18— 19 1 Schubert Zimmermann 1 Thomas Demenga, Violoncello Zofia Neugebauer, Flöte Samstag Igor Karsko, Leitung 22.September 2018 19.30 Uhr Aula der Universität Zürich Rämistrasse 71, Zürich

Sonntag 23.September 2018 11.00 Uhr Musikschule Konservatorium Zürich, Zürich

Bernd Alois Zimmermann ( 1918 – 1970 ) 15­ Sonate für Cello solo ( 1959/60 )

Rappresentazione – Fase – Tropi – Spazi – Versetto

Armin Schibler ( 1920 – 1986 ) 12­ Elegische Musik für Flöte und Cello ( 1958 )

Andante, espressivo – Poco mosso – improvisando lento – Poco mosso – Poco allegro – Moderato – Non troppo lento

Franz Schubert ( 1797 – 1828 ) 20­ Variationen über «Trockne Blumen » aus « Die schöne Müllerin » für Flöte und Streichorchester, op.‹160 /D 802 ( 1824 ) ( Arr.‹D.‹Rumler )

Introduction ( Andante ) – Thema ( Andantino ) – Variationen I–VI – Variation VII ( Allegro )

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George Enescu ( 1881 – 1955 ) 40­ Octuor à cordes, op.‹7 ( 1900 )

Très modéré – Très fougueux – Lentement – Mouvement de valse bien rythmée Bernd Alois

Zimmermann ( 1918 – 1970 ) Als « eine sehr rheinische Mischung von Mönch und Dionysos » bezeichnete sich der Kom- Sonate für Violoncello solo ponist Bernd Alois Zimmermann einmal. Askese und Vergeistigung einerseits, Lebens- nähe und humanistisches Engagement in der Welt andererseits finden sich in seinem Œuvre gleichermassen. Er war jemand, der die Tätigkeit des Komponisten als eine Berufung verstand. Zu Recht wird seiner heuer – zu seinem 100. Geburtstag – aller- orten gedacht. Wir werden ihm in den Konzerten der Camerata Zürich ebenfalls mehrmals begegnen.

Zu seinen meistgespielten Werken gehört heute seine Solocellosonate, ja sie ist fast zum Repertoirestück für jeden angehenden Cellisten geworden, dabei wollte sie der Verlag damals wegen Unaufführbar- keit gar nicht erst drucken. Der Sonate, die Zimmermann seiner Frau Sabine widmete, ist ein Vers aus dem Prediger Salomonis vorangestellt, einem alttestamentlichen Text, der ihn zeit- lebens beschäftigte. «…et suis spatiis transeunt universa sub caelo» ( Luther übersetzt : « Und alles fürnemen unter dem Himel hat seine stund.»). « Alles hat seine Zeit » heisst es dort : Lachen und Weinen, Gebären und Sterben, Schweigen und Reden. Die Sonate beruht zwar auf einer Zwölfton- reihe, die aber nicht strikt verwendet wird. Sie ist in fünf Sätze gegliedert. Ausser dem letzten, dessen Titel auf die Liturgie ver- weist und der ins Kantable abhebt, stammen die Bezeichnungen sonst aus dem visuellen Bereich. In jedem der Sätze werden unterschiedliche Binnen- abschnitte frei nebeneinandergestellt – so als habe auch hier alles, jedes Motiv, jede Bewegung, seine Zeit. Die Simultaneität, die Gleichzeitigkeit der Ereignisse, die Zim- mermann zentral beschäftigte, wird dabei nicht nur durch Doppelgriffspiel erreicht, sondern – weitaus komplexer – durch verschiedene, übereinandergelegte Zeitschichten, die sich durch unterschiedliche Klangfarben oder Artikulationsarten charakterisieren. So gibt es im ersten Satz einen ‹ Prestissimo possibile › zu spielenden Abschnitt, in dem drei Zeitschichten durch die Spielart unterschieden werden. Armin Schibler ( 1920 – 1986 )

Elegische Musik Wie Zimmermann gehörte der in Kreuzlingen geborene Armin Schibler nach dem Zwei- ten Weltkrieg zu den durchaus vielbeachteten jüngeren Komponisten – und ähnlich wie jener sah er sich bald in der Situation, der « älteste der jüngeren Generation » zu sein. Er interessierte sich für die neuen, radikalen Strömungen, verfolgte die Diskussionen, zog aber klar einen Strich, bis wohin er gehen wollte. Die serielle oder radikal aleatorische Musik stand ihm fremd, hingegen interessierte er sich – wiederum ähnlich Zimmermann – für sogenannte populäre Musiken wie den Jazz, den Blues und später den Rock, und vor allem liessen ihn die Ereignisse auf der Welt, der Kalte Krieg und die Umweltzerstörung, nicht kalt. Er engagierte sich auch mit seiner Musik.

In der «Elegischen Musik» ist davon allenfalls eine Grundstim- mung übrig geblieben : es handelt sich um eine «Trauer- musik», deren Anlass uns nicht bekannt ist. Das Stück aus dem Jahr 1958 wurde damals mit Peter Wettstein und der Ars Amata Zürich uraufgeführt und wird gelegent- lich von Liebhaberorchestern gespielt, denn diese soll es bewusst ansprechen.

Dieses Opus 53 besteht nur aus einem lan- gen, in sich vielfältig gegliederten Satz. Es schlägt einen Bogen, in dem sich die Bewegtheit und der Ausdruck allmählich intensivieren. Eingangs ist nur die Flöte allein über liegenden Streichklängen zu hören. Das Melodiefragment, das sie intoniert, klingt noch fahl – « pianissimo senza espressione e senza vibrazione ». All- mählich gewinnt es mit den Wiederholungen an Ausdruck. Ein rascheres Motiv wird von den Streichern forte dagegenge- stellt. Schliesslich kommt das Cello quasi-improvisierend ins Spiel. Aus diesen Elementen entfaltet sich der Gedankenfluss des Stücks, das am Schluss zur stillen und verhaltenen Ausdruckslosig- keit der Flöte zurückkehrt. Franz Schubert ( 1797 – 1828 )

Variationen über «Trockne Blumen» aus «Die schöne Müllerin», op.‹160‹/‹D 802 Mehrmals in seiner Laufbahn hat Franz Schubert ein eigenes Lied zum Anlass für Variation und Bearbeitung genommen. Bekannt sind vor allem das Klavierquintett über « Die Forelle » oder die Klavierphantasie über « Der Wanderer ». Derlei war damals durch- aus üblich. Es war auch eine Möglichkeit, die eigenen Melodien über einen anderen Kanal unter die Leute zu bringen.

Im Januar 1824 griff Schubert so auch das Lied «Trockne Blumen » aus dem kurz zuvor fertiggestellten, aber noch nicht publizierten Liederzyklus « Die schöne Müllerin » auf. Die « Blümlein alle », heisst es da, die die schöne Müllerin dem Müllersburschen gab, solle man ihm ins Grab legen. Ein trauriges Lied also : « Ach, Tränen machen / Nicht maiengrün, / Machen tote Liebe / Nicht wieder blüh’n.»

Was Schubert nun in diesen Variationen damit anstellt, hat kaum mehr etwas mit solcher Grundstimmung zu tun. Während in der langsamen Introduktion das Lied leise vorgestellt wird – und es zunächst als Thema durchaus zu erkennen ist, scheinen die Variatio- nen danach von der Schlussstrophe auszuge- hen, die sich ins hellere Dur wendet und mit den euphorisch-resignativen Versen endet. « Dann, Blümlein alle, / Heraus, her- aus! [ NB.‹aus dem Grab ] / Der Mai ist kom- men, / Der Winter ist aus.»

Schubert nutzt das klare melodische und harmoni- sche Gerüst des Lieds nun vielmehr für höchste Bravour, die sich nicht auf die Flöte beschränkt. Der Klavierpart ist mindestens ebenso schwierig. Komponiert wurde das Stück wohl für den Beamten und Flötenprofessor Ferdinand Bogner. Er muss ein Virtuose gewesen sein und wünschte sich, dass Schu- bert für ihn eine zusätzliche brillante Variation einfügte. Die damals entstandene fünfte Variation soll aber so unspielbar gewesen sein, dass der Komponist sie nochmals umschreiben musste. Unser Ensemble- mitglied Daniel Rumler hat die Variationen für Streichorchester arrangiert. George Enescu ( 1881 – 1955 )

Es ist das Werk eines 19-jährigen, der allerdings schon eine erstaunliche Laufbahn hinter Octuor à cordes, op.‹7 sich hatte. Mit vier hatte der Rumäne George Enescu begonnen, Geige zu spielen, mit fünf zu komponieren, mit sieben studierte er in Wien, mit acht debütierte er als Solist, mit vierzehn belegte er Komposition am Pariser Conservatoire – immerhin bei André Gedalge, Jules Massenet und Gabriel Fauré – und mit siebzehn, also 1898, dirigierte er erstmals und stellte sein Opus 1, das « Poème roumain » für Männerchor und Orchester, dem Pariser Konzertleben vor. Ein Wunderkind also, das zu den bedeutendsten Geigenvirtuosen seiner Zeit werden sollte – und das auch ein gewichtiges kompositorisches Œuvre vorlegte. Enescu schrieb zwar auch virtuose und folkloristisch gefärbte Stücke, aber er bewegte sich musika- lisch im Stil seiner Epoche, die sich bald von der Spätromantik in eine Moderne wenden sollte. In diesem Bereich ist seine Musik einzu- ordnen, wie gerade das Streichoktett von 1900 zeigt.

Ähnlich wie das im Jahr zuvor entstandene Streichsextett «Verklärte Nacht» von Arnold Schönberg schafft Enescu hier einen weit angelegten, motivisch vereinheitlich- ten, aber in sich gegliederten musikalischen Strom. Der Komponist schreibt in seinem Vorwort : « Dieses Oktett, ein zyklisches Werk, hat fol- gende Besonderheit : es ist zwar auf klassi- sche Weise in vier unterschiedliche Sätze unterteilt, diese jedoch verbinden sich miteinander und bilden einen einzigen Sinfo- niesatz, in dem sich die Episoden, nach einem sehr breiten Plan, gemäss den Konstruktionsprin- zipien eines Sonatenhauptsatzes folgen.» Und schliesslich merkt er an, man möge nicht zu sehr auf den kontrapunktischen Künsten des Werks insistieren und stattdessen lieber die wesentlichen thematischen und melodi- schen Elemente ins Licht rücken. Denn diese sind ihm wichtig : Kantabilität, und so fügt er an, es sei übrigens durchaus möglich, dieses Oktett auch mit Streichorchester aufzuführen, wenn man dabei die gesanglichen Passagen den Solisten anvertraue.

Das Werk steht in C-Dur, ist aber doch im Grundduktus leidenschaftlich und mitunter elegisch gefärbt. Die vier Sätze sind leicht ( teilweise auch dank kurzen Pausen ) als Sonatenhauptsatz mit mehreren Themen, als heissblütiges Scherzo ( « fougueux » ), als ruhiges und nachdenkliches Lento und als tänzerisches, hier walzerhaftes Finale zu erkennen. Solistin

Zofia Neugebauer, Flöte

Zofia Neugebauer wurde 1994 in Polen geboren. Nachdem sie be- reits vier Jahre Klavierunterricht hatte, begann sie im Alter von zehn Jahren Flöte zu erlernen. Ihr Diplom legte sie an der Breslauer Musikschule mit Auszeichnung ab. Fortbildungskurse absolvierte sie bei Cezary Traczewski. Anschliessend setzte sie ihre Ausbildung an der Hochschule für Musik Basel bei Felix Renggli fort. 2016 schloss sie ihr Bachelordiplom mit Höchstnote ab und belegt der- zeit ihr Masterstudium an derselben Hochschule.

Sie tritt regelmässig als Soloflötistin mit Orchestern wie dem Gürzenich Orchester Köln, der Camerata Zürich, dem Verbier Festi- val Orchestra auf und arbeitet mit bekannten Dirigenten wie Sir Simon Rattle, Ivan Fischer, Antonio Pappano und Paavo Järvi. Sie war zu Gast bei bedeutenden Musikf estivals wie den Osterfestspie- len Baden-Baden, den Dresdner Musikfestspielen und konzertierte in verschiedenen europäischen Ländern und in China.

Zofia Neugebauer war Stipendiatin des Polnischen Kulturministeri- ums und Preisträgerin mehrerer internationaler Wettbewerbe. Seit September 2017 ist sie ausserdem Mitglied der Karajan-Akademie der Berliner Philharmoniker. Solist

Thomas Demenga, Violoncello

Als international renommierter Solist, Komponist und Pädagoge gehört er zu den herausragenden Cellisten und Musikerpersönlich- keiten unserer Zeit. Als Kammermusiker und Solist konzertiert er an vielen wichtigen Festivals und Musikzentren der Welt und tritt in zahlreichen Konzerten mit MusikerkollegInnen wie Heinz Holli- ger, , , , Aurèle Nicolet, Hansheinz Schneeberger, Thomas Zehetmair und Tabea Zimmer- mann auf. Thomas Demenga arbeitete mit Dirigenten wie Myung Whun Chung, , , Armin Jordan, Okko Kamu, , Dennis Russell Davis, und Sándor Végh zusammen.

Die künstlerische Arbeit Thomas Demengas ist geprägt von der intensiven Auseinandersetzung und dem Austausch von Interpre- tationen und Kreationen in den verschiedenen Stilepochen. Beson - ders intensiv widmet er sich der Neuen Musik und setzt sich auch mit Improvisation auseinander. So bildet seine eigene musikali- sche Sprache als Komponist und Interpret von Werken des 20. und 21.‹Jahrhunderts ( darunter namhafte Uraufführungen ) eine neue und ergänzende Dimension zu der historischen Aufführungspraxis der Barockmusik und seinen virtuosen Interpretationen des klassi- schen und romantischen Repertoires.

Am Lucerne Festival im Sommer 2003 wirkte Thomas Demenga als « artiste étoile » und trat erneut in 2017 mit der Camerata Zürich dort auf. Eine umfangreiche Reihe von CD-Einspielungen, erschienen bei ECM New Series, dokumentiert seine künstlerische Arbeit auf eindrucksvolle Weise. Im Jahr 2002 erschien seine Einspielung der Solosuiten Bachs in Kombination mit modernen Komponisten wie Holliger, Carter, Veress, Zimmermann, Yun und Hosokawa.

Thomas Demenga leitet seit mehr als 25 Jahren eine Ausbildungs- Foto : Ismael Lorenzo und Solistenklasse an der Hochschule für Musik in Basel. Seit 2011 amtet er als künstlerischer Leiter der Camerata Zürich. Leitung

Igor Karsko

Igor Karsko studierte bei K.‹Petroczi am Konservatorium Košice und an der Musikakademie Prag bei Jirí Tomášek. 1991 wurde er von Lord Yehudi Menuhin an die Menuhin-Akademie in Gstaad eingela- den. Er war Mitglied der Camerata Lysy und des Gustav Mahler Jugendsinfonieorchesters unter Claudio Abbado sowie Konzert- meister der Staatlichen Philharmonie Košice. Seit 1991 ist er Mitglied des «The Serenade String Trio », welches u. a. erste Preise an den Internationalen Kammermusikwettbewerben von Caltanis- setta 1991 und Trapani gewann. Er ist Co -Leiter des Kammermusik- festivals Convergence, Gastkonzertmeister beim Zürcher Kammer- orchester und den Musiciens du Louvre mit Marc Minkowski so- wie Mitbegründer des Barockensembles La Gioconda, mit welchem er mehrere erfolgreiche Opernproduktionen realisierte. Zwischen 1993 und 2012 war er 1.‹Konzertmeister des Luzerner Sinfonie- orchesters.

Igor Karsko wirkt als Dozent an der Musikhochschule in Luzern und befasst sich intensiv mit der Barockgeige und der historischen Aufführungspraxis. Er spielt die berühmte Violine « Il Viotti » von Lorenzo Storioni ( Cremona 1768 ) und eine Barockgeige von Nicola Gagliano.

Seit der Saison 2000/2001 amtet Igor Karsko als Konzertmeister der Camerata Zürich.

Foto : Florian Kalotay Camerata Zürich

Thomas Demenga Künstlerischer Leiter

Die Musikerinnen und Musiker

Konzertmeister Igor Karsko

Violine 1 Matthias Müller Melinda Stocker Daniel Rumler Angelika Caspar

Violine 2 Pascal Druey Patrizia Pacozzi Jeannine Brechbühler Martha Mitu

Viola Hannes Bärtschi Ursina Staub Hugo Bollschweiler

Violoncello Jonas Iten Giulia Ajmone-Marsan Joonas Pitkänen

Kontrabass Jim Vanderspar Zimmermann —— Britten

2 Olivier Darbellay, Horn Christoph Prégardien, Tenor Samstag Alexander Sitkovetsky, Violine 17.November 2018 Igor Karsko, Leitung 19.30 Uhr Aula der Universität Zürich Rämistrasse 71, Zürich

Sonntag 18.November 2018 11.00 Uhr Musikschule Konservatorium Zürich, Zürich

Wolfgang Amadeus Mozart ( 1756 – 1791 ) Divertimento F-Dur, KV 138

Benjamin Britten ( 1913 – 1976 ) Serenade für Tenor, Horn und Streicher, op.‹31

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Bernd Alois Zimmermann ( 1918 – 1970 ) Sonate für Violine solo

Benjamin Britten Simple Symphony, op.‹4

18— 19 1 Schubert www.cameratazuerich.ch Zimmermann

Foto : Florian Kalotay