Rainer Scharf KURZPORTRÄTS DER RINGTRÄGER

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ein Nobelpreis für die Technik 63 Ringträger 1916 CARL VON LINDE

Der erste Werner-von-Siemens- als akademischer Lehrer war Ring wurde 1916 an Carl Ritter Linde erfolgreich, indem er von Linde verliehen. Als Sohn seinen Studenten thermodyna- eines Pastors am 11. Juni 1842 mische Vorgänge in Maschinen im oberfränkischen Berndorf praxisnah erläuterte. So erfuhr als Carl Linde geboren, nahm Rudolf Diesel in Lindes Ther- er 1861 nach dem Abitur ein modynamikvorlesungen den Studium der Maschinenlehre ersten Anstoß zur Entwicklung am Eidgenössischen Poly- des Dieselmotors. Carl Linde technikum in Zürich auf. Zu verließ 1879 den Staatsdienst, seinen Lehrern zählten dort um sich der industriellen der Mathematiker Richard Auswertung seiner Erfin- Dedekind, der Physiker Rudolf dungen und Patente widmen Clausius sowie die Ingenieure zu können. Zusammen mit Gustav Zeuner und Franz Reu- Bierbrauern und anderen Teil- leaux. Als engagierter Vertreter habern gründete er die „Gesell- studentischer Interessen geriet schaft für Lindes Eismaschi- er in Konflikt mit der Leitung nen“, deren Vorstand er wurde. des Polytechnikums, das er dar- Aus dem Unternehmen gingen aufhin 1864 kurz vor der Aus- zahlreiche technische Entwick- händigung des Ingenieurdip- lungen hervor, die der Kühlung loms verlassen musste. Da seine von Lebensmitteln, der Bier- Professoren ihn aber wegen brautechnik und Verfahren der seiner Fähigkeiten schätzten, chemischen Industrie zugute- stellten sie ihm persönliche kamen. 1890 trat Linde von der Zeugnisse aus, die ihm für den Geschäftsführung zurück und weiteren Berufsweg, so Linde, übernahm wieder eine Profes- wesentliche Dienste geleistet sur. In den folgenden Jahren hätten. Nach dem fehlenden gelang ihm die Verflüssigung Ingenieurdiplom sei er niemals von Luft sowie die Produk- gefragt worden. Wieder zurück tion von flüssigem Sauerstoff in Deutschland arbeitete Linde und flüssigem Stickstoff im in der Industrie, zuletzt als Großverfahren. Durch fraktio- Leiter des Konstruktionsbüros nierte Verdampfung konnte er der Lokomotivfabrik Krauß in reinen Sauerstoff und Stickstoff München. An der neugeschaf- gewinnen. Der 1895 geadelte fenen Polytechnischen Hoch- Carl von Linde erhielt neben schule in München wurde er dem Siemens-Ring zahlrei- 1868 Privatdozent, dann außer- che weitere Ehrungen, so den ordentlicher Professor und Orden Pour le Mérite für Wis- 1872 ordentlicher Professor für senschaften und Künste sowie Maschinenlehre. Aus seiner mehrere Ehrendoktorwürden. wissenschaftlichen Arbeit Er starb am 16. November 1934 gingen grundlegende Veröf- in München. fentlichungen und Erfindungen zur Kältetechnik hervor. So entwickelte er eine Ammoniak- Kältemaschine, indem er die Clausius’sche Thermodynamik systematisch anwendete. Auch

64 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1919 CARL AUER VON WELSBACH

Der zweite Pionier der tech- Beleuchtung beendet wurde. nischen Wissenschaften, der Seine Fabrik nahe Wien und mit dem Siemens-Ring geehrt ihre zahlreichen Tochtergesell- wurde, ist Carl Auer Freiherr schaften in aller Welt befrie- von Welsbach. Er erhielt die digten die Nachfrage nach Auszeichnung 1920 vor allem, „Auerbrennern“. Carl Auer von wie es in der Laudatio heißt, für Welsbach hatte schon frühzei- den „Aufschwung künstlicher tig Laborversuche durchge- Beleuchtung durch den Auer- führt, um den lichttechnischen brenner“ und für die „Osmi- Wirkungsgrad elektrischer umlampe, welche die Reihe der Glühlampen zu verbessern. elektrischen Metalldrahtlam- Statt der damals benutzten pen eröffnete“. Zudem führte Edison’schen Kohlefaden- er zahlreiche chemische und lampen, deren Lichtausbeute technologische Forschungsar- sich nicht mehr steigern ließ, beiten durch, aus denen u. a. entwickelte er Metallfadenlam- neue Trennverfahren für die pen, die zunächst Osmium- Elemente der seltenen Erden und später Wolframdrähte durch fraktionierte Kristalli- enthielten. Darauf geht auch sation hervorgingen. Er wurde der von ihm erdachte Name am 1. September 1858 in Wien der Firma „Osram“ zurück, die geboren, wo er nach dem seine entsprechenden Patente Besuch von Gymnasium und verwertete. Von 1910 bis 1928 Realschule 1878 ein Chemie- forschte er in seinem Laborato- studium aufnahm, das er in rium in dem von ihm gebauten Heidelberg fortsetzte und Schloss Welsbach bei Mölbling 1882 durch eine Promotion in Kärnten. Bemühungen, bei Robert Wilhelm Bunsen ihn für eine Tätigkeit an einer abschloss. Anschließend kehrte Hochschule zu gewinnen, er nach Wien an das chemi- blieben erfolglos. Neben dem sche Institut von Adolf Lieben Siemens-Ring erhielt er zahlrei- zurück, wo er eine Assistenten- che weitere Ehrungen, u. a. vier stelle annahm und die Eigen- Ehrendoktortitel der Universi- schaften seltener Erden sowie täten bzw. Technischen Hoch- die Leuchterscheinungen ihrer schulen in Wien, Karlsruhe, Verbindungen untersuchte. Freiburg und Graz. Schon 1901 Indem er Baumwollgewebe war Carl Auer in den Freiherrn- mit den Salzen bestimmter stand erhoben worden. Er starb seltener Erden tränkte und am 4. August 1929 in Mölbling. dann mit einem Bunsenbren- ner veraschte, stellte er die ersten Gasglühstrümpfe her, die er 1885 patentieren ließ. Nachdem er die Brenndauer und die Lichtausbeute der Glühstrümpfe erheblich ver- bessern konnte, leiteten diese den Siegeszug der Gasbeleuch- tung ein, der erst durch das Aufkommen der elektrischen

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 65 Ringträger 1923

Carl Bosch, der 1924 den der großtechnischen Erzeugung Siemens-Ring erhielt, wurde von Ammoniak voran. Schon am 27. August 1874 in Köln 1913 konnte eine große Ammo- geboren. Der jüngere Bruder niakfabrik nahe Ludwigshafen seines Vaters war der Industri- in Betrieb genommen werden. elle Robert Bosch. Nach dem Während des Ersten Weltkrie- Besuch der Kölner Oberre- ges konnte das Deutsche Reich alschule, wo Carl Bosch die keinen Chilesalpeter einfüh- Reifeprüfung ablegte, wollte ren, den es für die Herstellung er ein naturwissenschaftli- von Sprengstoff und Dünge- ches Studium beginnen. Doch mitteln benötigte. Daraufhin zunächst absolvierte er auf wurde unter Boschs Leitung Wunsch seines Vaters eine ein großes Ammoniakwerk Lehre in einem Eisenhütten- bei Leuna gebaut und 1917 in werk. Anschließend studierte Betrieb genommen, das Abhilfe er ab 1894 Maschinenbau und schaffte. Nach Kriegsende nahm Hüttenwesen an der Techni- Bosch 1919 an den Versailler schen Hochschule Charlotten- Friedensverhandlungen teil, burg und wechselte 1896 an in denen es ihm gelang, die die Universität Leipzig, wo er deutschen Chemieanlagen vor ein Chemiestudium aufnahm, der Zerstörung zu bewahren. das er 1898 mit der Promotion Mit , dem Gene- abschloss. Im Jahr darauf trat er raldirektor der Farbenfabriken als Chemiker in das Hauptlabo- Leverkusen, schuf er eine ratorium der Badischen Anilin- Interessengemeinschaft deut- und Sodafabrik in Ludwigshafen scher Chemiefirmen, aus der ein. Er beschäftigte sich u. a. mit 1925 der Großkonzern IG Far- Katalysatoren und ihrem Ein- benindustrie hervorging, dessen fluss auf die Geschwindigkeit Vorstandsvorsitzender Bosch chemischer Reaktionen. 1900 wurde. Unter seiner Ägide wandte er sich dem Problem zu, wurde die katalytische Druckhy- Ammoniak aus Luftstickstoff drierung von Braunkohle nach und Wasserstoff zu syntheti- einem Verfahren von Friedrich sieren. Er hatte ein angebliches Bergius („Kohleverflüssigung“) Syntheseverfahren, das Wilhelm entwickelt. Neben dem Sie- Ostwald der BASF zum Kauf mens-Ring erhielt Bosch viele anbot, untersucht und nicht weitere Ehrungen, darunter fünf bestätigen können. Als der Che- Ehrenpromotionen. 1931 erhielt miker Fritz Haber seine For- er gemeinsam mit Bergius den schungsergebnisse zur kataly- Chemienobelpreis für seine sierten Ammoniaksynthese bei Verdienste um die Entwicklung der BASF einbrachte, stand ihm chemischer Hochdruckverfah- Carl Bosch als kongenialer Mit- ren. 1937 wurde er Nachfolger arbeiter zur Seite. Gemeinsam von Max Planck als Präsident gelang es ihnen 1908, Ammo- der Kaiser-Wilhelm-Gesell- niak mit Osmium als Katalysa- schaft. Von den Nationalsozia- tor bei über 500 °C und einem listen aus allen Leitungspositi- Druck von mehr als 10 Megap- onen gedrängt, starb er am 26. ascal zu erzeugen. Ab 1909 April 1940 in Heidelberg. trieb Bosch die Entwicklung

66 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1926 OSKAR VON MILLER

Oskar von Miller wurde am Generatoren mit einer Leistung 7. Mai 1855 in München als von jeweils 1000 PS liefen, was Sohn des Leiters der dorti- damals Rekord war. Obwohl gen Königlichen Erzgießerei die AEG florierte, verließ von geboren. Nach seinem Abitur Miller 1890 das Unternehmen, studierte er am Münchner um in München ein eigenes Polytechnikum Wasser- und Ingenieurbüro zu gründen. Brückenbau. Nach dem Staats- Dessen erster großer Erfolg war examen arbeitete er als Bau- 1891 die organisatorische und ingenieur beim Straßen- und technische Leitung der „Elekt- Flussbauamt München und rotechnischen Ausstellung“ in später bei der königlichen Frankfurt am Main. Für großes Regierung von Oberbayern. Aufsehen sorgte eine von Miller Bei diesen Tätigkeiten waren initiierte 175 Kilometer lange seine kreativen Fähigkeiten Hochspannungsverbindung unerwünscht. Die Wende kam vom Kraftwerk Laufen am für ihn, als er 1881 von seiner Neckar zum Ausstellungsge- Behörde für mehrere Wochen lände in Frankfurt. Danach als Kommissär nach Paris zu bekam von Millers Ingenieur- einer großen internationalen büro zahlreiche Aufträge zum elektrotechnischen Ausstel- Entwurf und zu Planung von lung geschickt wurde. Er sollte Elektrizitätswerken im In- und prüfen, wie sich die Wasser- Ausland. Während von Miller kraft in Bayern zur Erzeugung noch Pläne für ein einheitli- von Elektrizität nutzen ließe. ches System der Energiever- Sein umfangreicher Bericht sorgung im Deutschen Reich stieß bei seiner Behörde auf ausarbeitete, wurde er ab 1903 Skepsis, und so beschloss er, zum Initiator und schließlich 1882 im Münchner Glaspalast zum Schöpfer des Deutschen eine Elektrizitäts-Ausstellung Museums in München, das zu organisieren, die für die 1925 eröffnet wurde. Neben Elektrotechnik werben sollte. vielen Auszeichnungen erhielt Die Ausstellung wurde ein Oskar von Miller 1927 den großer Erfolg, und von Miller Siemens-Ring, mit dem man gewann einige wichtige Wirt- ihn als „bahnbrechenden schaftsführer und Industrielle Pionier der deutschen Elekt- für seine Ideen, unter ihnen rotechnik und der deutschen Siegmund Schuckert und Emil Elektrizitätswirtschaft sowie Rathenau. Nach einem Studi- als den Gründer des Deut- enaufenthalt in den USA, bei schen Museums“ ehrte. Er ist dem er herausragende Vertreter am 9. April 1934 in München der Elektrotechnik wie Thomas gestorben. Alva Edison traf, holte ihn Rathenau 1884 als technischen Direktor der „Allgemeinen Elektricitäts-Gesellschaft“ (AEG) nach Berlin. Gemeinsam gründeten sie die „Berliner Electricitäts-Werke“, in deren Zentrale schon 1887 mehrere

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 67 Ringträger 1929 HUGO JUNKERS

Der 1930 mit dem Siemens- werkstatt entstand 1907 ein Ring geehrte Hugo Junkers war Gegenkolben-Dieselmotor, der ein sehr kreativer Ingenieur auf u. a. als Schiffsmotor einge- den Gebieten der Thermody- setzt wurde. Angeregt durch namik, der Verbrennungsmo- seinen Aachener Kollegen toren und des Flugzeugbaus. Er Hans Reißner begann Junkers wurde am 3. Februar 1859 in 1908 mit dem Flugzeugbau. Er Rheydt als Sohn eines Fabri- und Reißner entwickelten ein kanten geboren, besuchte die Flugzeug, dessen Tragflächen Höhere Bürgerschule in Rheydt nicht wie damals üblich aus und anschließend die Gewer- Holz und Stoff, sondern aus beschule in Barmen, an der er Stahlrohren und Wellblech 1878 die Reifeprüfung ablegte. bestanden. 1910 erhielt er ein Anschließend studierte er Patent für einen freitragenden Maschinenbau an den Techni- Großraum-Tragflügel. Während schen Hochschulen in Karls- des Ersten Weltkrieges führte ruhe, Aachen und schließlich er die Entwicklungsarbeiten Berlin-Charlottenburg. Dort an einem Ganzmetallflugzeug schloss er sich Professor Adolf mit freitragenden Flächen fort. Slaby an, der sich experimentell Nach Kriegsende baute er das mit Problemen von Verbren- weltweit erste Ganzmetall- nungsmotoren beschäftigte. Verkehrsflugzeug, das Ende 1888 ging Junkers mit einer 1919 mit acht Personen an Bord Empfehlung von Slaby, der die Weltrekordhöhe von 6750 ihn als „begabten Ingenieur“ Meter erreichte. Diese F 13 schätzte, zur Continental- wurde mehr als tausendmal Gasgesellschaft in Dessau. Dort gebaut und in alle Welt expor- entwickelte er gemeinsam mit tiert. Junkers wurde nun auch Wilhelm von Oechelhäuser, Luftverkehrsunternehmer und dem Technischen Direktor gründete 1921 eine Firma, aus des Unternehmens, Groß- der 1926 durch Zusammen- gasmotoren zur Erzeugung schluss mit der „Deutschen von elektrischer Energie. Zur Aero Lloyd“ die „Deutsche Ermittlung des Wirkungsgrades Luft Hansa AG“ entstand. Er der Motoren erfand Junkers ein konstruierte zahlreiche erfolg- Kalorimeter, mit dem sich der reiche Flugzeuge, von denen Brennwert des Gases auf einfa- das bekannteste die dreimo- che Weise bestimmen ließ. Aus torige Ju 52 war. In der Welt- diesem Kalorimeter entwickelte wirtschaftskrise wurde Junkers’ er einen Gasbadeofen, den er Unternehmen zahlungsunfähig 1894 als „Flüssigkeitserhit- und musste teilweise verkauft zer“ patentieren ließ. Aus den werden. Nach 1933 wurde er, Einnahmen dieser gewinnbrin- dessen demokratische und genden Erfindung finanzierte pazifistische Gesinnung den er später seine Forschungs- und Nationalsozialisten verhasst Entwicklungsarbeiten in der war, enteignet und mit einem Luftfahrttechnik. Von 1897 bis Stadtverbot für Dessau belegt. 1911 war er in Aachen Pro- Hugo Junkers starb am 3. fessor für Thermodynamik. Februar 1935 in Gauting. In seiner Aachener Versuchs-

68 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1933 WOLFGANG GAEDE

Der Physiker Wolfgang Gaede schen Instituts der Technischen wurde am 25. Mai 1878 in Lehe Hochschule Karlsruhe. Durch bei Bremerhaven geboren. Er seine bahnbrechenden Arbeiten ging in Freiburg zur Schule zur Vakuumphysik und Hoch- und studierte an der dortigen vakuumtechnik wurden ganze Universität zunächst Medizin, Industriezweige erst möglich, wechselte aber bald zur Physik die verbesserte Lichtquellen, und promovierte 1901 mit einer Elektronenröhren oder Rönt- Arbeit zur Temperaturabhän- genröhren herstellten. Nach gigkeit der spezifischen Wärme 1933 wurde Gaede durch der Metalle. Anschließend war politische Anschuldigungen er Assistent am Physikalischen aus seinem Lehramt gedrängt. Institut der Universität Freiburg Der Nobelpreisträger Johannes und untersuchte die Kontakt- Stark, von den neuen Machtha- elektrizität zwischen unter- bern zum Präsidenten der Phy- schiedlichen Metallen. Um den sikalisch-Technischen Reichs- störenden Einfluss der an die anstalt berufen, setzte sich Metalloberflächen gebundenen vergebens für Gaede ein. Der Gasmoleküle auszuschalten, wurde 1934 aus dem Staats- wollte er seine Experimente im dienst entlassen, konnte aber Vakuum durchführen. Dabei in seinem Privatlaboratorium stellte er fest, dass die damals weiter arbeiten. Auf Starks Vor- zur Verfügung stehenden schlag hin wurde Gaede 1933 Pumpen kein ausreichendes der Siemens-Ring verliehen. Vakuum erzielen konnten. Also Gaede verbrachte die letzten versuchte er, eine neuartige, Jahre in München, wo er neue wesentlich leistungsfähigere Freunde unter den dortigen Pumpe zu bauen, was ihm 1905 Physikern fand. Am 24. Juni mit der Erfindung der „rotie- 1945 ist er in München gestor- renden Quecksilberpumpe“ ben. Sein langjähriger Freund gelang. Mit ihr erreichte er auf Arnold Sommerfeld hielt die Anhieb ein Vakuum von 10–4 Grabrede, in der er Wolfgang Pascal, was etwa ein Milliardstel Gaede als Spezialisten höchsten des normalen Luftdrucks ist. Ranges bezeichnete, in dem die Als Gaede seine Pumpe vor Reihe der Forscher gipfelt, die einem Fachpublikum vorführte, sich um die Vakuumtechnik sorgte dies für eine Sensation. verdient gemacht haben. Er übertrug die Herstellung der neuartigen Pumpen der Kölner Firma Leybold, die auch weitere von ihm entwickelte Pumpen baute und vertrieb, wie die „Molekularluftpumpe“ und die Quecksilber-Diffusi- onspumpe, die 1915 auf den Markt kam. Gaede hatte sich 1909 habilitiert, wurde 1913 a. o. Professor in Freiburg und 1919 ordentlicher Professor und Direktor des Physikali-

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 69 Ringträger 1937 FRITZ TODT

Der Siemens-Ring ging 1937 der Technischen Hochschule an Fritz Todt, einen frühen München, das aber durch den Gefolgsmann Hitlers und des Ersten Weltkrieg unterbrochen Nationalsozialismus, der 1933 wurde. Er setzte sein Studium zum mächtigen Generalins- 1918 fort und schloss es 1920 pekteur des deutschen Stra- mit dem Diplom an der Tech- ßenwesens geworden war. Wie nischen Hochschule Karlsruhe Unterlagen über die Wahl des ab. Anschließend trat er in ein Preisträgers zeigen, waren 1936 Münchner Straßenbauunter- Fritz Hoffman, der Erfinder nehmen ein, wo er bis 1933 des synthetischen Kautschuks, blieb und zum Geschäftsführer und Friedrich Bergius, der und technischen Leiter auf- 1931 mit Carl Bosch den stieg. Schon 1922 war er in Chemie-Nobelpreis erhielt, für die NSDAP eingetreten. Nach den Siemens-Ring nominiert 1933 nahm seine Karriere einen worden. Doch auf Betreiben steilen Verlauf. Er gründete von Johannes Stark, der seit 1938 die Organisation Todt, 1933 Präsident der Physika- eine paramilitärische Bau- lisch-Technischen Reichsanstalt truppe. Ab März 1940 leitete er und damit Vorsitzender des als Reichsminister für Bewaff- Stiftungsrates der Siemens- nung und Munition die gesamte Ringstiftung war, wurden diese deutsche Kriegswirtschaft. Am Kandidaten zurückgestellt. 1937 8. Februar 1942 starb er, als stand die Wahl erneut auf der er mit seinem Flugzeug beim Tagesordnung, mit nun fünf Rückflug von einem Besuch bei Kandidaten, von denen einer Hitler in der „Wolfsschanze“ Fritz Todt war. Die eindeutig abstürzte. Sein Nachfolger als politisch motivierte Wahl fiel Reichsminister wurde Albert auf Todt weil „er des Führers Speer. Noch bis in jüngste Zeit großen Gedanken der Schaf- hielt sich die Legende vom fung von Reichsautobahnen mit unpolitischen Technokraten wissenschaftlichen Methoden und kompetenten Fachmann technisch verwirklicht habe.“ Fritz Todt, der den Siemens- Er wurde am 4. September Ring ausschließlich für seine 1891 als Sohn eines Fabrikan- Verdienste um den deutschen ten in Pforzheim geboren, wo Autobahnbau erhalten habe. er 1910 sein Abitur bestand. Dieses Bild muss jedoch korri- 1911 begann er ein Studium giert werden. des Bauingenieurwesens an

70 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1941 WALTHER BAUERSFELD

Der letzte Siemens-Ring vor Zeit entstanden 120 patentierte Kriegsende wurde 1941 dem Erfindungen, die ganz oder Ingenieur und Physiker Walther teilweise auf ihn zurückgingen. Bauersfeld zuerkannt, wobei Weltweite Berühmtheit erlangte die Wahl auf den alleinigen Bauersfeld durch das Zeiss- Vorschlag von Abraham Esau Projektionsplanetarium, das zurückging. Esau hatte Johan- auf eine Idee des Astronomen nes Stark als Vorsitzenden der Max Wolf und des Vorstandes Ringstiftung abgelöst und war des Deutschen Museums in wie dieser ein früher Anhän- München, Oskar von Miller, ger des Nationalsozialismus. zurückging. 1924 wurde das Mit Bauersfeld wurde ein sehr erste von Bauersfeld entwickelte vielseitiger Mann geehrt, dessen Planetarium in Jena errichtet in der Öffentlichkeit bekanntes- und im folgenden Jahr dem tes Werk die Zeiss-Planetarien Deutschen Museum übergeben. waren. Er wurde am 23. Januar Angesichts der großen welt- 1879 in Berlin geboren. Dort weiten Nachfrage nach solchen besuchte er das Sophien- Planetarien ersann Bauersfeld Realgymnasium, das er als ein preisgünstiges Verfahren, bester Abiturient der Schule mit freitragende halbkugelförmige einem hervorragenden Reife- Kuppeln aus Stahlbeton herzu- zeugnis verließ. Er arbeitete stellen. Das hatte nachhaltigen zunächst als Praktikant in einer Einfluss auf den Stahlbetonbau. Eisenbahnwerkstatt und stu- 1927 wurde er außerordent- dierte dann von 1898 bis 1902 licher Professor für Physik Maschinenbau an der Techni- an der Universität Jena und schen Hochschule Berlin-Char- 1939 ordentlicher Professor. lottenburg. Nach bestandener Er wirkte nach 1946 am Wie- Diplomprüfung war er Assis- deraufbau der Zeiss-Werke in tent am Institut für Maschi- Oberkochen mit und wurde nenbau und Wasserkraftma- 1949 Honorarprofessor für schinen, wo er 1905 mit einer Feinmechanik an der Techni- Arbeit über „Die automatische schen Hochschule Stuttgart. Regulierung der Turbinen“ pro- Für seine Leistungen bei der movierte. Im selben Jahr boten Entwicklung und Konstruktion ihm die Optischen Werkstätten neuartiger feinmechanischer Carl Zeiss in Jena eine leitende und optischer Geräte wurde er Position im Entwicklungs- und vielfach geehrt, zum Beispiel Konstruktionsbereich an, die er durch mehrere Ehrenpromo- annahm. Abgesehen von einer tionen. Auch erhielt er 1957 einjährigen Forschungsauf- als erster Deutscher die James- gabe in einem Luftfahrtinstitut Watt-Medaille. Er starb am 28. in den Jahren 1907 und 1908 Oktober 1959 in Heidenheim blieb er der Firma Carl Zeiss an der Brenz. sein ganzes Berufsleben lang treu. 1908 wurde er Mitglied der Geschäftsführung und war für die Konstruktion und Produktion von Präzisionsins- trumenten zuständig. In dieser

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 71 Ringträger 1952 HERMANN RÖCHLING

Auf der ersten Sitzung des Stif- seinen Mitarbeitern entwickelte tungsrates der Siemens-Ring- Röchling zahlreiche technisch- Stiftung nach dem Zweiten wissenschaftliche Neuerungen Weltkrieg fiel im Dezember im Eisenhüttenwesen. Nach 1952 der Beschluss, den Unter- dem Ersten Weltkrieg musste nehmer Hermann Röchling „in er Frankreich eine Mehrheits- Anerkennung seiner bahnbre- beteiligung an der Völklinger chenden Leistungen auf dem Hütte abtreten. Beim Anschluss Gebiet der Metallurgie des des Saarlandes an das Deut- Eisens“ mit dem Siemens-Ring sche Reich spielte Röchling zu ehren. Die Ringstiftung eine aktive Rolle, wobei er hatte mit Röchling einen sehr enge Beziehungen zur NSDAP problematischen Preisträger unterhielt, deren Mitglied er ausgewählt. Zwar war er ein 1935 wurde. Bald darauf wurde hoch anerkannter Eisenhütten- er zum Wehrwirtschafts- fachmann und erfolgreicher führer ernannt. Nach dem Unternehmer, doch zugleich Anschluss des Saarlandes nahm hatte er mit Hitler in einem der Röchling-Konzern einen engen Vertrauensverhältnis raschen Aufschwung. Röchling gestanden. Nach Kriegsende teilte die Ziele der National- wurde Röchling von einem sozialisten und forderte Hitler internationalen Militärgerichts- 1936 in einer Denkschrift zum hof wegen Ausplünderung Kampf gegen die Sowjetunion besetzter Gebiete und Beihilfe und das „Weltjudentum“ auf. zur Zwangsarbeit zu einer lang- Nach Kriegsende stand die jährigen Haftstrafe verurteilt. Völklinger Hütte unter franzö- Doch er wurde bereits 1951 aus sischer Zwangsverwaltung und der Haft entlassen. Der Histori- wurde erst 1956 an die Familie ker Dieter Hoffmann bemerkte Röchling zurückgegeben. zur Wahl Röchlings: „Was die Hermann Röchling durfte nach Mitglieder des Stiftungsrats seiner Haftentlassung 1951 das leitete, eine politisch so dis- Saarland nicht mehr betreten. kreditierte Person zu küren, ist Ihm wurde der Siemens-Ring aus heutiger Sicht nur schwer 1953 im Beisein von Wirt- nachzuvollziehen …“. Hermann schaftsminister Ludwig Erhard Röchling wurde am 12. Novem- im Haus des Vereins Deutscher ber 1872 in Saarbrücken Eisenhüttenleute in Düsseldorf geboren. Sein Vater erwarb überreicht. Röchling starb am 1881 die Völklinger Eisenhütte, 24. August 1955 in Mannheim. die sich zum größten Eisen- und Stahlwerk des Saarlandes entwickelte. Nach dem Abitur studierte Hermann Röchling in Heidelberg und Berlin Maschi- nenbau und Hüttenwesen sowie Rechts- und Wirtschaftswis- senschaften. 1898 übernahm er zuerst die Völklinger Hütte, dann das gesamte väterliche Unternehmen. Allein oder mit

72 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1956 JONATHAN ZENNECK

Der Physiker Jonathan Zenneck das zur „Bibel der drahtlosen wurde am 15. April 1871 in Telegraphie“ wurde. Er wurde Ruppertshofen geboren. Ab 1905 als außerordentlicher Pro- 1885 besuchte er die evange- fessor für Experimentalphysik lisch-theologischen Seminare an die Technische Hochschule zuerst in Maulbronn, dann in Braunschweig berufen. Von Blaubeuren und schließlich 1909 bis 1911 war er Leiter des in Tübingen, wo er 1894 sein Physikalischen Laboratori- „Lehramtsexamen“ in der ums der BASF in Ludwigsha- Mathematik und den Natur- fen. Danach war er zunächst wissenschaften ablegte. Ein außerordentlicher Professor in Jahr später promovierte er mit Danzig und anschließend von einer zoologischen Arbeit und 1913 bis zu seiner Emeritierung ging dann für kurze Zeit an das 1939 ordentlicher Professor an Natural History Museum in der Technischen Hochschule London. Bei seiner Rückkehr München. Ab 1930 untersuch- nach Tübingen wurde ihm von ten er und seine Mitarbeiter dem Physiker Ferdinand Braun die Ausbreitung von Kurzwel- eine Assistentenstelle ange- len und die Eigenschaften der boten. Als Braun 1895 nach Ionosphäre. Von 1933 bis 1953 Straßburg berufen wurde, folgte war Zenneck Vorsitzender ihm Zenneck. Er war dort von des Vorstandes im Deutschen 1896 bis 1905 Assistent an Museum und damit Nachfolger Brauns Institut und wirkte an von Oskar von Miller. Er erhielt dessen grundlegenden Arbei- zahlreiche Ehrungen, unter ten zur Hochfrequenztechnik anderem eine Ehrenpromotion und drahtlosen Telegrafie mit, durch die Technische Hoch- für die Braun 1909 mit dem schule Dresden. 1956 wurde er Physik-Nobelpreis ausgezeich- durch den Siemens-Ring aus- net wurde. Zenneck war an der gezeichnet, den er im darauf- Entwicklung der Braun’schen folgenden Jahr im Deutschen Röhre beteiligt, aus der später Museum entgegennehmen der Kathodenstrahl-Oszillograf konnte. Am 8. April 1959 ist hervorgehen sollte. An Brauns Jonathan Zenneck in München Institut in Straßburg hat er gestorben. Untersuchungen zur drahtlosen Telegrafie durchgeführt und zwischen 1899 und 1900 in der Helgoländer Bucht Versuche mit Sendeanlagen gemacht. Die Ergebnisse der Versuche bildeten die Grundlage für die Einführung des deutschen See- funkdienstes. Zudem führten sie zur Gründung der „Braun- Siemens-Gesellschaft“, aus der später die Firma „Telefunken“ hervorgehen sollte. 1901 konnte sich Zenneck habilitierten und er veröffentlichte ein Fachbuch,

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 73 Ringträger 1960 OTTO BAYER

Da im Jahr 1960 keiner der der Farbstoffchemie förderte früheren Ring-Preisträger mehr er nun auch andere Bereiche lebte, man aber das Gewicht wie die Polymerisation und der Preisträger im Stiftungs- die Chemie der Kautschukche- rat stärken wollte, ging man mikalien sowie die Forschung dazu über, zu jeder Verleihung auf dem Gebiet der Pflanzen- mehrere Preisträger zu küren. schutzmittel. Sein persönliches So wurden 1960 drei heraus- Verdienst war die Entwicklung ragende Chemiker mit dem der Polyurethanchemie, für die Siemens-Ring geehrt: Otto er 1937 das erste Patent erwarb Bayer, Walter Reppe und Karl und mit der er weltberühmt Ziegler. Otto Bayer wurde am wurde. Dank ihrer variablen 4. November 1902 in Frankfurt Eigenschaften haben diese am Main geboren. Er studierte Kunststoffe zahlreiche Anwen- Chemie an der Universität dungen und deshalb große Frankfurt, promovierte dort wirtschaftliche Bedeutung. Seit 1924 und war dann gut zwei 1951 war Otto Bayer Leiter des Jahre Privatassistent, wobei er Gesamtbereichs Forschung als über die katalytische Hydrie- Vorstandsmitglied der Farben- rung unter Druck arbeitete. fabriken Bayer AG und ab 1964 1927 trat er in das zur IG Far- Vorsitzender des Aufsichtsrates benindustrie gehörende Werk des Unternehmens. Die Univer- Mainkur in Frankfurt ein, wo sität Bonn und die Technische er vor allem auf dem Gebiet der Hochschule München verliehen Farbstoffchemie tätig war. Ihm ihm die Ehrendoktorwürde. Er gelangen zahlreiche patentierte erwarb sich große Verdienste Erfindung zu Zwischenpro- um die chemische Forschung dukten für Farbstoffe und zu und den Chemiker-Nachwuchs Textilfasern. Diese Erfolge durch seine Initiative zur Schaf- führten dazu, dass ihm 1934 fung des „Fonds der Chemi- von der IG Farben die Leitung schen Industrie“. 1960 erhielt des wissenschaftlichen Hauptla- er den Siemens-Ring. Am 1. boratoriums im Werk Leverku- August 1982 verstarb Otto sen übertragen wurde. Neben Bayer in Burscheid.

74 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1960 WALTER REPPE

Der zweite Chemiker, der 1960 Arbeitsgebiet zu „entschärfen“ mit dem Siemens-Ring aus- und sicher zu machen. Durch gezeichnet wurde, war Walter die Hochdrucksynthesen auf Reppe, geboren am 29. Juli der Basis von Acetylen und 1892 in Göringen bei Eisenach. anderen chemischen Verbin- Er studierte von 1911 bis 1914 dungen konnte Reppe zahl- in Jena und München Mathe- reiche wertvolle Vorprodukte matik, Physik und Chemie. herstellen, die für die Produk- Aufgrund seiner Einberufung tion von Kunststoffen, synthe- im Ersten Weltkrieg konnte er tischem Kautschuk („Buna“), sein Studium in München erst Lackrohstoffen und Arzneimit- 1920 mit einer Dissertation teln benötigt wurden. Dabei in der organischen Chemie bereicherte er die organische abschließen. Er trat 1921 in Chemie um vier grundlegend das Hauptlaboratorium der neue Verfahren, die unter Badischen Anilin- und Soda- dem Begriff „Reppe-Chemie“ Fabrik (BASF) ein, der er zusammengefasst wurden. 1938 zeit seines Lebens verbunden übernahm er die Leitung des blieb. Zunächst beschäftigte er Hauptlaboratoriums der BASF sich mit der Entwicklung der in Ludwigshafen. Nach dem Ethylen- und Acetylenchemie, Zweiten Weltkrieg engagierte doch 1923 wechselte er zur er sich im Wiederaufbau der Indigoabteilung der BASF, wo zerstörten oder demontierten er an Problemen der Farbstoff- Anlagen und Labore. 1949 chemie arbeitete. 1928 begann übernahm er die Leitung der er mit seinen Arbeiten über gesamten Forschung der BASF die chemische Umsetzung von AG, die aus der Zerschlagung Acetylen bei hohen Drucken, der IG Farben hervorgegangen die ihn zunächst berüchtigt und war. Er gehörte von 1952 bis dann berühmt machten. Die 1957 dem Vorstand und von Chemiker hatten das Acetylen 1958 bis 1966 dem Aufsichts- wegen seiner Gefährlichkeit rat der BASF an. Neben dem bis dahin als Ausgangsstoff für Siemens-Ring erhielt er zahl- die chemische Synthese weitge- reiche weitere Auszeichnun- hend gemieden. Als Reppe mit gen, so die Ehrendoktorwürde Acetylen unter Druck arbeiten der Technischen Hochschule wollte, befürchtete man das München und der Universität Schlimmste. Doch es gelang Heidelberg. Er starb am 26. Juli ihm, dieses höchst gefährliche 1969 in Heidelberg.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 75 Ringträger 1960 KARL ZIEGLER

Obwohl Karl Ziegler, der eben- die Zeit am Institut für Koh- falls 1960 mit dem Siemens- lenforschung in Mülheim fällt Ring geehrt wurde, seine Arbeit der Höhepunkt seiner wissen- stets auf die „reine Forschung“ schaftlichen Arbeit. Auf der ausgerichtet hatte, fanden ihre Suche nach Katalysatoren zur Ergebnisse weitreichende und Erzeugung von hochmolekula- von ihm kaum für möglich ren Polyethylen-Kunststoffen gehaltene Anwendungen. Er setzte er seine Arbeiten über wurde am 26. November 1898 „metallorganische Verbindun- in Helsa bei Kassel in eine gen“ fort. Ließ sich Ethylen bis Pfarrersfamilie geboren, die dahin nur unter hohem Druck 1910 nach Marburg zog. Schon und bei hohen Temperaturen in der Schulzeit erwarb er polymerisieren, so gelang es sich in seinem kleinen priva- Ziegler und seinen Mitarbeiter ten Chemielaboratorium so 1953, äußerst wirksame Kataly- umfangreiche Kenntnisse, dass satoren zu finden, mit denen sie er kurz nach Beginn seines gasförmiges Ethylen schon bei Chemiestudiums 1916 in das Atmosphärendruck polymeri- dritte Studiensemester wech- sieren konnten. Bald folgte eine seln konnte. Als er dann 1920 weltweite Lizenzvergabe, die promovierte, war er noch keine hohe Einnahmen brachte und 22 Jahre alt. 1923 habilitierte Ziegler wohlhabend machte. er sich in Marburg und wurde Er stiftete 40 Millionen DM für Privatdozent. Er ging 1925 an einen Forschungsfonds und die Universität Frankfurt am baute gemeinsam mit seiner Main und wurde 1927 an die Frau eine hochkarätige Kunst- Universität Heidelberg berufen, sammlung auf, die im Kunst- wo er bis 1935 außerordentli- museum Mülheim ausgestellt cher Professor war. Nach einer ist. Durch seine „reine“ Grund- Gastprofessur an der Univer- lagenforschung wurde Ziegler sität Chicago wurde er 1936 zu einem Pionier der großtech- ordentlicher Professor und nischen Petrochemie. Neben Direktor des Chemischen Insti- dem Siemens-Ring erhielt er tuts in Halle. Von 1943 bis 1969 zahlreiche weitere Ehrungen, war er Direktor des Kaiser- unter denen der Chemie- Wilhelm-Instituts und späte- Nobelpreis 1963 herausragt. ren Max-Planck-Instituts für Am 11. August 1973 ist Karl Kohlenforschung in Mülheim Ziegler in Mülheim an der Ruhr an der Ruhr. In seiner Habilita- gestorben. tionsarbeit hatte er dreiwertige Kohlenstoffradikale unter- sucht. Seine damit verknüpften Arbeiten über „alkaliorgani- sche Verbindungen“ waren die Grundlage für die später wichtig gewordene metallorga- nische Synthese. Zudem halfen sie, den Reaktionsablauf bei der Synthese des künstlichen Kautschuks zu verstehen. In

76 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1964 FRITZ LEONHARDT

Auch 1964 wurde der Siemens- Spannbetonbrücken im In- und Ring dreimal vergeben: an den Ausland. Auch für Entwurf, Bauingenieur Fritz Leonhardt, Gestaltung und Konstruktion den Physiker Walter Schottky großer Stahlbrücken wie der und den Computerpionier Rheinbrücke Köln-Deutz war er Konrad Zuse. Da Bundespräsi- verantwortlich. Die Windstabi- dent Heinrich Lübke in seinem lität und die Form von Hänge- Amtssitz persönlich die Ringe brücken hat er verbessert. Die an die Preisträger überreichte, formschöne Gestaltung seiner erfuhr die Siemens-Ring- Brücken, Turmbauen und Stiftung eine enorme gesell- Flächentragwerke ist internati- schaftliche Aufwertung. Fritz onal beachtet worden, so etwa Leonhardt wurde am 11. Juli bei dem von ihm entworfenen 1909 als Sohn eines Architekten Stuttgarter Fernsehturm, der in Stuttgart geboren, wo er auch 1955 fertiggestellt wurde und zur Schule ging und die Reife- der weltweit erste Fernseh- prüfung ablegte. Anschließend turm in Stahlbetonbauweise studierte er von 1927 bis 1931 war. 1958 wurde Leonhardt an der Technischen Hochschule Professor für Massivbau an Stuttgart Bauingenieurwesen. der Technischen Hochschule Er schloss das Studium mit Stuttgart. Sein Ingenieurbüro dem Diplom ab und bestand führte die Tragwerkplanung für 1932 die Ergänzungsprüfung das 1972 fertiggestellte Münch- für den höheren preußischen ner Olympiadach durch. Fritz Staatsdienst. Nach 1932 war er Leonhardt erhielt viele Ehrun- zunächst als Bauleiter und Stati- gen, darunter sechs Ehrendok- ker tätig. Ein Studienaufenthalt torwürden und die Verleihung führte ihn von 1932 bis 1933 des Siemens-Rings 1964. Er in die USA. Von 1934 bis 1938 starb am 30. Dezember 1999 in war er als Brückenbauingenieur Stuttgart. bei den Reichsautobahnen tätig. Insbesondere war er Entwurfs- und Bauleiter der Rheinbrücke Rodenkirchen bei Köln, die 1941 eingeweiht wurde und damals die größte Hängebrücke Europas war. Leonhardt, der 1939 der NSDAP beigetreten war, arbeitete für die Organisa- tion Todt und leitete bis Kriegs- ende deren Forschung und Ent- wicklung. Er eröffnete 1947 ein Ingenieurbüro in Stuttgart und wurde in den folgenden Jahren zu einem der weltweit führen- den Brückenbauingenieure, der den modernen Brücken- bau entscheidend beeinflusste. Er entwarf und betreute den Bau von zahlreichen großen

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 77 Ringträger 1964 WALTER SCHOTTKY

Walter Schottky wurde am 23. Schuckert-Werken, zunächst Juli 1886 in Zürich als Sohn in Berlin und ab 1941 im des Mathematikers Friedrich oberfränkischen Pretzfeld, wo Schottky geboren. Er wuchs in er bis zu seiner Pensionierung Marburg und Berlin auf, von 1951 als Forscher arbeitete. In deren Universitäten sein Vater dieser Zeit untersuchte er die 1892 bzw. 1902 auf Professuren physikalischen Eigenschaften berufen worden war. Nach dem von Halbleitern, und er ent- Abitur 1904 in Berlin nahm wickelte Modellvorstellungen Walter Schottky ein natur- und Theorien, die die wis- wissenschaftliches Studium senschaftlichen Grundlagen an der Berliner Universität der Halbleiterphysik und der auf. Zu seinen akademischen Transistortechnik wurden. So Lehrern zählten dort die spä- zählte der amerikanische Physi- teren Physik-Nobelpreisträger ker und Nobelpreisträger John Max Planck, bei dem er 1912 Bardeen die Theorien Schottkys promovierte, Wilhelm Wien, zu den bedeutenden Vorar- Albert Einstein, Walter Nernst beiten für die Erfindung des und Max von Laue. Von 1912 Transistors. Zahlreiche Begriffe bis 1915 war er Assistent an aus der Halbleiterphysik sind der Universität Jena, wo er das mit Schottkys Namen verbun- Verhalten von Elektronen nach den. Er erhielt viele Auszeich- dem Austritt aus Metallober- nungen, so die Hughes-Medal flächen untersuchte. Er kehrte der Royal Society, London, 1915 nach Berlin zurück und die Ehrendoktorwürde der wurde Mitarbeiter im Schwach- Technischen Hochschulen stromkabel-Laboratorium der Darmstadt und Zürich und der Firma Siemens & Halske. Hier Technischen Universität Berlin erfand er die Raumladungs- sowie den Siemens-Ring, der gitterröhre und die Schirmgit- ihm 1965 vom Bundespräsiden- terröhre oder Tetrode, die am ten Lübke überreicht wurde. Beginn der Entwicklung von 1973 wurde ihm zu Ehren leistungsfähigen Elektronen- der Walter-Schottky-Preis für röhren für Verstärker stehen. Festkörperforschung ins Leben Er untersuchte den „Schrotef- gerufen, den die Deutsche Phy- fekt“, das durch die Elektronen sikalische Gesellschaft jährlich verursachte Röhrenrauschen, verleiht. Walter Schottky ist und erfand den Überlagerungs- am 4. März 1976 in Forchheim empfänger, dessen „Superhete- gestorben. rodynprinzip“ grundlegend für die Rundfunktechnik werden sollte. 1920 habilitierte er bei Wilhelm Wien in Würzburg, wo er bis 1922 Privatdozent war. Er wurde 1923 zum außerordentlichen Professor für Theoretische Physik an der Universität Rostock berufen, die er aber schon 1927 verließ. Schottky ging zu den Siemens-

78 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1964 KONRAD ZUSE

Der Computerpionier Konrad ihrem Speicher 1400 Relais. Die Zuse wurde am 22. Juni 1910 Z3 beherrschte die vier Grund- in Berlin geboren, wuchs in rechenarten und das Wurzelzie- Ostpreußen auf und legte 1927 hen. Sie wurde 1944 im Bom- in Hoyerswerda das Abitur ab. benkrieg zerstört, ist aber 1960 Er begann 1928 an der Tech- nachgebaut und im Deutschen nischen Hochschule Berlin Museum in München aufge- Maschinenbau zu studieren, stellt worden. Nach der Fer- wechselte aber zum Studium tigstellung der Z3 wurde Zuse des Bauingenieurwesens, das er 1941 einberufen und an die 1934 mit dem Diplomexamen Ostfront geschickt. Doch wegen abschloss. Nach einer kurzen seiner Tätigkeit als Statiker bei Tätigkeit als Statiker bei den Henschel wurde er kurz darauf Henschel-Flugzeugwerken für unabkömmlich erklärt, und richtete er 1935 in der elterli- er konnte nach Berlin zurück- chen Wohnung eine Werkstatt kehren. Hier gründete er ein ein, in der er mit der Entwick- Ingenieurbüro und arbeitete an lung von Rechenmaschinen der noch größeren Z4. Diese begann. Mit einfachsten Mitteln Anlage hat den Krieg über- baute er eine Anlage, die ein standen und war lange Zeit der Rechenwerk und einen Daten- einzige arbeitsfähige Rechen- speicher enthielt und mit rein automat in Europa. Nach dem mechanischen Schaltelementen Krieg baute er Geschäftsbezie- bestückt war. 1937 konnte er hungen zu Remington-Rand in die Rechenanlage Z1 fertigstel- den USA und zur ETH Zürich len. Nach deren Vorführung auf, wo die Z4 von 1950 bis wurden Zuses Arbeiten von 1955 in Betrieb war. Zuse grün- einer Rechenmaschinenfirma dete 1949 die Firma Zuse KG, finanziell unterstützt. 1939 die ihren Sitz in Bad Hersfeld wurde Zuse kurz zum Wehr- hatte und Computer baute, die dienst eingezogen, er konnte zuerst mit Elektronenröhren jedoch danach wieder als und später mit Transistoren Statiker für Henschel arbei- ausgerüstet waren. 1965 wurde ten und daneben an seinen die Zuse KG von Brown-Boveri Rechenanlagen weiterbauen. übernommen und ging 1967 im Die nächste Anlage (Z2), Siemens-Konzern auf. Konrad die ein elektromechanisches Zuse wurde 1957 von der Relais-Rechenwerk enthielt, Technischen Universität Berlin führte Zuse 1940 Vertretern der durch eine Ehrenpromotion Deutschen Versuchsanstalt für geehrt. 1964 erhielt er den Sie- Luftfahrt in Berlin-Adlershof mens-Ring. Ab 1967 arbeitete vor, die daraufhin die schon er sowohl wissenschaftlich als im Bau befindliche Z3 teilfi- auch publizistisch. Er starb am nanzierte. Diese Rechenanlage 18. Dezember 1995 in Hünfeld. wurde 1941 fertig und war die erste, die voll funktionsfähig alle Elemente einer programm- gesteuerten Rechenmaschine enthielt. In ihrem Rechenwerk steckten 600 Relais und in

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 79 Ringträger 1968 KARL KÜPFMÜLLER

Nachdem der Stiftungsrat 1968 Reichspost in Berlin. Danach beschlossen hatte, den Elektro- trat er in das Zentrallaborato- techniker Karl Küpfmüller und rium der Siemens & Halske AG den Maschinenbauingenieur ein, wo er durch grundlegende Joachim Siegfried Meurer mit elektrotechnische Arbeiten dem Siemens-Ring zu ehren, und zahlreiche Patente auf sich hoffte man, dass die Preisträ- aufmerksam machte. Von 1928 ger auch diesmal wieder ihre bis 1935 war er ordentlicher Auszeichnung aus der Hand Professor für Elektrotechnik an des Bundespräsidenten emp- der Technischen Hochschule fangen könnten. Doch Heinrich Danzig. Hier verfasste er seine Lübkes Nachfolger war seit dem „Einführung in die theoreti- 1. Juli 1969 Gustav Heinemann, sche Elektrotechnik“, die zum dessen Präsidialamt Informati- wichtigsten Lehrbuch in diesem onen über die beiden Ringträ- Gebiet wurde. Er übernahm ger eingeholt hatte. Dabei stellte 1935 den Lehrstuhl für Elektro- sich heraus, dass beide NSDAP- technik an der Technischen und SA-Mitglieder gewesen Hochschule Berlin, ging dann waren und dass Küpfmüller im aber 1937 wieder in die Indus- Mai 1937 auch in die SS einge- trie und trat in die zentrale treten war und es dort bis zum Leitung der Forschungs- und Obersturmbannführer gebracht Entwicklungsabteilungen von hatte. Zwar lagen keine weite- Siemens & Halske ein. Nach ren belastenden Erkenntnisse dem Krieg wurde er von den gegen Küpfmüller vor, doch Alliierten gefangengenommen, man sah ihn als politisch so aber schon 1947 nur als Mit- belastet an, dass Bundesprä- läufer eingestuft und entlas- sident Heinemann von einer sen. Von 1948 bis 1952 war er Teilnahme an der Preisverlei- Vorstandsmitglied der Standard hung Abstand nahm. Damit Elektrizitätsgesellschaft in waren auch die Hoffnungen auf Stuttgart. In dieser Zeit entwi- eine Dauerschirmherrschaft ckelte er die Systemtheorie der des Bundespräsidenten über die elektrischen Nachrichtenüber- Stiftung hinfällig. tragung. Von 1952 bis 1963 Karl Küpfmüller wurde am war er ordentlicher Professor 6. Oktober 1897 in Nürnberg und Direktor des Instituts für geboren. Er besuchte die Real- Allgemeine Fernmeldetechnik schule, absolvierte eine Lehre an der Technischen Hoch- und eine Praktikantentätigkeit schule Darmstadt, die 1977 bei den Siemens-Schuckert- den Karl-Küpfmüller-Ring Werken in Nürnberg. 1915 stiftete. Küpfmüller erhielt viele nahm er ein Ingenieurstudium Auszeichnungen, darunter die am Ohm-Polytechnikum in Ehrendoktorwürde der Techni- Nürnberg auf, das er von 1916 schen Hochschule Danzig und bis 1918 für den Militärdienst der Universität Erlangen-Nürn- unterbrechen musste und berg sowie den Siemens-Ring. erst 1919 abschließen konnte. Er starb am 26. Dezember 1977 Anschließend war er bis 1921 in Darmstadt. Assistent im Telegraphen- Versuchsamt der Deutschen

80 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1968 JOACHIM SIEGFRIED MEURER

Der Ingenieur Joachim Meurer, nach Nürnberg zu MAN zurück der 1968 mit dem Siemens- und übernahm die Leitung der Ring geehrt wurde, hat die Motorenforschung. Er setzte Entwicklung des Motorenbaus seine früheren Ideen um und maßgeblich geprägt. Er wurde führte das Mittenkugel- oder am 9. Mai 1908 in Dresden M-Verfahren ein, das neuar- geboren, wo auch sein Vater tigen Kraftfahrzeugmotoren und sein Großvater als Ingeni- mit geringem Verbrauch und eure tätig gewesen waren. Nach geräuscharmem Lauf, den dem Abitur studierte er von sogenannten Flüstermotoren, 1927 bis 1932 Maschinenbau zugrunde lag. Diese Motoren an der Technischen Universität wurden in den Nutzfahrzeugen Dresden, und er schloss das nicht nur von MAN, sondern Studium mit einer Diplomar- auch von vielen Lizenznehmern beit ab, die den „Einspritzvor- eingesetzt. Bei der Weiterent- gang am Junkers-Flugdieselmo- wicklung dieser Motoren zeigte tor“ behandelte. Anschließend es sich, dass ein hoher Luftdrall war er von 1933 bis 1938 für die gute Gemischbildung im Assistent am Institut seines Brennraum sorgte und den ein- Doktorvaters, das damals auf gespritzten Kraftstoff möglichst dem Gebiet der Dieselmotoren nicht an die Wand kommen führend war. In seiner Doktor- ließ. Meurer wurde 1962 in den arbeit untersuchte Meurer die MAN-Vorstand berufen, wo er Gemischbildung und die Ver- für die gesamte Forschung und brennungsvorgänge im Motor, Entwicklung verantwortlich wobei er die schnell veränderli- war und Anregungen zu vielen chen Drucke und Temperaturen technischen Neuentwicklungen mit piezoelektrischen Mess- gegeben hat. 1975 schied er aus aufnehmern erfasste. Er trat dem Vorstand aus. Er erfuhr 1938 bei der Maschinenfabrik zahlreiche Ehrungen. So war er Augsburg-Nürnberg (MAN) in Präsident der Internationalen die Forschungsabteilung ein. Föderation von Automobil- Dort war er an der Entwicklung Ingenieuren. Ihm wurde von schnelllaufender Dieselmotoren der Technischen Hochschule für Nutzfahrzeuge beteiligt. Karlsruhe und der University Dabei erkannte er, dass die of Technology Loughborough bisherigen Annahmen über die die Ehrendoktorwürde verlie- Bildung des Kraftstoff-Luftge- hen. 1968 wurde er mit dem mischs und die Verbrennungs- Siemens-Ring und 1975 mit der kinetik unzulänglich waren. Die James Watt International Medal Brennräume und Einspritzver- ausgezeichnet. Am 2. Dezem- fahren der Motoren mussten ber 1997 ist Joachim Siegfried deshalb den neuen Erkenntnis- Meurer in Kreuth gestorben. sen angepasst werden. Diese Aufgabe konnte Meurer jedoch erst nach Kriegsende in Angriff nehmen. Zunächst arbeitete er von 1946 bis 1950 für das fran- zösische Luftfahrtministerium in Paris. Doch 1950 kehrte er

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 81 Ringträger 1972 LUDWIG BÖLKOW

Ludwig Bölkow gilt als der nach Kriegsende in Deutsch- Schöpfer der nach dem Zweiten land und arbeitete zunächst in Weltkrieg wieder erstande- der Bautechnik, u. a. auch mit nen deutschen Luft- und Fritz Leonhard (Siemens-Ring Raumfahrt industrie. Er wurde 1964) zusammen. Dazu grün- am 30. Juni 1912 in Schwerin dete er 1948 ein Ingenieurbüro. geboren. Da sein Vater während Doch als 1955 das Motorflug- des Ersten Weltkriegs in der verbot für Deutschland endete, Versuchswerkstatt der Fokker- stieg Bölkow wieder in die Flugwerke arbeitete, war sein Flugtechnik ein. Er wandelte Interesse an der Fliegerei früh das Ingenieurbüro 1956 in die geweckt. Nach dem Abitur Bölkow Entwicklungen KG machte er ein Praktikum bei um. Schon 1960 flog das erste, den Heinkel-Flugzeugwerken neuentwickelte viersitzige Flug- in Warnemünde. 1933 nahm zeug, und man begann mit der er ein Studium des Maschi- Entwicklung eines senkrecht nen- und Flugzeugbaus an startenden Überschallflugzeugs. der Technischen Hochschule 1965 entstand die Bölkow Berlin auf, das er 1938 mit einer GmbH, die sich 1968 mit der Diplomarbeit abschloss, die als Messerschmidt AG und 1969 Forschungsbericht gedruckt mit der Hamburger Flugzeug wurde. Darin entwirft er ein GmbH zur Messerschmidt- schnelles, viermotoriges Post- Bölkow-Blohm (MBB) GmbH flugzeug, das eine Reichweite zusammenschloss, deren Vor- von 6000 km und eine Reise- sitzender der Geschäftsführung geschwindigkeit von 600 km/h Ludwig Bölkow bis 1977 war. haben sollte – und damit seiner Dieses Unternehmen war an der Zeit weit voraus war. Nach dem Entwicklung und dem Bau zahl- Studium wurde er Assistent am reicher Luftfahrzeuge beteiligt: Lehrstuhl für Luftfahrzeugent- an dem Mehrzweckhubschrau- wurf und ging 1939 zur Mes- ber BO 195, dem Mehrzweck- serschmidt AG in Augsburg. Kampfflugzeug Tornado und Dort war er für den Bereich dem Airbus A 300. Zudem Hochgeschwindigkeits-Aero- wurden auch andere Projekte, dynamik zuständig und mit wie der Bau von Satelliten der Durchführung von Wind- und die Magnetschwebebahn, kanalversuchen beschäftigt. Er initiiert. Ab 1978 widmete sich entwickelte u. a. das Profil der Ludwig Bölkow der Konzeption Tragflügel und des Leitwerks von langfristigen Entwick- des Strahlflugzeugs Me 262. lungen in der Verkehrs- und Ab 1942 leitete er die Projekt- Energietechnik. Er erhielt viele gruppe für neue Versionen des Ehrungen, so die Goldene Standard-Jagdflugzeugs Me 109. Medaille der Royal Aeronautical Die dabei gewonnene industri- Society und die Ehrendoktor- elle Erfahrung war der Grund- würde der Universität Stuttgart. stein für Bölkows erfolgreiche 1972 wurde er mit dem Sie- Leitung von Großprojekten mens-Ring ausgezeichnet. Am nach dem Zweiten Weltkrieg. 25. Juli 2003 ist Ludwig Bölkow Trotz verlockender Angebote in Grünwald gestorben. aus dem Ausland blieb Bölkow

82 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1972 KARL WINNACKER

Mit Karl Winnackers Name über die Kinetik der Polyme- verbunden ist der Aufstieg der risation durch. Bei Kriegsende Farbwerke Hoechst zu einem war er einer der Direktoren der Weltkonzern. Er wurde am 21. IG-Farben-Industrie. Erst 1947 September 1903 in Barmen als konnte er wieder als Chemi- Sohn eines Lehrerehepaares ker arbeiten, zunächst in der geboren. Obwohl sein Vater Entwicklung der anorganischen schon 1914 gestorben war, Chemie in der Duisburger konnte Karl Winnacker seine Kupferhütte und von 1948 bis Schulausbildung mit dem Abitur 1951 in leitender Position beim abschließen. Zunächst arbeitete Wiederaufbau des Karbidwerks er als Kokerei- und Bergarbeiter, in Knapsack. 1951 nahm er das begann aber 1922 ein Chemie- überraschende Angebot der studium an der Technischen amerikanischen Kontrollbe- Hochschule Braunschweig, das hörde an, in die neu zu grün- er 1925 nach dem Vorexamen denden Farbwerke Hoechst als an der Technischen Hochschule Vorstandsmitglied einzutreten. Darmstadt fortsetzte. Nach Von 1952 bis 1969 war Karl Fertigstellung seiner Diplom- Winnacker Vorstandsvorsitzen- arbeit wurde er 1928 Assistent der des Unternehmens. Unter im Privatlaboratorium des seiner Ägide wurde aus dem Chemikers Ernst Berl, bei dem durch Stilllegung und Demon- Winnacker 1930 über Oxida- tagen heruntergekommenen tionsvorgänge in Motortreib- Werk ein weltweit anerkanntes stoffen promovierte. Über Berls Unternehmen, das am Standort Institut konnte er Kontakte zur Hoechst ein Forschungszentrum chemischen Industrie knüpfen. mit mehr als 1000 wissenschaft- 1933 wurde Berl von den lichen Mitarbeitern unterhielt. Nationalsozialisten als „rassisch 1969 schied Winnacker aus unerwünscht“ von seinem Lehr- dem Vorstand der Hoechst AG stuhl vertrieben. Doch seine aus, blieb aber noch bis 1980 Studenten stellten sich hinter Vorsitzender des Aufsichtsrates. ihn, und Winnacker konnte in Er erhielt Ehrendoktortitel der Gesprächen mit der hessischen Technischen Hochschule Braun- Landesregierung erreichen, dass schweig und der Universitäten Berl noch laufende Arbeiten Mainz, Marburg, Madrid und beenden und Doktorprüfungen Lund. Er war von 1954 bis 1970 abhalten konnte. Für Winna- Vorsitzender der DECHEMA cker ebnete Berl den Weg zum und von 1959 bis 1973 Präsident Werk Hoechst der IG-Farben- des Deutschen Atomforums. Industrie AG. Etwa in dieser 1972 erhielt der den Siemens- Zeit wurde Karl Winnacker Ring. Karl Winnacker ist am SA-Mitglied, und 1937 trat er 5. Juni 1989 in Königstein im der NSDAP bei. Bei Hoechst Taunus gestorben. machte er eine steile Karriere: 1937 leitete er die Abteilung Verfahrenstechnik, 1943 den Gesamtbereich Chemikalien. Er führte Untersuchungen zur Farbstoffkonfektionierung und

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 83 Ringträger 1975 WERNHER VON BRAUN

Mit Wernher von Braun, der daran, bei Bedarf mehr als 1975 den Siemens-Ring erhielt, tausend zusätzliche Arbeits- sind die hellsten und die dunkels- kräfte anzufordern. 1940 wurde ten Kapitel der Weltraumfahrt von Braun Mitglied der SS und und der Raketenentwicklung stieg bis 1943 zum Sturmbann- verbunden. Das von ihm koor- führer auf. Doch auf Betreiben dinierte Apollo-Programm hat Himmlers wurde er 1944 von die ersten Menschen auf den der Gestapo wegen Verrats und Mond gebracht, während der Wehrkraftzersetzung verhaftet. Bau und der Einsatz der unter Durch Intervention seines Vor- seiner Leitung entwickelten gesetzten und Albert Speers bei V2-Raketen tausende Menschen Hitler kam er aber wieder frei. das Leben kostete. Wernher Nach Kriegsende stellte sich von von Braun wurde am 23. März Braun den Amerikanern, und er 1912 in Wirsitz bei Bromberg wurde zusammen mit etwa 130 geboren und begeisterte sich seiner Mitarbeiter in die USA schon als Schüler für Raketen gebracht, wo sie dabei halfen, das und Weltraumfahrt. Nach dem US-Raketenprogramm aufzu- Abitur begann er 1930 an der bauen. Von 1950 an arbeitete von Technischen Hochschule Berlin Braun am Raketenzentrum in ein Ingenieurstudium, das er Huntsville in Alabama, ab 1956 1932 mit dem Examen abschloss. als Technischer Direktor, wo die Während des Studiums assistierte ballistische Redstone-Rakete und er dem Raketenpionier Hermann die Jupiter-Mittelstreckenrakete Oberth bei seinen Versuchen. Ab entwickelt wurden. Als Ende 1932 führte er diese Versuche als 1957 die UdSSR zwei Sputnik- Mitarbeiter der „Versuchsstelle Satelliten in die Erdumlaufbahn für Flüssigkeitsraketen“ des Hee- brachten, gelang es von Braun reswaffenamtes in Kummersdorf und seinen Mitarbeitern wenige fort, woraus seine Promotions- Wochen später, den US-Satelliten arbeit hervorging. Er fand ein Explorer 1 in die Umlaufbahn zu besser geeignetes Versuchsge- schießen, der Messdaten über die lände bei Peenemünde, wo 1936 Ionosphäre lieferte. US-Präsident der Bau der „Heeresversuchsan- Kennedy ernannte Wernher stalt Peenemünde“ begann. 1937 von Braun zum Koordinator des trat er in die NSDAP ein und Apollo-Raumfahrtprogramms. wurde Technischer Direktor der Mit der unter seiner Leitung neuen Heeresversuchsanstalt. entwickelten Rakete Saturn V Er leitete die Entwicklung des wurden 1969 die ersten Men- „Aggregats A 4“, das ab 1944 schen auf den Weg zum Mond als Raketenwaffe V2 eingesetzt gebracht. Als das Apollo- wurde. Für die Serienfertigung Programm nicht fortgesetzt der V2 wurden KZ-Häftlinge wurde, verließ von Braun 1972 und Zwangsarbeiter herange- enttäuscht die Raumfahrtbe- zogen, deren unmenschliche hörde NASA. Den Siemens-Ring Behandlung – insbesondere konnte er 1976 aus Gesundheits- im unterirdischen KZ-Lager gründen nicht persönlich entge- Dora Mittelbau – von Braun aus gen nehmen. Er starb am 16. Juni eigener Anschauung bekannt 1977 in Alexandria, Virginia. war. Das hinderte ihn nicht

84 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1975 WALTER BRUCH

Walter Bruch, ein Pionier des zur Telefunken AG zurück, wo deutschen Fernsehens, wurde er zunächst die Fernsehgeräte- 1975 mit dem Siemens-Ring entwicklung in Hannover leitete. geehrt. Geboren am 2. März Anfang der 1950-er Jahre wurde 1908 in Neustadt an der Wein- in den USA das Farbfernsehen straße, hatte er schon in seiner nach dem NTSC-System einge- Schulzeit Rundfunkexperimente führt, wenige Jahre später folgte durchgeführt und beschlossen, Frankreich mit dem SECAM- auch mit Fernsehexperimenten System. Da beide Systeme spezi- zu beginnen. Er besuchte von elle Vorteile, aber auch Nachteile 1927 bis 1930 die Ingenieur- aufwiesen, begannen Walter schule Mittweida und studierte Bruch und seine Mitarbeiter von 1930 bis 1932 Physik und ein farbstabiles Übertragungs- Elektrotechnik an der Tech- system zu entwickeln, das diese nischen Hochschule Berlin. Vorteile in sich vereinte. Ende Während seiner Studienzeit 1962 konnte er das PAL (Phase veröffentlichte er Bauanleitun- Alternation Line), Farbfernseh- gen für Ton- und Bildfunkge- system zum Patent anmelden räte. Von 1933 bis 1935 war er und Anfang 1963 den Experten als Konstrukteur und Techni- der Europäischen Rundfunk- ker in den Privatlaboratorien union erfolgreich vorführen. der Fernsehpioniere Manfred Mit dem PAL-System begann von Ardenne und Dénes von am 25. August 1967 die Ära des Mihaly tätig. 1935 trat er in die Farbfernsehens in der Bundesre- Forschungsabteilung der Firma publik Deutschland. Zahlreiche Telefunken in Berlin ein, wo er Länder weltweit übernahmen daran mitarbeitete, das zunächst das PAL-Farbfernsehen. In dem noch experimentelle Fernsehen von ihm geleiteten Telefunken- zur Betriebsreife zu bringen. Bei Grundlagenlabors leistete Bruch den Olympischen Spielen 1936 wichtige Beiträge zur Entwick- bediente er die von ihm mitent- lung des Verkehrswarnfunks wickelte Fernsehkamera, mit und des Stereotons beim Fernse- der die Direktübertragung von hen. Er war langjähriger Vorsit- Sportereignissen möglich wurde. zender der Fernsehtechnischen Für die Reichspost richtete er Gesellschaft sowie Lehrbeauf- 1938 im Berliner Deutschland- tragter der Technischen Hoch- haus das erste vollelektronische schule Hannover, die ihm 1964 Fernsehstudio ein, dessen tech- die Ehrendoktorwürde verlieh. nischer Leiter er dann wurde. Der Erfolg seiner Arbeit hat sich In der Heeresversuchsanstalt in mehr als 150 Patenten nie- Peenemünde arbeitete er von dergeschlagen. 1974 ging er in 1941 bis 1942 mit Wernher von den Ruhestand, ein Jahr später Braun zusammen, als er eine wurde er mit dem Siemens- Anlage zur Fernsehübertra- Ring geehrt. Walter Bruch ist gung installierte, mit der sich am 5. Mai 1990 in Hannover Raketenstarts sicher beobachten gestorben. ließen. Nach dem Krieg betrieb er zunächst ein privates Ent- wicklungslabor für Elektrophy- sik in Berlin, kehrte aber 1950

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 85 Ringträger 1978 RUDOLF HELL

Der Ingenieur Rudolf Hell hat Fertigungsstellen. Der Zweite mit seinen bahnbrechenden Weltkrieg machte dem jedoch Erfindungen die Drucktech- ein Ende und führte schließ- nik revolutioniert und wurde lich zur völligen Zerstörung dafür 1978 mit dem Siemens- der Betriebe in Berlin. Doch Ring geehrt. Geboren am 19. schon 1947 begann Hell in Kiel Dezember 1901 im bayerischen mit dem Wiederaufbau seines Eggmühl, verbrachte er seine Unternehmens. Schon bald Schulzeit in Eger. Er nahm 1919 lieferte er verschiedene Geräte an der Technischen Hochschule zur Nachrichtenübermittlung München ein Studium der in Wort und Bild an führende Elektrotechnik auf, das er 1923 Nachrichtenagenturen im In- mit dem Diplom abschloss. Er und Ausland. So konnten mit begeisterte sich insbesondere dem Hell-Blattschreiber Zeich- für die Funktechnik, die in nungen oder Wetterkarten München durch die Pioniere durch Funk übertragen werden. Jonathan Zenneck und Max Das dabei verwendete Verfah- Dieckmann vertreten war. ren der Bildzerlegung ließ sich 1923 wurde Hell Assistent bei auch für elektronisch gesteuerte Dieckmann und konnte schon Graviermaschinen nutzen, die 1925 sein erstes Patent über Hell ab 1951 entwickelte. 1954 eine „Lichttechnische Bildzer- brachte er dann diese Anlagen legungsröhre für die Zwecke unter dem Namen „Klischo- des Fernsehens“ anmelden. Er graph“ auf den Markt. Zuerst und Dieckmann führten auf wurden sie zur Bebilderung der Verkehrsausstellung 1923 von Tageszeitungen verwendet, in München eine Sende- und doch schon bald setzte man Empfangseinrichtung für die Farb-Klischographen im Buch- Fernübertragung von Schrift und Zeitschriftendruck ein. und Bild vor. 1927 promovierte Schließlich initiierte Hell die Hell mit einer Arbeit über ein Entwicklung von computerge- Funkpeilgerät für die Luft- steuerten Satzanlagen, die den fahrt. Während die damalige Schriftsatz weltweit revolutio- Technik für die Übertragung nierten. 1972 schied Hell aus von Fernsehbildern noch nicht der Geschäftsführung seines reif war, waren die Vorausset- Unternehmens aus, das 1981 zungen für die Faksimiletech- von Siemens übernommen nik schon gegeben. So erfand wurde, inzwischen aber zur Hell 1929 einen Bildschreiber, Heidelberger Druckmaschinen später Hell-Schreiber genannt, AG gehört. Rudolf Hell erfuhr der bald die Morse-Telegrafie zahlreiche Ehrungen. So erhielt ablöste. Er hatte im selben Jahr er 1973 die Ehrendoktorwürde ein Patent für eine „Vorrich- der Technischen Universität tung zur elektrischen Über- München, 1977 den Gutenberg- tragung von Schriftzeichen“ Preis der Stadt Mainz und 1978 angemeldet und in Berlin eine in Anwesenheit des Bundes- Firma zur Auswertung seiner präsidenten Karl Carstens den Erfindungen gegründet. Das Siemens-Ring. Rudolf Hell Unternehmen florierte, und es starb am 11. März 2002 in Kiel. entstanden andernorts weitere

86 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1981 HANS SCHERENBERG

Der innovative Automobilkon- begann 1953 die Entwicklung strukteur Hans Scherenberg, eines neuen PKW-Programms, geboren am 28. Oktober 1910 wobei selbsttragende Ganz- in Dresden, wurde 1981 mit stahlkarosserien und Ben- dem Siemens-Ring ausge- zineinspritzung eingeführt zeichnet. Sein Interesse an der wurden. Als stellvertretendes Kraftfahrzeugtechnik zeigte Vorstandsmitglied übernahm er sich früh: Schon als Praktikant 1955 u. a. die Turbotriebwerks- und Student hatte er Motor- entwicklung und den Ausbau räder und Autos repariert. Er des Großmotorenbereichs. studierte an den Technischen 1965 wurde er ordentliches Hochschulen Stuttgart und Vorstandsmitglied und Leiter Karlsruhe von 1930 bis 1935 des gesamten Forschungs- und Maschinenbau und meldete in Entwicklungsbereichs mit dieser Zeit seine ersten Patente fast 8000 Mitarbeitern. Unter für Messgeräte an, die die seiner Ägide fallen die Pilotent- Durchschnittgeschwindigkeit wicklung eines Antiblockier- und den mittleren Kraftstoff- Bremssystems (ABS) und die verbrauch anzeigten. 1935 trat Entwicklung eines Abgas- er in die Entwicklungsabteilung Turboaufladungssystems für von Daimler-Benz in Stuttgart Dieselmotoren. Zudem wurden als Versuchsingenieur ein. Er Arbeiten über alternative war beteiligt an der Entwick- Energien für Motorantriebe, lung des ersten Personenwagens z. B. durch Wasserstoff oder mit Dieselmotor und an For- Methanol, begonnen. 1977 trat schungen zur Gemischbildung Scherenberg in den Ruhestand. im Motor. Ab 1939 arbeitete Ihm wurden zahlreiche Ehrun- er an Entwicklungen zur gen zuteil. So verlieh ihm die Benzineinspritzung und zum Technische Universität Karls- Vorkammerverfahren. 1942 ruhe die Ehrensenatorwürde promovierte er an der Tech- und die Technische Universität nischen Hochschule Stuttgart Berlin die Ehrendoktorwürde. mit einer Arbeit über „Ventil- 1982 wurde ihm im Beisein des steuerung für Viertakt-Höhen- Bundespräsidenten Karl Cars- flugmotoren“. Nach dem Krieg tens der Siemens-Ring über- war er von 1946 bis 1951 bei reicht. Am 17. November 2000 der Firma Gutbrod beschäftigt, verstarb Hans Scherenberg in zuletzt als technischer Direktor. Stuttgart. Unter seiner Leitung wurde das weltweit erste Serienfahrzeug mit Benzineinspritzung, der Gutbrod Superior, entwickelt, der 1951 vom Band lief. Ein Jahr später ging Scherenberg zu Daimler-Benz zurück und war dort bis 1955 Konstruk- tionschef. Unter seiner Leitung

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 87 Ringträger 1984 FRITZ PETER SCHÄFER

Der fünfundzwanzigste Ring- Doch 1966 entdeckte er, dass Träger war der 1984 ausge- bei einer hinreichend hohen zeichnete Physiker Fritz Peter Konzentration des Farbstoffs Schäfer. Wie es in der Laudatio die Fluoreszenz plötzlich heißt, erhielt er diese hohe Aus- tausendmal stärker war als zeichnung „für seine bahnbre- erwartet: Der Farbstoff war nun chenden Verdienste um Natur- selbst zum Laser geworden und wissenschaft und Technik durch hatte infrarote Laserstrahlung Forschungen und Erfindungen abgegeben. Durch Verwendung auf den Gebieten der Optik anderer Farbstoffe ließ sich die und physikalischen Chemie, die Wellenlänge der Laserstrahlung zum wichtigen neuen Instru- in weiten Grenzen variieren. ment des Farbstofflasers und Mit solch einem „abstimm- seiner Anwendungen führten baren“ Laser konnte man sowie für seine entscheidenden den Aufbau von Atomen und Anstöße und seine Mitwir- Molekülen untersuchen, chemi- kung an der Gründung und sche Reaktionen auslösen und Entwicklung einer modernen steuern sowie winzige Substanz- Instrumente-Firma, die zur mengen auch aus der Ferne technischen Beherrschung und nachweisen. Fritz Peter Schäfer wirtschaftlichen Verbreitung veröffentlichte seine Entde- von Systemen der modernen ckung des Farbstofflasers etwa Quantenoptik mit großem zeitgleich mit Forschern in den Erfolg geführt hat“. Fritz Peter USA und habilitierte sich damit Schäfer wurde am 15. Januar 1967. In der Folge entwickelte 1931 in Bad Hersfeld geboren, er Farbstofflaser, die ultrakurze machte 1951 an der dortigen Lichtpulse mit einer Länge Alten Klosterschule das Abitur von wenigen Femtosekunden und studierte anschließend abgaben und dabei extrem an der Universität Marburg hohe Leistungen erreichten. Physik und Chemie. Er promo- 1970 wurde Schäfer Leiter vierte 1960 und entwickelte im der Abteilung für Laserphysik Rahmen seiner Doktorarbeit und Direktor am Max-Planck- Analogrechner zur Ermittlung Institut für Biophysikalische von quantenmechanischen Chemie in Göttingen. Im Jahr Wellenfunktionen und Ener- darauf initiierte er die Grün- gieniveaus. Im selben Jahr dung der Firma Lambda Physik wurde in den USA von Theo- in Göttingen durch zwei seiner dore Maiman der erste Laser Diplomanden, die kommerziell betrieben. Schäfer baute diesen sehr erfolgreich war und aus der Rubinlaser 1963 nach und 1980 eine Tochterfirma in den untersuchte mit ihm die Lichte- USA hervorging. Schäfer erhielt mission von organischen Farb- 1968 den Fritz-Haber-Preis, stoffmolekülen. Dabei stellte und 1985 wurde ihm im Beisein er fest, dass eine alkoholische von Bundespräsident Richard Lösung eines blauen Cyanfarb- von Weizsäcker der Siemens- stoffs das rote Laserlicht gut Ring überreicht. 1994 wurde er absorbierte und dadurch zur emeritiert. Fritz Peter Schäfer ist Abgabe von infraroter Fluores- am 25. April 2011 in Hannover zenzstrahlung angeregt wurde. gestorben.

88 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1987 RUDOLF SCHULTEN

Der 1987 mit dem Siemens- von über 50 Prozent, und seine Ring geehrte Kern- und Reak- hohe Betriebstemperatur von torphysiker Rudolf Schulten bis zu 950 °C ermöglichte die wurde am 18. August 1923 in Erzeugung von Prozesswärme Oeding in Westfalen als Sohn z. B. zur Kohlevergasung. In der eines Textilfabrikanten geboren. damaligen Kernforschungsan- Nach dem Besuch des Gym- lage Jülich wurde ein Kugelhau- nasiums in Borken wurde er fen-Versuchsreaktor gebaut, der 1943 zum Wehrdienst einbe- 1967 erstmals an das öffentliche rufen. Er studierte von 1945 Stromnetzt angeschlossen wurde bis 1949 an der Universität und sehr zuverlässig eine elekt- Bonn Physik und Mathematik rische Leistung von 15 Megawatt und schloss das Studium mit (MW) lieferte. Schulten wurde dem Mathematik-Diplom ab. 1964 ordentlicher Professor Dann ging er zum Max-Planck- für Reaktortechnik an der Institut für Theoretische Physik Rheinisch-Westfälischen Tech- in Göttingen, wo er unter der nischen Hochschule Aachen Anleitung von Werner Heisen- und Direktor am Institut für berg 1952 eine Dissertation mit Reaktorentwicklung der Kern- dem Titel „Die magnetischen forschungsanlage Jülich. Er Momente und Quadrupolmo- übernahm die Leitung des mente einiger leichter Atom- Projektes „Thorium-Hochtem- kerne“ verfasste, mit der er 1952 peraturreaktor“ (THTR), dessen an der Universität Göttingen Ziel die Entwicklung eines promovierte. Danach schloss er 300-MW-Kernkraftwerks mit sich der Neutronenphysik- und einem Kugelhaufenreaktor war, Reaktorgruppe von Karl Wirtz in dem Thorium als Kernbrenn- an. Doch 1956 verließ Rudolf stoff erprobt werden sollte. 1972 Schulten Göttingen und ging begann der Bau dieser Anlage in zur Brown, Boveri & Cie. AG in Hamm-Uentrop, die Übergabe Mannheim, wo er die Abteilung an den Betreiber fand indes erst Reaktorentwicklung übernahm. 1987 statt. Der Reaktor konnte Unter seiner Leitung wurde von die in ihn gesetzten hohen 1958 bis 1962 der Hochtempe- Erwartungen jedoch nicht raturreaktor mit heliumgekühl- erfüllen und wurde schon 1989 ten und graphitummantelten stillgelegt. Während in Deutsch- Brennelementen entwickelt. In land das Interesse am Kugelhau- diesem innovativen Reaktor fenreaktor schwand, hielt es im bewegten sich die kugelförmi- Ausland an, z. B. in den USA gen Brennelemente in einem und in China. Rudolf Schulten Schacht aus hitzebeständigem wurden zahlreiche Ehrungen keramischem Material, während zuteil. So erhielt er neben dem sie von Helium als Kühlgas Siemens-Ring den Otto-Hahn- umströmt wurden. Der „Kugel- Preis der Stadt Frankfurt am haufenreaktor“ zeichnete sich Main, und die Tsinghua- durch „inhärente“ Sicherheit Universität in Peking und die aus, da er sich bei einer Unter- Universität-Gesamthochschule brechung des Kühlkreislaufs Essen verliehen ihm die Ehren- selbsttätig abschaltete. Er hatte doktorwürde. Am 30. April 1996 einen hohen Wirkungsgrad ist er in Aachen gestorben.

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 89 Ringträger 1990 ARTUR FISCHER

Der Siemens-Ring wurde 1990 weit über 100 Dübelarten für dem äußerst kreativen Erfin- eine Vielzahl von Anwendun- der und Firmengründer Artur gen. Später entwickelte Fischer Fischer verliehen, der auf mehr Knochendübel aus Stahl, die als 4000 Patente und Innova- die zur Behandlung von Kno- tionen zurückblicken konnte. chenbrüchen verwendeten Geboren am 31. Dezember 1919 Nägel ersetzen sollten. Das 1964 in Tumlingen im Schwarzwald, von Artur Fischer erfundene besuchte er die Realschule in Baukastensystem „fischer- Dornstetten und absolvierte technik“ hielt gleichermaßen danach eine Schlosserlehre in Einzug in Kinderzimmer wie in Stuttgart. 1938 wurde er zum Forschungs- und Entwicklungs- Arbeitsdienst und anschließend abteilungen. Mit ihm konnten zur Luftwaffe eingezogen. Nach Modelle komplexer Anlagen der Kriegsende geriet er in britische Großtechnik gebaut werden. Gefangenschaft, aus der er aber 1979 übergab Artur Fischer die schon 1946 entfloh. Er arbeitete Geschäftsführung der Fischer- bis 1947 in einer Elektrofirma in werke an seinen Sohn und Freudenstadt, wo er mit Son- wechselte in das neu erbaute deraufgaben betraut war. Ab Forschungs- und Entwicklungs- 1948 betrieb er in Hörschweiler zentrum des Unternehmens. Er und später in Tumlingen sein erhielt zahlreiche Ehrungen. So eigenes Unternehmen, das wurden ihm 1976 die Ehren- Schalter, Blitzlichtgeräte für doktorwürde durch die Uni- Kameras und Elektrofahrzeuge versität Gießen und 1977 die produzierte. Der Durchbruch Ehrensenatorwürde durch die vom Handwerksbetrieb zum Universität Stuttgart verliehen. Industrieunternehmen kam 1984 wurde er in die Ehrenga- mit Fischers Erfindung eines lerie der Erfinder im Deutschen Blitzgerätes, das die Belichtung Patentamt München aufgenom- elektrisch mit dem Objektivver- men, und 1991 wurde ihm in schluss koppelte. Auf diese 1949 Stuttgart im Beisein des Baden- patentierte Innovation wurde Württembergischen Minis- die Firma Agfa aufmerksam, die terpräsidenten Erwin Teufel daraufhin die jährlich steigende der Siemens-Ring überreicht. Produktion von Blitzlichtgerä- Am 27. Januar 2016 ist Arthur ten aufkaufte. Fischers Unter- Fischer in seinem Geburtsort nehmen wuchs infolgedessen Tumlingen gestorben. von zehn Mitarbeitern im Jahr 1950 auf 200 Mitarbeiter im Jahr 1958. Artur Fischers zweite entscheidende Erfindung, die ihn und sein Unternehmen weltbekannt machten, war der 1961 patentierte Nylonspreizdü- bel. Damit wurde eine Befesti- gungstechnologie eingeführt, die das professionelle Bauwesen und das Heimwerken verän- dern sollte. Schon bald gab es

90 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1993 EVELINE GOTTZEIN

Die Ingenieurin Eveline Gott- Prüfanlagen zur Untersuchung zein ist bisher die einzige Frau, von Lageregelungssystemen die mit dem Siemens-Ring für die Luft- und Raumfahrt geehrt wurde. Sie wurde am 30. entwickelt, die später internatio- September 1931 in Leipzig als nale Abnehmer fanden. Ab 1970 Tochter eines Maschinenbau- konzipierte und entwickelte die ingenieurs geboren und begeis- Abteilung von Eveline Gottzein terte sich schon als Schülerin ein Trag- und Führungssystem für Segelflugmodelle. Nach für eine Hochgeschwindig- dem Abitur 1949 wurde sie keits-Magnetbahn. Zwischen trotz überragender schulischer 1970 und 1984 wurden vier Leistungen „wegen fehlender Magnetfahrzeuge gebaut, mit gesellschaftlicher Reife“ nicht denen insgesamt sechs Trag- zum Studium zugelassen. Sie und Führungssysteme erprobt absolvierte im Radio- und wurden. Aus dieser Arbeit ging Fernmeldewerk Leipzig eine Eveline Gottzeins in Fachkreisen Lehre als Elektrotechnikerin. hochgelobte Dissertation hervor, Von 1952 an konnte sie dann die sie 1983 an der Fakultät für doch noch an der Technischen Maschinenbau der Technischen Universität Dresden studie- Universität München einreichte. ren: bis 1954 Elektrotechnik, Das Ergebnis der Entwicklungs- anschließend bis 1957 Mathe- arbeit, zu der Gottzein entschei- matik und Physik. Während dend beitrug, war der Transra- ihres Studiums hatte sie einen pid 06, der 1987 auf einer 31,5 Beratervertrag mit einer Firma Kilometer langen Versuchsstre- für wissenschaftlich-technischen cke im Emsland mit 460 km/h Gerätebau, in deren Auftrag einen Geschwindigkeitsrekord sie einen elektronischen Ana- aufstellte. Ab 1975 widmete logrechner entwickelte, der auf sie sich wieder der Bahn- und der Leipziger Messe ausgestellt Lageregelung in der Flugtechnik wurde. 1957 flüchtete sie aus der und der Raumfahrt. Sie und DDR in die Bundesrepublik. Sie ihre Mitarbeiter entwickelten setzte ihr Studium an der Tech- die Dreiachsenstabilisierung nischen Hochschule Darmstadt für Satelliten, mit der MBB ab fort und schloss es 1962 mit 1990 zahlreiche Nachrichten- dem Diplom in Mathematik ab. satelliten ausgerüstet hat. 1989 Schon während des Studiums wurde sie Lehrbeauftragte und war sie zunächst freie Mitar- 1996 Honorarprofessorin an der beiterin und ab 1960 Entwick- Universität Stuttgart. 1993 ist sie lungsingenieurin für Regelungs- mit dem Siemens-Ring ausge- technik bei der Bölkow KG in zeichnet worden. Seit 2007 ist sie Ottobrunn. Dort wurde sie 1963 Fellow des American Institute mit dem Aufbau einer Abtei- of Aeronautics and Astronautics lung für Flugkörperregelung und seit 2008 Fellow der Inter- betraut. In diese Zeit fällt die national Federation of Automa- Entwicklung der Lageregelung tic Control. für die „Symphonie“-Nachrich- tensatelliten, die 1974 und 1975 gestartet wurden. Nach Eveline Gottzeins Entwürfen wurden

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 91 Ringträger 1996 CARL ADAM PETRI

Der Mathematiker Carl Adam verteilte Systeme und Prozesse Petri, der 1996 mit dem tiefgreifend modellieren kann. Siemens-Ring ausgezeichnet In den folgenden Jahren hat er wurde, ist in der Informatik diese Theorie der Petri-Netze mit den nach ihm benann- erweitert und verfeinert. Später ten Petri-Netzen, die verteilte hat sich Petri auch mit topo- Systeme modellieren, weltweit logischen Eigenschaften von bekannt geworden. Er wurde Netzen befasst. Von 1963 bis am 12. Juli 1926 in Leipzig als 1968 arbeitete er an der Univer- Sohn eines Mathematikers sität Bonn, deren Rechenzent- geboren und besuchte von rum er einrichtete und leitete. 1936 an die Leipziger Thomas- 1968 wurde die Gesellschaft Schule, an der er 1944 ein für Mathematik und Daten- Notabitur machte. Kurz darauf verarbeitung (GMD) in Sankt wurde er zum Kriegsdienst Augustin bei Bonn gegründet eingezogen, geriet aber bald mit dem Ziel, das Konzept der in englische Gefangenschaft. Großforschung auf die Daten- Er wurde nach England in ein verarbeitung zu übertragen. Kriegsgefangenen lager gebracht, Petri wurde von der GMD zum wo er sich weiterbilden konnte. Leiter des Instituts für Informa- Ende 1948 wurde er nach tionssystemforschung berufen Deutschland entlassen. Da und übte diese Tätigkeit bis zu weder sein Notabitur noch ein seiner Pensionierung 1991 aus. in England abgelegtes Abitur In den 1970er-Jahren suchte ihn als Reifezeugnis anerkannt in der GMD der Computerpio- wurden, machte er 1949 sein nier Konrad Zuse auf, der sich drittes Abitur. 1950 begann er mit den theoretischen Grund- an der Technischen Hochschule lagen der Computertechnik Hannover ein Studium der beschäftigte. Es kam zu einer Physik und Mathematik, das Zusammenarbeit zwischen Petri er 1956 mit dem Mathematik- und Zuse, der sich für die Petri- Diplom abschloss. Von 1956 bis Netze begeisterte und später 1958 war er wissenschaftlicher zwei Bücher über sie schrieb. Assistent an der TH Hanno- Carl Adam Petri hat zahlreiche ver und von 1959 bis 1962 an Ehrungen erfahren. So wurde er der Universität Bonn, wo er 1988 Ehrenprofessor der Uni- seinen Arbeitsschwerpunkt versität Hamburg, 1993 erhielt auf die Informatik legte. 1962 er die Konrad-Zuse-Medaille promovierte er am Institut für besondere Verdienste um für Praktische Mathematik die Informatik, und 1997 bekam der Technischen Universität er den Siemens-Ring über- Darmstadt mit der Dissertation reicht, für den ihn die Siemens- „Kommunikation mit Automa- Ringträgerin Eveline Gottzein ten“. Für diese bahnbrechende nominiert hatte. Im Jahr 2009 Arbeit, die die Grundlage für erhielt er den IEEE Computer seine spätere Netztheorie war, Pioneer Award. Am 2. Juli 2010 wurde er von der TU Darmstadt ist Carl Adam Petri in Siegburg ausgezeichnet. In ihr zeigte er, verstorben. wie man verteilte Kommuni- kationsprozesse erfassen sowie

92 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 1999 DIETER OESTERHELT

Der Biochemiker Dieter Oester- mithilfe von Chlorophyll gibt es helt, am 10. November 1940 in somit noch einen weiteren Weg München geboren, wurde 1999 der biologischen Lichtenergie- mit dem Siemens-Ring geehrt nutzung. Es gelang Oesterhelt für den Nachweis und die Erfor- und seinen Mitarbeitern, die schung des Proteins Bacterio- Struktur und die Funktions- rhodopsin, das überraschende weise des Bacteriorhodopsins Anwendungen gefunden hat. aufzuklären. Demnach führt Nach dem Abitur 1959 am The- die vom Licht hervorgerufene resien-Gymnasium in München Umlagerung eines Protons im begann Oesterhelt ein Che- Zentrum des Proteins und sein miestudium an der Universität nachfolgender Absprung in München, das er 1965 mit dem das Außenmedium dazu, dass Diplom abschloss. Von 1965 sich die Farbe des Proteins von bis 1967 arbeitete er am Institut violett zu gelb ändert. Dieter für Biochemie der Universität Oesterhelt ging 1973 an das München und promovierte 1967 Friedrich-Miescher-Laborato- beim Nobelpreisträger Feodor rium der Max-Planck-Gesell- Lynen. Anschließend wurde schaft in Tübingen, und 1975 Oesterhelt wissenschaftlicher wurde er ordentlicher Professor Assistent am Max-Planck-Insti- für Biochemie an der Universität tut für Zellchemie in München, Würzburg. Schließlich wurde er dessen Direktor Lynen war. 1979 einer der Direktoren am Oesterhelt ging 1969 an die Max-Planck-Institut für Bioche- University of California, San mie in Martinsried, wo er bis zu Francisco, und untersuchte die seiner Emeritierung im Jahre Purpurmembran der Halobak- 2008 tätig war. Bacteriorhodop- terien. Diese Bakterien leben sin lässt sich biotechnologisch in gesättigten Salzlösungen, einfach herstellen und durch wie man sie in abgeschnittenen chemische und gentechnische Meeresarmen oder in Anlagen Modifizierung zu einem multi- zur Salzgewinnung findet. Es funktionalen Material machen, gelang Oesterhelt, das für die wie Oesterhelt und seine Mitar- Färbung der Membran verant- beiter zeigten. So setzt man es wortliche Protein zu isolieren. für die Dokumentensicherung Das Protein enthält das Pigment ein, da es vor unerlaubtem Foto- Retinal, das im menschlichen kopieren schützt. Zudem ist es Auge den Sehprozess vermittelt. ein vielversprechendes Medium Oesterhelt nannte es in Analogie für die optische Datenspeiche- zum Rhodopsin des Auges „Bac- rung. Dieter Oesterhelt wurden teriorhodopsin“. 1970 kehrte zahlreiche Ehrungen zuteil. So er nach München zurück und erhielt er 1990 den Karl-Heinz- untersuchte die Funktion des Beckurts-Preis, 1991 die Otto- Bacteriorhodopsins in der Pur- Warburg-Medaille, und 1999 purmembran. Er kam 1972 zu wurde ihm der Siemens-Ring dem Schluss, dass es als lichtge- verliehen. triebene Protonenpumpe wirkt und damit für die Halobakterien die Lebensgrundlage ist. Neben der bekannten Photosynthese

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 93 Ringträger 2002 JÖRG SCHLAICH

Der Bauingenieur Jörg Schlaich später in „Institut für Konstruk- wurde 2002 mit dem Siemens- tion und Entwurf“ umbenannt Ring geehrt. In der Laudatio wurde und das er bis zu seiner hieß es, dass er mit seinen Emeritierung im Jahr 2000 Bauwerken als technische leitete. 1980 hat er sein eigenes Innovationen Außergewöhn- Ingenieurbüro gegründet, dem liches geschaffen habe, wobei er bis 2001 angehörte. Er hat sowohl die Ästhetik als auch zahlreiche unkonventionelle ökologische und soziale Aspekte Ingenieurbauwerke entwor- einbezogen würden. Jörg fen, sowohl Dächer als auch Schlaich wurde am 17. Oktober Türme und Brücken. Er war an 1934 in Stetten bei Stuttgart der Konstruktion des Münch- geboren. Die Grundschule und ner Olympiadachs beteiligt, das Gymnasium besuchte er in hat eine 1177 Meter lange Stetten, Heilbronn und Waib- Schrägseilbrücke in Hongkong lingen. Außerdem machte er geplant und hat den seinerzeit eine Schreinerlehre. Ab 1953 weltweit größten Trockenkühl- studierte er Bauingenieurwesen turm für das Kernkraftwerk in und Architektur an der Tech- Hamm-Uentrop entworfen, der nischen Hochschule Stuttgart. allerdings 1991 nach dessen Er wechselte nach dem Vordi- Stilllegung gesprengt wurde. plom 1955 an die Technische Darüber hinaus hat er neue Universität Berlin, wo er das Wege für eine umweltfreundli- Studium des Bauingenieurwe- che Energienutzung gewiesen, sens fortsetzte und 1959 mit etwa mit seiner Idee für ein dem Diplom abschloss. Von Solar-Aufwindkraftwerk. Er hat 1959 bis 1960 war er Gradu- zahlreiche Ehrungen erhalten, ate Assistant und Lecturer für wie die Ehrenprofessur der Stahlbetonkonstruktionen am Tongji-Universität in Shanghai Case Institute of Technology und die der Huazhong Univer- in Cleveland, Ohio. Er kehrte sity of Science and Technology 1961 nach Stuttgart zurück und in Wuhan, sowie die Ehrendok- trat dort als Entwurfsingenieur torwürde der Eidgenössischen in die Baufirma Ludwig Bauer Technischen Hochschule Lau- ein. Parallel dazu arbeitete er an sanne. 2003 wurde Jörg Schlaich einer Dissertation. Nach seiner der Siemens-Ring überreicht. Promotion 1963 an der Tech- nischen Hochschule Stuttgart wurde er Mitarbeiter im Büro Leonhardt und Andrä, Bera- tende Ingenieure, und ab 1970 auch Partner von Fritz Leon- hardt, dem Siemens-Ringträger von 1964, und von Wolfhardt Andrä. Seit 1967 hatte er einen Lehrauftrag an der Universität Stuttgart. 1974 wurde er dort als Nachfolger Leonhardts Professor und Direktor des „Instituts für Massivbau“, das

94 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 2005 BERTHOLD LEIBINGER

Der Unternehmer Berthold des Unternehmens war. Unter Leibinger, Gesellschafter der Leibingers Ägide ist aus der Trumpf GmbH + Co. KG in kleinen schwäbischen Maschi- Ditzingen, wurde 2005 mit nenfabrik ein Weltunterneh- dem Siemens-Ring geehrt. Er men geworden. Ab 1979 stieg wurde am 26. November 1930 TRUMPF in die Lasertechnik in Stuttgart geboren und legte ein, stellte 1985 erstmals eigene sein Abitur 1950 am Ulrich-von- CO2-Laser vor und baute zwei Hutten-Gymnasium in Korntal Jahre später eine Flachbettlaser- ab. Anschließend machte er eine schneidanlage mit „fliegender Mechanikerlehre bei der damals Optik“. Dabei wurde nicht das noch kleinen Maschinenfabrik Werkstück unter dem Laser TRUMPF & Co. in Stuttgart, bewegt, sondern die Laseroptik und nach einer verkürzten über das Werkstück geführt. Ausbildungszeit begann er 1951 Mit einem 2003 entwickelten ein Maschinenbaustudium an leistungsfähigen Scheibenlaser der Technischen Hochschule wurden neue Anwendungen wie Stuttgart. Er schloss das Studium das Scanner-Schweißen und das 1957 als Diplomingenieur für Laserformen möglich. Die auf das Maschinenbauwesen ab. diesen Innovationen aufbauen- Für seine Diplomarbeit führte den Fertigungsverfahren haben er eine experimentelle Untersu- zum Beispiel den Bau großer chung bei der Firma TRUMPF Passagierschiffe revolutioniert. durch, aus der Konstrukti- Berthold Leibinger engagiert onsvorschläge hervorgingen, sich auch für das Gemeinwohl. die zu drei Patenten führten. So hat er 1992 eine gemein- Anschließend war er bis 1958 nützige Stiftung gegründet, die Konstrukteur bei TRUMPF ihre Erträge kulturellen, wissen- und ging dann als Entwick- schaftlichen, kirchlichen und lungsingenieur zu Cincinnati mildtätigen Zwecken zuführt. Milling Machines (CMM) in Sie schreibt seit 2000 alle zwei Cincinnati, Ohio. 1961 kehrte Jahre den Berthold Leibinger er zu TRUMPF zurück und Innovationspreis für angewandte war dort bis 1965 Leiter der Laserphysik aus. Zu den zahl- Konstruktionsabteilung. Durch reichen Ehrungen, die Berthold eine Reihe wichtiger Neukons- Leibinger zuteilwurden, gehören truktionen legte er den Grund- 1990 die Ehrendoktorwürde stein für das spätere Wachstum der Universität Stuttgart, 2005 des Unternehmens. Von 1966 der Siemens-Ring und 2011 der bis 1978 war er Technischer Arthur L. Schawlow Award des Geschäftsführer und Gesell- Laser Institute of America. schafter der TRUMPF GmbH + Co. KG, von 1978 bis 2005 Vorsitzender der Geschäftsfüh- rung und Gesellschafter des Unternehmens. 2005 übernahm seine Tochter den Vorsitz der Geschäftsführung, während er selbst von 2005 bis 2012 Vor- sitzender des Aufsichtsrates

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 95 Ringträger 2008 BERNARD MEYER

Bernard Meyer, Diplomin- die 317 Meter lange „Celebrity genieur und Geschäftsführer Solstice“ mit einer Vermessung der 1795 gegründeten Meyer von 122 000 BRZ (Bruttoraum- Werft in Papenburg, wurde zahl) das bis dahin größte 2008 mit dem Siemens-Ring Schiff der Meyer Werft. Doch geehrt. Geboren am 24. Mai inzwischen haben die Werft in 1948 in Papenburg, besuchte er Papenburg Schiffe mit mehr dort die Grundschule und das als 168 000 BRZ verlassen, die Gymnasium. Nach dem Abitur über 2000 Kabinen für mehr als studierte er von 1968 bis 1973 in 4000 Passagiere haben. Jährlich Hamburg und Hannover Schiff- werden im Durchschnitt zwei bau. Er schloss sein Studium als Schiffe in den beiden giganti- Diplom-Ingenieur ab und trat schen Hallen der Werft gebaut, 1973 in das väterliche Unter- von denen die größere mit nehmen ein. Anlässlich eines 504 Metern Länge, 125 Metern Großauftrags über den Bau Breite und 75 Metern Höhe zur von sechs Gastankern, für den Zeit ihrer Fertigstellung 2008 die bestehenden Anlagen der das größte überdachte Baudock Werft in Papenburg zu klein der Welt war. Bernard Meyer waren, baute Bernard Meyer setzt beim Bau der Schiffe eine größere Werft direkt an modernste Fertigungstechnik der Ems. Damit stellte er die ein. Mit ihren bis zu 18 Decks Weichen für die Expansion bestehen die Kreuzfahrtschiffe des Unternehmens. Die Werft- aus großen Stahlflächen aus krise Ende der 1970-er Jahre dünnem Blech, die im Laserzen- bewältigte die Meyer-Werft trum der Werft zugeschnitten relativ gut, da sie sich auf den und anschließend verschweißt Bau von Spezialschiffen wie werden. Die zum Schweißen Gastanker, Auto- und Passa- verwendeten Laser lieferte die gierfähren sowie Tiertrans- Firma TRUMPF aus Ditzingen. porter konzentriert hatte. 1982 Unter Bernard Meyers Ägide übernahm Bernard Meyer die wurde die Werftengruppe, zu Leitung der Werft von seinem der neben der Meyer-Werft Vater. Zwei Jahre später wagte in Papenburg auch Werften er den Sprung in den Kreuz- in Rostock und im finnischen fahrtschiffbau. In nur zwei Turku gehören, zu einem der Jahren baute die Meyer Werft vier weltweit größten Produ- einen 200 Meter langen Luxus- zenten von Kreuzfahrtschiffen. liner, der 1985 vom Stapel lief. 2008 wurde Bernard Meyer Damit solch große Schiffe den der Siemens-Ring verliehen, in Papenburger Hafen verlassen Würdigung seiner wegweisen- konnten, hatte die Stadt eine den technischen Entwicklungen neue und größere Schleuse beim Bau von neuzeitlichen und gebaut. Schließlich musste auch hochwertigen Passagierschiffen, die Ems vertieft werden, auf Gastankern und Spezialschiffen. der die Schiffe von der Werft 2012 übergab er die Geschäfts- zur Nordsee gelangen. Im Jahr führung der Meyer Werft an 2008, als Bernard Meyer mit einen seiner Söhne. dem Werner-von-Siemens- Ring ausgezeichnet wurde, war

96 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 2011 MANFRED FUCHS

Der Ingenieur Manfred Fuchs, gen. Als europäische Beteiligung der 2011 mit dem Siemens-Ring an der geplanten Internationalen ausgezeichnet wurde, hat die Weltraumstation ISS schlug Entwicklung der Raumfahrt Fuchs das bemannte Labormo- in Deutschland und Europa dul „Columbus“ vor. Von der nachhaltig geprägt. Er wurde europäischen Weltraumorgani- am 25. Juli 1938 in Latsch in sation ESA in Auftrag gegeben, Südtirol geboren, ging dort zur wurde es in Bremen gebaut Schule und besuchte anschlie- und 2008 mit der Raumfähre ßend die Gewerbeschule in „Atlantis“ zur ISS gebracht. 1985 Bozen. Er studierte Flugzeug- machte sich Fuchs selbständig bau erst an der Technischen und wurde Geschäftsführer der Lehranstalt in München und ab von seiner Ehefrau erworbenen 1957 an der Ingenieurschule in Firma OHB in Bremen. Das Hamburg, wo er sein Studium Unternehmen entwickelte und 1959 als Flugzeugbauingenieur baute zunächst Kleinsatelliten. abschloss. Im selben Jahr trat Schon 1988 bezog es ein neues er in die Hamburger Flugzeug- Firmengebäude im Industrie- bau (HFB) GmbH ein und war park an der Bremer Universi- dort als Entwicklungsingeni- tät, woraus sich ein Zentrum eur tätig. Von der HFB wurde der europäischen Raumfahrt er 1961 nach Bremen zur neu entwickelte. Zwei Großaufträge gegründeten Arbeitsgemein- waren entscheidend für OHB. schaft Entwicklungsring Nord Zum einen baute das Unterneh- geschickt, der späteren ERNO men fünf Radarsatelliten für die Raumfahrttechnik GmbH. Hier Bundeswehr, deren erster 2006 war er als Raumfahrtingenieur startete. Der zweite Großauf- beschäftigt und für die Astrody- trag war das satellitengestützte namik und die Vorentwicklung europäische Navigationssystem zuständig. Bei ERNO in Bremen „Galileo“, für das OHB alle 22 untersuchte er in einer Studie, Satelliten baute. Weitere Groß- wie man das Space Shuttle der aufträge folgten, wie die Beteili- NASA zu Transportzwecken gung am Bau der sechs Satelliten nutzen könnte. Er entwickelte des europäischen Wettersatel- ein „Research and Application litensystems „Meteosat Third Modul“, ein bemanntes Labor Generation“. Manfred Fuchs als Hauptnutzlast des Space erhielt zahlreiche Ehrungen, Shuttles. Damit war das euro- so die „Sänger Medaille“ der päische Spacelab geboren. 1983 DGLR und die Goldmedaille des flog das Spacelab erstmals mit Council of European Aerospace der Raumfähre „Columbia“ ins Societies. 1996 erhielt er eine All. Zusammen mit Kollegen Ehrenprofessur der Hochschule der Firmen Dornier und MBB Bremen, 2005 die Ehrendoktor- sowie Wissenschaftlern entwi- würde der Polytechnischen Uni- ckelte Fuchs die ersten Mikro- versität Mailand und 2011 den gravitationsexperimente für Siemens-Ring. Manfred Fuchs das Spacelab. Dadurch bekam ist am 26. April 2014 in Kaltern, er gute Beziehungen zu Uni- Südtirol, gestorben. versitätsinstituten und anderen wissenschaftlichen Einrichtun-

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 97 Ringträger 2011 HERMANN SCHOLL

Unter der Leitung des Elek- 1970 wurde ihm zusätzlich die troingenieurs und Managers Zuständigkeit für die Entwick- Hermann Scholl, der 2011 lung und Pilotfertigung von mit dem Siemens-Ring geehrt kraftfahrzeugspezifischer Halb- wurde, hat sich die Robert leiterelektronik im neuen Halb- Bosch GmbH zum Welt- leiterwerk von Bosch in Reut- marktführer unter den Auto- lingen übertragen, 1971 wurde mobilzulieferern entwickelt. er Direktor für Entwicklung im Hermann Scholl, am 21. Juni Geschäftsbereich für elektrische 1935 in Stuttgart geboren, und elektronische Motorenaus- wollte zunächst Berufsmusiker rüstung. Unter seiner Leitung werden, strebte dann aber einen wurde die Elektronik für das musiknahen technischen Beruf Antiblockiersystem ABS entwi- an: Tonmeister beim Rund- ckelt, das 1978 auf den Markt funk. Nach dem Abitur am kam. Ein Jahr später führte Karls-Gymnasium in Stuttgart Bosch die erste digitale Motor- studierte er von 1954 bis 1959 steuerung für Einspritzung und Elektrotechnik mit Fachrich- Zündung ein. Während die von tung Nachrichtentechnik an Scholl geleitete Entwicklungs- der Technischen Hochschule arbeit Bosch in der Autoelek- Stuttgart, und er schloss das tronik an die Weltspitze brachte, Studium mit dem Diplom ab. stieg er in der Firmenhierarchie 1961 promovierte er im Fach- rasch auf und wurde 1978 gebiet Psychologische Akustik. Geschäftsführer. Unter seiner Danach beschäftigte er sich als Ägide wurde 1995 u. a. der wissenschaftlicher Mitarbei- Schleuderschutz ESP (Electro- ter mit dem aufkommenden nic Stability Control) entwickelt. Einsatz von Halbleitern in elek- Im Jahr 2003 verließ Scholl den tronischen Schaltungen. Doch Vorstand und wurde Aufsichts- 1962 ging Scholl zur Robert ratsvorsitzender der Robert Bosch GmbH in Stuttgart in Bosch GmbH. Nach 50 Jahren die Abteilung Vorentwicklung bei Bosch schied er 2012 aus Kraftfahrzeugausrüstung. Die dem Aufsichtsrat aus und wurde Halbleitertechnik war der Ehrenvorsitzender der Bosch- Schlüssel für eine rasante Ent- Gruppe. Manfred Scholl erhielt wicklung in der Elektrotechnik, zahlreiche weitere Ehrungen. und damit begann auch der Die Kettering University in Einzug der Elektronik ins Auto. Flint, Michigan, und die Tech- Scholl wurde 1968 Entwick- nische Universität München lungsleiter, in dessen Aufgaben- verliehen ihm die Ehrendok- bereich es fiel, den störanfälli- torwürde, und 2012 wurde ihm gen Vergaser in Ottomotoren der im Jahr zuvor zuerkannte durch eine elektronisch gesteu- Siemens-Ring überreicht. erte Benzineinspritzung zu ersetzen. Unter seiner Leitung wurde die zweite Generation der elektronischen Benzinein- spritzung entwickelt, die bereits von Bosch selbst hergestellte integrierte Schaltungen enthielt.

98 Kurzporträts der Ringträger PTB-Mitteilungen 01 / 2018 Ringträger 2015 MARTIN HERRENKNECHT

Der Ingenieur Martin Herren- umzog. Zunächst bauten er und knecht, der 2016 den Siemens- seine Mitarbeiter Bohrmaschi- Ring erhielt, hat aus seinem nen für lockeren Boden, doch 1975 gegründeten Ingenieur- ab 1980 auch Maschinen für büro das auf dem Weltmarkt Felsgestein. Mitte der 1980er- führende Unternehmen für Jahre begann Herrenknecht, maschinelle Vortriebstech- Tunnelbohrmaschinen für nik im Tunnelbau gemacht. Verkehrstunnel mit Durchmes- Er wurde am 24. Juni 1942 sern bis 10 Metern zu bauen, die in Lahr in Südbaden geboren schon bald in Europa führend und wuchs im nahegelegenen waren. Mit der von ihm entwi- Schwanau-Allmannsweier auf. ckelten Mixschildtechnologie Nach dem Besuch des Max- können Tunnel im Grundwasser Planck-Gymnasiums in Lahr bis und sogar im lockeren Sediment zur Mittleren Reife machte er unter Flüssen gebaut werden. Ab ein Praktikum beim Ausbesse- 1988 wurden mit dieser Tech- rungswerk der Bundesbahn in nologie Tunneldurchmesser von Offenburg. 1961 begann er an über 10 Metern möglich. So war der Fachhochschule Konstanz sein Unternehmen am Bau der ein Maschinenbaustudium, das gut 14 Meter durchmessenden er 1964 mit Diplom abschloss. vierten Röhre des Hamburger Es folgten Wanderjahre, die ihn Elbtunnels beteiligt. Vier Bohr- in verschiedene Länder, Unter- maschinen von Herrenknecht nehmen und Positionen brach- bohrten die Röhren des 57 km ten. So war er von 1964 bis 1968 langen Gotthard-Basistunnels, Konstruktionsingenieur für des bisher längsten Eisen- Straßenbaumaschinen bei der bahntunnels der Welt. Am 15. Schweizerischen Ammann AG. Oktober 2010 war der feierliche Als Projektleiter arbeitete er von Durchschlag der ersten Röhre, 1968 bis 1970 bei der Anthes bei dem Martin Herrenknecht Eastern LTD. in Kanada und anwesend war. Sein Unterneh- den USA. Von 1970 bis 1971 war men wurde 1998 in eine Aktien- er Projektleiter beim Landma- gesellschaft umgewandelt, deren schinenhersteller John Deere in Vorstandsvorsitzender er seither Mannheim. Die entscheidende ist. Ende 2015 hatte die Herren- Wende in seiner Laufbahn kam knecht AG knapp 5000 Mitar- 1971, als er vier Jahre lang beim beiter. Martin Herrenknecht Bau des 9292 Meter langen erfuhr zahlreiche Auszeichnun- schweizer Seelisberg-Straßen- gen. So verlieh ihm die Techni- tunnels den maschinentechni- sche Universität Braunschweig schen Dienst leitete und für die 1998 die Ehrendoktorwürde und 1200 Tonnen schwere Tunnel- das Karlsruher Institut für Tech- bohrmaschine verantwortlich nologie 2011 die Ehrensenator- war. Herrenknecht kehrte 1975 würde. Der Siemens-Ring 2015 nach Lahr zurück, gründete ein wurde ihm im Beisein von Bun- Ingenieurbüro und entwickelte deswirtschaftsminister Sigmar nun selbst Tunnelbohrmaschi- Gabriel am 13. Dezember 2016 nen. Zwei Jahre später gründete überreicht, dem 200. Geburtstag er die Herrenknecht GmbH in von Werner von Siemens. Lahr, die 1980 nach Schwanau

PTB-Mitteilungen 01 / 2018 EinKurzporträts Nobelpreis der für Ringträgerdie Technik 99