Personality 19 · Isaac Asimov 23 Außenposten am Rande der Milchstraße. Nun Eine überraschende Geschichte, die sich müssen sich die Bürokraten mit dem Problem auf verhaltene Weise über Bürokratie lustig befassen und allerlei Berichte nach Trantor, macht, sie aber andererseits sogar verteidigt. dem Regierungsplaneten des galaktischen An einer Stelle lässt Asimov seinen Protago- Imperiums, senden. Seltsamerweise pflanzen nisten sagen: sich die Fremden trotz der deutlich besseren Lebenbedingungen nicht fort. »Es ist leider zu jeder Zeit Mode gewesen, Die Erzählung beginnt mit drögen Dialogen über Bürokratie und Papierkrieg herzuzie- zwischen Beamten und gibt den Wortlaut der hen, ohne sich eingehender mit den Zwän- Berichte an die Verwaltung auf Trantor wieder. gen und Notwendigkeiten einer geordneten Zunächst glaubt der Leser, sich durch eine Verwaltung zu beschäftigen. Die Regeln und zähe, langweilige Geschichte kämpfen zu müs- Verfahrensweisen der Verwaltung müssen sen, doch das liegt genau in der Absicht des einheitlich und starr sein, so dass im Falle Autors. Der eigentliche Held der Geschichte ist unfähiger Beamter möglichst wenig Scha- nämlich einer der Beamten, der herausfindet, den angerichtet wird. Denn schlimmsten- dass die Aliens zwar dankbar für die Rettung falls kann das System auch ohne höhere sind, jedoch keinesfalls in Nachbarschaft zu Instanzen funktionieren.« den Menschen leben möchten. Solange sie das Gefühl haben, dass ihnen eine Art Reser- Diese fast preußisch anmutenden Ansichten vat geschenkt wird, wollen sie als Rasse lieber resultieren sicherlich auch augenzwinkernd aussterben. Und so nutzt der Beamte durch aus den Erfahrungen des Autors in akademi- geschickte Manipulation seiner Kollegen und schen Einrichtungen und Universitäten. der Verwaltung alle Möglichkeiten, um den Aliens am Ende zur Flucht zu verhelfen.

24 SF Personality 19 · Isaac Asimov