Anita Gaubatz: Erfassung von archäologischen Denkmalen der Vor- und Frühgeschichte -Württembergs

„Der Conservator wird hienach ein Verzeichnis solcher Ge- Sein Nachfolger Emst Wagner verschickte im Februar genstände anlegen, welches seiner Zeit zur öffentlichen 1881 einen neuen, z.T. nach württembergischem Vor- Kenntnis gebracht werden soll." bild entworfenen Fragebogen „Zur Erforschung der vorgeschichtlichen und archäologischen Reste im (Gustav Rümelin, Verfügung des württembergischen Großherzogtum Baden ... Das Resultat derselben soll Ministeriums des Kirchen- und Schulwesens, Stuttgart, seinerzeit veröffentlicht werden". Ziel dieser zweiten 10. März 1858.) Fragebogenaktion war die Erfassung der inzwischen Mit der Bestellung des ersten Konservators für Kunst- neu entdeckten archäologischen Denkmale bei der zu- denkmale im Großherzogtum Baden im Jahr 1853 und ständigen Denkmalbehörde. des ersten Konservators für die Denkmale der Kunst 1885 veröffentlichte Karl Bissinger ein „Verzeichnis der und des Altertums im Königreich Württemberg im Jahr Trümmer- und Fundstätten aus römischer Zeit im 1858 wurde die staatliche Denkmalpflege eingerichtet, Großherzogtum Baden". Diese Schrift, in der die Fund- doch bildete dies keineswegs den Anfang einer Erfas- stellen nach Gemeinden alphabetisch aufgelistet sind, sung archäologischer Denkmale. Vielmehr hatten sich stellt ein Beispiel einer Inventarpublikation dar, die bereits zuvor archäologisch interessierte Persönlichkei- ausschließlich auf Privatinitiative zurückzuführen ist. ten und im besonderen in der 1. Hälfte des 19. Jahrhun- derts neugegründete Geschichts- und Altertumsvereine 1887 erschien der 1. Band der Reihe „Die Kunstdenk- mit den archäologischen Denkmalen befaßt und begon- mäler des Großherzogtums Baden", die als „beschrei- nen, Verzeichnisse zu erarbeiten. Diese bezogen sich bende Statistik im Auftrage des großherzoglichen Mini- zunächst meist auf einzelne Fundgattungen, z. B. Mün- steriums der Justiz und des Kultus und Unterrichts" zen, bevor man sich den unbeweglichen, d. h. ortsfe- von Franz Xaver Kraus, dem großherzoglichen Konser- sten, archäologischen Denkmalen zuwandte. Doch er- vator der kirchlichen Altertümer, herausgegeben wurde. kannte man alsbald, daß eine geregelte, ein ganzes Emst Wagner zeichnete in der Publikation als zuständi- Land umfassende Inventarisation der Denkmale eine ger Konservator für die archäologischen Denkmale ver- Aufgabe sei, die einzig der Staat bewältigen könne. Ei- antwortlich. Die vor- und frühgeschichtlichen Denkma- ne Inventarisation nämlich, in der eine vollständige Be- le sind jedoch nur auf kurze Angaben und Nachweise standsaufnahme der vorhandenen Denkmale landes- beschränkt. Herausragende Objekte, wie z. B. der Li- weit gemacht werden sollte, um die Quellenlage gemäß mes, wurden ausführlicher behandelt. den Verfügungen der Öffentlichkeit zur Kenntnis zu Auch in den nachfolgenden Jahren wurden inventar- bringen und durch eine Bekanntmachung die Denkma- le bestmöglich zu schützen. ähnliche, z. T. auf Regionen begrenzte Arbeiten vorge- legt, die letztendlich ohne staatlichen Auftrag erstellt Im folgenden wird zunächst ein kurzer Überblick über waren. Hier ist z. B. die „Karte zur Urgeschichte von den Werdegang der Erfassung archäologischer Denk- Mannheim und Umgebung" von Karl Baumann zu male in Baden-Württemberg gegeben, der sich auf- nennen, die 1907 als Fortschreibung seiner bereits 1888 grund der historischen Entwicklung in die Landesteile veröffentlichten, gleichnamigen Schrift erschien. Baden und Württemberg bzw. Hohenzollern zu glie- 1908 und 1911 publizierte Emst Wagner die zweibändi- dern hat. Zu differenzieren ist hierbei zwischen den ge Monographie „Fundstätten und Funde aus vorge- Kurzverzeichnissen in Form einer Liste und den aus- schichtlicher, römischer und alamannisch-fränkischer führlichen beschreibenden Inventaren, Zeit im Großherzogtum Baden. Im Auftrag des Groß- herzoglichen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Geschichte des Unterrichts." In diesen Bänden hat Wagner alle In- In Baden wurde August v. Bayer am 3. März 1853 zum formationen mit Übersichtsplänen und Fundabbildun- ersten Konservator ernannt. Im Juli desselben Jahres gen veröffentlicht, die er nach Auswertung der Frage- verschickte er einen eigens entworfenen Fragebogen an bogenaktionen, nach Einarbeitung älterer Publikatio- die großherzoglichen Bezirksämter, Forsteien, Pfarrstel- nen sowie eigener Begehungen zusammengetragen hat- len sowie auch an die Bürgermeister und Schullehrer, te. Die Bände sind in das badische Ober- und Unter- um zu einer „vollständigen Kenntnis zu gelangen und land gegliedert. Während im ersten Band die Fundstel- um ein geordnetes Verzeichnis des betreffenden Stoffes len nach Gemeinden alphabetisch aufgeführt sind, wur- anfertigen zu können". Die Ergebnisse dieser Befra- de der zweite Band nach Amtsbezirken geordnet, in gung waren nach seinen Bemerkungen zwar reichlich, dem die Gemeinden wiederum alphabetisch aufgelistet doch hat er die geplante Veröffentlichung nicht ver- sind. Die Publikation von Wagner stellt das erste aus- wirklicht. führliche Gesamtinventar der archäologischen Denk-

53 1 UNTERGROMBACH, Sladt Bruch- sal, Lkr. . Situationsplan der neolithischen Siedlung auf dem Michaels- berg nach den Untersuchungen von 1889-1896. Aus: E. Wagner, Fundstätten und Funde im Großherzogtum Baden. Band 2 (1911), 159, Abb. 145.

male in Baden dar, das er selbst als „Urkundenbuch Auch der erste württembergische Konservator, Konrad aus frühester Kulturzeit" verstanden wissen wollte. Die- Dietrich Haßler, verschickte im März 1859 einen detail- se Bücher sind in der Denkmalpflege ein noch heute lierten, die „Kunst- und Alterthums-Denkmale" gleich- täglich benutztes Arbeitsmittel und bisher noch nicht zeitig betreffenden Fragebogen. 1880 ordnete das Stati- ersetzt worden. Da sie beim selben Verlag wie die stisch-topographische Bureau auf Antrag von Eduard „Kunstdenkmäler des Großherzogtums Baden" erschie- Paulus (dem Jüngeren), Haßlers Nachfolger, eine Fra- nen sind, haben die Bände die gleiche Ausstattung und gebogenaktion über insbesondere auf Forstgrund lie- vermitteln das gleiche Erscheinungsbild. gende Altertümer an. Auch hier ergab sich eine Vielzahl Als Nachrichtenblatt für die vor- und frühgeschichtli- neuer Denkmale, die zuvor noch nicht bekannt waren. che Forschung begründete 1925 Ernst Wahle die „Badi- Zwischen 1891 und 1912 wurde eine topographische schen Fundberichte", die als Publikationsorgan der Aufnahme der Geländedenkmale durchgeführt, die ei- Denkmalpflege dienten. Hier wurden wichtige Neufun- ne archäologische Landesaufnahme zum Ziele hatte. de im Rahmen der Fundchronik erstmals veröffentlicht. Zahlreiche Grabhügel und Befestigungsanlagen sowie In den folgenden Jahren sind einzelne Gebiete in Ba- mittelalterliche Burghügel wurden vermessen und in den inventarartig erfaßt worden. Hier sind z. B. die Pu- die Flurkarten eingetragen. Diese Karten bilden noch blikationen „Die Alamannen in Südbaden" von Fried- heute eine wertvolle Arbeitsgrundlage für die archäolo- rich Garscha und die „Archäologische Karte der Stadt- gische Denkmalpflege. und Landkreise Heidelberg und Mannheim" zu nennen. Nicht unerwähnt bleiben soll die 1877 angeregte Ein- In Württemberg stellen die Oberamtsbeschreibungen, setzung einer Kommission zur Vermessung des römi- die durch das 1820 eingesetzte Statistisch-topographi- schen Limes, die letztendlich zur späteren Publikations- sche Bureau herausgegeben wurden, einen ersten Anfang reihe „Der obergermanisch-raetische Limes" führte. einer großflächigen Erfassung archäologischer Denk- male dar. Bereits 1824 erschien die erste Oberamtsbe- 1889 wurde die Reihe „Die Kunst- und Altertums- schreibung, in der die vor- und frühgeschichtlichen Denkmale im Königreich Württemberg", bearbeitet von Denkmale allerdings nur summarisch genannt werden. Konservator Eduard Paulus (dem Jüngeren), eröffnet. In diesen Publikationen wurde die Archäologie nur Aufgrund eines Erlasses der Ministerien des Innern summarisch in der Vorbemerkung zu jedem Oberamt und der Finanzen vom 24. November 1836 wurde eine abgehandelt, eine Aufführung bei den einzelnen Ge- Aufzeichnung der Denkmale des Altertums und der meinden erfolgte nicht. Kunst durch die Oberämter in die Wege geleitet und in Zusammenarbeit mit dem Statistisch-topographischen 1893 gab der Württembergische Geschichts- und Alter- Bureau ein Fragebogen erstellt und verschickt. Das Er- tumsverein den ersten Band der „Fundberichte aus gebnis hat Christoph Friedrich Stälin 1843 in den Würt- Schwaben" heraus. In dieser Zeitschrift wurden die tembergischen Jahrbüchern veröffentlicht. neuesten archäologischen Befunde sowie eine Fund- chronik veröffentlicht und über den Arbeitsstand der Einer der späteren Mitarbeiter des Statistisch-topogra- archäologischen Landesaufnahme berichtet. Die Fund- phischen Bureaus, Eduard von Paulus (der Ältere), be- berichte aus Schwaben wurden praktisch zur Zeitschrift schäftigte sich intensiv durch zahlreiche Geländebege- der archäologischen Denkmalpflege in Württemberg. hungen mit der heimischen Archäologie. Mit seinem 1877 erschienenen Spätwerk „Die Altertümer in Würt- In den Kapiteln „Altertümer" der Zweitausgaben der temberg aus der römischen, altgermanischen (kelti- Oberamtsbeschreibungen von Heidenheim (1911) und schen) und alamannischen (fränkischen) Zeit" hat er Blaubeuren (1912) hat Peter Goessler eine vollständige ein Verzeichnis aller ihm bekannt gewordenen Befunde Aufzählung der damals bekannten Fundstellen gegeben vorgelegt. und somit wieder begonnen, die archäologischen Denk-

54 2 UNTERGROMBACH, Stadt . Lkr. Karlsruhe. Gesamt- plan der neolithischen Siedlung auf dem Michaelsberg. Aus: J. Lüning, Ber. RGK 48, 1967, Beilage 1. Die gestrichelte Linie stellt den Graben- verlauf nach den neuen Luftbildauf- nahmen dar.

male nach dem neuesten Stand in Oberamtsbezirke ge- ben". Hier hat z. B. Oskar Paret 1930 eine Zusammen- gliedert zu veröffentlichen. stellung sämtlicher römischer Siedlungsstellen vorge- Als Inventararbeiten sind auch die Publikationen „Die legt, die er auch im Gelände überprüft hatte. Römer in Württemberg" von Peter Heitlern, Oskar Pa- Paret hat ferner zusammen mit Eduard Peters im 2. ret und Peter Goessler, „Die Alamannen in Württem- Band der neuen Publikation „Die Kunstdenkmäler Ho- berg" von Walther Veeck und die „Kelten in Württem- henzollerns" 1949 einen Anhang über „Die vor- und berg" von Kurt Bittel zu verstehen, in denen jeweils frühgeschichtlichen Kunst- und Kulturdenkmäler in landesweit eine Kulturepoche mit einem vollständigen Hohenzollern" erstellt. Darin wurde ein summarischer Fundstellenverzeichnis vorgelegt wurde. Mit dem Buch Überblick über die Archäologie gegeben, nach Fundor- „Urgeschichte des Oberen Gäus" hat Hermann Stoll ten wurde nicht aufgelistet. schließlich einen archäologischen Siedlungsraum um- 1972 trat in Baden-Württemberg das Denkmalschutzge- fassend vorgestellt. setz in Kraft und das Landesdenkmalamt Baden-Würt- In zwei vorbildlichen Inventarpublikationen hat Hart- temberg wurde gegründet. In seiner von nun an regel- wig Zürn 1956 und 1961 die oberirdisch sichtbaren An- mäßig erscheinenden Zeitschrift „Fundberichte aus Ba- lagen einschließlich der mittelalterlichen Burghügel aus den-Württemberg" werden in einer Fundschau die fünf Landkreisen und dem Stadtkreis Stuttgart veröf- neuesten Funde und Befunde publiziert. fentlicht, nachdem er die archäologischen Denkmale Das Denkmalschutzgesetz sah eine inventarisierende im Gelände begangen und Vermessungen vorgenom- oder eine listenartige Erfassung aller Kulturdenkmale men hatte. nicht vor. Die Rede ist lediglich von „erforderlichen Auch in Hohenzollem begann die Beschäftigung mit wissenschaftlichen Erfassungsmaßnahmen - wie der der Hinterlassenschaft aus vor- und frühgeschichtlicher Inventarisation" (§ 10 Abs. 2). Erst mit dem Erlaß des Zeit zu Anfang des 19. Jahrhunderts. Zunächst waren Kultusministeriums vom 23. Dezember 1977 wurden es auch Einzelpersonen, die sich der Archäologie zuge- die „Richtlinien für die Erfassung von Kulturdenkma- wandt hatten, bis 1867 der „Verein für Geschichte und len in einer Liste" festgelegt. Ziel dieser Erfassung ist Altertumskunde in Hohenzollern" gegründet wurde. das Zusammenstellen aller bisher bekannt gewordenen Das erste ausführliche Fundstellenverzeichnis wurde Denkmale, damit ein bestmöglicher Denkmalschutz ge- von Karl Theodor Zingeler 1894 in den Mitteilungen währt werden kann. des Vereins unter dem Titel „Die vor- und frühge- Die archäologische Listenerfassung ist unterteilt in die schichtliche Forschung in Hohenzollern" veröffent- Erfassung der Bodendenkmale der Vor- und Frühge- licht. In diese zusammenfassende Arbeit, die als erstes schichte und die der Denkmale der Archäologie des Inventar für Hohenzollem gelten darf, flössen auch die Mittelalters, da diese als eigenes Arbeitsgebiet im Lan- durch eigene Geländetätigkeiten entdeckten Fundstel- desdenkmalamt organisiert ist. len ein. Eine archäologische Karte legte er dem von ihm und Wilhelm Friedrich Laur bearbeiteten Band In der Listenerfassung der vor- und frühgeschichtlichen „Die Bau- und Kunstdenkmäler in den Hohenzol- Bodendenkmale ist in den vier Regierungsbezirken je ler'schen Landen" bei. In diesem 1896 erschienenen ein Archäologe tätig, durch deren systematische Bear- Werk wurde jeweils nach den Baudenkmalen auf die beitung ein Überblick über alle unbeweglichen archäo- archäologischen Denkmale hingewiesen. logischen Kulturdenkmale in Baden-Württemberg ge- schaffen wird. Zu archäologischen Denkmalen zählen Um eine regelmäßige Berichterstattung zu ermöglichen, altsteinzeitliche Freilandstationen und Höhlenplätze, erschienen ab 1928 die „Fundberichte aus Hohenzol- Siedlungen der Jungsteinzeit bis hin zur Merowinger- lern" als Beilage in den „Fundberichten aus Schwa- zeit, Befestigungsanlagen sowie Grabhügel- und Flach-

55 Grabkugel L io.wüjig97- Dm.. 8. H.l.lo. Cfcij."*

' U*' Ln' C. 761.O . C.76l».'

r«cWteck.Eüi»cHnitt uv den jttxuiis-. Ki«s r W eüi. ftr. kti B. Sclwrbe*vd-*Tfonije.f«$w., betC. um. ^KitnKMiKwv TO^tüf!. gräberfelder aus vor- und frühgeschichtlicher Zeit, spät- ste ist die Information der Eigentümer von Kulturdenk- keltische Viereckschanzen, der römische Limes mit Ka- malen, die Schaffung von Planungsunterlagen jeglicher stellanlagen und Altstraßen. Art und die Rationalisierung der Arbeit der Denkmal- Zweck der Erfassung von Kulturdenkmalen in einer Li- schutzbehörden. In der Liste, die von Zeit zu Zeit fort-

S ItUat tons plan, «Ler IBGrabkttgtl ün^DörnujuraldL" bti. Weingarfon A.Ourlaclv.

56 5 WEINGARTEN, Lkr. Karlsruhe. Luftbild- aufnahme im Winter im südlichen Gräberfeldhe- reich. Die dunklen kreis- förmigen Verfärbungen stellen die Grabhügel dar. (Luftbild, LDA/R. Gensheimer, freigegeben Reg.-Präs. Stuttgart Nr. 52724 vom 27. 7. 1987.)

< 3 WEINGARTEN, Lkr. Karlsruhe. Original- befunddokumentation des Grabhügels I vom 10. Juli 1897.

zuschreiben ist, werden die Kulturdenkmale mit einer zwang in Form einer Monographie besteht nicht. Letzt- Einzelbeschreibung des Bodendenkmals aufgeführt, die lich stellt die Listenerfassung eine Kurzinventarisation sich auf die zur Verfügung stehenden Unterlagen und dar und ist ein wesentlicher Schritt auf dem Weg zu ei- Ortsbegehungen stützt. Ein unmittelbarer Publikations- ner umfassenden archäologischen Landesaufnahme.

< 4 WEINGARTEN, Lkr. Karlsruhe. Originalsitua- tionsplan des Grabhügel- feldes von 1897/1898.

6 WEINGARTEN, Lkr. Karlsruhe. Gesamt- plan des Gräberfeldes.

57 Arbeitsweise badischen Landesteil sind im Archiv noch zahlreiche Nach diesem Überblick soll die Arbeitsweise bei der topographische Karten mit den Eintragungen von Ernst Erfassung von archäologischen Denkmalen aufgezeigt Wagner erhalten. Außerdem gibt das 1980 beim Lan- werden. Diese stützt sich zunächst auf die im Landes- desdenkmalamt landesweit begonnene Projekt des „At- denkmalamt befindlichen Unterlagen. Ausgehend von las der obertägig sichtbaren archäologischen Denkma- den Ortsakten bildet die Durchsicht von Karten, Litera- le" durch neue topographische Aufnahmen auch in Zu- tur, Luftbildarchiv, Museen und Magazinen sowie die kunft wichtige Informationen, die gerade für die Loka- Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Mitarbeitern die lisierung der Denkmale im Gelände äußerst bedeutsam Voraussetzung einer Geländebegehung bzw. Identifizie- sind. rung und ist Grundlage einer vollständigen Erfassung Darüber hinaus liefert das Fotoarchiv Anhaltspunkte, des archäologischen Denkmals. die bisweilen erst die genauere Ansprache des betref- In den Ortsakten, die von den Verwaltungsakten des fenden Bodendenkmals ermöglichen. Landesdenkmalamtes getrennt aufbewahrt werden, Unerläßlich für die Listenerfassung ist auch der Zugriff sind alle Informationen zu archäologischen Funden auf das Luftbildarchiv des Landesdenkmalamtes, das und Fundstellen gesammelt, die den Denkmalpflegein- mannigfache Zusatzinformationen bietet. Durch Luft- stitutionen bisher zur Kenntnis gelangten. Diese Infor- bildaufnahmen (Abb. 5) wurden z. B. neue Fundstellen mationen reichen stellenweise bis in das 19. Jahrhun- entdeckt bzw. die tatsächliche Ausdehnung längst be- dert und früher zurück. Oftmals sind die Originalfrage- kannter Objekte festgestellt. bögen samt Antwortschreiben und Lageskizzen noch erhalten. In diesem Archiv werden Grabungsdokumen- Für eine vollständige Listenerfassung ist ebenso der tationen einer Fundbergung bzw. Ausgrabung, beste- Kontakt zu den zuständigen Museen von Bedeutung, hend aus Grabungsbericht mit Tagebuch, Lageskizzen da hier Funde aufbewahrt sein können, die eine ge- (Abb. 3) bzw. Vermessungsplänen, Zeichnungen nauere Ansprache des Denkmals ermöglichen. Gleich- (Abb. 4), Fotografien (Abb. 8), Röntgenfotos und Re- zeitig hat sich die Zusammenarbeit mit den ehrenamtli- staurierungsberichten aufbewahrt. Teil der Ortsakten chen Mitarbeitern und der Kontakt zu ortskundigen sind auch Fundmeldungen, die von einer schlichten Bürgern auf das Beste bewährt, da durch deren Mithilfe brieflichen Erwähnung bis zur exakten Dokumentation neue Fundstellen erschlossen wie auch alte Fundstellen reichen können. Außerdem finden sich bisweilen Pres- wieder lokalisiert werden können. seberichte, die manchmal die Erstmeldungen oder in Nachdem alle eine Fundstelle betreffenden Informatio- früheren Jahren die erste ausführliche Publikation dar- nen zusammengetragen sind, wird eine Geländebege- stellen. Weiterhin sind die Veröffentlichungen in den hung durchgeführt. Nach der Lokalisierung (Abb. 7) Fundberichten, in Heimatbüchem bis hin zu wissen- wird das archäologische Denkmal im Gelände über- schaftlichen Monographien vermerkt und eingearbeitet. prüft und registriert, inwieweit es z. B. durch Baumaß- Gerade für die Beschreibung des einzelnen archäologi- nahmen in Mitleidenschaft gezogen wurde. Nach Ab- schen Denkmals im Rahmen der Listenerfassung sind schluß dieser Arbeiten kann die Beschreibung des ar- hier wesentliche Anhaltspunkte anzutreffen. In den chäologischen Denkmals im Rahmen der Listenerfas- Ortsakten finden sich auch Begehungsberichte, die für sung erstellt werden. die Dokumentation des Erhaltungszustandes oder für das Wiederauffinden der Objekte wertvoll sein können. Beispiele Neben den Ortsakten bilden die Kartenwerke eine wichtige Arbeitsgrundlage für die Listenerfassung. Be- Nach dem theoretischen Überblick soll anhand von sonders hervorzuheben sind hier die württembergi- vier ausgewählten Beispielen aus dem Landkreis Karls- schen Flurkarten mit Eintragungen der Geländedenk- ruhe die praktische Arbeitsweise bei der Listenerfas- tnale durch das Statistisch-topographische Bureau. Im sung archäologischer Denkmale aufgezeigt werden. Auf dem Michelsberg (heute Michaelsberg genannt), nördlich von Untergrombach, Stadt Bruchsal, einem 7 UBSTADT, Gemeinde Uhstadt-Weiher, Lkr. Karlsruhe. Ge- mit Löß bedeckten Ausläufer des -Hügellan- samtplan der römischen Villa rustica. des gegen die Rheinebene hin, wurde bereits 1888/1889 in kleineren Ausgrabungen eine steinzeitliche Siedlung untersucht, die von einem Graben umgeben war. In weiteren Grabungskampagnen von 1896 bis 1899 konn- ten fast 90 Gruben aufgedeckt werden. Das geborgene jungsteinzeitliche keramische Fundmaterial machte ei- nen solch geschlossenen Eindruck, daß die Fundstelle namensgebend für die „Michelsberger Kultur" wurde. Ein Situationsplan (Abb. 1) wurde nach diesen Gra- bungsergebnissen erstellt und auch von Emst Wagner in „Fundstätten und Funde im Großherzogtum Baden" veröffentlicht. Danach erstreckte sich die Ansiedlung östlich der Michaelskapelle auf der Bergkuppe auf ei- nem Areal von etwa 400 auf 200 m und war im Süden bzw. Südosten von einem 5 bis 6 m breiten Graben um- geben. Der Grabenverlauf war auf einer Länge von et- wa 370 m zu verfolgen. Eine im Osten festgestellte, ca. 20 m breite Grabenunterbrechung diente als Zugang zur Siedlung.

58 8 UBSTADT, Gemeinde Ubstadt- Wei- her, Lkr. Karlsruhe. Grabungsfoto aus dem Jahr 1908. Vorne rechts der Konser- vator Wagner.

Ab 1949 bis 1961 fanden wieder Ausgrabungen auf dem heblich weiter nach Süden erstreckt, als seinerzeit ange- Michaelsberg statt. Zahlreiche Gruben sowie eine zwei- nommen. Geländebegehungen zeigten, daß im Waldbe- te Grabenunterbrechung wurden aufgedeckt. Der östli- reich liegende Grabhügel auch noch bis zu 1 m hoch er- che Grabenverlauf wurde größtenteils mit dem Erdboh- halten sind, während im angrenzenden Wiesen- und rer ermittelt. Auf einem 1967 veröffentlichten Gesamt- Ackergelände die Grabhügel kaum auszumachen sind. plan (Abb. 2) sind alle durch Grabungen bzw. Bohrun- Diese Hügel geben sich bisweilen nur durch unter- gen gemachten Befunde festgehalten. Danach zieht der schiedlichen Graswuchs zu erkennen. Beispielsweise Graben im Osten den Abhang hinunter. liegt ein Hügel zu zwei Drittel im Wald und zu einem Neue Luftbildaufnahmen vom Sommer 1987 zeigen für Drittel auf Ackergelände, so daß dieser zu einem Drit- den östlichen Abschnitt allerdings einen anderen Gra- tel nahezu eingeebnet ist. Inzwischen hat das Landes- benverlauf, der sich deutlich als breite dunkle Verfär- denkmalamt neue Vermessungen durchgeführt, die bung abzeichnet. Nach diesen Aufnahmen zieht der nunmehr 61 Hügel belegen (Abb. 6). Damit erstreckt Graben fast parallel zu dem östlichen Höhenlinienver- sich das Grabhügelfeld von Nord nach Süd auf etwa lauf (Abb. 2, gestrichelte Linie) und paßt sich den topo- 700 m und von West nach Ost auf etwa 350 m. Diese graphischen Gegebenheiten, wie auch an der Südseite neuen Kenntnisse bedingen somit für die Listenerfas- nachgewiesen, an. Mit diesem Grabenverlauf ist nun- sung eine Erweiterung des schutzwürdigen Areals. mehr der östliche Abschluß der Siedlung bekannt, die Südöstlich von Ubstadt, Gemeinde Ubstadt-Weiher, ist somit eine Gesamtlänge von etwa 500 m hat. Da Gelän- seit dem letzten Jahrhundert eine römische Fundstelle debegehungen keine weiteren Siedlungsstrukturen er- bekannt. Im Frühjahr 1908 fand in diesem Bereich eine kennen lassen, wird offenbar, wie wichtig hier Luftbild- Ausgrabung unter der Leitung von Emst Wagner statt, aufnahmen sind. Für die Listenerfassung ergibt sich und dabei wurden verschiedene Gebäudeteile einer Vil- nunmehr neben einer Verkleinerung des archäologi- la rustica untersucht (Abb. 7). Auf einem ca. 25 auf schen Denkmals eine klarere Festlegung des Siedlungs- 35 m großen Areal wurden ein Kellerraum sowie Räu- bereiches. me mit Estrichböden und eine Feuerstelle aufgedeckt. Etwa 1 km westlich von Weingarten wurde im Frühjahr Gleichzeitig stellte man eine Mehrperiodigkeit am 1897 eine Grabhügelgruppe von 46 Hügeln auf einem Steingebäude fest. Die geborgenen Funde belegen eine Areal von ca. 500 auf 350 m entdeckt, die teilweise im Besiedlung im 2. und 3. Jahrhundert n. Chr. Der Lage- Wald und im Wiesengelände liegen (Abb. 4). Gerade plan mit der Einzeichnung in das Kataster ist ebenso im Wiesengelände waren die 10 bis 20 m im Durchmes- noch erhalten wie einzelne Fotografien (Abb. 8), die ei- ser großen und im Wald bis zu 1,50 m hohen Grabhügel nen Eindruck über den damaligen Erhaltungszustand nur noch als leichte Erhöhungen erkennbar. Im Som- des archäologischen Denkmals geben. Diese Ausgra- mer und Herbst 1897 und 1898 wurden 25 Grabhügel bungsergebnisse wurden bereits im Mai 1908 ausführ- untersucht. Es wurden Bestattungen der Hügelgräber- lich in der örtlichen Presse publiziert und anschließend bronzezeit (Abb. 3), der Urnenfelderzeit, der Hallstatt- in der Publikation „Fundstätten und Funde im Groß- und Frühlatenezeit sowie einige Nachbestattungen auf- herzogtum Baden" von Wagner zusammengefaßt. gedeckt. Weitere Untersuchungen fanden in der Zwischenzeit Die komplette Grabungsdokumentation ist in der Orts- nicht statt, doch wurde vereinzelt Fundmaterial gebor- akte Weingarten im Landesdenkmalamt erhalten, so gen. Seit nunmehr drei Jahren wird der Bereich des rö- daß diese zusammen mit den Veröffentlichungen eine mischen Gutshofes von einem ehrenamtlichen Mitar- eindeutige Erfassung des archäologischen Denkmals beiter des Landesdenkmalamtes regelmäßig begangen. ermöglichen. Anhand der beobachteten Fundstreuung läßt sich jetzt Durch Luftbildaufnahmen (Abb. 5) zwischen 1984 und die ungefähre Ausdehnung der Villa rustica mit etwa 1986 wurde offenbar, daß sich das Grabhügelfeld er- 220 auf 220 m bestimmen (Abb. 7). Die Wagnersche

59 9 BERGHAUSEN, Gemeinde , Lkr. Karlsruhe. Gesamtplan des fränkischen Gräberfeldes.

Grabung liegt danach im westlichen Teilbereich der Areal von etwa 120 m in West-Ost-Richtung und ca. Gesamtanlage. Gerade in diesem Gebiet sind auf Luft- 60 m in Nord-Süd-Richtung erfaßt (Abb. 9) worden. bildaufnahmen Gebäudestrukturen erkennbar, die zum Inzwischen liegt die wissenschaftliche Publikation von Teil identisch mit den Grabungsbefunden von 1908 er- Ursula Koch vor. Das seit der 1. Hälfte des 7. Jahrhun- scheinen. Bei den mehrfachen Begehungen wurden au- derts n. Chr. belegte Gräberfeld wurde, soweit unter- ßerdem an zwei Stellen (Abb. 7) nicht näher datierbare sucht, vollständig vorgelegt. Gerade durch diese Ge- vorgeschichtliche Keramikscherben geborgen, die auf samtbearbeitung wird aber deutlich, daß der Grabungs- eine bisher nicht bekannte vorrömische Besiedlung hin- bereich „die Grenzen des sehr weiträumig angelegten weisen. Dieses Beispiel belegt die Bedeutung von Bege- Friedhofes gewiß nicht erreicht" hat. Sowohl die Süd- hungen, auch von ehrenamtlichen Mitarbeitern, ohne wie auch die Nordgrenze des Gräberfeldes wurden bis- die eine eindeutige Begrenzung des archäologischen her nicht erfaßt. Vielmehr befinden sich noch weitere Denkmals bei der Listenerfassung kaum zu geben wäre. Gräber, nicht oberirdisch sichtbar, im Boden der an- In Berghausen, Gemeinde Pfinztal, stieß man 1897 auf grenzenden Hausgärten. Für die Listenerfassung ergibt den Äckern „Hinter dem Dorf auf fränkische Reihen- sich somit, daß dieses Gräberfeld keineswegs vollstän- gräber. Sieben Steinplattengräber wurden im Sommer dig ausgegraben wurde, sondern als weiterhin bestehen- desselben Jahres aufgedeckt, allerdings ist die genaue des archäologisches Denkmal in die Liste aufgenom- Fundstelle heute nicht mehr zu ermitteln. Auch diese men werden muß. Untersuchung ist bei Wagner aufgeführt. Wie zu belegen war, stehen die Arbeiten zur Erfassung Ein erster Hinweis auf die genaue Lage des Gräberfel- von archäologischen Denkmalen in einer Liste in Ba- den-Württemberg in einer langen und guten Tradition, des ergab sich 1951, als unmittelbar am Ortsrand in ei- nem Hausgarten ein Grab zerstört wurde. 1952 zerwühl- sind aber noch nie flächendeckend durchgeführt wor- ten Kinder unweit dieser Fundstelle ein anderes Grab den. Gleichzeitig kann diese flächendeckend forschen- in einer Straßenböschung, die dem Lauf eines künstli- de, den neuesten Wissensstand berücksichtigende Bear- beitung die Grundlage auch einer wissenschaftlichen chen Entwässerungsgrabens, des Seltenbaches, folgt. Aufbereitung archäologischer Fragestellungen, wie bei- Dieser dürfte eine Anzahl Gräber fortgeschwemmt ha- spielsweise des Siedlungswesens, bilden. So wird die ben. Durch den geplanten Kirchenneubau der katholi- Listenerfassung ein wesentlicher Markstein auf dem schen Kirchengemeinde bot sich für das Landesdenk- malamt die Möglichkeit, großflächig auszugraben. 1963 Weg zu einer umfassenden archäologischen Landesauf- begannen die Untersuchungen im Gräberfeld, nahme sein! 1966/1967 wurden sie fortgesetzt. Durch Straßenbau- Dr. Anita Gaubatz maßnahmen veranlaßt, konnten 1971 weitere Gräber im LDA ■ Referat Inventarisation östlichen Gräberfeldbereich untersucht werden. Über Karlstraße 47 100 Gräber sind durch diese Ausgrabungen auf einem 7500 Karlsruhe

60