Stadtrundgang Walzbachtal-Jöhlingen

Seit Jahrhunderten fest im Glauben verankert

Die eigentliche Geschichte Jöhlingens – im südwestlichen Kraichgauer Hügelland gelegen – beginnt im hohen Mittelalter, sozusagen mit einer Geburtsurkunde“, am 11.September 1024. Fast 800 Jahre lang war „Johenningen“ mit der Speyerer Kirche verbunden. Mit der Organisation des badischen Kurstaats 1802 bis 1803 kam Jöhlingen zu , 1809 zum Großherzoglichen Bezirksamt Stein und 1821 zum Oberamt Durlach. Seit 1924 gehört die Gemeinde zum Landkreis . 1971 schloss sich Jöhlingen mit dem Nachbarort Wössingen zur Gemeinde Walzbachtal zusammen.

Hier die zehn Stationen des SWR4 Sommererlebnis-Rundgangs:

Dort wo sich heute das moderne Gebäude der 1968/69 erbauten und 1997/98 erweiterten „neuen“ Grund- und Hauptschule mit Werkrealschule und der Pausenhof befinden, stand bis zum Abbruch 1966 der zweiflügelige Komplex des ehemaligen Herrenhofes aus den Jahren 1450 und 1571 beziehungsweise bis 1780 die alte St. Martinskirche, deren Vorgängerbauten bis ins frühe Mittelalter zurückreichten. Die um 1730 erbaute „alte“ Schule war bis 1803 Amtshaus, kam in Privathände und beherbergte einige Jahre das Gasthaus „Zum Hirsch“. Von der Gemeinde zurückgekauft, wurde es 1827 zur Schule umfunktioniert. 1987/89 wurde das Gebäude aufwändig renoviert.

1788 errichtete die Gemeinde nach dem Abriss des alten Rathauses aus den Jahren 1572/73 ein neues „Rath- und Schulhauß“ unterhalb des Torgebäudes des Herrenhofes. Ab 1971 wurde das Gebäude zeitweise Verwaltungsstelle für Walzbachtal, von Vereinen genutzt, von 1990 bis 1995 diente es als Aussiedlerwohnheim und ist seit 2000 ein Mehrfamilienhaus.

Als aufwändig restaurierte Fränkische Hausanlage, ein so genannter Dreiseithof, präsentiert sich der Speyerer Hof heute dem Besucher. Im hölzernen Türsturz der Haustür des schmucken Fachwerkhauses ist die Jahreszahl 1.5.7.7 eingeschnitzt.

1780/84 errichtete man mit den Steinen der kaum hundert Meter entfernten alten zu klein gewordenen Kirche ein Gotteshaus, das dem fränkischen Nationalheiligen St. Martin geweiht wurde: Die katholische St. Martin Kirche. Sehenswert sind der mächtige Hochaltar und die zwei Seitenaltäre des spätbarocken Künstlers Joachim Günther sowie zwei jüngere Deckengemälde von Caspar Schleibner. Ein Taufstein (1728), ein Holzrelief (um 1680), ein Grabstein (1762) sowie eine Grabplatte mit symbolischen Darstellungen stammen aus der alten Kirche beziehungsweise deren ältestem Bauabschnitt.

Die barocke Kreuzigungsgruppe von 1799 stellt ein sowohl religiöses als auch künstlerisch wertvolles und zudem in volkskundlicher Hinsicht interessantes Denkmal dar. Nicht minder aussagekräftig ist der so genannte Hirtenbrunnen mit dem schnitzenden Hirtenbuben und dem mächtigen Mahlstein der nahe liegenden ehemaligen Ölmühle.

Neben der erst 1801 fertig gestellten Wiesenmühle am Ortsausgang nach klapperten oberhalb des Dorfes Jahrhunderte lang die oberschlächtigen Wasserräder zweier Mühlen, der Ober- und Untermühle, an einem vom Walzbach abgezweigten Kanal, der auch für die Wiesenwässerung im Tal zwischen Wössingen und Jöhlingen genutzt wurde. Seit den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts stehen die Räder der Jöhlinger Mühlen still.

Stadtrundgang Walzbachtal-Jöhlingen

Der badische Hof war einmal ein typisches Steiggasthaus an einer seit ewigen Zeiten wichtigen Durchgangsstraße. 1844 wird er im Register der königlich Bayrischen und fürstlich Thurn und Taxischen Poststellen als Relaisstation mit Pferdekopf ausgewiesen, das heißt als Umspannstation für Kutschpferde. Josef Specht, Besitzer des badischen Hofs seit 1833, übernahm 1855 als erster Jöhlinger Posthalter in der Alten Post die Beförderung von Briefpost und großen Poststücken. Das 150 Jahre von der Familie Specht geführte Gasthaus schloss 1981 seine Pforten.

Die vor 1800 gebaute Synagogemit einem rituellen Bad wurde in den November-Pogromen 1938 durch ein von auswärts kommendes Rollkommando demoliert und verwüstet. Gegenüber dem ehemaligen Standort erinnert eine Gedenktafel an das ehemalige jüdische Gotteshaus.

Als am 15.Oktober 1879 mit der Eröffnung der Kraichgaubahn von Grötzingen über Bretten nach Eppingen für Jöhlingen das Eisenbahnzeitalter begann, konnte noch niemand ahnen, dass Ende des 20. Jahrhunderts, im September 1992, auf der alten Trasse das Projekt einer weltweit ersten Zweisystem-Stadtbahn zwischen Karlsruhe und Bretten starten würde. Von den zwei Jöhlinger Haltepunkten, die an der längsten Stadtbahnstrecke der Welt liegen, erreicht man in 20 Minuten das Stadtzentrum in Karlsruhe.

Jahrhunderte lebten die wenigen Protestanten im fast ausschließlich katholisch geprägten Jöhlingen als Diasporagemeinde. So verwunderte es auch nicht, dass erst im März 1951 die kleine schlichte evangelische Versöhnungskirche ihrer Bestimmung übergeben wurde. Seit fast zwei Jahren rufen drei Glocken auf dem Glockenturm eines längst fällig gewordenen Erweiterungsbaus die Gläubigen zum Gebet.

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