ich in der Frage, wie viel Haut man zeigt, sehr konservativ. SPIEGEL: Wie kommt es dann, dass Sie im neuen En-Vogue-Video zum Song „Riddle“ mit Abstand den kürzesten Rock tragen? Ellis: Ich bin selbst erschrocken, als der Sty- list damit ankam. Früher hätte ich mich ge- weigert, jetzt sagte ich nur: Gebt mir eine Strumpfhose, und ich ziehe ihn an. SPIEGEL: Inwiefern verpflichtet Sie der Bandname , modisch immer auf der Höhe der Zeit zu sein? Ellis: Das gehört natürlich dazu. In dieser Saison gefällt mir am besten die Schlangen- Optik, die überall zu sehen ist. Und ich überlege, ob ich mir eine dieser modischen Geldbörsen kaufen soll, die aussehen wie Briefumschläge. Im Grunde bin ich aber ein Blue-Jeans-Mädchen. Am liebsten möchte ich immer in Jeans auftreten. Nur würden das unsere Fans nicht erlauben. SPIEGEL: Sie meinen, die würden Ihre Platten nicht kaufen, wenn Sie Hosen

EASTWEST anhätten? „En Vogue“-Stars Jones, Herron, Ellis: „Je reifer du bist, desto sexier bist du“ Ellis: Wir haben einfach ein bestimmtes Image, das von Anfang an sehr durch Op- tik geprägt war. Wir haben damit angefan- POP gen – jetzt müssen wir die Erwartungen der Fans eben erfüllen … Jones: … was manchmal sehr anstrengend „Wir schauspielern zu Musik“ sein kann. Es dauert Stunden, bis wir so aussehen, wie man uns aus unseren Videos Die En-Vogue-Sängerinnen und kennt. SPIEGEL: Make-up und perfektes Styling über Girl Groups, nackte Haut auf der Bühne sind also genauso wichtig wie die Musik? und Rollenspiele im Popgeschäft Ellis: Wir spielen eine Rolle. Wir schauspie- lern zu Musik, das ist es, was wir machen. Der US-Popband En Vogue, 1988 als geguckt, wie sich Plattenverkäufe durch Jones: In letzter Zeit haben wir viel ge- Quartett gegründet, gelangen mit Plat- Glamour und Sex-Appeal ankurbeln las- probt. Wir hatten unsere Straßenklamotten ten wie „“ (1992) und „EV3“ sen. Fassen Sie das als Kompliment auf? an, Jeans und Turnschuhe, Cindy sogar (1997) Welterfolge. Seit Jones: Natürlich. Wir haben die Girl Group Flip-Flops, wir haben uns richtig Mühe ge- vor drei Jahren die Gruppe verließ, treten ja auch nicht erfunden. Die Blaupause lie- geben, aber es haute nicht hin. Unser Cho- Ellis, 33, Jones, 35, und , 34, ferten mit der unvergleich- reograf ist schier verzweifelt. Dauernd jam- als Trio auf. In zwei Wochen erscheint ihr lichen Diana Ross. merte er. „Ihr habt es nicht, ihr bewegt neues „Masterpiece Theatre“. Ellis: Und was das Glamour- und Sex- euch falsch!“ Er wollte Theatralik sehen. Es Image betrifft: Als wir vor über zehn Jah- ging nicht. Nach drei Tagen probten wir SPIEGEL: En Vogue gilt als einflussreichste ren angefangen haben, träumten wir wie zum ersten Mal in unseren Kostümen. Da Girl Group der neunziger Jahre. Andere alle jungen Frauen davon, schöne Kleider war es plötzlich da. Die richtige Haltung, erfolgreiche Mädchenbands wie die Spice zu tragen. Wir hatten einfach Spaß daran, die nötige Eleganz: Was er in drei Tagen Girls oder TLC haben sich bei Ihnen ab- umwerfend auszusehen. Aber bis heute bin nicht erreicht hatte – hohe Absätze be- wirkten es in einer Sekunde. SPIEGEL: Wie würden Sie die Rollen be- schreiben, die Sie auf der Bühne und in Ihren Videos spielen? Ellis: Diese Frauen sind stark und selbst- bewusst, sie haben et-

RETNA / ACTION PRESS RETNA / ACTION was zu sagen, und sie The Supremes (1970) lassen sich nicht ver- arschen. Wenn sie in einen Raum kommen, hören die Menschen auf zu reden. Sie sind nett, aber eins ist klar: Mit denen legt man sich nicht an. SPIEGEL: Im Privatleben sind Sie etwas weniger divenhaft? Ellis: Ganz bestimmt sogar. Umgänglicher. Wir sind keine Diven, wir zicken nicht rum. SPIEGEL: „Funky Divas“ hieß Ihre bislang erfolgreichste, 1992 erschienene Platte. Mochten Sie den Titel? Ellis: Geht so. Es war die Idee unserer Pro- duzenten. Sie fanden, das passt zu uns. Si- cher, es ist kein schlechtes Wort, aber es hat doch eine negative Konnotation. Eine Diva ist eine Zicke. Aber wir haben dann schon verstanden, was sie meinen. Sie müssen wissen, unsere Produzenten lieben Frauen. Sie verehren ihre Mütter, sie haben großen Respekt vor uns. Sie haben Songs für uns geschrieben, die selbstbewusste Frauen sin- gen würden. Frauen mit dieser Jetzt-hör- mir-mal-gut-zu-Attitüde. Jones: Uns fiel es nicht schwer, ihre Texte zu singen. Wir hatten ja alle ein Leben vor En Vogue. Wir hatten Liebeskummer, muss- ten Rechnungen zahlen, uns allein durchs Leben schlagen. Zeilen wie „You’re never gonna get it!“ sprachen uns aus der Seele. SPIEGEL: Sie sind jetzt alle Mitte 30, im Mu- sikgeschäft gilt das als alt. Wurde Ihnen je geraten, sich jünger zu schwindeln? Jones: Unsere Plattenfirma hat uns das wie- derholt nahe gelegt. Jugend lässt sich eben besser vermarkten. Dabei ist es doch so: Je reifer du bist, desto sexier bist du. Ellis: Viel mehr Frauen sollten zu ihrem Al- ter stehen. Sie sollten stolz sein und sich ihrem Alter entsprechend benehmen. Ob wir wollen oder nicht, wir werden alle älter, warum machen wir es uns also so schwer, das mit Stolz und in Würde zu tun? SPIEGEL: Wer sind Ihre Vorbilder? Jones: Ich bewundere starke Frauen wie Oprah Winfrey oder . Frauen, die sich selbst respektieren, die selbstbe- wusst und unabhängig sind. SPIEGEL: Was halten Sie von Hillary Clinton? Jones: Ich hoffe, sie wird in New York ge- wählt. Sie hat eine eigene Karriere, sie hat Ziele, die sie hartnäckig verfolgt. Sie weiß, was sie will … Ellis: … und ganz offensichtlich lässt sie sich nicht von Bill leiten. Eher schon umgekehrt. Ja, Hillary Clinton ist ganz definitiv eine Diva. Interview: Johanna Adorján

der spiegel 19/2000 275