Der Beitrag Konrad Zuses Zur Mathematikdidaktik Festvortrag Zur MNU-Hessen-Landestagung 2013 Timm Grams, Fulda, 5
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Der Beitrag Konrad Zuses zur Mathematikdidaktik Festvortrag zur MNU-Hessen-Landestagung 2013 Timm Grams, Fulda, 5. September 2013 Inhaltsverzeichnis Übersicht ............................................................................................................................................ 2 Was bringt der Computer im Mathematikunterricht? ......................................................................... 2 Zählenlernen ................................................................................................................................. 2 Erfolgserlebnisse beim Lernen und deren Verhinderung mittels Computer................................. 3 Was Informatik-Gurus so von sich geben..................................................................................... 3 War Konrad Zuse Didaktiker? ............................................................................................................ 4 Wie hat Konrad Zuse gelernt? ........................................................................................................... 5 Zuses Arbeitsweise: Vom Problem zur Computerarchitektur ............................................................ 6 Was erfahren wir von Konrad Zuse über Zahlen und das Rechnen mit ihnen?................................ 7 Die zentrale Rolle des Addierers........................................................................................................ 8 Komplementbildung ...................................................................................................................... 8 Der einschrittige Übertrag ............................................................................................................. 9 Schaltgliedtechnik – Abstraktion und Konkretisierung................................................................ 10 Dualzahlen und deren Addition – eine elementare Einführung .................................................. 10 Die Schaltglieder AND und XOR ................................................................................................ 11 Grandioser Fehlschlag und Glückstreffer: der mechanische Rechner Z1.................................. 13 Schluss............................................................................................................................................. 13 Meine Damen und Herren, guten Tag. Vor acht Jahren durfte ich hier vor Ihnen über Kreativität in der Mathematik reden. Heute spreche ich über einen großen Kreativen in der Mathematik. Wenn ich von meinen Studenten Missbilligung ernten will, muss ich nur sagen, dass wir ein- mal ins Zuse-Museum gehen sollten, um dort etwas über Konrad Zuse und über Computer zu lernen. Dann kriege ich zu hören: „Das ist doch Vergangenheit und heute völlig überholt. Es ist nicht mehr interessant.“ Ich merke: Museum ist nicht angesagt, es ist nicht sexy genug. Dabei hat Konrad Zuse dem heutigen Mathematikunterricht eine ganze Menge zu bieten. Vor allem ist alles, was er in seine Maschinen an Grundlegendem eingebaut hat, auch in den heu- tigen Rechnern noch die Basis. Da ist nichts, aber auch gar nichts veraltet. Aber machen wir langsam. Ich beginne mit einer 2 Übersicht Wie angekündigt, versuche ich ein paar Fragen zu beantworten. Einige treiben mich schon lange um. 1. War Konrad Zuse Didaktiker? 2. Wie hat Konrad Zuse gelernt? 3. Was zeigt uns seine Arbeitsweise? 4. Was erfahren wir aus seinen Erfindungen über Zahlen und das Rechnen mit ihnen? 5. Was bringt der Computer im Mathematikunterricht? Ich beginne mit der letzten Frage. Was bringt der Computer im Mathematikunterricht? Interessierte Kreise verkünden heute, dass es ohne Computer eigentlich gar nicht mehr geht, DAS LERNEN. Die Angebote auf dem Markt des eLearnings und des Edutainments sind schier unübersehbar. Ich werde ein Beispiel aus dem Unterricht für ABC-Schützen und eins für den Unterricht in der Sekundarstufe herauspicken. Ich beginne mit dem Zählenlernen Im Zuse-Jahr 2010 anlässlich des ZUSE 2.0- Kongresses am 26. Mai in Wiesbaden wurde Lernsoftware für die ganz Kleinen präsentiert. „Mauswiesel“ heißt das Produkt. Und das zeig- te eine Videoeinspielung: Ein Erstklässler lernt das Zählen. Verschiedenfarbige Steckwürfel bewegen sich wie von Geisterhand und fügen sich zu einer Art Brücke. Das bewirkt der Schüler mithilfe der Maus eines Computers und mit einem sehr eingeschränkten Bewegungsrepertoire. Die Würfel sind virtuell, sie offenbaren ihre Existenz nur auf dem Bildschirm. Sie haben kein Gewicht, ihre Oberflächen, Kanten und Ecken bieten keine taktilen Reize, sie sind auf bloße optische Signa- le reduziert. Bei Ungeschicklichkeit fallen die Würfel nicht mit einem hörbaren Klick herun- ter, sondern sie lösen sich in nichts auf. Das Einschnappen der Stecknoppen bleibt ohne sinn- lich wahrnehmbaren Effekt. So also funktioniert kindliche Welterkundung im Computerzeitalter – zumindest nach den Vorstellungen der Bildungsbürokratie. Dabei gehört es heute zu den gesicherten Erkenntnissen der biologischen Forschung: Hirn- entwicklung und die Entwicklung der Feinmotorik, insbesondere die Entwicklung der Fein- beweglichkeit der Hände, sind eng miteinander verzahnt. Das gilt sowohl für die Stammesge- schichte als auch für die geistige Entwicklung eines jeden von uns. Körperliche Bewegung fördert die Denkfähigkeit1. Unsere Wahrnehmung bildet sich nur durch Erfahrung und Trai- ning in der wirklichen Wirklichkeit heraus und nicht etwa in virtuellen Welten. Was den Kleinen mit der Lernsoftware hier zugemutet wird, ist keine Welterkundung. Das ist SCHEINWELTERKUNDUNG. Es braucht keinen Manfred Spitzer für die Erkenntnis, dass es SO NICHT GEHT. Hier ist das zweite Beispiel, ein Angriff auf den Welterkundungseifer von fortgeschrittenen Schülern unter dem Thema 1 Gerhard Neuweiler: Der Ursprung unseres Verstandes. Spektr. d. Wiss. (2005) 1, S. 24-31 3 Erfolgserlebnisse beim Lernen und deren Verhinderung mittels Computer In einem Buch zum Computereinsatz im Mathematikunter- richt2 fand ich dieses Problem: Gegeben ist eine Gerade g und dazu zwei nicht auf der Geraden liegende Punkte A und B. Auf der Geraden g ist ein Punkt P zu konstruieren derart, dass der Winkel ∠APB genau so groß ist wie der Winkel, den die Ge- rade PB mit der Geraden g bildet. Ich nahm mir vor, den Instruktionen des Buches zu folgen. Die Autoren geben einen Lösungshinweis: Man spiegele den Punkt A an der Geraden PB. Offen- sichtlich ist das Problem gelöst, wenn dieses Spiegelbild auf der Geraden g liegt. Die Aufgabe scheint mir trotz der angebotenen Hilfestellung immer noch recht interessant zu sein. Genau kann ich das allerdings nicht sagen, weil ich meinem Vorsatz entsprechend, ohne über das eigentliche Problem nachzudenken, den Instruktionen der Autoren folgte. Da es in dem Buch um den Computereinsatz im Mathematikunterricht geht, wird die Aufgabe als ein Musterbeispiel für den Einsatz Dynamischer Geometriesysteme gesehen. Die Autoren meinen: „Der Auffassung der Figuren als starre Gebilde kann und muss in verschiedener Weise entgegen gearbeitet werden. Das eine hierzu Erforderliche ist das Beweglichmachen der Teile einer Figur“ und sie stellen fest, dass der Computer ein Werkzeug und Hilfsmittel sei, mit dessen Hilfe ein Schritt in diese Richtung gegangen werden könne. Also machte ich mich daran, ein solches Dynamisches Geometriesystem im Internet zu be- sorgen. Meine Wahl fiel auf das Java-Programm Z.u.L. (Zirkel und Lineal). Es war schnell installiert und verstanden. Im Zugmodus zeichnete ich die Ortslinie des gespiegelten Punktes und die Lösung war sofort klar, samt Beweis. Aber etwas fehlte: das Glücksgefühl beim Finden. Die Lösung kam daher, noch bevor das Problem so richtig wehtun konnte. Es blieb ein Gefühl der Enttäuschung über die glatte und gar nicht aufregende Lösungsfindung. Dieses Erlebnis erinnert mich an Asterix-Comics: Über die Dynamik, die in den statischen Bildern zum Ausdruck kommt, muss man einfach lachen. Als ich einmal einen solchen Comic als Zeichentrickfilm sah, war ich sehr enttäuscht: Alle Bewegungen wurden wahr und witzlos – ja: trivial. Ich fürchte, dass dem Mathematikunterricht eine Trivialisierung mit Computerhilfe auf Dauer nicht bekommt. Zu den Denkfähigkeiten gehört eben auch, dass wir Bilder im Kopf in Bewe- gung versetzen können. Und genau das wäre im Geometrieunterricht zu üben. Was Informatik-Gurus so von sich geben Was man mit solchen Werkzeugen erwirbt, ist bestenfalls eine Oberflächenkompetenz. Und das meine ich sowohl im übertragenen als auch im konkreten Sinn: Man kann einen Computer bedienen, aber was da eigentlich geschieht, entgeht der Aufmerksamkeit. Informatik-Gurus unterstützen diesen Trend zur Oberflächenkompetenz. Beispielsweise for- dert Klaus Haefner von der Universität Bremen: “Jedem Schüler ein Notebook” (24.11.00, Fulda). Er meint, dass Lesen, Sprechen, Kreativ-Sein, Innovationsfähigkeit, Organisieren- Können, Solidarisch-Sein typisch menschliche Qualifikationen seien. Für den Rest, nämlich 2 Hans-Georg Weigand, Thomas Weth: Computer im Mathematikunterricht. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2002 4 die „kognitive Sklavenarbeit“, habe man das „Denkzeug“: “Schreiben und Rechnen wird nicht mehr gebraucht. Sprechen und Lesen reicht.” Dagegen wende ich ein: Schüler, die nicht mehr schriftlich mit Zahlen umgehen, verlieren den Begriff der Zahl. Diese Menschen werden später dem Computer hilflos ausgeliefert sein und ihn nicht oder falsch verstehen. Der Rechner kann nämlich aus prinzipiellen Gründen die Welt nie eins zu eins abbilden. Die Computerarithmetik weicht von