Mitteilungen Heft 2-2011.Pdf
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Liebe Freunde des Hauses Königstein! Unser Institut war auch in diesem Jahr beim 62. Sudetendeutschen Tag, der unter dem Motto „Dialog und Wahrheit – Nachbarschaft gestal- ten“ stattfand, zugegen und vielbesucht. Wie jedes Jahr kamen viele neue und bereits bekannte Interessierte, um sich über unsere Bücher, Reisen und Arbeit zu informieren. Großen Anklang fand der ganztägige Besuch von Frau Muth-Oelsch- ner, die anlässlich des 100. Geburtstags des Mariannhillers, Pater Engel- mar Unzeitig, ein Buch veröffentlicht hat. Bei den Gesprächen während der Signierstunden hat sie unseren Landsleuten den „Engel von Dachau“ ans Herz gelegt. Man müsse ihn bekannter machen, um seinen Liebes- dienst, der Grenzen überwand, endlich angemessen zu würdigen und gleichzeitig das Potential dieses Märtyrers der Nächstenliebe hinsichtlich der Verständigung nutzen zu können. Eine Liste der Vertreibungsberichte, die unter anderem durch die ehrenamtliche Mitarbeit im Institut rechtzeitig fertiggestellt werden konnte, erwies sich beim Sudetendeutschen Tag als besonderer Anzie- hungspunkt. Viele Kontakte wurden geknüpft, die es in den kommenden Monaten zu pflegen gilt. Sei es was die Nachfragen und Anmerkungen zu den Vertreibungsberichten betrifft oder auch hinsichtlich der Studi- en- und Pilgerreisen und des allgemeinen Interesses an der Arbeit des Instituts. In zahlreichen Vorträgen, Symposien und Diskussionen wurde der Sudetendeutsche Tag seinem Motto „Dialog und Wahrheit“ gerecht. Der ehemalige slowakische Staatspräsident Rudolf Schuster, ein Karpaten- deutscher, wurde mit dem Karlspreis ausgezeichnet und es kamen darü- ber hinaus erneut zahlreiche Menschen aus der Tschechischen Republik und weiteren Ländern, die sich am Dialog beteiligt und ihre Sichtweisen eingebracht haben und auf diese Weise auch ihre Verbundenheit mit den Sudetendeutschen zum Ausdruck brachten. Die Sudetendeutsche Jugend gestaltete vor allem durch die seit 1990 stattfindenden deutsch- tschechischen Zeltlager auf dem Traditionsplatz in Gaisthal und durch Seminare zur politischen und kulturellen Bildung diesen Dialog federfüh- rend mit. Ein Dialog, der selbstverständlich auf Augenhöhe stattfindet. In diesen Mitteilungen finden Sie neben zahlreichen anderen Artikeln einen Beitrag über die Marienbader Tagung, die Anfang Juni, stattfand. Sie darf als Paradebeispiel dafür gelten wie es gelingen kann, in Dialog und Wahrheit Nachbarschaft zu gestalten! Ihr Matthias Dierßen Auf neuen alten Wegen der Verständigung Deutsch-Tschechisches Seminar des Sudetendeutschen Rates in Marienbad er Generalsekretär des Sude- der Vertriebenen schilderte den Dtendeutschen Rates Albrecht Teilnehmern die Entstehungs- Schläger konnte bei der Eröff- tatbestände des Filmes. Gerade nung des Seminars des Sudeten- junge Menschen fragen heute deutschen Rates in Marienbad nach den Opfern des Jahres 945 Teilnehmer aus Politik, Wissen- und ältere Menschen, die lange schaft und Wirtschaft begrü- die Wunden der unmenschlichen ßen, allerdings größtenteils aus Exzesse der Nachkriegszeit ver- Deutschland und Österreich. Das drängt hatten, melden sich heu- Außenministerium in Prag habe te zu Wort. Der Film zeigte die ihm signalisiert, die Tagung sei dunkle Seite tschechischer Ge- mit ihren rückwärtsgewandten schichte: die Gräber unschul- Themen zu wenig zukunftsori- diger Zivilisten in lange unbe- entiert. Die Themen der Refe- kannten Massengräbern, Tote in rate, die eindrucksvollen Ausfüh- Bombenkratern verscharrt oder rungen der Referenten und die in Gräbern, die von den Opfern Gespräche zeigten das Gegen- selbst ausgehoben werden muss- teil: Dieses Seminar war eines ten, ehe sie in hasserfüllter Hys- der gelungensten im Rahmen terie ermordet wurden. Der Film der bereits traditionellen Mari- lässt tschechische Zeugen eben- enbader Gespräche, wozu nicht so zu Wort kommen wie Kinder zuletzt die Moderation durch den und Enkel der Opfer und geht Generalsekretär und die Orga- auf Massengräber bei Teplitz und nisation durch Frau Renate Sla- Prag, Bilin und Postelberg, Po- wik entscheidend beitrugen. Die dersam und andere Orte ein. Vergangenheit musste analysiert Die lebendige Diskussion nach werden, um die Gegenwart zu dem Film bereitete die Teilneh- verstehen und Visionen für die mer auf die Referate des zweiten Zukunft zu entwickeln. Tages vor: „Gibt es neue Wege im Der Filmemacher David Sudetendeutsch-Bayrisch-Tsche- Vondraček, dessen Film „Töten chischen Dialog?“ Der Bürger- auf Tschechisch“ auch im deut- meister von Marienbad Zdeněk schen Fernsehen lief, bot mit Král begrüßte zu diesem Refe- seinem neuen Film „Sag mir, ratekomplex die Teilnehmer und wo die Toten sind“ den Einstieg hob die deutsche Vergangenheit für die Tagung, die durch sach- des Weltkurortes hervor. kundige Referate fundiert war. Drei Fachleute gaben Vorla- Vondraček, Träger des Men- gen für einen möglichen neuen schenrechtspreises des Bundes Weg: Bernd Posselt als Europa- parlamentarier und Sprecher der erte die Föderalismusblindheit Sudetendeutschen Volksgruppe, in der noch bis 99 bestehen- Regierungsdirektor Dr. Wolf- den CSFR nach der Wende und gang Freytag vom Bayerischen würdigte die Sudetendeutschen, Staatsministerium für Arbeit und die keine Ewiggestrigen seien, Sozialordnung und Dr. Miroslav sondern Brückenbauer. Wenn Kunštát von der Prager Karls- man neue Wege gehen wolle, universität. müsse man sich die alten Wege Posselt betonte, dass jeder Dia- bewusst machen, auch die Irr- log Menschen brauche, die ihn wege. Er erinnerte an positive führen, ein Instrumentarium, um Ansätze wie den Ruf nach der ihn zu gestalten, und Themen, die Pax Bohemica des verstorbenen ihm gerecht werden. Menschen Historikers Dr. Rudolf Hilf als gäbe es auf beiden Seiten, auch Zukunftsprojekt für Mitteleuropa bei der Führung in Prag, doch sei und forderte als Richtschnur eine der Dialog mit der Führung noch Bestandsaufnahme in Wahrheit. nicht öffentlich. Es gelte die be- Die sachkundige Diskussion nach währten Instrumente auszuwei- den drei Referaten erwies die ten. Heimatkreise einschließlich Teilnehmer als Fachleute, wenn der Kirche hätten schon lange die Rolle der Heimatkreise, der auch schwierige Themen ange- Partnerschaften oder grenzüber- packt, doch es fehlten in diesem schreitender Regionen im Mittel- Dialog aktive tschechische Po- punkt stand. litiker. Bei den Themen müsste Das Referat des Historikers die Bereitschaft zu allen Themen Dr. Toman Brod „Mythen und vorhanden sein, es gelte, einge- Irrtümer in der Ansicht über die fahrene Gleise zu verlassen und tschechische Vergangenheit“ war die Chancen zu nutzen, wie dies erschütternd: Ein Prager als jü- der Besuch von Ministerpräsi- disches Opfer dunkler deutscher dent Seehofer gezeigt habe. Geschichte zeigte, dass „ange- Regierungsdirektor Freytag nehme Mythen meist ein größeres hob hervor, dass der Dialog euro- Gewicht haben als die nackten, päisch geführt werden müsse, weniger schönen Tatsachen“. und zwar immer als Dialog der Für Brod waren die Deutschen Wahrheit mit dem Ziel der Auf- in Böhmen auch Landespatri- arbeitung von Kulturleistungen, oten mit dem Anspruch auf Hei- Schicksal und Leidensweg, wofür matrecht. Der Historiker Brod er das Beispiel der Stadt Tepl an- entzauberte das Märchen vom führte. Nur der Freistaat Bayern „Temno“, der angeblich „tiefgrei- habe im Ministerium für Sozial- fenden nationalen Katastrophe“ ordnung noch ein eigenes Re- nach der Schlacht am Weißen ferat, das sich mit Vertriebenen Berg. Er geißelte den Antisemitis- und internationalen Themen mus bekannter Persönlichkeiten beschäftige. Dr. Kunštát bedau- der tschechischen Kultur und entlarvte die billigen antiöster- hungen gegen den deutsch-tsche- reichischen Darstellungen des chischen Dialog. Er bedauerte Bildes von Kaiser Franz Josef. In „die Unversöhnlichkeit, Intole- seiner historischen Betrachtung ranz und die Unfähigkeit, eigene nannte er die Schicksalsjahre Fehler einzugestehen, was aber nach 1918 eine „katastrophale leider bei manchen tschechischen Geistesdämmerung, der die po- Politikern Unterstützung findet“. litischen Repräsentanten der in- Den Abschluss bildete eine ternationalen Gemeinschaft un- Fahrt in den Wallfahrtsort Maria terlegen waren.“ Dabei schloss er Kulm, wo der sudetendeutsche auch die damaligen tschechischen Visitator Monsignore Karl Wuch- Politiker ein. Was Brod dann über terl und der Großmeister des Or- die Vertreibung und die angeb- dens der Kreuzherren mit dem liche deutsche Kollektivschuld Roten Stern Jiři Kopeijso in An- ausführte, sollte möglichst bald wesenheit der Bürgermeister von in vollem Wortlaut veröffentlicht Maria Kulm und Falkenau den werden. Er schloss sein Referat: Gottesdienst zelebrierten. Der „Das Prinzip der Kollektivschuld, einzige im Mittelalter in Böhmen das Menschen nur wegen ihrer entstandene Orden der Kreuzher- Nationalität, Religion oder Rasse ren war bis zum 0. Jahrhundert ächtet, ist absolut inakzeptabel immer deutsch und tschechisch. für eine demokratische, huma- Auch wenn im 0. Jahrhundert nistische Gesellschaft überall auf die tschechischen Mitglieder der Welt“. zahlreicher als deutsche Ordens- Ebenso offen war auch der Vor- patres waren, so waren dennoch trag von Dr. Jaroslav Otčenašek die meisten vom Orden betreu- vom Institut für Volks- und Völ- ten Pfarreien deutsch wie Eger, kerkunde der Akademie der Tachau, Karlsbad, Franzenbad Wissenschaften in Prag: „Die u.a. Dass heute wieder deutsche deutsche Minderheit in Böhmen Katholiken nach Maria Kulm 945 bis 989“. Der junge Wis- wallfahren und zum Wiederauf- senschaftler aus Haida stellte bau beitragen, ist