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SWR2 Musikstunde

Pray(ing) & Play(ing) Glaubensfragen in der Jazzgeschichte (2)

Von Julia Neupert

Sendung: Mittwoch, 27. Mai 2015 9.05 – 10.00 Uhr Redaktion: Ulla Zierau

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Signet SWR2 Musikstunde {00:10}

AT Glaubensfragen in der Jazzgeschichte: Zu Teil II von „Pray(ing) and Play(ing) begrüßt Sie Julia Neupert!

Musikbett Musikstunde {00:16}

AT Aufgewachsen in einem oft tief-gläubigen Umfeld, haben viele Jazzmusikerinnen und Musiker Religion als ganz selbstverständlichen Teil ihres Lebens verstanden – und keinen Widerspruch gesehen zu dem eher lasterhaften Image, das ihrer Kunstform lange Zeit nachhing: Der Jazz von der Straße, aus den Bordellen, Nachtclubs und Drogenhöllen als Ausdruck von Gotteslob? Das stieß bei einigen Kirchenkonservativen auch auf Ablehnung. “Ist Jazz Sünde mit Synkopen?“ So war 1921 ein Artikel im „Women’s Home Journal“ überschrieben: Darin ist dann unter anderem von Jazz als ursprünglichem Voodoo-Phänomen die Rede: barbarische Musik, vor deren demoralisierender Wirkung man sich hüten müsse. Eine Ansicht, die in manchen Kreisen offenbar bis heute ihre Anhänger hat: So konnte auf einer Website religiöser Fundamentalisten lesen, dass Jazz ihrer Meinung nach ungesundes Teufelszeug sei, aus spirituell-hygienischen Gründen unbedingt zu vermeiden!

Den beiden Brüdern Nat und mögen solche Ansichten egal gewesen sein – die beiden engagierten sich unter anderem regelmäßig bei Benefizkonzerten für kirchliche Spendenaktionen und bekannten sich in vielen ihrer Kompositionen zum christlichen Glauben – in manchen Fällen sogar sehr explizit, wie mit dem „Soul Of The Bible“ von 1972. Hier ist daraus die Vertonung des 24. Psalms:

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Musik 1 T: Psalm 24 K: I: Sextett CD: Soul of the Bible Blue Note 7243 5 825722 9 {04:55}

AT „Every man prays in his own language“ – Jeder betet in seiner eigenen Sprache, und: Es gibt keine Sprache, die Gott nicht versteht!“ Dieses Zitat stammt von einem der größten Künstlerpersönlichkeiten Amerikas, Duke Ellington. Er, der zuerst als Stride-Pianist und später noch viel mehr als Komponist und Orchesterleiter zu einer Jazz-Legende wurde, war von einer engen Verbindung dieser Musik zur Religion überzeugt. Nicht nur, dass er persönlich ein tief gläubiger Mensch war – Ellington begründete die Spiritualität des Jazz allgemein mit dessen afroamerikanischen Wurzeln und – beschäftigte sich intensiv mit der Geschichte seiner Vorfahren. Musik sei schon in den afrikanischen Kulturen untrennbar mit religiösen Ritualen verbunden gewesen. Dieses Prinzip, davon war Ellington überzeugt, hätten die verschleppten westafrikanischen Sklaven mit nach Amerika gebracht. Er sah in ihnen nicht nur die unterlegenen Opfer eines Verbrechens: Ganz im Sinne der Harlem Renaissance Bewegung wollte Ellington zeigen wie sehr Amerika, dieses „blutige Land“, von den Afrikanern kulturell und spirituell profitiert hat. Er thematisierte das in einigen seiner Werke. Das prominenteste davon ist sicher die „Black, Brown and Beige“-Suite von 1943, die mittlerweile zu den orchestralen Meilensteinen der Jazzgeschichte gezählt wird. Weniger bekannt sind heute die „Sacred Concerts“: drei geistliche Konzerte, die Duke Ellington in seiner letzten Lebensdekade komponierte. Seiner Meinung nach das „Wichtigste, was er je geschrieben“ habe. Nicht alle seine Fans und definitiv nicht alle Kritiker wollten dem zustimmen. Die Werke wurden kontrovers diskutiert – für einige war diese Mixtur aus Jazz, Bibel-Texten, Gospel und Stepptanz pure Blasphemie, andere warfen ihm vor, sich bei einer fragwürdigen Institution anzubiedern. Um zu wenig Aufmerksamkeit hat sich 4

Ellington jedenfalls nicht beklagen können – die Uraufführung des ersten „Sacred Concert’s“ 1965 in der Grace Cathedral von San Fransicso war ein Kultur-Ereignis von nationalem Rang.

Musik 2 T: Come Sunday aus: Concert Of Sacred Music K: Duke Ellington I: Duke Ellington & His Orchestra CD: Concert Of Sacred Music RCA Victor 74321323342 {05:55}

AT Duke Ellingtons „Come Sunday“ in einer Live-Aufnahme vom Dezember 1965 aus der Fifth Avenue Presbyterian Church in New York. Ein Konzert, das laut einem erstaunten „Spiegel“-Reporter über 3000 Gäste besucht haben sollen, und das von der CBS live im Fernsehen übertragen worden war. Solche Show-Dimensionen waren sicher zum einen der Prominenz von Ellington geschuldet, zum anderen aber ist ja die Kirchen-Kultur in Amerika sowieso eine andere als in Europa. In den methodistischen oder baptistischen Gottesdiensten einer Black-Church-Community ist Musik ein wesentliches kommunikatives Bindeglied zwischen Priester und Gemeinde. Dabei dient der gemeinsame Gesang weniger zur besinnlichen Einkehr der Anwesenden, sondern ist vielmehr ein temperamentvolles Glaubensbekunden. Außerdem waren die Kirchengemeinden zur Zeiten der Sklaverei einer der wenigen Orte, an denen Afroamerikaner als Gruppe unter sich sein durften. Und so dienten die sonntäglichen Zusammenkünfte auch einer gewissen Form von musikalischem Protest gegen Unterdrückung, Rassismus, soziale Ungerechtigkeit. Von Duke Ellington und der Kirche sei er musikalisch geprägt worden, hat nicht zufällig einer der bekanntesten Jazzrebellen zu Protokoll gegeben. Charles Mingus besuchte mit seiner Stiefmutter regelmäßig die ekstatischen Gospel-Gottesdienste der Heiligungskirche in Los Angeles. Die hinterließen eine tiefen Eindruck auf den Bassisten. Immer wieder tauchen in seinen 5

Kompositionen Anspielungen an diese spezielle kirchenmusikalische Tradition auf, sehr explizit zum Beispiel auf dem Album „Blues and Roots“ in dem Stück „Wednesday Night Prayer Meeting“: Die Bläser „singen“ sich im Thema gegenseitig die Melodiezeilen zu, die Soli werden von Anfeuerungsrufen und später auch rhythmischen Mitklatschen unterstützt:

Musik 3 T: Wednesday Night Prayer Meeting K: Charles Mingus I: Charles Mingus Jazz Workshop CD: Four Classic Plus Avid Jazz AMSC 1026 AMS M0262362 {05:44}

AT Wenn man die unbändige Lebenslust in Charles Mingus’ Erinnerung an die Gottesdienstbesuche seiner Kindheit hört, kann man kaum glauben, dass John Coltrane in der gleichen Tradition aufgewachsen ist. Auch seine Familie gehörte der methodistischen Kirche an, allerdings muss die alltägliche Glaubenspraxis hier viel strenger ausgelegt worden sein – unter der „militanten“, wie er selbst meinte, Aufsicht seiner Großväter (zwei engagierten Priestern) – was sich nicht nach wahnsinnig viel Spaß anhört. Beeinflusst von den protestantischen Traditionen des Pietismus und Puritanismus stehen die frommen Methodisten „weltlichen“ Vergnügen eher skeptisch gegenüber. Freude, Ekstase, Ausgelassenheit? Im Gottesdienst gerne, ansonsten aber bitteschön recht bescheiden und zurückhaltend. Sein spirituelles Erwachen erfährt John Coltrane dann bezeichnenderweise viel später – als er sich depressiv und tief im Drogensumpf an Gott wandte mit der Bitte, ihm doch einen Weg zu zeigen, wie seine Musik ein bisschen mehr Freude vermitteln könnte. Was genau die Antwort war, ist nicht überliefert; fest steht, dass der Saxophonist sofort einen kalten Entzug machte und nie wieder Alkohol oder Heroin anrührte. Von da an entwickelte Coltrane einen immer größer werdenden spirituellen Ehrgeiz, beschäftigte sich intensiv mit verschiedenen 6 religiösen und fernöstlichen mystischen Schriften und begann, seine künstlerischen Visionen als eine Art göttliche Inspiration zu begreifen. Mit seiner Musik, so formulierte es John Coltrane später, wolle er die Erfahrung von Übermenschlichem nicht nur begleiten, sondern evozieren.

Musik 4 T: Psalm K: John Coltrane I: John Coltrane CD: A Love Supreme Impulse MCD 01648, LC 1056 AMS M0002750.009 {07:05}

AT „Ich bin christlich getauft, aber wahrer Glauben hat keinen Namen“ – Als John Coltrane das 1966 in einem Interview sagt, distanziert er sich nicht von seiner Religiosität, sondern allein von der Vorstellung, Glauben sei eine Frage von Zugehörigkeit zu einer bestimmten Glaubensgemeinschaft. Verwurzelt in den Traditionen der methodistischen Kirche, blieb die Bibel für ihn Zeit seines kurzen Lebens die zentrale Heilige Schrift, aus der er immer wieder zitierte. Genauso ernsthaft studierte er daneben aber auch die Texte des indischen Theosophen Krishnamurti sowie Yoga- oder Kabbalah-Literatur. Kurioserweise wurde John Coltrane posthum selbst zu einem Kirchenoberhaupt: Vier Jahre nach seinem Tod gründete 1971 ein Fan von ihm in San Francisco die „Saint John Coltrane African Orthodox Church“. In deren Liturgie sind bis heute Jam-Session-artige Aufführungen von Coltranes Kompositionen integriert und die Jazzlegende selbst ist direkt neben dem Altar als Ikonenbild präsent. So wie John Coltrane erweiterten in den 1960er Jahren viele Musikerinnen und Musiker ihren religiösen Horizont. Vordergründig oft aus persönlichen Gründen – rückblickend lässt sich aber auch Folgendes beobachten: Gerade in Zusammenhang mit der US-amerikanischen Bürgerrechtsbewegung wurden die christlichen Kirchen als traditionsreiche Institutionen der „Unterdrücker“ 7 kritisch infrage gestellt. Der afroamerikanische Dichters James Baldwin formuliertes es so: Es war Zeit, sich „nach 200 Jahren gläubiger, inbrünstiger und vergeblicher Versuche, von allen Verboten, Verbrechen und Heucheleien der christlichen Kirche zu befreien."

Musik 5 T: Vignette 1 K: Marilyn Crispell I: Marilyn Crispell CD: Vignettes ECM 2027, LC 02516 AMS M0332626.001 {02:10}

AT John Coltranes Album „A Love Supreme“ sei ihr spirituelles Erweckungserlebnis gewesen, berichtet die Pianistin Marilyn Crispell. Sie hatte sich schon vorher mit Buddhismus und tibetanischer Kultur beschäftigt und fühlte sich bei Coltranes Klängen bestätigt, genau diesen Weg weiter zu verfolgen – einen kontemplativen, meditativen Weg um die eigene, innere Welt mit der äußeren in Harmonie zu bringen. Vielleicht ist der Zen Buddhismus genau aus diesem Grund für viele Jazzmusiker eine so attraktive spirituelle Anlaufstelle – denn genau das ist auch eine der großen Herausforderungen beim Improvisieren: Den inneren Klang nach außen zu transportieren und zuzulassen, dass umgekehrt das gleiche passieren kann. Zu den bekanntesten Jazzbuddhisten gehören unter anderen der Saxophonist Wayne Shorter, die Schlagzeugerin Terri Lynne Carrington und auch Sonny Rollins. Der hatte sich Ende der 1960er Jahre nach Drogen- und Alkoholproblemen sogar für einige Jahre nach Japan und Indien in ein Ashram zurückgezogen, um sich ganz und gar dem Meditieren und der Yogapraxis zu widmen. Erst als einer seiner Lehrer ihn dort davon überzeugen konnte, dass gerade die Musik sein persönlicher spiritueller Weg sei, kehrte Rollins nach Amerika, in die Jazzwelt zurück. 8

Einer, der nicht (wie viele andere) aus einer Lebenskrise heraus oder dem Wunsch nach innerer Ausgeglichenheit den Buddhismus für sich entdeckte, ist der Pianist Herbie Hancock. Er war während eines Konzertes von dem Solo seines Bassisten Buster Williams so begeistert, dass er ihn danach fragte, von wo der seine Energie hernehme. Williams meinte, er könne das mit Worten nicht erklären, forderte Hancock aber dazu auf, mit ihm einen buddhistischen Gesang (Chant) zu singen.

Musik 6 T: Hokesampo Sutra K: trad. I: Yamabushi oft he Shuken Sec tat Shogoin Palace LP: Japanese Temple Music. Zen, Nembutsu and Yamabushi Chants Lyrichord LLST 7117 B {00:10}

AT Seit dieser Erfahrung ist Herbie Hancock davon überzeugt, dass der Zen Buddhismus bei ihm nicht nur besonders kreative Prozesse freisetzen kann, sondern überhaupt mit der Grundidee von Jazz ganz wunderbar harmoniert. Denn eine gelungene Improvisation, so sagt der Pianist, ist nichts anderes, als eine komplett wertfreie Offenheit dem Anderen gegenüber und die Kunst, den Dingen ihren Lauf zu lassen.

Musik 7 T: Miyako K: Wayne Shorter I: Wayne Shorter, Herbie Hancock, James Spaulding, Ron Carter, Joe Chambers) CD: Schizophrenia Blue Note BST 84297 {05:00}

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AT Herbie Hancock und Wayne Shorter zusammen in einem Quintett – „Schizophrenia“ heißt das Album von 1967.

Das war, wir hatten es eben schon angedeutet, eine Zeit, in der auffallend viele afroamerikanische Jazzmusiker der „Black Church“ den Rücken kehrten, ihre katholischen, baptistischen, methodistischen Gemeinden verließen, um sich anderen Glaubensgemeinschaften anzuschließen. Etliche von ihnen konvertierten zum Islam, der zu den bedeutendsten nicht-christlichen Traditionen der Jazzgeschichte gezählt werden muss. Lange ist in der Forschung übersehen worden, dass der Islam ja schon in Westafrika eine wichtige Rolle spielte – wo er sich von der arabischen Halbinsel aus schon ab dem 7. Jahrhundert verbreitet hatte. Die nach Amerika verschleppten Afrikaner brachten eben nicht nur nur ihre Voodoo-Kulte mit auf den anderen Kontinent, sondern auch die islamische Kultur. Mehr als ein Viertel der Sklaven, die im 17. Jahrhundert nach Nordamerika kamen, waren Muslime. Ihren Glauben durften sie unter den christlichen Kolonialmächten offiziell nicht praktizieren – dass ihre Riten, Gebräuche, Traditionen aber trotzdem Eingang fanden in die spezifische kulturelle Praxis der afroamerikanischen Community, ist mittlerweile unbestritten. Vor 70 Jahren war das noch anders. Die Rolle der islamischen Kultur – auch für die Entstehung des Jazz – wurde ignoriert beziehungsweise heruntergespielt.

Afrikanische Trommelmusik, Ragtime, Work Songs, Blues, Marching Bands, Spirituals und Gospel – auf diese Zutaten des Hybridwesens Jazz hatte man sich einigen können: Da schien kein Platz mehr für noch mehr aus noch einer anderen Zeit und noch einer anderen Kultur. Dabei lassen sich gerade im Blues und auch den Spirituals bestimmte Parallelen ziehen zu arabischen Musizierhaltungen.

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Musik 8 T: Nadusilma K: Ahmed Abdul-Malik I: Middle Eastern Music (Ahmed Abdul-Malik, Richard Williams, Rupert Alleyne, Bilal Abdurrahman, Edwin Steede, Traft Chandler, Calo Scott, Chief Bey, Montego Joe CD: Jazz Sounds of Africa Prestige PRCD 24279-2 {03:45}

AT Ahmed Abdul-Malik war einer der ersten Jazzmusiker, die darauf aufmerksam machten, dass der Jazz nicht nur rhythmisch enge Verbindungen zum afrikanischen Kontinent hat. Der afroamerikanische Kontrabassist interessierte sich vor allem auch für die klanglichen und klanggestaltenden Parallelen. Er selbst erlernte verschiedene arabische Instrumente wie die Oud (mit der er eben auch zu hören war) und gründete 1957 mit den Middle Eastern Music ein Weltmusik-Ensemble, bevor es diesen Begriff überhaupt gab. Ahmend Abdul-Malik war Mitte der 1940er Jahre in der Band von Art Blakey zum ersten Mal als Jazzmusiker in Erscheinung getreten – in einem Umfeld, das sehr aufgeschlossen gegenüber dem Islam war und aus dem viele Konvertiten hervorgingen. Abdul-Malik bestand allerdings Zeit seines Lebens darauf, schon als Muslim mit sudanesischen Wurzeln geboren worden zu sein – was nachweislich nicht stimmt (bis 1948 war er bei der Musikergewerkschaft unter dem Namen Jonathan Timm registriert). Fakt ist, dass der Bassist sich in der islamischen Glaubensgemeinschaft offensichtlich verwurzelter, angenommener fühlte als in der christlichen Kirche. Der Trompeter Dizzy Gillespie, selbst bekennender Anhänger der Baha’i, erklärte in seiner Autobiographie die hohe Anzahl von Konvertiten vor allem damit, dass man so für bestimmte Autoritäten eben nicht länger nach der Hautfarbe beurteilt wurde, in erster Linie als ein „Schwarzer“ galt: Als Muslim gehörte man einer globalen Gemeinschaft an – die zugleich in Konkurrenz stand zur Religion derjenigen, die den eigenen Vorfahren so Grausames angetan hatten und – wir befinden uns im Amerika der 1940er Jahre – die noch immer 11 eine durch und durch rassistische Einstellung zu ihren afroamerikanischen Mitbürgern hatte. Dennoch kann man natürlich die Motive, zum Islam überzutreten, nicht pauschalisieren oder auf eine Form von politischem Protest reduzieren. Viele von denen, die diesen Schritt gegangen sind, haben sich sehr ernsthaft mit ihrem neuen Glauben beschäftigt. Der Multiinstrumentalist William Emanuel Huddleston aka Yusef Lateef zum Beispiel, lernte arabisch, um den Koran im Original lesen zu können. Er promovierte in Philosophie über die verschiedenen Ansätze in westlicher und islamischer Erziehung und lebte für einige Zeit in Nigeria, um die dortigen Musikkulturen intensiv zu studieren. Am Ende der heutigen Musikstunde zu „Pray(ing) & Play(ing) – Glaubensfragen in der Jazzgeschichte hören wir Yusef Lateef jetzt mit dem „Love Dance“ seines Albums „Prayer To The East“ von 1957 – mein Name ist Julia Neupert, wir hören uns, wenn Sie mögen, morgen wieder!

Musik 9 T: Love Dance (einblenden auf Zeit) K: Yusef Lateef I: Yusef Lateef CD: Prayer To The East Savoy Jazz SV 0210 {06:46} Trailer Musikstunde Live in Schwetzingen mit Reichow