STEIERMARK

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österreichischer Rundfunk Landesstudio Steiermark Marburgerstraße 20 A-8042 Graz VERANSTALTER UND INFORMATION

ORF Kartenverkauf: Landesstudio Steiermark Zentralkartenbüro Graz, Herrengasse 7 musikprotokoll (Passage), 8010 Graz Marburger Straße 20, 8042 Graz Telefon: (o 31 6) 83 02 55 Telefon: (o 31 6) 470, DW 224, 227, Kartenreservierung: Fax: 253 E-mail: [email protected]

Intendant: Kurt Bergmann Preise: Programm: Christian Scheib Organisation: Rosalinde Vidic, Sandra Eintritt: Vorverkauf Abendkassa Schwinn Einzelkonzert ÖS 110.- ÖS 130.- Technische Leitung: Gernot Katzer Tagespaß ÖS 320.- ÖS 360.- Meßdienst-Leitung: Christian Zagler Festivalpaß ÖS 900.- ÖS 1.100.- lnternet/WWW: http://info.mhsg.ac.at Paß-Ermäßigung: Studenten, Schüler, lnternet/E-mail: [email protected] Arbeitslose 50% (Koproduzent: Hochschule für Musik und darstellende Kunst, Institut für elek­ musikprotokoll-Programmbuch: ÖS 60.- tronische Musik, Jakoministraße 3-5, 8010 Graz) l mpressum: Medieninhaber und Herausgeber: Veranstaltungsorte: österreichischer Rundfunk, Grazer Congress, Sparkassenplatz 1, Landesstudio Steiermark 8010 Graz Für den Inhalt verantwortlich: Christian Orpheum, Orpheumgasse 1, 8010 Graz Scheib Redaktion: Sandra Schwinn, Christian Scheib Büro im Grazer Congress: Umschlagentwurf und Layout: Karl Mar­ Eingang Albrechtgasse 3, 1. Stock kus Maier Telefon: (o 31 6) So 49-39 Herstellung: Druckerei Klampfer, Weiz Graz 1996

2 INHALTSVERZEICHNIS

Vorwort Seite 4 Programmübersicht Seite 6

Donnerstag, 19.30 Uhr Mayako Kubo Yasuko • Aus dem "Schwarzen Regen" Seite 8 Michael Jarrell Music for a while Seite 9 Maurlclo Kagel Orchestrion-Straat Seite 10

Donnerstag, 21.00 Uhr Roscoe Mltchell, Wolfgang Mltterer, Wolfgang Relslnger Seite 12 Improvisations

Donnerstag, 22.00 Uhr Andrea Sodomka Diaphonie #1 Seite 14 Winfried Rltsch The House of Sounds Seite 16 Jochen Traar A«i\T PROTECTS YOU Graz 1996

Freitag, 19.30 Uhr Bun-Chlng Lam Sudden Thunder Seite 20 Christian Ofenbauer BruchStück 6 Seite 21 Christian Ofenbauer KLAVIERSTOCK 1995 Seite 21 Steven Mackey Eating Greens Seite 29

Freitag, 21.00 Uhr Chaya Czemowln Afazim Seite 32 Comellus Sehwehr Wie bei Bogen und Leier Seite 32 Yuval Shaked Zeitgesonnene Musik (temp.) Seite 33

Freitag, 22.00 Uhr Klaus Lang Cetus Candidus • Der weiße WaV Seite 34 Die Anomalie des Wassers Georg Friedrich Haas ,. ... Einklang freier Wesen ... " Seite 35

Freitag, 23.00 Uhr Roscoe Mltchell The lnterior Cast/e Seite 36 Composition 1 Duet for Wind and String

Samstag, 19.30 Uhr G~rard Grlsey Vottex Temporum/, II, III Seite 38

Samstag, 20.30 Uhr Daniel Rothman Cezanne's Doubt Seite 40

Samstag, 22.00 Uhr Burkhard Stangl Faible. Timbre. Teint. Seite 44

Samstag, 23.00 Uhr Lisa D. Grönland eins Seite 46 Wolfgang Mitterer Modemusik 2

Samstag, 23.30 Uhr DJ DSL Seite 48

Bemd Temes und Herbert Neldhöfer Strategie Camouflage? Seite 50 Sabine Sanlo Camouflage • die Scheinlosigkeit des Scheins Seite 64 Hans Gelßllnger Feuer im Kopf Seite 72

Biographien Seite 81

3 VORWORT

Dieses musikprotokoll versteht sich - zeichnet eine feine, von Farbwirkung wie im Vorjahr - als ein kontroversiel­ und sublimer Rhythmik geprägte les Protokoll über den Stand gegen­ „Music for a while", und Mauricio wärtiger Musik. Kagels "Orchestrion-Straat" ist die scheppernde Kunst-Verbeugung vor Kammermusik im emphatischen Sinn ausgegrenzter Musik. des Worts. überbordende Orchester­ werke, die hohe Kunst avancierten Roscoe Mitchell zählt zu den innovativ­ lmprovisierens, eine Verbeugung vor sten Saxophonisten der "post-Coltrane ausgegrenzter Musik, eine monologi­ period", besonders seine Konzentrati­ sierend reflexive Kammeroper: Die on auf wenig gespielte Holzblasinstru­ Konzerte des musikprotokoll bündeln mente und sein in-Beziehung-Setzen aktuelle Positionen der Kunstmusik im von kompositorischer und improvisa­ Grazer Congress. Großteils der Gene­ torischer Arbeit wurden einflußreich. ration der 3ojährigen gehören die Als Gründungsmitglied und Saxopho­ Komponistinnen und Komponisten an, nist des "Art Ensemble of Chicago" die Interpreten zählen durchwegs zu wurde Roscoe Mitchell weltweit den renommiertesten ihres Fachs. bekannt. Sein intensives und beson­ ders von weiten Spannnungsbögen Die getarnte Kunst, die Modeschau, getragenes improvisatorisches Spiel der Tanzabend, das Orchestrion: Dem sollte in Graz beim ersten Aufeinan­ Spiel mit Verhüllung. dem Tarnen und dertreffen Roscoe Mitchells mit Wolf­ Täuschen sind Aspekte des musikpro­ gang Mitterer und Wolfgang Reisinger toko II gewidmet. Künstlerisch wie künstlerische Qualität herausfordern, gesellschaftlich bedingt Tarnung mime­ pflegen doch Mitterer und Reisinger tische Angleichung an eine fremde ein ebenfalls •betont spannungsgela­ Sprache. Im Gegensatz zum vorjährigen denes Spiel, wenngleich mit abrupte­ Thema "Das Rauschen". das konkret rem, attackierendem Gestus. anhand mehrerer Werke erforscht wur­ de, ist das heurige Konzept der Ab Herbst 1996 ist Dennis Russen Camouflage einereits eher ein Spiel mit Davies der neue Chefdirigent des Wahrnehmungsmechanismen und Radio Symphonieorchesters Wien und andererseits beschäftigt sich dieser als ein Dirigent mit prononciertem Blickwinkel mit einem Aspekt des heu­ Interesse auch für komponierende Zeit­ rigen "steirischen herbst"-Themas, der genossen übernimmt er in diesem ,,Aneignung fremder Sprachen, um sich Herbst die Leitung des Orchesterkon­ darin (arbeitend, produzierend) ein­ zerts beim musikprotokoll. Die Urauf­ richten zu können". Von Mauricio führung eines Werks von Christian Kagels „Orchestrion-Straat" bis zur Ofenbauer steht auf dem Programm, samstägigen Modeschau von Lisa D. der mit „BruchStück 6" eine - durch mit Wolfgang Mitterers Musik gewährt seine Oper ,.Medea" und durch das im der Blickwinkel der Camouflage unge­ Vorjahr beim musikprotokoll uraufge­ wohnte Aussichten auf Kunst und führte Werk „unordentliche inseln" Musik. unterbrochene - frühere Auseinander­ setzung mit dem Gestus des zu hinter­ Das Eröffnungskonzert spiegelt - pro­ fragenden Expressiven, des nur mehr grammatisch für das Festival musik­ als Bruchstücke zugänglichen Schönen protokoll - die Divergenz aktueller fortsetzt. Dennis Russell Davies bringt Musik wieder: Mayako Kubo verarbei­ zwei Werke mit nach Graz, das Pipa­ tet bildhaft eine süßlich-traumatische, Konzert der aus Burma stammenden japanische Erfahrung; Michael Jarrell Komponistin Bun-Ching Lam sowie die

4 erste Orchesterkomposition des Ame­ hörbar machen will. Interpretiert wird rikaners Steven Mackey. dieses Werk von einer kleinen Gruppe exquisiter Musiker und Computer/ Mit den Auftritten der Ensembles Videokünstler aus den USA. "Klangforum Wien" und "ensemble recherche" am Freitag gelangen Werke Der Komponist und Gitarrist Burkhard exponierter und risikofreudiger Kam­ Stangl prägt mit einem extravaganten mermusik zur Uraufführung. Das Gitarrespiel seit Jahren das Klangbild „ensemble recherche" mit Kwame Ryan verschiedener Ensembles: im improvi­ am Dirigentenpult präsentiert die neue sierenden Trio mit Radu Malfatti und Komposition der aus Israel stammen­ Gunter Schneider beispielsweise, als den Komponistin Chaya Czernowin Mitmusiker in Gruppen von Franz Kogl­ sowie Werke der Komponisten Corne­ mann oder mit seinem eigenen Ensem­ lius Sehwehr und Yuval Shaked. Das ble „Maxixe". Für das Grazer musik­ „Klangforum Wien", wiederum geleitet protokoll entwickelt er ein neues, für von Johannes Kalitzke, bringt ein neu­ sich selbst als Musiker konzipiertes es Werk des Grazer Komponisten Klaus Programm: eine Dreiviertelstunde „gui• Lang zur Uraufführung, Georg Friedrich tars solo" mit dem Komponisten, Haas präsentiert eine Neufassung der Improvisator und Gitarristen Burkhard Komposition ., ... Einklang freier We­ Stangl. sen ... ". Der Komponist Wolfgang Mitterer erar­ Der französische Komponist Gerard beitet für das musikprotokoll als Auf­ Grisey vollendete im April dieses Jah­ tragskomposition ein „akustisches res ein weitausholendes, dreiviertel­ Bühnenbild": die Musik zu einer Mode­ stündiges Ensemblewerk mit dem Titel schau. Die Modeschöpferin Lisa D., „Vortex Temporum". In diesen Strudel deren neue Kollektion in ihrer eigenen der Zeit geraten in Griseys Kompositi­ Inszenierung präsentiert wird, spielt on schillernde, aus der französischen seit Jahren in ihren Arbeiten bewußt Schule der Spektralmusik abgeleitete mit Rollenbildern und deren Umkeh­ Klänge. Aus einem Stückbeginn von rung, mit der Kraft des Tarnens und Arpeggio-ähnlichen Obertonkaskaden Täuschens in Verhüllung und Ent­ entwickelt sich eine kompositorische blößung. Nicht zuletzt verbergen sich Befragung des klingenden Materials in Lisa D.'s künstlerischer Strategie auf seine Spannungsfähigkeit hin. Das Konzepte der Camouflage. „ensemble recherche" mit Kwame Ryan spielt in Graz die österreichische Musik und Klangarbeit mit hohem Erstaufführung dieses Werks, die erst Anspruch ist nicht auf die klassischen zweite Aufführung des Werks über• Konzert- und Bühnenrituale der Kunst­ haupt. musik beschränkt und unter diesem Aspekt sind nach den vorjährigen ,,Cezanne's Doubt" nennt der amerika­ Explorationen zum Thema „Das Rau­ nische Komponist Daniel Rothman sei­ schen" heuer Wolfgang Mitterers Musik ne Kammeroper für einen Sänger und zu Lisa D.'s Modeschau zu hören, drei Instrumentalisten. Der Zweifel Paul sowie der Auftritt von DJ DSL, der Cezannes an seiner Kunst und an sei­ Samstag Nacht Platten auflegt und mit ner Weltwahrnehmung ist in diesem seinen tanzbaren HipHop-Klanggemäl• Werk der Auslöser für ein selbstrefle­ den das musikprotokoll ausklingen las­ xiv monologisierendes Spiel: für Musik, sen wird. deren Klanglichkeit eine Vorstellung von Mehrdeutigkeit, Irritation, Zweifel Christian Scheib

5 PROGRAMMÜBERSICHT

DONNERSTAG. 10. OKTOBER

Grazer Congress

19.30 Uhr, Stefaniensaal Mayako Kubo Yasuko • Aus dem ,,Schwarzen Regen" (UA) Michael Jarrell Music for a while (ÖE) Maurlclo Kagel Orchestrion-Straat (ÖE) Klangforum Wien Dirigent: Johannes Kalitzke

21.00 Uhr, Saal Steiermark Roscoe Mitchell, woodwinds Wolfgang Mitterer, keyboards, electronics Wolfgang Reisinger, percussion

22.00 Uhr, Foyer Winfried Ritsch House of Sounds Andrea Sodomka Diaphonie #1 Jochen Traar AS\ T PROTECTS YOU Graz 1996

6 FREITAG, 11. OKTOBER SAMSTAG, 12. OKTOBER

Grazer Congress Grazer Congress

19.30 Uhr, Stefaniensaal 19.30 Uhr, Saal Steiermark Bun-Ching Lam Sudden Thunder (ÖE) Gerard Grlsey Vortex Temporum /, II, III Christian Ofenbauer Bruchstück 6 (UA) (ÖE) Ouistian Ofenbauer KLA VIERSTÜCK 1995 ensemble recherche Bun-Ching Lam Sudden Thunder (ÖE) Dirigent: Kwame Ryan Steven Mackey Eating Greens (ÖE) Radio Symphonieorchester Wien Johannes Marian, Klavier Wu Man, Pipa Dirigent: Dennis Russell Davies

21.00 Uhr, Kammermusiksaal 20.30 Uhr, Stefaniensaal Chaya Czemowin Afazim (UA) Daniel Rothman Cezanne's Doubt (UA) Comelius Sehwehr Wie bei Bogen und Rothman-Ensemble Leier (ÖE) Yuval Shaked Zeltgesonnene Musik (temp.) (UA) ensemble recherche Dirigent: Kwame Ryan

22.00 Uhr, Saal Steiermark 22.00 Uhr, Kammermusikaal Klaus Lang Cetus Candidus - Der weiße Burkhard Stangl Faible. Timbre. Teint. Wal/Die Anomalie des Wassers (UA) (UA) Georg Friedrich Haas ,, ... Einklang freier Wesen ... " (UA/Version 1996) Klangforum Wien Dirigent: Johannes Kalitzke

Orpheum 23.00 Uhr, Kammermusiksaal Roscoe Mitchell 23.00 Uhr, Großer Saal The lnterior Castle (ÖE) Lisa D. Grönland eins, Modedefilee Composition 1 (ÖE) Wolfgang Mitterer Modemusik 1 (UA) Duet for Wind and String (ÖE) The Roscoe Mitchell New Chamber 23. 30, Uhr Kleiner Saal Ensemble DJ DSL

7 Mayako Kubo Donnerstag, Yasuko - Aus dem „Schwarzen Regen" Yasuko ist ein junges Mädchen. Sie 10. Oktober träumt, bald einen netten Mann zu 19. 30 UHR. STEFAMIEMSAAL bekommen und eine schöne Hochzeit zu feiern. Schwarzer Regen ist jener Regen, den es nach dem Atombombenabwurf als Reaktion der Athmosphäre in Hiroshi­ ma geregnet hat. ,.Schwarzer Regen" ist auch der Titel eines Romans von Masji lbuse. Yasuko hat in dem Roman den Schwarzen Regen abbekommen. Der Musik „Yasuko - Aus dem Schwarz­ en Regen" liegt der Militärmarsch -qti-~ 1 i -jf?-t tjt 14:, 'z rt,..? c: "l 41 .r~Äi r,F,I VJ-'?PJ* ~f «? ~P-(1 vt 274~-- IJ ~ 1,-...l. J t Z. { t ,,J ,( '/ :1. ..CA. I 1 $ '. ,/, ,.. "t I l'J "',.t.t A .,. J.. l-m:fr rJ':\l

0m ... ff J: ; cl ► ,~ 1 ~ h- ~ Om -GL.; ~r Iit °"'p Ed pt.= '.JJ§7~ Mayako Kubo 'f) tt, ,, ;! '®~ tl' - Yasuko - Aus dem "Schwarzen Regen" • C für Kammerorchester ä 1 l 1996, UA J J ltfli4lJJ

Kompositionsauftrag des musikproto­ d) "' -~ ~ t,.c., ~ - ~ koll Cllt~Mld1c Pb~Co., lld. '~J-, ke;J P" > ~ (~, t (\\ l. (! ! ) Michael Jarrell O --z -:. 1 1 "4 Af J,,-;; 1~ r ~. t; r '? t t. s 4~' Music for a while 0 1995, ÖE r/'1. t-:.1,0,~ tnlt:-~. 6~ or• .. 7,f',. 1·

„Umi-Yukaba" (.,Wenn ich zum Meer Mauriclo Kagel gehe") zugrunde. Während des 2. Orchestrion-Straat Weltkriegs wurde das Marschlied von für Kammerensemble allen Japanern gesungen, von Kinder­ 1995/96, ÖE gartenkindern und Kamikazefliegern. Der Text stammt von einem alten Lie­ Klangforum Wien beslied aus dem 8. Jahrhundert: Dirigent: Johannes Kalitzke Ein Soldat ist wegen eines Krieges in die Provinz versetzt worden und Im Radio. Österreich 1, Zeit-Ton, schickt seiner Geliebten einen Liebes­ 23. oo Uhr, 14. 10. 1996 Oarrell), 16. 10. brief: 1996 (Kubo, Kagel) „Wenn ich zum Meer gehe, stoße ich

8 auf Leichen im Wasser. Wenn ich auf den Feldern marschiere, stoße ich auf Leichen im Gras. O du, wenn ich nur für dich sterben könnte! Für dich zu sterben täte mir nicht leid." De r Komponist des Marschliedes ver­ änderte aber das „Du" in ein „Sie", sodaß aus dem geliebten „Du" ein zu verehrender „Sie" wurde, sodaß statt ; des Liebespartners der Kaiser gemeint war. Yasuko hat das Lied gesungen, während erst der Regen und dann ihre Haare zu Boden fielen. Die Macht der Musik wird mißbraucht.

1,: 't 1-f, -i. r;) 1-10"' ;,,?' 'z...;i '111 /. 1 i 1 {, • .ftfJj- i 7 ,?,..,t-t-rf0J1~ ' i ' '1-- ;;{ .t~) %'l ~ ~ ,,,_ ';' ') (. , ) 1 d)' -,~ 1 1

Mayako Kubo

~~A C1'1r-l.t Q Komponisten zur Rechenschaft ziehen? Nein. Was würde es bringen? Nichts. Er ist tot und das Volkslied lebt.

Michael Jarrell Music for a while

„Music for a while" hat einen direkten Bezug zu einer Arie aus dem musikali­ schen Drama „Ödipus" von Henry Pur­ cell. Ein als Li ebesbrief getarnter Militär• Am Anfang war es diese Idee des Ver­ marsch wird zum Volkslied. Er sugge­ gänglichen, die mich beschäftigte, sie rierte dem Volk, für den Kaiser gerne sollte der Sinn des Stücks sein. Ich zu kämpfen und in den Tod zu gehen. wollte versuchen, eine Musik des War es dem Komponisten bewußt, Augenblicks zu schreiben, die sich wozu das Lied verwendet wurde? Ja. ständig neu erfindet, die sich ständig, War es dem Volk bewußt, daß es immer in Bezug auf das gerade Gehör• getäuscht worden war? Nein. te, erneuert. Ich fühle meine Machtlosigkeit. Die Nachdem ich das Stück bereits begon­ Komposition handelt von Machtlosig­ nen hatte, entschied ich im nachhinein, keit und der Macht der Musik. Kann ich eine Art Prolog hinzuzufügen, in wel­ durch meine kleine Komposition den chem ich eine direkte Verbindung zu

9 Mauricio Kagel Orchestrion·Straat

Inmitten der Arbeit an diesem Stück stoße ich, als wäre dies von unsicht· barer Hand geleitet, auf den Band „13 nicht geheure Geschichten" von Hans Henny Jahnn. Es ist mir kein anderer Autor als er bekannt, der zugleich Schriftsteller und Orgelbauer war. Die­ se Verbindung schien die angemesse• ne Grundlage für die Intensität zu sein, mit der Jahnn die Begegnung eines Knaben mit der Orchestrion-Musikma· schine einer Kirmes in Oslo zu beschreiben wußte. Vieles von dem, was in diesem Text plastisch sichtbar • und für einen Korn• ponisten sicher deutlich hörbar • wird habe ich, genährt durch den Hinter'. grund eigener Erlebnisse, wiederer· kann!: jener unbegreiflich perforierte Pappstreifen, in Blätter gefaltet, die an löchrige Käsescheiben erinnerten, die unentrinnbare Mischung der Töne mit den Antri ebsgeräuschen von Motor und Pneumatik, die wundersame Mimesis der Pfeifenklänge, hier eine Violinflöte nachahmend, dort ein Tubakontrabaß, da ein gekröpftes Saxophon. Und dazu noch die unnach• ahmliche Antiquiertheit des Äußeren gepaart mit einer Konstruktion von bestechender Funktionstüchtigkeit im Purcells Musik herstellen wollte. Dazu Inneren. habe ich die ersten vier Takte des Con• Als ich um ein Stück für das Festival in tinuo dieser Arie ausgeliehen, um sie Amsterdam im Juni 1996 gebeten wur• zu transformieren und daraus diesen de, war ich keineswegs überrascht, Anfang zu schreiben. daß sich meine Vorratskammer an Nach und nach wurde dieses Fragment Gedanken spontan öffnete und bild· zur Grundlage dieses Stückes. haft, in voller Länge und Pracht, ein „Music for a while" wurde für das Kompositum vieler mir bekannter Ensemble Klangforum Wien geschrie· Orchestrions vor mir stand, das keinen ben und ist Klaus Huber zu seinem 70. Wunsch offenließ. Es war in den Nie· Geburtstag gewidmet. derlanden, wo ich zum erstenmal nach meiner Abreise aus Südamerika Auto· Michael Jarrell matophone und Drehorgel wieder hör· te. Viele dieser Eindrücke blieben fest haften und warteten geduldig auf eine tönende Umsetzung. Die Straße aber, auf der mein Orchestrion spielt, ist diesmal das Konzertpodium selbst. Dies wird durch eine besondere Auf· stellung verdeutlicht: die Mitwirkenden

10 sitzen in einer Diagonale versetzt hin­ Unterhaltung - und fetter Einnahmen tereinander, die von der vorderen rech­ für die Betreiber. In Erwartung des ten zur hinterem linken Ecke der Büh• neuen Repertoires widme ich mein ne verläuft. Opus den Musikern draußen auf der Die Besetzung des Stücks berücksich• Straße. tigt durch Betonung der symmetrischen Disposition eine Charakteristik der Mauricio Kagel Modelle. Die Instrumentalfamilien wer­ den, bis auf wenige Ausnahmen, aus· schließlich paarweise eingesetzt. Dies bleibt nicht ohne Folgen für die Klangästhetik dieses Orchestrions; dagegen wurden die gängigen Musik­ sprachen gar nicht oder nur peripher eingearbeitet. Und doch wünsche ich mir Kreiskarus­ sells und automatische Orgeln als ernstzunehmende Träger ernster Musik unter freiem Himmel. Schrille, ohren­ betäubende, krachende, ratternde Musikmaschinen als akustische Spen­ der einer ungeahnten Dimension der

Mauricio Kagel

11 Donnerstag, 10. Oktober 21. 00 UHR, SAAL STEIERMARK

Wolfgang Mitterer

Wolfgang Reisinger

Mitchell-Mitterer-Reisinger Improvisations 1996, UA Auftrag des musikprotokoll

Roscoe Mitchell, woodwinds Wolfgang Mitterer, keyboards, electronics Wolfgang Reisinger, percussion

Im Radio: Österreich 1, Zeit-Ton, 23. oo Uhr, 15. 10. 1996

12 -.

t· .fc 7 -•--- , = ,;:,. • -Roscoe --- - ' - Mitehe II

13 Andrea Sodomka Diaphonie #1 Donnerstag, Klanginstallation für Radio, Printmedi­ 10. Oktober en, Internet und Realraum 2 2.00 UHR. FOYERNESTIBÜL „ Diaphonie ist die Vermischung zweier Signale, die aus verschiedenen Über• tragungskanälen stammen und eigent­ lich getrennt werden sollen: Überspre• chen beim Telephonieren oder Unter­ haltung in einem angrenzenden Zim­ mer." (Abraham A. Moles, Informationstheorie und ästhetische Wahrnehmung, Köln: DuMont, 1971)

Winfried Ritsch The House of Sounds 1992/1996/ Auftrag des musikprotokoll

Andrea Sodomka Diaphonie #1 1996, UA Auftrag des musikprotokoll

Jochen Traar ASIT PROTE ©cT&6VOU 1996 Auftrag des musikprotokoll Andrea „Der zweite Entwicklungsabschnitt der Sodomka Musik ist die polyphone Musik des Mit- Im Radio: live in Österreich 1, Ku nstra­ telalters. Gewöhnlich wird als die zuerst dio und Zeit-Ton, 22. 22 Uhr (Sodom­ erfundene vielstimmige Musik das soge- ka) und Zeit-Ton, 23. oo Uhr, 3. 12. nannte Organum oder die Diaphonie 1996 (Ritsch) angeführt, wie sie der flandrische

14 Mönch Hucbald im Anfang des 10. Jahr­ Die Produktion: hunderts zuerst beschrieben habe. Diaphonie #1 Dabei sollen zwei Stimmen in Quinten Klanginstallation für Radio, Printmedi­ oder Quarten nebeneinander herge­ en, Internet und Realraum gangen, zuweilen auch Verdoppelungen Mit: Heimo Ranzenbacher und Rupert einer oder beider in der Oktave hinzu­ Huber gefügt sein. Es gibt dies eine für uns Tontechnik: Norbert Math, Anton Reini­ unerträgliche Musik. Nach 0. Paul• hat ger, Harald Domitner es sich dabei aber nicht um eine gleich­ Sounddesign: Norbert Math zeitige Ausführung beider Stimmen Koproduzenten: ORF Kunstradio, Insti­ gehandelt, sondern um eine beantwor­ tut für Elektroakustik Hochschule für tende Wiederholung einer Melodie in Musik Wien, Institut für elektronische transponierter Lage, und Hucbald wäre Musik Hochschule für Musik Graz somit als der Erfinder dieses später in Eine Sodomka/Breindl Produktion 1996 der Fuge und Sonate so wichtig gewor­ denen Prinzips anzusehen." tlGeschichte des Klaviers. Leipzig 1868 S. 49.

(Hermann von Helmholtz, Die Lehre von den Tonempfindungen, Hildesheim, Zürich, New York: Georg Olms Verlag, 1983)

Diaphonie [gr.-lat.] die; -, •. .ien: 1. Miß• klang, Dissonanz in der altgriechischen Musik. 2. = Organum (1). Organum [gr.-lat.] das; -s, •.. gana: 1. älteste Art der Mehrstimmigkeit, Paral­ lelgänge zu den Weisen des > Gregoria­ nischen Gesanges. Diaphanie die; -, .• .ien: durchscheinen­ des Bild. Diaphanität [gr.-nlat.] die; -: Durchläs• sigkeit in Bezug auf Lichtstrahlen (Mete­ or). Diasystem [gr.; gr.-lat.] das; -s, -e: [über• geordnetes] System, in dem verschie­ dene Systeme in Abhängigkeit vonein­ ander funktionieren (Sprachw.). (Duden Fremdwörterbuch, Mannheim, wien, Zürich: Duden Verlag, 41982

Stimme #1: Radio • diaphon (Huber, Math, Sodomka) Stimme #2: Installation - diaphan Stimme #3: Printmedien • diasystemisch (Ranzenbacher) Stimme #4: Internet • diaphon/diaphan /diasystemisch

Andrea Sodomka

15 Winfried Ritsch The House of Sounds . Datennetz wandern zu lassen und die SoundLives Überlebensmöglichkeit dieser zu ergrün· Datennetz • Experiment • Installation den. Die Computerbenützer sind Beob­ 20. 11. 1992 . 12. 10. 1996 achter und Pfleger. (Enstanden im Klangatelier Algorythmics Klangobjekte befinden sich in einem und am Institut für Elektronische Musik, Datennetz und werden dort von Com­ Hochschule für Musik und darstellende putern beherbergt. Besucher (User) des Kunst in Graz) Computers können mittels des Pro­ gramms „The House of Sounds" in die­ Vorwort se Klangwelt hineinhören und sie Das Material der Kommunikation ist die dadurch auch beeinflussen. Diese Information. Kommunikati on ist der Klangobjekte altern, können sich eigen­ Austausch von Information, der im Zeit­ ständig von Computer zu Computer alter der Computernetzwerke zuneh­ bewegen, Gruppen bilden, sich ver­ mend automatisiert gehandhabt wird. mehren oder auch sterben. Die Lebens­ Damit kann es sein, daß Information grundlage sind über ein Datennetz sich zunehmend verselbständigt und zusammengeschlossene Computer, in nicht mehr vom Informationsgenerator der die Programme „The House of kontrolliert werden kann. Wird die Auto­ Sounds" installiert werden. SOUNDLI­ matisation von Entscheidungen der VES findet im Datennetz statt. Benutzer zunehmends unabhängig, kann ein System sich verselbständigen unter der Voraussetzung, daß es genü• gend lebenserhaltende Mittel zu Verfü• gung hat. Hier soll ein künstlicher Lebensbereich für Klangdaten geschaf­ fen werden, der möglichst unabhängig vom direkten Eingriff seiner Quelle sein sollte. Es ensteht eine eigene Soziolo­ gie von Klangobjekten, die vordefinier­ ten Gesetzen ausgeliefert sind. Der Mensch wird zum Rezipienten dieser Welt. Als Elemente werden Klangobjekte gewählt, die zusätzlich ein " Gedächt• nis" in Form von Attributen und Merk­ malen besitzen und im weiteren als SOUNDLIVE bezeichnet werden. (Die Klangobjekte/SOUNDLIVES sind nicht einfach digital gespeicherte Klänge, sondern jeweils eigene Programme, denen diese Attribute als Information eingeschrieben sind. Daher sind die Klangobjekte/SOUNDLIVES in der Lage, im Datennetz zu kommunizieren. Auf diesem elektronischen, automatisierten lnformationsausstausch der Klangob­ jekte/SOUNDLIVES untereinander beruht diese Arbeit.) Diese Klangobjekte/ SOUNDLIVES zusammen ergeben eine Klangwelt, die in entsprechender Form Winfried Dieses Experiment ist der Versuch, rezipiert werden kann. Die SOUNDLIVES Ritsch Klangobjekte als unabhängige als Information verselbständigen sich Datenmengen selbständig in einem und damit auch die Kommunikations-

16 wege und -strukturen. Kommunikati­ SOUNDLIVES die Eigenheiten von onsstrukturen verändern sich mit der selbständigen Wesen, die sich in ihrer Umwelt und lassen heutzutage ver­ Lebensumgebung {dem Datennetz ) schiedene Kulturen verschmelzen. bewegen können. Der Benutzer des Damit ist SOUNDLIVES der multikultu­ Programms hat nicht die Möglichkeit, in rellen Vermischung sowie Differenz die Wanderungen und "Gewohnheiten" gewidmet. der SOUNDLIVES unmittelbar einzugrei• fen. Aber der Benutzer beeinflußt durch oo 17 oo 0 L_J 0

computer □ t::::] Modem

Telefon­ Buchse

HOST Computer Internet Abbildung: Ein einfacher Host

Das System sein Verhalten, beispielsweise sein SOUNDLIVES, die auch repräsentativ für Interesse für bestimmte Klänge, deren den jeweiligen Ort der Einspeisung sein weitere Existenz. Der Benutzer kann sollen {Realkänge aus der Umgebung jeden Tag „The House of Sounds" oder Sprachelemente), befinden sich in besichtigen, um zu erkunden, welche einem Datennetz, wo sie zu überleben Klangobjekte noch vorhanden sind und versuchen. Je öfter sie angehört werden welche neu angekommen sind oder oder je öfter sie mit gleichartigen erzeugt wurden. Je mehr Host-Compu• SOUNDLIVES in Kontakt treten, desto ter mit „The House of Sounds" sich größer wird ihre Chance, ein hohes Alter dabei beteiligen, desto interessanter zu erreichen. "The House of Sounds" ist wird jedes „The House of Sounds" und ein Programm, das den Lebensbereich je verschiedener die Orte sind, desto für diese SOUNDLIVES steuert und kon­ "farbenreicher" wird es. trolliert. Für den Benutzer stellt dieses Programm ein Fenster zu diesem Die Spielregeln Lebensbereich dar. Es ist das soft­ Klänge sind in der Welt der Datennetze waremäßige Interface zur Realwelt. Es in Dateien digital aufgezeichnete Sig­ können mit der Zeit SOUNDLIVES aus nale. Diese können mit Soundeditoren verschiedenen Orten in einen Computer erstellt und bearbeitet werden. Die mit diesem Programm übersiedeln und Generationsregeln der Klänge und somit die Klangvielfalt des "The House deren Zusammenstellung inklusive der of Sounds" erweitern. Es bietet den Klangdaten in Form von Mikrokompo­ SOUNDLIVES auch die Möglichkeit, sich sitionen werden im weiteren als "Klang­ zu vermehren. Somit bekommen diese objekt" bezeichnet. Klangobjekte wer-

17 den mit Attributen (veränderliche mation. Finden SOUNDLIVES andere Daten), wie z.B. Alter, Energie usw. und SOUNDLIVES mit ähnlichen Merkmalen, Merkmalen (fixe Daten) wie etwa Name, so können sie mit ihnen eine Gruppe Ursprungsort, Charakter, usw. versehen bilden. Erreichen SOUNDLIVES oder und damit zu SOUNDLIVES gemacht. Es SOUNDLIVE-gruppen gewisse Bedin­ gibt mindestens einen Host-Computer' gungen, so gehen sie auf die Reise und in dem „The House of Sounds" instal­ suchen sich ein anderes „The House of liert wurde. Dieser Host-Computer ist Sounds" . Nach einer gewissen Zeit der Ort, wo SOUNDLIVES in das Daten­ können sich SOUNDLIVES wieder von netz ausgesetzt werden und in weite­ Gruppen abspalten. Ab einer bestimm­ rer Folge angehört werden können. ten Zeit "sucht" ein SOUNDLIVE nach Sind mehrere Host-Computer mit „The einem anderen SOUNDLIVE, der ihn House of Sounds" vorhanden, so stel­ merkmalsmäßig am besten ergänzt und len sie die potentiellen Heime für die kann sich mit ihm vermischen und SOUNDLIVES dar und sollten unterein­ dadurch einen neuen SOUNDLIVE ander vernetzt sein, damit die SOUND­ erzeugen. Erreicht ein SOUNDLIVE ein LIVES zwischen den Host-Computern bestimmtes Alter oder wird er zuwenig wandern können. (Dies bedeutet, daß gepflegt (angehört), so stirbt er und immer eine Liste der umgebenden löscht sich. Host-Computer in einem Host-Compu­ ter als Klangpfade vorhanden sein muß Die Implementierung = "Map of the known world".) Diese Nach einer Testphase in Simulation Verbindungen stellen den "Lebensbe­ wurden jetzt die ersten Implementie­ reich" der SOUNDLIVES dar und bilden rungen des „The Hause of Sounds" eine "Landkarte" mit verschiedenen vorgenommen. Hier wird nun eine mög• Wegen. liche Implementierung aufgezeigt, die Jeder Besucher (user) eines Hast-Com­ speziell für die Aufstellung an öffentli• puter kann sich nun die SOUNDLIVES chen Orten konzipiert wurde. mittels „The Hause of Sounds" Hardware anhören und feststellen, welche Sie besteht aus einem Computer, der SOUNDLIVES gerade in diesem „The für Audiodaten eingerichtet wurde House of Sounds" vorhanden sind. (Soundsystem), und einer entspre­ Dies geschieht in Form einer automati­ chenden Tonanlage. Weiters ist ein schen Komposition, die wie ein Radio Anschluß, ein Datennetz' notwendig. "endlos" die SOUNDLIVES abspielt. Der Computer wird in einem Kasten mit Zusätzlich hat der Hörer die Möglich• Monitor montiert und entsprechende keit, gezielt einzelne SOUNDLIVES Bedienelemente werden entworfen, die abzuhören und sie damit zu beeinflus­ mittels Maus gesteuert werden können sen. Mit jedem „The House of Sounds" und eine intuitive Handhabung ermög• wird eine Anzahl von SOUNDLIVES im lichen. System ausgesetzt. Diese SOUNDLIVES "The House of Sounds" liefert zwei repräsentieren dieses „ The Hause of Arten Tonsignalen: Sounds" und tragen die Nachricht von 1. Eine Komposition der Klangobjekte, der Existenz des „The House of die sich gerade im Computer befindet. Sounds" den anderen „The Hause of 2. Klangobjekte, die gezielt von den Sounds" zu. Jeder SOUNDLIVE besitzt Benutzern abgerufen werden.Das erste­ verschiedene Merkmale und Attribute, re kann in eine öffentliche Lautspre­ die ihm eigen sind. Unter anderem die cheranlage gespeist werden, das eine Art des SOUNDLIVE , sein Geburtsda­ Klanginstallation für diesen Bereich dar­ tum, wie oft er gespielt wurde und wo stellt. Gedacht ist an die Verteilung in er überall war. Werden Klangobjekte mehrere Lautsprecher, die in einem mittels „The Hause of Sounds" Raum, in einem Park, an einem Platz, angehört, übergibt das Programm den in der Eingangshalle stehen zugehörigen SOUNDLIVES diese lnfor- können.Das zweitere wird direkt über

18 Lautsprecher beim Computer abge­ von SOUNDLIVE-dateien erforscht wer­ spielt. den soll, werden in gewissen Zeitab­ Software ständen statistische Daten aller Host­ Die Implementierung der Software computer ausgewertet und veröffent• besteht aus dem Programmpaket "The licht (Internet-News der „The Hause of Hause of Sounds" , mit der durch die­ Sounds"). se Klangwelt navigiert werden kann und mit dem Kompositionspfade Winfried Ritsch beschritten werden können. Diese Soft­ ware kann an schon vorhandenen, mul­ timediafähigen Computer verwendet werden und könnte für verschiedene Plattformen zur Verfügung gestellt wer­ den. Der derzeitige Implementations­ stand ist eine Uniximplementation für Linux und SGI. Es wurde auch ein 3D­ Grafikserver progammiert, mit der die Klangobjekte in 3D-Grafik animiert dar­ gestellt werden und womit durch die Klangwelt des „The Hause of Sounds" navigiert werden kann.

Die Verbreitung Diese Software mit oder ohne Compu­ terinstallation sollte entsprechend wei­ tergegeben und angekündigt werden, sodaß möglichst viele "The Hause of Sounds" installiert werden können. Weiters könnten Institutionen oder Ein­ zelpersonen im Netzwerk sich dessen annehmen und sozusagen am Experi­ ment teilnehmen, indem sie diese Soft­ ware in ihren Computer installieren. Bedingt durch die Technik des Internets wurde das Netzwerk in Form von Ser­ ver/Clients aufgebaut. Dies bedeutet, daß es mehrere Server gibt, die jeweils als Clients „The Hause of Sounds" haben. Jeder Server kann selbständig Clients hinzufügen und die Adressen der Clients werden dann mittels der SOUNDLIVES transportiert, um somit eine dynamische Adressverwaltung zu erreichen. Wird ein neues SOUNDLIVE erzeugt oder stirbt eines, gibt es jeweils eine Message an den UrServer (iem.mhsg.ac.at) ab, damit dort alle SOUNDLIVES statistisch erfasst werden 'Ein Computer, der als Verwalter von können. Daten und Programmen eingesetzt wird, und unter einer bestimmten Com­ Experimentstatus puteradresse in einem Datennetz zu Da dies ein Experiment im Datenetz erreichen ist. darstellt, bei dem die Lebensfähigkeit • Bevorzugt wird das Internet, da es unabhängiger Datenmengen in Form von vornherein weltweit vernetzt ist.

19 Bun-Ching Lam Freitag, Sudden Thunder .. Sudden Thunder" entstand 1994. 11. Ol

Christian Ofenbauer KLAVIERSTÜCK 1995 1995, UA

Christian Ofenbauer Bruchstück VI für großes Orchester 1996, UA Kornpositionsauftrag des musikproto­ koll

Bun-Ching Lam Sudden Thunder Konzert für Pipa und Orchester 1994, ÖE

(Pause) Aufregende", sagt Bun-Ching Lam. Die Bun-Ching Steven Mackey erste Version für Pipa solo wurde zu Larn Eating Greens einer Art „gefundenes Objekt", aus dem 1995, ÖE sich das Orchesterstück entwickelte. Part 1: Religion, Food, Art Eine Miniatur wurde zum Kern eines Bil­ 1. (lethargical) Reformation des auf großformatiger Leinwand. 2 . Waffling (sie) Die Pipa, gewissermaßen der Gegen­ 3. Whim and Rigor (homage to stand dieses Gemäldes, ist eine vier­ Henri Matisse) saitige, chinesische Laute mit chroma­ Part II: Loose Ends tisch plazierten Bünden. Der Name des 4. The Title ls Almost As Long Instruments leitet sich von einer As The Piece ltself Beschreibung seiner Spielweise her: 5. Ouija (wee-gee) Baby „pi" für abwärtsgerichteten, .,pa" für Part III: Five Chords den aufwärtsgerichteten Schlag . .,Ich 6. Bread and Wine selbst bin mit der Pipa aufgewachsen", 7. Drunk Monk sagt die Komponistin Bun-Ching Larn, ,.dieses Instrument erweckt starke Asso­ Radio Symphonieorchester Wien ziationen in mir. Der Vorläufer dieses Johannes Marian, Klavier Instruments in der Tang Dynastie hieß Wu Man, Pipa ,.hu lei" und das heißt übersetzt „plötz­ Dirigent: Dennis Russell Davies licher Donner". Auch liebte ich es, die Bilder der alten Höhlengemälde aus Dun-Huang an der Seidenstraße anzu­ Im Radio: live in Radio Steiermark; und schauen. Da sind fliegende Musiker in Österreich 1, Zeit-Ton, 23. oo Uhr, 17. abgebildet, jeder hält diese Laute. Und 10. 1996 beim Besuch chinesischer Tempel fand

20 ich vier riesige Statuen, grimmige Figu­ Könnte man das Orchesterstück als ren, die die Himmelskönige darstellen. ,Bearbeitung' oder ,Orchestrierung' des Einer von ihnen hält die Laute und ist Klavierstücks bezeichnen? vermutlich der König des Donners." Aber nicht alle Assoziationen Bun-Ching Nein, das nicht. Ihre Herkunft ist Lams kommen aus Erinnerungen an ihre dieselbe, im übrigen sind sie von­ Kindheit: ,,Es gibt ein Gedicht aus den einander unabhängig. Sie bilden 3oer Jahren des chinesischen Dichters ein Paar, ,zweieiige Zwillinge'. Sie Lu Xun mit der schönen Zeile: 'höre den haben etwas miteinander zu tun, plötzlichen Donner wenn alles still ist'." aber nicht explizit. In der Werkliste Über einen möglichen Widerspruch zwi­ werden sie deshalb auch unter ver­ schen ihrer chinesischen Herkunft und schiedenen Nummern geführt. ihrer westlichen Ausbildung meint Bun­ Ching Lam: ,,Ich empfinde da keinen Sie müssen also nicht unbedingt Widerspruch. China und der Westen tra­ gemeinsam gespielt werden? fen sich vor langer Zeit. Und insbeson­ ders in New York ist so viel verfügbar aus so vielen Kulturen und dann noch Nein, und wenn, ist die Reihenfol• die Pop- und die Jazzwelt. Da geht es ge nicht festgelegt. nicht mehr um Synthese. Es geht um die Verfügbarkeit. Selbstverständlich Es gibt ja mehrere solcher ,Paare' unter kommen meine chinesischen Sensibi­ Ihren Arbeiten. litäten immer wieder durch. Aber John Cage war beispielsweise viel chinesi­ Ja, aber die Art, wie sie zusammen­ scher als eine Menge Chinesen. 1 just gehören, ist nicht immer dieselbe. want to be myself." BruchStück V und Der Engel ist geschlachtet sind zwei Ensemble• Bun-Ching Lam Stücke, das eine mit, das andere ohne Gesang, ansonst aber in glei­ cher Besetzung. Jedes Stück kann für sich allein gespielt werden. Wenn man beide aufführt, kann Christian Ofenbauer jedes als Vor- oder Nachspiel des KLAVIERSTÜCK 1995 und BruchStück VI anderen fungieren; nur muß eine Ein fingiertes Gespräch: Zäsur zwischen den beiden sein.

Von Regina Busch Es würde jetzt zu weit führen, zu fragen, warum.

Ein Klavierstück und ein Orchesterstück Ja. im selben Konzert unmittelbar hinter­ einander: man wird annehmen können, damit habe es eine besondere Und auch, was Sie mit diesen Paaren Bewandtnis. Was haben die beiden verfolgen. Denn eine kompositorische Stücke miteinander zu tun? Unternehmung ist es ja wohl?

Sie sind - so steht es auch in bei­ Ja, könnte man sagen. Das nächste den Partituren - ,,Schattenstudien Paar werden zwei Orchesterstücke im pianissimo". Das Orchesterstück sein, für den Hessischen Rundfunk. ist unmittelbar nach dem Klavier­ Das eine sehr lang, das andere stück entstanden, und es geht vom ganz kurz. selben Material aus. Und Ihr Klavierkonzert? Bildet es mit

21 Ausgewählt von Christian Ofenbauer zu seinen Kompositionen KLAVIER STÜCK 1995 und BruchStück VI

22

dem später komponierten BruchStück beifahrt. III auch schon ein Paar? Die Besetzung ist zwar sehr verschieden, aber in bei• Dann könnte man vielleicht doch, wie den ist das Klavier der Hauptakteur. Sie oben, von zwei Varianten, Ausarbeitun· stellen frei, die beiden Teile zusammen gen desselben Themas sprechen? oder jeden für sich aufzuführen · d.h. das Klavierkonzert selbst darf nach wie ,Varianten' sicher nicht; auch ,Fas­ vor so abrupt abbrechen wie immer sungen' ist falsch; Darstellung, Rea­ lisierung, Bearbeitung vielleicht - Der Titel lautet „Odysseus aber muß das denn mit einem Ter­ Abbruch / Sirenen . Klavierkonzert minus belegt werden? (1989)" . Viel/eicht nicht mit solchen Begriffen, aber w e n n man sie gemeinsam auf· aber immerhin thematisieren und führt, liegt die Reihenfolge fest. Bruch• behandeln Sie in Ihren Stücken gerade Stück III • Odysseusfragment ist die das: wie sich zwei Ausführungen einer Coda. Sache zueinander verhalten, wenn man sie einander als Paar gegenüberstellt. Die beiden sind kein Paar. Die Coda nimmt Fragen des Klavierkonzerts Ich versuche eine Antwort auf die· Christian noch einmal auf, vor allem die Kon• se Frage, wenn Sie so wollen, aber Ofenbauer stellation Odysseus • Sirenen · Vor• niemals diese Art von Festlegun­ gen. Die Summe aller Antworten wäre die Antwort.

Auf den ersten Blick, so könnte man denken, habe man es mit dem post· modernen Begriff von Lektüre zu tun.

Eine Partitur i s t ein Text; jede Lesung der Partitur ist L e k t ü r e .

Jede Lesung einer Partitur: meinetwe­ gen, ja. Aber auch jede Herstellung einer Partitur, also jede Komposition?

.,- -- !"

Wenn man das Verhältnis von Klavier­ stück 1995 und zugehörigem Orche· sterstück beschreiben wollte:

Vielleicht Transformation? Bei ,Transformation' kann z.B. die Grundstruktur verlorengehen, der Charakter natürlich auch.

Das Klavier spielt im Orchesterstück weiterhin mit, a u c h mit, aber nicht alles aus dem Klavierstück wJJrde ins Orchester-Klavier übernommen. Im

24 Orchesterstück geht es nicht mehr ums vor dem Klavierstück, knapp ein Klavier - Jahr vor dem Orchesterstück geschrieben. Der Grund? Eine Art Kein Klavierkonzert. Auch das Kla­ Selbstverständigung; in diesem vierstück selbst ist nicht pianistisch. Sinn vielleicht auch eine Einübung in die Thematik der beiden Kom­ positionen, die da aber noch nicht Das Instrument hat nichts Idiomatisches geplant waren. zu spielen?

Sie versuchen da, wie Sie sagen, eine Nicht einmal "mit Ironie" (wie noch Lektüre der notations, und Sie sprechen im Klavierkonzert), keine An­ von Selbstlektüre des Komponisten. führungszeichen, keine verdeckte oder offene Anspielung ans ,19.Jahr­ hundert'. Ja, .•• oder Selbstkommentar.

- und das Klavierstück ist nicht der Kla­ Im selben Heft schreibt ein anderer vierauszug des Orchesterstücks. Autor über die notations, sie seien zunächst - ich paraphrasiere: aus dem Werkverzeichnis getilgt gewesen, dann Es ging mir nicht um ,Schwarz­ der Vergessenheit entrissen, um den Weiß' gegen ,Farbe'. Als ich am Kla­ Rohstoff einer Adaption für großes vierstück arbeitete, habe ich über• Orchester abzugeben. Boulez habe den haupt nicht daran gedacht, ein Stücken eine gewisse Geneigtheit Orchesterstück daraus zu machen. bewahrt ... man begegne ihren Spuren Das Klavierstück ist nicht der Roh­ in den späteren Werken. Zitat: ,,Und so stoff, kein Klavierauszug von etwas, beugte sich Boulez denn, nun seiner das mal ein Orchesterstück sein mittlerweile erworbenen Meisterschaft würde. sicher, schließlich noch ein weiteres Mal über diese Jugenderinnerung, trug aber Also: ein Paar, zwei Seiten einer Sache; jetzt genau den stilistischen und tech­ zwei Ausarbeitungen desselben The­ nischen Zweideutigkeiten Rechnung, zu mas. Wenn überhaupt, Varianten' dann deren Auflösung ihn seine seitherige , Varianten' von etwas, das als Thema Entwicklung geführt hatte. '0 niemals formuliert wird. Erscheint so etwas wie ein Thema überhaupt irgend­ Ich weiß nicht, wie das ist, wenn wann? der große Boulez sich beugt •..•. Ich denke, es ist mehr als Rettung. Die Ich habe mich darum bemüht, das Klavier-notations haben sich durch nicht geschehen zu lassen. die Instrumentation nicht erledigt. „Das recycling eines Jugendwerkes Vor einiger Zeit ist in der Reihe Musik­ ist wohl nicht als Aufgabe von Konzepte ein Heft über Boulez erschie­ kompositorischem Anspruch ge­ nen; darin steht ein Aufsatz von Ihnen meint." Das war ebenfalls ein Zitat. über die notations'. Soweit ich weiß, - Anstelle des Entweder-Oder tritt schreiben Sie nicht nur ungern Pro­ das Paar. Beide Versionen beste­ grammheft-Texte über ihre eigenen Wer­ hen nebeneinander. ke, sondern normalerweise auch keine begleitenden ,theoretischen' Texte zu Das Verhältnis von KLAVIERSTÜCK 1995 ihren Kompositionen. Gab es diesmal und BruchStück VI wird also anders einen besonderen Grund? sein als das von Klavier- und Orchester­ notations. Vielleicht eine ,Selbstlektü• Den Aufsatz habe ich unmittelbar re', aber keine Bearbeitung eines älte-

25 ren Stücks. Sie sind unmittelbar hinter­ zu Bewegungen, die man vielleicht einander entstanden, sozusagen im sel­ gar nicht machen will. - fremde ben Atemzug, im Kompositionsprozeß. Gebilde hineinzulassen als kompo­ sitorisches Material ist eine spezi­ Ich weiß nicht, wie Boulez es mit elle Art der Lektüre. Das Fremde ist den notations gemacht hat, ich sozusagen eine Brille, durch die habe nur eine Vorstellung davon. man anders und anderes sieht; ein Die Klavier-notations sind wie das optisches Gerät, das den Lesepro­ Knochengerüst des Orchester­ zeß umlenkt. stücks; man kann im Orchester­ stück das Gerüst durchhören, aber Nicht immer waren es Klavierstücke, die nicht umgekehrt. Sie bearbeitet haben. Aber so weit ich weiß haben Sie immer ins Orchester Das KLAVIERSTÜCK 1995 kann man im hinein (um)formuliert. BruchStück nicht durchhören? Diesmal nicht. Die Modelle, mit Man wird hören - hoffe ich -, d a ß denen ich im Klavierstück gearbei­ die beiden Stücke zusammen­ tet habe, stammen aus dem Kla­ gehören, aber nicht das eine als vierkatalog I (1984), aus einem der Gerüst des anderen. Das Orche­ 16 Teile. Ich habe sie zerschnitten, sterstück ist natürlich länger, viel­ ,fragmentiert'. Manches ist erhalten leicht auch ausführlicher. Aber das geblieben, nicht alles, aber man ist unerheblich. Sie sind wie zwei kann es noch erkennen. Insofern ist Gegenstände mit etwa gleichem das BruchStück VI eine Ab-Arbei­ Rauminhalt, aber anderer Form. tung durch Bearbeitung.

Sie haben ja auch schon Werke anderer „Bearbeitung" wollten wir ja eigentlich Komponisten bearbeitet. Berg, Schütz, nicht sagen. Das Klavierstück ist nicht Mozart ... der Rohstoff, hatten wir gemeint, ist kein Klavierauszug des Orchesterstücks. Und nichts Pianistisches, kein ,19.Jahr­ Das ist was anderes. hundert' -

Einem vorhandenen - eigenen oder Die Geschichte des Klaviers drängt fremden - Stück Material zu entnehmen sich mir bereits auf beim Anblick ist was anderes, als die Sache, um die dieses schwarzen Kastens. es sich handeln soll, mehrmals zu for­ mulieren. Es sind damit auch andere Techniken, andere Absichten verbun­ - keine Auseinandersetzung mit dem den. Klavier als Institution. Nichts Idiomati­ sches, kein Klavierkonzert. Früher habe ich aufs ,Anekdotische' gesetzt, d.h. darauf, daß aus den Während der Komposition des Kla­ fremden Stücken etwas mit ins vierstücks habe ich mir gelegentlich eigene hineingezogen wird. Inzwi­ andere als die tatsächlichen Kla­ schen weiß ich, daß das nicht geht. vierklänge vorgestellt: Celesta, oder Musik hat es schwerer als Worte: Xylophon z.B. was man sich mit ihnen einhandelt, was sie mit sich bringen, ist ziem­ Celesta ist nun allerdings noch ein lich klar; von außen kommende Tasteninstrument, hat eine Klaviatur Musik dagegen kann die Bewe­ und wie das Xylophon festgelegte Töne. gungsfreiheit viel mehr einschrän• Sie können keine Glissandi machen, nur ken, bzw. das Hineingeholte nötigt schnelle Läufe.

26 Das macht ja nichts. einen Solisten gibt, d.h. in dem das Verhältnis von Solist und Orchester, Das Klavier wird in beiden Stücken nur von Einzelnem und Masse abge­ auf den Tasten gespielt. Auch in der handelt wird. Orchester-Version spielt es nicht geräuschvoller; die Geräusche werden Wie ist das im Klavierkonzert? von anderen Instrumenten gemacht. Kommen Zwischentöne im Klavierstück Ja. Es geht wie gesagt um ,Odys­ vor? seus, Sirenen, Vorbeifahrt'; das ist die Grundkonstellation. Sie selbst Das ganze Stück, der Klang, wenn haben einmal behauptet, es sei Sie so wollen, ist grundiert von Ihnen nicht möglich, Klavier bzw. sostenuto-Tönen. Durch den Einsatz Orchester eindeutig ,Odysseus' des una corda-Pedals, so glaube bzw. den ,Sirenen' zuzuordnen .... ich, kommen die fixierten Tonhöhen Travestie ist doch immerhin eine der Tasten in Gefahr. Im Orchester­ Möglichkeit, mit der Auflösung der stück werden die sostenuto-Töne Konstellation Solist - Orchester zu von anderen Instrumenten über• beginnen ... ? nommen, und haben zusammen mit den ,Schatten' eine ähnliche Aber das Problem Klavier-Orchester ist oder stärkere Wirkung auf die Kla­ nach wie vor da. Glauben Sie - nach­ vier- und sonstigen fixen Töne der dem unsere kompositorische Erfahrung, schwarzen und weißen Tasten. Das ebenso wie die des Hörens, von der Klavier im Orchesterstück hat fast Existenz von Geräuschen, von der Erfah­ immer ,Schatten'. Schattenstudie rung mit Geräuschen geprägt wurde halt. und profitiert hat: Glauben Sie, daß es noch möglich ist, Musik zu schreiben, Schatten? die reduziert ist auf die schwarzen und weißen Tasten des Klaviers? Um die - wie Sie es nennen - fixen Töne herum liegen weitere gering­ Natürlich. Das wird doch dauernd fügig niedrigere und höhere, in ver­ gemacht. schiedenen Instrumenten, Klangfar­ ben, Artikulationsarten, Lautstär• Anders gefragt: Läßt sich das, wozu Sie ken. Jeder Ton hat gewissermaßen das ganze Orchester brauchen, auch mit einen ,Hor. dem Klavier sagen?

Geht es denn überhaupt um die Nein, niemals - das behaupte ich Gegenüberstellung distinkter und ande­ nicht. Nicht mit KLAVIERSTÜCK rer, z.B. geräuschhafterer Töne, und 1995 & BruchStück VI, und niemals deren Verhältnis zueinander? Und han­ mit Worten, Taten und sogenann­ deln Sie diesen Widerspruch stellver­ ten Werken. Ich war an einer Kon­ tretend zwischen Klavier und Orchester stellation interessiert, die die Auf­ ab? lösung der fixierten Oktavteilung ,ausstellen' kann. Das Klavier als Nein, nicht einmal im Klavierkon­ Instrument gerät durch die Viertel­ zert. ,Widerspruch' ist falsch. Ich töne des Orchesters in Gefahr; behandle Töne und Geräusche nicht zumindest würde ich mir wünschen, als prinzipielle Gegner. Es findet daß die Begegnung risikoreich ver­ kein Kampf statt, keiner soll gewin­ läuft. nen. Ich kann und will kein Klavier­ konzert mehr schreiben, in dem es Dann haben Sie es nicht auf die nivel-

27 lierende, neutralisierende Behandlung tragen, manchmal Kombinationen des Klavierklangs abgesehen? mit Klavier, aber nicht immer. Der Klavierklang wird sozusagen über• Wozu sich an der Nivellierung abar­ setzt. Ich habe in der Partitur- übri• beiten? Dann wäre der ökono• gens zum ersten Mal - Haupt- und mischste Weg, das Klavier über• Nebenstimmenzeichen verwendet, haupt wegzulassen. Nein, ohne Kla­ weil die Instrumentation über vier geht es nicht. Haupt- und Nebensachen keine Auskunft mehr gibt.

Michael Kopfermann vom PHREN­ Ensemble meint dazu, sie - PHREN - Keine Maskierung des Klaviers, nicht könnten es noch nicht m i t Klavier. einmal mit sich selbst? Noch nicht wieder, müßte man sagen. Ich weiß nicht, ob die PHREN-Musiker Keine Anführungszeichen, keine schon konkrete Vorstellungen haben. Zitate, nichts Anekdotisches. Ich glaube, sie sind noch mit den ande­ ren Instrumenten, Stimmen, Geräuschen Sie wollten nichts mit Camouflage zu beschäftigt. tun haben, haben Sie gesagt?

Das Klavier funktioniert ja auch Oh doch, aber dieses Stück ist kei­ vollkommen anders. Zwar ist es ne. möglich, Geräusche i m Klavier zu erzeugen - allerdings sind das Pro­ zeduren, die wegen der derzeitigen Bauweise des Klaviers nur in Zeit­ lupe machbar sind. Jeder einzelne geräuschhafte Klang ist vom ande­ ren isoliert; man kann sie reihen, aber nur schwer zu einem komple­ xen Gebilde zusammenführen. Dadurch bekommen alle Klänge, die i m Klavier erzeugt werden, etwas umständlich-Pathetisches. Ich habe versucht, Klavier und Orchester einschließlich ihrer jewei­ ligen Geschichte als Folie zu neh­ men, auf der ich die aus ihrer Kon­ stellation je erwachsenden Proble­ me diskutieren kann.

D.h. es macht für Sie gerade deshalb keinen Sinn, das Klavier wegzulassen. Es braucht nicht versteckt oder kaschiert zu werden. Sie können, Sie müssen es nehmen wie es ist? 1 Vom Faltenlegen. Versuch einer Lek­ Ja. Keine Vorsichtsmaßnahmen. Im türe von Pierre Boulez' notation(s) BruchStück VI spielt das Klavier 1(1), Musik-Konzepte 89/90, hg. von auch, aber nur unter anderem, soli­ Heinz-Klaus Metzger und Rainer stisch. Meistens ist die Musik aus Riehn, München 1995, S.55-75. dem Klavierstück anderen Instru­ 2 Robert Piencikowski, Zum Klavier­ menten und -kombinationen über- werk, a.a.O. S.47f.

28 Steven Mackey sofort, aber ich erinnere mich, mich zu Eating Greens fragen, darf ich das eigentlich mögen? Zu sehen ist eine drei Generationen Eating Greens umfassende afro-amerikanische Fami­ Part 1: Religion, Food, Art lie, die zum Essen bei Tisch sitzen. Es 1. (lethargical) Reformation gibt einen ri esigen Herd in diesem 2. Waffling (sie) Zimmer, ein paar Regale, und ei ne 3. Whim and Rigor (homage to Henri Tapete mit riesigen Erdbeeren darauf. Matisse) Auf jedem Teller ein wenig Gemüse Part II: Loose Ends und etwas, das ein Stück Brot sein 4. The Title ls Almost As Long As The könnte. Der Tisch ist sorgfältig mit Piece ltself Silberbesteck gedeckt, aber alle 5. Ouija (wee-gee) Baby essen mit ihren Fingern. Die Farben Part III: Five Chords sind schamlos grell, Crayola Farben. 6. Bread and Wine Die Perspektive spielt verrückt in vie­ 7. Drunk Monk ler Hinsicht, in verschiedenen Teilen des Bildes: ,.Kandinsky without the angst". Meine Beschreibung klingt Ein Bekenntnis: Nach dem ersten Tele­ nach Stückwerk, aber irgendwie hat Steven fonat bezüglich der Uraufführung von das Bild eine se hr ei gene, geschlos- Mackey „Eating Greens" wich die anfängliche Begeisterung bald einer paranoiden Nie­ dergeschlagenheit: Warum hatte ich nicht ein Stück wie „X" oder ein Stück wie „Y" geschrieben, wobei X und Y für die Meisterwerke der europäischen Avantgarde stehen, jene Monolithe des 20. Jahrhunderts, die ich studiert und analysiert hatte. Die selbstgemachte Kri­ se begann wieder zu schwinden, als ich bemerkte, daß es nicht notwendiger­ weise schlecht ist, daß mir kein Genre einfiel, in das mein Stück passen könn• te. Und daß es außerdem nicht schlecht ist, daß mein Stück eine individuelle Sensibilität auf eine Weise reflektiert, die meine Lehrer und musikalischen Ahnen nicht zur Gänze goutiert hätten. Selbstverständlich ist das alles ein Pro­ blem psychologischer Projektionen: Ich mag „Eating Greens", aber ich bin mir nicht sicher, ob ich es mögen darf. Auf jeden Fall schaffte ich es, trotz des irgendwie einschüchternden Anlasses, einer Uraufführung durch das Chicago Symphony Orchestra, mir treu zu blei­ ben. Den Titel habe ich von einem Gemälde, das ich in New Orleans im French Quar­ ter in einem afrikanischen Kunstladen gekauft habe. Das war mein erster ech­ ter Kunstkauf. Als ich einen Stapel Bil­ der von Ma rgaret Leonard durchsah, fiel mir „Eating Greens" auf. Ich mochte es

29 sene Persönlichkeit und erzählt auf mich während der letzten Jahre. Es berührende Art und Weise von Reli­ gruselt mich richtiggehend, wenn ich gion, Essen und Kunst. ihn durch eine seiner Skalen stolpern Einige Monate später besuchte ich höre auf eine Weise, die in den Hän• eine Matisse-Ausstellung im MOMA in den jedes anderen nach einer bloß New York. Ich kannte seine Bilder ausgeführten, rhetorischen Figur klin· von Abbildungen und bewunderte gen würde. In Monks Händen ist es immer schon die Verbindung von kla­ gerade das Stolpern, um das es geht, ren, formalen Prinzipien und spieleri­ nicht die Skala. Es ist eine berühren• schem Gestus, aber die Originale de und komplexe Ironie darin, wenn

Dennis waren dennoch wie eine Erleuchtung. Russell man ein sentimentales Legato hört, Von ganz nah kann man die Bleistift­ Davies klanglich ins Leben gerufen durch linien sehen, die bei seinen ausge­ Monks verqueren, von den Daumen schnittenen Stücken die Formen vor­ dominierten Stil. Die Ballade wird zu geben. Matisse verfehlt seine Blei­ einer irritierenden Wirklichkeit, nicht stiftlinien ständig. Und ich stellte mir zu einer ausgeführten, künstlerischen, Matisse vor, als erwachsenen Mann, metaphorischen Form abstrakten Aus­ in seinem Studio vor dieser riesigen drucks. Papierkonstruktion. Trotz der kultu­ Würde ich eine Party geben zu Ehren rellen Differenz zwischen Margaret jener Leute, die, so hoffe ich, etwas Leonard und Hen ri Matisse empfand von sich in „Eating Greens" ent­ ich geistige Gemeinsamkeiten zwi­ decken könnten, würde ich einladen: schen dem Werk beider. Ich würde Margaret Leonard, Henri Matisse, ihre Kunst als zutiefst spielerisch Thelonius Monk, sowie Charles lves, beschreiben . Ell iot Carter, Lou Harrison, Ruth Cra· A propos „zutiefst spielerisch": The­ wford-Seeger, Harry Partch, Conlon lonius Monk war eine Inspiration für Nancarrow und noch andere, die zu

30 jenen amerikanischen Persönlichkei• Und was als nächstes? Das Stück ent­ ten zählen, die ich „crackpot Erfin­ gleist derart, daß es eine gewollte der" nenne, also jene Amerikaner, die Störung der Konzertetikette geben Musik schrieben zwischen rohem Indi­ muß, um zurückzufinden. Auftritt vidualismus und einer gesunden Pizzadienst: Das war die beste Mög• Geringschätzung des „europäisches• lichkeit, den Bassisten vom Herum­ Meisterwerk-Syndroms". brüten abzubringen und ihn zurück Ich hoffe, das Vorangegangene eröff• ins Geschehen zu bringen. net einen Raum der Sensibilität für .,Stimmte irgendetwas mit der Into­ ,.Eating Greens". Aber für den Fall, nation nicht im Part II: Loose End? daß es nach der Aufführung des Die Oboe und die Solo-Violine im Stücks keinen Empfang gibt, auf dem vierten Satz, sowie die Flöte im sie mich um Details fragen könnte, ersten Satz sind umgestimmt. nehme ich ein paar der potentiellen „Eating Greens" entstand als Auftrag Fragen und ihre Antworten vorweg. des Chicago Symphony Orchestra und ,.Was soll das mit all den Titeln?" dauert ungefähr 18 Minuten. Zuerst sollte ich erklären, daß für mich Titel nicht Beschreibung oder Steven Mackey Analyse eines Stücks sein sollen, son­ dern eher ein Teil des Stücks sind. Der Klang der Worte, die halbheimli­ chen Bedeutungen, sogar das Ausse­ hen der Worte sollte Teil der Erfah­ rung dieses Stücks sein. Sie schlagen eine Einstellung vor, eine Haltung. So wie ich das verstehe, entsteht die Musik, sobald die akustischen Signa­ le, die ich erfand, in Ihrem Körper/Geist prozessiert werden. Die Titel sind ohne Konsequenz und haben persönliche Hintergründe, aber keine geheime Geschichte. Das Stück ist keine Porgrammmusik ...... und der Pizzadienst in Waffling (sie)"? Dieser Satz ist eine wilde, dionysi­ sche Tollerei. Seine Haltung erinnert mich ein wenig an ein ein wenig zu überschwengliches Beethoven-Scher­ zo. Das ganze landet in einer einmal zu häufigen Wiederholung des The­ mas. Es gibt eine plötzliche Selbst­ Bewußtwerdung und das Thema wird abgeschnitten, von der Bühne gejagt durch einen Vaudeville-Scherz. Betrachtet man im Satz Waffling (sie), auf welche kasperlhafte Weise die Musik von der eröffnenden Fanfare über das cartoonhafte Arrangement von „Here We Go Wassailing" zum Kontrabaßsolo keine drei Minuten später kommt, so würde ich sagen, der Pizzadienst, sobald er auftritt, ist eine plausible Antwort auf die Frage:

31 Chaya Czernowin Freitag, Afazim ,.Afazim" (hebräisch) bedeutet Wuche­ 11. Oktober rungen, Geschwür. Das Wörterbuch 21.00 UHR, KAMMERMUSIKSAAL erklärt zu „afazim": ,.eine Schwellung oder Wucherung auf Pflanzengewebe, ausgelöst von Parasitenbefall. Erkenn­ bar an charakteristischen Farben und Formen und in manchen Fällen eine wichtige Quelle für Tannin. Beispiel: Alpogall: Ein harter, spröder, kugelför• miger Körper, etwa nußgroß; entsteht auf Eichenästen durch die Gallwespe". Auf der Suche nach Alternativen zur linear-dramatischen Zeiterfahrung schlägt dieses Stück einen Weg ein und eine Erfahrung vor, die man sich vor­ stellen kann wie eine durcheinanderge­ würfelte Menge von „Afazims", die ursprünglich linear gewachsen waren. In diesem Musikstück sind nur mehr die „Afazims" präsent. Die Zweige, auf denen sie in zeitlich linearer Folge einst erschienen, existieren nur mehr in der Vorstellung. Chaya Czernowin Chaya Czernowin Chaya Czernowin Afazim 1996, UA Kompositionsauftrag des musikproto­ Cornelius Sehwehr koll Wie bei Bogen und Leier

Cornelius Sehwehr Der Titel des Stückes ist das Fragment Cornelius Wie bei Bogen und Leier eines Fragments von Heraklit. ,.Voll- Sehwehr für Flöte, Oboe und Klarinette 1996, ÖE

YuvalShaked Zeitgesonnene Musik (temp.) Oktett für Flöte, Oboe, Klarinette, Schlagzeug, Klavier, Violine, Bratsche und Violoncello 1995/96, UA Kompositionsauftrag des ensemble recherche

ensemble recherche Dirigent: Kwame Ryan

Im Radio: Österreich 1, Zeit-Ton , 23. oo Uhr, 4. 12. 1996

32 ständig" fragmentarisch sollte es heißen: ,,Wie das Unstimmige mit sich zusammenstimmt. Des Wider-Spännsti• gen Fügung. Wie bei Bogen und Leier." Und so wie der Titel des Stücks durch die neuerliche Fragmentierung zurück und über sich hinausweist (das Andere also mitbedeutet aber auch mit ihm zusammen nur Fragment bleibt), voll­ führt die Musik ihre Bewegungen in Grenzbereichen: Klangfarbe-Tonhöhe, Ton-Geräusch, Metrum-Rhythmus. Da wo für das sehr bestechliche menschli­ che Ohr (und nicht etwa für scheinbar unbestechliche Apparaturen) z. B. nicht mehr zu entscheiden ist, ob eine mini­ male Änderung der Tonhöhe nicht viel­ leicht doch nur eine der Klangfarbe war und umgekehrt, finden für die Wahr­ nehmung unkontrollierbar und fort­ während qualitative Sprünge statt. Diese jedoch haben die Eigenart, immer das jeweils Andere bei sich und zur Bedingung zu haben. Die Klangfarbe meint die Tonhöhe, der Ton das Geräusch, das Metrum den Rhythmus (und jeweils umgekehrt). miteinander verknüpft. (Den Begriff der Yuval Shaked „Das Wesen der Dinge versteckt sich Wohltätigkeit versteht wohl derjenige, gern" heißt es anderer Stelle - auch bei der wohltätig ist.) Heraklit. - Hermeneutik drückt eine gewisse kri­ tische Einstellung gegenüber ihrem Cornelius Sehwehr Gegenstand aus, da dieser gegenwärtig nicht ausreichend zu befriedigen ver­ mag. Jede Interpretation gleicht einer Yuval Shaked Art Unglauben an den Autor. Zeitgesonnene Musik (temp.) Meine Musik stellt die Interpreten vor Meine dauerhafte Beschäftigung mit Aufgaben und möchte - durch die krea­ Fragen der Hermeneutik führte nun tive Auflösung dieser Aufgaben durch auch zur Entstehung der Komposition die Interpreten - sich dem Gehör in „Zeitgesonnene Musik (temp.}". Werke ihren vier Dimensionen darstellen (in und deren Auslegung (,,wörtliche" einer Paraphrase des im Kabbalah-Buch Bedeutung - 'Pschat' auf Hebräisch - des „Sohar" Geschriebenen): Gewand einerseits, sowie homiletische, ausdeu­ und Körper und Seele, und Seele der tende Auslegung -'Drasch' - anderer­ Seele. seits) zeichnen ein dialektisches Span­ Das Oktett „Zeitgesonnene Musik nungsfeld und wirken darin zusammen (temp.)" (für Flöte, Oboe, Klarinette, und aufeinander ein. Schlagzeug, Klavier, Violine, Viola und Cello) wurde in den Jahren 1995/96 - Claude Levi-Strauss stellte einst fest, komponiert. Ich stelle es enthusiastisch daß es Werke gibt, die 'un-interpretiert' meinen Freunden, den Musikern des wir nicht imstande sind, wahrzunehmen. ensemble recherche, anheim. - 'Drasch' (also ausdeutende Auslegung) und Handeln werden durch Verstehen Yuval Shaked

33 Klaus Lang Cetus Candidus - Der weiße Wa(/ Freitag, Die Anomalie des Wassers 11. Ol

... es war ja nicht einmal ein Geschehen, sondern obgleich es geschah, ein Zustand. (Robert Musil)

Ich sehe ihn noch vor mir, den blassen Hilfslehrer • fadenscheinig an Rock und Geist, an Leib und Seele. Immer war er geschäftig, seine alten Wörterbücher und Grammatiken abzustauben, mit einem sonderbaren Taschentuch, das wie zum Hohn mit den bunten Flaggen aller Herren Länder geschmückt war. Er liebte diese Beschäftigung; irgendwie Georg mahnte sie ihn sanft an seine eigene Friedrich Vergänglichkeit. Haas (Hermann Melville)

Klaus Lang Cetus Candidus - Der weiße Wa(/ Die Anomalie des Wassers Trauermusik für Kammerensemble Ich denke, Musik sollte keine Geschich­ (Beringmeer - Ob-Busen - Rossmeer - ten erzählen. Andamanensee - Weißes Meer - Melvil­ (kl) lebucht - Hebridensee) 1996, UA Kompositionsauftrag des musikproto­ koll Klaus Lang

Georg Friedrich Haas ..... Einklang freier Wesen ... " für 10 Instrumente 1994/95, UA der Neufassung 1996)

Klangforum Wien Dirigent: Johannes Kalitzke

Im Radio: Österreich 1, Zeit-Ton, 23. oo Uhr, 14. 10.1996 (Haas) und 20. 10. 1996 (Lang)

34 Georg Friedrich Haas wirkten in ein vollstimmig Leben, wie ,, ... Einklang freier Wesen ... " hölzern wä re sie, wie kalt?" (Hyperion, zweiter Band, zweites Buch, Kapitel XXVII. Dieser Ausschnitt liegt auch, Die Komposition .,. .. Einklang freier kombiniert mit anderen Hölderlintexten, Wesen ... " entstand 1994/95 für das dem Schlußbild meiner Kammeroper Klangforum Wien anläßlich seines zehn­ „Nacht" zugrunde. Es gibt jedoch keine jährigen Bestehens. 1996 wurde die direkte Beziehung zwischen der Oper Komposition gekürzt und völlig neu und „ Einklang freier Wesen".) bearbeitet. Der Begriff des „Solistlnnenensembles" Georg Friedrich Haas (als solches versteht sich das Klangfo- rum Wien selbst) ist in dieser Komposi- tion wörtlich genommen. Jede der 10 Einzelstimmen ist gleichzeitig ein Solo- stück, beziehungsweise umgekehrt ent- steht das Ensemblestück als Vernetzung von 10 völlig selbständigen und isloiert lebensfähigen Einzellinien. (Es sind auch kleinere „Unterensembles" Klaus Lang gedacht: ein Duo für 2 Schlagzeuge, ein Trio für Viola, Violoncello und Kontra­ baß, ein Quartett für Baßnöte, Baßkla• rinette und 2 Schlagzeuge sowie ein Septett für Baßflöte, Baßklarinette, 2 Schlagzeuge, Viola, Violoncello und Kontrabaß.) Diese Fassungen für 1 bis 7 Instrumen­ te werden unter dem Titel ..... aus freier Lust...verbunden ..." (unter Zusatz der jeweiligen Besetzung) veröffentlicht. Die Stimmen sind• in ihrem Tonhöhen• verlauf • durch eine identische harmo· nische Struktur (wobei in den Soloparts .,Harmonie" primär als Zusammenwir­ ken des jeweils nacheinander Erklin­ genden gedacht ist) verbunden. In for­ maler Hinsicht werden Zäsuren und Ein­ heiten in jeder Stimme sowohl unab­ hängig von den anderen Instrumenten als auch simultan (quasi „solidarisch") gebildet. Die Titel sind einem Ausschnitt aus Frie­ drich Hölderlins Roman „Hyperion" ent­ nommen: „Ich fühl' in mir ein Leben, das kein Gott geschaffen und kein Sterblicher gezeugt. Ich glaube, daß wir durch uns selber sind, und nur aus freier Lust so innig mit dem All verbunden. <•• •> Was wär auch diese Welt, wenn sie nicht wär ein Einklang freier Wesen? wenn nicht aus eignem frohen Triebe die Lebendi­ gen von Anbeginn in ihr zusammen-

35 Freitag, Excerpted from „ The lnterior Castle" ist 11. Ol

Excerpted from „ The lnterior Castle" . backward downside up round way lang the love for house my built 1 Roscoe Mitchell . is love noise the Excerpted from „ The lnterior Castle" from away get to (text: Martha Stahl) call my for Baritone Voice, Violin, flute and Pia­ to ears my no open to ÖE house my built 1 . love is God Duet for Wind and String though for Violin and Alto Saxophone love is God ÖE . again will I perhaps too because its so think to this used 1 dim . wanderlust my nurture for Baritone Voice and Piano can shelter no (text: e.e.ummings) harne no need 1 1988/89, ÖE me for but bright be must it Number One in babies my for Bariton Voice, Violin, Alto Saxopho­ put to ne and Piano mine built 1 ÖE Duet for Wind and String 1983 spielte ich gemeinsam mit Vartan The Roscoe Mitchell New Chamber Manoogian Kompositionen von Joan Ensemble Wildman. Während der Aufführung wur­ Roscoe Mitchell, Holzblasinstrumente de ich immer mehr hingezogen zu unse­ Joseph Kubera, Klavier ren speziellen Möglichkeiten, Metalli­ Vartan Manoogian, Violine sches und Holz klanglich zu verbinden. Thomas Buckner, Bariton Einige Tage später rief ich Vartan an und besprach mit ihm mögliche Auftrit­ te mit sowohl notiertem als auch impro­ Im Radio: Österreich 1, Zeit-Ton, 23. oo visiertem Material für Violine und Alt­ Uhr, 12. 12. 1996 saxophon.

36 Später schrieb ich ei ne Serie von Duet­ ten: das erste war „Duet for Wind & Lives lead their own String". persons(in because it's this dim stead 1987 bekam ich den Auftrag, für den of everybodyelse's) but Bariton Thomas Buckner und den Pia- what's wholly marvellous my Darling is that you & i are more than you &i(be ca US e lt's we) this forest pool Aso of Black er than est if Im agines more than life must die to merely Know dim i nu tiv nisten Joseph Kubera zu komponieren. e this park is e Ich las viel Lyrik in dieser Zeit und ent­ mpt>' (everyb ody s elsewher schied micht dann für e. e. cummings, e except me 6 e weil mir seine Werke am meisten künst• lerische Freiheit zu lassen schienen. nglish sparrow s)a „dim" wurde 1988 an der „University of utumn & t Wisconsin" uraufgeführt, .,this" und he rai „because it's" im Madison Civic Center n 1989. th e three songs with /yrics raintherain by e. e. cummings Nbecause lt's· . .. thi.. and .dim" from Complete Poems. 1913• 1962. by E. e. Cummings are used with lhe pe,misslon of Uver• because it's ight Publishing Corporation. Copyright C 1923. 1925. 1931. 1935. 1938, 1939. 1940, 1944, 1945. 1946, 1947, 1948, 1949, 1950, Si:iring 195 1. 1952, 1953, 1954, 1955, 1956, 1957, 1958. 1959, 196o. thingS 1961, 1962 by the Trustees for lhe E. E. Cummings Trusl. Copy· right O 1961. 1963, 1968 by Marion Morehouse Cummings. dare to do people (& not the other way round) because it Number One ist eine Komposition, die 's A sowohl notierte wie auch improvisierte pril Teile enthält.

37 Gerard Grisey Samstag, Vortex Temporum I, II, III Der Titel Vortex Temporum (Strudel der 12. Oktober Zeit) bezeichnet die Entstehung einer 19.30 UHR, SAAL STEIERMARK Formel aus sich drehenden und wie• derholenden Arpeggien und ihre Meta• morphose in verschiedenen Zeitfeldern. Ich habe versucht, einige meiner jüng· sten Untersuchungen zur Anwendung desselben Materials in unterschiedli• chen Tempi zu vertiefen. Drei klangliche Gestalten: die Sinus­ schwingung, als Ur-Ereignis, sowie Impuls mit oder ohne Nachhall und sta­ tionären Klang mit oder ohne Crescen• do; drei verschiedene Spektren: .,Har­ monique", ausgedehntes und kompri­ miertes „lnharmonique"; drei verschie· dene Tempi: Ordinario, mehr oder weni· ger verbreitert oder kontrahiert • das sind die vorherrschenden Archetypen in Vortex Temporum. Abgesehen von der anfänglichen Dreh· forme!, die direkt aus Daphnis et Ch/oe hervorgeht, liegt Vortex Temporum eine Harmonik zugrunde, die ihren Kern in den vier Noten des verminderten Sept­ akkords hat. des Rotationsakkords par excellence. Tatsächlich ermöglicht der Akkord vielfältige Modulationen, wenn man nacheinander jede seiner Noten als Leitton betrachtet. Es handelt sich hier freilich nicht um tonale Musik, es geht vielmehr darum. zu erfassen, was in ihrem Funktionieren heute noch an Aktuellem steckt. Der Akkord befindet sich somit im Schnittpunkt der drei oben beschriebenen Spektren und Gerard bestimmt die verschiedenen Transposi­ Grisey tionen. Er bildet den Knotenpunkt in der Artikulation der Tonhöhen von Vor· tex Temporum . In den vier, um einen Gerard Grisey Viertelton höher gestimmten Tönen des Vortex Temporum I, II, III Klaviers liegt er original vor, wobei die· für Klavier und fünf Instrumente ser Eingriff in die sonst unantastbare 1994-1996, ÖE Klavierstimmung eine Klangfarbenver· zerrung des Instruments einerseits und eine leichtere Eingliederung in die ver­ ensemble recherche schiedenen Mikrointervalle andererseits Dirigent: Kwame Ryan ermöglicht. In den drei Sätzen kreisen die drei Im Radio: Österreich 1, Zeit-Ton, 23. oo genannten Archetypen in Zeit-Konstan· Uhr, 11. 12. 1996 ten, die so verschieden sind wie die des

38 Menschen (Sprach- und Atemzeit), der sen. Die komprimierte Zeit zeigt sich Wale (Spektralzeit der Schlafrhythmen) auch im Aufblitzen von übersättigten sowie der Vögel und Insekten (extrem Momenten, die die verschiedenen kontrahierte Zeit mit stumpfen Kontu­ Sequenzen noch einmal in einem ande­ ren). Durch dieses imaginäre Mikroskop ren Maßstab zu Gehör bringen. wird eine Note zur Klangfarbe, ein Zwischen den Sätzen von Vortex Tem­ Akkord zum Spektralkomplex und ein porum sind kurze Zwischenspiele Rhythmus zum Konglomerat von unvor­ geplant. Luft- und andere Geräusche hersehbaren Dauern. und Klangschatten sollen die unfreiwil­ Die drei Abschnitte des ersten, Gerard lige Stille färben, die entsteht, wenn Zinsstag gewidmeten Satzes entwickeln Musiker und Zuhörer zwischen zwei Sät• drei Aspekte der elementaren, den Aku­ zen Atem holen. Die Behandlung dieser stikern wohlbekannten Schwingungen: Brücke, die von der Zeit des Hörens zu Sinusschwingung (Drehform), Rechteck­ der des Wartens geschlagen wird, erin­ schwingung (punktierte Rhythmen) und nert durchaus an "Derives", ,.Partiels" Sägezahnschwingung (Klaviersolo). Sie oder „Jour, contre-jour". Natürlich sind verlaufen in einem Tempo, das ich als die Geräusche nicht ohne Bezug auf die jubilierend bezeichnen würde - das Morphologie des Stückes. Das Material Tempo der Artikulation, des Rhythmus zugunsten der reinen Dauer aufzuhe­ und des menschlichen Atmens. Allein ben, ist vielleicht nicht mehr als die der Klavierabschnitt führt an die Gren­ Geschichte eines Arpeggios im Raum zen der Virtuosität. und in der Zeit, diesseits und jenseits Der zweite, Salvatore Sciarrino gewid­ unseres Hörfensters. Ein Arpeggio, das mete Satz nimmt identisches Material in mein Gedächtnis nach dem Willen der gedehntem Tempo wieder auf. Die Monate, in denen dieses Stück nieder­ Anfangsgestalt ist hier nur einmal, über geschrieben wurde, emporgewirbelt hat. die ganze Dauer des Satzes gezogen, zu hören. Ich habe versucht, in der Lang­ Gerard Grisey samkeit den Eindruck von sphärischer, schwindelerregender Bewegung zu schaffen. Die aufsteigenden Bewegun­ Wir sind Musiker, und unser Modell ist gen der Spektren und das Versinken der Klang und nicht die Literatur, der der Grundtöne in chromatischen Klang und nicht die Mathematik, der Abwärtslinien und die fortwährende Fil­ Klang und nicht das Theater, die bilden­ trierung im Klavier bewirken eine Art den Künste, die Quantenphysik, die doppelter Rotation, eine helikoidale und Geologie, die Astrologie oder die Aku­ kontinuierliche Bewegung, die sich um punktur. sich selber dreht. Der dritte Satz ist Helmut Lachenmann Gerard Grisey gewidmet. Er stellt den Schwingungsty­ pen des ersten Satzes einen langen Ent­ wicklungsprozeß gegenüber. Kontinuität und mit ihr die ausgedehnte Zeit, in die die Ereignisse des ersten Satzes in größerem Maßstab projiziert werden, stellt sich erst allmählich ein. Die bereits im Verlauf des ersten Satzes unsanft behandelte Metrik ist oft im Strudel rei­ ner Dauer ertränkt. Die dem harmoni­ schen Verlauf zugrunde liegenden Spek­ tren - zuvor im zweiten Satz entwickelt - breiten sich aus, um den Hörer die Textur erfassen und ihn in eine andere zeitliche Dimension vordringen zu las- INSTITUT flAN~AIS DE GRAZ

• 39 Daniel Rothman Samstag, Cezanne's Doubt 12. Oktober 20.30 UHR, STEFANIENSAAL In einem Brief an Cla ra Rilke vom 19. Oktober 1907, ein Jahr nach Cezannes Tod, schreibt Rainer Maria Rilke, sie erinnere sich doch sicherlich an jene Stelle aus „ Malte Laurids", die mit Bau­ delaire und seinem Gedicht „Une Cha­ rogne" zu tun habe. Er, Rilke, könne nicht anders als zu glauben, daß ohne dieses Gedicht die ganze Entwicklung eines objektiven Ausdrucks, wie er ihn von Cezanne kennen würden, gar nicht beginnen habe können. Und es rühre ihn zutiefst, nun zu lesen, daß Cezanne in seinen letzten Lebensjahren dieses Gedicht auswendig wußte und oft Wort für Wort aufsagte. Liest man Cezannes eigene Worte, geschrieben einen Monat vor seinem f Tod im Alter von 67 Jahren, ergibt sich ein andere Bild: ,.Ich war in solcher Ver­ wirrung, daß ich für eine Weile glaubte, I mein schwacher Wille könne nicht über• leben ... Nun scheint es mir besser zu ) j gehen und ich sehe deutlicher die Rich­ tung, in die meine Studien gehen. Wer­ 1 ' de ich das Ziel erreichen , das ich so intensiv suche und so lang verfolge? Ich lerne noch immer von der Natur und ich denke ich mache langsamen Fort­ sch ritt." Es herrscht ein großer Wider­ spruch zwischen Cezannes Selbstzwei­ fel und Baudelaires Vertrauen und Humor. Es scheint rätselhaft, welche Bedeutung das Gedicht für Cezanne, der es auswendig aufsagte, gehabt haben kann. Aber auch Baudelaires „Une Cha­ rogne" ist nicht zuletzt eine Dekon­ struktion des Sehens, ähnlich intensiv Daniel wie Cezannes eigene obsessive Versu­ Rothman che, zu sehen, seine bildnerischen Ver­ suche, zu wissen. Maurice Merleau-Ponty schreibt in sei­ nem Aufsatz „Cezannes Zweifel": ,.Es ist Daniel Rothman Cezannes Genie, daß, wenn die Bild­ Cezanne's Doubt komposition als Ganzes betrachtet wird, Chamber Opera perspektivische Verzerrungen nicht als 1996, UA solche wahrnehmbar sind, sondern eher dazu beitragen, - wie in natürlicher Rothman-Ensemble Sichtweise - einen Eindruck sich ent­ wickelnder Ordnung zu geben, den Ein­ Im Radio: Österreich 1, Zeit-Ton, 23. oo druck eines Objekts, das im Akt des Uhr, 12 und 13. 11. 1996 Erscheinens sich se lbst vor unseren

40 Augen organisiert." Rilke und Merleau­ künstlerischer Notwendigkeit. In gewis­ Ponty beschreiben beide Cezannes ser Weise ist das Gedicht eine Verbin­ Sichtweise, die der der Impressionisten dung zwischen Cezannes künstlerischer entgegensteht, in deren Gemälden, wie Vision und seiner Hinfälligkeit, während Cezanne meinte, die Objekte unterge­ er mit sich ins Reine kommen möchte, hen und durch die spektrale Auffaltung ein Vorhaben, das durch die zerbroche­ ihr angestammtes Gewicht verlieren. ne Beziehung zu Zola erschwert wurde. Merleau-Ponty nimmt die Palette von Denn Zola, reich und berühmt, starb Cezannes 18 Farben wahr - sechs Rot, bevor Versöhnung möglich gewesen fünf Gelb, drei Blau, drei Grün und wäre und hinterließ Cezanne das unbe­ Schwarz -, um eine andere Intention zu endbare Gefühl der Erniedrigung. Am enthüllen: " Die Verwendung von war­ Ende seines Lebens, .,Une Charogne" men Farben und Schwarz zeigt, daß er rezitierend/singend streift Cezanne sei­ das Objekt repräsentiert haben möchte, ne Abhängigkeit von Zola ab, versöhnt es hinter der Atmosphäre wiederfinden sich mit sich selbst durch die Hinwen­ will." Anstatt den Farbton aufzubrechen dung zu seinem Sohn Paul. „stuft er die Farben ab, eine Folge von chromatischen Nuancen über die Form In „Cezanne's Doubt" erklärt sich des Objekts hin und hin zu jenem Licht, Cezanne nicht - er ist. Der Text: vor das das Objekt empfängt. Die exakten allem Baudelaire; die Entstehung, das Konturen unter gewissen Umständen Prozessieren der Bildwelt; und die auflösend und der Farbe Priorität über Ambivalenz und Mehrdeutigkeit der den Umriß gebend, ist das Objekt nicht Musik in ihren Klangfarben und in ihrer länger von Reflektionen zugedeckt und Tonalität; alles trägt bei zu einem kom­ in den Verhältnissen zur Atmosphäre plexem Bewußtsein - demjenigen und zu anderen Objekten verloren: es Cezannes - das im Zweifel das Erhabe­ scheint subtil von innen erleuchtet zu ne schaut, dessen Zweifel eine Krise sein, Licht kommt aus dem Objekt, und des Sublimen/Erhabenen ist. Zwischen das Ergebnis ist ein Eindruck von Kör• Genius und Verrücktheit geht die Zeit zu perlichkeit und Substanz. Darüberhin• Ende, zurück bleibt das Sehen. Cezan­ aus verzichtet Cezanne nicht auf das nes Zweifel ist eigentlich ein Traum vom Vibrieren der warmen Farben, sondern Sein. erreicht diese chromatische Empfindung durch die Verwendung von Blau." Daniel Rothman Besessen und einsiedlerisch wie Cezan­ ne war, befand er sich ständig in einem Zustand der Krise und zweifelte, ob die Neuheit seines Maiens von Schwierig­ Ein Aas - Une Charogne keiten mit seinen Augen kommen könn• Von Charles Baudelaire te, daß also sein ganzes Leben auf einem Defizit seines Körpers begründet Denkst du dran, mein Lieb, was jenen Sommermorgen sein könnte. Giacometti, in einer Unter­ Wir sahn im Sonnenschein? haltung mit James Lord, bezog sich Es war ein schändlich Aas, am Wegrand immer wieder auf Cezannes Unfähigkeit kaum geborgen ein Gemälde auch nach hunderten von Auf Sand und Kieselstein. Sitzungen fertigzustellen und schlitzte seine Leinwände auf. Cezannes Stim­ Die Beine hochgestreckt nach Art lüster• mungen schwankten unglaublich zwi­ ner Frauen, schen extremer Arroganz und Verzweif­ von heißen Giften voll lung. Sein Freund Zola verließ ihn, ihn Ließ es ganz ohne Scham und frech als „Versager und Selbstmordkandida­ den Leib uns schauen, ten" einschätzend. Dem ekler Dunst entquoll. Die Ähnlichkeiten zwischen Baudelaires Sichtweise der Natur und derjenigen Der Himmel blickte still auf dies Gefaul­ Cezannes, wie Rilke sie feststellte, te nieder, gehen über die Erfindung von Techni­ Wie er auf Blumen schaut. ken hinaus und betreffen den Kern von So furchtbar war der Dunst, Dir schau-

41 derten die Glieder Cezanne's Doubt Von Ekel wild durchgraut. (Libretto von Daniel Rothman)

Die Fliegen hörten wir summend das 1. Aas umstreichen Rappe/ez-vous l'objet que nous vime, Und sahn das schwarze Heer mon ame, Der Larven dichtgedrängt den faulen Ce beau matin d'ete si doux: Leib beschleichen, Au detour d'un sentier une charogne Wie ein dickflüssig Meer. infame Sur un lit seme de cai/loux, Und alles stieg und fiel aufsprudelnd, vorwärtsquellend Les jambes en l'air, comme une femme Nach Meereswogen Art, /ubrique, Fast schien's, als ob dem Leib, vom Brülante et suant /es poi­ fremden Leben schwellend, sons, Tausendfach Leben ward. Ouvrait d'une fa~on nonchalante et Und seltsame Musik drang uns von da cynique entgegen, Son ventre plein d'exha/ai­ Wie Wind und Wasser singt, sons. Wie Korn, das in dem Sieb mit rhythmi­ schem Bewegen Eh, oui, mon eher Emile, 1 Die Hand des Landmanns orten think of you ... schwingt. with infinite joy I would embrace you. Die Formen ausgelöscht wie Träume You've been gone four und Legenden, years ... Entwürfe stümperhaft, Die halberwischt die Hand des Künst• Le so/eil rayonnait sur cette pourriture, lers muß vollenden Comme afln de /a cuire ä Aus der Erinnrung Kraft. point,

Und eine Hündin lief unruhig dort hin­ Yes, 1 stopped seeing you term Steine, - with you're fine rugs and Uns traf ihr böser Blick, insolent servants Erspähend den Moment, zu reißen vom - enthroned like Gebeine some old dirty bourgeois .•. Das aufgegebne Stück. - you've grown stu­ Und doch wirst einstmals du dem grau­ pid. en Schmutz hier gleichen, Dem Kehricht ekelhaft, Et de rendre au centuple ä /a grande Du meiner Augen licht, du Sonne ohne­ Nature gleichen, Tout ce qu'ensemble el/e Stern meiner Leidenschaft. avait joint; Ja, so wirst du dereinst, o Königin der Güte, 1was your fool, your suicice Nach letzter Ölung sein, Thank you • thank you for Wenn du verwesend liegst tief unter your insight. ..for your society. Gras und Blüte Bei schimmelndem Gebein. II. Et Je ciel regardait Ja carcasse superbe Dann, Schönheit, sag dem Wurm, der Comme une fleur s'epanouir. dich zerfleischt mit Küssen, La puanteur etait si forte, que sur /'her­ Wie treu ich sie gewahrt be Die Göttlichkeit des Wesens, das zer­ Vous cr0tes vous evanouir. setzt, zerrissen, Von meiner Liebe ward. The sun is terrifying ...

42 les mouches bourdonnaient sur ce ven­ Dark sorrow tre purride, oppresses me. 1 see no one, life terri­ D6u sortaient de noirs batail­ fies me • lons Art worde .• .l paint. 1go to church. 1 De /arves, qui coulaient comme un paint. 1eat. 1paint. epais liquide le /ong de ce vivants hail­ Derriere le rochers une chienne inquiete lons. Nous regardait d'un ;eil fäche, Tout cela decendait, montait comme Epiant /e moment de reprendre au une vague, squelettre Ou s'elancait en petillant; le morceau qu'elle avait On eut dit que le corps, enfle d'un lache. souffle vague, Vivait en se multipliant. Cher Paul, 1 rely on your gui­ All went weil at dance ... at the end of my strenght...illu• first but it was not long before I found sions myself are no longer permitted. in the dark ... perhaps I shall not have time to finish • Et pourtant vous serez semblable a ... must work carefully · how cette ordure, slowly nature reveals herself... A cette horrible infedion, just as I begin to understand, it all evaporates ... 1 would like you near me

Et ce monde rendait une etrange musi­ Etoile de me yeux, so/eil de ma nature, que, Vous, mon ange et ma passi­ Comme l'eau courante et /e on! vent, Ou le grain qu'un vanneur d'un mouve­ Oui! tel/e que vous serez, o la reine de ment rythmique graces, Agite et toume dans son Apres le dernieres sacra­ van. ments, Quand vous irez, sou /'herbe et /es flor­ 1 should make a little hole in aisons grasses, nature and pass through it; a minute of Moiser parmi /es ossements. the world passes even as I try to grasp the full reality of what I see. Cher Paul, 1wait impatiently for my paint box you've mended; les formes s'effa~aient et n'etaient plus Cher Paul, add a qu'un reve, palette with a hole large enough ••• Un ebouche lente a venir, Sur /a toile oubliee, et que /'artiste Hurry. acheve Seulement par /e souvenir. Soon a carriage will take me to the river ..• there are III. some !arge trees Cher Paul, that lf I forgot to write form a vault over the water. to you it is because I loose the awaren­ ess of Alors, o ma beaute! dites a la vermine time. The heat is appalling ... no air at Qui vous mangera de baiers, all...good for nothing but the Qui j'ai garde la forme et l'essence divi­ expansion of metals ..• l am heavy and ne slow ... De mes amours decom­ poses!

43 Samstag, 12. Oktober 22.00 UHR. KAMMERMUSIKAAL

Burkhard Stangl Burkhard Stangl Faible. Timbre. Teint. Recital für einfaches E-Gitarren-Equip­ ment, einige weitere Gitarren, Accessoi­ res und Klavier (fakultativ) 1996, UA Auftrag des musikprotokoll

Im Radio: Österreich 1, Zeit-Ton, 23. oo Uhr, 2. 12. 1996

44 Vollkommener als alles Völlige ver­ streicht ein Klang -sanglos. Teint bleib­ te und reiner Ton, schon blindgeboren, taub nach antwortendem Gewerk, Ereig­ nisleiter einesteils - der Stimme - Dau­ erhaft. Als Herzstück inwendiger zer­ schellte und beständiger, die stehenden Welten verfärbten konfokal, gestreut unter vier Augen, glühten, im wie Du­ Ton etwas hört auf mich zu, ein schwa­ ches, von Laut und Licht einfallendes Verb, ich lose drauf los.

Hast du Oder hast du nicht den Widerhall entschlossen seit die Räume immer werden, wie wenn ein Landstrich interim erlosch Und es, nein keine Umgebung gäbe, überall ist Überhallen.

Allenthalben entstünden Gelegenheit und ablautende Geringe dekliniert von Fall zu Fall. Punktiert und taktvoll, und Klänge neu und -fachen sich-um-sich vermerke, Gelage, ein lautbar ohne Beteiligung partout • und igitur - und mitgewirkt zu sein, in Wirklichkeit, Kalander. Maire erscheinte stilleweis timbriert ein Taft der Welt und bewe­ ge-legt, in Parallelen, querele Knoten­ linien gewässert und bildlicht, Schuß und Faden, die Handhabe einer Erlö• sung, wir sind, stimmgefangen, nur lau­ ter Stein, ein Gast in dieser hohlen Mandel, stammelnde Dolinen, wie Sand das zerstreuende Eräugnis verläuft, ent­ zwei-gestrichene Zeit, als eintreibte und die Rede seltener auf Erden brennt, jetzt diese Vertiefungen skaliert einer Ökonomie von Weltempfang, und von stetig schwingender Saite, klangande­ res, ein ganzes Spektrum im Erdumkreis rotierte Unversehen, wenn einmal alle­ samt vertönt oder erhört geworden war, weißrauscht der Fluß im Flüsterton und Verheiß, ohne es zu wissen, akustische Ikone, »ich bin gespannt«.

Oswald Egger, ,.prlm[a vlsta]. Tontafel für Burkhard Stangf'

45 Brüchigkeit und Glattheit sind Eigen­ schaften des Eises und Metaphern für Samstag, diese Arbeit. Die Inszenierung ist das Vermittlungsinstrument von Mode, 12. Oktober Musik und Eis. 23.00 UHR. ORPHEUH, GROSSER SAAL Die Schauplätze sind die Eisfläche und die Bank mit den Schuhen, die meist simultan besetzt sind. Das Eis ist für jede auftretende Model/Modelgruppe eine andere Spielfläche, ein anderer Belag - wie beim "Ritt über den Boden­ see" können sie das brüchige, glatte Eis nur bewältigen, indem sie es sich weg­ denken und durch eine ständig wech­ selnde Vorstellung ersetzen - die Schu­ he und Gänge bestimmen, welchen Belag das Eis für die Personen jeweils darstellt. Die Kontexte, in denen sich die ver­ schiedenen Darsteller bewegen und die sie mit aufs Eis bringen, beziehungs­ weise mit denen sie das Eis jeweils besetzen, kollidieren miteinander. Die daraus entstehenden Spannungen und Widersprüche versuchen etwas, das die Musik in der Zeit macht, in das Räumli• che zu übertragen.

Lisa D.

Mitarbeiter der Produktion „Grönland ein"

Musik: Wolfgang Mitterer Idee/Konzept/Choreographie: Lisa D. Mode: Lisa D., Stefanie Harborth; Mit­ arbeit: Nadine Meinicke-Kleint Organisation: Uta Knittel

Darstellerlnnen Bibiane Unger, Martina Masser, Gabrie­ le Sommer, Andrea Copony, Natascha Lisa D. Tagunov, Anke Jansen, Angelika Grönland eins Timischl, Elisabeth Platzer, Marion Modedefilee Habicht, Karl Gründling, Jörg Witte und weitere Personen. Wolfgang Mftterer Perücken: Hanleys Hairkompanie Modemusik 1 Frisuren: Salon Alcazar Franz Prassl 1996, UA Maske: Bettina Stein Kompositionsauftrag des musikproto­ Fotos: Toni Schett koll

46 47 Samstag, DJ DSL DJ DSL webt lange tanzbare HipHop­ 12. Oktober Klanggemälde, wenn er seine Platten 23. 30 UHR, ORPHEUM, KLEIMER SAAL auflegt. Betont relaxed - oder „ lässig" in der DSL-Diktion -, aus einer Vielzahl

DJ DSL von instrumentalem HipHop-Quellmate­ rial aufgebaut, sind seine Abende oder Nächte geprägt von pulsierenden, groo­ vigen, sich aneinander reibenden Beats und insbesonders von dem kunstvollen eins-aus-dem-anderen-hervorwachsen­ Lassen der Ausgangsmaterialien. Und all das steht selbstvertändlich unter dem Verdikt einer funktionierenden, stundenlangen, tanzbaren Dramaturgie. Die Grenzen zwischen Tanzmusik, elek­ tronischer Musik, Unterhaltungsmusik, experimenteller Musik - mit Absicht sind jetzt Begriffe aus vergangenen Jahr­ zehnten gewählt - schienen während der letzten Monate/Jahre wieder einmal durchlässiger zu werden. Irgendwo zwi­ schen und mit HipHop, House und Techno - und monatlich wächst die Menge an namentlich ausgewiesenen Subspezien - wuchs eine Vielfalt von musikalischen und gesellschaftlichen Formen und Szenen. Österreich spielt in diesem Konzert eine international beachtete Rolle. Mit den zum Teil beim Mego-Label versammelten Künstlern Alle Zitate enstammen Chris Dullers Por­ entstand eine musikalisch spannende, traittext über DJ DSL im „Falter" im Juli in manchen Formen experimentelle Sze­ 1996, ,.Diesel, Eurosuper''. ne, deren alltägliches Pendant und gesellschaftlicher Rückhalt die mitge­ wachsene DJ-Kultur in Bars und Clubs ist. DSL ist Spezialist einer kunstvollen, langsamen, tanzbaren Groove. Der ,.Meister des nahtlosen Übergangs" - und gelernte Musikologen denken unweigerlich an einen mit der Kunst Alban Bergs verknüpften Text über Übergangsschönheiten - entwickelte und bewahrte im schnellen Geschehen der Stile & DJs für eine Weile seine eigene Handschrift. ,.Als damals Jungle aufgekommen ist, hat mich jeder zwei­ te gefragt, ob ich das jetzt auch aufle­ ge, das würde so gut zu meinem Sound passen. Ich hab' das immer abgelehnt. Nichts gegen Jungle, ich will ihn nur nicht spielen. Man soll sich nicht abbrin­ gen lassen von seinem Weg." DSLs Weg blieb der HipHop-lnstrumental-Mix. ,.Die Welt der Beats ist an sich schon so mannigfaltig und voller phantastisch produzierter Sachen, die für sich allei­ ne stehen, daß man damit schon die Welt erklären könnte." Die Arbeit des DJs beginnt aber eigent­ lich bei der Vorselektion, also im Plat­ tengeschäft. Im besonderen für jeman­ den wie DSL, der wenig von den obli­ gaten A-Seiten hält und sich Woche für Woche stundenlang durch Berge von Platten kämpft. "Davon kaufe ich mir dann vielleicht ganze drei Stück. Wegen irgendeines Bonus-Beats, der irgendwo ganz hinten auf der B-Seite drauf ist. Aber dafür muß man sich alles anhören und das dauert." In der Regel handelt es sich dabei um Platten, die sich kein normaler Konsument besorgen würde. Platten, die von vornherein dafür kon­ zipiert wurden, mit anderen vermischt zu werden. ..Wenn du dir das allein anhörst, dann glaubst du, das ist die fadeste Platte der Welt." Aber die DJ­ Kunst ist eben das behutsame, wenn auch wirkungsvolle Anfertigen und Ent­ wickeln der Mixes.

Christian Scheib

49 o) Einbettung der Überlegungen zur Strategie Camouflage Die folgenden Überlegungen zur Ca­ camouftage? mouflage 'ruhen' auf einem bestimmten Verständnis des Verhältnisses von Von Bernd Ternes und Herbert Neidhöfer Geschichte und soziokulturellen Emis­ sionen, das man etwa so formulieren kann: Nur die, die in der Vernunft die endliche Verschränkung von Bezeichne­ Begriffe sind bereits bewohnt. Wir tem und Bezeichnendem, Legitimiertem schicken uns an, einen bereits ver­ und legitimierenden, von Objekt und wohnten Begriff zu besetzen. Zunächst Subjekt. also von Sein und Sollen zu

Welt Kunst (Produzent) Nichtkunst (Rezipient)

Kunst ohneCamouflage Text Rezeption nach div.Methoden

Camouflage im Kunstsystem A•S,bte,t ,1 B•Obortta,hoote,t Rezention von B Antizipation eines Tarnung mit Signalen, u. gegebenenfalls Rezeption von A bestimmten Rezipienten die auf A hindeuten mit hermeneutischer Methode

Camouflagezwischen AaSubtext=Kunst B•Kunst als Nichtkunst getarnt; Kunst und Nichtkunst wird durch Hermeneutik als A enttarnt u. akzeptiert o. abgelehnt

oder: wird nicht als A erkannt u. als Alltagsstörung rezipiert

B•OberfülchentextaKunst AmNichtkunst alsKunst getarnt; wird durch Hermeneutik als A enttarnt

oder: wird als B • Kunst rezipiert machen wir uns kursiv kundig über die verorten glaubten, nur die' überrascht Sitten und Gebräuche derjenigen, die in das gegenwärtige Drama der Vernunft, dem Begriff hausen, und rekonstruieren ein Drama, in dem sich alle Figuren des­ dann, auf welche Art und Weise sie ihre selben an die Wand gestellt sehen, die Behausung belegen. Danach schauen Exekution erwartend. Gerechtigkeit, wir, welche von den bisherigen Bewoh­ Wahrheit, Nichtzirkularität, universali­ nern wir in Ruhe in ihrem Domizil belas­ stische Moral, Dialektik, Utopie, Kritik, sen werden, welche wir versetzen und Universalismus der Rationalität, welche wir in Bann und Acht legen, Erkenntnis, Denken, Revolution, ethisch­ eben weil sie nichts mehr mit unserem politische Wissenschaften, nichttotalitä• Begriffsgehäuse zu tun haben sollen. re Pluralität ..• : alle stehen da und star­ ren gebannt auf das Schlachtfeld, das ,.Irreführung, Täuschung, Tarnung": die­ sie auf der Bühne haben anrichten las­ se Wörterbuch-Übersetzungen schöpfen sen - ganz im Sinne der Dialektik einer den Begriff nicht mehr aus. folgende Rationalisierung der Lebenswelt als Vor­ Übersicht soll die Möglichkeiten der aussetzung dafür, daß 'Systeme' eben­ Strategie der Camouflage unter der Un­ diese technisieren, mediatisieren und terscheidung Kunst versus Nichtkunst schließlich kolonialisieren -, schauen erschöpfender fassen und im Hinter­ hinunter aufs Publikum, um Klassen, grund als Orientierung dienen. Schichten, Gruppen, Genossen, linke, Intellektuelle, soziale Bewegungen, Minoritäten, Ausgeschlossene oder zumindest Nachdenker, Diskurspartner. Gebildete, Mitredner, Zuhörer oder

50 wenigstens noch Zuschauer auszuma­ man überhaupt einen Pfad durchs chen; aber sie sehen nur Publikum, das Sprachdickicht habe schlagen können. teils unruhig, teils apathisch darauf war­ tet, endlich der Liquidierung, dem Man vertauscht Roman und Comic, showdown der gesellschaftlichen Architektur und Lebensstil, Wissenschaft Geschichte teilhaftig zu werden, der und Mythologie, Logik und Kausalität, nichts anderes nach sich zöge als die man vertauscht, ohne Austausch zu Implosion der geschichtlichen Gesell­ wollen, adaptiert, ohne anpassen zu schaft. Nur wenige im Publikum stehen müssen, erfindet, ohne etwas gefunden auf und bemerken in rhetorisch längst zu haben ... kurz: Man hat das, was überholten Paraphrasen, daß es doch nicht ausgesprochen werden kann, was seit gut 200 Jahren überhaupt keine nicht projiziert werden kann, aus den Bühne mehr gebe, sondern nur noch Augen verloren, und damit gerade das, Projektionen, Darstellungen auf Flächen, was unser Sprechen und Vorstellen Oberflächen, und daß Bühnen • so man ermöglicht: Denn das Unsagbare ist und den Namen erhalten wolle • allenfalls bleibt nur nichtsagbar, solange sprach­ noch in den Köpfen des Publikums, in liche Versuche unternommen werden, seinen 'Sinnenmaschinen' aufgehoben es sagbar zu machen. Hört man auf, sind. dies zu versuchen, versiegt Unsagbares in einem Wüstenmeer des Sagbaren, Das Material der Projektionen sei und das Sagbare in einem Universum erschöpft, so hört man allerorts, weil des schon Gesagten; Gesagtes aber ist keine Visionen mehr greifbar sind, um nicht mehr sagbar, es ist nur noch, und die Projektionen aus ihrer traditionellen zwar beliebig re- oder dekonstruierbar. Verortung in zweidimensionalen Ober­ flächen herauszureißen. Diese Kappung Das Denken verliert eine seiner wich­ der Korrespondenz von Projektion und tigsten Quellen, es wird untätig und Projekt im Erzählmodus vernünftiger läßt zum Zeitvertreib seinen Verstand Modeme führt aufseiten der Projektion spielen, spielen mit all den sprachlichen zu grotesken Szenen: Bilder fallen über• und audiovisuellen Kreaturen und Tex­ einander her oder sich in die Arme, Kör• ten, die dieser immer radikaler konser­ per fangen an zu stammeln; das Ver­ viert: Denn auf lange Sicht tut sich nir­ satzstück mutiert zum Beweisstück gends eine neue Quelle auf. Und so letztmöglicher Orginalität; das Kunst­ schlagen wir uns mit konservierten Pro­ werk ist die technische Reproduktion, jektionen herum, in der Kultur, der Lite­ ist seine Aufnahme ins Reproduktions­ ratur, im Film, der Malerei, den Gei­ gefüge kulturindustrieller Fabriken; Gen­ steswissenschaften, sogar im Alltag und res und Gattungen, Codes und Regeln erst recht in der Politik; mixen Traditio­ menschlicher Kultur- und Kunstaus­ nen, Geschichte und Bedeutungen, drucksformen haben aufgehört, sich in naturalisieren attraktive Artefakte sozial­ Fragen zu verwickeln, "um die Regeln technischen Seins zu Bausteinen einer dessen zu erstellen, was gemacht wor­ neuen posthumanen Anthropologie, bei 2 den sein wird" • Sie haben aufgehört, der noch unentschieden ist, ob die das Nichtdarstellbare darzustellen, auf­ Anthropomorphisierung auf 'Dinge' aus­ gehört zu entwirklichen, zu ent-, re-und geweitet werden soll oder nicht. zu dimensionieren, sie produzieren kei­ ne Differenz mehr, keine Möglichkeiten, Wir nehmen jahrzehntelang Abschied keine lnhumanitäten; sie tauchen Wor­ von Geschichten, die noch ohne archäo• te in Metaphernlaugen, Bilder in logische Methode auskommen, um Systemtheoriesäure; sie brechen zu erzählt werden zu können; wir erzählen Expeditionen auf, um im Urwald Spra­ Geschichten der Unerreichbarkeit, sto­ che rezente Anthropologismen zu ries, die das Nichtzustandekommen von erkunden, mit deren Hilfe dann sprach­ story als funktionierende story erzählen, kritisch rekonstruiert werden soll, wie schreiben Bücher, die davon handeln,

51 daß sie nicht geschrieben wurden: wir für die Stabilität von Herrschaft ist, vor hören Konzept-Musik, die längst schon allem für die Herrschaft, Begriffe, also nicht mehr nur Musik über Musik ist, Erinnerungen, zu besetzen. Wir müssen sondern nur noch zuhören läßt, wie außerdem miterleben, wie Ereignisse, man Musik zuhört beziehungsweise wie Krisen, Katastrophen als künstliche man Musik nicht zuhört: wir unterrich­ Gebilde der Geschichte weiterhin die ten uns über Art, Umfang und Struktur Besetzung von Geschichte "unter Hyp­ des Unterrichtens vergangener Genera­ nose" (Baudrillard) garantieren. Auch tionen mit funktionierender Geschichte, die Camouflage steht auf der Beset­ um nicht jetzt schon flächendeckend zungsliste, wenngleich sie noch aus beginnen zu müssen, für die Zukunft einer Tradition stammt, die sich die Fra­ eine Geschichte zu schreiben, die gar ge stellte, "ob nicht der Zustand, in nichts mehr aus der historischen Zeit' dem man an nichts mehr sich halten beinhaltet, sondern nur noch ihren eige­ könnte, erst der menschenwürdige nen Bemühungen historische Aufmerk­ wäre".6 samkeit widmet, die darin bestehen, nicht mehr Zeit, Handlung, Gesellschaf­ ten, Subjekte, Zwecke und Kommuni­ 1) Eine zweifache Annährung an die kation als notwendige Ingredienzien zur Camouflage Rekonstruktion von Geschichte zu ana­ lysieren, sondern die Abwesenheit und a) Transformation ebendieser Ingredienzi­ Wir wollen die Strategie der Camoufla­ en als eigenständige Ingredienzien ge allein auf ihre Möglichkeiten hin historisch zu bedeuten. betrachten. Die Strategie der Camoufla­ ge, wird sie nicht als Spiel begriffen, Wir unterrichten uns also deswegen muß den Bedingungen entsprechend über überlieferte, dokumentarische, auftreten, welche ihr die Wirklichkeit über historische Unterrichtungen - über bzw. die jeweilige Auffassung von Wirk­ die Semantiken unserer symbolischen lichkeit vorgibt. Wird davon ausge­ Reproduktion -, wir zwingen unser Den­ gangen, es ließe sich etwas über die ken deswegen durch den schmalen Wirklichkeit sagen, dann funktioniert Erkenntnistunnel archäologischer Her­ Camouflage so, daß etwas maskiert als angehensweise, um in Zukunft noch etwas anderes auftritt, und zwar derart, eine materiale Ahnung von 'etwas' zu daß die Maske mit Signalen versehen haben, das wir uns nur noch durch ist, die auf das Maskierte verweisen. unsere begrifflichen Komplettierungs­ Unter der Voraussetzung hingegen, daß fetzen vergegenwärtigen können. Erst sich alles über die Wirklichkeit sagen wenn sich die Beziehung zwischen Aus­ läßt - oder: nichts, was auf das Gleiche gegrabenem und Ausgrabenden nicht hinausläuft -, erweist sich die Camouf­ mehr fassen läßt als eine Beziehung lage als eine Maske, die signalisiert, zwischen "der Struktur des Verstehens daß sie eine Maske ist, um so zu ver­ und der Struktur des Verstandenen, der bergen, daß sie keine Maske ist, also komplexen Entität"s, erst wenn sich also nichts mehr maskiert. die Begrifflichkeiten, die die Entitäts• wahrnehmung überhaupt erst ermögli• Den ersten Fall beschreibt Jorge Luis chen, ihrerseits ausnehmen wie Ver­ Borges: "Manchmal (das sind meine schüttetes, Vergrabenes, erst dann schrecklichsten Albträume) sehe ich besteht wieder die Möglichkeit, in der mich in einem Spiegel reflektiert, aber Kategorie der Geschichtlichkeit das Feh­ ich sehe mich mit einer Maske wider­ len, die Abwesenheit historisierender gespiegelt. Ich habe Angst, die Maske Ingredienzien als historisches Metain­ abzureißen, weil ich Angst habe, mein gredienz zu benutzen. Bis dahin aber wahres Gesicht könnte die Lepra sein müssen wir miterleben, wie gravierend oder die Pest oder etwas, das viel der Erinnerungsverlust der Menschen schrecklicher ist als alles, was ich mir

52 vorstellen kann. " 1 Etwas Schreckliches Camouflierende'0 ist nicht auf Verstän• wird hier in der Wirklichkeit vermutet, digung, nicht auf Kooperation, nicht auf die sich hinter der Maske verbirgt, Einverständnis aus, im Gegenteil: Zur deren Signal die kontextgebundene Erreichung seiner Ziele muß er bestimm­ Angst des Alptraums ist, in dessen te Teile dialogischer Bezüglichkeit Logik das Gesicht nicht grundlos dem schlichtweg ausschalten (da er sie nicht Blick verborgen bleibt. vernichten kann). Oder er muß durch Vorspiegelung falscher Tatsachen einen Der Schrecken dieses Alptraums scheint dialogischen Austauschrahmen schaffen, seltsam vertraut und läßt sich mannig• der voll unter seiner Kontrolle ist. Er faltig deuten; wer analoge Szenen kennt, muß doppelte Kontingenz ausschalten, der kann sich nicht leicht eine Steigerung ohne daß der andere dies merkt, und dieses Schreckens vorstellen. Es gibt sie sich weiterhin so verhalten, als wäre aber, diese Steigerung, und zwar in der auch er weiterhin der doppelten Kon­ zweiten Form der Camouflage: der einer tingenz ausgesetzt. Er muß lntranspa­ totalen • oder: total negierten • Wirklich­ renz intransparent in seinem gleichwohl keit. Dieser Form hat Edgar Allan Poe weiterhin transparent erscheinenden Gestalt gegeben. In seiner Arabeske „Die Verhalten und Handeln unterbringen. Er Maske des roten Todes" beschreibt er muß sein Versteck versteckt halten. Er einen Maskenball, der stattfindet, als das muß, letztenendes, die Rezeptionssi­ Land von der Pest - dem roten Tod - tuation und die Rezipienten selbst als beherrscht wird. Die paganen Geschich­ Bestandteile seines Produkts oder ten Boccaccois haben sich in Poes Erzäh• Werks unbemerkt einschleusen, unbe­ lung zu einem ungeheuerlichen dance merkt, weil die Camouflage davon lebt, macabre gewandelt: Die Camouflage des daß ihre Rezeption und ihre Zeit fürs schaurig Bizarren beherrscht die Szene, Rezipieren eindeutig als Dimensionen, als eine Figur erscheint, die selbst bei die auf der anderen Seite künstlerischer den Libertins des Gelages die Grenzen oder ästhetischer Codierung aufgeho­ des Geschmacks überschreitet: ,.Doch ben sind, wahrgenommen werden. Das der Vermummte war so weit gegangen, gilt erst recht für die sich selbst als die Urgestalt des Roten Todes anzuneh­ Camouflage markierende Camouflage, men. "8 Die Gesellschaft will sich auf den die das materiale Substrat des Werks stürzen, der sie auf die Welt außerhalb einzig als Träger benutzt, um doch ihres Festes verweist, die zu verdrängen eigentlich nur die gängigen Wahrneh­ der Zweck des Maskenballs ist, doch mungs- und Unterscheidungssettings ,.indem sie den Vermummten packten, der Zuschauer und Zuhörer als Mittel­ desen hohe Gestalt aufrecht und reglos punkt der Aus-und lnfragestellung zu stand im Schatten der Uhr aus Ebenholz, ,.thematisieren", und einen kunstcode­ befiel ein unaussprechlich' Grauen sie, freien Zeitraum, eine Zeit jenseits der da sie die Grabeslaken und die leichen­ 'Achtung: Kunst'- Situation bereitstellen gleiche Maske, die sie so rüde ungestüm muß für die oftzitierte „Zeit zum Begrei­ anfaßten, unbewohnt fanden von jegli­ fen": Denn diese· Zeit zum Begreifen cher greifbarn Gestalt. " 9 Es war der rote fällt nicht mehr ins System Kunst, son­ Tod, der in der Maske des Maskierten dern in das der Kognition. auf dem Ball erschienen ist. Nur in die­ ser Form kann die Strategie der Camouf­ Die Wirkung solcherart Verhaltens- und lage, so unsere These, heute noch funk­ Bezüglichkeitsorganisation ebbt jedoch tionieren. sehr schnell ab: In Verkehrsformen stra­ tegischer, interessen- und machtpoliti­ b) scher Machart rechnet alter wie ego Wer camoufliert, so könnte man sagen, damit, daß alter und ego verstecken weiß zwar nicht genau, was er mit sei­ bzw. etwas nicht so meinen, wie sie es ner Camouflage bewirkt, dafür aber dartun: Das gegenseitige Verdächtigen, immer genau, was er mit ihr will. Der der andere verstecke, tarne seine wah-

53 ren Absichten, entlarvt zwar nicht, was es so meint, wie sie es darstellt: und da versteckt wird, nimmt aber den stellt damit lnkommunikabilität her, von Beteiligten durch die gewisse Annahme, der nicht mehr eindeutig gesagt werden daß versteckt wird, eine gehörige Por­ kann, daß sie gemeint ist. tion an Unvorsichtigkeit weg: Beide, der Camouflierer und der der Camouflage Gänzlich verwirrend wird es jedoch, Ausgesetzte (der ja auch camouflieren wenn man die Camouflage weniger auf kann) verkehren miteinander vom eine interaktionistische resp. kommuni­ Boden der Selbstverständlichkeit aus, kationstheoretische Weise in den Blick daß der andere nicht das meint, was er nimmt, sondern auf eine Weise, die sagt (tut, zeigt, unterläßt etc.). denken läßt, daß es so etwas wie Täu• schung, Verbergung gar nicht gibt. Dar­ Kniffliger wird es, wenn die Camouflage um wird es im Folgenden gehen. nicht dem Motto „lntransparenz schützt vor Transparenz" folgt, sondern davon ausgeht, daß Transparenz der beste 2) Die Aversion der Camouflage gegenü• Schutz vor Transparenz ist; also so tut, ber Selbstreferenz als habe sie nichts zu tarnen, eben weil sie ihr Verstecken (das gleichzeitig ihr Wir gehen also vom Begriff der Camouf­ Verstecktes ist) zur Schau stellt. Kom­ lage aus, nicht von der Bedeutung und mun ikationstheoretisch hat dies am Technik der Camouflage in oder für Begriff der Aufrichtigkeit nicht nur Lio­ Musik. Denn Camouflage ist für uns nel Trilling, sondern auch Luhmann sehr kein Artefakt der Wahrnehmung, son­ packend umschrieben: .,Man braucht dern eins der Verarbeitung von Wahr­ nicht zu meinen, was man sagt (zum nehmung: sie gehört demnach in den Beispiel, wenn man 'guten Morgen' weiten Bereich der Soziokultur, nicht in sagt). Man kann gleichwohl nicht sagen, den der physikalisch-biologisch-che­ daß man meint, was man sagt. Man misch-neurologischen Natur des Men­ kann es zwar sprachlich ausführen, aber schen. Denn Erkennen gibt es nur bei die Beteuerung erweckt Zweifel, wirkt gleichzeitiger Möglichkeit des Sich­ also gegen die Absicht. Außerdem müß• lrrens; das Leben oder das Gehirn oder te man dabei voraussetzen, daß man die Wahrnehmung können sich aber auch sagen könnte, daß man nicht nicht irren, weil nichts negativ sein meint, was man sagt. Wenn man aber kann, sondern „nur" negativ gedacht dies sagt, kann der Partner nicht wis­ werden kann (das war die große Stra­ sen, was man meint, wenn man sagt, tegie Hegels: beim Negativen zu ver­ daß man nicht meint, was man sagt.[.. ] weilen). Man kann sich irren, man kann den anderen täuschen; aber man kann nicht Befaßten wir uns mit musikalischer davon ausgehen, daß es diese Mög• Camouflage, dann müßten wir aufs Ohr lichkeit nicht gäbe."" Camouflage, die kommen, auf die Akustik, auf die Indif­ in Transparenz gearbeitet ist und also ferenz der Codierung im Gehirn usw., so tut, als meine sie das, was sie zeigt, uns dem Problem der Schwerkraft darstellt und ausdrückt, tut also so, als menschlicher Harmonik zuwenden. The­ gäbe es zumindest für ihren Fall nicht ma wäre dann etwa die physiologische die Möglichkeit des lrrens oder Täu• Grundlage der „Schönheit" harmoni­ schens: Sie läßt den ihr Ausgesetzten scher Klänge im Verhältnis zu ihrer mit der Frage „Ist das ernst gemeint?" musikalischen Überlistung resp. Tar­ zurück, stößt ihn also in eine Art Oszil­ nung etwa qua atonaler Musik. Thema lieren hinein, und erfüllt damit als wäre: daß wir, um einmal etwas zu Camouflage ihr Ziel, nämlich: Beizutra­ hören, schon dreimal gehört haben gen an der Aufhebung der normal kla­ müssen, nämlich mit dem Innenohr, ren Trennung zwischen Wahn und Wirk­ dem Mittelhirn (Talamus) und der lichkeit. Sie will kommunizieren, daß sie Hirnrinde; daß die Doppelabbildung

54 musikalischer Schallbilder im "Stein­ bestehen kann, ein rein schimärisches zeitgehirn" (Talamus) und in der Wesen, das Versprechen seiner selbst, Hirnrinde erst eine emotionale Tönung ein leerer Ort, den die Struktur beim Hören schöner Musik bildet; daß umschließt. [ .. ] ; seine ganze Wirklich­ das Ohr selbst ein harmonischer Analy­ keit liegt in seinen Effekten. " 14 Zu die­ sator ist" usw. sen Effekten zählt eine Camouflage, die so tut, als sei die Wirklichkeit des von Wir fragen uns statt dessen, was mit ihr Maskierten außerhalb ihrer selbst, der Camouftage passiert, wenn sie unter zeitlich wie material. abstrakte und begriffliche Unterschei­ dungsgeräte gehalten wird. Die Am klarsten (vielleicht auch am simpel­ Camouflage erweist sich dann als dezi­ sten?) findet sich dieser Gedanke in diert moderne Strategie, aktiv den Tat­ Baudrillards Auslassung über die bestand zu verunsichtbaren, daß über• Bedeutung Disneylands: .,Disneyland haupt nichts da ist, was camoufliert existiert, um das 'reale' Land, das 'rea­ wird, außer: der Camouflage. Modem ist le' Amerika, das selbst ein Disneyland sie deswegen, weil ihr Wirkkreis ein­ ist, zu kaschieren (ein bißchen so, wie deutig innerhalb der ersten 3 von 4 die Gefängnisse da sind, um zu kaschie­ Phasen liegt, die Baudrillard einmal im ren, daß das Soziale insgesamt in sei­ Rahmen der Simulation der Repräsen• ner banalen Omnipotenz eingekerkert tation als Simulakrum für das Bild ist). Disneyland wird als Imaginäres hin­ unterteilte; erst in der vierten Phase gestellt, um den Anschein zu erwecken, verweise das Bild auf keine Realität, sei alles Übrige sei real. [ .. ] Es geht nicht sein eigenes Simulakrum, und gehöre mehr um die falsche Repräsentation der nun endlich der Ordnung der Simulati­ Realität (Ideologie), sondern darum, zu on an.•1 Die Prozedur einer Simulation kaschieren, daß das Reale nicht mehr oder einer Dissimulation (das wird noch das Reale ist, um auf diese Weise das zu klären sein) zwingt uns, dem, was Realitätsprinzip zu retten." Und, auf den als Präsentes invisibilisiert und was als Punkt bringend: ,.Das Imaginäre von Absentes visibilisiert wird, eine härtere, Disneyland ist weder wahr noch falsch, realere Realität zu unterstellen als der es ist eine Dissuationsmaschine, eine Prozedur, dem Prozessieren, der Gegen­ Inszenierung zur Wiederbelebung der wart des Tarnens, des Camouflierens. Fiktion des Realen.'"~ - Das ist also die Durch die Produktion dieser alten Dif­ These: Die Camouflage existiert nur ferenz zwischen fiktiver und realer Wirk­ noch in bezug auf sich selbst. Indem sie lichkeit sieht die Camouflage davon ab, auf einer ersten Ordnung alles daran zu daß sie das konstruiert, von dem sie setzen scheint, Gestalt werden zu las­ den Eindruck erzeugen möchte, daß es sen, wie wenig eindeutig, wie wenig letztlich gegebene, vorhandene, reale klar, wie wenig wirklich, wie beliebig Positivität ist, auf der auch sie als setzbar das ist, was als scheinbar Camouflage-Zeit ruht. Beständiges schon in den Hintergrund gerückt ist, vor dem wir mit unseren Qua Negativbestimmung dessen, was Sinnen und unserem Denken Figuren als reales Objekt, als wirkliche Wirk­ gestalten, zementiert sie auf einer zwei­ lichkeit, als Unverborgenes, als viel­ ten Ordnung eine Art sich selbst vor­ leicht „betäuschungsimmunes" Unver­ aussetzende Wirklichkeit, von der aus mitteltes zu bezeichen ist, versucht die sich überhaupt erst Versuche der Fik­ Camouflage zu vertuschen, daß mit tionalisierung, der Tarnung von Wirk­ jedem Versuch, ebendiese reale Positi­ lichkeit abheben können. vität eines realen, eines uncamouflier­ ten Objekts zu fassen, dieses Objekt Camouflage täuscht darüber, daß sie zwischen den Fingern zerrinnt: .,Es ist nichts mehr außer sich selbst zu täu• reiner Schein, der nur im Schatten, als schen vermag. Sie ist demgemäß selbst­ Gescheitertes, als Nicht-Realisiertes, referenzaversiv. Mehr noch: War sie

55 einst zumindest im künstlerischenen gIsIerung von Wirklichkeitswahrneh­ Code-Universum mit an der Spitze sub­ mung auf. Zuerst, so der Professor, gab versiver Mittel zu finden, ist Camoufla­ es Narkotika, die das Verhältnis des ge heute beinahe schon Garant subver­ Menschen zur Welt veränderten. Dann sionsfreier Auseinandersetzungen, ein­ kamen die Halluzinogene: sie verwirrten fach weil sie qua ex-negativo-Bestäti• und verschleierten die ganze Welt. Die gung einem Wahrheits- und Realitäts• Maskone aber, jüngstes Produkt der prinzip dient, das seine Macht immer Chemaskierung, fälschen die Welt. ,.Bei und immer nur durch Verneinung, Kri­ Eintritt ins Gehirn vermögen entspre­ tik, Anfeindung, Täuschung, Fiktionali­ chend synthetisierte Maskone jedes sierung, Tarnung sichern konnte. beliebige Objekt der Außenwelt so Camouflage spielt noch in einem Spiel, geschickt durch Scheinbilder zu verhül• dessen Markierungen an den Begriffen len, daß die chemaskierte Person nicht Falschheit/Richtigheit, Wahrheit/Unwahr­ weiß, was an dem Wahrgenommenen heit, Reales/Imaginäres, Echtes/Täu• echt und was vorgetäuscht ist. Freund, schendes festgemacht sind; ein Spiel, wenn Sie einen Blick auf die Welt wür• das z. B. für die Photographie seit der fen, die uns wirklich umgibt, nicht auf Perfektion vollständig computergene­ diese durch Chemaskierung [durch sym­ rierter Bilder, also der Unmöglichkeit bolische Ordnung; B.T.] geschminkte - des Bildertäuschens durch vollständige Sie wären entgeistert!" Es kommt dann Möglichkeit des Bildertauschens, schon dazu, daß Tichy ein Gegenmittel gegen nicht mehr gilt. Camouflage, so darf Psychemie einatmet (,.das ist Antich, man vielleicht illustrativ pointieren, ver­ aus der Gruppe der Wachpulver") und sucht spielerisch den Nachweis zu die Wirkung so beschreibt: ,.[ ••• ] da ver­ führen, wie unecht gewöhnlich wahrge­ schlug es mir den Atem [ die Sprache; nommene Weihnachtsmänner sind, und B.T.]: der herrliche Saal mit Majolika­ tut dabei so, als gäbe es so etwas wie Wänden, Teppichen, Palmen, prunkvoll einen echten Weihnachtsmann. schimmernden Tischen und einem im Hintergrund postierten Kammerorche­ War es einst gefährlich, mit gewohnten ster, das uns zum Bratengang aufge­ Wahrnehmungsmustern zu spielen, weil spielt hatte - das alles war verschwun­ dabei Getarntes zum Vorschein zu kom­ den. Wir saßen an einem nackten Holz­ men vermochte, was bisheriges Ver­ tisch in einem Betonbuncker; unsere trauen zerstörte, so wird heutzutage im Füße versanken in einer arg zerschlis­ Gegenteil Vertrauen aufgebaut durch senen Strohmatte. Musik hörte ich wei­ enthüllende/verhüllende Camouflage, terhin. Aber wie ich nun merkte, ent­ die den Gedanken verdunkelt, daß hin­ strömte sie einem Lautsprecher, der an ter ihr gar nichts ist. Camouflage, einst einem rostigen Draht hing. Die kristall­ Partisanin gegen das Realitäts- und schillernden Kandelaber hatten ver­ Wahrheitsprinzip, ist heute degeneriert staubten kahlen Glühbirnen Platz zu einem delektablen Unterhaltungsac­ gemacht. Doch die gräßlichste Wand­ cessoire, zu einem Hofnarr der sich lung war auf dem Tisch vor sich immer noch majestätisch gerierenden gegangen. Das schneeige Tafeltuch war u~•terscheidungseinheit namens „Wirk• fort; statt der Silberschüssel, worin auf lichkeit/Wahn". knusprigem Brot das Rebhuhn geduftet hatte, stand vor mir ein Telleraas Stein­ gut; darauf lag ein unappetitlicher grau­ 3) Die Repression einer Repression brauner Breiklumpen; er blieb an der Zinngabel kleben, deren edler Silber­ In dem Roman „Der futurologische Kon­ glanz gleichfalls erloschen. Zu Eis greß" (FFM 1979, zuerst 1972, p107ff.) erstarrt, blickte ich auf die Scheußlich• von Stanislav Lern klärt ein Professor keit, die ich mir eben noch hatte Trottelreiner den Romanhelden ljon schmecken lassen, entzückt von dem Tichy über Fortschritte der Pharmakolo- Knistern der gebräunten Geflügelhaut

56 [ ••. ]. Was ich für die Wedel der Palme in über Versenkung, sondern über die einem nahen Kübel gehalten hatte, das Repression einer Repression. Die Ver­ waren in Wirklichkeit die Bänder der hinderung des Zugangs zur reinen, rea­ Unterhose eines Individuums, das len Wirklichkeit wird verhindert; das zusammen mit drei anderen dicht über blockierende Chemaskieren (die Mas­ uns hockte, nicht auf einem Treppen­ kone) wird durch ein weiteres Chemas­ absatz, eher auf einem Wandbrett • so kieren (Antich) blockiert. Dieses Blockie­ schmal und eng war das Gestell. über• ren der Blockade funktioniert bei Lern all herrschte nämlich unerhörtes nur in einer Zeitoase, also nur kurzzei­ Gedränge. Die Augen wollten mir schier tig, als eine Art Drein- oder Zugabe, als aus den Höhlen treten, als das entsetz­ Flüchtiges, das nicht zeitimmun ist - liche Bild erzitterte und sich wieder zu und ist doch der Aufenthaltsort für verwischen begann, wie vom Zauber­ etwas, das man Wahrheit zu nennen stab berührt. Die Hosenbändchen pflegt.'6 neben meinem Gesicht ergrünten und wurden wieder zu blättrigen Palmzwei­ Der Focus dieser Textstelle, daß näm• gen; [ ... ] die schmutzige Tischplatte wur­ lich der Held Einlaß findet in eine Kurz­ de weiß wie von erstem Schnee. [ ... ] Ich oder Flüchtigkeits-Zeit, in der er unfähig blickte auf meine Füße; das Stroh ver­ wird zu vergessen, was sich unter der wandelte sich in Perser. Die Welt des Lang- oder Beständigkeits-Zeit alles Luxus [d.i. die einzig menschlich aus­ tarnt, hat seine (darf man sagen: komi­ haltbare; B.T.] hatte mich wieder; sche?) Entsprechung im Verhältnis von schwer keuchend starrte ich auf die Vergessen und Erinnern, betrachtet aus üppige Rebhuhnbrust, unfähig zu ver• einer systemtheoretischen Perspektive: gessen, was sich darunter tarnte [kursiv ,.Ein System, das über Gedächtnis ver­ von mir, B.T.]". ,.'Nun erst beginnen sie fügt, diskriminiert laufend zwischen Ver­ die Wirklichkeit zu erfassen', flüsterte gessen und Erinnern. Es ist strukturell · Trottel reiner vertraulich." (und zwar durch das Gedächtnis selbst) genötigt, ständig zu vergessen, um Trotz aller Grauenhaftigkeit: das setting Kapazitäten für die Neuaufnahme von dieser Szene ist optimistisch. Es geht Information freizubekommen, denn voll­ davon aus, daß Wirklichkeit so etwas ständiges Erinnern würde in kürzester wie einen Kern besitzt, der weder durch Zeit zur vollständigen Selbstblockierung Chemaskierung noch viel wichtiger, führen. Aber diese Leistung der Repres­ durch De-Chemaskierung tangierbar ist. sion kann ausnahmsweise inhibiert wer­ Es geht davon aus, daß es noch einen den, wenn es sich aus externen oder Draht, eine Unvermittelheit gibt zwi­ internen Gründen anbietet, Identitäten schen Wirklichkeitstatbestand und Wirk­ zu kondensieren und bei Bedarf aufzu­ lichkeitstatbestandwahrnehmung. Je rufen. Erinnerung ist also eine reflexive vakanter, je beliebiger sich die Ver­ Leistung, ist Repression der Repression, kopplungen von Bildern der Wirklichkeit denn nur so kann das System sich auf mit der Wirklichkeit der Bilder dartun, dem laufenden halten."11 Was einen bei desto stärker wird hier die Überzeu• Luhmann auf dem laufenden hält, treibt gung, daß es noch eine Verkopplung einen bei Lern fast in die Erstarrung, in gibt, die für etwas wie eine 1-zu-1-Abbil­ die Kataplexie, wirft einen um, führt dung einsteht. Diese Abbildungssituati­ einen nicht dazu, nun endlich die Wirk­ on, diese Entsprechung der Wirklichkeit lichkeit zu erfassen, sondern eher dazu, und Gegenwart des Wahrnehmungspro­ von der unvergeßlichen Wirklichkeit zesses mit der Wirklichkeit und Gegen­ erfaßt zu werden. Ist bei Luhmann die wart der Wahrnehmungsgegenstände zeitweilige Unfähigkeit, zu vergessen, (als eine Art passive Synthesis ä la Garant für den Realitätsgehalt des Pro­ Kant), läuft nicht mehr einfach über zessierens der System-Umwelt-Differenz Kontemplation, über so etwas wie ein des Systems, so bei Lern Garant für die buddhistisches Achtsamkeitsritual oder Gewißheit, daß eben dieses Prozessie•

57 ren nur deswegen funktioniert, weil es nung als eigentliches movens der in einen vollständig getarnten, vor­ ganzen (Staats-)Aktion. Camouflage tut getäuschten Wirklichkeitshintergrund so, als läge es in der Entscheidungsge­ eingebettet ist. walt bestimmter Akteure, wählen zu können zwischen zwei Formen der Wirk­ Gute Camouflage schafft es, für einen lichkeit: der präsenten, anwesenden, mehr oder weniger langen Moment die sichtbaren, gegenwärtigen Tarnungs­ Vorgetäuschtheit des Wirklichkeitshin­ und Verbergungswirklichkeit, und der tergrundes als fiktive Figur vor-, und die noch unnachvollziehbar repräsentierten, fiktive Figur des Camouflierenden als abwesenden, unsichtbaren, nicht gegen­ Hintergrund einzustellen: sie schafft es wärtigen (sondern meist zukünftigen, so lange, wie die berüchtigten autore­ ent-täuschten) Wirklichkeit. flexiven Potentiale der Kunst nicht auf sich treffen. Treffen sie auf sich, dann Eine geniale Narrativierung dieser Wahl­ ist es vorbei: Man schaut plötzlich auf freiheit gibt das Hörspiel „Der Simulant" die Uhr, hat Hunger, denkt an den von Wolfgang Graetz, das die Perfidie Nachhauseweg usw. Man tritt aus der eines solchen Versuchs „nach" Objekti­ Camouflage-Zeit aus und wieder in die vität oder gar Wahrheit zeigt, die über der „Normalität" ein, wissend, daß die­ den camouflierten Umweg in Sicht se Grenze aus/ein jetzt, noch mit der kommt: Wahrheit wäre logisch oder Camouflage-Erfahrung im Gesicht, mit zumindest soziologisch an Verkennung, mehr Verdacht als sonst bedeutet wer­ an Nichtintersubjektivität gebunden. Im den kann, aber auch wissend, daß mor­ Hörspiel geht es darum, das Verhalten gen wieder ein anderer Tag ist. eines Menschen in einem Atombuncker während und nach einer atomaren Kata­ strophe zu erforschen. Der Probant ist 4) Dissimilation, Dissimulation, Disse­ (in der Überzeugung, schon Versuchs­ mination person zu sein) einige Tage mit Funk­ verbindung zu den Experimentatoren in Nach dieser Kontextierung der Camouf­ einem Atombuncker. Die Verbindung lage kann man mit einem vermeintli­ wird abgebrochen, und schon bildet er chen Wortspiel fortfahren, das sich wie sich ein, nicht mehr bloß als Versuchs­ selbstverständlich ergibt, hört man das person in diesem Buncker bzw. in die­ Wort Camouflage mit postmodernen sem Experiment zu sein, sondern als Aufnahmegeräten ab: Camouflieren Mensch, der einer atomaren Katastro­ gehört zu den modernsten Mitteln der phe im Atombuncker beiwohnt (er führt Verdunklung einer Einsicht, die da lau­ also den Kontaktabbruch auf Katastro­ tet: daß alle Versuche, entweder etwas phe zurück). Genau in diesem Moment, zu dissimilieren oder zu assimilieren, als sich die Person nicht mehr als Strategien sind, die der soziokulturellen Objekt eines Experiments versteht, wird Materie eigenen Dissemination zu dis­ sie zum Objekt des Experiments. Genau simulieren. Wer camoufliert oder einer in dem Moment, als aus Sicht der Ver­ Camouflage aufsitzt, verkennt (nach der suchsperson das Experiment aufhört, postmodernen Aufnahmeart), daß auch beginnt es. Das Experiment beginnt, noch so sublime entähnlichungs-, täu• weil die Experimentatoren beim Pro­ schungs-, vertauschungs- und diffe­ banden den evidenten Eindruck einer renzbestimmte Vorhaben letztlich Filia­ Wirklichkeit (hier: die Katastrophe) len einer höheren Art des Verbergens erzeugen konnten, der auch die Experi­ sind: daß es nämlich nichts zu verber­ menatoren selbst willenlos ausgesetzt gen gibt resp. das Nichts zu verbergen sind. An die Objektivität kommt man gilt. Die Gegenwart einer Tarnung hier nur mittels perfidester Täuschung garantiert (ohne daß wir das wollen (Simulation) heran. Die eindeutige Posi­ oder nicht wollen können) die Annah­ tion der camouflierenden Experimenta­ me eines Abwesenden hinter der Tar- toren, die letztlich doch alles im Griff

58 haben, läßt sich heutzutage wohl nur einem In-die-Wahrnehmung-Fallen und noch in fiktionalen Wirklichkeiten wie einem Von-Wahrnehmung-strikt-Abse­ dem Hörspiel denkend einnehmen; für hen. Das ist modern und konnte durch­ die reale Wirklichkeit des Künstlers ist aus in einer moralischen Superintegrität sie uneinhol- und wahrscheinlich unbe­ verortet werden, wie sie -mal wieder - setzbar geworden. Adorno paraphrasierte: .,Kunst wird human in dem Augenblick, da sie den Gelungene Camouflage beginnt da, wo Dienst kündigt. Unvereinbar ist ihre Rekonstruktionsversuche der ihr Aus­ Humanität mit jeglicher Ideologie des gesetzten, also der Rezipienten, auf­ Dienstes am Menschen. Treue hält sie hören, eindeutig eine Intention, eine den Menschen allein durch Inhumanität 8 gewollte Absicht, eine Ursache auszu­ gegen sie. "' • Wenn Kunst experimen­ machen. Das camouflierte Präsentierte telle Erwiderung der nicht mehr direkt wird im strengsten Sinne herrenlos, wil­ eingehenden Erfahrung einer zerplat­ lenlos; es wird zum Stachel des Wahr­ zenden Wirklichkeit zu sein beabsich­ nehmenden, der nicht mehr in der Lage tigte, dann war es konsequent, gleich­ ist, Wahrgenommenes direkt zu dizipli­ sam die Erfahrungsverarbeitungsformen nieren mit der selbstgewissen Frage mit platzen zu lassen: nur so, also qua 'Was soll es bedeuten?', weil es Produkt operationaler Negativität, wurde ein­ eines Absichtsuniversums ist: und sei sehbar, wie wenig einsehbar, wie wenig es nur dasjenige eines Künstlers, der in wirklich das ist, was Wirklichkeit seinen Produkten dezidiert Absicht ver­ geheißen. nichtet wissen will. Gelungene Camouf­ lage heißt: Der Hörer verliert das Ver­ Aber was und wie ist wirklich Wirklich­ trauen in die Befragbarkeit des Werkes keit? Eine alte Frage, die keine neuen und das Vertrauen in die Deduzierbar­ Antworten mehr zu provozieren scheint. keit des Gehörten aus den Vorstellun­ Für den Radikalen Konstruktivismus gen des Autors. Er sieht sich auf sich oder die operative Beobachtertheorie, rückgeworfen. - Der Gegner der Camouf­ die nur noch nach dem Wie und nicht lage ist also die Bedeutbarkeit des ihm mehr nach dem Was zu fragen gewillt Vorgesetzten; will Camouflage gelingen, sind, ist der Unterschied zwischen fik­ muß sie es schaffen, die Frage nach der tionaler und wirklicher Realität opera­ Bedeutung des vorgestellten, begrenz­ tional überhaupt nicht mehr auffindbar. ten „Kunstwerkes" abzulösen durch die Die operationale, Pro- und Retentionen Frage nach der Bedeutung der gerade Aufenthalt bietende Gegenwart der Fest­ gegenwärtigen sozialen Situation, in der stellung gegenwartsbefreiter, zeitraum­ das Camouflierende und die dem Aus­ befreiter und vom Zwang zur Anwesen­ gesetzten nicht mehr durch irgendeinen heit befreiter Wirklichkeit als Hauptele­ Code getrennt sind. Das Ziel der ment der theoretischen Betrachtung zu Camouflage: Der Wahrnehmende tritt in wählen heißt definitiv, auf Begrifflich­ Gegnerschaft zu seinen Haftungen des keiten verzichten zu müssen, die durch Bedeutens, erkennt die kontingente ihren Einsatz so etwas wie eine Markier­ Bezüglichkeit zwischen Wahrneh­ barkeit von Grenzen zwischen Täu• mungsgegenstand und dem, was er schung und Enttäuschung, Verbergung dafür empfindend, hörend, reflektie­ (Prozeß) und Verborgenes (abwesende rend, sehend, letztlich konstruierend Wirklichkeit), Fiktion und Realität, Ima­ hält. überzeugt Camouflage, dann ver­ gination und Realisation imaginieren. setzt sie den ihr Ausgesetzten in die Was mit dieser Denkweise auf dem Lage, innerhalb dieser Zeit, in der die Spiel steht, ist das Diktum, daß „die Frage nach dem Was der Wahrnehmung Schlüsselposition des Subjekts in der mit der Frage des Wie des Wahrneh­ Erkenntnis die Erfahrung ist, nicht die 9 mens zu tanzen beginnen, selbst zu Form"' • oszillieren zwischen admiratio und reductio, also zu schwanken zwischen Man könnte diesem paradigmatischen

59 Verneinen der Möglichkeit, daß Simula­ hier auf den Menschen konvergiert wird, tion, Dissimulation etc. als Strategien aufhalten. realer Wirklichkeit benutzt werden kön• nen, leicht mit unakademischer Verve Bleibt man aber gleichsam im Reservat begegnen: 'Jeder Satz, dessen Aussage theoretischen Reflektierens und möch• auf sich hält, hat zu tun mit dem, was te auch hier den Gehalt der Erfahrung wirklich ist, egal, ob die Wirklichkeit als movens aller applizierten Formen sich jenseits des Denkens und Schrei­ behalten, dann wird die Gegenrede bens des Satzes aufhält oder nur im Akt kompliziert. Auch die Camouflage muß des Aussagens. Noch die frei erfunden­ sich daraufhin befragen lassen, ob sie ste, also die nicht gefundene Aussage als Modus der Subversion, des Wirk­ hat Anhalt bzw. anhalten müssen in der lichkeit-Testens, des Kontingent­ einen Wirklichkeit, in der wir essen, Machens nicht schon längst antiquiert atmen, steuern zahlen, sterben, töten ist, wenn es stimmen sollte, daß die oder fern sehen.' Die Bemühungen, die Wirklichkeit längst schon Strategie der Wirklichkeit in in sich inkommensurable in Indifferenz grundierten Simulation Welten zu splitten, um dem Zerbröseln sei. Von einer Agonie des (nichtlacan­ der großen vereinheitlichenden schen) Realen 20 auszugehen heißt, Beschreibungsprogramme von Wirklich­ Camouflagetechniken der Affirmation zu keit ein quasi retardierendes Moment subordinieren, heißt, der Camouflage beizugeben, sind an ihr Ende gekom­ zuzusehen als etwas, das so tut, als ob men, das sich nun zum Glück auch es noch ein "Als-ob"" zu inszenieren theoretisch einholt: All die Relativisten, fähig sei, während doch schon lange Neonomologisten, Systemtheoretiker dasjenige, das sich nur hinter dem "Als­ und Radikalen Konstruktivisten beken­ ob" zu verstecken weiß, sich in die Pro­ nen nun - freilich nicht explizit - öffent• zedur der Als-ob-Inszenierung verwan­ lich, was jedem einzelnen von ihnen delt hat. etwa nach dem Ausschalten des Com­ puters, an dem sie schreiben, selbst• Der Sicht, daß Camouflage nicht nur verständlich dünkt: das Bier, das sie nichts verbirgt oder täuscht und damit trinken, der Fernsehapparat, den sie dem Verborgenen, dem Getäuschten einschalten, das Telefon, durch das sie erst ein Wirklichkeits-, ein Vorhanden• sprechen, die Kneipe, in die sie gehen, heitszertifikat ausstellt, sondern eine das Buch, das sie noch anlesen: alles Angelegenheit reiner Selbstreferenz ist, ist in der gleichen Wirklichkeit. Und dies die ihr selbst verborgen bleibt, so daß nicht nur für sie: für alle. Die Welten der sie weiterhin so tun kann, als gäbe es Wirklichkeit sind anders, unbestreitbar: etwas zu verbergen (während doch nur Die einen gehen essen, andere werden eines verborgen bleiben muß: daß es erschossen; die einen flanieren, die nichts mehr zu verbergen gibt), dieser anderen laufen um ihr Leben: die einen Sicht könnte man leicht etwas folgen­ arbeiten am Schreibtisch, andere unter der Art entgegnen: 'Affirmation heißt, barbarischen Zuständen: die einen ver­ jeglichen normativen, kontextuellen, suchen zu denken, die andern sich zu sozialen und vorallem politökonomi• betäuben. Man darf hier getrost fort­ schen Hintergrund, der letztlich nicht zu setzen und damit dem Vielen Reverenz hintergehen ist, als oppositionell zur erweisen - manchem wird sicher die Dif­ Selbstschaffung zu akzeptieren, also als ferenz Arbeit/Kapital fehlen in der Auf­ nicht überwindungsbedürftig. Sie ist die zählung -: gewiß ist allen Welten, daß Hoffnung, daß solcher Hintergrund, der sie sich in der Welt geistig-kultureller zumeist in Systemen auftritt, durch Lebensformen, in der Sozialität, in der Implosion, durch Übersättigung, durch Gesellschaft, in der zweiten Natur, in Affirmation sich auflöst in eine vieldi­ der wissenschaftlich-technologischen mensionale Unbezüglichkeit, Unverein­ Zivilisation oder wie dergleichen barkeit und Differenziertheit, die nicht Umschreibungen für den Umstand, daß nur Entropie, sondern Negentropie

60 erschaffen. Leerlaufende Biographien in dem Etikett "liberaler Ironiker" ohn' einer sozialen Wüstenlandschaft als Unterlaß empfohlen wird als Alternati­ Figuren eines Hintergrundes, der durch ve zur schizoiden Persönlichkeit in der technokratische, systemische, kapitali­ zerfallenden Moderne? Wenn promi­ stische Texte, ~ächte und Strukturen nente Systemtheoretiker wie Niklas Luh­ aufgebaut ist: Das ist der Rahmen eines mann und Peter Fuchs beinahe gleich­ Denkens, das, wie es J. Ph. Reemtsma sinnig konstatieren müssen, daß erst für das sozialistische Denken konsta­ durch eine reelle Lüge des Systems tiert, seinen geschichtlichen und seinen Systembildung 'klappt' und die Arbeit subjektiven Bezugsrahmen verloren hat. des Systemtheoretikers, ja, generell jedes Erkennenden darin liegt, Täu• "Nicht wir selbst haben theoretisch den schung auf Zeit hinzubekommen? Wenn Gebrauchswert aufgegeben, das System schließlich Ranulph Glanville feststellt, hat ihn vielmehr durch Überproduktion daß wir in einer Welt der Interaktion zur Strecke gebracht. (••• ) In der über• leben, "in der wir distinguierte und triebenen Überspannung einer ununter­ exakte Lügen erzählen und nichts ande­ brochenen Zirkulation und einer unauf­ res erzählen können"23? - Wir wissen es, hörlichen Aktualität verlieren die Gesell­ nach dem Gesagten klar ersichtlich, schaften den Faden ihrer Entwicklung ... nicht. Aber: Vielleicht kann man es auch . Die Zähler der Geschichte sind im nicht wissen oder, weniger fundamen­ Osten beim Kommunismus, im Westen tal gesagt: Vielleicht ist Camouflage bei einer in ihrem eigenen Auswuchs etwas, wovon man nicht sprechen kann. gefangenen 'libertären' Gesellschaft ste­ hengeblieben. Unter solchen Umstän• Aber darüber schweigen muß man nur, den gibt es für orginelle politische Stra­ um der Musik zuzuhören. tegien überhaupt keinen Einsatz mehr. (.. ) Wie in einer verallgemeinerten entro­ pischen Bewegung des Jahrhunderts zerfällt die anfängliche Energie langsam in immer feinsinnigere Verzweigungen strukturaler, pikturaler, ideologischer, linguistischer, psychoanalytischer Umwälzungen - die letztendliche Kon­ figuration, die der 'Postmoderne', bezeichnet ohne Zweifel die herunter­ gekommenste, die künstlichste, die eklektischste Phase - ; ein häppchen• weiser Fetischismus aller partialen Sig­ nifikanten, der deutlicheren Idole und Zeichen, die diesem Fetischismus vor­ hergingen. " 22

Wozu, nach all den Sätzen, also noch Camouflage? Wozu noch transparente oder auch intransparente Camouflage betreiben und kritisieren, wenn doch schon längst die Ausarbeitung eines psychosozialen Persön lieh keitsprofils vorliegt, das nichts anderes als eine Übersetzung des Camouflierens ins all­ tägliche Leben und dem dort statt­ findenden Ausdrücken, Darstellen, Beziehungknüpfen und Interpretieren zu leisten hat und von Richard Rorty mit

61 1 Man kann 'die' auch so beschreiben res ... öffnen". Diese Aussage scheint wie P.Sloterdijk (Kritik der zynischen allerdings nicht Flussers Hauptmotiv zu Vernunft, 2Bde., Franakfurt/M. 1983, sein, um historisches Denken aufzuge­ Bd.2, S. 400): Als etablierte und fest­ ben. Vielmehr scheinen ihn die durch gefahrene Menschen, die sich in ihrem dieses Denken angerichteten Zer­ Reich des Desillusionismus eingerichtet störungen dazu zu bringen (S. 39). haben und im postmodern Kynischen, s M. Polanyi, Implizites Wissen, Frank­ im Wegwerfen der real verwirklichten furt/M. 1985, S. 37. Aufklärung durchaus erkennen, daß 6 Th. W. Adorno, Negative Dialektik, GS, "was Wahres dran ist", aber mit der Bd.6, Frankfurt/M. 1982, S. 373. Unterdrückung weitermachen. "Sie wis­ 7 Jorge Luis Borges, Werke in 20 Bän• sen von nun an, was sie tun". den, hg. von G. Haefs und F. Arnold, 2 J.-F.Lyotard, Beantwortung der Frage: FFM 1992, Bd. 16, S. 106. Was ist postmodern?- In: P. Engelmann 8 Edgar Allan Poe, Das gesamte Werk in (Hg.), Postmoderne und Dekonstrukti­ 10 Bänden, hg. von K. Schumann und on - Texte französischer Philosophen H. D. Müller, o.O. 1979, Bd.2, S. 695. der Gegenwart, 1990, S. 33-48 (S.48). 9 a. a. 0., S. 697. 3 Historische Zeit soll heißen: Geschich­ 10 Wir meinen damit nicht den per se te als Begriff, der Abstand nehmen kann Doppelcodierung betreibenden und als von den Sequenzen, auf die Zeit begrif­ Doppelagent fungierenden postmoder­ flich angewendet wird; Geschichte als nen 'Künstler' im Sinne Jencks', der, um Sonderfall des Sonderfalls Zeit inner­ das Exoterisch-Werden esoterischer halb der Sinndimension (N.Luhmann, Avantgarde-Werte bewerkstelligen zu Soziale Systeme, Frankfurt/M. 1984, S. können, in populäre Verpackungen ein­ 118). Verlangt die Konstitution von steigen muß und damit auch wieder per Geschichte, den Abstand zur Sequenz se einem Schmuggel-, manchmal auch zeitlicher Ereignisse zur Reduktion und Schmuddelverdacht ausgesetzt ist. nichtbeliebigen sinnhaften Kombination 11 N.Luhmann, Soziale Systeme, Frank­ von Zeitdimensionen zu nutzen, dann furt/M. 1984, S. 207f. muß gegenwärtig die Abwesenheit der 12 Versuche haben nämlich gezeigt, daß Geschichte konstatiert werden, da Zu­ die Grundfrequenz im Spektrogramm und Rückgriffe auf alles Vergangene flankiert wird von einer ganzen Schar und alles Zukünftige völlig unlimitiert harmonischer Formanten, die mit einer und Sinnkombinationen ereignislos zu Intensität von bis zu 17% der Grundfre­ bleiben scheinen. quenz auftreten. Verschiebt man nun " 'Wir': Natürlich eine Worthülse. V.Flus­ die Grundfrequenz, dann treten ser (Die Schrift, Göttingen 1987, S. 24) deckungsähnliche Spektrogramme auf, möchte etwa ganz und gar Abschied wenn sich die Reizfrequenzen im Ver­ nehmen von Geschichte als Schreiben hältnis 1 zu 2 (in der Oktave) und im von Geschichte: .,Erst mit dem Auf­ Verhältnis 1 zu 3 (in der Quinte) halten. schreiben ist das historische Bewußt• Die „phytagoreische" Harmonie findet sein auf Touren gekommen. (.. ) Wie sich also schon im Ohr statt; sie ist im Auf­ gegenwärtig herauszustellen beginnt, ist bau der Haarzellen innerhalb der Basi­ das ununterbrochene Aufschreiben, der larmembran abgebildet. Kopien dieser ununterbrochene und sich zunehmend Profile werden an die Hirnrinde weiter­ beschleunigende Fortschritt, eine Sache geleitet, die als zweiter Decodierungs­ der Apparate. (.. ) Infolgedessen können ort fungiert und zusammen mit der wir den Fortschritt, das historische Den­ Steinzeithimerregung die physiologische ken und Handeln, den Apparaten über• Grundlage für die obengenannte Schön• lassen, sie tun dies besser. Und wir heit der Klänge bildet. können uns von der ganzen Geschichte befreien, ihr nur zusehen, uns für ande-

62 13 Die ersten drei sind: Das Bild ist Grund eines idealistischen Positivismus, Reflex tieferliegender Realität (Ordnung Neudruck der 9./10. Aufl. 1927, Aalen des Sakraments}; das Bild maskiert und 1986. denaturiert tieferliegende Realität (Ord­ 22 J.Baudrillard, Die magersüchtigen Rui­ nung des Verfluchens); das Bild mas­ nen, in: D.Kamper/Chr.Wulf (Hg.), Rück• kiert die Abwesenheit tieferliegender blick auf das Ende der Geschichte, Mün• Realität (Ordnung der Zauberei). chen 1990, S. 80-93 (S. 89).

J.Baudrillard, Agonie des Realen, 2 3 Ranulph Glanville, Objekte, Berlin 1978, s. 15. 1988, S. 192. Was man tun kann, wenn 14 S.Zizek, Der erhabenste aller Hysteri­ man dies nicht akzeptiert, so Glanville, ker. Psychoanalyse und die Philosophie wolle er in einem Aufsatz namens „lee• des deutschen Idealismus, 2., erw. Aufl., re" erkunden, der sich direkt an den jet­ Wien 1992, S. 78. zigen Aufsatz anschliesse. Man sieht 1s J.Baudrillard, Agonie des Realen, zwei leere Seiten. a.a.O., S. 25; bezogen auf die Produk­ tion von reflexiven Kulturzeichen und Gegenbegrifflichkeiten s. a. N.Luhmann, Die Realität der Massenmedien, 2., erw. Aufl., 1996, S. 154f. 16 Mit einer sicherlich nicht mehr ganz stimmigen Unterscheidung von Wahr­ heit und Täuschung ließe sich dem­ gemäß eine Auffassung von der Beständigkeit und des Sich-selbst-Ein­ stellens nüchterner Wirklichkeit vertre­ ten, die mit der Unterschiebung des Bleibenden als des Wahren den Anfang der Wahrheit als Anfang der Täuschung trans- bzw. deformiert sieht. Es wäre also "ein Fehlschluß, was dauert, sei wahrer, als was vergeht" (Th.W.Adorno, Zur Metakritik der Erkenntnistheorie. Studien über Husserl und die phäno• menologischen Antinomien, FFM 1970, s. 25). 17 N.Luhmann, Kultur als historischer Begriff, in: ders., Gesellschaftsstruktur und Semantik. Studien zur Wissensso­ ziologie der modernen Gesellschaft, Bd.4, Frankfurt/M. 1995, S. 31-54 (S. 45f.). 18 Th. W. Adorno, Ästhetische Theorie, Bd.7 d. GS, Frankfurt/M. 1970, S. 293.

19 Th.W.Adorno, Bd. 10/2 der GS, FFM 1977, s. 752. 20 J.Baudrillard, Agonie des Realen, a.a.O., S. 35ff. 21 Immer noch Standardwerk: H. Vaihin­ ger, Die Philosophie des Als Ob. System der theoretischen, praktischen und reli­ giösen Fiktionen der Menschheit auf

63 es die Strategie der Camouflage, dieses Spiel in die Alltagsrealität selbst zu pla­ Camouflage zieren. Kunst, die sich heute so oft allein durch ihre wie auch immer ver­ - die Schein­ standene Differenz gegenüber der Rea­ lität definiert, geht einen weiteren losigkeit des Schritt auf ihr eigenes Verschwinden zu. Die Strategie der Camouflage insistiert noch einmal auf der Einsicht, daß nur Scheins das Publikum die Kunst vor dem Ver­ schwinden bewahrt. Denn es ist das Von Sabine Sanio Publikum, das die Kunst - und schließ• lich auch die der Camouflage - immer wieder und an allen möglichen und Lange Zeit bezeichnete man eine der unmöglichen Orten entdeckt. wichtigsten Strömungen der Kunst im 20. Jahrhundert als Anti-Kunst. Dies war Ganz ähnlich wie eine alte chinesische insofern treffend, als es bei dieser Geschichte die Vollkommenheit eines Kunst - erkennbar etwa in den Werken Malers damit belegt, daß er schließlich Duchamps, der Dadaisten und der Sur­ in sein eigenes Bild hineinwandert und realisten - ganz ausschließlich darauf darin verschwindet, so versucht diese anzukommen scheint, daß die gewohn­ Kunst, die schon längst keine Abbildung ten Erwartungen unterlaufen werden. der Realitat mehr betreibt, in dieser zu Die Dynamik des ästhetischen Diskur­ verschwinden. Oszillierend zwischen ses soll durch Objekte oder Phänome• Anti-Kunst und Camouflage scheint hier ne beschleunigt werden, die in keiner allein die in sich schillernde Differenz Weise die üblichen Kriterien für Kunst gegenüber der Realität den Kunstcha­ erfüllen können. Der bekannteste Pro­ rakter auszumachen. Doch auch die tagonist dieser Strategie ist Duchamp, Kunst der Camuflage kann es nicht las­ andere Dadaisten verfolgten ähnliche sen, den Rezipienten mit kleinen Hin­ Überlegungen, Warhol, die Pop-Art, weisen hinter sich her zu locken. Als Cage und Fluxus radikalisierten in vie­ treuer Gefolgsmann folgt er ihr auf dem lerlei Hinsicht seine Einsichten. Fuße und sichert zumindest ihre Spu­ ren. Dabei muß es unentschieden blei­ Heute ist deutlich, daß bei allen denk­ ben, ob es für den Rezipienten über• baren Einwänden diese Kunstauffas­ haupt noch darum gehen kann, diese sung das Besondere und Charakteristi­ Kunst als Kunst zu identifizieren. Deg­ sche der Kunst unseres Jahrhunderts radiert er sich doch damit zum Erfül• ausmacht. Wie produktiv ihre Herange­ lungsgehilfe des Künstlers und hensweise an ästhetische Phänomene beschränkt sich darauf, blindlings den ist, beweist allein, daß sich hier, obwohl von diesem gelegten Fährten zu folgen. seit Dada und Duchamp ständig vom endgültigen Erreichen der Grenze zur Einen Anhaltspunkt für die Frage nach absoluten Reduktion des Ästhetischen dem Sinn und Ziel einer Reise, die sich geredet wird, noch immer Entwicklun­ den vom Künstler gelegten Spuren gen mit neuen, unbekannten und über• anvertraut, bietet überraschenderweise raschenden Perspektiven beobachten die aus der klassischen Ästhetik stam­ lassen. mende Kategorie des ästhetischen Scheins. Mit Hilfe dieser Kategorie läßt Eine der neuesten Strategien findet sich sich nämlich die Kontinuität einer The­ in der Camouflage, im Wörterbuch als matik zeigen, die auch noch bei den ,.Irreführung, Täuschung, Tarnung" aktuellsten Versuchen, die ästhetische erläutert. Im Spiel mit dem Verwischen Grenze zu unterlaufen, virulent ist. Denn der Differenz von Kunst und Realität ist sie bereits begründet sowohl die Diffe-

64 renz als auch die Ununterscheidbarkeit In der Kritik der Urteilskraft beschäftigt von Kunst und Realität. sich Kant mit der Frage, wie wir die ausgezeichneten Wirklichkeitsformen des Schönen und des Erhabenen erfah­ Schein - ein Rezeptionsphänomen? ren. Im Unterschied zu anderen Erfah­ rungen ist - wie hier am Beispiel des Die Kategorie des Scheins ist eine Schönen gezeigt werden soll - ein Wahrnehmungskategorie. Damit ver­ Moment der Irritation charakteristisch, weist sie auf die Dimension. durch die das sich daraus erklärt, daß sich das sich die Kunst Hegel zufolge von Refle­ Schöne dem Zugriff des Verstandes xion und Philosophie unterscheidet. entzieht und sich die gewohnte Orien­ Insofern stellt Duchamp das traditio­ tierung in der Situation verhindert. nelle Kunstverständnis am radikalsten damit in Frage, daß er der sinnlichen Als Kriterium des Naturschönen, von Seite der Kunst im Vergleich zu ihrer dem seine Überlegungen ihren Aus­ intellektuellen Dimension jede Bedeu­ gang nehmen, bestimmt Kant die for­ tung abspricht.' Zugleich stellt jedoch male Zweckmäßigkeit: Zweckmäßigkeit die ästhetische Kategorie des Scheins ohne Zweck. Diese formale Zweck­ auch die Wahrheit und Wirklichkeit mäßigkeit ist eine subjektive Bestim­ unserer Wahrnehmungen in Frage. Des­ mung, die der einzelne als Überein• halb kann die Auseinandersetzung mit stimmung des Gegenstandes mit den intellektuellen Fragen in der Kunst ihren eigenen Erkenntnisvermögen wahr­ Ausgang von den sinnlichen Phänome• nimmt/ Durch diese Übereinstimmung nen nehmen. Denn die intellektuelle treten die Erkenntnisvermögen, näm• Dimension der Kunst besteht in Strate­ lich Einbildungskraft, die das Mannig­ gien, die Vieldeutigkeit dieser Phä• faltige der Anschauung zusammen­ nomene erkennbar zu machen. Dies setzt, und Verstand, der die Einheit geschieht auf der Basis einer Theorie, des die Vorstellungen vereinigenden deren Zentrum die Kategorie des ästhe• Begriffs herstellt.3 miteinander in ein , tischen Scheins bildet. wie es bei Kant heißt, freies Spiel, das zeitlich tendenziell unbegrenzt ist. Vor­ Zwar war es Hegel, der gezeigt hat, daß aussetzung dafür ist auf der Seite des diese Kategorie wie keine andere in der ästhetischen Subjekts allein dessen ästhetischen Theorie der philosophi­ Interesselosigkeit, die einen Zustand schen Reflexion würdig ist. Dennoch fin­ der Freiheit gegenüber den Wahrneh­ den sich die für eine Strategie der mungsgegenständen ermöglicht und in Camouflage entscheidenden Überlegun• gewisser Weise der formalen Zweck­ gen philosophischer Ästhetik zum mäßigkeit dieser Gegenstände ent­ ästhetischen Schein nicht bei ihm, son­ spricht. dern bei Kant. Denn während es Hegel vor allem darum zu tun war, die schil­ Diese Rolle der formalen Zweckmäßig• lernde Beziehung des bloß sinnlich keit im Prozeß der ästhetischen Urteils­ scheinenden Kunstwerks zur höheren bildung erhellt auch Kants Haltung Wirklichkeit der Idee klarzustellen, geht gegenüber dem Begriff des Scheins. Kant von der ästhetischen Erfahrung Denn der Begriff der Zweckmäßigkeit aus. Im Zentrum seiner Überlegungen bezeichnet den schillernden Charakter steht die Erkenntnis, daß die ästheti• des Gegenstandes, für den kein Begriff sche Erfahrung ihren Reiz und ihre existiert, obwohl alles an ihm auf einen Intensität in erstaunlichem Maße aus Zweck, der ihm zuzuschreiben wäre, der Schwierigkeit bezieht, das Kunst­ hinweist. Diese paradoxe Unbestimmt­ werk, als zweiter, gewissermaßen in heit des ästhetischen Gegenstandes Parenthese gesetzte Realität von der setzt den üblichen Wahrnehmungspro­ ersten, ganz handfesten empirischen zeß außer Kraft, der den Gegenstand Realität zu unterscheiden. unter einen Begriff bringt und an des-

65 sen Ende dieser Gegenstand für den zweiter Potenz, denn formale Zweck­ Betrachtenden alles Interesse verliert. mäßigkeit läßt sich einem intentional hergestellten Gegenstand nicht ohne Im Gegensatz zum üblichen Subsum­ weiteres zusprechen. Umgekehrt könn• tionsprozeß kann Kant zufolge in der te man jedoch die Herstellung eines ästhetischen Erfahrung trotz des Schei­ Gegenstandes, der keinen Zweck erken­ terns der Subsumtion, die Lust an der nen läßt, und dennoch zweckmäßig bloßen Zweckmäßigkeit, das Spiel der erscheint, auch als nochmals gesteiger­ Erkenntnisvermögen über längere Zeit te Paradoxie der formalen Zweck­ aufrechterhalten. Der Verstand wendet mäßigkeit verstehen. Schönheit und sich immer wieder zurück an die Einbil­ Faszinationskraft des Gegenstandes dungskraft, die ihm einzelne aufeinan­ sind in dieser Paradoxie begründet. der abgestimmt scheinende Elemente liefert und so die lustvoll erlebte Vor­ Kant hat gewissermaßen den klassi­ stellung der Zweckmäßigkeit reprodu­ schen Scheinbegriff entfaltet, demzufol­ ziert. So kommt es zu einer ungewöhn• ge Kunst und Wirklichkeit oder Natur lich genauen Wahrnehmung des Gegen­ nicht voneinander zu unterscheiden standes mit allen seinen Qualitäten, sind. Doch Kant geht es nicht um eine und schließlich auch zu einer bewußten Kunst, die mit der empirischen Realität Wahrnehmung der eigenen Wahrneh­ konkurriert. Zwar soll die Kunst mög• mungsformen und -fähigkeiten.4 So lichst so natürlich scheinen, wie es die erhellt Kants prägnante Konzeption der sinnliche Wirklichkeit immer schon ist. zwecklosen Zweckmäßigkeit das Oszil­ Doch es kommt dabei nicht darauf an, lieren des Schönen ebenso wie den den Betrachter über den Status des Begriff des Scheins. ästhetischen Objekts als eines von Men­ schen gemachten zu täuschen. Vielmehr Nach Kant besitzt allein das Genie die kann die Intensität der ästhetischen Fähigkeit, den Schein der Authentizität Erfahrung gerade durch das Wissen des einfach Vorhandenen zu erzeugen. gesteigert werden, daß dieses so natür• Das Genie entnimmt die Regeln für die lich Scheinende ganz bewußt hergestellt Kunstproduktion der Natur, so daß sei­ wurde. ne Werke im Gegensatz zu den profa­ nen Gegenständen des täglichen Von allen ästhetischen Theorien the­ Lebens, die immer ihre Funktion zeigen, matisiert diejenige Kants vielleicht am zwecklos zu sein scheinen. Gelungen ist deutlichsten das Moment der Irritation ein Kunstwerk für Kant deshalb dann, im Prozeß ästhetischer Erfahrung. Die­ wenn es die Nachahmung des Natur­ se Irritation resultiert aus der Unbe­ schönen und dessen ausgezeichneter stimmtheit des ästhetischen Gegen­ Qualität vergessen macht, indem es standes und der Interesselosigkeit des eine ästhetische Idee hervorbringt, die ästhetischen Subjekts, aus dem Fehlen als eine "Vorstellung der Einbildungs­ von festgelegten Zwecken und Intentio­ kraft", wie es bei Kant heißt, "viel zu nen. Die interesselose und zweckfreie denken veranlaßt, ohne daß ihr doch ästhetische Erfahrung gibt Gelegenheit, irgend ein bestimmter Gedanke, d. i. sich dieser Haltung bewußt zu werden. Begriff adäquat sein kann, die folglich Zugleich läßt sich im Verzicht auf die keine Sprache völlig erreicht und ver­ gewohnte begriffliche Subsumtion der ständlich machen kann."s lustvolle Prozeß einer begrifflosen Wahrnehmung erleben. Diese lustvolle Wie das Naturschöne läßt sich daher und zeitlich tendenziell unbegrenzte auch das Kunstwerk nicht auf einen Spiel der Erkenntniskräfte ermöglicht Begriff bringen. Dennoch gilt die Kunst eine Annäherung an vorhandene sinnli­ bei Kant im Unterschied zum Natur­ che Phänomene. schönen, dem ausgezeichneten Para­ digma für das Schöne, nur als Schönes

66 Camouflage - Tarnung des Scheins? Gegenstand der künstlerischen Arbeit ist in diesem Moment nicht mehr der Eine Theorie der ästhetischen Erfahrung, Schein des Nicht-Gemachten, vielmehr die Kants Einsichten in die Bedeutung soll nun der Schein des Nicht-Künstleri• der Unbestimmtheit, der Unbestimm­ schen, von Nicht-Kunst erzeugt werden. barkeit und der Mehrdeutigkeit für die Diese Arbeit bezieht sich allein auf die Kunst fruchtbar zu machen verstünde, aktuellen Erwartungen, was Kunst sei könnte auch ein Verständnis für das und wie sie zu sein habe. Darin besteht Vorgehen von Künstlern erreichen, die der Kurzschluß dieser Konzeption, daß etwa durch die Verwendung von mit sie dem ästhetischen Objekt keine eige­ industriell gefertigten Objekten alle ne Wirklichkeitsdimension mehr beläßt, gewohnten Rezeptionserwartungen so daß sich dessen ästhetische Dimen­ unterlaufen. Denn sie tun nichts ande­ sion allein in der Konfrontation mit den res, als bei der Frage nach dem Kunst­ überkommenen Erwartungen realisiert. charakter ihrer Objekte die gleichen unlösbaren Schwierigkeiten einer Sub­ Man könnte vermuten, diese radikale sumtion unter den Begriff auszulösen, Reduktion des Scheins auf die Proble­ wie sie Kant mit Hilfe seines Begriffs der matik des Ästhetischen selbst müßte Zweckmäßigkeit ohne Zweck beschrie­ den Abschied von der Auseinanderset­ ben hat. zung mit der empirischen Wirklichkeit bedeuten, ohne die bis heute keine Außer Kraft gesetzt ist dabei allerdings Kunst denkbar zu sein scheint. Doch Kants Begriff des Genies, der sich die das Gegenteil ist der Fall. Denn freige­ Regeln seiner Kunstproduktion von der setzt von allen inhaltlichen Bestimmun­ Natur holt. Denn diese Künstler bezie­ gen dessen, wodurch sich Kunst kon­ hen sich in keiner Weise mehr auf eine stituiert, kann der Künstler allein in der wie auch immer als gegeben vorge­ Auseinandersetzung mit der Realität, in stellte Natur. Bezugspunkt sind der er ebenso lebt wie das Publikum, dagegen allein die Vorstellungen des an das sich seine Arbeiten richten, die Publikums darüber, wodurch sich ein Grenze erforschen, die die Realität Gegenstand als Kunst bestimmen lasse. davor bewahrt, Kunst zu werden, und Diesen Künstlern geht es darum, einen die umgekehrt erst Kunst ermöglicht. Kurzschluß der ästhetischen Rezeption Wer mit der Grenze zwischen Kunst und zu provozieren, durch den diese sich Realität spielt, sie unterläuft und ver­ allein auf sich selbst, ihre eigenen wischt, thematisiert immer auch die Erwartungen und Voraussetzungen Realität selbst, insbesondere aber das, zurückgeworfen sieht. Sie erreichen was an ihr den Eindruck des Handfesten dies, indem sie das Schillern zwischen und unumstößlich Gewissen einer frag­ Angemessenheit und Unmöglichkeit losen Realität erzeugt. Die Kunst der begrifflicher Subsumtion allein im Hin­ Camouflage muß daher gerade solche blick auf die Frage provozieren. ob der ganz selbstverständlichen Elemente Gegenstand der ästhetischen Rezeption unserer alltäglichen Wirklichkeit prä• ein ästhetischer Gegenstand, ein Kunst­ sentieren, da sie besonders geeignet zu werk sei. Das Oszillieren ihrer Objekte sein scheinen, den Kontrast gegenüber zwischen Begriff und Begrifflosigkeit den Erwartungen des Publikums und entzündet sich allein an der Frage nach damit die Raffinese der künstlich ver­ ihrem Status als Kunstwerk und der wischten, aber immer noch lesbaren Grenze zwischen Kunst und empirischer Spur der Kunst noch einmal zu steigern. Realität. Es sind nur noch und aus­ Kant entwarf seine Theorie des ästheti• schließlich die Erwartungen des Publi­ schen Urteils in einer Epoche, als für die kums, die die begriffliche Unbestimm­ Hochschätzung der Kunst vor allem ihre barkeitund damit den ästhetischen noch im Schein des Nicht-Gemachten Schein dieser Gegenstände produziert. erkennbare Differenz zur Realität ver­ antwortlich gemacht wurde. Diese Dif-

67 ferenz scheint sich heute, wie Arthur C. Noch einmal - die Wirklichkeit? Danto meint,6 zusehends auf das Wis­ sen um den Unterschied zu reduzieren, Benjamins Rede von der nicht-aurati­ das Wissen, es gerade mit Kunst zu tun schen Kunst im Zeitalter der techni­ zu haben. Nach Dantos Überzeugung schen Reproduzierbarkeit, ursprünglich genügt zur Entfaltung der ästhetischen aus den Erfahrungen mit dem Kino als Dimension eines Phänomens das Wis­ der ersten Massenkultur gewonnen, läßt sen um dessen Kunstcharakter. Viel­ sich, übertragen auf die Probleme der leicht ist für die ästhetische Erfahrung Kunst als Medium der Hochkultur, wirklich dieses Wissen allein entschei­ unmittelbar auf Duchamps Ready-Mades dend. Danto, der an der Qualität des beziehen. Charakteristisch für die Kunst ästhetischen Gegenstandes als Definiti­ in der Hochkultur ist dabei vor allem, ons-Kriterium für Kunst festhält, billigt ihr daß Duchamp im Vergleich zum Kino keine Bedeutung für die Entstehung genau den umgekehrten Weg geht, ästhetischer Erfahrung zu. Doch ganz indem er einzelne Exemplare der Mas­ offensichtlich erzeugt dieses Wissen eine senproduktion herausgreift, diese iso­ Einstellungsänderung gegenüber der liert und in einen Bezirk einbringt, in Situation, die Danto - Kants Ausdruck dem es qua Definition nur Einzelstücke der Interesselosigkeit abwandelnd - als und Originale geben darf. Auf diese Art psychische Distanz zum Geschehen und Weise erzwingt er eine Konfronta­ bezeichnet. tion zwischen der Alltagswirklichkeit unserer modernen Industriegesellschaft Bei der Auseinandersetzung um die Fra­ und der Kunst. Er verdeutlicht so die ge, worum es eigentlich geht bei der paradoxe Situation der Kunst, die bei Suche nach der Grenze von Kunst und ihrer Annäherung an die relevanten The­ Realität, nämlich entweder um eine men ihrer Zeit immer noch auf die Eigenschaft der Dinge oder um eine der längst anachronistisch scheinenden Ver­ Individuen, erschwert die Camouflage in mittlungsformen der Isolierung und einem bisher unbekannten Ausmaß nicht Auratisierung einzelner Objekte ange­ nur die Möglichkeit, diese Unterschei­ wiesen ist. Insofern zieht die künstleri• dung überhaupt zu treffen, auch das sche Verwendung von alltäglichen Gewinnen der gewohnten psychischen Gegenständen und industriell gefertig­ Distanz zum Geschehen wird immer ten Objekten nur die Konsequenz aus schwieriger. Oder ist es einfach so, daß der Veränderung im Charakter unserer sie, versehen mit dem Etikett der neue­ alltäglichen Erfahrung, die kaum noch sten Kunst-Bewegung, umgekehrt den durch Naturerfahrungen, sondern zuse­ Rezipienten dazu zwingt, noch mehr als hends stärker durch Massenproduktion je zuvor ständig auf der Hut zu sein, da und Urbanisierung mit allen ihren er nirgends mehr sicher sein kann, auch Begleiterscheinungen geprägt ist. ohne Bühne, Rahmen oder Einladung zur Vernissage mit Kunst konfrontiert zu Es ist heute ganz offensichtlich vor sein? Das Wissen um die ästhetische Dif­ allem die Erfahrung von extrem rational ferenz müßte dann konsequent unter­ organisierten Arbeitsprozesse, die in bunden werden, Mitteilungen darüber kaum beschreibbarem Ausmaße unsere müßten sich auf die Ankündigung des gesellschaftliche Realität und damit in Fehlens jeder Mitteilung beschränken. eins auch unsere Wirklichkeitsvorstel­ Worauf anderes aber als auf eine Ein­ lung prägen. Der Erfolg dieser Organi­ stellungsänderung gegenüber unserer all­ sation von Arbeitsprozessen beruht auf täglichen Wirklichkeit, einer Desautoma­ der an Naturprozesse gemahnenden tisierung der Wahrnehmung, wie es der Endlosigkeit des Kreislaufs von Pro­ russische Formalist Viktor Sklovskij zu duktion und Konsumtion. Die Produkte Anfang unseres Jahrhunderts nannte, müssen, soll die Produktion nicht zum könnte eine solche Strategie der Erliegen kommen, möglichst direkt ver­ Camouflage zielen? braucht werden. Diese Prozessualisie-

68 rung ist so erfolgreich, daß sie alle bild, die sogar die Arbeit an den eige­ gesellschaftlichen Bereiche erfaßt und nen Ideen und ihre praktische Umset­ ihrer Logik entsprechend transformiert, zung erfaßt, indem die Organisations­ so auch die handwerkliche Herstellung bedingungen des Arbeitsprozesses auch dauerhafter Gebrauchsgüter, die zuse­ die Gestaltung des Produkts selbst hends stärker der Konsumtion unter­ bestimmt. An solchen Arbeitsprozesen worfen und auf Verschleiß angelegt orientiert sich etwa John Cages Prozes­ sind. Auf diese Weise wurde allerdings sualisierung des Ästhetischen, die alle auch das entscheidende gesellschaftli­ Beteiligten, Künstler, Interpreten und che Leitbild der Künstler entwertet, an Rezipienten in einen umfassenden Pro­ dem sich ihre Tätigkeit noch bis ins letz­ zeß integriert. Seine Weiterentwicklung te Jahrhundert orientierte/ dadaistischer Erfahrungen und Einsich• ten zeigt zugleich, wie sich aus der Logik der Arbeitsprozesse eine in sich Doch es deuten sich neue Vorbilder an. schlüssige Alternative zum Kunstwerk Die Extreme benennen Artist und Inge­ formulieren läßt. Fluxus und Happening, nieur. Die Virtuosität des Artisten faszi­ nicht wegzudenken aus der Kunst der niert gerade durch ihre völlige Zweck­ sechziger und siebziger Jahre unseres losigkeit, durch die Hingabe an die ganz Jahrhunderts, sind konsequente Radi­ funktionslose und - nach der ästheti• kalisierungen dieser Konzeption. Sie schen Terminologie - zweckfreie Kör• führen diese Arbeitsprozesse jedoch perbeherrschung. Sie kommt zu ihrer bereits wieder ad absurdum, indem sie paradoxen Vollendung, wenn die Stei­ immer wieder destruktive Tätigkeiten gerung der Virtuosität aufgegeben wird und völlig unorganisiert oder chaotisch und statt dessen höchster künstleri• erscheinende Abläufe mit großer Ernst­ scher Elan das völlige fehlen von Vir­ haftigkeit und Konzentration durch­ tuosität zum Vorschein bringt, etwa bei führen. Vorführungen, die zu zeigen Franz Kafkas Sängerin aus dem Volk der scheinen, daß Kunst ganz ähnlich Mäuse, von der niemand zu sagen ver­ betrieben werden kann wie Teamwork mag, ob sie singt oder pfeift und was im Laboratorium, schlagen urplötzlich ihr Pfeifen von dem andrer Mäuse um in Aktionen, die alles daran setzen, unterscheidet außer die Hingabe, mit die ganze Absurdität erkennbar werden der sie es immer wieder zu Gehör zu lassen, mit der wir uns ständig bringt. Oder wenn umgekehrt in einem abstrakten Organisationsvorgaben Stück von Peter Ablinger, zahlreiche völ• unterwerfen. lig starr geschlagene Metren einen in seiner Unregelmäßigkeit nicht mehr Noch ein weiterer Aspekt ist bei einer erfaßbaren Rhythmus ergeben, der zum Untersuchung der Camouflage als ästhe• ersten Mal wirklich dem Rhythmus des tischer Strategie zu entfalten. Denn die Regens zu ähneln scheint. Gerade aus Camouflage muß nicht zuletzt als wei­ dieser letzte Steigerung der Virtuosität tere Variation des Versuchs interpretiert durch ihre Umkehrung ins gänzlich werden, mimetisch durch bestimmte Unvirtuose zeigt sich die Camouflage Verhaltensweisen die Erstarrung zu am Ende der Fluchtlinie dieses Kunst• bewältigen, die in der modernen Indu­ verständnisses. Denn Kunst, die kein striegesellschaft jede authentische Iden­ besonderes Können mehr verlangt, ist tität bedroht. Zu den ersten und wich­ schon seit langem die vielleicht größte tigsten Gegenständen dieser mimeti­ Provokation für ein konservatives schen Nachahmung zählt die allgegen­ Kunstpublikum, das sich vom Verlust wärtige Wirklichkeit auswechselbarer einfacher und zuverlässiger Unterschei­ Massenprodukte ebenso wie die stän• dungskriterien bedroht sieht. dige Wiederholung fixierter und unver­ änderlicher Abläufe, etwa von Hol­ Demgegenüber dient beim Ingenieur die lywood-Filmen, die nie eine Patina konsequente Rationalisierung als Leit- erhalten, von Werbespots, die die Kin-

69 der auf der Straße nachspielen. Erken­ er die Entlastung von Handlungszwän• nungsmelodien von Sendungen in den gen. Denn damit wird eine Umkehr der Massenmedien, die bei ihren regel­ gewöhnlichen Antriebsrichtung möglich: mäßigen Hörern unwillkürliche Reflexe Ästhetisch kann sich verhalten, wer auslösen. nicht gerade durch Bedürfnisse und Mängelgefühle zur Suche nach Mitteln Dieses mimetische Moment hatte Ador­ zur Befriedigung dieser Bedürfnisse und no ursprünglich in direkten Zusammen­ zur Behebung der Mängel getrieben hang mit dem Prozeß der Naturbeherr­ wird. Statt dessen kann man sich dann schung gebracht, der am Anfang der nämlich einfach den auf die Sinne ein­ Aufklärung steht. In Übertragung von wirkenden und sie stimulierenden Rei­ Adornos Beobachtung ließe sich argu­ zen hingeben, denn die Reaktionen auf mentieren, daß sich der Mensch heute diese Reize können sich auf die lnten­ nicht mehr der Natur, sondern der noch s,v,erung des eigenen Erlebens viel übermächtigeren, nämlich immerhin beschränken. von ihm selbst geschaffenen Zivilisati­ on dadurch zu erwehren versucht, daß Für dieses Erleben spielt neben den er im mimetischen Nachvollzug ein Ver­ Wahrnehmungen • also den Reizen • ständnis, eine Annäherung sucht. die das gewissermaßen reflexive Erleben zumindest Hoffnung auf Bewältigung des eigenen Wahrnehmens eine zentra­ und Ablösung machen könnte. le Rolle. In jedem Fall sind diese Reak­ tionen aus allen funktionalen Lebens­ Adornos Begriff des ästhetischen Ver­ zusammenhängen herausgenommen, haltens verweist auf das mimetische die sie ursprünglich, vor allem als Sti­ Verhalten am Ursprung der Dialektik der mulierung des Fortpflanzungsverhalten, Naturbeherrschung - zugleich Ursprung einmal besessen haben mögen.10 Geh­ von Subjektivität überhaupt, wo Ratio lens Ableitung der stimulierenden Wir­ und Mimesis noch ungetrennt sind. kung dieser Wahrnehmungen aus einer Mimetisches Verhalten ist Hingabe an ursprünglichen Fortpflanzungsfunktion die Natur, doch zugleich überlistet sie zeigt, daß auch er ähnlich wie Adorno die Natur mit ihrer Angleichung. ,.Was ästhetisches Verhalten als ein Rudiment später Subjektivität heißt. sich befrei­ früherer, archaischer Verhaltensformen end von der blinden Angst des Schau­ des Menschen interpretiert. ers ist zugleich dessen eigene Entfal­ tung; nichts ist Leben am Subjekt, als Deshalb muß man allerdings nicht Geh­ daß es erschauert, Reaktion auf den lens klassizistische Kriterien der Klarheit totalen Bann. die ihn transzendiert." und Symmetrie übernehmen, die er in (Adorno 1970, 489) An diesen Schauer einer biologistischen Argumentation für erinnert noch das Glück im ästhetischen natürlich gegeben erklärt. Denn diese Verhalten. Doch dieses ist für Adorno Kriterien beruhen in Wahrheit auf dem zugleich Bedingung für die Möglichkeit Kriterium der Auffälligkeit, das sich in von Kunst und damit eins .ihrer konsti­ keiner Weise biologisch begründen läßt. tutiven Momente: .,Ästhetische Verhal­ Auffällig kann ein Phänomen im Hin­ tensweise ist die Fähigkeit, mehr an den blick auf die Gesamtsituation sein, in Dingen wahrzunehmen, als sie sind; der der es wahrgenommen wird. also im Blick, unter dem, was ist, in Bild sich Vergleich zu anderen Phänomenen in 8 verwandelt. " dieser Situation. Auffälligkeit ist aber auch denkbar im Hinblick auf das Indi­ Eine andere Möglichkeit, ästhetisches viduum in der Situation, also im Ver­ Verhalten direkt aus dem Verhältnis zur gleich zu anderen Erfahrungen, die die­ sinnlich wahrgenommenen Wirklichkeit ses Individuum gemacht hat. Im kon­ abzuleiten, hat Arnold Gehlen gezeigt. kreten Fall sind diese beiden Dimen­ Als Voraussetzung für die Möglichkeit sionen nur schwer voneinander zu tren- zum ästhetischen Verhalten beschreibt

70 nen. Doch grundsätzlich bleibt festzu­ 1 Vgl. Dieter Daniels, Duchamp und die halten, daß Auffälligkeit ein durch und anderen, Köln 1992, S. 71 f. durch relatives Kriterium ist. 2 1. Kant, Kritik der Urteilskraft, hg. v. W. 4 Auch hier wird der Kunst und den Phä• Weischedel, Frankfurt/M. 1979 • Einlei­ nomenen des Ästhetischen also weder tung VII., B XLII f., § 10 f., B 32 f. innere, quasi autonome Substanz noch 3 Vgl. 1. Kant, Kritik der Urteilskraft, a. Gehalt zugesprochen, wie ihn etwa a. 0. § 9, B 28 f. Hegel als sinnliches Erscheinen der Idee 4 Vgl. R. Bubner, Ästhetische Erfahrung, formuliert hatte. Das konstitutive Frankfurt/M. 1989 , S. 35 ff. Moment der Objekte, die für die ästhe• 5 1. Kant, Kritik der Urteilskraft, a. a. 0. tische Erfahrung prädestiniert sind, läßt § 49, B 50 sich vielmehr nur relativ zur Gesamtsi­ 6 tuation beschreiben. Die Strategie der Vgl. Arthur C. Danto, Die Verklärung Camouflage verhält sich dazu als eine des Gewöhnlichen, Frankfurt/M. 1984 , Form der Radikalisierung. Denn die Auf­ s. 46 f. fälligkeit wird nicht nur in ihr Gegenteil 7 Vgl. hierzu und zu den Konsequenzen verkehrt, sondern damit zugleich auf für Kunst und Künstler besonders die das Heraustreiben feinster Unterschie­ Ausführungen von Hannah Arendt, die de fixiert, die erst die Differenz zur frag­ nachdrücklich auf die Veränderungen losen Präsenz der vertrauten Alltags­ des gesellschaftlichen Lebens durch die gegenstände erkennbar werden läßt. unaufhaltsam erscheinende Ausbreitung des Arbeitsprozesses auf alle gesell­ Die Kunst, dies zeigt die Camouflage schaftlichen Bereiche aufmerksam vielleicht in letzter, radikaler Konse­ macht. Hannah Arendt, Vita Activa oder quenz, hat keine Kriterien für das, was vom tätigen leben, München 1981, bes. Wirklichkeit ausmacht. Doch sie kon­ Kap. 3 u. 4 frontiert uns ständig mit der Frage nach 8Th. W. Adorno, Ästhetische Theorie, der Wirklichkeit. Sie provoziert damit Frankfurt/M. 1970, S. 488 eine Haltung, die noch in den alltäg• 9 Vgl. Arnold Gehlen, Über instinktives lichsten Situationen an die Offenheit Ansprechen auf Wahrnehmungen. In: dieser Frage erinnert, die immer wieder ders., Anthropologische Forschung, gestellt werden muß. Diese Frage zu Reinbek 1961, 104 - 126, bes. 12 stellen, verlangt, sich von der Realität, von der allgemeinen Lebenssituation als 10 Vgl. H. Arendt, Vom leben des Gei­ ganzer zu distanzieren. Diese Distanz­ stes, Bd. 2, Das Wollen, München 1989, nahme ist seit der Zeit des klassischen S.208 - 226 griechischen Theaters und seiner Zuschauer immer wieder als Grundvor­ aussetzung für das ästhetische Wohl­ gefallen beschrieben worden.'0 Mit ihr spielt die Camouflage noch dort, wo sie dem Publikum diese Distanz unmöglich zu machen scheint.

71 geschmiedeter, ebenso großer mensch­ licher Kopf. .,Wir haben die Halle hier", Feuer im erklärt Ernesto, der Initiator der Gruppe „für sieben Tage gemietet, um in dieser Kopf Zeit ein mehrdimensionales Bild fertig­ zustellen. Bröllin ist für uns ein mit Von Hans Geißlinger künstlerischer Energie aufgeladener Platz, fern ab vom lärm moderner Zei­ ten - genau das, was wir brauchen." „Man kann" meint ein älterer He", nach den Eindrücken der vergangenen Nacht Im Zentrum des Innenhofes steht ein gefragt, ,,was man hier erlebt hat kei­ zum Halbkreis gebogenes, gewaltiges nem Menschen wirklich vermitteln. Stahlgerippe - ehemalige Kulisse einer Wenn ich nach Hause komme und mei­ Berliner Theateranstalt. Die Skulptur nen Bekannten, Freunden oder meiner markiert zugleich den Platz um die zen­ Familie darüber berichten soll, was hier trale Feuerstelle. So es das Wetter abgegangen ist.•. wenn ich anfange und zuläßt, trifft man sich hier zum all­ sage, paß auf, da war so ein Ereignis abendlichen Palaver. Dann entfaltet das mit einem Kopf. .. Nein. Ich glaube, ich idyllische Gemäuer seine nächtlichen laß'es lieber!" Reize und die Phantasie eines jeden kann in das Spiel von licht und Schat­ Irgendwo im Nord-Osten Deutschlands, ten eintauchen. nahe der polnischen Grenze, weit weg An diesem Abend jedoch, dem Beginn von jeder Großstadt liegt ein halbver­ unserer Erzählung, geschieht etwas fallenes, ehemaliges Rittergut: Bröllin. Unerwartetes. Kurz nach Mitternacht Das Herz der Anlage bildet eine alte biegt ein Reisebus auf das abgelegene Schloßruine. Der daran angegliederte Gelände und bleibt unmittelbar neben Landwirtschaftsbetrieb beherbergte zu der Feuerstätte stehen. Die Türen des DDR-Zeiten eine große LPG und davor Busses öffnen sich, vierzig Leute, nebst einen Gutshof. In den mächtigen, aus Reiseleitung, drücken ihre Nasen an die Natursteinquadern gebauten Scheunen Fensterscheiben - doch niemand steigt und Siloanlagen befindet sich allerdings aus. Während die Brölliner, wie vom weder Korn noch Mais. Die um einen Blitz getroffen, mit offenen Mündern auf zentralen Innenplatz gelagerten Gebäu• das Fahrzeug starren, wagen es die de haben Künstler und Theatermacher Insassen des Busses nicht, diesen zu aus der Berliner Szene nach dem Fall verlassen. Zu obskur, zu fremd, zu der Mauer zweckentfremdet: Hier wird feindlich erscheint ihnen die um das vor den Augen der bäuerlichen Nach­ Feuer sitzende, zum Teil glatzköpfige, barn Kunst produziert. Ein ideales mit zerrissenen Lederjacken bekleidete Umfeld um neue Formen von Theater, Gesellschaft da draußen - am Ende der Musik und Malerei zu suchen und zu Welt. Erst als der Busfahrer die seitlich finden. angebrachten Gepäckklappen öffnet In der größten Halle des Gutes gastiert und dutzende, sauber gestapelter z. Z. eine dreiköpfige Künstlergruppe Lederkoffer auf das Pflaster des Hofes aus Berlin, die ein Bild zum Leben purzeln, kommt Bewegung in die Sze­ erwecken will. Für die Umsetzung die­ ne. Minuten später springt der Motor ser ungewöhnlichen Idee sind ein Maler, an, der Bus dreht, taucht erneut in die ein Metall- und ein Feuerkünstler vor Dunkelheit ein und verschwindet. zwei Tagen mit einem LKW angereist. Zurück bleibt ein Berg aus Koffern und Die Größe ihres Fahrzeugs resultiert aus Taschen; daneben - eine völlig fas­ der Größe der Utensilien, die sie mitge­ sungslose Reisegruppe. bracht und in der Halle installiert haben: ein mehrere Meter hohes Bild Die idyllische Ruhe von Bröllin ist (Öl auf Holz) und ein aus Rundstahl schlagartig gestört. Die Reisenden ver-

72 halten sich widersprüchlich. Während erst einmal Reisende ohne Ziel. Auf der den einen das nächtliche Schloß mit Suche nach einem Telefon, machten sie seinen Bewohnern immer noch unheim­ schließlich bei einer etwas herunterge­ lich vorkommt, verhandeln andere kommenen Kneipe halt - die einzige, die bereits um ein Quartier für die Nacht. um diese Zeit noch offen hatte. Bruchstückhaft ist zu erfahren, daß es Während die Reiseleitung telefonierte sich um Werbeleute aus Hamburg han­ oder es zumindest versuchte, kamen delt. Mit der Organisation eines Mee­ einige Frauen aus der Gruppe mit zwei tings in der Nähe von Parsewalk ist Gästen ins Gespräch. Die beiden Män• irgendetwas schiefgelaufen und nun ner erklärten, daß sie nicht weit von sucht man ein Notquartier. Obwohl die hier, in einer Art Künstlerkommune Überraschung der Hofbewohner der wohnen würden. Sie boten den Frauen ihrer Gäste in nichts nachsteht, erwei­ (im weiteren Verlauf der Unterhaltung sen sich die Brölliner als gastfreundlich. auch dem Rest der Gruppe) die Mög• Die von ihnen kurzerhand hervorge­ lichkeit an, provisorisch bei ihnen für kramten Matratzen und Schlafsäcke rei­ eine Nacht unterzukommen. chen den Überraschungsgästen aus ,,Na ja," erklärt die Hamburgerin ach­ Hamburg für ein einfaches Nachtlager. selzuckend „viel Wahl hatten wir ja nicht. Der Busfahrer mußte weiter, woll­ ,,Wir sind wurzellos! Vertriebene!"' kom­ te uns so schnell wie möglich loswer­ mentiert eine knapp fünfzigjährige Ham­ den und wir waren völlig erschöpft. burgerin die Situation, immer noch nicht Zudem war es schon sehr spät, weit fassend, in was sie da hineingeraten ist. über Mitternacht. Von dem Weg hierher ,,Eigentlich wollten wir... " will ich gar nicht reden. Eine einzige Eigentlich, so stellt sich im weiteren Katastrophe. Die Reiseleitung hat natür• Verlauf des Gespräches heraus, war ein lich ganz schön was abbekommen. Ich über drei Tage gehendes Meeting meine, die Leute waren echt sauer, weil geplant. Auf der Suche nach einem eben nichts. aber auch gar nichts Tagungsort wurde ein Berliner Reise­ geklappt hat." büro damit beauftragt, ein Luxushotel im Osten Deutschlands ausfindig zu In dieser Nacht schlafen fünfzig Men­ machen. Man fand und buchte ein schen, die eigentlich auf etwas ganz Schloßhotel mit allem was verlangt wur­ anderes eingestellt waren, in Schlaf­ de: Südzimmer mit Balkonen, marmo­ säcke verpackt, auf dem Boden eines rierte Bäder mit vergoldeten Armaturen, ehemaligen Kornspeichers. In der glei­ Reit-, Golf- und Tennisplätze. Auch eine chen Nacht spaltet sich die Gruppe der dreistündige Fahrt in einem Fesselbal­ Hofbewohner in zwei Fraktionen: lon war als Teil des obligatorischen Pro­ Während die einen die eingetretene gramms geplant. Kein Wunsch sollte Situation spannend oder zumindest offen bleiben. interessant finden, fühlen sich die ande­ „Wir sind dann etwa sechs bis sieben ren durch die Anwesenheit der Gäste Stunden gefahren", erklärt die Hambur­ eher belästigt, vereinzelt sogar bedroht. ger Werbefachfrau weiter, ,,viel länger „Ich komme mir vor", meint ein auf als vorgesehen, bis wir schließlich in dem Hof wohnender Designer „wie im unserem Hotel ankamen. Eine wunder­ Zoo. Das ist genau das wovor ich wahn­ schöne Schloßanlage. Doch was stellte sinnig Panik habe." sich heraus?! Es lag keine Buchung vor!! Das muß man sich mal vorstellen! Wir Bei Tage betrachtet erweisen sich die kommen da an, fünfzig Leute mit ihrem sanitären Anlagen - zwei Plumpsklos ganzen Gepäck und • es liegt keine und eine Dusche • für über achtzig Buchung vor!!"' Menschen als völlig unzulänglich und Der Reisegruppe blieb zunächst nichts die eigentlich geplanten Workshops, anderes übrig, als das Etablissement wie auch Reiten, Tennis oder Ballon­ wieder zu verlassen. Damit waren sie fahren an diesem Ort nicht durchführ-

73 bar. Einige wollen daher lieber sofort worden, aber ..• " als später das Gelände wieder verlassen "Und jetzt", fällt ein Dritter ins Wort und versuchen, dem lückenhaften ost­ ,.wollen wir uns einkaufen lassen - deutschen Funknetz zum Trotz, eine oder?!" Verbindung zur Außenwelt herzustellen: "Hallo!? Gerd? Kannst du mich hören? "Es wäre doch total unbefriedigend", Jetzt?! O.K.?! Ich bin hier in ••. Hallo? Hal­ erklärt zur gleichen Zeit auf der gegen­ lo!?" überliegenden Seite des Gutshofes ein Ob Gerd, Marianne oder Phillip, wen etwas älterer Herr in Anzug und Kra­ immer man nach endlosen Versuchen watte "wenn wir jetzt einfach abbre­ tatsächlich an die Funkstrippe chen, in den Bus steigen und nach bekommt, das Glück währt kurz. Die Hamburg zurückfahren würden. Da hät• Verbindung aufrechtzuerhalten bis eine ten wir doch ein absolut mieses plausible Erklärung abgegeben ist, Gefühl." erweist sich als undurchführbar. ,.Ich habe von Anfang an gesagt", Während einige Unermüdliche noch widerspricht die neben ihm stehende immer damit beschäftigt sind, die Frau, "daß ich mich hier nicht wohl füh• Antennen ihrer Funktelefone hilfesu­ le. Ich würde die nächsten Tage hier chend in den Himmel zu strecken, biegt nicht überstehen! Wir sollten wenig­ ein schwerer Sattelschlepper auf das stens irgendwohin, wo man nicht stän• Gelände ein: Bevor jemand begreift, dig in der Sonne, also überall und nir­ was hier vor sich geht, wird ein großer gends ist. Ich für meinen Teil fühle mich Dusch- und Toilettencontainer mittels hier tierisch unwohl." eines Krans auf dem Platz installiert. .,Kannst du denn", ruft jemand dazwi­ Der Fahrer läßt sich von einem der schen „dem Ganzen nichts abgewin­ umstehenden Beobachter seine Liefe­ nen?" rung quittieren und lenkt den Truck ,,Nein, das kann ich nicht!" ohne weiteren Kommentar wieder vom „Ich meine", beschwichtigt ein Kollege Gelände auf die Landstraße zurück. „wir sollten wenigstens versuchen, uns Eine Aktion mit doppelter Konsequenz, zu integrieren. Vielleicht ist das die ein­ denn, in dem Verhältnis, wie sich eini­ zige Möglichkeit, mit dieser Geschichte ge der Hamburger nun total überfahren hier irgendwie fertig zu werden." fühlen - schließlich wollen sie abreisen und nicht bleiben -, sieht die Mehrheit Bis zu diesem Zeitpunkt gab es man­ der Brölliner in dem Container das Sym­ chen Hamburger, der an der Echtheit bol einer Besetzung schlechthin.1 Die der bisherigen Ereignisse so seine Zwei­ Situation droht zu eskalieren. Umge­ fel hatte. Schließlich war man aus der hend berufen beide Seiten an verschie­ Werbebranche und damit einiges denen Orten Vollversammlungen ein. gewöhnt. Doch allen bisherigen Ver• dachtsmomenten und Vermutungen .,Nehmen wir doch nur die Tatsache", zum Trotz, die Wut der Hofbewohner meint ein Hofbewohner sichtlich aufge­ war echt - genauso echt, wie der jetzt bracht, "daß da jetzt quasi über Nacht, unmittelbar von ihnen angekündigte mitten auf unserem Gelände, so ein blö• Rausschmiß. Daran gab es nicht den der Container steht. Hier wird von einer geringsten Zweifel. ,,Ich staune", erklärt Sekunde auf die andere ein Zustand ein junger Hamburger kopfschüttelnd, manifestiert und kontinuisiert. Aber kei­ ,.daß die Leute hier noch so ruhig sind. ner findet es wert, uns überhaupt zu Ich hätte uns an ihrer Stelle längst raus­ fragen." geworfen. Wir waren Asylsuchende! "Wenn die Reiseleitung", entgegnet ein Dafür haben sich einige von uns, gelin­ anderer „der Meinung ist, daß sie inner­ de gesagt, nicht besonders benom­ halb von drei Stunden einen Wasch­ men." und Toilettencontainer braucht, dann sind wir eben in diesem Punkt überollt Nach langen, intensiven und wider-

74 sprüchlichen Debatten auf beiden Sei­ überrascht. Oft hat man ja das Gefühl, ten, entsenden die Gäste aus Hamburg wenn einem jemand sagt, du siehst einen Delegierten zum Plenum der Gast­ dem oder dem ähnlich", sie zeigt auf geber: ,,Wir haben uns zusammenge­ eine im Wurzelgeflecht hängende Frau, setzt und von unserer Seite her nun klar ,,dann findet man das selbst überhaupt Schiff gemacht: wir sind hier Gast, das nicht. Aber ich kam heute nachmittag ist kein Hotel und es geht verdammt da rein ... und habe mich irgendwo ... noch mal um Integration. Es wird von selbst schon wiedererkannt. Das ist ja uns abgewaschen, aufgeräumt, nichts in nicht so ganz alltäglich." Anspruch genommen, was nicht wieder Auch ein anderer Mitarbeiter stellt bereinigt werden kann ... " Änlichkeiten zwischen sich und einer „Die Ziele", entgegnet daraufhin jemand Person auf dem Bild fest. aus den Reihen der Brölliner, ,,die ihr ,,Mittlerweile", meint die Hamburgerin, verfolgt, sind nicht unsere Ziele. Im „war ich zum zweiten Mal da und finde Grunde seid ihr so etwas wie unsere es einfach total schön." natürlichen Feinde'. Aber wir sehen auch eure Situation. Für uns kommen Während ein Teil der Hofbewohner den ein paar Mark in die Kasse und dann ist Gästen zunehmend näherkommt, es gut." wächst bei anderen auch Mißmut und Kritik. ,,Der Maler", bemerkt ein Brölli• Zu Gast sein auf Schloß Bröllin, heißt ner verärgert, ,,ist nahe daran, sein Pro­ selbst Hand anlegen bei den Alltäglich• jekt zu verschieben, weil er unter die­ keiten. Hier wird unter einfachen Bedin­ sen Bedingungen einfach nicht arbeiten gungen gelebt, dafür abseits vom Groß• kann. Der fühlt sich massiv gestört. Da stadtlärm, in ländlicher Idylle. Die Ham­ kommen alle fünf Minuten irgendwelche burger Marketing- und Werbefachleute, Leute in die Halle und fragen: Warum die mit ganz anderen Erwartungen an macht ihr das? Könnt ihr überhaupt ihr Meeting aufgebrochen waren, pas­ davon leben? Wollt ihr kein Geld ver­ sen sich den Gegebenheiten des Hofes dienen? Derart schwachsinnige Fragen! erstaunlich zügig an. Sogar die geplan­ Anstatt auf den Inhalt zu gehen und das ten Workshops und Arbeitsgruppen Bild zu betrachten. Nein, es geht um können durchgeführt werden. Die Pau­ ganz banale Dinge, die diese Leute sen, die zwischen dem leicht abgeän• bewegen: Geld verdienen; Anerken­ derten Tagungsprogramm freibleiben, nung; was für einen Eindruck mache ich werden von vielen genützt, um einen - Schauspiel!" Blick in die umliegenden Ateliers zu werfen. Die Gelegenheit ist günstig, Inzwischen ist es Abend geworden. Vie­ arbeitenden Künstlern einmal direkt le haben sich in der Mitte des Platzes über die Schulter zu schauen. in kleinen Gruppen um ein Feuer nie­ dergelassen. Die Stimmung ist friedlich. Das in der großen Halle hängende Bild Man unterhält sich, trinkt Wein. stößt bei vielen Gästen auf besonderes „Es tut mir leid, aber unsere morgige Interesse. Es zeigt eine riesige mensch­ Aktion kann so nicht durchgeführt wer­ liche Gestalt, die entschlossen in eine den." Ernesto, der Maler, hat sich aus Landschaft greift, um die Decke der der Dunkelheit kommend auf eine Kiste Vegetation hochzureißen. Das dabei neben dem Feuer gestellt: ,,Wir haben freigelegte, unterirdische Wurzelwerk heute den ganzen Tag über das Atelier läßt ein kopfähnliches Gebilde erken­ offen gelassen. Natürlich kamen ständig nen, in dem acht menschliche Gestalten Leute rein, die uns danach gefragt hängend ein Gesicht ergeben. haben, was wir denn verdienen und ob „Ich kam einfach da rein", meint eine man eigentlich so leben kann von der Teilnehmerin der Hamburger Reise­ Kunst. Wir haben auch Antworten gege­ gruppe, ,,sah das Bild, und hatte sofort ben, in der Hoffnung, es würde sich ein beklemmendes Gefühl. Ich war total beruhigen. Doch es beruhigt sich nicht,

75 die Störungen gehen weiter. Ich ersu­ einem Gesicht zu werden. Genau diesen che euch deshalb jetzt mit mir in die Moment wollen wir in die Wirklichkeit große Halle zu kommen - das wäre holen: Ist es möglich, aus acht Körpern mein Angebot." Ohne eine weitere ein Gesicht zu formen; ein Gesicht, des­ Erklärungen oder eine Antwort abzu­ sen Ausdruck mit dem des Bildes - für warten, verschwindet der Maler, wie er einen Augenblick - zusammenfällt?" Der gekommen war. Maler macht eine Pause. Dann: "Die abschließende Frage an euch wäre: Wer Eine neugierige, langsam anwachsende ist bereit, morgen auf diesen Kopf zu Gruppe aus Hofbewohnern wie Gästen steigen, seinen eigenen Körper mit sie­ versammelt sich in der Halle. ben anderen zu einem einzigen Aus­ "Ihr befindet euch", beginnt der Künst• druck zu verweben?" ler nun langsam, fast feierlich zu spre­ chen "hier im Innenraum eines Labora­ In dieser Nacht finden die Gespräche toriums. Wir haben die letzten Tage am Feuer kein Ende. Alles Laute ist über eine Versuchsanordnung aufge­ einem gedämpften Flüsterton gewichen. baut um dieses Bild", er deutet auf das Wo ist man hier gelandet? Was geht große, einem Altarbild gleichende hier vor? Hinter den fehlenden Annehm­ Gemälde „morgen zum Leben zu lichkeiten des Alltags verborgen, liegt erwecken." eine Faszination auf diesem Hof, eine Das anfängliche, leise Getuschel der Magie, die jeden einzelnen spürbarer Zuhörer weicht konzentrierter Stille. und entschlossener zu greifen beginnt. "Die unglaubliche auf uns einstürzende Bilderflut hat uns schon soweit von der längst sind Tennis- und Golfschläger in ursprünglichen Bildmagie einer stein• irgendwelche Ecke gestellt und verges• zeitlichen Höhlenmalerei entfernt, daß sen. Auch an die Schlafsäcke mit ihrem Bild und Dekoration beinahe dasselbe komplizierten Ein- und Ausstieg hat geworden sind. Nahezu nichts ist man sich gewöhnt. Die Batterien der geblieben vom beschwörenden Zauber Funktelefone sind leer, die Geräte lie­ der Jagdbilder. Wer braucht heutzutage gen achtlos zwischen Kleidungsstücken schon wirklich ein Bild? Wer wandert am Boden. Auf den dicken, den noch zwischen Bild und Wirklichkeit • Kornspeicher durchziehenden Tauen wie Dorian Grey?" hängen Handtücher zum Trocknen. Jetzt ist nur mehr die Stimme des Während ein Teil der Gäste mit den Hof­ Künstlers zu hören; sie schwebt im bewohnern das Frühstück vorbereitet, Raum, führt, gleich dem Stab eines Diri­ joggen andere durch den Wald. Um genten, die lautlosen Gedanken der 10.00 Uhr beginnen die Workshops. Es anderen: .,Wenn das Bild, das im Kopf ist fast so etwas wie Alltag eingekehrt eines Malers entsteht, ein noch nicht - an einem ungewöhnlichen Ort, in geschehenes Ereignis voraussetzt, dann ungewöhnlicher Gesellschaft. müßte es auch möglich sein, dieses Auch die Vorbereitungen für die abend­ Ereignis mit Hilfe des Bildes in die Wirk­ lichen Aktionen haben begonnen. Acht lichkeit zu holen. Wir haben diese Personen sind der Einladung des Malers Skulptur hier gebaut", der Künstler zeigt nachgekommen; Hamburger wie Brölli• auf den eisernen Kopf, "um das auf ner haben sich bereit erklärt, bei der dem Bild Dargestellte nachstellen zu Erarbeitung des dreidimensionalen Bil­ können. Statt Wurzeln - Stahl. Ein Kopf des mitzuwirken. Im Verlauf des Tages als Stahlgerippe, das von einem Kran in kommen weitere Vorbereitungsarbeiten die Höhe gezogen werden soll." Sein außerhalb der Halle hinzu, greifen auf Blick schweift über die Reihen der Zuhö• das Geschehen des Hofes über. rer; dann, erneut zum Bild zurück: .,Das Während einige den auf dem Gelände aus dem Inneren der Erde emporgeris­ befindlichen Baukran wieder gangbar sene Wurzelgeflecht bedarf der in ihm machen, um damit den Kopf in die hängenden menschlichen Körper, um zu Höhe ziehen zu können, kümmern sich

76 andere um die Präparation der Feuer­ Kopf im Wind, zwingt jeden der Beob­ stelle, installieren Scheinwerfer oder achter für einen Moment in sein Blick­ helfen, den Stahlkopf mit petroleum­ feld, ergreift ihn, fängt ihn ein. Es liegt getränkten Leinen zu umwickeln. Ein etwas Unsagbares in diesem Augen­ alles und alle erfassender atmosphäri• blick, etwas Dämonisches, dem sich kei­ scher Sog entsteht. ner zu entziehen vermag. Schließlich Da der Kran aus eigener Kraft nicht fah­ ändert der Kran die Richtung, bringt sei­ ren kann, werden Schiffstaue geholt. ne menschliche Fracht langsam und über hundert Leute ziehen (inwischen behutsam wieder zur Erde zurück. sind auch Bauern aus dem nahen Dorf hinzugekommen) in einer "ägyptisch" Der Feuerkünstler tritt nach vorne und anmutenden Aktion das vierzig Tonnen bläst eine gewaltige Flamme durch den schwere Gerät mit gemeinsamer Kraft eisernen Mund. In Sekundenschnelle zum zentralen Feuerplatz. züngelt sich das Feuer am Stahlkopf empor, vereinigt sich zu einem einzigen Die Abenddämmerung bricht ein. Nur die gesamte Skulptur umhüllenden die Künstlercrew und die acht Personen, Flammenmeer. Vor dem Hintergrund die das Gesicht des Kopfes darstellen des Nachthimmels, gewinnen die Flam­ werden, befinden sich im Raum. Die Flü• men an Gestalt, lassen ein Gesicht geltore der großen Halle öffnen sich; erkennen; ein archaisches Feuergesicht, warmes, weiches Licht fällt aus dem dessen Ausdruck - jede Sekunde wech­ Inneren auf den inzwischen dunkelge­ selnd - alles in seinen Bann schlägt. wordenen Hof. Während acht Leute den Irgendwann brennen nur mehr Augen großen Kopf auf ihren Schultern zum und Mund. Schließlich erlöschen auch Kran im Zentrum des Platzes tragen, sie und dichter, weißer Rauch fällt schreiten alle anderen durch die stähler• schwer wie Regen zu Boden herab. ne Theaterkulisse hindurch zur Feuer­ stelle. Gregorianische Gesänge legen Die Menge löst sich auf. Die Menschen sich über die Landschaft. versickern in der Dunkelheit, wollen mit sich alleine sein. Viele haben Tränen in "Ich würde euch jetzt bitten nach vorne den Augen. Eine schwere Stille legt sich zu kommen", der Maler zeigt auf ein über den nun menschenleeren Platz. entfachtes Feuer, "und einen Gegen­ Nur der Wind ist zu hören, der sich in stand, der einem persönlich etwas der noch qualmenden Skulptur verfängt. bedeutet, den Flammen zu übergeben." Irgendwann kommen die ersten wieder Einige werfen ihre Uhren ins Feuer, zurück, lösen sich aus ihrer Vereinze­ andere ihre Jahresplaner mit den lung, tauchen auf im Licht und liegen zurückliegenden und den kommenden sich gegenseitig in den Armen. Alle Terminen. Talismänner, Geldscheine Unterschiede, Gegensätze und Ideolo­ und Briefe gehen in den Flammen auf. gien verblassen vor dem gemeinsam Erlebten. Später, weit über Mitternacht, Dann spannt sich das Seil. Der Kran beginnen die ersten zu tanzen, dann zieht den Kopf mit acht darin verfange­ alle - vor dem großen Gemälde in der nen Menschen in den Nachthimmel. Das Halle; ein dionysischer Tanz, bis in die Bild verändert sich ... Die Körper begin­ frühen Morgenstunden. nen miteinander in Beziehung zu treten, werden zu Lippen, zu Augen, zur Nase ... Je mehr der Stahlkopf an Höhe gewinnt, Zurück in den Alltäglichkeiten um so klarer erscheinen die Konturen eines Gesichts, dessen Ausdruck sich Nach der Rückkehr aus Bröllin sind zwei immer mehr dem des großen Gemäldes Hamburger Firmen über Tage hinweg in der Halle nähert. lahmgelegt. Die Schilderungen und Erzählungen ihrer Mitarbeiter nehmen langsam, kaum merklich dreht sich der kein Ende. Auch Fragen und Gerüchte

77 machen die Runde. Indizien, daß die Auszüge aus der Versammlung/Ton­ Sache vielleicht nicht so war, wie bandprotokoll ursprünglich gedacht, häufen sich. Zwei kurz vor der Reise eingestellte Prakti­ .. Wir können das alles nicht mehr nach­ kantinnen tauchen nicht mehr auf. Man vollziehen. Einige stellen jetzt einfach stellt fest. daß das ursprünglich gebuch­ alles in Frage, haben jegliche Orientie­ te Hotel für die Gruppe viel zu klein rung verloren ... " gewesen wäre. Es hätte weder die nöti• ge Zimmerkapazität gehabt, noch einen ., ... und jetzt erfahre ich plötzlich, daß entsprechenden Konferenzraum. Mehr gelogen wurde. Ich weiß überhaupt Informationen fließen zusammen; der nicht mehr, was ich glauben soll!" eine hört dies, der andere das ... „Ich denke, daß es Situationen in Noch am gleichen Abend, unmittelbar denen ich sage, ich bin Opfer gewesen, nach der Abfahrt der Hamburger, erle­ für mich einfach nicht mehr gibt. Jeder ben die Bewohner Bröllins einen „Rea• steht in seiner Verantwortung, hat sei­ litätsschock". Als die Gruppe um den nen Anteil an der Sache." Maler bekanntgibt, daß es sich bei den gesamten Vorkommnissen der letzten .. Wenn ich jetzt weiß, daß alles insze­ Tage - von der Ankunft des Busses bis niert war, dann fühle ich mich derart zur Feuerperformance • um eine Insze­ verarscht! Ich habe eine Zehn-Dollar­ nierung gehandelt hat, beginnt eine hef­ Note in diesen Scheiterhaufen gewor­ tige, die ganze Nacht über, bis zum fen!" Morgengrauen gehende Auseinander­ setzung. Einige fühlen sich zutiefst ver­ „Jeder Mensch hat seine Grenzen, seine letzt, andere schwärmen von der Gewal­ eigene Privatheit. Wenn ich die öffne, tigkeit der Aktion. Die Diskussion um dann nur, weil ich dem anderen ver­ Kunst und Wahrheit, Fälschung und traue; wenn ich also sage, es ist so, Sinn droht die Gruppe zu zerreißen ... weil es so hätte sein müssen. 11

In Hamburg werden alle Beteiligten „ Vielleicht habt ihr mein ganzes Leben nach vier Tagen der echten und durcheinandergebracht und ich wollte falschen Beweisaufnahme zu einem es gar nicht!!" gemeinsamen Treffen gebeten. Klarheit soll her über die Frage nach Wahrheit „Ich habe gelernt, daß viel mehr im und Zufall, Inszenierung und Realität, Menschen steckt, als sich oberflächlich Kunst und Kommerz. Und vor allem - zeigt. Die Frage ist, darf ich an solche wozu das Ganze? Bereiche ran?"

,,Ich für meinen Teil hätte keiner einzi­ gen Intervention weniger bedurft, sonst hätte ich einfach wieder zugemacht. Ich brauchte das, in jedem einzelnen Punkt, um mich derart öffnen zu können. 11

78 Wo fängt ein Bild an, wo hört es aut? 1 Sämtliche im Text auftauchenden, in Anführungsstriche gesetzten Erklärun• Ist es möglich, Menschen so in ein Bild gen bzw. Dialoge sind authentische mitzunehmen, daß es Teil ihrer Wirk­ Zitate aus Interviews, die von einem lichkeit wird? Daß sie das Dargestellte Kamerateam vor Ort aufgezeichnet wur­ in einer übersetzten Form erleben und den. damit am Schaffensprozeß selbst betei­ ligt sind? Das war der Grundgedanke 2 Der Grund dafür war, wie später in der Aktion und nur eine Ausnahmesi­ Erfahrung gebracht werden konnte, eine tuation konnte den Boden dafür berei­ versehentliche Doppelbuchung von Sei­ ten. Sie herzustellen bedurfte des Akts ten der Hotelverwaltung. Die Zimmer der Entführung aus der eigenen in eine waren also bereits belegt, als die Ham­ fremde Welt. Es war ein Überfall auf burger Gruppe das Hotel erreichte. zwei Wirklichkeiten, auf diejenige der Hamburger Werbefachleute und die der Bewohner Bröllins. 3 Der Container wurde, wie sich später Um das zu bewerkstelligen, arbeiteten herausstellte, von Seiten der Hambur­ fünf Teams4 an der Inszenierung dieses ger Reiseleitung geordert - ohne unsichtbaren Theaters; ein Theater das Absprache mit der Gruppe. Die Reise­ weder vorgeschriebene Rollen noch Tex­ leiterin wollte mit dieser Aktion, nach te kannte; in dem es unmittelbar und dem erlebten Fiasko, bei ihrer Kund­ ad hoc zu reagieren galt, zu manövrie• schaft einfach wieder an Boden gewin­ ren entlang einer Vielzahl von Möglich• nen. keiten und dies so gut und so lange, bis die in die Welt gesetzte Täuschung, 4 Die Berliner Künstergruppe um den im Augenblick ihres Höhepunktes, auf­ Maler, zwei in die Hamburger Firmen hörte, eine Fälschung zu sein. eingeschleuste Praktikantinnen, drei Personen aus der Verwaltungsgruppe „Feuer im Kopr' ist eine Aktion der des Gutes, die beiden Damen von der Story Dealer A.G. Berlin. Sie wurde Reiseleitung inklusive des Mannes an Sommer 1994 im Auftrag von „H. F. & der Hotelrezeption und das vor Ort wei­ Ph. F. Reemtsma GmbH & Co" und der lende Kamerateam. ,.Stein Promotion Management Group" entwickelt und realisiert.

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80 BIOGRAPHIEN als GMD das Orchester der Beethoven­ halle, das Konzertwesen der Stadt Bonn und war Musikalischer Oberleiter der Chaya Czernowin Oper Bonn. Darüberhinaus war Davie Musikalischer Dirketor des Cabrillo Fest­ Geboren 1957 in Haifa, Israel. Kompo­ ivals, California (1975 · 1991) . sitionsstudien bei Abel Ehrlich, lzchak Zur Zeit ist Dennis Russell Davies als Sadai, Dieter Sehnebel, Brian Fer­ Musikalischer Direktor des American neyhough und Roger Reynolds. Seit Composers Orchestra in New York tätig. 1988 Preise und Lehrtätigkeitseinladun­ Seit August 1995 ist er Chefdirigent des gen: u.a. in Darmstadt, bei der „Tribu• Stuttgarter Kammerorchesters und ab ne des Compositeurs" in Paris, DAAD der Saison 1996/97 Chefdirigent des Berlin, Gaudeamus, zur Foundati­ Radio Symphonieorchesters Wien. on Artist Fellowship, und den amerika­ nischen National Endowment for the Arts Award. Aufführungen in den USA, in Japan und DJ DSL Europa. 1996 verbrachte sie als Stipen­ diatin in der Akademie Schloß Solitude Geboren in Wien, Erdberg. Seit zehn in Stuttgart. In diesem Jahr steht u.a. Jahren als DJ tätig. Seit mindestens fünf die Aufführung der Komposition Jahren als einer der auch international „Minun" für Gagaku Orchester auf dem beachtetsten DJs tätig. Programm, die Uraufführung eines neu­ en Streichquartetts mit dem Arditti String Quartel und „Afatzim" beim Gra­ zer musikprotokoll. 1997 wird sie an der ensemble recherche University of California, San Diego, ver­ bringen. Im Repertoire des ensemble recherche stehen Werke des ausgehenden 19. und 20. Jahrhunderts. Schwerpunkte: Stücke, die unter dem Begri ff Klassische Dennis Russen Davies

Geboren 1944 in Ohio/USA. Studierte Klavier an der New Yorker Julliard School bei Lonny Epstein und Sascha Gorodnitzki, Dirigieren bei Jean Morel und Jorge Mester. Davies leitete als Gast die Sinfonieor­ chester von Cleveland, Pittsburgh, San Francisco, die Wiener Symphoniker, die Münchner Philharmoniker u.a., er diri­ gierte regelmäßig die Sinfonieorchester in Boston, Chicago, Philadelphia, die Berliner Philharmoniker, das Gewand­ hausorchester Leipzig. Als Operndirigent gastierte er in Amster­ dam, München, Leipzig, Paris, Hamburg, Modeme stehen, Wieder-Entdecktes mit Chicago, Houston, der Metropolitan lange verschollen geglaubten Stücken Opera New York und bei den Bay­ der 2oer und 3oer Jahre und Werke reuther Festspielen. ..Entarteter Musik" zugerechnet werden. 1980 übernahm er den Posten des Besonderes Anliegen: neue Werke. Vie­ Generalmusikdirektors der Stuttgarter le der vom ensemble recherche urauf­ Staatsoper, von 1987 bis 1995 leitete er geführten Stücke sind für seine Musiker

81 geschrieben oder von ihnen in Auftrag studien (In Graz bei u. a. Gösta Neu­ gegeben. Soweit als möglich intensive wirth, in Wien bei u.a. Friedrich Cerha). Zusammenarbeit mit Komponisten. Auf­ Besuch der Darmstädter Ferienkurse tritte bei internationalen Festivals, 1980, 1988, 1990. Am IRCAM in Paris Rundfunk· und CD-Aufnahmen (Dalla­ 1991. Seit 1989 Professor an der Hoch­ piccola, Feldman, Huber, Krenek, schule für Musik und darstellende Kunst Lachenmann 1 & II, Nono, Pagh-Paan, in Graz (Kontrapunkt, zeitgenössische Schöllhorn, Wolpe und Lichtspielmusik). Kompositionstechniken, Mikrotonale Musik), Publikationen: Aufsätze über ensemble recherche am 11. 10. 1996 Luigi Nono, Ivan Wyschnegradsky, Alois Martin Fahlenbeck, Flöte Häba, Pierre Boulez. Lebt in Wien. Jacqualine Burk, Oboe Uwe Möckel, Klarinette Melise Mellinger, Violine Barbara Maurer, Viola Lucas Fels, Violoncello Michael Jarrell Ulrich Schneider, Kontrabaß Christian Dierstein, Schlagzeug Geboren 1958 in Genf. Nach seiner Aus­ Klaus Steffes-Holländer, Klavier bildung am Genfer Konservatorium und Kwame Ryan, Dirigent einem Sommeraufenthalt in Tangle­ wood, ermöglichte ihm ein Stipendium ensemble recherche am 12. 10. 1996 des Schweizer Tonkünstlerverbandes Martin Fahlenbeck, Flöte ein dreijähriges Studium an der Staatli­ Uwe Möckel, Klarinette chen Hochschule für Musik in Frei­ Melise Mellinger, Violine burg/Breisgau bei Klaus Huber, das er Barbara Maurer, Viola auch nach Ablauf seines Stipendiums Lucas Fels, Violoncello fortsetzte. 1986-1988 lebte er in Paris Klaus Steffes-Holländer, Klavier und sammelte dort bei IRCAM seine Kwame Ryan, Dirigent ersten Erfahrungen in der elektroni­ schen Musik. 1988/89 war er Stipendi­ at der Villa Medici (Rom-Preis). Von 1991 bis 1993 war Jarrell Composer in Gfirard Grlsey residence beim Orchestre de Lyon. Seit 1993 ist er Professor für Komposition Geboren 1946 in Beifort. Erhielt seine an der Musikhochschule Wien. musikalische Ausbildung 1963-65 am Preise: 1982 Ensemblia-Preis (Mön• Konservatorium in Trosingen und 1965- chengladbach), 1983 1. Preis Acanthes 72 am CNSM in Paris. Weitere Studien (Paris), 1986 Beethoven-Preis (Bonn), bei Henri Dutilleux. Seminare bei Stock­ 1988 Gaudeamus-Preis, Prix Henriette hausen, Ligeti und Xenaki in Darmstadt Renie (Paris), 1990 Preis der Siemens­ 1972. Stipendiat in der Villa Medici in Stiftung. Rom, am IRCAM in Paris, und beim DMD in Berlin. 1982-86 Dozent für Komposition an der Berkeley Universi­ ty in Kalifornien. Seit 1986 am Conser­ vatoire National Superieur in Paris. Zahl­ Mauriclo Kagel reiche internationale Aufträge und Aus­ zeichungen. Geboren am 24. Dezember 1931 in Buenos Aires - als Sohn eines erfin­ dungsbegabten Buchdruckers. Nachhal­ tige Prägungen in einer politisch libera­ Georg Friedrich Haas len, künstlerisch interessierten, häufig von europäischen Emigranten besuch­ Geboren 1953 in Graz. Kompositions- ten Familie jüdisch-russisch-deutscher

83 Visit US on the Net! http:J/www.uemusic.co.at/ Herkunft. (Dort bildet sich auch ein Ein Stipendium der Studienstiftung des lebenslanges lnterese an allen Fragen Deutschen Volkes ermöglichte ihm des Buch- und Notendrucks.) Privatun­ einen Studienaufenthalt in Paris am For· terricht in Klavier, Klarinette, Violoncel­ schungszentrum IRCAM. Dort war er in lo, Orgel, Gesang, Dirigieren, Musik­ dieser Zeit Schüler von Vinko Globokar, theorie. Literatur- und Philiosphiestudi­ in Köln von Hans Ulrich Humpert (elek­ um an der Un ive rsität Buenos Aires tronische Musik). (u.a. bei Jorge luis Borges) . 1949 Beginn Sein erstes Engagement als Dirigent von Kagels öffentlichem Wirken in viel­ führte Johannes Kalitzke 1984 an das fältigen Bereichen: Mitbegründer der Gelsenkirchener „Musiktheater im Cinematheque Argentine, erste Kompo­ Revier", wo er in den Jahren 1988 bis sitionen, Film- und Photokritiker, Kor­ 1990 Chefdirigent war. Darüber hinaus repetitor, 1957 übersiedelt Kagel nach übernahm er dort 1986 die Leitung des Köln, wo er heute noch lebt. .,Forums für Neue Musik" in der Nach­ Vortrags- und Konzertreisen führten folge von Carla Henius. Seit 1991 ist er Kagel nach Asien, Nord· und Südameri• außerdem künstlerischer Leiter und Diri­ ka. Lehrtätigkeiten in den USA sowie gent des Ensembles für Neue Musik des verschiedenen europäischen Ländern; Landes Nordrhein-Westfalen „Musikfa­ seit 1947 Professor für Neues brik". Außerdem ist er regelmäßig als Musiktheater an der Musikhochschule Gastdirigent bei Ensembles und Sinfo­ Köln. Retrospektiven eines umfangrei­ nieorchestern tätig. Als Komponist ver­ chen Schaffens von Bühnenwerken, zeichnet Johannes Kalitzke Erfolge mit Kammer·, Vokal-, und Orchestermusik, Ensembles wie London Sinfonietta, Filmen und Hörspielen in Berlin, Metz, Ensemble lntercontemporain, Klangfo­ Stuttgart, Paris, München, Aix-en-Pro­ rum Wien und Orchestern wie Sinfonie­ vence, Amsterdam, Los Angeles, Lon­ orchester des SWF. Er arbeitet zur Zeit don, Den Haag, Montreal, Wien. an einer Oper, .,Moliere oder die Hen­ ker des Komödianten", eine Auftragsar­ beit für das Land Schleswig-Holstein.

Johannes Kalitzke

Geboren 1959 in Köln. Nach dem Abitur Klangforum Wien studierte er an der Kölner Musikhoch­ schule Klavier bei Aloys Kontarsky, Diri­ 1985 von Beat Furrer gegründet, ist gieren bei Wolfgang von der Nahmer inzwischen das wichtigste Solistenen­ und Komposition bei York Höller. semble für zeitgenössische Musik in Österreich. Spartenüberschreitende Pro­ jekte mit Tanz, Bildender Kunst und Literatur sowie regelmäßige didaktische und animatorische Arbeit gehören eben­ so zum Selbstverständnis des Ensem­ bles wie die kontinuierliche Konzert­ tätigkeit in den wichtigen Musikzentren. Seit der Saison 1993/94 gastiert das Klangforum Wien auf den großen Podi­ en der Musik (Salzburger Festspiele, Centre Pompidou Paris, Wiener Festwo­ chen, Biennale Venedig, Wien Modem, steirischer herbst, Huddersfield Festival, Festival Witten, Darmstädter Ferienkur­ se für Neue Musik).

85 (experimentelles Hörspiel) und Perfor­ mance. Ab 1985 als freischaffende Komponistin in Berlin und Rom tätig. Internationale Preise und Aufführungen (Wien, Berlin, Köln, Donaueschingen, ,.. Graz, Rom, Turin u.a.)

Bun-Ching Lam

Geboren in Macau. Musikstudien in Hong Kong. Doktor der Philosophie an der University of California, San Diego. Kompositionsstudien mit Roger Rey­ nolds und Pauline Olivieros. Bun-Ching Lam bringt chinesische und westliche Techniken und Vorstellungen in ihren Kompositionen in ein Spannungsfeld. Während der letzten Jahre gewann sie Als österreichisches Ensemble, dessen sowohl in Asien als auch in den USA Kern aus 16 Musikern besteht, möchte renommierte Kompositionspreise. Bun­ das Klangforum Wien eine intensive Ching Lam tritt auch als Pianistin und Auseinandersetzung mit dem unmittel­ Dirigentin auf. Zu den wichtigeren Auf­ bar zeitgenössischen Schaffen realisie­ führungen der letzten Zeit zählen „Last ren - unter dem Blickwinkel rein quali­ Spring" mit Ursula Oppens und dem tativer Orientierung, um damit den Wer­ Arditti Quartett, .,Sudden Thunder" mit ken der Modeme ein Forum authenti­ Wu Man und dem Amerian Composers scher Aufführungspraxis zu bieten sowie Orchestra in der Carnegie Hall, .,Klang" einer interessierten Öffentlichkeit ver­ für den Schweizer Perkussionisten Fritz bindliche Möglichkeiten der Rezeption Hauser, .Impetus" für das Hong Kong zu vermitteln. Chinese Orchestra, .. Social Accidents" für das American Dance Festival.

Mayako Kubo Klaus Lang Geboren 1947 in Kobe, Japan . Besuch­ te 1966-1970 das College of • 1971, Koponist, Musiktheoretiker, Music und war vor allem als Pianistin in Organist, Cembalist. Tokio künstlerisch tätig. 1972 begann Ißt gerne Schokolade. sie ihre Studien an der Wiener Musik­ hochsschule (Klavier bei Weber, Kom­ position bei Urbanner und Hauben­ stock-Ramati, Elektroakustische Musik Lisa D. bei Kaufmann). Teilnahme an den Darm­ stätder Ferienkursen. Studium der freischaffende Modeschöpferin und Musikwissenschaft an der Un iversität Choreographin, lebt in Berlin. Produkti· Wien. Weitere Studien bei Helmut on und Präsentation von jährlich 2 Kol­ Lachenmann in Stuttgart und Carl Dahl­ lektionen in Deutschland und Öster• haus in Berlin. reich. Diverse Ausstattungen für Thea­ Ihr Schaffen umfaßt sowohl traditionel­ terproduktionen. Erzählt in ihren Per­ le Kompositionen als auch Radio-Kunst formances und Inszenierungen

86 Auch wenn ein junger Musikant in seiner Lust am Lärm es oft nicht glauben mag: Meister der Musik beweisen sich im Leisen.

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Steven Mackey

Geboren 1956 in Frankfurt als Sohn amerikanischer Eltern, wuchs er in den USA auf. Studium der klassischen Gitar­ re; später E-Gitarrist und Lautenist. Dok· torat „summa cum laude" und zur Zeit Professor of Music an der Princeton University. Die Musik Steven Mackeys hat ihre wesentlichen Einflüsse in westlicher Kunstmusik und Populärmusik. Er schrieb Ensemble· und Kammermusik unter anderem als Auftragswerk des Kronosquartetts. In mehreren Werken verwendet er die E-Gitarre, die er manchmal selbst spielt, oder auch Gitar­ risten wie Bill Frisell. Für Orchester schrieb er unter anderem „TILT", .,Deal" und „Eating Greens". Er gewann meh­ rere Kompostionspreise.

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90 Johannes Marian Seine herausragenden Leistungen lie· gen auf dem Gebiet der Wiederent· deckung und Erforschung von wenig beachteten Holzblasinstrumenten sowie seinem ln•Beziehung·Setzen von kom· positorischer und improvisatorischer Arbeit. Roscoe Mitchell ist Gründungs• mitglied des „Art Ensemble of Chicago" und der „Association for the Acvance· ment of creative Musicians". Er bekam zahlreiche Preise und Auszeichnungen. Als Solist in eigenen Ensembles wie dem „Art Ensemble of Chicago" und dem „Roscoe Mitchell New Chamber Ensemble", mit Formationen wie dem „Sound Ensemble", sowie in kleinen Formationen mit Musikern wie Lester Sowie, Archie Shepp, Anthony Braxton, George Lewis, Sonny Murray, Borah Bergman, Tom Buckner. Von 1966 bis 1996 erschien Roscoe Michell auf über 70 Schallplatten und CDs. Roscoe Mit· chell lebt in Wisconsin/USA.

Wolfgang Mitterer

Studien an der Hochschule für Musik in Wien (Orgel, Komposition) und am Stu• dio EMS·Stockholm (Elektronische Geboren in Wien. Studium an der Wie• Musik) ner Musikhochschule in den Fächern Einige Kollektive: Pat Brotheis, Call Klavier, Komposition, Musikpädagogik. Boys lnc, Hirn mit Ei, Matador, ... Als Pianist gilt sein Hauptinteresse der Preise: Deutsche Schallplattenkritik, Prix Neuen Musik. Tätig als Solist und als Ars Electronica, Publicity, Prix·Futura Kammermusiker, unter anderem mit Berlin, Max Brand Preis; DAAD Berlin, „die reihe", .,Wiener Collage", .,Musica Staatsstipendium ... Negativa", dem RSO·Wien; als Solist bei Einige Arbeiten: .,Waldmusik" rund um den „Wiener Festwochen", .,Wien das venezianische Sägewerk in Inner· Modern", .,Hörgänge" u.a. villgraten/Osttirol; .,Drunk" für experi· Seit 1988 widmet sich Johannes Marian mentellen Film; .,off limits" für das intensiv der Musik von John Cage, mit „Rap•Festival Wien", .,Turmbau zu dem er in östereich und Deutschland Babel" im Stadion Linz für 4200 Sänger, mehrmals zusammengearbeitet hat. 22 Schlagwerker, über 40 Blechbläser Marian unterrichtet am Bruckner•K0n· u.v.a.; .,Grand Jeu" für Orgel solo; servatorium Linz. ,Jisis" für Großes Orchester u.v.a. Diskographie: Pat Brothers, Call Boys lnc 1 (Moers Music); Grand Jeu, Call Roscoe Mitchell Boys lnc 11, Reluctant Games, Violettes Gras, Turmbau zu Babel, Mimemata, Geboren 1940 in Chicago/USA. Roscoe Matador (olongapo) Mitchell zählt zu den innovativsten axo• phoniten der „post·Coltrane·period".

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92 Christian Ofenbauer Richmond, John Abercrombie, Louis Sclavis; Zusammenarbeit mit den Kom­ Geboren am 24. März 1961 in Graz. Auf­ ponisten Beat Furrer. Thoma Pernes, gewachsen in Kärnten, erster Musikun­ Luciano Berio. Mitglied der französi• terricht mit fünf Jahren (Violine). später schen Gruppen „Tribulations" und Orgel- und Theorieunterricht am Lan­ „Passagio". Trio mit Dave Lieb man und deskonservatorium Klagenfurt. Studium Jean Paul Celea, seit 1992 Solokonzer­ an der Wiener Musikhochschule bei Her­ te, lebt in Wien. bert Tachezi (Orgel), Alfred Uhl (Ton­ satz) und Friedrich Cerha (Komposition). Privatstudien zur Aufführungspraxis Alter Musik mit Josef Mertin, 1986 Stu­ Winfried Ritsch dienaufenthalt in Paris (Kontakte zu Pierre Boulez), 1988 Abschluß des Stu­ Geburt und Kindheit in Tirol. Studium diums mit dem Magister Artium. Kon­ Elektrotechnik-Toningenieur (TU Graz). zerte und Rundfunkaufnahmen als Orga­ Beschäftigt als Assistent am Institut für nist und Komponist im In- und Ausland, Elektronische Musik an der Musikhoch­ 1982-1987 Titularorganist an der Votiv­ schule Graz. Gründung des Klangateliers kirche, 1983-1987 intensive Zusam­ Algorythmics. menarbeit mit Theater Angelus Novus Beschäftigung mit dem Medium Radio, (u.a. 1987 Produktion "Tod des Hektor'' Realisation von Performances, Installa­ mit 12-stündiger Aufführungsdauer), seit tionen und Skulpturen zu diesen The­ 1986 als Gastdozent an verschiedenen men. Arbeiten an telematischen Projek­ Hochschulen und Universitäten im In­ ten (Netzwerke). und Ausland tätig, ab 1989 Lehrauftrag an der Wiener Musikhochschule für Satzlehre, Gehörbildung und Formana­ lyse. Daniel Rothman 1991-92 Gastprofessur an der Univer­ sität Gießen (Seminare über „Die Oper Geboren 1958 in den USA. Studien und als Ort des Theaterwissenschaftlers" Aufträge in den USA und Europa (Colu­ und szenisches Projekt „Fatzermaterial bia Princeton, SWF Freiburg). Auf­ von Bertold Brecht"); führungen in den USA, Europa und Aufträge: ORF, Wiener Konzerthausge­ Japan (Nuova Consonanza Rom, sellschaft, Gesellschaft der Musikfreun­ Donaueschingen, Witten, Weltmusikta• de Wien, steirischer herbst Graz, Festi­ ge Frankfurt, musikprotokoll uva). Diver­ val Wien Modem, Konzerte und Rund­ se Lehr- und Arbeitsaufträge in den funkaufnahmen als Organist und Kom­ 9oer Jahren (Mills Center for Contem­ ponist im In- und Ausland. Mitglied des porary Music Oakland, IRCAM Paris, Ensembles „die reihe". Seit 1994 Gast­ Experimentalstudio des SWF Freiburg, professur für Komposition am Mozarte­ Brooklyn Computer Music Studio, Darm­ um. Lebt und arbeitet in Wien städter Ferienkurse ua. Künstlerischer Leiter der experimentellen Konzertreihe und performance centers „wires" in Los Angeles. Wolfgang Relslnger Wichtige Werke: Cantulare, Lollipops (Hommage a Calder), In the Terrified Geboren 1955; Studium: Hochschule für Radiance, Tilted Are, Play the Piano Musik Wien; seit 1975 freiberuflicher Drunk Like a Percussion Instrument Musiker als Improvisator, Interpret und Until the Fingers Begin to Bleed a Bit. Komponist; 1979 bis 1989 Schlagzeuger Lebt in Venice/Los Angeles. des Art Orchestra; Zusammen­ Die kompositorisch-musikalische Arbeit arbeit mit Harry Pep!, Wolfgang Mitte­ des Komponisten und Klarinettisten rer, Jean Paul Celea, Yves Robert, Mike Daniel Rothman beruht auf erweiterten

93 Hanns-Werner Heister Neuerscheinungen in der Walter-Wolfgang Sparrer Reihe Musik-Konzepte: (Hg.) KOMPONISTEN DER GEGENWART Musik-Konzepte Loseblatt-Lexikon, Gustav Mahler zur Zeit etwa 2.700 Seiten in :::~z';. drei Ordnern ,.ndtc,.-t,.i, .. DM 170,-- unbekan1 öS 1.293,-- / sfr 170,-- B te

KOMPONISTEN DER GE­ GENWART ist das einzige Le­ xikon in Loseblattform, das über alle wichtigen Komponi­ stinnen und Komponisten des 20. Jahrhunderts ausführlich - und aktuell informiert. Das Grundwerk enthält bereits erste Informationen zu etwa Heft 91 460 Komponisten: Angaben zur Biographie und eine Gustav Mahler knappe Werkübersicht bieten Der unbekannte Bekannte eine ideale Möglichkeit, sich etwa 100 Seiten, DM 24,-­ einen Überblick zu ver­ öS 183,-- / sfr 24,-- schaffen. Die Nachlieferun­ ISBN 3-88377-521-5 gen erweitern, ergänzen und aktualisieren diese Erstinfor­ mationen. In bisher sechzig Heft 93/94 ausführlichen Artikeln werden Alexander Zemlinsky die Werke jedes einzelnen Der König Kandaules Komponisten, ihre Ästhetik und ihre Kompositionstechnik etwa 160 Seiten, DM 36,-­ dargestellt. Notentafel, voll­ öS 274,-- / sfr 36,-- ständiges Werkverzeichnis, ISBN 3-88377-546-0 Auswahldiskographie und Auswahlbibliographie eröffnen die Möglichkeit zur intensiven Beschäftigung.

xander ...,,:11_~~~;; • ..,. mlins!cy ~ ....,,., r König »Ohne daß Ausgrenzungen gemacht werden, entsteht hier ein Handbuch, das durch Umfang, Anspruch, Ausführ• lichkeit, Kompetenz und Verständlichkeit ein unver­ zichtbares Lese- und Nach­ Verlag schlagewerk zu werden ver­ edition text + kritik spricht.« Levelingstraße 6 a (Reinhard J. Brembeck, 81673 München Fono Forum) Instrumentaltechniken und live-Elektro­ generierten Bildern sowohl für Flugsi­ nik. Durch die Verwendung akustischer mulation als auch in künstlerischen Phänomene, die der Charakteristik von Anwendungen. Er war in vielen Aus­ Instrumenten entstammen, wie Reso­ stellungen und Installationen vertreten, nanzraum- und Obertonphänomenen, in Kalifornien in Instituten und Galerien und deren Integration und Verschmel­ in und um San Francisco und Los Ange­ zung in den Ensembleklang und in les, auch in New York, Montreal und bestimmte akustische Raumsituationen anderswo. Elliot Anderson ist Direktor thematisieren Rothmans musikalische von TECHNE und zur Zeit visiting artist Strukturen die Verbindungen im Konti­ an der Univerity of California in Davis. nuum aus Tonalität, Stimmung, Klang­ Jim Campbel/ hat eine Ingenieurs- und farbe und Zeitverläufen. Neben der Mathematikausbildung am Massachu­ Umsetzung solcher Phänomene in sei­ setts Institute of Technology mit seiner nen komponierten Werken erforschte künstlerischen Rolle als Filmemacher Rothman neue lntrumentaltechniken verbunden. Seine Werke waren zu und Technologien auch im Spiel mit sehen am San Francisco Museum of Künstlern wie Robert Dick, Theodore Modem Art und in vielen anderen Gale­ Mook, Ned Rothenberg, David Smeyers, rien in den USA und in Japan. Wadada Leo Smith. Thomas Buckner hat als Tenor mehr als (Participation of Daniel Rothman has 100 Werke zeitgenössischer Musik been made possible in part through uraufgeführt, von denen die meisten für support from The Fund for Artists at ihn geschrieben worden waren. Als Auf­ International Festivals and Exhibitions, traggeber und Interpret bestimmt er die a public/Private partnership of the NEA, (hauptsächlich) amerikanische zeit­ USIA, The Rockefeller Foundation, and genössische Musik mit. Kürzlich erschie­ The Pew Charitable Trusts, with admi­ nen zwei CDs (,.Full Spectrum Voice" nistrative upport from Arts Internatio­ und „Sign of the Times") mit neuen nal.) Werken beim Label „Lovely Music". Vor allem im Ensemble von Robert Ashley verkörpert Tom Buckner wichtige Rol­ len, so auch 1995 in Graz beim musik­ Rothman-Ensemble protokoll. Ted Mook spielte als Cellist bei den Das Rothman Ensemble besteht aus meisten amerikanischen Festivals und Daniel Rothman, Klarinettist und Kom­ Institutionen für neue Musik, beispiels­ ponist; Ted Mook, Cello und Tenorgei­ weise an der Brooklyn Academy of ge; Wadada Leo Smith, Komponist und Music. Er ist einer der Stammusiker des Trompeter; David Smeyers, Holzblasin­ Bang on the Can Festivals in New York. strumente; und Kent Clelland, Tontech­ Er hat viele Werke uraufgeführt und auf nik. Die verschiedenen Mitglieder brin­ Tonträgern veröffentlicht. gen Erfahrungen aus den verschieden­ Wadada leo Smith ist Komponist, Mul­ sten musikalischen Idiomen ein, von tiinstrumentalist und im besonderen komplexer Notation über alternative Trompeter. Geboren in Leland, Missis­ Stimmungssysteme zu Improvisation. sippi, wuchs er als Musiker in der Ihre Fähigkeiten fügen sich zu einer Atmosphäre des Delta Blues auf. Als zugleich höchst disziplinierten und „improviser/composer" studierte er die spontanen Musik. Für die Aufführung Musik vieler Kulturen aus Afrika, Japan, von „Cezanne's Doubt" stießen noch Indonesien, Europa und Amerika. Dar­ der Sänger Tom Buckner und die Video­ aus entwickelte er seine „Theory of Jazz künstler Elliot Anderson und Jim Camp­ and World Music" und das Notations­ bell zum Ensemble. system ,,Ankhrasmation". Er hat mit vie­ Die neben Daniel Rothman in Graz auf­ len wichtigen Ensembles gespielt und tretenden Künstler: mit Musikern wie Anthony Braxton, Ros­ Elliot Anderson arbeitet an computer- coe Mitchell, Lester Bowie, Richard

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Teitelbaum, Don Cherry, Andrew Cyrille, vermehrt ins Ausland führte. In seiner Cecil Taylo und vielen anderen. Zeit entwickelte sich das Orchester zu David Smeyers ist ein Klarinettist, der einem virtuosen, in allen Stilen glei­ auch viele klarinettenähnliche Instru­ chermaßen brillanten Ensemble, dessen mente beherrscht. Er kooperierte mit Repertoire von Haydn über Mahler bis Ka rlheinz Stokhausen, Giacinto Scelsi, zur Gegenwart (Lachenmann, Cerha, Helmut Lachenmann, György Kurtag u.a. Kurtag) reicht. Ausgebildet wurde David Smeyers an Ab 1. 9. 1996 übernimmt der Amerika­ der Julliard School und in Paris. Er spiel­ ner Dennis Russell Davies die Chefdiri­ te bei wichtigen europäischen und ame­ gentenstelle und der Name des Orche­ rikanischen Festivals und ist Mitglied sters wird in RSO-Wien umgewandelt. des in Paris beheimateten Ensembles .,Kalleidocollage".

Kwame Ryan

Radio Symphonieorchester Wien Geboren 1970 in Toronto, Kanada. Kind­ heit in Trinidad, Westinidische Inseln. 1969 wurde im Zuge der Reorganisati­ Musikstudien in Cambridge. Dirigieras­ on des österreichischen Rundfunks das sistent an der Cambridge University ORF-Symphonieorchester gegründet, Opera. Ab 1991 Studien bei Peter Eöt• vornehmlich, um die zeitgenössische vös. Konzerte mit Radiosymphonieor­ Musik in Wien bzw. Österreich zu reali­ chestern, Konzerte und Zusammenarbeit sieren. Schwerpunkt des Repertoires mit Musik von u.a. György Kurtag, Pier­ war in den ersten Jahren die Musik des re Boulez, und beispielsweise „Prome• 20. Jahrhunderts und die damalige teo" von Luigi Nono in Lissabon. Auf­ Avantgarde (Ligeti, Penderecki, Lutos­ tritte bei den Festivals in Donaueschin­ lawski, Cerha u.a.). Zum 1. Chefdirigen­ gen, Stuttgart und Wien Modern, in Wit­ ten wurde Milan Horvat bestellt. ten, Salzburg, Paris. Zusammenarbeit Sichtbarer Ausdruck für den Erfolg des mit „ensemble recherche", ,,Klangforum jungen Orchesters waren nicht nur eige­ Wien", .,Ensemble lntercontemporain". ne Konzertzyklen in den beiden tradi­ 1997 dirigiert Kwame Ryan mit Peter tionellen Wiener Konzerthäusern Musik­ Eötvös die Neuproduktion von Luigi verein und Konzerthaus, sondern auch Einladungen zu den Festspielen in Salz­ burg, Bregenz und zum steirischen herbst. Neben den Chefdirigenten Milan Horvat (1969 - 1975) und Leif Segerstam (1975 - 1982) wirkten auch namha~e Dirigenten wie Ernest Bour, Bruno Maderna, Wolfgang Sawallisch, David Oitrach, Vaclav Neumann, Michael Gie­ len, Christoph von Dohnanyi u.a. Ab 1979 t rat neben die Pflege der zeit­ genössischen Musik zunehmend auch die Erarbeitung der klassisch-romanti­ schen Literatur. Mit dem dritten Chefdi­ rigenten Lothar Zagrosek (1982 · 1986) wurde ein breites Repertoire erarbeitet, das von vorklassischer Musik bis zur Modeme reicht. Dies setzte sich auch unter dem näch• sten Chefdirigenten Pinchas Steinberg (1989 - 1996) fort, der das Orchester

97 Constantin Floros: György Ligeti -

Jenseits von Avangarde und Postmoderne Verlag Lafite, Wien, 1996 order: Hegelgasse 13/22 A-1010 Wien Tel: +43-1 / 512 68 69 Fax: 512 46 29

248 Seiten 30 Abbildungen in Fabe 70 Notenbeispiele Werkverzeichnis

Literaturverzeichnis Efalin Einband 330,- ÖS 45,- SFR 48,- DM ISBN 3-85151-038-0 Nonos „Prometeo" an der Belgischen lende Kunst in Wien. 1991 • 1995 Präsi• Nationaloper La Monnaie in Brüssel. dentin der Gesellschaft für elektroaku­ stische Musik GEM. 1994 Lehrautrag als "Composer in Residence" an der Musik­ hochschule Graz. Seit 1995 Medien­ Comellus Sehwehr kunstbei rat am offenen Kulturhaus in Linz. Geboren 1953 in Freiburg/Breisgau. Stu­ Andrea Sodomka arbeitet in den Berei­ dium an der Musikhochschule in Frei­ chen Elektronische Musik, lntermedia­ burg (Komposition bei Klaus Huber, performance, Telekommunikation, Theorie bei Peter Förtig, Gitarre bei Radiokunst, Video und künstlerische Denise Lavenchy). 1981-1983 Komposi­ Fotografie. Seit 1986 Zusammenarbeit tionsstudium bei Helmut Lachenmann mit Martin Breindl. in Stuttgart. Musiktheorie Lehraufträge in Freiburg und Karlsruhe. Seit 1995 Professor für Komposition und Musik­ theorie an der Musikhochschule in Frei­ Burkhard Stangl burg. Mehrere Preise und Stipendien. Aufführungen bei: Stuttgarter Tage für Geboren 1960; Studien: klassische Neue Musik, Wittener Tage für neue Gitarre, Musikethnologie; als Komponist Kammermusik, Warschauer Herbst, weitgehend Autodidakt; Mitbegründer Schönberg-Festival Duisburg, Extasis des Ensembles TON.ART; Dokumentar­ Genf, Musik im XX. Jahrhundert Saar• film „Der Notenstich" über den letzten brücken, musikprotokoll Graz. Notenstecher in Wien; Gründung des Kammerensmbles MAXIXE 1991, Mitar­ beit am Buch „österreichische Film­ schaffende in der Emigration" 1993; YuvalShaked Gitarrist und Solist mit TON.ART, Franz Koglmann, Klangforum Wien, Ensemble Geboren 1955 im Kibbuz Geser in Isra­ 2001 u.a.; CD-Veröffentlichungen für el. Kompositionsstudien bis 1981 in Tel HatART, Extraplatte, Creative Works Aviv. Bis 1984 Studium bei Mauricio u.a.; lebt in Wien. Kagel in Köln (Neue Musiktheater). Arbeitet an einer Monographie über Hel­ mut Lachenmann. 1985 Rückkehr nach Israel, ,.wo ich um meine von vielfacher The Roscoe Mitchetl New Chamber Lehr-, Redaktions-, sowie gelegentlich Ensemble ausbrechender Schreibtätigkeit be­ fruchtete und verstörte kompositorische Gegründet von Roscoe Mitchell zur Auf­ Arbeit in der frustrierenden politischen führung seiner Kompositionen. Neben und entmutigenden gesellschaftlichen Roscoe Mitchell selbst sind drei Musi­ Situation gegen Interessen- sowei Sinn­ ker ständige Mitglieder: Joseph Kubera, losigkeit kämpfe, meine wahrscheinlich Vartan Manoogian und Thomas Buck­ selbstauferlegte Isolation erkenne, ein ner. Überbleibsel Trost zu retten hoffe, und Joseph Kubera ist einer der bekannte­ es sinnvoll zu gestalten trachte". sten Pianisten zeitgenössischer und experimenteller Musik in den USA. Er arbeitete mit der Merce Cunningham Dance Company, spielt u.a. mit dem Andrea Sodomka SEM Ensemble, im Ensemble von Steve Reic und mit Brooklyn Philharmonie. Geboren 1961 in Wien. Studien an der Vartan Manoogian ist ein am Pariser Hochschule für angewandte Kunst, an Konservatorium und an der Julliard der Hochschule für Musik und darstel- School ausgebildeter Geiger, der vor

99 seiner Karriere als Solist in verschiede­ 1995, Artist in residence bei UMAS, Dur­ nen Gruppierungen unter anderem Kon­ ham, Ontario, Canada 1993; Auslands­ zertmeister des „Orchestre de la Suisse stipendium des BMUK in Rom. Romande" war, wo er unter der Leitung von Ernest Ansermet spielte. Laut eige­ nen Angaben spielte Vartan Manoogian „auf fünf Kontinenten, in New York und in der Library of Congress in Washing­ ton DC". Thomas Buckner hat als Tenor mehr als 100 Werke zeitgenössischer Musik uraufgeführt, von denen die meisten für ihn geschrieben worden waren. Als Auf­ traggeber und Interpret bestimmt er die (hauptsächlich) amerikanische zeit­ genössische Musik mit. Kürzlich erschie­ nen zwei CDs (.,Full Spectrum Voice" und "Sign of the Times") mit neuen Werken beim Label „Lovely Music". Vor allem im Ensemble von Robert Ashley verkörpert Tom Buckner wichtige Rol­ len, so auch 1995 in Graz beim musik­ protokoll.

Jochen Traar

Geboren 1960 in Essen. Studium 1979- 1984 an der Akademie der bildenden Künste Wien bei Prof. Bruno Gironcoli, lebt in Wien. Einzelausstellungen und Projekte: u.a . .,Strategisches Objekt XXIV", Wien 1994; ©ART PROTECTS YOU, Klagenfurt, Vil­ lach 1994; ,.Aromaroma", Video, Rom 1995; ©ART PROTECTS YOU, Museum für angewandte Kunst, Wien 1995; ©ART PROTECTS YOU, ,.Wien Trilogie", Verlag Ritter Klagenfurt; u.a. in der Galerie Skuc Ljubliana; Galerie REM, Wien. Gruppenausstellungen: u.a. Australian Cultural Institute New York; Director's Guide Los Angeles; Mulinex, Wiener Seeession 1992. Stipendien: u.a. Artist in residence beim Schindler Stipendiatenprogramm in LA

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among the vanishlng für Sopran und Streichquartett UA: 8.5.1989; Dawn Upshaw, Kronos Quartet

TILT für Orchester UA: 8.3.1992; American Composers Orchestra, ML: Dennis Russen Davies

Physlcal Property für el. Gitarre und Streichquartett UA: 14.7.1992; Steven Mackey, Kronos Quartet

Eating Greens für Orchester UA: 27.10.1994; Chicago Symphony Orchestra, ML: Dennis Russell Davies

Deal für el. Gitarre, Schiz, Kammerorch. UA: 17.4.1995; Los Angeles New Music Group, ML: Esa-Pekka Salonen

Banana/Dump Truck für Cello und Orchester UA: 8.12.1995; Fred Sherry, Albany Orchestra, ML: David Allan Miller

BOOSEY &HAWKES

Boosey & Hawkes Musikverlag Justus-von-Liebig-Straße 22 53121 Bonn Telefon 02 28-988 69 51 Fax 02 28-988 6911 in Österreich: Thomas Sessler Verlag Bösendorferstr. 4 102 A-1010Wien DAS MUSIKPROTOKOLL '96 WIRD UNTERSTÜTZT VON:

steirischer herbst '96

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INSTITUT FRAN~AIS DE GRAZ

103 um Kunst und Kultur gibt es on auch ein Theater, wenn sie nicht auf der Bühne · stafflinden. Da schreien die Warner Feuer: Unsere Werte sind in Gefahr! Ich schreie nicht, ich bitte um Feuer. Denn meine Werte sind in Ordnung. 7 mg Rauchinhallsstolle und o, 7 mg Nikotin verbinden so ideal Genuß und Verstand, da kann man die Kultur ruhig den Künstlern überlassen. Und in der Pause eine rauchen.

Casablanca - Hauchen mit Genuß und Verstand .

• - - - - - Warnung des Gesundheitsministers: Rauchen gefährdet Ihre Gesundheit.