Leopold-Franzens-Universität Innsbruck Philosophisch-Historische Fakultät Institut für Geschichtswissenschaften und Europäische Ethnologie Kernfach: Österreichische Geschichte

Lokalhistorische Dimension der Straßennamen von Bludenz Der öffentliche Raum vor dem Hintergrund der Erinnerungskultur

Diplomarbeit

zur Erlangung des akademischen Grades eines Magisters der Philosophie (Mag. phil.)

eingereicht bei Univ.-Prof. Mag. Dr. Kurt Scharr

von Sebastian Schwald

Innsbruck, Oktober 2020

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Inhaltsverzeichnis

Vorwort ...... 5 Danksagung ...... 6 1. Einleitung ...... 7 2. Erinnerungskultur und ihre verwandten Formen ...... 9 2.1. Über Public History, kollektives Gedächtnis und Erinnerungskultur ...... 9 2.2. Wie und wo zeigt sich Erinnerungskultur? ...... 14 2.3. (Um-)Benennungen des öffentlichen Raums im Spiegel der Erinnerungskultur ...... 19 2.4. Diskussionen über Straßennamen in Zeitungen und Kommissionen ...... 24 3. Geschichte der Straßennamen ...... 31 3.1. Forschungsstand ...... 31 3.2. Rechtliche Bestimmungen bei der Benennung öffentlicher Verkehrsflächen ...... 34 3.3. Benennung von Straßen im historischen Rückblick ...... 40 3.4. Motive für Straßenbenennungen seit dem späten 19. Jahrhundert ...... 51 3.4.1. Bedeutung der Politik ...... 52 3.4.2. Bedeutung von Wirtschaft und Gewerbe ...... 53 3.4.3. Bedeutung von Kunst und Kultur ...... 54 3.4.4. Einfluss spezifischer Wendejahre ...... 54 3.4.5. Umbenennungen von Straßennamen ...... 55 3.4.6. Stadtviertel mit thematisch verwandten Straßennamen ...... 55 3.4.7. Einfluss von Flurnamen und Lokalgeschichte ...... 56 3.4.8. Personenspezifische Benennungen ...... 57 3.4.9. Genderfrage und Frauenanteil ...... 58 3.4.10. Straßennamen mit Diskussionsbedarf ...... 58 3.5. Zwischenfazit ...... 59 4. Fallbeispiel Bludenz ...... 61 4.1. Bevölkerungsgeschichte ...... 61 4.2. Bludenzer Straßennamen: Der Weg von der Idee zur Benennung ...... 68 4.3. Anfänge der Straßenbenennungen in der Innenstadt ...... 69 4.4. Straßennamen im 19. Jahrhundert ...... 73 4.5. Erste große Benennungsphasen im frühen 20. Jahrhundert ...... 81 4.6. Der Einfluss des Nationalsozialismus ...... 98 4.7. Notwendige Benennungen in den Randgebieten ...... 107 4.8. Einbindung der Bludenzer Banken ab den 1970er Jahren ...... 114 4.9. Entwicklungen der letzten Jahrzehnte ...... 122

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4.10. Register Bludenzer Straßennamen ...... 126 5. Analyse der ausgewählten Motive...... 178 5.1. Bedeutung der Politik ...... 179 5.2. Bedeutung von Wirtschaft und Gewerbe ...... 180 5.3. Bedeutung von Kunst und Kultur ...... 181 5.4. Einfluss spezifischer Wendejahre...... 182 5.5. Umbenennungen von Straßennamen ...... 184 5.6. Stadtviertel mit thematisch verwandten Straßennamen...... 185 5.7. Einfluss von Flurnamen und Lokalgeschichte ...... 186 5.8. Personenspezifische Benennungen ...... 188 5.9. Genderfrage und Frauenanteil ...... 188 5.10. Straßennamen mit Diskussionsbedarf ...... 189 5.11. Fazit der Fallstudie ...... 191 6. Schlussbetrachtung ...... 193 7. Fachdidaktische Umsetzung für die 7. Klasse AHS ...... 197 7.1. Fachdidaktische Ansätze zur Benennung des öffentlichen Raums ...... 197 7.2. Verortung im Lehrplan und Vernetzung mit fachdidaktischen Kompetenzen ...... 200 7.3. Konzept des Projekts und dessen Ziele ...... 204 7.4. Modulplanung ...... 206 7.5. Weitere Schritte und Überlegungen ...... 209 8. Literaturverzeichnis ...... 210 8.1. Literatur ...... 210 8.2. Gesetzestexte ...... 216 8.3. Zeitungsquellen ...... 217 8.4. Archivalien ...... 218 8.5. Webadressen ...... 218 9. Abbildungsverzeichnis ...... 220 10. Abkürzungsverzeichnis ...... 221 Anhang ...... 222

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Vorwort

Bereits zu Studienbeginn faszinierten mich die Beschreibungen auf den Schildern der Innsbrucker Straßennamen. Viel Wissenswertes, Unerwartetes, Interessantes den Horizont Erweiterndes war und ist dort zu lesen. Dieser Blick hinter die Straßenbezeichnungen war letztlich für mich die Inspiration, eine Diplomarbeit in diese Richtung zu verfassen. Konkret wurde das Ganze, als ich feststellte, dass es für meine Heimatstadt Bludenz noch keine vollständige Analyse ihrer Straßennamen gibt, obwohl die Straßennamenforschung längst kein historisches Neuland mehr ist. Den Reiz dieser Thematik machten für mich die unterschiedlichen Recherchearten aus: die Recherche im Stadtarchiv, das Durchforsten alter Zeitungen sowie die Suche nach Literatur, die sich als herausfordernd erwiesen. Somit wurde das Vorhaben zu einer richtigen „Schnitzeljagd“, die bis zum Schluss spannend blieb.

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Danksagung

Für die Möglichkeit, dieses vielseitige Thema zu einer Diplomarbeit auszubauen, möchte ich meinem Betreuer, Univ.-Prof. Dr. Kurt Scharr, danken. Seine Tipps bzgl. Literatur und Struktur der Arbeit waren sehr hilfreich.

Weiters gilt mein Dank den Mitarbeitern des Bludenzer Stadtarchivs und der Kulturabteilung, allen voran Christof Thöny und Stefan Stachniß, die mir in einem turbulenten Frühjahr, in dem der Zugang zu Archiven besonders erschwert war, stets zur Seite standen und mir die für meine Recherche nötigen Archivalien oft bereitstellten.

Ebenfalls erwähnen möchte ich die Hilfe von Manfred Tschaikner und Guntram Plangg, deren Expertise zu den historischen Forschungen im Raum Bludenz für mich sehr wertvoll war. Dank ihnen konnte ich viele Lücken schließen.

Außerdem möchte ich die zahlreichen Freundschaften, die meine letzten Jahre sehr prägten, nicht unerwähnt lassen. Dass ich mit vielen Freunden in den letzten Monaten spannende Gespräche über mein Thema führen konnte, hat mir gezeigt, dass es ein Thema ist, das (fast) jeden in irgendeiner Form beschäftigt. Ein besonderer Dank gebührt dabei Benedikt Kapferer, der großes Interesse an meiner Arbeit zeigte und mich immer wieder auf interessante Aufsätze oder Radiobeiträge zum Thema aufmerksam machte. Ebenfalls möchte ich Tobias Teichtmeister danken für seine Hilfe bei jeglichen Computerfragen.

Zu guter Letzt möchte ich meine besonderen Rückhalte erwähnen, allen voran meine Freundin Clara Scheier, an deren Seite ich fast meinen gesamten Studienweg verbringen durfte. Dank ihr und ihrer Familie konnte ich mich auch im Lockdown immer auf ein zweites Zuhause verlassen. Der abschließende Dank gebührt meiner Familie: meinen Geschwistern und deren tollen Familien sowie insbesondere meinen Eltern, Otto und Elisabeth, denen ich meine universitäre Laufbahn zu verdanken habe. Ich konnte mich über all die Jahre stets auf ihr offenes Ohr, ihren Input sowie ihre fachliche und private Unterstützung verlassen.

Vielen Dank an euch alle!

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1. Einleitung

„Der Mensch ist das einzige Wesen, das den Dingen, die ihn umgeben, einen Namen gibt.“1

Mit diesen Worten bringt der Historiker Hansjoachim Räther (*1949) in seiner Publikation über die Heidelberger Straßennamen die Benennung von Dingen im Allgemeinen als eine typisch menschliche Eigenart auf den Punkt. Namen von Straßen und Wegen hält er in weiterer Folge für „durchtränkt von unbewusstem Sinn und fernen Bedeutungen“2. Damit zeigt er auf, dass die Benennung von Dingen meist nicht zufällig passiert, und das gilt somit auch für den öffentlichen Raum mit seinen Straßen, Plätzen, Gassen, Wegen, Alleen, etc. Viele Bedeutungen sind dabei offensichtlich: So muss wohl kaum jemandem erklärt werden, warum es zur Zeit des Nationalsozialismus zur Benennung unzähliger Adolf-Hitler-Plätze kam. Bei anderen Straßennamen ist es jedoch weitaus schwieriger, sie inhaltlich zu erfassen, die Hintergründe für gerade diese Bezeichnung zu eruieren. Damit sind nicht nur Benennungen nach Personen, sondern auch u. a. nach wirtschaftlichen Gewerben, nach Flurnamen oder nach anderen Städten gemeint. All diese Straßen tragen ihren Namen nicht zufällig, prägten sie doch zum Teil schon frühere Gesellschaften und haben auch auf die Bevölkerung im 21. Jahrhundert noch starke Auswirkungen. Daher ist es Ziel der Untersuchung, diesen ebenfalls auf den Grund zu gehen und sie nicht als reine Straßennamen abzustempeln.

Aufgrund der Tatsache, dass es heutzutage in den meisten Fällen der Stadt selbst obliegt, die Straßen mit Namen zu versehen, entwickelte sich in jeder Stadt – oft sogar in kleinen Gemeinden – eine vielfach ganz individuelle Praxis der Straßenbenennung. Was ist üblich? Worauf liegt der Fokus? Wer oder was soll im Straßenbild vorkommen? Dies sind die Fragen, die in den Prozess jeder Entscheidungsfindung miteinfließen. Aufgrund dessen ist es wichtig, eine Stadt in ihrer Gesamtheit zu analysieren und nicht nur einige wenige Namen auszuwählen. Um einen repräsentativen Überblick zu bekommen, bedarf es eben genau dieser holistischen Herangehensweise. Nur so kann herausgearbeitet werden, auf welche Art von Benennung in einer Stadt momentan der Fokus gelegt wird und was in den vergangenen 100 bis 150 Jahren bei der Entscheidungsfindung für Straßenbenennungen maßgeblich war.

Grundlage für eine solche Untersuchung sind die verschiedenen Herangehensweisen bei Straßenbenennungen seit dem späten 18. Jahrhundert. In dieser Arbeit soll der Frage

1 Hansjoachim Räther, Die Heidelberger Straßennamen. Straßen, Gassen, Wege, Plätze und Brücken in (Beiträge zur Heidelberger Stadtgeschichte 1), Heidelberg 2015, S. 9. 2 Ebd., S. 9.

7 nachgegangen werden, welche dieser allgemeinen Tendenzen sich in der Benennung der Straßen von Bludenz, einer Kleinstadt im Bundesland Vorarlberg, widerspiegeln. In erster Linie wird dabei auf die Dreiteilung von wirtschaftsgeschichtlich geprägten, kulturhistorisch motivierten und politikgeschichtlich beeinflussten Straßennamen geachtet, wobei eine scharfe Trennung aufgrund von Umbenennungen nicht in jedem Fall möglich ist. Da das Thema Straßenbenennungen insgesamt nicht eng gefasst werden kann, wurden weitere, kleinere Kriterien, nach denen Straßen benannt wurden und werden, exemplarisch herausgearbeitet.

Der Bludenzer Fallstudie wird ein Kapitel über die Geschichte der Straßennamen vorangestellt, in dem kurz einerseits auf deren allgemeine und politische Bedeutung, andererseits auf deren rechtliche und linguistische Komponente eingegangen wird. Wichtig wird auch sein, die Stadt Bludenz nicht als Einzelfall zu analysieren; eine Einbettung in einen größeren Kontext kann besonders bei dieser Thematik äußerst hilfreich sein. Für relevante Vergleiche werden daher Benennungstendenzen herangezogen, wie sie in von der Größe her vergleichbaren Kleinstädten anderer Bundesländer sichtbar werden. Dies soll letztlich Auskunft darüber geben, ob sich Benennungen in Bludenz stark oder wenig von denen anderer Städte unterscheiden.

An den Anfang gestellt wird jedoch der Themenkomplex Erinnerungskultur, mit dem Straßenbenennungen sehr eng zusammenhängen. Dabei wird zum einen der Begriff „Erinnerungskultur“ selbst kurz analysiert, zum anderen werden konkrete Bezüge im Zusammenspiel mit der Straßennamenforschung herausgearbeitet. In diesem Zusammenhang soll besonders aufgezeigt werden, dass bei dieser Thematik – wie bereits in der Frühphase der Straßenbenennungen im Mittelalter – die Bevölkerung wieder ein vermehrtes Interesse zeigt und heute stärker involviert ist, als dies über weite Strecken des 20. Jahrhunderts der Fall war.

Den Abschluss der Arbeit bildet schließlich eine fachdidaktische Aufarbeitung dieses Themenkomplexes. Es wird ein Projekt geplant mit SchülerInnen der 7. Klasse AHS, bei dem Kurzbeschreibungen für die Bludenzer Straßennamen erstellt werden sollen.

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2. Erinnerungskultur und ihre verwandten Formen

2.1. Über Public History, kollektives Gedächtnis und Erinnerungskultur Die intensive Auseinandersetzung mit dem Thema Erinnerungskultur setzt zu allererst die Definition wichtiger Begriffe voraus, die in einer ähnlichen Tradition wie die Erinnerungskultur stehen und sich mit dieser zum Teil auch überschneiden. Ein erster solcher Terminus wäre „Public History“. Diese Bezeichnung war vor wenigen Jahrzehnten im historischen Fachjargon Mitteleuropas noch nicht geläufig. Durch die steigende Verbreitung von Anglizismen im deutschsprachigen Vokabular und die stärkere Beschäftigung mit der Fachrichtung an sich wird der Name mittlerweile aber längst nicht mehr nur von HistorikerInnen gerne verwendet. Bei „Public History“ handelt es sich um eine Fachrichtung der Kulturwissenschaft, die zwar erst in den 1970er Jahren benannt wurde, die aber schon – bewusst wie unbewusst – seit dem 19. Jahrhundert und besonders ab dem frühen 20. Jahrhundert praktiziert wurde.3 Das entscheidende Wort hierbei ist „public“, welches im Cambridge Dictionary mit „relating to or involving people in general, rather than being limited to a particular group of people”4, umschrieben wird. Man hat es somit mit einem Bereich der Geschichte zu tun, der nicht nur für ausgewählte ForscherInnen zugänglich ist, sondern der für die Gesamtbevölkerung von Bedeutung ist. Samida erwähnt in dieser Hinsicht Emil Ludwig (1881-1948) als Vorreiter. Er war mehr Schriftsteller als Historiker und wird dem Feld der Historischen Belletristik des frühen 20. Jahrhunderts zugeordnet. Er schrieb Biografien über zahlreiche bekannte Persönlichkeiten wie Goethe oder Bismarck, sie unterschieden sich aber deutlich von damals noch üblichen klassischen Biografien. Er ließ psychologische Aspekte in seine Abhandlungen einfließen und schuf so eine Art „psychologische Charakterkunde“5. Während in der Weimarer Republik sowie im Nationalsozialismus eine derartige Beschäftigung mit Geschichte nicht erwünscht war und auch in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sehr wenig in dieser Richtung geforscht wurde, gab es in den 1970er und 1980er Jahren wieder einen Aufschwung bei diesem Forschungsschwerpunkt. Besonders das Phänomen der Inszenierung rückte in den vergangenen 30 Jahren in den Vordergrund.6 Da eine Inszenierung für jemanden gemacht wird, benötigt es hierfür auch ein Publikum, eine Masse, die sich diese Inszenierungen – in welcher Form auch

3 Stefanie Samida, Kommentar: Public History als Historische Kulturwissenschaft: Ein Plädoyer, in: Docupedia- Zeitgeschichte, 17.06.2014, S. 4, Zugriff: 17.04.2020 → Alle Internetlinks sind im Literaturverzeichnis einsehbar. 4 Cambridge Dictionary, Zugriff: 17.04.2020. 5 Samida, Public History, S. 4. 6 Ebd., S. 5–6.

9 immer – zu Gemüte führt. Damit wird nun wieder der Begriff „public“ wichtig, von dem bereits die Rede war.

Ein weiterer Begriff, der bei dieser Thematik einhakt und den allgemeinen Aspekt der „Public History“ gewissermaßen noch weiterführt, ist jener des kollektiven Gedächtnisses. Er wurde geprägt vom französischen Philosophen und Soziologen Maurice Halbwachs (1877-1945). In seinen konstruktivistisch geprägten Theorien der 1920er Jahre sind „individuelle Erinnerungen Rekonstruktionen, die sich auf soziale Bezugsrahmen der Gegenwart stützen“7. Mit seiner Feststellung, dass Erinnerungen besonders stark von der Gegenwart und weniger stark von der Vergangenheit geprägt seien, unterscheidet sich Halbwachs von Sigmund Freud und Aby Warburg, die ebenfalls in diesem Zeitraum Erinnerungstheorien aufstellten.8 Dass auch die Forschung zum kollektiven Gedächtnis im deutschsprachigen Raum lange unter diesem Radar flog, beweist die Tatsache, dass eine der bedeutendsten Schriften Halbwachs‘, Das Gedächtnis und seine sozialen Bedingungen (im Original Les cadres sociaux de la mémoire), erst im Jahre 1985 ins Deutsche übersetzt wurde. Andererseits ist das aber auch ein Indiz dafür, dass die Thematik des Erinnerns in den 1980er Jahren deutlich an Bedeutung dazugewann.9

Zu dieser Zeit rückten in Deutschland zwei Kulturwissenschaftler in den Vordergrund, die einerseits den Begriff des kollektiven Gedächtnisses weiterentwickelten und denen andererseits ein Brückenschlag zu dem gelang, was wir heute als Erinnerungskultur bezeichnen. Jan Assmann (*1938) prägte hierbei besonders die Unterteilung von kollektivem Gedächtnis in zwei Subtypen: kommunikatives Gedächtnis und kulturelles Gedächtnis. Unter kommunikativem Gedächtnis versteht er Aspekte des alltäglichen Austauschs. Ein besonderes Merkmal dieses Typs ist, dass der Zeithorizont beschränkt ist: „Es reicht in der Regel – alle Untersuchungen der Oral History scheinen das zu bestätigen – nicht weiter zurück als 80 bis (allerhöchstens) 100 Jahre, also die biblischen 3-4 Generationen und das lateinische saeculum.“10 Liegen Erinnerungen mehr als diese 80-100 Jahre zurück, so erfolgt der Übergang zum kulturellen Gedächtnis, wobei sich Assmann hier die Frage stellt, ob in diesem Fall überhaupt noch von der Metapher des Gedächtnisses gesprochen werden darf. Entscheidend für diesen Subtyp des kollektiven Gedächtnisses ist, dass dieser nicht mit dem „fortschreitenden

7 Sabine Moller, Erinnerung und Gedächtnis, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 12.04.2010, S. 3, Zugriff: 04.10.2020. 8 Ebd., S. 3. 9 Heidemarie Uhl, Warum Gesellschaften sich erinnern, in: Informationen zur Politischen Bildung 32 [onlineversion], S. 5–14, hier: S. 5. 10 Jan Assmann, Kollektives Gedächtnis und kulturelle Identität, in: Kultur und Gedächtnis, hrsg. v. Jan Assmann/Tonio Hölscher, Frankfurt 1988, S. 9–19, hier: S. 11.

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Gegenwartspunkt“11 mitwandert, sondern einen gewissen Fixpunkt hat. In diesem Bereich spricht Assmann auch erstmals von Erinnerungen, die meist von Institutionen geschaffen werden, um Vergangenes nicht zu vergessen.12

Aleida Assmanns (*1947) Beiträge zu den Theorien zum Gedächtnis finden sich vor allem in ihrem 1999 erschienenen Werk Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. Sie unterscheidet darin einerseits zwischen dem Gedächtnis als ars, einer Kunst bzw. Technik, und dem Gedächtnis als vis, einer anthropologischen Kraft; andererseits arbeitet sie entscheidende Unterschiede zwischen dem Funktions- und dem Speichergedächtnis heraus.13 Das Funktionsgedächtnis, von ihr auch als „bewohntes Gedächtnis“ bezeichnet, „ist verbunden mit einem Träger, der eine Gruppe, eine Institution oder ein Individuum sein kann [und] schlägt eine Brücke über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft“14. Das Funktionsgedächtnis ist darüber hinaus selektiv. Daher kann hier nicht die Gesamtheit aller Erinnerungen erhalten bleiben, sondern es bekommen gewisse Erfahrungen und Erinnerungen durch Selektion eine höhere Bedeutung als andere.15 Dem gegenüber steht das Speichergedächtnis, welches sich, losgelöst von einem bestimmten Träger, für alles interessiert. Dieses ist besonders dann auffällig, wenn es außer Kraft gesetzt oder unterdrückt wird, wie es George Orwell in seinem Roman 1984 beschreibt oder wie es im stalinistischen Russland unterdrückt wurde. Assmann hält fest, dass man das Speichergedächtnis als Reservoir zukünftiger Funktionsgedächtnisse sehen könne, da aus diesem Speichergedächtnis wieder eine Selektion vorgenommen werden könne, welche langfristig im Gedächtnis bleiben könne. Besonders bedeutend ist dementsprechend der Austausch dieser beiden Gedächtnisse.16

All diese Ansätze führen schließlich zum Begriff „Erinnerungskultur“. Dieser ist ein – geschichtswissenschaftlich gesehen – noch junger Begriff, erfuhr er doch erst in den 1990er Jahren eine größere Verbreitung.17 Der Terminus steht in engem Zusammenhang einerseits mit den bereits besprochenen Begriffen, andererseits mit dem Begriff „Geschichtspolitik“, mit dem ein Politikfeld bezeichnet wird, das sich mit Jahres- und Gedenktagen, Gedenkstätten, Denkmälern, also, allgemein gesagt, mit historischen Orten und Persönlichkeiten beschäftigt.18

11 Assmann, Kollektives Gedächtnis, S. 12. 12 Ebd., S. 11–12. 13 Astrid Erll, Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen. Eine Einführung, 32017, S. 27–28. 14 Aleida Assmann, Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, München 1999, S. 133. 15 Ebd., S. 135. 16 Ebd., S. 133, 140. 17 Stefan Troebst, Geschichtspolitik, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 04.08.2014, S. 13, Zugriff: 01.10.2020. 18 Ebd., S. 1.

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Die Bezeichnung „Geschichtskultur“ ist außerdem etwas älter als der Begriff „Erinnerungskultur“. Sie wurde erstmals bereits in den 1970er Jahren in einer Publikation des Franzosen Bernard Guenée (1927-2010) genannt und etablierte sich schließlich ab den 1980er Jahren auch im deutschsprachigen Raum.19 „Erinnerungskultur“ ist somit wissenschaftlich gesehen ein jüngeres Phänomen, auch wenn sich die beiden Begriffe ständig gegenseitig beeinflussen und oft nahe beieinander liegen. Hans Günter Hockerts (*1944) sieht „Erinnerungskultur“ als „lockere[n] Sammelbegriff für die Gesamtheit des nicht spezifisch wissenschaftlichen Gebrauchs der Geschichte in der Öffentlichkeit“20. Jedoch gibt es auch andere Ansichten dazu, wie bei Christoph Cornelißen (*1958): Dieser betrachtet den Begriff etwas differenzierter, besonders aufgrund der Forschung, die in diesem Bereich in den vergangenen Jahrzehnten getätigt worden ist. Laut ihm erscheint es sinnvoller, „‚Erinnerungskultur‘ als einen formalen Oberbegriff für alle denkbaren Formen der bewussten Erinnerung an historische Ereignisse, Persönlichkeiten und Prozesse zu verstehen, seien sie ästhetischer, politischer oder kognitiver Natur.“21 In diesem weiter gefassten Sinn ist der Begriff zwar sehr ähnlich mit dem Geschichtskultur-Konzept, allerdings wird der Fokus noch stärker auf das „Erinnern“ gelegt und damit besonders auf die Verwendung von Vergangenem in der Gegenwart. Außerdem sind jegliche Formen von erinnerter Vergangenheit, egal ob Fotos, Denkmäler, Bauten etc., beim Begriff Erinnerungskultur gleichberechtigt.22

Neben den besprochenen Theorien von Halbwachs sowie Jan und Aleida Assmann liegt auch bei den Begriffen „Geschichtskultur“ und „Erinnerungskultur“ ein wichtiger Ansatzpunkt in Frankreich, nämlich bei Pierre Nora (*1931). Besonders wertvoll für die Genese dieser Begriffe war Noras siebenbändiges Werk zu Erinnerungsorten, Les lieux de mémoire, welches in den Jahren 1984 bis 1992 entstand. Er nahm darin einige Thesen von Halbwachs wieder auf. Zentral für seine Überlegungen war die jeweilige Dimension von Erinnerungsorten, die er in drei Aspekte einteilte. Bei der materiellen Dimension geht es u.a. um konkrete Gegenstände, wie Gemälde oder Bücher. Bei der funktionalen Dimension geht es darum, dass Dinge für die Gesellschaft eine Funktion erfüllen müssen und zu einem bestimmten Zweck hergestellt werden; als Beispiel nennt er hier berühmte Bücher, die Eingang in Schulbücher finden, noch

19 Holger Thünemann, Geschichtskultur revisited. Versuch einer Bilanz nach drei Jahrzehnten, in: Historisierung der Historik, hrsg. v. Thomas Sandkühler/Horst Walter Blanke, Wien–Köln–Weimar 2018, S. 127–149, hier: S. 127. 20 Hans Günter Hockerts, Zugänge zur Zeitgeschichte: Primärerfahrung, Erinnerungskultur, Geschichtswissenschaft, in: Aus Politik und Zeitgeschichte 28 (2001), S. 15–30, hier: S. 16. 21 Christoph Cornelißen, Erinnerungskulturen, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 22.10.2012, S. 2, Zugriff: 19.04.2020. 22 Cornelißen, Erinnerungskulturen, S. 2, Zugriff: 19.04.2020.

12 bevor sie zum Erinnerungsort werden. Schließlich nennt er noch die symbolische Dimension, die zum Beispiel dann zum Ausdruck kommt, wenn aus gewissen Handlungen ein Ritual wird.23

Abschließend gilt es noch, einen Blick darauf zu werfen, warum Erinnerungskultur und ähnliche Konzepte gerade zum Ende des vergangenen Jahrhunderts eine so besondere Ausbreitung erfuhren und warum sich die Wissenschaft vermehrt auf die Untersuchung dieser Erinnerungsaspekte stürzte. Hier gilt es zunächst noch einmal festzuhalten, dass die Beschäftigung mit Erinnerung und Vergessen keineswegs neu erfunden wurde. Cornelißen geht hierbei zurück bis zu den Überlegungen Friedrich Nietzsches, der 1874 feststellte, dass es zwar möglich sei, fast ohne Erinnerung, aber nicht ohne Vergessen zu leben.24 Der rasante Aufstieg des Fachs „Erinnerungskultur“ muss aber wohl auf zweierlei Gründe zurückgeführt werden. Einerseits erfolgte Mitte der 1970er Jahre eine mentalitätsgeschichtliche Wende, die auf die Wirtschafts- und Energiekrise in den großen Industriestaaten zurückging. Nach Jahrzehnten des Optimismus und des positiven Blicks in die Zukunft, gepaart mit Aufstiegserwartungen, folgte eine düstere, pessimistischere Zeitspanne. In dieser Zeit gab es einen Einstellungswandel, der zu einem „vielschichtige[n] Interesse an der Historisierung der Gegenwart sowie [zu] Fragen der nationalen Identität“25 führte. Selbst Noras Lieux de mémorie sind in diese Tradition von nostalgischen und zum Teil kulturpessimistischen Ansätzen einzuordnen.26 Andererseits trat in diesen Jahrzehnten auch eine neue Generation in Mitteleuropa in den Vordergrund, die begann, sich intensiv mit der NS-Vergangenheit zu beschäftigen. Es waren viele Menschen darunter, die das NS-Regime und den Zweiten Weltkrieg nicht mehr selbst erlebt hatten. Diese Vergangenheit Deutschlands ist, europäisch betrachtet, bis heute einer der zentralen Schwerpunkte von Erinnerungskultur. Es galt nun, der Opfer des Nationalsozialismus zu gedenken und vom Gefallenengedenken wegzukommen.27 Auch Österreich spielte hierbei eine besondere Rolle, da man sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs noch in einer starken Opferrolle sah, was auch Eingang in die Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs fand. Die Regierung Hitlers habe „das macht- und willenlos gemachte Volk Österreich in einen sinn- und aussichtslosen Eroberungskrieg geführt, den kein Österreicher jemals gewollt hat“28. Besonders Mitte der 1980er Jahre wurde nun auch in Österreich durch diese neue Generation

23 Pierre Nora, Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Aus dem Französischen von Wolfgang Kaiser, Frankfurt a. M. 1998, S. 32. 24 Cornelißen, Erinnerungskulturen, S. 3, Zugriff: 18.04.2020. 25 Ebd., S. 4, Zugriff: 18.04.2020. 26 Ebd., S. 4, Zugriff: 18.04.2020. 27 Uhl, Warum Gesellschaften, S. 11. 28 Rechtsinformation des Bundes, Proklamation über die Selbständigkeit Österreichs, 27.4.1945, Zugriff: 20.04.2020.

13 und das Aufarbeiten der Nachkriegsmythen damit begonnen, sich mit der NS-Vergangenheit zu beschäftigen, was sich besonders in der Waldheim-Affäre ab 1986 niederschlug.29 Wo derartige Grundsatzdebatten ausgetragen wurden und wie sie im Sinne der „Public History“ auch für die Gesamtbevölkerung vermehrt zugänglich gemacht wurden, soll im folgenden Kapitel kurz analysiert werden.

2.2. Wie und wo zeigt sich Erinnerungskultur? „Viele Völker gedenken heute des Tages, an dem der Zweite Weltkrieg in Europa zu Ende ging. Seinem Schicksal gemäß hat jedes Volk dabei seine eigenen Gefühle. […] Wir Deutsche begehen den Tag unter uns, und das ist notwendig. Wir müssen die Maßstäbe allein finden. Schonung unserer Gefühle durch uns selbst oder durch andere hilft nicht weiter. […] Der 8. Mai ist für uns vor allem ein Tag der Erinnerung an das, was Menschen erleiden mußten. Er ist zugleich ein Tag des Nachdenkens über den Gang unserer Geschichte. […] [Es] wurde von Tag zu Tag klarer, was es heute für uns alle gemeinsam zu sagen gilt: Der 8. Mai war ein Tag der Befreiung. Er hat uns alle befreit von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft.“30

Dies sind die Worte von Bundespräsident Richard von Weizsäcker (1920-2015), gesprochen am 8. Mai 1985, dem 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa. Bereits zwei Jahre zuvor, als sich die Machtergreifung der Nationalsozialisten zum fünfzigsten Mal jährte, wurde der Holocaust in Zeitungen und Büchern diskutiert. Außerdem gab es bereits durch die 1979 erschienene Fernsehserie Holocaust und durch weitere Filme Anfang der 1980er Jahre eine verstärkte Beschäftigung mit dieser Thematik.31 Somit war klar, dass man in dieser Zeit damit begann, die Zeitgeschichte aufzuarbeiten. Gedenktage, wie dieser 8. Mai 1985, sind somit ein erstes Beispiel dafür, wie Erinnerungskultur aktiv ausgeübt wird und wie, durch die Information und Einbindung der Gesamtbevölkerung, der Brückenschlag zur „Public History“ gelingt.

Weizsäckers Rede war allerdings nicht nur wegen des Tages, dessen hier gedacht wurde, so bemerkenswert, sondern vor allem auch wegen der medialen Rezeption, die speziell die

29 Uhl, Warum Gesellschaften, S. 11. 30 Richard von Weizsäcker, Gedenkveranstaltung im Plenum des Deutschen Bundestags, Zugriff: 18.04.2020. 31 Klaus Große Kracht, Debatte: Der Historikerstreit, in: Docupedia-Zeitgeschichte, 11.01.2010, S. 4, Zugriff: 18.04.2020.

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Bezeichnung des Tags der Niederlage als „Tag der Befreiung“ erfuhr. Weizsäcker war zwar nicht der Erste, der sich mit diesen Worten indirekt zur deutschen Kriegsschuld bekannte32, das Publikum war jedoch noch nie so groß. Es war ein Start für die Rückkehr des Holocaust in das Interesse der Medien und damit auch in die Erinnerungskultur Deutschlands.33

Die Debatte um Erinnerungskultur ist, besonders in Europa, immer unmittelbar mit dem NS- Regime und dessen Gräueltaten verbunden. Dies zeigte sich auch in einem weiteren Medium, welches noch heute eine wichtige Rolle beim Thema Erinnerungskultur spielt, nämlich in Zeitungen. Bereits kurz nach der Rede Weizsäckers und dann, als die Aufarbeitung des Zweiten Weltkriegs und besonders des Holocausts bereits in vollem Gange war, kam es unter bekannten deutschen Historikern zu einem medialen Wortstreit, der in führenden Zeitungen des Landes ausgetragen wurde und als „Historikerstreit“ in die Geschichte einging. Ob Weizsäckers Aussagen entscheidend dafür waren, lässt sich nicht verifizieren, allerdings erscheint der Zeitpunkt des Streits in den Jahren 1986 und 1987 keineswegs ein Zufall zu sein. Endgültiger Anlass dieser Auseinandersetzung war ein Beitrag des Zeithistorikers Ernst Nolte (1923-2016) in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ). Besonders die Aussage, dass er bzgl. Stalinismus und Nationalsozialismus von einem „kausalen Nexus“ sprach, rief diverse Kritiker auf den Plan.34 Ein Ausschnitt von Noltes Text vom 6. Juni 1986, der wie eine Rede erscheint, jedoch nur schriftlich veröffentlicht wurde, soll hier zitiert werden:

„Vollbrachten die Nationalsozialisten, vollbrachte Hitler eine ‚asiatische Tat‘ vielleicht nur deshalb, weil sie sich und ihresgleichen als potentielle oder wirkliche Opfer einer ‚asiatischen‘ Tat betrachteten? War nicht der ‚Archipel GULag‘ ursprünglicher als Auschwitz? War nicht der ‚Klassenmord‘ der Bolschewiki das logische und faktische Prius des ‚Rassenmordes‘ der Nationalsozialisten?“35

Bezüglich dieser These Noltes gab es unter den deutschen Historikern keineswegs nur Gegner; so waren Michael Stürmer, Klaus Hildebrand und Andreas Hillgruber am Beginn des Streits durchaus auf seiner Seite. Die Gegenseite wurde vor allem repräsentiert von Jürgen Habermas (*1929). Dieser stellte sich deutlich gegen Noltes Aussagen sowie gegen die seiner

32 „[B]ereits vor Weizsäcker hatten sich westdeutsche Staatsvertreter zur deutschen Schuld bekannt und an die Opfer des Nationalsozialismus erinnert. Weizsäcker griff 1985 in seiner Rede auf vor ihm verwendete Formulierungen zurück, so dass sein Text bisweilen als ein ‚‚Best-of‘ historischer Deutungsversuche‘ erscheint.“ (Katrin Hammerstein/Birgit Hofmann, „Wir […] müssen die Vergangenheit annehmen.“ Richard von Weizsäckers Rede zum Kriegsende 1985“, Zugriff: 18.04.2020). 33 Kracht, Der Historikerstreit, S. 4–5, Zugriff: 18.04.2020. 34 Kracht, Der Historikerstreit, S. 5. 35 Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.06.1986, S. 1, Zugriff: 18.04.2020.

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Historikerkollegen Stürmer, Hildebrand und Hillgruber. Habermas veröffentlichte dazu am 11. Juli 1986 einen Essay in der Wochenzeitung Die Zeit mit dem passenden Titel „Kampfansage“. Wie der Titel bereits vermuten lässt, zeigt sich Habermas in seinen Zeilen angriffslustig und bezeichnete die Theorien seiner Historikerkollegen als Revisionismus. Besonders mit Nolte, Stürmer und Hillgruber ging er scharf ins Gericht. So lehnte er die Bezeichnung des „kausalen Nexus“ ab und wies nachdrücklich darauf hin, dass dies zu einer Relativierung des Holocaust führe.36

Es folgte eine über Monate andauernde Debatte, die schon bald zig weitere Historiker dazu brachte, Essays in Zeitungen zu veröffentlichen und sich auf die eine oder andere Seite zu schlagen. Ein klares Ergebnis oder einen Sieger gab es nicht. Am ehesten könnte das Fach Zeitgeschichte selbst als Sieger gesehen werden, da eine wissenschaftliche Beschäftigung mit dieser Thematik anschließend unumgänglich war.37 Es ist bemerkenswert, wo dieser Streit, der sehr stark mit dem Thema Erinnerungskultur verwoben ist, ausgetragen wurde: nicht durch einen Briefverkehr der einzelnen Historiker, sondern in Zeitungen, die von jedermann gelesen werden konnten. Somit wurde die Gesamtbevölkerung nicht nur selektiv durch ein später erscheinendes Werk zu diesen Debatten informiert, sondern zur gleichen Zeit wie die Akteure selbst, die den Streit ausgetragen hatten. Nicht nur weil die dort besprochenen Ereignisse erst 40-50 Jahre zurücklagen und somit in der Erinnerung der Menschen noch tief verankert waren, sondern auch weil die Bevölkerung diesen Streit hautnah mitverfolgen konnte, kann dies als ein weiteres Zeichen für die Ausdehnung der Public History gesehen werden und, in diesem konkreten Fall, auch der Erinnerungskultur. Darauf, dass Zeitungen auch heute noch bedeutend für das in dieser Arbeit zentrale Thema der Benennung von öffentlichen Verkehrsflächen sind, wird im Kapitel 2.4. noch genauer eingegangen.

Die Aufarbeitung des Holocaust ist daher unumstritten eines der zentralen Merkmale für die Ausdrucksform der Erinnerungskultur in Europa. Besonders Gedenkstätten an ehemaligen Orten von Konzentrationslagern während des NS-Regimes sind die in der Bevölkerung wohl am deutlichsten verankerten Orte der Erinnerungskultur. Jedoch ist es entscheidend, den Begriff der Erinnerungskultur nicht zu eng zu spannen und ihn auch auf Ausdrucksformen anzuwenden, bei denen man sich im ersten Moment gar nicht richtig bewusst ist, dass auch dies unter denselben Überbegriff fällt. Eng verbunden mit Gedenkstätten als Erinnerungsorte sind Denk- und Mahnmäler. Es gibt jedoch einen zentralen Unterschied zwischen Denk- bzw. Mahnmälern

36 Kracht, Der Historikerstreit, S. 5–6. 37 Kracht, Der Historikerstreit, S. 8–9.

16 und Gedenkstätten, wie im Folgenden kurz dargestellt werden soll. Ein zentrales Element von Gedenkstätten ist, dass diese meist direkt am Ort des Geschehens errichtet werden und wurden, wie z.B. in Auschwitz oder Mauthausen. Sie verbinden somit einen Ort direkt mit dem historischen Ereignis, welches auf diesem Boden stattgefunden hat. Sie sind außerdem oft auch Schauplatz von Gedenkfeiern. Auf der anderen Seite werden Denk- und Mahnmäler nicht automatisch an einem Platz errichtet, der speziell für den Ort des Geschehens steht oder an dem die Person, der mit diesem Denkmal gedacht wird, eine besondere Tat vollbracht hat. So ist es nicht unüblich, dass für eine Persönlichkeit ein Denkmal errichtet wird, die nicht in einer besonderen Beziehung zu einer Stadt steht, in der dieser Gedenkort errichtet wurde. Was diese beiden Formen der Erinnerungskultur verbindet, ist die Tatsache, dass in den Medien oft ausführlich über eine allfällige Errichtung berichtet wird, was dazu führt, dass es in der Gesellschaft in diesem Zusammenhang auch immer Kritik bzw. Nichtakzeptanz gibt. Von besonderer Bedeutung ist für Nina Frieß dabei, dass mit der Errichtung einer Gedenkstätte bzw. eines Denk-/Mahnmals kein „Schlussstrich unter ein historisches Ereignis gezogen [wird]“38, da so der eigentliche Sinn und Zweck der Errichtung verfehlt würde.39

Eine weitere Form von Erinnerungskultur sind Archive. Diese werden u.a. bei Nora als lieux de mémoire bezeichnet. Er sieht diese Entwicklung aber durchaus kritisch, denn für ihn tritt das Archiv an die Stelle des Menschen selbst, da es für diesen das Erinnern und Gedenken übernimmt und durch Materielles die Erinnerung der Menschen ersetzt:

„, […] die ganze Gesellschaft [opfert] der Religion des Bewahrens und der Archivüberproduktion. Was wir Gedächtnis nennen, ist in Wirklichkeit eine gigantische, schwindelerregende Konstruktion des materiellen Grundstocks von allem, woran wir uns unmöglich erinnern können, ein unergründliches Repertorium dessen, woran wir uns vielleicht irgendwann einmal erinnern müßten.‘“40

Auch Aleida Assmann zeigt die Bedeutung von Archiven für die Erinnerungskultur auf. Sie unterscheidet das Archiv von konkreten Erinnerungsorten, da es sowohl von Körpern (also von Menschen) als auch von Orten getrennt und außerdem von technischen Medien abhängig sei. Jedoch lässt auch sie kritische Töne anklingen, etwa mit ihren Thesen, dass in Archiven auch die Vergangenheit nicht nur dargestellt, sondern sogar produziert werde und dass es oft eine

38 Nina A. Frieß, Nichts ist vergessen, niemand ist vergessen? Erinnerungskultur und kollektives Gedächtnis im heutigen Russland, Potsdam 2010, S. 53. 39 Ebd., S. 52–53. 40 Nora, Zwischen Geschichte, S. 22.

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Überarchivierung gebe, was zu einem schmalen Grat zwischen Archiv und Müll führe.41 Dennoch sind Archive zweifelsohne ein wichtiger Speicher von Erinnerungen. Hierzu zählen nicht nur ausschließlich staatliche und öffentliche Archive, sondern auch Privatarchive, da selbst Fotoalben bei entsprechender historischer Aufarbeitung einen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten können, wie etwa beim Erstellen historischer Bildbände.

Bei den bisher aufgezeigten Ausdrucksformen der Erinnerungskultur ist anzunehmen, dass diese erst in den letzten Jahrhunderten entstanden sei. Diese These ist jedoch nicht haltbar, da es die älteste Ausprägung der Erinnerungskultur – in Form von Friedhöfen und Grabmälern – bereits weitaus länger gibt. Reinhold Boschki (*1961) beschreibt diese ebenfalls mit dem von Nora gebrauchten Ausdruck der lieux de mémoire, sieht sie aber unter einem speziellen Gesichtspunkt: „Friedhöfe und Grabmale sind eine konstruierte Mischung aus individueller und öffentlicher Erinnerung.“42 Er erachtet diese Orte dementsprechend nicht nur als individuelle Objekte, sondern vielmehr als instrumentalisierte Orte der Erinnerungen, durch die die Bevölkerung bewusst zum Gedenken an bestimmte Menschen hingeführt wird. Als Beispiel nennt er die Reliquien der Märtyrer, die zum Teil bewusst in Gotteshäusern platziert wurden.43 Wenn von den frühesten Ausdrucksformen der Erinnerungskultur die Rede ist, so gilt es außerdem, bis in die Zeit der Frühen Hochkulturen zurückzusehen. Dieser Blick führt wieder zurück zu Jan Assmann, der neben seiner Funktion als Kulturwissenschaftler auch Ägyptologe war und das Alte Ägypten in seinem Aufsatz Erinnerung und Identität – der ägyptische Weg in Zusammenhang mit Erinnerungskultur setzte. Er stellte sich bei seinen Forschungen die Frage, wie es möglich war, dass sich die ägyptische Identität über Jahrtausende hinweg reproduzieren konnte, sodass die Ägypter in kultureller Hinsicht stets Ägypter bleiben konnten. Er erwähnt hierbei vier Stützen des kulturellen Gedächtnisses der Ägypter: Monumente, Riten, Archive und Schulen.44 Besonders die erste Stütze, die Monumente, sind das Herzstück dieser Kultur und bis heute nicht nur in Ägypten bekannt. Durch enormen handwerklichen Einsatz entstanden Projekte, deren Fokus oft auf der Erinnerung an Herrscher nach deren Tod lag. „Das Besondere dieses Projekts liegt darin, daß dieses ‚Jenseits‘ so konkret, massiv und materiell, so anschaulich, handgreiflich und zugänglich verstanden wurde.“45 Jedoch waren die Denkmäler,

41 Assmann, Erinnerungsräume, S. 21–22. 42 Reinhold Boschki, Konturen einer kritischen Erinnerungskultur, in: nostra aetate. Quellen und Texte zu den christlich-jüdischen Beziehungen, o. J., S. 2, Zugriff: 20.04.2020. 43 Ebd., S. 2. 44 Jan Assmann, Erinnerung und Identität – der ägyptische Weg, in: Geschichts-Erzählung und Geschichts- Kultur: zwei geschichtsdidaktische Leitbegriffe in der Diskussion (Münchner geschichtsdidaktisches Kolloquium 3), hrsg. v. Ulrich Baumgärtner/Waltraud Schreiber, München 2001, S. 137–157, hier: S. 140. 45 Assmann, Erinnerung und Identität, S. 141.

18 die als an die Nachwelt gerichtete Produkte der Selbstverewigung gedacht waren, allein nicht genug, um langfristig Erinnerung und Identität zu stiften. Es brauchte ein Schriftsystem, um dies zu erreichen, welches in Form der Hieroglyphen gefunden wurde. Durch Beschriftungen bekamen Statuen, Pyramiden oder Felsengräber somit erst ihre Wirkung, die sie zum Teil bis heute behielten.46

Wenn von der ältesten Form der Erinnerungskultur der Blick wieder in die Gegenwart gerichtet wird, so fällt auf, dass gewisse Aspekte noch bis heute wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur sind, jedoch sind auch viele neu hinzugekommen. Als neueste Bausteine können einerseits der Film und das Medium Fernsehen gelten, die beide seit Jahrzehnten einen wichtigen Beitrag zur Erinnerungskultur leisten, andererseits, als Folge der Digitalisierung, die verstärkte Beschäftigung mit Erinnerungskultur in den verschiedenen Online-Netzwerken.47

Zu guter Letzt fehlt noch eine Ausdrucksform der Erinnerungskultur, die vielleicht in der Bevölkerung nicht immer direkt mit Erinnerungskultur in Verbindung gebracht wird, die jedoch ebenfalls mit Begriffen wie „konkret“, „anschaulich“, „zugänglich“ und zum Teil auch „materiell“ und „handgreiflich“, von Assmann48 schon für ägyptische Monumente verwendet, beschrieben werden kann. Dabei geht es um die Namensgebung des öffentlichen Raumes, die in den folgenden Kapiteln im Zentrum der Betrachtung stehen soll.

2.3. (Um-)Benennungen des öffentlichen Raums im Spiegel der Erinnerungskultur Bei der Untersuchung der Namensgebung des öffentlichen Raumes ist zu bedenken, dass dies nicht nur die Benennung von Straßen und Plätzen beinhaltet, auf die in dieser Arbeit der Fokus gerichtet wird, sondern bis zur Namensgebung bzw. Umbenennung von Städten geht. Letzteres ist eine Praxis, der man besonders im 20. Jahrhundert aufgrund von territorialen oder politischen Veränderungen des Öfteren begegnet. Wegen unterschiedlicher ideologischer Herrschaftssysteme waren solche Umbenennungen auch keineswegs zufällig. Als Musterbeispiel hierfür können oft die russischen Städte St. Petersburg und Wolgograd dienen, die beide ihren Namen mehrmals wechselten. Die erstgenannte Stadt hatte früher bereits einen

46 Ebd., S. 142. 47 Da eine genaue Beschäftigung mit den Themen Film und Online-Medien aus der Sichtweise der Erinnerungskultur den Rahmen dieser Arbeit sprengen würden, sei an dieser Stelle auf die Diplomarbeit von Benedikt Kapferer verwiesen, der sich 2019 verstärkt mit dieser Thematik auseinandersetzte. (Benedikt Kapferer, Er ist wieder da (2015). Hitler-Darstellung, medialer Wandel und Erinnerungskultur im Spiegel der Public History, Dipl. Innsbruck 2019.) 48 Ebd., S. 141.

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ähnlichen Namen (St. Peterburg), hieß später Petrograd, danach Leningrad und seit 1991 wieder St. Petersburg. Wolgograd hieß zu Beginn des letzten Jahrhunderts noch Zarizyn, später Stalingrad und ab 1961 Wolgograd.49 Für einige Gedenktage im Jahr trägt die Stadt seit 2013 wieder den Namen Stalingrad. Dies ist ebenfalls in die Praxis der Erinnerungskultur einzuordnen. Doch auch in Mitteleuropa gab es Umbenennungen von Städten. Besonders bekannt ist hierbei die von der UdSSR beeinflusste DDR, welche ihre Staatsideologie auf den Grundsätzen von Karl Marx (1818-1883) und Friedrich Engels (1820-1895) aufbaute. Wie sehr eine Stadt für Ideologien missbraucht werden kann, zeigt sich am heutigen Chemnitz, das als drittgrößte Stadt Sachsens im 19. Jahrhundert zur Industriestadt wuchs und 1953 in Karl-Marx- Stadt umbenannt wurde. Es wurde in der DDR-Presse als „Zentrum der deutschen Arbeiterbewegung“50 bezeichnet. Tatsache ist, dass Karl Marx weder in Chemnitz geboren wurde noch dort studierte oder anderweitig in der Stadt tätig war.51

Doch nicht nur wechselnde Staatssysteme waren ein Grund für die Umbenennung zahlreicher Städte im 19. und 20. Jahrhundert. Der immer stärker werdende Nationalismus führte außerdem dazu, dass Landesväter begannen, ihre Staatsgrenzen vermehrt auch als Sprachgrenzen zu sehen. Wenn fremd klingende Namen im Staatsgebiet entdeckt wurden, galt dies als Zeichen einer Inhomogenität der Bevölkerung, weshalb eine verstärkte sprachliche Anpassung der Ortsnamen folgte.52 Für diese Eingliederung in den Sprachgebrauch des Landes gab es unterschiedliche Techniken. Eine davon war die reine Übersetzung von Namen, wofür in Südtirol etwa Mezzaselva (Mittewald) oder Punta del Cervo (Hirscheck) als Beispiele dienen.53 Bei größeren Orten kam es sehr oft zur Verwendung von Exonymen, wenn diese bereits vorlagen, wie etwa im Falle von Bolzano (Bozen) oder Bressanone (Brixen).54 Oft waren es

49 Hugo Steger, Institutionelle innerörtliche Orientierungssysteme – Fallstudien, in: Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. 2. Teilband, hrsg. v. Ernst Eichler/Gerold Hilty/Heinrich Löffler/Hugo Stegier/Ladislav Zgusta (= Handbücher zur Sprach- und Kommunikationswissenschaft 11.2), Berlin–New York 1996, S. 1499–1521, hier: 1507. 50 Maoz Azaryahu, Von Wilhelmplatz zu Thälmannplatz, Politische Symbole im öffentlichen Leben der DDR (= Schriftenreihe des Instituts für Deutsche Geschichte Universität Tel Aviv 13), Gerlingen 1991, S. 157. 51 Ebd., S. 156–157. 52 Wolfgang Dahmen/Johannes Kramer, Veränderungen von Ortsnamen im Gefolge von territorialen Verschiebungen im 20. Jh. in Europa, in: Atti del XXII Congresso Internazionale di Scienze Onomastiche. Pisa, 28 agosts – 4 settembre 2005. Sektion 2. Namen und Gesellschaft. 2a Onomastische Systeme in der Geschichte, hrsg. v. Maria Giovanna Arcamone/Donatella Bremer/Davide De Camilli/Bruno Procelli, Pisa 2008, S. 25 – 35, hier: S. 26. 53 Ebd., S. 33. 54 Dahmen/Kramer, Veränderungen, S. 31.

20 aber auch nur graphische und lautliche Adaptionen, sodass der Ortsname besser zum Land passte, der ursprüngliche Name aber noch immer erkennbar war.55

Dass die Benennung von Städten und Orten bis heute fest im Bewusstsein der Bevölkerung verankert ist, zeigt hierzulande besonders der Kärntner Ortstafelkonflikt. Im österreichischen Staatsvertrag 1955 wurde den slowenischen Minderheiten in Kärnten garantiert, dass in Gemeinden mit einem gewissen Anteil slowenischer Muttersprachler zweisprachige Ortstafeln aufgestellt werden sollten. Über den Prozentanteil an Slowenen, der dafür nötig wäre, wurde über Jahre heftig debattiert. Im Raum standen immer wieder 10% oder 15%. Historisch betrachtet, waren bereits seit dem 7./8. Jahrhundert Vorfahren der heutigen Slowenen im Südosten des Landes ansässig und prägten die dortige Sprachlandschaft. Der Konflikt eskalierte erstmals 1972, als konkret die Aufstellung zweisprachiger Ortstafeln geplant wurde.56 Es dauerte bis ins Jahr 2011, bis eine Lösung gefunden wurde, die alle politischen Parteien zufriedenstellte. Man einigte sich auf Basis der Volkszählung von 2001 auf die Aufstellung von zweisprachigen Ortsteilen bei einem slowenischen Bevölkerungsanteil von 17,5%.57 Auf die genauen Details des Streits kann in diesem Rahmen nicht eingegangen werden, jedoch mag er Beleg dafür dienen, wie wichtig die intensive Auseinandersetzung mit Benennungen des öffentlichen Raumes ist und wie sehr man als Bewohner bewusst sowie unbewusst davon geprägt wird.

Dies zeigt sich jedoch nicht nur in der Bezeichnung für Ortsnamen, sondern auch bei anderen Namensgebungen, u.a. bei Flughäfen. Viele der weltweit größten Flughäfen sind nach Personen benannt, z. B. der Hartsfield-Jackson Atlanta International Airport, benannt nach zwei ehemaligen Bürgermeistern der Stadt, der O’Hare International Airport in Chicago, benannt nach einem Piloten aus dem Zweiten Weltkrieg, oder der Aéroport Paris-Charles de Gaulle, benannt nach dem französischen Staatsmann. Diese Liste ließe sich noch endlos weiterführen und ist Beweis dafür, dass auch auf diese Weise an Personen erinnert wird, die für Staat, Stadt oder die Luftfahrt nachhaltig gewirkt haben. Die Tatsache, dass auch diese Benennungen kein Zufall sind, zeigten Diskussionen in Österreich aus dem Jahr 2019, als FPÖ-Parteichef Norbert Hofer vorschlug den Flughafen Wien-Schwechat in Erinnerung an den kurz zuvor verstorbenen

55 Ebd., S. 29–30. 56 Heinz-Dieter Pohl, Der Kärntner Ortstafelkonflikt zwischen Sprachwissenschaft und Politik, in: Namen und ihr Konfliktpotential im europäischen Kontext. Regensburger Symposium, 11. bis 13. April 2007, hrsg. v. Nicole Eller/Stefan Hackl/Marek L’upták (= Regensburger Studien zur Namenforschung 4), Regensburg 2008, S. 77– 92, hier: S. 77, 79. 57 Der Standard, Kärntner Ortstafelproblem gelöst, 01.04.2011, Zugriff: 10.05.2020.

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Niki Lauda in Niki-Lauda-Airport umzubenennen und dem Rennfahrer und Piloten auf diese Weise ein Denkmal zu setzen. Auf Zuruf wollte der Flughafen-Vorstand allerdings in dieser Sache keine Entscheidung treffen.58

Noch häufiger kommen solche Benennungen bei Bildungseinrichtungen vor: zahlreiche Kindergärten, Schulen und Universitäten sind nach Persönlichkeiten benannt. Die in dieser Arbeit untersuchte Stadt Bludenz bietet hierbei gleich zwei Beispiele. In der Alpenstadt findet man seit einigen Jahren einen Kindergarten, der nach der österreichischen Kinderbuch- Illustratorin Susi Weigel (1914-1990) benannt ist, die lange Zeit in Bludenz lebte und wirkte. Außerdem wurde die Bludenzer Mittelschule bei der Eröffnung im Oktober 1953 als Josef- Wichner-Hauptschule eingeweiht.59 Sie ist benannt nach dem Bludenzer Josef Wichner (1852- 1923), der sich als Volksschriftsteller in Österreich einen Namen gemacht hatte. Auch um Universitäten mit einem oder mehreren Namenspatronen zu finden, muss nicht weit gereist werden. Der Name der Innsbrucker Leopold-Franzens-Universität geht auf die Kaiser Leopold I. sowie Franz II./I. zurück. Letzterer dient zusammen Erzherzog Karl II. von Innerösterreich auch als Namenspatron für die Karl-Franzens-Universität in Graz.

In diesem Zusammenhang kann auch nochmals Karl Marx und seine Bedeutung für die DDR herausgestrichen werden, denn nach ihm wurde nicht nur eine Stadt benannt, sondern auch die Leipziger Universität, die 1953 in Karl-Marx-Universität umbenannt wurde. Ähnlich wie schon bei der Umbenennung von Chemnitz gilt es auch hier zu erwähnen, dass Karl Marx nicht an der Leipziger, sondern an der Berliner Universität studiert hat.60 Freilich lässt sich ein junger Bludenzer Kindergarten prinzipiell nicht mit einer altehrwürdigen deutschen Universität vergleichen, die beiden Institutionen verbindet allerdings eine – in diesem Kontext – essenzielle Sache: Sie wurden beide nach einer Person benannt, damit man sich an diese erinnert und sie damit gewissermaßen auch für sich beansprucht. Wenn schließlich im Lebenslauf oder in den Erzählungen einer Person der Besuch einer gewissen Schule oder Universität mit besagtem Namen erwähnt wird, so wird Geschichtliches in die Gegenwart geholt und wird für immer ein Teil dieser Person sein.

In dieser Arbeit soll der Fokus allerdings auf die Benennung und Umbenennung von Straßen gelegt werden, denn durch deren Benennungen, für die besonders ab der zweiten Hälfte des 19.

58 Kleine Zeitung, Norbert Hofer will Wien-Schwechat in „Niki-Lauda-Airport“ umbenennen, 03.06.2019, Zugriff: 21.05.2020. 59 Vorarlberg Online, Generalsanierung der Mittelschule Bludenz abgeschlossen, 23.11.2010, Zugriff: 10.05.2020. 60 Azaryahu, Von Wilhelmplatz, S. 157.

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Jahrhunderts auch Einzelpersonen eine Rolle gespielt hatten, entstanden bis heute Erinnerungs- und Kulturlandschaften, die regelmäßig Gegenstand von politischen Diskussionen und historischen Debatten sind. Beim Begriff Straßen bzw. Straßennamen sollen in dieser Arbeit nicht nur die Bezeichnung von Verkehrsverbindungen untersucht werden, die konkret als Straße bezeichnet sind, sondern mit dem Begriff sind stets alle innerkommunalen Verkehrsverbindungen gemeint. Diese beinhalten u.a. auch Plätze, Wege, Brücken, Gassen oder Siedlungen. Die Benennung von Straßen ist zumeist innerhalb von Gemeindegrenzen zu finden, da Hauptverkehrsstraßen, wie etwa Schnellstraßen oder Autobahnen, nummeriert sind und in der Regel nicht benannt werden.61

In den vergangenen 150 Jahren, die in dieser Arbeit genauer untersucht werden, hat sich viel getan in der Straßenbenennung. Darauf wird in Kapitel 3 besonders eingegangen. Schon an dieser Stelle muss aber das enge Zusammenspiel zwischen Straßennamen und Erinnerungskultur erwähnt werden. Der Einfluss von politischen Entwicklungen in einem Land kann nämlich eine ganz besondere Bedeutung bei der Benennung von Straßen haben. Generell gilt festzuhalten, dass Straßennamen immer auf die Zeit verweisen, in der sie ihren Namen erhielten, und dass sie keineswegs nur allein der Orientierung dienen, wie dies zu Beginn ihrer Geschichte der Fall war.62

Durch diverse politische Strömungen war auch die städtische Kulturlandschaft vielerorts einem regelmäßigen Wandel unterzogen. Dies lässt sich erneut am besten anhand eines konkreten Beispiels zeigen. Die Stadt Czernowitz, Provinzhauptstadt der Bukowina, die 1775 im Frieden von Kücük mit der Bukowina an die Habsburger kam, wurde wie die gesamte Region 1918 nach dem Zusammenbruch der k. u. k. Monarchie Teil des Königreichs Rumänien.63 Im Zweiten Weltkrieg fiel die Stadt 1940 mit dem Einmarsch der Roten Armee zunächst für kurze Zeit an die Sowjets, ehe bereits 1941 die Deutschen das Gebiet besetzten. Nach dem Zweiten Weltkrieg blieb Czernowitz bis zum Ende des Kalten Krieges Teil der UdSSR. Seit 1991 ist die Stadt Teil der unabhängigen Ukraine.64 Dadurch, dass Czernowitz gewissermaßen zum Musterbeispiel an Machtwechseln in einem Gebiet wurde, lassen sich auch die vielen

61 Konstanze Seutter, Eigennamen und Recht, Tübingen 1996, S. 125–126. 62 Matthias Frese, Straßennamen als Instrument der Geschichtspolitik und Erinnerungskultur. Fragestellungen und Diskussionspunkte, in: Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur, hrsg. v. Matthias Frese, Münster 2012, S. 9–19, hier: S. 9. 63 Kurt Scharr, Czernowitz-Cernăuţi-Черновцы (Tschernowzy)-Чернівці (Tscherniwzi). Genese einer städtischen Kulturlandscahft in einem wechselnden politischen Ambiente, in: Die Bukowina. Historische und ethnokulturelle Studien. Beiträge der IV. internationalen wissenschaftlichen Konferenz „Kaindlische Lesungen“, hrsg. v. Sergij W. Prowarow, Tscherniwizi 2007, S. 16–45, hier: S. 17. 64 Scharr, Czernowitz, S. 28.

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Umbenennungen der öffentlichen Verkehrsflächen der Stadt leicht erklären. Grund für die vielen Umbenennungen sind einerseits die verschiedenen politischen Regime, andererseits auch die verschiedenen gesprochenen Sprachen, weshalb für den Namen der Stadt allein während des 20. Jahrhunderts vier verschiedene Aussprachen zu mindestens einem Zeitpunkt gültig waren.65

Beispiele für die Umbenennung von Verkehrsflächen, die bei der Bevölkerung keineswegs immer gern gesehen war, gibt es in Czernowitz viele, u.a. den Rathausplatz. Dieser war zur Zeit der Habsburger zuerst als Stadthausplatz und danach als Ringplatz bekannt. Es folgte unter den Rumänen die Bezeichnung Piaţa Unirii. Während des Zweiten Weltkriegs gab es zunächst eine Hitlerbüste, danach eine Stalinbüste auf dem Platz; von 1951 bis 1991 schließlich eine Lenin- Statue. Heute steht dort ein Denkmal für den ukrainischen Nationalhelden Schewtschenko, und der Platz heißt mittlerweile Zentral’na.66 All diese wechselnden Namen und Statuen auf einem einzigen Platz haben drei große Gemeinsamkeiten: Sie waren alle nicht zufällig gewählt. Sie lieferten alle Antworten auf die Frage, an wen das jeweilige Regime auf diesem Platz erinnern wollte. Und sie hatten wohl alle eine bewusste, zumindest aber ein unbewusste Wirkung auf die Bevölkerung. Dementsprechend beinhalten gerade politische Benennungen eine besondere Brisanz. Allerdings sind es längst nicht nur diese, die Teil der Kulturlandschaft sind und etwas über die Geschichte einer Stadt erzählen, wie noch dargestellt werden soll.

2.4. Diskussionen über Straßennamen in Zeitungen und Kommissionen Im finalen Teil dieses Erinnerungskultur-Kapitels soll noch ein Blick auf den regen Diskurs geworfen werden, der bei der Benennung von Straßen regelmäßig stattfindet. Dieser wird sogar sehr oft öffentlich geführt, sei es in Zeitungen oder in der jüngeren Vergangenheit auch im Internet. Durch Diskussionen in den Medien bekommen Straßennamen jene öffentliche Komponente, die in diesem Zusammenhang lange nicht mehr vorhanden war. Dies wird vor allem sichtbar bei Debatten über umstrittene Straßennamen, in erster Linie bei personenspezifischen Namen. Des Öfteren ist das Leben und Wirken bestimmter Personen nicht komplett durchleuchtet. Speziell seit dem Aufkommen der Geschichts- und Erinnerungskultur am Ende des vergangenen Jahrhunderts kam es vermehrt einerseits zur

65 Ebd., S. 24. 66 Ebd., S. 27–28.

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Diskussion über Straßennamen in Zeitungen67, andererseits zur Einsetzung von Kommissionen, die sich mit solchen oft eben umstrittenen Straßennamen auseinandersetzten. In Österreich und Deutschland geschieht dies in erster Linie bei Straßen, die nach Personen benannt sind, denen eine gewisse Nähe zum Nationalsozialismus zugeschrieben wird.

Zuerst soll ein Blick auf die Diskussion der Straßennamen-Thematik in Zeitungen geworfen werden. Hier haben die Debatten um die Benennung und vor allem die Umbenennung von Straßen stark zugenommen. Wenn spezielle Expertenkommissionen zusammengestellt werden, wie etwa 2013 in Wien, als dort diverse Umbenennungskandidaten kritisch untersucht wurden, ist es für Historiker wie Oliver Rathkolb (*1955) wichtig, dass die Vorschläge der Experten nicht als Anleitungskatalog für Umbenennungen gesehen werden: „Das ist nicht unsere Aufgabe, die Diskussion gehört auf die Bezirks- und Anrainerebene.“68 Er erklärt weiter, dass es für ihn wichtig sei, die Straßennamen lediglich wissenschaftlich aufzubereiten. Auch Zusatztafeln wären bereits eine Lösung. In einem Diskussionsforum, das diesem Artikel angehängt ist, beteiligten sich viele BürgerInnen an den Debatten rund um zu ändernde Straßennamen. Dies ist erneut Indiz dafür, dass es Straßennamen mittlerweile endgültig in das Gedächtnis der Bevölkerung geschafft haben.69

Einen der zentralen Gegensätze bei der (Um-)Benennung von öffentlichen Verkehrsflächen rückte Sebastian Engelbrecht (*1968) in einer Online-Ausgabe des Magazins Deutschlandfunk im Mai 2020 in den Mittelpunkt seiner Betrachtung: „Politisch korrekter Stadtraum versus wachsende Geschichtsvergessenheit“. Darin hält er unter anderem fest, dass Straßen generell oft nicht für die Ewigkeit bleiben, weil die Bedeutung von Personen zum Zeitpunkt der Benennung unter Umständen groß erschien, sie aber im Laufe der Zeit zurückging. Gerade in einer Stadt wie Berlin, in der der politische Einfluss auf die Öffentlichkeit schon immer ein großes Thema war, werden Straßennamen oft heiß diskutiert. So wurde im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg am 27. Februar 2019 die „Entmilitarisierung des öffentlichen Raumes“ in Auftrag gegeben. Viele Straßen sind hier nach Soldaten der Befreiungskriege gegen Napoleon benannt. Es kam in der Folge zu Diskussionen, in denen der Fraktionsvorsitzende der CDU, Timur Husein, die Meinung vertrat, man dürfe die zum Teil 150-jährige Tradition dieser Straßennamen nicht vergessen. Ein Sprecher der Grünen versicherte allerdings, dass

67 Hier ist es wichtig zu erwähnen, dass solche Diskussionen oft vor der (Um-)Benennung stattfinden und nicht erst nach Beschluss, wie es früher üblich war. 68 Der Standard, 24.09.2014, Zugriff: 17.05.2020. 69 Der Standard, 24.09.2014, Zugriff: 17.05.2020.

25 hinsichtlich einer Umbenennung noch nichts entschieden sei und dass es hierfür demokratische Entscheidungen gebe.70

Die unterschiedliche Einstellung zu Straßennamen von Grünen und Union – in diesem Fall CSU – wird auch am Beispiel einer Diskussion in München aus dem Jahre 2013 deutlich. Im Jahre 2003 kam erstmals die Anregung, dass Namen, die einen Bezug zur deutschen Kolonialzeit in Afrika haben, umbenannt werden sollten. Herangetragen ans Rathaus wurde dies durch ein Bündnis mehrerer Institutionen, u.a. durch den Ausländerbeirat. Siegfried Benker von den Grünen ist sich beim Thema sicher: „Koloniale Verbrecher dürfen in einer Stadt, die sich als weltoffen versteht, nicht weiter geehrt werden.“71 CSU-Stadtrat Hans Podiuk vertritt die Gegenseite und argumentiert damit, dass man ansonsten jede fünfte Straße umbenennen müsse, er „glaube nicht, dass Afrikaner so gut Bescheid wüssten über die deutsche Kolonialgeschichte.“72

Der Blick in diverse Zeitungen zeigt außerdem ein weiteres Thema, welches oft debattiert wird, nämlich die Frauenquote. Auf diese wird in einigen der größten Städte Österreichs bereits explizit geachtet. Wenn es in Linz, Salzburg, Graz oder Innsbruck zur Neubenennung bzw. Umbenennung einer öffentlichen Verkehrsfläche kommt, bei der man den Namen einer Person benötigt, werden hier mittlerweile nur mehr Frauennamen eingesetzt, um der Genderproblematik entgegenzuwirken.73 Im Dezember 2014 gab es dazu in der Tiroler Tageszeitung eine Diskussion, in der die Innsbrucker FPÖ den Antrag stellte, eine Straße nach dem Südtirol-Aktivisten Luis Amplatz (1926-1964) zu benennen, aus Anlass seines 50. Todestages. Das Ansuchen der FPÖ wurde schließlich aber von zwei SPÖ-Gemeinderätinnen mit der Begründung abgelehnt, dass man sich einerseits dafür entschieden habe, Frauen für die Benennung von Straßen heranzuziehen, und andererseits zu berücksichtigen sei, dass Amplatz ein Sprengstoffattentäter gewesen sei. Zeithistoriker Rolf Steininger hakt bei diesem zweiten Punkt ein, beschreibt Amplatz als eine „kontrovers diskutierte Person“ und argumentiert, dass

70 Sebastian Engelbrecht, Debatte über historische Namen im Stadtraum. Militärische Tradition, Kolonialgeschichte, männliche Dominanz, in: Deutschlandfunk, 02.05.2020, Zugriff: 17.05.2020. 71 Bernd Kastner, Umbenennung von Straßen: Ehre, wem keine Ehre gebührt, in: Süddeutsche Zeitung, 26.07.2013, Zugriff: 01.04.2020. 72 Bernd Kastner, Umbenennung, Zugriff: 01.04.2020. 73 Marlene Krapf, Namengebung von Verkehrsflächen im urbanen Raum – eine Untersuchung der einschlägigen Regelungen und Praktiken in Österreich im internationalen Vergleich, Dipl. Wien 2015, S. 73.

26 ein Mehrheitsbeschluss zu wenig sei für einen solchen Straßennamen – es brauche einen Konsens in der Politik.74

Die beherrschenden Themen in der öffentlichen Debatte über Straßennamen sind allerdings Nationalsozialismus und Antisemitismus. Das bereits in Zusammenhang mit dem Kolonialismus erwähnte München spielt auch hier eine wichtige Rolle. 2015 wurde Historikern der Auftrag gegeben, alle Straßen der Stadt zu prüfen, und bei den ersten Ergebnissen, die im November 2019 in der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurden, resümierte man, dass für 330 Straßen eine Erläuterung in Form von Zusatztafeln oder überhaupt eine Umbenennung notwendig seien. Weitere 40 Namen sollten, wenn es nach dem Stadtarchiv ginge, ebenfalls diskutiert werden. Als Beispiele genannt wurden etwa die Hilblestraße, benannt nach Friedrich Hilble, der als Leiter des städtischen Wohlfahrtsamtes Juden während der NS-Zeit die Sozialhilfe verweigerte, oder die Treitschkestraße, benannt nach dem antisemitischen Historiker Heinrich von Treitschke. Das große Problem Münchens war, laut Stadtverwaltung, dass man nach dem Ende des NS-Regimes 1945 keine Notwendigkeit sah, zuvor vorgenommene Benennungen nach Nationalsozialisten zu ändern.75

Martin Bernstein (*1964), der Autor des genannten Artikels, beschreibt in seinem Schlusswort auch eine Situation, die wieder zum öffentlichen Diskurs bei Straßenbenennungen zurückführt: „Viel Arbeit also für die künftige Expertenkommission […] Viel Raum aber auch für öffentliche Debatten und bürgerschaftliches Engagement.“76

Die Einsetzung solcher Expertenkommissionen ist aber keineswegs eine Besonderheit für München. Sie wurde in den vergangenen Jahren zu einem beliebten Instrument, das sowohl in Deutschland als auch in Österreich genutzt wird. Die Einsetzung von Experten in dieser Angelegenheit wird unter anderem auch in Zeitungen diskutiert. Sebastian Engelbrecht nennt hier Mainz, Düsseldorf und Koblenz als Beispielstädte, in denen sich Ausschüsse mit belasteten Straßennamen beschäftigen. Außerdem erwähnt er ebenfalls München, wo eine Liste von belasteten Straßennamen im Jänner 2020 an die Öffentlichkeit gelangte, obwohl diese nur als Interna gedacht war. Auf dieser Liste stehen aber nicht nur ehemalige überzeugte Nationalsozialisten, sondern auch Namen wie Erich Kästner, Otto von Bismarck oder Christoph

74 Sabine Strobl, Straßennamen in Innsbruck: Frauenquote statt „Bumser“, in: Tiroler Tageszeitung, 09.12.2014, Zugriff: 01.04.2020. 75 Martin Bernstein, 370 Namen, die einer Klärung bedürfen, in: Süddeutsche Zeitung, 10.11.2019, Zugriff: 01.04.2020. 76 Ebd., Zugriff: 01.04.2020.

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Kolumbus. Den Großteil der Namen machen allerdings sehr wohl Personen aus, die mit dem nationalsozialistischen Regime in Verbindung gebracht werden können.77

Üblich ist bei einer solchen – mittlerweile häufig stattfindenden – Prüfung der Straßennamen, dass ein Kommissionsbericht dazu im Netz veröffentlicht wird, wobei die Art der Darstellung variiert. Beim Bericht der Expertenkommission in Bremerhaven aus dem Jahre 2010 werden etwa zunächst die bedenklichen Namen aufgelistet. Diese werden dann alphabetisch abgehandelt, und am Ende eines jeden Namens wird der Straßennamensgeber eingestuft und die empfohlene Maßnahme beschrieben. Bei allen acht debattierten Namen einigte man sich auf die Anbringung eines Zusatzschilds mit Informationen zur Person.78 Für die Analyse der Straßen der Stadt Freiburg teilten die Experten 2012 die zu besprechenden Namen in vier Kategorien ein. In der Kategorie A wurden jene Straßennamen besprochen, die als schwer belastet galten. Bei diesen wurden Umbenennungen explizit empfohlen. Insgesamt zwölf Straßen fielen in diese Kategorie. In die Kategorie B wurden Straßen inkludiert, die teilweise als belastet angesehen wurden und bei denen es dringend ein Erläuterungsschild brauche. Die Kategorie C wurde zweigeteilt in einen Teil von Straßen, die heute nicht mehr so benannt werden würden (C1) und in Straßen, die unbedenklich sind bzw. sogar einen Vorbildcharakter haben (C2).79 In Darmstadt gab es eine ähnliche Einteilung. Auch hier wurden in einem 430- seitigen Abschlussbericht diverse Straßenbenennungen debattiert. Bei sieben Straßen wurde eine Umbenennung einstimmig vorgeschlagen, bei weiteren fünf Namen war der Fachbeirat teilweise für eine Umbenennung. Beim Großteil der Straßen empfahlen die Experten allerdings die Beibehaltung. Dennoch wurden auch hier die Biografien der Namensträger ausführlich dargestellt.80

Dass solche Benennungen nicht auf Deutschland beschränkt sind, zeigen auch Berichte von Expertenkommissionen aus Österreich. Als Musterbeispiel kann hier der 2013 angefertigte Endbericht des Forschungsprojekts Straßennamen Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“ unter der Projektleitung von Oliver Rathkolb gesehen werden. Ähnlich wie in Freiburg wurden auch hier die Straßen – respektive deren Namensgeber – in verschiedene Gruppen eingeteilt. Unter Gruppe A fielen die Straßen mit intensivem Diskussionsbedarf, wovon in Wien, nach Meinung der Kommission, 28 zu finden waren. Gruppe B waren die Fälle

77 Engelbrecht, Debatte, Zugriff: 19.05.2020. 78 Bericht der Expertenkommission zur Überprüfung des Straßenverzeichnisses der Stadt Bremerhaven im Hinblick auf etwaige Namensgeber aus der Zeit des Nationalsozialismus, Zugriff: 19.05.2020. 79 Abschlussbericht der Kommission zur Überprüfung der Freiburger Straßennamen, S. 11, Zugriff: 21.05.2020. 80 Büro für Erinnerungskultur, Projekt Darmstädter Straßennamen, S. 1–4, Zugriff: 21.05.2020.

28 mit Diskussionsbedarf – das waren bei dieser Untersuchung immerhin 56. Gruppe C inkludierte jene 75 Fälle, die demokratiepolitisch relevante biographische Lücken aufwiesen. Schließlich gab es noch einige Straßen, die als Sonderfälle eingestuft wurden. Neben einer ausführlichen Einleitung zum Thema Straßenumbenennungen enthalten die jeweiligen Biografien auch ausführliche Literaturangaben sowie Quellenverzeichnisse.81 Das Wiener Projekt war Anstoß dazu, dass auch in weiteren österreichischen Städten Straßennamen vermehrt kritisch untersucht wurden. 2017 wurde der Endbericht des Projekts Straßennamen mit Diskussionsbedarf in Graz veröffentlicht.82 Im Frühjahr 2019 folgte ein weiteres Projekt, in dem sich der Kärntner Historiker Werner Koroschitz (*1961) mit den Straßennamen von Villach auseinandersetzte.83 Gerade am Kärntner Beispiel wird auch deutlich auf den öffentlichen Aspekt dieser Diskussionen hingewiesen. Bereits am Tag der Veröffentlichung des Berichts wurde auf der Website meinbezirk beim Link zur Stadt Villach eine Erklärung veröffentlicht, in der erwähnt wird, dass der Bericht von Koroschitz einsehbar sei und dass hierfür sowohl eine öffentliche Diskussion als auch die Anbringung von Zusatztafeln geplant sei. Von Umbenennungen war allerdings nicht die Rede.84 In Klagenfurt wurden hingegen zeitgleich derartige Zusatztafeln abgelehnt.85

Bei solchen Prüfungen von Straßennamen durch Expertenkommissionen gibt es immer wieder Namen von Persönlichkeiten, die sich wiederholen. Eine von ihnen ist Paul von Hindenburg (1847-1934), dessen Leben stark von Kontroversen geprägt war. Besonders die Tatsache, dass er den Nationalsozialisten den Weg an die Macht ebnete und dass nach der Machtergreifung diverse Straßen den Namen Hindenburg erhielten, sorgen für das Dilemma, ob und wenn ja, in welcher Form an ihn heutzutage noch erinnert werden dürfe.86 Hindenburg wurde nämlich, gerade in der zeitgenössischen Wahrnehmung, oft auch als Gegenspieler Hitlers gesehen.87 Aufgrund dieser zwei Deutungsmuster, die sich bei der Person Paul von Hindenburgs erkennen

81 Oliver Rathkolb/Peter Autengruber/Birgit Nemec/Florian Wenninger, Straßennamen Wiens seit 1860 als „Politische Erinnerungsorte“. Erstellt im Auftrag der Kulturabteilung der Stadt Wien (MA 7), Wien 2013, S. 1– 10. 82 Endbericht der ExpertInnenkommission für Straßennamen Graz, Straßennamen mit Diskussionsbedarf, Zugriff: 21.05.2020. 83 Werner Koroschitz, Bericht zu den (nationalsozialistisch) belasteten Straßen in Villach, 08.05.2019, Zugriff: 21.05.2020. 84 Alexandra Wrann, Zusatztafeln für historisch belastete Straßennamen, Meine Woche (meinbezirk), 08.05.2019, Zugriff: 21.05.2020. 85 Thomas Cik, Debatte um Erklärtafeln für Nazi-Straßen, in: Kleine Zeitung, 09.05.2019, Zugriff: 21.05.2020. 86 Hans-Ulrich Thamer, Straßennamen in der öffentlichen Diskussion: Der Fall Hindenburg, in: Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur, hrsg. v. Matthias Frese, Münster 2012, S. 251 – 264, hier: S. 253–254. 87 Ebd., S. 258.

29 lassen, kam es – im Gegensatz zur Situation der Adolf-Hitler-Plätze – 1945 nicht zu einer konsequenten Umbenennung der Hindenburg-Straßen. Noch heute gibt es davon über 400.88 Als Beispiel für die Zerrissenheit der Bevölkerung beim Thema Hindenburg mag beispielhaft die diskutierte Umbenennung des Hindenburgplatzes in Münster gelten, die erstmalig im Oktober 1974 angedacht wurde. In den 1990er Jahren, in der Zeit des Aufkommens einer verstärkten Beschäftigung mit Erinnerungskultur, entschieden sich 51,9% bei einer von der Volkshochschule in Münster durchgeführten Bürgerumfrage gegen die Umbenennung des Platzes; 40,5% waren dafür.89 Auch bei den aktuellen Diskussionen steht der Name Hindenburg immer wieder zur Debatte. Bei der Freiburger Prüfung der Straßennamen fällt Hindenburg sogar in die Kategorie A der schwerbelasteten Straßennamen.90 Außerdem fand Hindenburg auch Eingang in den Abschlussbericht der Untersuchung der Hamburger Straßennamen auf NS- Belastung. Im Fazit zu seiner Person wird sein Wirken folgendermaßen beschrieben:

„Hindenburg lehnte die Republik ab, bewegte sich als Präsident aber im Rahmen der Verfassung und orientierte auf Leitbilder einer ‚nationalen Einigung‘ und ‚Volksgemeinschaft‘. […] Im Januar 1933 ernannte er schließlich Hitler zum Reichskanzler und ebnete den Nationalsozialisten so den Weg zur Macht. Durch die Unterzeichnung von Notverordnungen wirkte er direkt am Abbau der Demokratie, grundlegender Rechte und der Ausschaltung der politischen Opposition mit“91.

Zu guter Letzt wurde sein Name auch bei der Prüfung der Darmstädter Straßennamen genannt. Hier taucht er in der zweiten Kategorie auf, also unter jenen Personen, bei denen der Fachbeirat hinsichtlich einer Umbenennung der Straße geteilter Meinung war.92 Nach all dem Besprochenen erscheint diese Uneinigkeit wenig verwunderlich, und sie zeigt erneut die Problematik im Umgang mit dem Thema Erinnerungskultur. Durch die verstärkte Mitwirkung und Mitdiskussion der Bevölkerung bei Straßenumbenennungen ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, und gerade die Tatsache, dass sich AnrainerInnen oft stark mit dem Namen ihrer Straße identifizieren, kann zu Problemen bei einer Straßenumbenennung führen, auch wenn diese, wenn sie nur von außen und damit ohne direkten Bezug betrachtet wird, durchaus logisch erscheinen mag.

88 Thamer, Strassennamen, S. 259. 89 Ebd., S. 261. 90 Abschlussbericht Freiburger Straßennamen, S. 13, Zugriff: 21.05.2020. 91 David Templin, Wissenschaftliche Untersuchung zur NS-Belastung von Straßennamen. Abschlussbericht erstellt im Auftrag des Staatsarchivs Hamburg, Hamburg 30.11.2017, S. 152–153, Zugriff: 21.05.2020. 92 Büro für Erinnerungskultur, Projekt Darmstädter Straßennamen, S. 66–72, Zugriff: 21.05.2020.

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3. Geschichte der Straßennamen

3.1. Forschungsstand Die klassische Art und Weise, sich einem historischen Thema anzunähern, ist der Blick in die Literatur und darauf, was bereits über die zu bearbeitende Thematik geschrieben worden ist. Im Idealfall gelingt dies in Form von monographischen Überblickswerken, mit Hilfe derer man sich in ein Thema einlesen kann. Außerdem helfen Aufsätze, sich besser mit einer Problemstellung vertraut zu machen. Anhand dieser Arbeiten lässt sich dann auch oft sehr gut herauslesen, welche HistorikerInnen im Speziellen auf diesem Gebiet geforscht haben und hierfür als Experten anzusehen sind. Beim Thema Straßennamen bzw. der Benennung des öffentlichen Raums gestaltet sich dieser Einstieg deutlich schwieriger. Es gibt sehr wenige Überblickswerke, die einen kompakten Einstieg in das Thema liefern und noch viel schwieriger ist es, Monografien zu finden, die sich allgemein mit dem Thema Straßennamen auseinandersetzen, ohne dabei eine bestimmte Stadt in den Fokus zu nehmen. Dementsprechend gilt es bei diesem Thema, auch mit kurzen Beiträgen in Sammelbänden oder wissenschaftlich erarbeiteten Internetmaterialien voranzukommen. Oft sind auch in Einleitungen zu regionalen Publikationen wertvolle Informationen zu finden.

Zu einer ersten Orientierung eignen sich solche Werke am besten, die sich mit Onomastik, dem Wissenschaftsgebiet der Namenforschung, auseinandersetzen. Stellvertretend sollen hierbei die Monografien Namen. Eine Einführung in die Onomastik93 von Damaris Nübling, Fabian Fahlbusch und Rita Heuser sowie Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik94 von Gerhard Koß genannt werden. In beiden Werken geht es um einen Überblick und eine kurze Darstellung der verschiedenen Aspekte der Onomastik. Straßennamen sind nur einer von vielen Aspekten, die in diesen Werken untersucht werden (daneben u.a. Eigennamen, Personennamen oder Objektnamen). Sie liefern aber durchaus wichtige Beiträge zum relevanten Thema, besonders in der Hinsicht, dass in ausführlichen Bibliografien weitere Beiträge zu Straßennamen aufgelistet sind.

In einem ähnlichen Feld bewegen sich auch die beiden Teilbände des Werks Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik, von denen für die vorliegende Arbeit besonders

93 Damaris Nübling/Fabian Fahlbusch/Rita Heuser, Namen. Eine Einführung in die Onomastik, Tübingen 2012. 94 Gerhard Koß, Namenforschung. Eine Einführung in die Onomastik (= Germanistische Arbeitshefte 34), Tübingen 1990.

31 der zweite Teil von Bedeutung ist.95 Die Themenfelder sind ähnlich breit gefächert wie in den zuletzt genannten Werken, allerdings handelt es sich hierbei um einzelne Aufsätze von WissenschaftlerInnen aus dem jeweiligen Gebiet. Für diese Arbeit sind die Beiträge von Kapitel XVI. Ortsnamen II: Flurnamen96 von Relevanz. Die Beiträge zur Onomastik werden schließlich abgerundet vom Tagungsband Atti del XXII Congresso Internazionale di Scienze Onomastiche. Pisa, 28 agosts – 4 settembre 200597. Hierbei ist besonders die zweite Sektion über Namen und Gesellschaft für diese Arbeit interessant.

Weiters gibt es einige Sammelbände, die sich allgemein mit der Namensgebung des öffentlichen Raumes auseinandersetzen. Hierbei wird allerdings schon klar, dass der Blick auf das Thema Straßennamen etwas eingeschränkt ist und meist nur einzelne Städte in den Fokus genommen werden. Im Werk Die Stadt und ihre Namen98, herausgegeben von Dietlind Kremer und Dieter Kremer, sind etwa einige Beiträge enthalten, in denen sich die jeweiligen Autoren mit den Straßennamen einer Stadt im Speziellen auseinandersetzen. Für diese Abhandlung war das Werk allerdings vor allem als Lieferant für weitere Literatur hilfreich. Ähnlich verhält es sich bei der von Rudolf Jaworski und Peter Stachel herausgegebenen Publikation Die Besetzung des öffentlichen Raumes99. Auch hier werden in zwei Beiträgen, die sich mit Straßennamen im Detail beschäftigen, zwei bestimmte Städte herausgegriffen.

Was sich ebenfalls greifen lässt, sind einige Spezialisten aus dem Bereich der Straßennamenkunde, die immer wieder mit Beiträgen auf sich aufmerksam machen. Einer von ihnen ist Rainer Pöppinghege. Er gibt zur Bedeutung von Straßennamen einen guten Überblick in der 94. Ausgabe der Paderborner Universitätsreden.100 Ein weiterer Namensforscher, dessen Name des Öfteren in der Sekundärliteratur auftaucht, ist Dietz Bering. Auch er hält in seinem Aufsatz Wegbeschreibungen, herausgegeben zusammen mit Klaus Großsteinbeck und Marion Werner, aus dem Jahre 1999 fest, dass die wissenschaftliche Erforschung von Straßennamen

95 Ernst Eichler/Gerold Hilty/Heinrich Löffler/Hugo Steger/Ladislav Zgusta (Hrsg.), Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. 2. Teilband, Berlin–New York 1996. 96 Eichler (et al.), Namenforschung, S. 1430–1533. 97 Arcamone/Bremer/De Camilli/Porcelli, Atti del XXII Congresso. Pisa 2008. 98 Dietlind Kremer/Dieter Kremer (Hrsg.), Die Stadt und ihre Namen. 1. Teilband. Festkolloquium 20 Jahre Gesellschaft für Namenkunde E.V. 1990-2010, Leipzig 2012. 99 Rudolf Jaworski/Peter Stachel (Hrsg.), Die Besetzung des öffentlichen Raumes. Politische Plätze, Denkmäler und Straßennamen im europäischen Vergleich, Berlin 2007. 100 Rainer Pöppinghege, Geschichte mit Füßen getreten: Straßennamen und Gedächtniskultur in Deutschland (Paderborner Universitätsreden 94), Paderborn 2005.

32 bis dato „kaum stattgefunden“101 hat. Dass die Erforschung des Teilgebiets der Namenforschung keineswegs nur eine von Männern bestimmte Domäne ist, beweist Elisabeth Fuchshuber-Weiß, die sich in mehreren Werken mit Straßennamen beschäftigte, unter anderem in ihrem Beitrag Straßennamen: deutsch im erwähnten Internationalen Handbuch der Onomastik.102

Es wurde bereits festgehalten, dass Einleitungen zu Büchern mit regionalen Schwerpunkten oft als Hilfe bei der Erarbeitung der Entwicklungen in der Geschichte der Straßenbenennungen dienen können. Diese Einleitungen sind meist zu finden in Werken, die sich spezifisch mit einer Stadt auseinandersetzen. Es ist dies mit Abstand die wichtigste Literaturquelle, die es zur Geschichte von Straßennamen zu finden gibt. In zahlreichen deutschen sowie auch in einigen österreichischen Städten gibt es Publikationen103, die sich mit den Straßennamen einer Stadt auseinandersetzen. Die Publikationen stammen nicht selten von HistorikerInnen, die aus der Stadt kommen, deren Straßennamen sie analysieren. Solche Projekte werden häufig von der Stadt finanziell gestützt bzw. zum Teil sogar von ihr herausgegeben.104 Wichtig ist auch, hierbei anzumerken, dass die Grenzen zwischen wissenschaftlich erarbeiteten, historischen Werken und populärwissenschaftlichen Publikationen oft verschwimmen. Dies zeigt sich hin und wieder an ungenügenden Quellenangaben sowie an der unterschiedlichen Genauigkeit der Beschreibung der Straßennamen. Da die meisten dieser Bücher aber zum Vergleich empirischer Daten gebraucht werden, sind diese trotz allem für diese Arbeit von Bedeutung. Hilfreich waren dabei die Abhandlungen über die Straßennamen von Stuttgart, Wien, Heidelberg, Frankfurt, Graz, Innsbruck u.v.m. Auffällig ist außerdem, dass die meisten Publikationen zu den Straßennamen einzelner Städte noch recht jung sind und gerade in den vergangenen Jahrzehnten stark zugenommen haben. Dies ist ein deutlicher Hinweis darauf, dass das Aufkommen der Erinnerungskultur in den 1980er/1990er Jahren vielfach dazu geführt hat, dass sich HistorikerInnen kritisch mit der Geschichte der einzelnen Städte auseinandergesetzt haben, was dann auch das Thema Straßennamen beeinflusst und die Forschung in dieser Richtung

101 Dietz Bering/Klaus Großsteinbeck/Marion Werner, Wegbeschreibungen. Entwurf eines Kategorienrasters zur Erforschung synchroner und diachroner Straßennamenkorpora, in: Zeitschrift für Germanistische Linguistik (ZGL) 27, Berlin 1999, S. 135–166, hier: S. 137. 102 Elisabeth Fuchshuber-Weiß, Straßennamen: deutsch, in: Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. 2. Teilband, hrsg. v. Ernst Eichler/Gerold Hilty/Heinrich Löffler/Hugo Steger/Ladislav Zgusta, Berlin-New York 1996, S. 1468–1475. 103 Es sind dies meist Monografien. 104 Vgl. Das Werk über Stuttgarter Straßennamen wurde von der Stadt Stuttgart selbst herausgegeben.

33 angetrieben hat. Was rechtliche Bestimmungen anbelangt, waren zusätzlich Zeitungen von hoher Bedeutung, da Änderungen der Gesetzeslage oft in diesen besprochen wurden.

Wenn man ein Fazit über den Forschungsstand zur Geschichte der Straßennamen ziehen müsste, so könnte man dies tun, indem man betont, dass es nicht sehr viel kompakte Literatur zur Geschichte der Straßennamen gibt. Es gibt keine Standardwerke im eigentlichen Sinn, die sich damit beschäftigen, vielmehr sind es einzelne Aufsätze in Sammelbänden, Beiträge in Zeitungen und Einleitungen zu den Publikationen über Straßennamen einer bestimmten Stadt, die neben onomastischen Studien für das Literaturfundament sorgen. Eine zusätzliche Schwierigkeit besteht darin, die oftmals variierenden Informationen zur Geschichte der Straßennamen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Das Ganze gleicht einer Schnitzeljagd, bei der die einzelnen Ergebnisse zusammenzutragen und im weiteren Verlauf darzustellen sind.

3.2. Rechtliche Bestimmungen bei der Benennung öffentlicher Verkehrsflächen „Die Bezeichnung der Straßen eines Ortes mit Namen und der einzelnen Wohngebäude mit Nummern dient nicht lediglich zur Erleichterung des Verkehrs auf der Straße, sondern bezweckt eine Individualisierung der einzelnen Wohngebäude, die eine unentbehrliche Voraussetzung für das Zusammenleben einer größeren Anzahl von Menschen an einem Orte, für ihren amtlichen, gewerblichen und geselligen Verkehr ist. […] Daher erfolgt die Bezeichnung durch die Polizeibehörde im öffentlichen Interesse und bildet einen Teil der von der Ortspolizeibehörde aufrecht zu erhaltenden öffentlichen Ordnung.“105

Bis auf den letzten Satz würde die Beschreibung noch heute auf die Praxis bei Straßenbenennungen zutreffen, auch wenn der hier angeführte Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Preußens aus dem Jahre 1905 stammt und damit schon weit mehr als 100 Jahre alt ist. Ein preußisches Gesetz über die Polizeiverwaltung von 1850 ist auch eine der ersten gesetzlichen Grundlagen, die sich für den in dieser Arbeit untersuchten Raum finden lassen. Die Benennung von Straßen wird hierbei, weil es zu diesem Zeitpunkt erst eine entstehende Praxis war, zwar nicht explizit erwähnt, jedoch werden auch dort Gesetze über örtliche Polizeiverwaltungen bestimmt. Unter §5 heißt es schließlich: „Die mit der örtlichen Polizei=Verwaltung beauftragten Behörden sind befugt, nach Berathung mit dem

105 Entscheidungen des Kgl. Preußischen Oberverwaltungsgerichts, Fremdsprachige Straßenschilder, Band 49, Nr. 79, Berlin 1905, S. 424–427, hier: S. 427, Zugriff: 30.05.2020.

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Gemeindevorstande, ortspolizeiliche, für den Umfang der Gemeinde gültige Vorschriften zu erlassen“106. Eine Benennung von Straßen wäre demnach der Polizeiverwaltung zugestanden und ein Bürgermeister hätte nur als Berater fungiert.

Generell gilt aber anzumerken, dass die Gesetzeslage bis ins frühe 20. Jahrhundert bei weitem nicht übersichtlich war und schon gar nicht einheitlich, weder im deutsch-österreichischen Vergleich noch innerhalb der deutschen Länder. Dies zeigt sich in einer Mitteilung der Zentralstelle des Deutschen Städtetages vom 01. Februar 1923. Der Städtetag habe bei den Landesstädtetagen eine Rundfrage bzgl. der Zuständigkeit bei Straßenbenennungen gestartet und dabei die Antworten von Preußen, Bayern, Sachsen, Württemberg, Baden, Thüringen, und Oldenburg eingeholt. Während sie in einigen Ländern bereits als Sache des Gemeinderats oder des Rats der Stadt angesehen wurde, so liegt sie in Thüringen oder Oldenburg in den Händen der Straßen- und Wegepolizei bzw. der örtlichen Polizeiverwaltung.107

Der Gemeinde- bzw. Stadtrat war auch in Österreich schon früh für die Benennung von Straßen zuständig. Bereits um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert war es die übliche Praxis, den Gemeinde- bzw. Stadtrat über die Benennung von Straßen entscheiden zu lassen, wie Beispiele aus Wien108, Linz109 oder Graz110 zeigen. Beim Linzer Beispiel handelt es sich sogar bereits um einen eigenen Aufsatz mit dem Titel Straßenbenennungen. Darin wird u.a. auch behandelt, wie sehr Teile der Bevölkerung damals bereits an der Benennung von Straßen interessiert waren.111

Am 13. Dezember 1893 wurde die Zuständigkeit der Straßenbenennung in einer Ausgabe der Zeitung Das Vaterland diskutiert. Es wird beschrieben, die Stadtgemeinde Laibach habe 1892 beschlossen, gewisse Plätze und Straßen slowenisch zu benennen und bei manchen Namen sogar vom Deutschen ins Slowenische zu wechseln. Darüber beschwerten sich zahlreiche Bewohner als auch das ansässige Domkapitel, und sie erhielten Unterstützung vom Landespräsidenten in Laibach. Daraufhin richtete die Stadtgemeinde eine Beschwerde bei der Regierung ein:

106 Gesetzessammlung für Preußen, Veröffentlichung 3256, 27.03.1850, S. 265–268, hier: 266, Zugriff: 30.05.2020. 107 Recht der Straßenbenennung, o. A., in: Mitteilungen des Deutschen Städtetages 10/3, 01.02.1923, Zugriff: 30.05.2020. 108 Wiener Zeitung, 28.06.1903, S. 6, Zugriff: 01.06.2020 → Periodika eingesehen über ANNO (s. Literaturverzeichnis). 109 (Linzer) Tages-Post, 03.01.1904, S. 1, Zugriff: 01.06.2020. 110 Grazer Volksblatt, 25.11 1902, S. 3, Zugriff: 01.06.2020. 111 (Linzer) Tages-Post, 01.03.1904, S. 1, Zugriff: 01.06.2020.

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„Dieselbe habe nicht das Recht, in den autonomen Wirkungskreis der Gemeinde, der allein das Recht der Straßenbenennung zustehe, einzugreifen. Es bestehe kein Gesetz, welches der Regierung Handhabe bieten würde, Beschlüsse der Gemeindevertretung über Straßenbenennungen umzustoßen.“112

Die Beschwerde wurde aber abgewiesen, mit einem Artikel aus dem Staatsgrundgesetz, wonach bei einem gewissen Prozentanteil von deutschsprechenden Bewohnern die Beschriftung der Straßen in beiden Sprachen zu erfolgen habe.113 Dieses Beispiel zeigt erneut, dass die grundsätzlichen Entscheidungen zwar bei den Gemeinden und Städten lag, dass jedoch jederzeit auch die Landesverwaltung in die Entscheidungen eingreifen konnte. Es gab jedenfalls noch keine konkrete Einigkeit, jedoch versuchte der Staat im vorliegenden Fall bewusst einen objektiven Standpunkt, abseits lokaler Emotionen, einzunehmen.

Eine solche ist bei der Regelung der Straßenbenennungen erst aus der Zeit des Nationalsozialismus zu finden. Am 15. Juli 1939 kam es zu einem Reichserlass über die Benennung von Straßen, Plätzen und Brücken. Hier wurde das Recht auf die Benennung aller dem öffentlichen Verkehr zugeordneten Straßen erstmals eindeutig den Gemeinden zugeschrieben. Damit traten alle anderen landesrechtlichen Vorschriften außer Kraft. Unter dem Punkt drei wird aber ein Aspekt angeführt, der für die Zeit des Nationalsozialismus entscheidend war: „Über die Benennung von Straßen […] entscheidet in Zukunft der Bürgermeister. Er bedarf zu seiner Entscheidung der Zustimmung des Beauftragten der NSDAP.“114 Der Bürgermeister solle jedoch die ortspolizeiliche Behörde vor seiner Entscheidung um eine Stellungnahme bitten. Den Nationalsozialisten war es wichtig, dass bei Umbenennungen vor allem historische Namen nicht geändert werden. Außerdem sollte in jeder Stadt eine Straßenbezeichnung nur einmal vorkommen und generell die Anzahl von Benennungen gering gehalten werden. Auch die nationalsozialistische Weltanschauung solle nicht zu kurz kommen. Es seien „die Namen von Männern der deutschen Geschichte zu wählen, insbesondere von Vorkämpfern der nationalsozialistischen Weltanschauung“115. Man solle außerdem Namen wählen, die nicht zu Verwechslungen führen, und auch von fremdsprachlichen Bezeichnungen solle abgesehen werden.116

112 Das Vaterland, 13.12.1893, S. 13, Zugriff: 01.06.2020. 113 Das Vaterland, 13.12.1893, S. 13, Zugriff: 01.06.2020. 114 Ausf.-Anw. zur BD über die Benennung von Straßen, Plätzen und Brücken, 15.07.1939, in: Sammlung von wichtigen Gesetzesabdrucken und Verordnungen von Reich und Staat II/264, S. 1, Zugriff: 30.05.2020. 115 Ebd., S. 2, Zugriff: 30.05.2020. 116 Ebd., S. 1–2, Zugriff: 30.05.2020.

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Im Anschluss an die Zeit des Nationalsozialismus wurden vielerorts Straßen neuerlich umbenannt, wie z.B. in Stuttgart, wo durch die Auslöschung des Militarismus noch 1945 insgesamt 73 Straßen rück- oder umbenannt wurden, 1946 weitere 70. Darunter befanden sich nicht nur Benennungen nach Mitgliedern der NSDAP.117 Im Deutschland der Nachkriegszeit galt das Gesetz von 1939 noch bis zu den in der Nachkriegszeit veröffentlichten Gemeindeordnungen.

In Österreich trat in der Folge des Zweiten Weltkriegs und nach Wiedererlangung der Unabhängigkeit erneut das Bundes-Verfassungsgesetz, welches erstmals 1920 beschlossen wurde, in Kraft. Dieses beschäftigt sich im vierten Hauptstück in den Artikeln 115 bis 120 mit der Zuständigkeit der Gemeinden.118 Die Gemeindebestimmungen wurden schließlich auf Landesebene am 20. Juli 1962 entscheidend geändert. Hier wird die Benennung von öffentlichen Verkehrsflächen zwar nicht dezidiert erwähnt, allerdings wurden die Artikel stark überarbeitet und ausgebaut. Unter Artikel 118 steht demnach: „Der eigene Wirkungsbereich umfaßt neben den im Artikel 116 Absatz 2 angeführten Angelegenheiten alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden.“119 Somit waren die Aufgabenbereiche der Gemeinden nun deutlicher gemacht.

Für die in dieser Arbeit zu untersuchende Stadt Bludenz ist außerdem die Verordnung der Vorarlberger Landesregierung vom 25. September 1985 entscheidend. Dies ist auch die erste Ebene, in der unter §15 Bezeichnung von Örtlichkeiten, Verkehrsflächen und Gebäuden die Benennung von Straßen direkt erwähnt wird: „Die Gemeinde kann durch Verordnung die in ihrem Gebiet gelegenen Verkehrsflächen mit Namen bezeichnen. [Sie] hat alle bewohnbaren Gebäude mit einer Nummer zu bezeichnen. Am Gebäude oder an der Grundstückseinfriedung ist in einheitlicher Form eine Tafel mit dieser Nummer […] gut sichtbar anzubringen.“120 Das zuständige Gemeindegesetz wurde 2012 schließlich noch einmal geändert. Es wurden einige

117 Landeshauptstadt Stuttgart (Hrsg.), Die Stuttgarter Straßennamen, Tübingen 22007, S. 9. 118 Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, Verordnung des Bundeskanzlers vom 1. Jänner 1930, betreffend die Wiederverlautbarung des Bundes-Verfassungsgesetzes, 1. Stück, 02.01.1930, S. 18–19, Zugriff: 30.05.2020. 119 Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, Bundesverfassungsgesetz vom 12. Juli 1962, mit dem Bestimmungen des Bundes-Verfassungsgesetzes in der Fassung von 1929 über die Regelung der Grundsätze des Gemeinderechtes und damit im Zusammenhang stehende Bestimmungen abgeändert werden (Bundes- Verfassungsgesetznovelle 1962), 49. Stück, 20.07.1962, S. 1012, Zugriff: 30.05.2020. 120 Vorarlberger Landesgesetzblatt, Verordnung der Landesregierung über die Neukundmachung des Gemeindegesetzes 40, 16. Stück, 25.09.1985, S. 5, Zugriff: 30.05.2020.

37 zusätzliche Absätze unter §15 angefügt, die für die weitere Abhandlung dieser Arbeit allerdings keine größere Bedeutung haben.121

Für die gesetzliche Lage bei Straßenbenennungen in Bludenz sind aktuell somit die Gemeindeverordnungen des Staates Österreich von 1962 sowie die des Landes Vorarlberg von 1985 heranzuziehen. Wie die Abhandlung jedoch zeigen wird, spielte die Gemeindevertretung schon seit jeher eine entscheidende Rolle bei der Benennung von Straßen in Bludenz.

Eine weitere rechtliche Grundlage für die Straßenbenennung betrifft die Rechtschreibung der Straßennamen. Auch diese war lange Zeit ungeklärt und weist noch heute regelmäßig Fehler auf. Bereits Anfang des vergangenen Jahrhunderts nahm der Allgemeine Deutsche Sprachverein dies zum Anlass, um in einem Sonderdruck mit Beiträgen aus den Jahren 1907 und 1910 auf dieses Problem aufmerksam zu machen. Der Essay von Otto Winzer von 1907 beschäftigt sich dabei einerseits mit dem Wandel der Berliner Straßennamen und andererseits vor allem auch mit der uneinheitlichen Schreibweise der Straßennamen. Für das Beispiel Berlin gibt er an, dass es bereits ab den 1860er Jahren zu Umbenennungen gekommen war. Diese Umbenennungen seien damals bei Alteingebürgerten oft als störend angesehen worden. Auch zeigt er auf, dass der Ursprung vieler Bedeutungen von Straßennamen noch nicht klar sei.122 Der Großteil seines Aufsatzes widmet sich der Orthografie der Straßennamen. Er erwähnt hierbei zuerst, dass das Wort Straße unbedingt ausgeschrieben werden solle, genauso wie das Wort Sankt: „Fremde, die des Deutschen wenig mächtig sind, werden sich nicht deuten können, daß z.B. in ‚St. Wolfgangs St.‘, das vorderer St. die Abkürzung für Sankt und das hintere die Abkürzung für Straße ist. Außerdem findet man auch kein anderes Grundwort in den Straßenbenennungen abgekürzt, weder ..promenade, noch ..damm, noch ..graben usw.“123

Es folgt eine Liste von Regeln, die beim Anbringen von Straßentafeln sowie bei Postsendungen befolgt werden sollen. Winzer bezieht sich dabei auf Grundsätze der damaligen Rechtschreibung. Viele dieser Grundsätze sind noch heute Usus und finden sich im Duden wieder.124 Die erste Regel besagt: „Ist das Bestimmungswort ein Hauptwort und bildet es, mit einem der vorgenannten Grundwörter zusammengefaßt, eine leicht übersichtliche

121 Vgl. Vorarlberger Landesgesetzblatt, Gesetz über eine Änderung des Gemeindegesetzes 4, 2. Stück, 19.01.2012, S. 12–14, Zugriff: 30.05.2020. 122 Otto Winzer, Straßennamen, in: Sonderdruck aus der Zeitschrift des Allgem. Deutschen Sprachvereins Jg. 1907, Sp. 289ff., o.J., S. 1–4, hier: S. 1, Zugriff: 30.05.2020. 123 Ebd., S. 1. Zugriff: 30.05.2020. 124 Vgl. Duden, Das große österreichische Schulwörterbuch, hrsg. v. Dudenreaktion, Berlin--Zürich 22013, S. 100–101.

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Zusammensetzung […] so verschmilzt es mit seinem Grundwort zu einem Wort, also z.B. […] Königsweg, Poetensteig“125. „Ist aber die Zusammensetzung nicht übersichtlich, so werden Bestimmungs- und Grundwort durch Bindestrich getrennt. [Da] der zweite Bestandteil der Bestimmung dem Grundwort nicht näher steht als der erste, so muß auch das Grundwort mit dem letzten Teil des Bestimmungswortes durch einen Bindestrich verbunden werden, also (nicht Friedrich-Wilhelmstraße, sondern): Friedrich-Wilhelm-Straße, Prinz-Eugen-Straße“126. Gerade das Thema Bindestriche ist bis heute nicht einheitlich durchgezogen, wie sich auch am Beispiel der Stadt Bludenz zeigt, wo Straßenschilder oft immer noch nicht diesen orthografischen Regeln folgen (Bsp. Grete Gulbranssonstraße). Winzer erklärt die Verwendung von Bindestrichen damit, dass z.B. bei einer Friedrich-Wilhelm-Straße das Wort Wilhelm keine engere Bindung zum Wort Straße habe als das Wort Friedrich. Er erklärt hierzu: „[M]an darf nicht vergessen, daß durch die Verbindung von zwei Nomen oder von Titel und Namen als Bestimmungswörtern mit dem Grundwort ‚Straße‘ ein ganz neuer Begriff entsteht. Das Grundwort ‚Straße‘ wird nicht durch ‚Eugen‘, sondern auch durch ‚Prinz‘ näher bestimmt. Prinz Eugen-Straße (oder gar Prinz Eugenstraße) wäre ein Prinz namens Eugenstraße.“127 Die dritte Regel besagt, dass bei der Verwendung eines Eigenschaftswortes als Bestimmungswort dieses nicht mit dem Grundwort verbunden werden dürfe, weshalb Breite Straße oder Französische Straße richtige Bezeichnungen wären. Diese Trennung findet auch statt, wenn Straßen nach Städten benannt sind: „Potsdamerstraße würde also bedeuten Straße der Potsdamer. Da aber die Straßen nicht nach den Einwohnern der Städte, sondern nach den Städten selbst ihre Namen zu erhalten pflegen, so ist einzig und allein richtig: Potsdamer Straße“128. Anders verhalte es sich dies bei Namen wie Habsburgerplatz, da hier das Geschlecht im Vordergrund stehe. Im vierten und fünften Punkt erwähnt Winzer noch damalige orthografische Neuerungen, die umgesetzt werden sollten, wie die Änderung des Konsonanten c in k, also Jakobstraße und nicht Jacobstraße.

Besonders betont er auch die Verwendung des ß anstatt des ss. Diese Änderung sei bereits 1903 eingeführt worden, habe sich bisher allerdings wenig eingebürgert und auf Straßenschildern sei das Wort Straße noch oft mit ss geschrieben. Genauso solle man ein richtiges I benutzen und nicht das oft verwendete J.129 Winzer äußert sich außerdem lobend über die Stadt Leipzig, in

125 Winzer, Straßennamen, S. 2, Zugriff: 30.05.2020. 126 Ebd., S. 2, Zugriff: 30.05.2020. 127 Ebd., S. 2, Zugriff: 30.05.2020. 128 Ebd., S. 3, Zugriff: 30.05.2020. 129 Ebd., S. 3, Zugriff: 30.05.2020.

39 welcher der Stadtrat beschlossen habe, die Schilder mit alter bzw. falscher Rechtschreibung durch neue zu ersetzen und über das Adressbuch für 1907, das die korrekte Schreibung der Straßennamen eingeführt habe. Nicht so gut davon kommt das Wiener Straßenverzeichnis, das „unglaublich falsche Schreibungen“130 aufweise. Generell fordert er die Post auf, durch die Verwendung korrekter Schreibweisen bei ihren Briefsendungen eine gewisse Vorbildfunktion zu übernehmen.131

Die vom Allgemeinen Deutschen Sprachverein 1907 festgelegten Grundsätze können durchaus als zukunftsweisend bezeichnet werden, gibt es doch bis zum heutigen Tage kaum Änderungen in der Schreibweise, die gewählt werden sollte. Der österreichische Duden weist lediglich darauf hin, dass es in Österreich und der Schweiz vereinzelt zu anderen Regelungen kommen könne. So werden „Straßennamen, die die Ableitung eines geografischen Namens auf ‚-er‘ enthalten, gewöhnlich zusammengeschrieben. [Beispiele hierfür wären] Wienerstraße, Innsbruckerweg, Südtirolerplatz“132.

3.3. Benennung von Straßen im historischen Rückblick

Auf dem wissenschaftlichen Gebiet der Erforschung von Straßennamen verschmelzen historische Herangehensweisen mit linguistischen. Sehr oft sind daher Einblicke in die Entwicklungen bei der Benennung von Straßen in Werken zu finden, die sich mit der Onomastik (Namenforschung) beschäftigen. Straßennamen, oft als Hodonyme bezeichnet, sind hierbei Teil der Gruppe der Örtlichkeitsnamen (Toponyme). Mit Straßennamen werden nicht nur Verkehrswege mit dem Namen -straße bezeichnet, sondern alle Namen öffentlicher Verkehrsflächen, die sich innerhalb einer geschlossenen Siedlung befinden. Dies bedeutet einerseits, dass Überlandstraßen, Schnellstraßen oder Autobahnen hier meist nicht dazu gehören, weil sie in der Regel nicht benannt werden bzw. weil sich an ihnen keine Wohngebiete befinden, andererseits aber, dass Plätze sehr wohl auch unter den Begriff Straßennamen fallen, genauso wie Gassen, Wege, etc. Dementsprechend wird in den folgenden Ausführungen auch nie gesondert von Platznamen die Rede sein.133

130 Winzer, Straßennamen, S. 4, Zugriff: 30.05.2020. 131 Ebd., S. 4, Zugriff: 30.05.2020. 132 Duden, S. 100. 133 Elisabeth Fuchshuber-Weiß, Straßennamen: deutsch, in: Namenforschung. Ein internationales Handbuch zur Onomastik. 2. Teilband, hrsg. v. Ernst Eichler/Gerold Hilty/Heinrich Löffler/Hugo Steger/Ladislav Zgusta, Berlin–New York 1996, S. 1468–1475, hier: S. 1468.

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Um besser zu verstehen, warum Straßennamen heute so ein heiß diskutiertes Thema sind, gilt es einen Blick auf die Entstehung und die Geschichte von Straßennamen zu werfen. Die Geschichte der Benennung von Verkehrsflächen geht bis in die Antike zurück. Am bekanntesten ist hier die von Rom nach Süden führende Via Appia, deren Bau bereits im 4. Jh. v. Chr. unter Konsul Appius Claudius Caecus begann und die schließlich nach ihm benannt wurde. Die Römer waren generell bekannt dafür, in ihrem Reich Straßen zu bauen und so strategisch wichtige Punkte zu verbinden, auch wenn die meisten Namen der Straßen heute nicht mehr bekannt sind.134

Auch im Mittelalter ging die Benennung von Straßen nur schleppend voran. Während Überlandstraßen schon etwas früher benannt wurden, ist eine Überlieferung von Straßennamen aus Ortschaften vor dem 12. Jh. nicht finden. Erst ab diesem Zeitpunkt setzten erste Benennungen ein. Gründe hierfür waren größer werdende Siedlungen und vor allem die Tatsache, dass es zu dieser Zeit aufgrund des Bevölkerungswachstums und der wirtschaftlichen Entwicklung auch zu zahlreichen Städtegründungen kam.135 In ländlichen Gebieten kamen Straßenbenennungen zum damaligen Zeitpunkt noch nicht vor. Hier standen Hofnamen bzw. Hausnamen im Vordergrund. Diese wurden in der Regel mündlich überliefert und es bedurfte keiner offiziellen Aufzeichnungen. Was sich allerdings im Laufe des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit auch in ländlichen Gebieten abzeichnete, war die Zunahme an solchen Häusernamen.136 In Städten und Siedlungen kam es schließlich bis zum Ende des Mittelalters vermehrt zu Straßenbenennungen. Diese wurden zunächst in der Regel als Gassen bezeichnet. Die steigende Zahl an Stadtbüchern, Urbaren oder Einwohnerlisten sorgte dafür, dass Straßen Namen bekamen, um die Bewohner zu verorten und deren Rechts- und Besitzverhältnisse besser regeln zu können. Ab der Renaissance kamen schließlich noch Reisebeschreibungen hinzu, in denen ebenfalls des Öfteren Straßennamen überliefert sind.137

Was jedoch bis weit in die Neuzeit bestehen blieb, ist die Tatsache, dass Straßen ihre Namen nicht offiziell erhielten und es keine konkreten Benennungen gab, sondern dass Namen mehr oder weniger selbst entstanden. Verantwortlich hierfür war die Bevölkerung, die in ihrer alltäglichen Kommunikation begann, an Straßen beschreibende Zusätze anzuführen. Bei Bernd- Ulrich Kettner ist ein Beispiel zu finden, in der ein Bewohner befragt wird, wo Person X wohnt.

134 Räther, Heidelberger Straßennamen, S. 9. 135 Fuchshuber-Weiß, Straßennamen: deutsch, S. 1469. 136 Koß, Namenforschung, S. 89. 137 Fuchshuber-Weiß, Straßennamen: deutsch, S. 1469.

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Dieser antwortet damit, dass Person X in der Burggasse wohnt, also in der Gasse, die Richtung Burg führt. Die Benennung von Straßen erfüllte somit in Folge eine konkrete Funktion.138 Solche natürlich entstandenen Straßennamen werden in der Onomastik als primäre Straßennamen bezeichnet. Diese kennzeichnen den historischen Stadtkern, da Straßen außerhalb des Kerns oft noch nicht vorhanden waren und es zudem nur wenige Menschen gab, die dort lebten, sodass es nicht nötig war, diesen Wegen eigene Straßennamen zu geben.139

Administrativ vergebene Straßennamen waren in der Frühen Neuzeit noch keine zu finden, vielmehr gab es andere Benennungsmotive, die für die Bezeichnung von Straßen verantwortlich waren.140 Üblich war u.a. die Benennung nach der äußeren Gestalt einer Straße (z.B. Langgasse), nach der topografischen Lage der Straße (z.B. Untergasse), nach auffallenden Gebäuden an den Straßen (z.B. Steinhausgasse: eine Straße, in der sich das Steinhaus befand), oder auch nach der Funktion der Straße (z.B. Reitgasse).141 Bereits früh wurden Straßen auch nach dem Gewerbe oder der Erwärbstätigkeit der Bewohner in dieser Straße benannt. Wenn es etwa dort einen Schuster gab, erhielt die Straße nicht selten den Namen Schustergasse. Auch der Zielpunkt, der bis heute für Straßenbenennungen verwendet wird, war bereits in der Frühen Neuzeit ein Benennungsmotiv (z.B. Frankfurter Straße). Auch nach bestimmten sozialen Gruppen bzw. nach herausragenden Personen oder Familien wurden Straßen benannt, wie etwa in den Beispielen Judengasse bzw. Betzelgasse. Außerdem bekamen öffentliche Gebäude, wie die Kirche, das Gasthaus oder das Rathaus, eigene Straßennamen, genauso wie die Beschaffenheit der Straße ein Motiv war, wie das Beispiel des Steinwegs zeigt. Auch ältere Örtlichkeitsnamen, wie Hausnamen, Stadtviertelnamen oder Flurnamen wurden für Straßennamen herangezogen.142 Besonders letztere sind heute im ländlichen Raum und in Kleinstädten noch von entscheidender Bedeutung, worauf beim Beispiel Bludenz noch näher eingegangen wird.

Durch diese Benennungsmotive konnten zwar in der Frühen Neuzeit noch alle Straßen im Stadtkern abgedeckt werden, jedoch reichte dies nicht aus, als es schließlich zum großen Bevölkerungswachstum kam. Hier wären dann vermehrte Wiederholungen die Folge gewesen. Jedoch war für politisch oder anders motivierte Straßenbenennungen noch länger kein

138 Bernd-Ulrich Kettner, Politische Straßennamen in der Stadt Marburg, in: Sprache in Vergangenheit und Gegenwart. Beiträge aus dem Institut für Germanistische Sprachwissenschaft der Philipps-Universität Marburg, hrsg. v. Wolfgang Brandt (Marburger Studien zur Germanistik 9), Marburg 1988, S. 141–154, hier: S. 141. 139 Nübling/Fahlbusch/Heuser, Namen, S. 245. 140 Fuchshuber-Weiß, Straßennamen: deutsch, S. 1470. 141 Kettner, Politische Straßennamen, S. 141. 142 Nübling/Fahlbusch/Heuser, Namen, S. 243.

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Spielraum gegeben.143 Noch bevor es aber zu einer regelrechten Explosion von Straßenneubenennungen kommen sollte, begann man, die Häuser zu nummerieren. Dies geschah nach französischem Vorbild im Laufe des 18. Jahrhunderts sowohl im deutschen als auch im österreichischen Raum. Grund hierfür waren etwa Volkszählungen. Zuerst wurden Häuser jedoch in einem Ort einfach durchnummeriert, eine Nummernfolge nach Straßennamen setzte erst im 19. Jahrhundert ein. Diese Praxis des Durchnummerierens war in ländlicheren Gegenden sogar noch bis weit ins 20. Jahrhundert üblich, und selbst heute werden kleinere Gemeinden noch durchnummeriert, jedoch wird dabei zumindest nicht mehr nach dem Alter des Hauses vorgegangen, wie es zu Beginn der Häusernummerierung üblich war, sondern nach der Lage des Hauses.144

Für den deutschsprachigen Raum kann daher resümiert werden, dass zu Beginn des 19. Jahrhunderts Straßen in den Stadtkernen in der Regel einen Namen hatten und die Häuser eine individuelle Nummer besaßen. Eine Ausnahme bildet die Stadt Mannheim. Die Mannheimer Innenstadt hat bis heute einen quadratischen Grundriss, ähnlich einem Schachbrett. Bis in die Neuzeit gab es auch hier Straßennamen, allerdings wurden die Quadrate 1684 mit römischen Ziffern nummeriert, ab 1733/35 schließlich mit Großbuchstaben, welche bis heute bestehen.145 Auch im heutigen Österreich erfolgte die Nummerierung nicht viel später: 1770 wurde in Wien die erste Nummerierung durchgeführt. Hintergrund für die Anbringung sogenannter Conscriptionsnummern war zunächst die Rekrutierung des Militärs. Im 19. Jh. wurden schließlich die Häuser gassenweise nummeriert, es kam also zum Übergang zur Orientierungsnummerierung.146 Durch diese Kombination aus Hausnummern und Straßennamen bekam nun jedes Haus eine eigene Adresse, was für eine noch stärkere Bindung der Bewohner an ihre Straße sorgte.

Als es während der Neuzeit, vor allem bedingt durch die Industrielle Revolution, zu einem noch stärkeren Städtewachstum kam, erfolgte gleichzeitig aufgrund der deutlich steigenden Bevölkerungszahlen auch eine sich immer weiter ausdehnende Verwaltung. Die Adressierung war hierbei nur ein Aspekt, der nun in den Städten unumgänglich war. Es kam zu einem vermehrten Umstieg von mündlicher zu schriftlicher Kommunikation, was insofern

143 Kettner, Politische Straßennamen, S. 141. 144 Zusätzliche Informationen zur Häusernummerierung sind zu finden bei: Tantner, Anton, Ordnung der Häuser, Beschreibung der Seelen Hausnummerierung und Seelenkonskription in der Habsburgermonarchie (Wiener Schriften zur Geschichte der Neuzeit 4), Innsbruck–Wien–Bozen 2007. 145 Koß, Namenforschung, S. 90. 146 Peter Autengruber, Lexikon der Wiener Straßennamen. Bedeutung. Herkunft. Frühere Bezeichnungen, Wien 102019, S. I–II.

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Auswirkungen hatte, als die Bevölkerung nun vermehrt an dieser Kommunikation teilhaben wollte.147 All das führte in den Ausbau des modernen Verfassungsstaates, der seit dem Absolutismus und dem Napoleonischen Zeitalter im Entstehen begriffen war. Durch das Bevölkerungswachstum wurden zudem vermehrt städtebauliche Maßnahmen nötig. Außerdem kam es auch zu Eingemeindungen, weil einzelne Siedlungen aufgrund des Wachstums miteinander verschmolzen.148 Es entstand dadurch ein allgemeines Interesse in der Bevölkerung, dass Straßen im Vorhinein benannt wurden und nicht erst nach dem Einzug einer Partei in ein Haus. Dies war nun ein neues Aufgabenfeld, das von Beginn an in die Hände der Stadtverwaltung gelegt wurde.149

Bei der Benennung von Straßen war nun aber eine neue Praxis erforderlich, da viele Benennungsmotive für primäre Straßennamen nicht mehr eingesetzt werden konnten, weil über eine neu gebaute Straße wenig bis keine Informationen vorhanden waren, die die Bezeichnung mit diesem oder jenem Namen gerechtfertigt hätten. Es war in gewisser Weise auch eine große Freiheit für die Namensgeber, da diese nun keine Rücksicht mehr auf die Realität nehmen mussten und bei der Wahl des Namens mehr oder weniger freie Hand hatten.150

Auf diese Weise wurde nun erstmals so richtig die Wirkung erkannt, die Straßennamen haben können, und wie sie zur Verbreitung von Ideen oder Ideologien eingesetzt werden können.151 Außerdem gab es auf diese Weise noch eine andere Möglichkeit, wie die Stadtverwaltungen die Bevölkerung den Wandel in der Stadt spüren lassen konnten. So wurden 1811 in Stuttgart, der damaligen Haupt- und Residenzstadt des Königreichs Württemberg, die Gassen in Straßen umgetauft. Die Entstehung dieses neuen Königreichs, die Umbenennungen in Straßen und die wachsende Zahl an Menschen und Straßen, nahm Stuttgart schließlich auch zum Anlass, Benennungen nach Angehörigen des württembergischen Fürstenhauses vorzunehmen, wie etwa die Marienstraße oder die Charlottenstraße, die beide bereits 1811 benannt wurden.152 Eine solche Praxis war allerdings zu diesem Zeitpunkt bereits keine Ausnahme mehr, was sich am Beispiel Münchens zeigen lässt. Hier ließ der bayrische Kurfürst Karl Theodor bereits 1791 das Neuhauser Tor in Karlstor sowie den im Volksmund bekannten Namen Stachus in Karlsplatz

147 Kettner, Politische Straßenamen, S. 141. 148 Fuchshuber-Weiß, Straßennamen: deutsch, S. 1470–1471. 149 Die rechtlichen Entwicklungen bei der Praxis der Straßenbenennung wurden in Kapitel 3.2. genauer erörtert. 150 Es gibt jedoch auf der anderen Seite auch Beispiele, in welchen die Bevölkerung mit ihren Straßennamen nicht zufrieden war und sich bereits im 19. Jahrhundert für die Änderung des Straßennamens einsetzte. (Räther, Heidelberger Straßennamen, S. 11.) 151 Kettner, Politische Straßennamen, S. 142. 152 Landeshauptstadt Stuttgart (Hrsg.), Stuttgarter Straßennamen, S. 7.

44 umbenennen.153 Bereits 1777 erhielt in Freiburg die Hauptstraße den Namen Kaiserstraße, in Anlehnung an Joseph II., der einige Tage hier übernachtete.154 Eine konkrete erste personenspezifische Benennung ist aber nicht bekannt, was auf den noch nicht vollständig entwickelten Verwaltungsstaat zurückzuführen ist. Die letzten Beispiele sprechen allerdings ein weiteres Kapitel an, das im 19. und besonders dann im 20. Jahrhundert von großer Bedeutung war, nämlich die Änderung von Straßennamen. Umbenennungen hatten schließlich besonders im 20. Jahrhundert in erster Linie mit sich verändernden politischen Verhältnissen zu tun, worauf noch detaillierter eingegangen wird.155

Schon bald waren es aber nicht mehr nur Angehörige von Herrschaftshäusern, die einen Platz im Straßenbild einer Stadt bekamen. Die Städte wurden immer größer und weitere Namen wurden gebraucht. Während im Spätmittelalter und in der Frühen Neuzeit noch des Öfteren Straßen nach Bevölkerungsgruppen benannt wurden, rückten nun im Laufe des 19. Jahrhunderts Einzelpersonen in den Vordergrund. Straßen bekamen so eine Erinnerungsfunktion, da der Name über das Ableben einer Person hinaus im Straßenbild und dadurch in der Erinnerung der Bevölkerung verankert werden sollte.156 Dieses Hervortreten einer Einzelperson aus der Gesellschaft ist ein Merkmal liberalen Gedankenguts. Es kam vermehrt zu Personenkult und der Verehrung von Helden, was sich immer öfter in den Straßennamen widerspiegelte. In Wien setzte diese Bewegung etwa ab den 1860er Jahren ein, wahrscheinlich auch deshalb, weil hier die Liberalen von 1861 bis 1895 regierten.157

Diese ab dem 18. und besonders im 19. Jahrhundert einsetzenden Veränderungen in der Praxis der Straßenbenennungen resultierten somit im vermehrten Übergang von primären zu sekundären Straßennamen. Erstere haben zwar oft noch eine Orientierungsfunktion, die sich u.a. anhand der immer größer werdenden Zahl an Bahnhofstraßen erkennen lässt, viel stärker kommt nun aber eben die Erinnerungsfunktion hinzu. Außerdem wurden Straßen immer mehr zum Übermittler politischer Botschaften. Auch die Entstehung selbst wandelte sich – von der Benennung durch alltägliche Kommunikation zu einer administrativ aufwändigen Benennung. Straßennamen waren nun schriftlich fixiert und nicht mehr auf den historischen Stadtkern beschränkt. Es fällt auf, dass sekundäre Straßennamen weniger im Stadtkern anzutreffen sind als vielmehr in den abseits des Zentrums gelegenen Stadtteilen. Zu guter Letzt wurden Straßen

153 Fuchshuber-Weiß, Straßennamen: deutsch, S. 1471. 154 Koß, Namenforschung, S. 90. 155 Räther, Heidelberger Straßennamen, S. 11. 156 Nübling/Fahlbusch/Heuser, Namen, S. 244. 157 Autengruber, Lexikon, S. 14.

45 nun öfters mit -straße, -platz oder -allee benannt und seltener mit -gasse oder -weg. Entscheidend war jedoch, dass Straßenbenennungen nun zum Politikum wurden, und damit ist nicht gemeint, dass Straßen nach Politikern, sondern dass sie von Politikern benannt wurden.158 Dies war gleichsam der Startschuss einer Entwicklung, die bis heute die Straßenbenennungspraxis prägt: „Es wird in den Gemeinde- und Stadtparlamenten beraten, es wird gestritten, verworfen, vertagt, es werden die Mitbürger zur Kooperation aufgefordert – kurz, es ist manchmal leichter, ein Straße zu bauen, als einen Namen für sie zu finden‘.“159

Diese Tendenzen, die sich spätestens ab Mitte des 19. Jahrhunderts auch nicht mehr lediglich in den Großstädten abzeichneten, schritten immer weiter voran. Entscheidend war dabei vor allem, dass Straßen auch nach Personen benannt wurden, die nicht mehr direkt mit der Stadt in Verbindung gebracht werden konnten. In Heidelberg war es sogar der Fall, dass Straßen zuerst nach stadtfremden Personen und erst ab 1873 nach verdienten Stadtbürgern benannt wurden.160 Man kam immer weiter vom lebensnahen Gebrauch von Straßennamen weg, und die Bewohner selbst hatten im Laufe des 19. Jahrhunderts immer weniger Zugriff auf die Benennungen, was für sie zum Teil schwer zu verstehen war. Bereits 1845 erschien hierzu ein Artikel in einer Beilage der österreichischen Zeitschrift Zuschauer. Darin wird folgende Aussage getroffen: „[A]uch anno 1845 noch gibt es Leute, die nicht einsehen, daß eine Straßenbenennung kein Privatspaß mehr ist“161. Es wird außerdem erwähnt, dass man früher mit den Benennungen sehr leichtfertig umgegangen sei, und man wundert sich, warum es in Wien zum Beispiel keine Mozartgasse gebe.162 163

Straßennamen wurden nun immer mehr zu Erinnerungsorten, und zwar nicht nur für Politiker; besonders früh wurden auch Dichter und Komponisten für Straßenbenennungen herangezogen. In Deutschland ist Friedrich Schiller bis heute die Person, nach der am meisten Straßen benannt sind, gefolgt von Goethe und dem Turnvater Friedrich Ludwig Jahn. Danach kommen mit Mozart und Beethoven zwei Komponisten.164 Dass auf den vordersten Plätzen keine Politiker

158 Nübling/Fahlbusch/Heuser, Namen, S. 245. 159 Elisabeth Fuchshuber-Weiß, Strassennamen in der Region – Befunde, Tatsachen, Folgerungen, in: Reader zur Namenkunde III, 2. Toponymie, hrsg. v. Friedhelm Debus/Wilfried Seibicke (Germanistische Linguistik 131– 133), Hildesheim-Zürich-New York 1996, S. 761–767, hier: S. 761–762. 160 Räther, Heidelberger Straßennamen, S 12–13. 161 Zuschauer, Besondere Beilage zu Nr. 113 des Zuschauers, 19.09.1845, S. 9, Zugriff: 11.06.2020. 162 Ebd., S. 9, Zugriff: 11.06.2020. 163 Es dauerte nicht lange, bis eine Mozartgasse in Wien benannt wurde. Die Platzgasse im vierten Gemeindebezirk wurde 1862 in Mozartgasse umbenannt und ist damit ein weiteres Indiz dafür, dass Einzelpersonen in den Vordergrund bei Benennungen rückten. Ein weiterer Teil der Platzgasse wurde schließlich 1899 in Mozartplatz umbenannt (Autengruber, Lexikon, S. 225.). 164 Pöppinghege, Geschichte, S. 8–10.

46 zu finden sind, lässt sich dadurch begründen, dass viele Benennungen nach Politikern, besonders im Laufe des 20. Jahrhunderts, wieder zu Benennungen nach neuen Politikern führten. Hauptgrund waren die wechselnden politischen Systeme, die sich eben auch in den Straßennamen widerspiegelten. Sowohl in Österreich als auch in Deutschland standen zu Beginn des 20. Jahrhunderts noch die Kaiserreiche im Vordergrund. So gab es in Deutschland etwa sehr viele Kaiser-Wilhelm-Straßen. Auch nach anderen hochrangigen Politikern, allen voran Bismarck, wurde eine Vielzahl von Straßen benannt.165 In Innsbruck konzentrierte man sich bei politischen Benennungen bis 1918 auf LandesfürstInnen in Tirol oder auf Mitglieder des Kaiserhauses. Im Anschluss an den Ersten Weltkrieg gab es – wohl aus einer gewissen Wehmut heraus – auch Benennungen nach in Folge der Pariser Friedensverhandlungen verlorengegangenen Südtiroler Städten.166

Als die Nationalsozialisten in Deutschland die Macht ergriffen, kam es nicht nur zu klaren Gesetzen bei der Benennung von Straßen, die ab 1938 auch für Österreich galten167, sondern auch zu zahlreichen Umbenennungen. Spätestens ab diesem Zeitpunkt lassen sich Straßennamen nicht mehr als verstecktes Politikum bezeichnen, sondern sie wurden zu einem wahren Propagandamittel.168 Wie schnell die NSDAP die Kraft der Straßennamen erkannte, lässt sich anhand eines Beispiels aus der Universitätsstadt Marburg zeigen. Bereits als die Stadtverordnetenversammlung dort im März 1933 erstmals zusammentraf, bekamen drei Straßen einen neuen Namen: Der Friedrichsplatz wurde in Adolf-Hitler-Platz umbenannt, die Kasernenstraße bekam den Namen Hermann-Göring Straße (mit der Begründung, dieser habe bereits als Fliegeroffizier Großes vollbracht) und die Uferstraße wurde in Bernhard-Rust- Straße umbenannt, nach dem späteren Reichskulturminister. Insgesamt gab es in Marburg zwischen 1933 und 1945 22 Neubenennungen, 18 davon waren politisch gefärbt. Zum Teil wurde damit außerdem der Grundsatz gebrochen, dass in der Regel keine Straßen mehr nach lebenden Personen benannt wurden.169

Bei diesen Entwicklungen der nationalsozialistisch gefärbten Straßenbenennungen stand Marburg bei weitem nicht allein da. In Stuttgart wurde ebenfalls gleich im März 1933 eine Adolf-Hitler-Straße benannt und im November 1934 kam es zu weiteren Benennungen, die von den Nationalsozialisten veranlasst wurden. Insgesamt 45 Straßen wurden in einer Sitzung nach

165 Fuchshuber-Weiß, Straßennamen: deutsch, S. 1472. 166 Josefine Justic, Innsbrucker Straßennamen. Woher sie kommen und was sie bedeuten, Innsbruck 2012, S. 7. 167 Vgl. Kapitel 3.2 168 Koß, Namenforschung, S. 90. 169 Kettner, Politische Straßennamen, S. 144–145.

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Vorkämpfern des Nationalsozialismus benannt, die auch als Blutzeugen der Bewegung bezeichnet wurden. In den Jahren 1936 und 1937 folgten weitere Umbenennungen.170 Auch die Angliederung Österreichs an das Deutsche Reich wurde in Stuttgart besonders zelebriert. Aufgrund des Anschlusses und aufgrund von Hitlers Besuch in Württembergs Hauptstadt am 1. April 1938 wurden im Stuttgarter Stadtteil Feuerbach zig Straßen nach Städten der Ostmark benannt.171 Die Straßen tragen bis heute ihre Namen. Unter ihnen ist auch eine Bludenzer Straße, auf welche im lokalhistorischen Kapitel noch genauer eingegangen wird. Einzig die Ostmarkstraße wurde bereits direkt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in Feuerbacher- Tal-Straße umbenannt.172

Doch auch in Österreich selbst war die NS-Zeit auch bei Straßennamen stark zu spüren. In Wien benannten die Nationalsozialisten „alle ‚jüdischen Verkehrsflächen‘ 1938 um, beseitigten die Spuren des Vorgängerregimes (Dollfußplätze) und scheuten nicht vor Lebendbenennungen. So mutierte z.B. der Rathausplatz zum Adolf-Hitler-Platz. Auch Deutschlandbezüge kamen vor.“173 Auch in Innsbruck gab es zahlreiche solcher Umbenennungen, die dem NS-Regime zu Ehren gereichen sollten.174

Ein eigenes Kapitel sind schließlich die Entwicklungen nach 1945, als es galt, die Straßen wieder umzubenennen oder sie wieder so zu benennen, wie sie vor 1933 (in Österreich vor 1938) hießen. Dies gelang einerseits gut, andererseits gibt es bis heute Altlasten und Streitfälle, wie die im Kapitel zur Erinnerungskultur dargestellten Diskussionen deutlich machen. Was schon bald nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verschwand, waren die Benennungen nach Adolf Hitler selbst, z.B. wurde in Regensburg die Adolf-Hitler-Brücke schon bald in Nibelungenbrücke umbenannt.175 Auch in Österreich kam es schnell zu Umbenennungen bzw. Rückbenennungen. In Graz wurden 50 Namen aus der NS-Zeit geändert und zum Teil wieder rückgeführt zu ihren Bezeichnungen vor 1938.176 In Wien wurden alle Benennungen während der NS-Zeit rückgängig gemacht. Von diesen zum Teil ausgenommen sind die Benennungen der sowjetischen Besatzungszone.177 In Innsbruck wurden die Straßenbezeichnungen der Nazis

170 Landeshauptstadt Stuttgart, Stuttgarter Straßennamen, S. 9. 171 Ebd., S. 9. 172 Georg Friedel, Rolf Adam bringt Licht in Feuerbachs dunkle Zeit, in: Nord-Rundschau, 19.06.2008, S. 3. 173 Autengruber, Lexikon, S. 13. 174 Justic, Innsbrucker Straßennamen, S. 8. 175 Matthias Freitag, Regensburger Straßennamen. Von Abensstraße bis Zwerchpaintstraße, Regensburg 1997, S. 6. 176 Karl A. Kubinzky/Astrid M. Wentner, Grazer Straßennamen. Herkunft und Bedeutung, Graz 21998, S. 8. 177 Autengruber, Lexikon, S. 13.

48 zum Großteil wieder abgeschafft, einige wurden aber behalten, um das Geschehene nicht vergessen zu machen.178

Was bis zum heutigen Tag bestehen blieb, sind diverse umstrittene Straßennamen, die zu einem großen Teil auch mit dem NS-Regime in Verbindung gebracht werden. Besonders in Deutschland gab es in der Nachkriegszeit heftige Diskussionen über Um- bzw. Rückbenennungen. Man kann nicht davon sprechen, dass man hier allgemein wieder den Status von 1932 herzustellen versuchte. In Bottrop beispielsweise blieben 89 Straßennamen übrig, die 1938 umbenannt wurden. Unter diesen Beispielen gab es zwar diverse unkritische Namen, jedoch auch viele Streitfälle in Form von Personennamen, wie etwa bei Benennungen nach Hindenburg oder nach Kolonialpionieren. Zu diesen sichtbaren Resten der Nazi-Ideologie gesellen sich auch noch einige unsichtbare. So wurde etwa in Lippstadt 1933 die Judenstraße in Rathausstraße umbenannt, die bis heute so heißt und nicht wieder rückbenannt wurde.179 Marcus Weidner spricht in diesem Zusammenhang von einer ‚heterogenen Praxis der Umbenennungen‘, weil einige Straßen wieder ihre alten Namen bekamen, einige neue bekamen und einige ihren aktuellen behielten.180

In Österreich wurde nach der wiedererlangten Unabhängigkeit, wie bereits erwähnt, ein Großteil der von der nationalsozialistischen Ideologie beeinflussten Straßennamen umbenannt. Obwohl nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs die umstrittenen Namen bereits auf einen möglichen NS-Bezug hin geprüft wurden, sind nach wie vor belastete Namen zu finden, die seit einigen Jahren auch vermehrt von Kommissionen geprüft werden. Der Grund liegt darin, dass der Großteil dieser nationalsozialistisch belasteten personenspezifischen Straßennamen sehr oft erst in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts vergeben wurde. Beim groß angelegten Projekt der Prüfung der Wiener Straßennamen durch den Zeithistoriker Oliver Rathkolb und dessen Kollegen lassen sich einige solcher Beispiele finden. 1955 wurde die Kloepferstraße nach Hans Kloepfer, einem steirischen Arzt und Lyriker benannt. Er war Mitglied der NSDAP.181 In den 1960er Jahren wurde die Manowardagasse benannt. Ihr Namensträger ist der Musiker Josef von Manowarda, der, zusammen mit seiner Frau, bereits vor 1933 der

178 Justic, Innsbrucker Straßennamen, S. 8. 179 Marcus Weidner, ‚Mördernamen sind keine Straßennamen‘. Revision und Beharrung in der Straßenbenennungspraxis der Nachkriegszeit – Westfalen und Lippe 1945-1949, in: Fragwürdige Ehrungen!? Straßennamen als Instrument von Geschichtspolitik und Erinnerungskultur, hrsg. v. Matthias Frese, Münster 2012, S. 99–120, hier: S. 118–119. 180 Ebd., S. 120. 181 Rathkolb (et al.), Straßennamen Wiens, S. 71.

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NSDAP beigetreten war.182 Außerdem bekam zu dieser Zeit die Heimatdichterin Maria Grengg einen Straßennamen. Ihr Ziel war es, den Nationalsozialismus und seine vermeintlichen Ideale durch ihre Kunst weiterzuvermitteln.183 Aus den 1970er Jahren gibt es ebenfalls mehrere Beispiele von Straßenbenennungen, die aus heutiger Sicht als belastet gelten müssen, etwa die Dr. Eberle-Gasse, benannt nach dem Kinderarzt Konrad Eberle, der oftmals gegen Juden eintrat184, oder die Spundagasse, benannt nach Schriftsteller Franz Spunda, der bereits ab 1932 NSDAP-Mitglied war.185 Sogar bis in das Jahr 1993 zogen sich Benennungen, die heute so nicht mehr vorkommen würden. In besagtem Jahr wurde eine Straße nach dem Radrennfahrer Franz „Ferry“ Dusika benannt, der ebenfalls Mitglied der NSDAP war; außerdem ist er auf einem Foto in SA-Uniform abgebildet.186

Was all diese Straßennamen gemeinsam haben, ist, dass sie alle von der Kommission in die Gruppe A der Fälle mit intensivem Diskussionsbedarf gesetzt wurden. Die HistorikerInnen- Kommissionen, die die Straßen in vielen deutschen und österreichischen Städten prüfen, müssen sich also nicht nur mit den während der NS-Zeit benannten Straßen beschäftigen, sondern müssen auch noch viele Namen untersuchen, die erst lange nach dem Untergang der Nationalsozialisten im Straßennetz der einzelnen Städte auftauchten, was natürlich daher kommt, dass die betreffenden Personen und deren Schaffen erst Jahre nach ihrem Ableben komplett durchleuchtet wurden.

Eine letzte große politische Zäsur in der Geschichte der Straßennamen erfolgte schließlich Ende der 1980er, Anfang der 1990er Jahre mit dem Fall des Eisernen Vorhangs, dem Zusammenbruch der UdSSR und dem Ende der DDR. Im ehemaligen sowjetischen Staatsgebiet war Czernowitz eine dieser Städte, die 1991 noch einmal eine Änderung bei der Bezeichnung von öffentlichen Verkehrsflächen erlebte. Damals wurde die Stadt Teil der neu entstandenen Ukraine. Passend dazu wurde die in den 1960er/1970er Jahren entstandene Straße des 50. Jahrestags des Oktober in Straße der Unabhängigkeit umbenannt.187 Für den deutschsprachigen Untersuchungsraum dieser Arbeit sind besonders die Umbenennungen in der DDR relevant. Da auch in der kommunistischen DDR Straßennamen als Propagandamittel benutzt worden waren, kam es hier vielerorts zu Umbenennungen. In Halle etwa fand man

182 Rathkolb (et al.), Straßennamen Wiens, S. 51. 183 Ebd., S. 69. 184 Ebd., S. 117. 185 Ebd., S. 78. 186 Ebd., S. 82. 187 Kurt Scharr, Czernowitz im Wandel. Kulturlandschaft und öffentlicher Raum 1775–2007, in: Osteuropa 5: Europa, Moldova, Bologna. Alter Schlauch in neuen Weinen, Berlin 2009, S. 87–100, hier: S. 99.

50 folgende Straßennamen: Straße der Waffenbrüderschaft, Straße des Roten Oktober oder Straße des 30. Jahrestages der DDR. Die meisten der veränderten Straßennamen in Halle stammen von Ratsbeschlüssen aus den Jahren 1960 und 1963.188 Außerdem gab es in Halle-Neustadt, wo 1964 diverse Blöcke neben dem chemischen Industriebetrieb Leuna und Buna erbaut wurden, über 100.000 Bewohner, deren Adresse in Wohnkomplexe und Nummern gegliedert waren.189 Nach der Wende wurden Anfang 1990 durch eine Bürgerinitiative Straßennamen statt der Blocknummern vorgeschlagen und schließlich bereits 1991 eingeführt.190 Die oben genannten Straßen wurden bereits im Dezember 1990 umbenannt. Sie erhielten Straßennamen, die auf Städte im Bundesland Sachsen-Anhalt, in welchem Halle liegt, zurückgehen.191 In Österreich verlief die letzte von vielen Wenden in Sachen Straßenbenennungen im 20. Jahrhundert hingegen ruhig; es lassen sich keine Besonderheiten mehr erkennen. Benennungen und Umbenennungen kamen aber weiterhin regelmäßig vor.

3.4. Motive für Straßenbenennungen seit dem späten 19. Jahrhundert Wenn es gilt die konkreten Entwicklungsstränge der Straßenbenennung zu erörtern, muss noch einmal betont werden, dass Straßen allgemein ein Spiegel der Geschichte sind. Damit sind nicht nur die Straßen gemeint, die einen starken politikgeschichtlichen Hintergrund haben, sondern auch Straßen, die z.B. nach früheren Siedlern, nach Berufsgruppen oder nach Nachbarorten benannt sind.192 Dies sind nur einige wenige Tendenzen beim Benennen von Straßen, die sich besonders seit dem 19. Jahrhundert erkennen lassen und die bis heute das Stadtbild von großen wie kleinen Städten und Gemeinden prägen. In der Folge werden weitere dieser auffälligen Benennungsmotive und Hintergründe angeführt. Im Anschluss an die Fallstudie der Straßenbenennungen in Bludenz, mit welcher sich das vierte Kapitel dieser Arbeit befasst, wird schließlich analysiert, inwiefern diese Straßenbenennungsmotive für Bludenz zutreffen.

Da es sich bei einigen Benennungsmotiven anbot, empirisch-statistische Daten zu sammeln, um die Stadt Bludenz besser in den österreichischen Gesamtkontext einzugliedern, wurde ein Fragebogen verfasst, welcher sich im Anhang befindet. Dieser wurde an Gemeindeämter jener

188 Ingrid Kühn, Straßennamen nach der Wende, in: Reader zur Namenkunde III, 2. Toponymie, hrsg. v. Friedhelm Debus/Wilfried Seibicke (Germanistische Linguistik 131–133), Hildesheim-Zürich-New York 1996, S. 793–800, hier: S. 794–795. 189 Dies erinnert stark an das System, das in Mannheim und erst recht in großen amerikanischen Städten angewandt wird. 190 Kühn, Straßennamen, S. 797. 191 Ebd., S. 796. 192 Koß, Namenforschung, S. 91.

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Städte in Österreich ausgeschickt, deren Einwohnerzahl um maximal 1.400 Personen über oder unter jener von Bludenz lag (Stand: Jänner 2020). Sechs dieser Städte (Bruck a. d. Mur, Eisenstadt, Hohenems, Spittal a. d. Drau, Tulln, Wörgl) schickten den Fragebogen ausgefüllt zurück. Dies dürfte auch dahingehend bereits für einen einigermaßen repräsentativen Vergleich ausreichen, als die erwähnten Städte auch topographisch sehr gut in Österreich verteilt sind und die Bludenzer Straßennamen damit auf nationaler Ebene durchaus verglichen werden können. Die Analyse beruht dadurch nicht ausschließlich auf den Interpretationen des Verfassers.

Vorwegnehmend muss gesagt werden, dass die angeführten Tendenzen lediglich eine Auswahl an Benennungsmustern bieten und dass diese Arbeit natürlich keinen Anspruch auf eine vollständige Kategorisierung aller Straßennamen erheben kann. Hierfür wäre ein größeres Projekt notwendig, wie etwa das Kölner Projekt der Kategorisierung aller Straßennamen von 1870 bis 1945. Viele der für die vorliegende Arbeit ausgewählten Benennungsmuster sind darin zu erkennen, jedoch wurde das Kölner Projekt weitaus extensiver angelegt.193 Für diese Arbeit wurden bewusst Muster ausgewählt, die sich in der Geschichte der Straßenbenennungen als sehr markant herausgestellt haben und die einen möglichst hohen Prozentsatz der 145 Bludenzer Straßennamen abdecken. Es wurden aber auch einige Merkmale miteinbezogen, die für Bludenz, wie aus der Analyse hervorgehen soll, nur einen relativ kleinen Stellenwert. Ursprünglich war geplant, die Analyse der Bludenzer Straßennamen lediglich in drei Komponenten zu unterteilen: eine politikgeschichtliche, eine wirtschaftsgeschichtliche sowie eine kulturgeschichtliche. Aus diesem Grund sind diese drei auch die zentralen Aspekte, auf denen der Fokus der Analyse liegen soll. Jedoch tauchten im Laufe der Recherche weitere Benennungsmuster auf, die es nicht zu vernachlässigen galt, wie etwa die Frage nach bestimmten Vierteln, die Straßennamen zu einer ähnlichen Thematik beinhalten sowie die Frage nach der Anzahl personenspezifischer Straßennamen und die Anzahl der nach Frauen benannten Straßen.

3.4.1. Bedeutung der Politik Beim Aspekt der Politik muss zunächst erwähnt werden, dass hier speziell Straßennamen berücksichtigt sind, die konkret auf politische Ereignisse, Orte oder Persönlichkeiten zurückgehen. Letztlich hat aber mittlerweile die Benennung jeder einzelnen Straße eine

193 Dietz Bering/Klaus Großsteinbeck, Die ideologische Dimension der Kölner Straßennamen von 1870 bis 1945, in: Die Besetzung des öffentlichen Raumes. Politische Plätze, Denkmäler und Straßennamen im europäischen Vergleich, hrsg. v. Rudolf Jaworski/Peter Stachel, Berlin 2007, S. 311–335, hier: S. 318–319.

52 politische Komponente, allein schon, weil sie durch die Politik beschlossen werden. Durch diese Macht der Politik bei der Benennung von Straßen beinhalten Straßennamen neben einem öffentlichen, grundsätzlich auch ein politisches Gedächtnis.194 Dies ist auch der Grund, warum in Kapitel 3.3. bereits ausführlich auf die politische Dimension der Straßennamen eingegangen wurde. Wichtig für die anstehende Analyse der Bludenzer Straßennamen ist lediglich, dass der politische Einfluss in zwei Aspekte unterteilt wird. Einerseits gibt es den bereits aufgezeigten Einfluss aktueller politischer Systeme. In diesem Fall werden Straßen meist aufgrund von politischen Ideologien umbenannt oder neue Straßen bewusst für politische Zwecke benutzt. Andererseits ist jedoch auch der Einfluss von Lokalpolitik wichtig, darunter fallen etwa Benennungen nach ehemaligen politischen Größen der Stadt, die erst im Nachhinein mit der Benennung eines Straßenzugs oder eines Platzes geehrt wurden. Beide Aspekte sollen am Beispiel Bludenz untersucht werden.

3.4.2. Bedeutung von Wirtschaft und Gewerbe Die Praxis der Benennung von Straßennamen, die ab dem späten 19. Jahrhundert so richtig Fahrt aufgenommen hat, hängt auch sehr eng mit der Bevölkerungsexplosion in Mitteleuropa zusammen. Diese hat ihren Ausgangspunkt in der Industrialisierung, als zahlreiche Firmen aufgebaut wurden, die viele ArbeiterInnen nötig machten, wo sich viele Personen in Städten bzw. Ballungszentren zusammenfanden.195 Aufgrund dieses Einflusses der Wirtschaft und des Gewerbes auf die steigenden Bevölkerungszahlen erhielten Straßennamen nicht selten den Namen einer Firma oder zumindest einen wirtschaftsgeschichtlich verankerten Namen. Ein Grund für diese Benennungen war auch die Tradition, die das Benennen von Straßen nach Gewerben bereits hatte. Bereits im Mittelalter war es üblich gewesen, Gassen in den Stadtkernen nach einem bestimmten Gewerbe zu benennen, das dort ausgeübt wurde.196 Aufgrund der Tatsache, dass Bludenz seit jeher eine Industrie- und Arbeiterstadt ist, ist anzunehmen, dass dieses Benennungsmotiv eine hohe Bedeutung für die Stadt hatte und vielleicht immer noch hat.

194 Frese, Strassennamen als Instrument, S. 10. 195 Fuchshuber-Weiß, Straßennamen: deutsch, S. 1471. 196 Landeshauptstadt Stuttgart, Stuttgarter Straßennamen, S. 6.

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3.4.3. Bedeutung von Kunst und Kultur Das dritte und letzte der großen Benennungsmuster, welches für die Analyse von zentraler Bedeutung sein wird, ist die Benennung von Bludenzer Straßen, die mit den Bereichen Kunst und Kultur in Zusammenhang stehen. Auch dieser Begriff ist wieder sehr weit gefasst, weshalb es diesen noch genauer zu spezifizieren gilt. Unter dieses Kapitel fallen Benennungen nach Schriftstellern, bildenden Künstlern, Musikern, Komponisten sowie darstellenden Künstlern. Der Einfluss dieser Aspekte in Großstädten, wie etwa in Frankfurt, überrascht wenig. Dort gibt es zahlreiche Straßen, die unter dieses Benennungsmotiv fallen, etwa die Goethe-, die Rembrandt- oder die Lessingstraße.197 Auch in der österreichischen Hauptstadt Wien, einer traditionelle Kulturstadt, wurden/werden Straßennamen oft nach diesem Kriterium ausgewählt. Insgesamt 307 Namen sind dem Benennungsmotiv der Musik zugeschrieben, sogar 369 Namen gehen auf SchriftstellerInnen zurück, wobei JournalistInnen hier inkludiert sind.198 Dies sind unglaublich hohe Zahlen, die natürlich für eine Kleinstadt weder anzahlmäßig noch prozentuell zu erreichen sind, jedoch soll genau der Unterschied in der Bedeutung von Kunst und Kultur zwischen Zentrum und Peripherie herausgearbeitet werden.

Neben den ersten beiden Benennungsmotiven ist daher auch das Motiv für Benennungen aus dem Bereich Kunst und Kultur im Fragebogen enthalten, der an die anderen Städte mit ähnlicher Einwohnerzahl wie Bludenz verschickt worden ist. Diese drei Motive bilden somit den Kern der Analyse der Straßennamen. Da auf die Stadt Bludenz aber mehrere weitere Benennungsmuster, die sich zum Teil auch mit den bereits genannten überschneiden, zutreffen, werden auch diese noch inkludiert.

3.4.4. Einfluss spezifischer Wendejahre Der erste dieser Unterpunkte überschneidet sich stark mit den politischen Benennungen des 20. Jahrhunderts. Viele Städte weisen einen klar erkennbaren Bezug zu konkreten Umsturzjahren, z.B. 1918, 1938, 1945, auf (thematisiert in Kapitel 3.3.). In Graz, zum Beispiel, verschwanden 1918 fast alle Namen, die mit der Monarchie in Verbindung standen, 1938 verschwanden die Namen des Ständestaates und wichen den nationalsozialistischen Namensgebungen, die ihrerseits 1945 wieder umbenannt wurden. Insgesamt wurden rund 50 Straßen wieder in den Namen von 1938 geändert oder erhielten neue Namen. Außerdem gab es mehrere hundert

197 Katharina Juliana Cichosch, Frankfurter Straßennamen erzählen. Von Wolfgangs-, Wed und Woogstraße, Frankfurt 2012, S. 144–145. 198 Autengruber, Lexikon, S. 17.

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Straßennamen, die von 1946 bis 1948 neu vergeben wurden. Dies ist jedoch auch auf die Errichtung neuer Siedlungen zurückzuführen. Dennoch ist die Auswirkung solcher politischer Wendejahre deutlich zu erkennen.199 Auch das Phänomen, ob es zu Neubenennungen bzw. Umbenennungen von Straßen kam, die mit Umsturzjahren in Zusammenhang stehen, soll daher am Beispiel der Kleinstadt Bludenz kurz analysiert werden.

3.4.5. Umbenennungen von Straßennamen In diesem Bereich wird der Fokus allgemein auf Umbenennungen von Straßen gelegt. Es soll dabei untersucht werden, wie oft es zu Umbenennungen kam und was die Hintergründe für diese waren. Dieser Aspekt wird dabei bewusst nicht in das Benennungsmotiv der politisch motivierten Umbenennungen in Umsturzjahren eingegliedert, da betont werden sollte, dass es auch in politisch ruhigen Zeiten zu Vorschlägen auf Umbenennungen kam und dass vermehrt auch sprachliche oder gesellschaftliche Änderungen zur Umbenennung von Straßennamen führten. Dennoch gibt es mit Sicherheit einige Städte, bei denen dieser Aspekt mit Punkt 3.4.4. zusammengefügt werden müsste, da die politischen Umsturzjahre für das Gros der Umbenennungen verantwortlich waren. Anhand von Bludenz soll allerdings aufgezeigt werden, dass dem nicht immer so ist. Außerdem soll auch ganz bewusst auf die Teilnahme der Bevölkerung an der Straßennamensdiskussion geschaut werden, indem auch Vorschläge auf Umbenennungen, zu denen es schließlich nicht kam, beleuchtet werden.

3.4.6. Stadtviertel mit thematisch verwandten Straßennamen Ein alter Straßenbenennungsgrundsatz ist, dass sie der Orientierung dienen soll. Hierbei soll es einerseits zur Vermeidung von Straßennamen kommen, die ähnlich oder sogar gleich klingen sowie andererseits soll die Benennung nach Begriffen, die thematisch zusammenhängen, hilfreich sein. Auf diese Weise entstehen in etwa Tierviertel, Blumenviertel oder Dichterviertel.200 Erneut liefert Wien diverse Beispiele für die Verwendung solcher Viertel zur Orientierung. Seit 1912 gibt es im 15. Bezirk das Nibelungenviertel. 1923 kam es zur Benennung eines Planetenviertels. Zur Zeit des Nationalsozialismus kam ein Tierviertel hinzu. Auch in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gab es zahlreiche neu errichtete Straßenviertel,

199 Kubinzky/Wentner, Grazer Straßennamen, S. 8. 200 Seutter, Eigennamen, S. 127.

55 wie das Schwedenviertel, das Opernviertel oder das Jazzviertel.201 Auch im Frankfurter Straßennetz sind einige dieser Namensnester zu finden, wie etwa das Vogelviertel oder das Kernobstviertel. Auf diese Methode der Benennung greift man dann zurück, wenn eine neue Siedlung gebaut oder gerade viele neue Straßennamen am ähnlichen Ort benötigt werden. Somit sind solche Viertel öfter in Neubaugebieten als im Stadtkern zu finden.202 Dass solche Viertel durchaus auch umstritten sein können, zeigt das bis heute bestehende Österreichviertel in Stuttgart, das nach dem Anschluss an das Deutsche Reich, im April 1938, geschaffen wurde.203 Dass die Benennung von Siedlungen oder Stadtteilen nach einem ähnlichen Benennungsmuster aber keine Eigenart von Großstädten ist, beweisen auch regionale Beispiele, wie etwa das Komponistenviertel in Hohenems, in dem sich u.a. Schubertstraße, Beethovenstraße und Haydnstraße befinden. In welchem Ausmaß es diese Viertel auch in Bludenz gab, soll daher ebenfalls Gegenstand der Diskussion sein.

3.4.7. Einfluss von Flurnamen und Lokalgeschichte Ein weiterer Orientierungsfaktor, der bereits seit den Anfängen der Straßenbenennung ein Kriterium für die Straßenbenennung ist, ist der Flurname. Er wurde früher in der Kategorie der älteren Örtlichkeitsnamen aufgeführt, zusammen mit den Hausnamen und den Stadtviertelnamen.204 Heute ist man bemüht, diese Flurnamen wieder vermehrt für Benennungen heranzuziehen, damit sie nicht in Vergessenheit geraten. Das Ziel ist, der Bevölkerung dadurch klar zu machen, was sich früher in jener Gegend befand, in der es heute eine Straße gibt. Straßenbezeichnungen führen diese Namen so wieder ins Bewusstsein der Menschen. Flurnamen erinnern heute oft an frühere Waldgebiete, an den durchaus verbreiteten Weinbau oder an Gewanne, die zum Teil räumlich verschoben wurden.205 Aufgrund von Flurbereinigungen und der immer weiter voranschreitenden Zersiedelung von Landschaften, hat auch das wissenschaftliche Interesse an Flurnamen wieder zugenommen. Auf diese Weise soll ein Stück Geschichte in die Gegenwart geholt werden.206 Durch das Alter und die weit zurückreichende Tradition der Flurnamen kann es auch dazu kommen, dass diese im Volksmund umbenannt werden und so dialektale Färbungen bekommen.207 Dieses Merkmal

201 Autengruber, Lexikon, S. 19–20. 202 Cichosch, Frankfurter Straßennamen, S. 125–126. 203 Landeshauptstadt Stuttgart, Stuttgarter Straßennamen, S. 9. 204 Fuchshuber-Weiß, Straßennamen: deutsch, S. 1470. 205 Räther, Heidelberger Straßennamen, S. 14. 206 Koß, Namenforschung, S. 94. 207 Cichosch, Frankfurter Straßennamen, S. 131.

56 wird auch für die Straßennamen der Stadt Bludenz von Bedeutung sein. Durch das Vorhandensein von Flurnamensbüchern und alten Flurkarten lassen sich die Bludenzer Flurnamen im Übrigen auch recht gut zurückverfolgen.

Eine weitere verbreitete Praxis, in der die Lokalgeschichte einer Stadt ebenfalls zum Ausdruck kommen kann, ist die Bezeichnung entweder nach Stämmen, die sich in einem Gebiet zuerst ansiedelten, oder nach alten Adelsgeschlechtern, die die Stadtgeschichte im Mittelalter und in der Neuzeit prägten. Während der erste dieser Aspekte oft unterschätzt wird, trotz der nicht unüblichen Benennung etwa von Römerwegen, ist der zweite schon seit langem eine wissenschaftlich bestätigte, übliche Praxis bei Straßenbenennungen.208 Die Benennung nach den in der Stadt tätigen großen Familien bzw. Adelsfamilien lässt sich durchaus gleichstellen mit den Bezeichnungen nach Kaisern und Königen in den Residenzstädten und muss daher auch in dieser Abhandlung Beachtung finden. Sie fällt neben der historischen Kategorie selbstverständlich auch in die politische Kategorie der Lokalpolitik und hat hiermit auch statistische Auswirkungen auf das Verhältnis der Benennungen von Politik – Wirtschaft – Kunst.

3.4.8. Personenspezifische Benennungen Auch auf die grundsätzliche Ehrung von Persönlichkeiten in Form von Straßennamen wurde bereits eingegangen. Die sich seit dem 19. Jahrhundert durchsetzende Praxis ist bis heute wichtig und bietet bei den meisten Benennungen politischen Zündstoff, selbst wenn z.B. Straßen nach Künstlern benannt werden. Auffallend ist hierbei, dass gerade in Großstädten die Persönlichkeiten nicht immer einen klaren Bezug zum Ort aufweisen.209 In der Analyse der Stadt Bludenz soll einerseits dieser Frage nach dem Bezug zum Ort nachgegangen werden, andererseits aber auch generell der Anzahl an Straßen, die in Bludenz nach Personen benannt sind. Da dieser Aspekt auch unter dem Gesichtspunkt der Quantität gesehen werden kann, war dies auch eine der Fragen, die in den Fragebogen inkludiert wurde. In engem Bezug dazu steht auch das folgende Benennungsmotiv.

208 Fuchshuber-Weiß, Straßennamen: deutsch, S. 1470. 209 Räther, Heidelberger Straßennamen, S. 12.

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3.4.9. Genderfrage und Frauenanteil Die Frage nach einer gendergerechten Aufteilung der Straßennamen ist eine weitere, die im 21. Jahrhundert gestellt werden muss und die heute untrennbar mit der Praxis der Straßenbenennung zusammenhängt. Es stellt sich daher die Frage, ob Frauen generell erst seit der jüngeren Vergangenheit im Straßenverzeichnis der einzelnen Städte auftauchen oder ob es diese schon länger gibt, sie nur stets zu wenig Beachtung fanden. Darauf lässt sich dank eines Werks von Rita Bake (*1952), die in Hamburg die Geschichte der auf Frauen zurückgehenden Straßennamen beleuchtet, eindeutig antworten: Die zweite Annahme ist die richtige. Bereits im Mittelalter waren Frauen, besonders als Heilige, von hoher Bedeutung. So kam es in Hamburg bereits in der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts zur Benennung der Katharinenbrücke, deren Namenspatronin die Heilige Katharina von Alexandrien war. Bis ins 19. Jahrhundert folgten weitere Benennungen nach heiligen Frauen. Auffällig ist, dass sich die Benennung nach Frauen – Hamburg kann hier als guter Gradmesser gelten – größtenteils auf Heilige, Adelige, literarische Gestalten und Schauspielerinnen beschränkt.210 Erst die Frauenbewegung der späten 1960er Jahre, als unzweifelhaft festgestellt wurde, dass Frauen bei Straßenbenennungen bisher eindeutig zu kurz gekommen waren, brachte hier eine Veränderung. Besonders ab den 1980er Jahren wurden schließlich Straßen vermehrt auch nach Frauen benannt, die in einem männlich dominierten Bereich arbeiteten, wie etwa dem Gesundheitswesen. In einem 2001 in Hamburg durchgeführten Projekt wurde beschlossen, bei 14 nach Männern benannten Straßen, die bereits zusätzliche Erläuterungen zur Person auf den Straßenschildern beinhalteten, Informationen zu deren Ehefrauen oder weiblichen Verwandten anzufügen. Dadurch kam es zur Ehrung bedeutender Frauen, ohne dass man ihre männlichen Pendants aus dem öffentlichen Raum entfernt hätte.211

3.4.10. Straßennamen mit Diskussionsbedarf Bereits im Erinnerungskultur-Kapitel wurde auf diesen etwas subjektiven Aspekt eingegangen. Er steht demnach auch an letzter Stelle dieser Auflistung von Faktoren für Straßenbenennungen, da es sich hier nicht wirklich um eine Benennungstendenz handelt, sondern eher um einen Aspekt, der die Straßennamen vermehrt ins Licht der Erinnerungskultur rückt. Aufgrund des immer öfter stattfindenden Einsatzes von ExpertInnen- bzw.

210 Rita Bake, Wer steckt dahinter? Nach Frauen benannte Straßen, Plätze und Brücken in Hamburg, Hamburg 52009, S. 10. 211 Ebd., S. 11.

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HistorikerInnenkommissionen, die sich mit den einzelnen Straßennamen auseinandersetzen, ist es aber dennoch wichtig, etwaige umstrittene Straßennamen im Bludenzer Straßennetz zu suchen. In Zusammenhang mit Punkt 3.4.5. soll daher auch erarbeitet werden, ob es Straßen gibt, für die es bereits Vorschläge für Umbenennungen gegeben hat, bzw. ob es absehbar ist, dass hier in den kommenden Jahren Änderungen von Straßenbezeichnungen aufgrund eines umstrittenen Hintergrunds des derzeitigen Namens vorgenommen werden. In jedem Fall ist die Thematik der umstrittenen Straßennamen für jede Gemeinde von Bedeutung, da solche wahrscheinlich überall zu finden sind. Aufgrund der Subjektivität dieses Punktes wird von einem quantitativen Vergleich mit anderen Stadtgemeinden allerdings abgesehen, besonders weil dazu das gesamte Straßennetz von Vergleichsstädten ähnlich detailliert analysiert werden müsste, wie in diesem Fall das von Bludenz.

3.5. Zwischenfazit Dass sich der Erinnerungsgedanke und die verschiedenen Muster, nach denen Straßen benannt werden, immer gegenseitig beeinflussen, sollten diese ersten beiden Kapitel zeigen. Wichtig ist dabei, dass es zwar durchaus Städte gibt, in denen die Benennungen auffälliger oder – durch die heutige Sichtweise – umstrittener sind als in anderen, dennoch ist es aber wichtig festzuhalten, dass hinter jeder einzelnen benannten Straße eine Erinnerungsfunktion zu finden ist. Dazu trägt auch die juristische Komponente der Straßenbenennung bei, denn Beschlüsse von Stadt- oder Gemeindevertretungen sind politische Entscheidungen. Gegenstimmen oder Uneinigkeiten sind dabei oft auch bei vermeintlich unumstrittenen Straßennamen keine Seltenheit, was am Fallbeispiel Bludenz noch aufgezeigt wird. Ein weiteres Merkmal, welches sowohl das Thema Erinnerungskultur als auch den historischen Längsschnitt der Geschichte der Straßennamen betrifft, ist die nicht unbedeutende Rolle der Bevölkerung. Es sollte aufgezeigt werden, dass diese in vorbürokratischen Zeiten insofern durchaus einen hohen Einfluss bei der Benennung von Verkehrsflächen hatte, als Straßen einfach mit einem bestimmten, im Volksmund üblichen Namen versehen wurden. Dies änderte sich in der späten Neuzeit, was auch der Bericht in der Zeitschrift Zuschauer verdeutlichen sollte: Die Straßennamengebung war nun kein „Privatspaß“ mehr, sondern es kam bereits vermehrt zu offiziellen Beschlüssen, durch die auch immer häufiger Personen im Straßenbild verankert wurden. Das lässt den Schluss zu, dass zumindest in größeren Städten bereits ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine gewisse Form der Erinnerungskultur verbreitet war, auch wenn damals dafür noch nicht diese Bezeichnung verwendet wurde.

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Dass über Straßennamen vermehrt reflektiert und auch dazu geforscht wird, ist eine Folge des in Kapitel 2 besprochenen Aufkommens der Geschichts- und Erinnerungskultur. Ab den 1980er Jahren begann man nämlich nicht nur Benennungen zu hinterfragen, sondern achtete bei Neubenennungen verstärkt auf political correctness. Eine Rolle spielt dabei auch einerseits die Zunahme der Überprüfung von Straßennamen durch Kommissionen sowie andererseits der Zuwachs an Artikeln in Zeitungen zu diesem Thema. Auf diese Weise hat die Bevölkerung im 21. Jahrhundert mehr Zugriff auf Benennungsprozesse und damit im Sinne der Public History auch die Möglichkeit, bei Benennungen von Straßen aktiv einzugreifen.

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4. Fallbeispiel Bludenz

Für die Erforschung der Bludenzer Straßennamen wurden diverse Quellen herangezogen, in erster Linie Archivalien aus dem Bludenzer Stadtarchiv. Hier waren einerseits die Stadtvertretungsprotokolle von Bedeutung, andererseits lieferte ein Straßenbenennungsakt oftmals Hintergründe zu den Benennungen. In vielen Fällen erwiesen sich die alten Ausgaben des „Bludenzer Anzeigers“ als wichtig. Für die ältesten Straßen der Stadt sowie für Hintergründe zu den Personen war zudem der Blick in die Sekundärliteratur notwendig. Von den 145 im offiziellen Register aufscheinenden Straßen, die dem Gemeindegebiet Bludenz zugeordnet werden, konnte der Benennungszeitpunkt von 122 Straßen (84,13%) genau rekonstruiert werden. Trotz intensiver Recherche war es aufgrund von Lücken in den Archiven und dem oftmaligen fließenden Übergang der Straßenbezeichnungen von der Alltagssprache in die Amtssprache nicht möglich, alle Straßenbenennungen exakt zu datieren. In den meisten Fällen gelang es aber anhand der Quellen die Benennungszeiträume stark einzugrenzen. Die nicht exakt rekonstruierbaren Fälle beinhalten größtenteils Straßen, die

1) im Stadtkern liegen und ihre Bezeichnungen schon in der frühen Neuzeit erhielten 2) den Namen eines Bludenzer Ortsteils tragen und bis heute so heißen 3) sich an Gemeindegrenzen befinden und deren Zuständigkeit wechselte 4) zur Spätzeit des Nationalsozialismus benannt wurden, deren Benennung aufgrund fehlender Sitzungsprotokolle jedoch nicht zu rekonstruieren ist.

Angesichts der letztlich eher geringen Lücken, die bei der Durchsicht der Quellen noch geblieben sind, ist eine fundierte Untersuchung möglich, wie Straßenbenennungen bzw. - umbenennungen in Bludenz erfolgt sind, und damit soll dieser Teil der Arbeit einen wichtigen lokalhistorischen Beitrag liefern. Die durch die Forschung gewonnenen Erkenntnisse ermöglichen überdies eine Analyse der in Kapitel 3.4. dargestellten Entwicklungen, die sich in der allgemeinen Straßenbenennungspraxis vom späten 19. Jahrhundert bis heute herauskristallisierten und auch in Bludenz in vielen Fällen zur Umsetzung kamen.

4.1. Bevölkerungsgeschichte

Die Geschichte der Straßennamen hängt sehr stark mit der städtischen Entwicklung von Bludenz, vor allem mit dem Wachstum der Stadt zusammen, deren Geschichte sich bis in die Urgeschichte zurückverfolgen lässt. Im Folgenden soll daher zunächst noch ein kurzer Blick auf die Entwicklung der Stadt Bludenz geworfen werden.

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Die ältesten menschlichen Spuren auf dem Gebiet der heutigen Stadt gehen zurück bis in das zweite Jahrtausend vor Christus, also bis in die frühe Bronzezeit. Keramikfunde an der Kuppe des Montikels, jenes Berges, der Bludenz heute in zwei Stadthälften teilt, gehen bis in diese Zeit zurück. Durch Grabungen in den 1930er Jahren konnte eine erste dorfartige Siedlung bis ins 13. Jahrhundert v. Chr. zurückdatiert werden. Eine weitere Besiedlung wird grob auf die Zeit ab dem ersten Jahrtausend vor unserer Zeitrechnung datiert, als die neuen Siedler als Viehzüchter und Ackerbauern tätig waren.212 Für die Jahrhunderte bis Christi Geburt wird angenommen, dass Bludenz wohl eine der bedeutendsten Siedlungen auf dem Boden des heutigen Vorarlberg war. Während zu dieser Zeit eine Keltisierung einsetzte, folgte schließlich eine Romanisierung. Das Eindringen der Alamannen während der Völkerwanderung spielte in Bludenz weniger eine Rolle als in anderen Gebieten Vorarlbergs. Eine durchgehende Besiedlung bis ins frühe Mittelalter kann für Bludenz aber lediglich vermutet werden.213

Eine amtliche Erwähnung von Bludenz ist aus der Zeit um 842/43 zu finden. Im Churrätischen Reichsurbar ist von der villa (Dorf) Pludono die Rede. Grund für die Aufzeichnung dieses Reichsurbars war die Teilung des Reiches unter den Söhnen von Kaiser Ludwig dem Frommen: Lothar, Ludwig und Karl. Im Vertrag von Verdun 843 fielen die Regionen Rätien und Alamannien an das Ostfränkische Reich unter Ludwig dem Deutschen. Die besagte Bestandaufnahme betraf das südliche Vorarlberg sowie große Teile Graubündens. Das Königsgut des Dorfes Pludono bestand zu dieser Zeit aus den Kirchen Bludenz und Bürs sowie aus dem Zehnt.214 Die Schreibweise des Namens war bis zur Stadtgründung aber keineswegs einheitlich. Für das Jahr 940 finden sich die Schreibweisen Plutenes, Plutines oder Pludene. Aus dem 12. Jahrhundert stammen Pludenes und Pludenne, aus dem 13. u.a. Pludene, Pludens, Bludens und Pludenz. Auch die Deutung des Namens ist nicht sicher. Möglich wäre die Ableitung vom lateinischen Wort palus, paludines, was so viel heißt wie Sümpfe und auf das Sumpfland zwischen Bludenz und Rungelin anspielen könnte. Wahrscheinlicher ist aber der aus dem illyrischen Sprachgut entlehnte Personen- und Sippenname Aplutus.215

212 Manfred Tschaikner, Bludenz. Eine kurz gefasste Geschichte der Stadt (= Bludenzer Geschichtsblätter 50), Bludenz 1999, S. 9–10. 213 Ebd., S. 11–13. 214 Alois Niederstätter, Bludenz im Mittelalter (bis 1420), in: Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Manfred Tschaikner, Sigmaringen 1996, S. 53–100, hier: S. 56–57. 215 Andreas Ulmer/Ludwig Rapp/Johannes Schöch, Topographisch-historische Beschreibung des Generalvikariates Vorarlberg, VIII. Band Dekanat Bludenz (ehemals Dekanat Sonnenberg), I. Teil, Dornbirn 1971, S. 73.

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Die Gründung der Stadt Bludenz lässt sich ebenfalls nicht völlig erschließen, allerdings wird sie stark eingegrenzt auf den Zeitraum von 1259 bis 1269. Nachdem die Grafen von Montfort 1258 ihr Erbe geteilt hatten, entstand der neue Zweig der Grafen von Werdenberg. Bereits aus dem Jahre 1270 ist von einem Oberhaupt der Bürgergemeinde die Rede216, genannt wird ein Jacobus frater domini Johanni sculteti. Anhand der Schwesterstadt Sargans zeigt sich auch, dass diese Amtsbezeichnung in den Montfortstädten üblich war. 1296 wird Bludenz als oppidum, als stadtähnliche Ansiedlung, erwähnt. Zu dieser Zeit entstand außerdem die Stadtbefestigung, von der wenige Teile noch heute zu sehen sind, der Großteil aber 1846 abgerissen wurde. Der Zugang zur Stadt wurde ermöglicht durch das Obere, das Untere und das Montafoner Tor. Aufgrund des Stadtbrandes von 1682 ist die genaue Struktur der Stadt allerdings nicht rekonstruierbar, da in der Folge das meiste neu aufgebaut werden musste.217

Besonders wichtig ist in diesem Kontext die Bevölkerung, die in Bludenz gelebt hat. Aus dem 14. Jahrhundert sind nur wenige Bludenzer Bewohner bekannt. Ein wichtiger Name ist aber bereits damals zu finden, nämlich jener der Zürcher, der auf eine Zuwanderung aus Zürich hinweist. Insgesamt blieb Bludenz aber ein kleines Gemeinwesen und zählte gegen Ende des Mittelalters noch weniger als 500 Einwohner. Unter anderem ist dies auch mehreren Pestepidemien geschuldet.218 Die kaum steigenden Bevölkerungszahlen änderten sich auch im 15. Jahrhundert nicht. Die ältesten offiziellen Unterlagen zur genauen Anzahl der Bludenzer Bevölkerung stammen aus dem Jahre 1466, als Bludenz 123 Haushalte und damit etwa 450 Personen zählte. Im Jahre 1600 waren es mit 118 Haushalten und 443 Personen sogar noch etwas weniger, wobei noch sogenannte Ausbürger berücksichtigt werden müssen, was die Zahl aber auf maximal 800 ansteigen ließe.219 Ein triftiger Grund für die ausbleibende Erhöhung der Bevölkerungszahlen war die ab 1467 einsetzende Hungersnot aufgrund von Missernten sowie die Pest, die in Bludenz einem Drittel der Bevölkerung das Leben kostete.220 In der Frühen Neuzeit hatte Bludenz außerdem recht wenige Fremde, die hier wohnten. Es gab kaum Juden,

216 Tschaikner, Bludenz. Eine kurz gefasste Geschichte, S. 15. 217 Niederstätter, Bludenz im Mittelalter, S. 67. 218 Ebd., S. 71. 219 Karl Heinz Burmeister, Bludenz in der Zeit von 1420 bis 1550, in: Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Manfred Tschaikner, Sigmaringen 1996, S. 101–160, hier: S. 107. 220 Alfons Leuprecht, Witterungsverhältnisse in Bludenz im Laufe der Jahrhunderte, in: Beiträge zur Stadtgeschichte im „Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon“ (1885–1946), hrsg. v. Dietmar Pecoraro (= Bludenzer Geschichtsblätter 18+19), Bludenz 1994, S. 101–115, hier: S. 102.

63 was darauf hindeutet, dass es kaum Fernhandel gab. Wenn, dann waren es noch Italiener, die in Bludenz gastierten oder sich niederließen.221

Im 17. Jahrhundert gilt es bei den Zahlen oft zwischen jenen der Stadt Bludenz, also innerhalb der Stadtmauern, und jenen des Kirchspiels, der Pfarrgemeinde Bludenz, zu unterscheiden. Letzteres umfasste auch noch die Gebiete Stallehr, Lorüns sowie St. Anton im Montafon.222 Die Anzahl der Haushalte in der Stadt selbst machte laut eines Verzeichnisses von 1631 etwa die Hälfte der Haushalte des Kirchspiels aus. Die Anzahl der Einwohner zwischen 1600 und 1675, die innerhalb der Stadtmauern wohnten, belief sich aber auf 70 bis 75%. Aufgrund der schlechten wirtschaftlichen Lage stieg auch in diesem Jahrhundert die Bevölkerungszahl nicht an. Im Gegensatz zu Feldkirch, das 500 Bewohner einbüßte, blieb Bludenz bis 1690 aber zumindest konstant bei etwa 450 Bewohnern.223 Ab dem Ende des 16. und besonders im Verlauf des frühen 17. Jahrhunderts setzte sich außerdem die Bezeichnung Bürgermeister durch, die jene des Baumeisters ablöste. Er wurde jährlich mit einfacher Mehrheit gewählt.224 Ebenfalls aus dem 17. Jahrhundert stammt die älteste bekannte Ansicht von Matthäus Merian (1593- 1650), auf dem die Stadt Bludenz am Fuße des Montikels mit ihren Stadtmauern zu sehen ist.225

Abb. 1: Stich von Matthäus Merian, 1643 226

221 Burmeister, Bludenz, S. 107. 222 Manfred Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter (1550–1730), in: Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Manfred Tschaikner, Sigmaringen 1996, S. 161–280, hier: S. 161–162. 223 Ebd., S. 162–163. 224 Ebd., S. 177. 225 Tschaikner, Bludenz. Eine kurz gefasste Geschichte, S. 27. 226 Quellenangaben bei Abbildungen s. Abbildungsverzeichnis.

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Ab der Mitte des 18. Jahrhunderts gab es in Bludenz schließlich regelmäßige Volkszählungen, wobei diese das gesamte steuerbare Kirchspiel Bludenz umfassten und die Zahlen dadurch deutlich höher waren als beim Ausgangspunkt von etwa 450 Bewohnern Ende des 17. Jahrhunderts. Ein erster verlässlicher Wert stammt aus dem Jahre 1754. Damals gab es in der Stadt und dem steuerbaren Kirchspiel 1205 Bewohner. Bis in die 1770er Jahre stagnierte die Entwicklung hier allerdings und die Zahl ging sogar noch etwas zurück. Erst 1786 gab es einen Anstieg auf 1558 Bewohner; bis 1808 sollte die Bevölkerungszahl aber wieder auf 1486 Bewohner zurückgehen.227

Abb. 2: Ansicht von Bludenz, ca. 1770

227 Wolfgang Scheffknecht, Bludenz im Jahrhundert der Aufklärung (1730–1814), in: Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Manfred Tschaikner, Sigmaringen 1996, S. 281–421, hier: S. 282–283.

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Der Wert von 1754 ist auch dahingehend interessant, als dies damals die erste Volkszählung in Österreich war, veranlasst durch Maria Theresia und als Seelenkonskription bezeichnet. Außerdem wurden Häuserbeschreibungen angeordnet. Dass die nächsten Zählungen 1761/62 allgemein weniger Einwohner aufwiesen228, war den Grundherren geschuldet, die niedrige Rekrutierungszahlen für das Militär wollten. Nach der Reformierung des Heereswesens 1769 änderte sich dies wieder. Außerdem wurden die Zahlen aufgrund des aufgeklärten Absolutismus, der in der Habsburgermonarchie von Joseph II. propagiert wurde, auch glaubwürdiger: Ständische und grundherrschaftliche Machthaber wurden mit der Zeit entmachtet und an ihrer Stelle kaiserliche Beamte eingesetzt.229 Dies geschah auch in Bludenz im Jahre 1785 in der Person des Johann Joseph Duelli230, der in seiner Rolle als kaiserlicher Administrator auch als Bürgermeister231 galt. Für die Jahre 1784 bis 1789 wurde ein ausführlicher Personen- und Häuserbeschrieb angelegt, der von Johann Moser 2013 auf diverse Merkmale untersucht wurde.232 Zu dieser Zeit gab es innerhalb der Stadtmauern 160 Haushalte, in denen insgesamt 725 Personen lebten, zu denen beachtliche 319 Kinder gehörten.233 Auch Aufzeichnungen über Hausnummerierungen gehen folglich auf diese Zeit zurück, jedoch wurden damals die Häuser noch in der gesamten Stadt durchnummeriert. Obwohl es schon Straßennamen für die Straßen im Stadtkern gab, spielten diese bei der Hausnummer zunächst

Abb. 3: Ansicht von Bludenz, um 1800 (StABlu)

228 Dies war auch in Bludenz der Fall. Die Zählung von 1763 zeigte weniger Bewohner auf als die von 1754 (Scheffknecht, Bludenz im Jahrhundert der Aufklärung, S. 283). 229 Johann Moser, Bludenzer Personen- und Häuserbeschrieb 1784 bis 1789. Edition und Auswertung (= Bludenzer Geschichtsblätter 105+106), Bludenz 2013, S. 9–10. 230 Bürgermeister von 1785 bis 1800. 231 Manfred Tschaikner (Hrsg.), Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, Sigmaringen 1996, S. 519. 232 Moser, Bludenzer Personen- und Häuserbeschrieb, S. 7–9. 233 Moser, Bludenzer Personen- und Häuserbeschrieb, S. 86–88.

66 keine Rolle. Als schließlich der Übergang von der Durchnummerierung zu den Straßennummern stattfand, wurden den Schildern zuerst noch die ursprünglichen Nummern angefügt, erst später entschied man sich für eine Nummerierung der einzelnen Häuser vom Zentrum aus in der Zahl aufsteigend.234

Im 19. Jahrhundert änderte sich die Bevölkerungssituation in Bludenz grundlegend. Lebten zu Beginn des Jahrhunderts noch zwischen 600 und 700 Personen in der Stadt und zwischen 1500 und 1700 in der Gemeinde, so stieg die Zahl bis 1900 auf 4010 in der Stadt und 5343 in der Gemeinde an.235 Besonders in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, als auch die Stadtmauern und damit die traditionelle Vorstellung der Stadt größtenteils Geschichte wurden, kam es zu einem immensen Bevölkerungswachstum. Hauptgrund für diese rasante Entwicklung war die Industrialisierung, die Bludenz schnell zu einem Wirtschaftszentrum in der westlichen Monarchie machte. Daher wurde auch immer häufiger auf Zuwanderer in Form von FabriksarbeiterInnen aus dem Trentino zurückgegriffen, die von der neu gegründeten Firma Getzner, Mutter & Cie. untergebracht wurden.236 Der Stadtteil, wo sie sich niederließen, wurde als „welsches Viertel“ bekannt, und bereits um 1900 waren insgesamt etwa 20% der Stadtbevölkerung italienischer Muttersprache. Allein von 1880 bis 1910 gab es eine Verdoppelung der Bevölkerung von 3000 auf 6000 Einwohner.237

Auch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts blieb der Bevölkerungsanstieg konstant. In der Zwischenkriegszeit gab es größtenteils eine Stagnationsphase, die aber von einer nochmaligen Wachstumsphase zwischen 1923 und 1930 unterbrochen wurde. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs setzte eine weitere Zunahme der Bevölkerung ein, die bis Anfang der 1970er Jahre besonders deutlich war und ab 1971 – zu dem Zeitpunkt zählte Bludenz knapp 12.000 Einwohner – in eine Stagnation überging. Insgesamt war die Wachstumsperiode vom Ende des 19. Jahrhunderts bis zum Ersten Weltkrieg die prozentuell deutlichste. Auch im Vergleich mit den anderen Vorarlberger Städten hatte Bludenz im Verlauf des 20. Jahrhunderts die prozentuell höchsten Zuwachsraten, was die Bevölkerungszahl betrifft.238 Seither ist ein stetiger

234 Ebd., S. 18. 235 Hubert Weitensfelder, Der Tunnel und die Arbeit. Bludenz im Zeitraum von 1814 bis 1914, in: Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Manfred Tschaikner, Sigmaringen 1996, S. 423–516, hier: S. 506. 236 Ebd., S. 424. 237 Tschaikner, Bludenz. Eine kurz gefasste Geschichte, S. 38–39. 238 Peter Helfer, Wachstum und Wandel. Bevölkerungsgeschichte von Bludenz im 20. Jahrhundert, in: Bludenz. Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Norbert Schnetzer/Andreas Rudigier, Graz 2015, S. 64-115, hier: S. 66–69.

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Anstieg, allerdings ohne große prozentuelle Zuwächse, zu verzeichnen. Im Jänner 2020 zählte Bludenz 14.845 Einwohner.239

4.2. Bludenzer Straßennamen: Der Weg von der Idee zur Benennung

Wie im Vorarlberger Landesgesetzblatt von 1985 unter §15 ersichtlich, ist die Benennung von Verkehrsflächen, die sich auf dem Gebiet der jeweiligen Gemeinde befinden, eine Sache, die gemeindeintern gelöst und nicht vom Land oder gar vom Staat bestimmt wird. Selbst zur Zeit des Nationalsozialismus, als die Straßen zwar von der Reichsführung abgesegnet werden mussten, war es prinzipiell die Aufgabe der Gemeinde, selbst die Namen festzulegen. Außerdem ist man als Gemeinde laut Gesetz auch verpflichtet, die bewohnbaren Gebäude mit einer Nummer zu versehen, die entweder am Wohnhaus selbst oder aber an der Grundstückseinfriedung gut sichtbar angebracht wird. Auf dieser sollte auch der Straßenname stehen, jedoch ist dies nicht Pflicht.240 Da die Anweisungen aber sehr allgemein gehalten sind und die Zuständigkeitsbereiche für die Straßenbenennung eben gemeindeintern geregelt werden, ergeben sich in den Gemeinden unterschiedliche Herangehensweisen, wie ein neuer Straßenname bestimmt wird. In Bludenz wird die Aufgabe der Entscheidungsvorbereitung von der Stadtplanung übernommen. Nach einer Beratung im Verkehrsplanungsausschusses wird der Befund schließlich an den Stadtrat übermittelt, wo weiter darüber debattiert wird. In Bludenz ist der Stadtrat allein jedoch nicht beschlussfähig, weshalb es noch eine Instanz weiter geht zur Stadtvertretung. Erst hier erfolgt die Beschlussfassung, und in der Regel gilt der darauffolgende Tag als der Tag, an dem die Straße offiziell in das Bludenzer Straßennetz aufgenommen wird und somit die neue Bezeichnung trägt.241

Es gibt jedoch auch Parteien außerhalb der Gemeindebediensteten, die für die Namensgebung von Straßen wichtig sein können. Einerseits werden Namensvorschläge aus der Bevölkerung angenommen und auch in den entsprechenden Sitzungen besprochen. Andererseits werden in Bludenz zum Teil auch Experten in den Prozess miteingebunden, wie etwa der Geschichtsverein Region Bludenz oder einzelne HistorikerInnen, früher auch des Öfteren der Kulturring. In der Analyse der Bludenzer Straßennamen wird zudem auf Einzelfälle eingegangen, bei denen etwa auch Schulklassen für Vorschläge zur Namensgebung

239 City Population, Stand: 01.01.2020, Zugriff: 23.09.2020. 240 Vorarlberger Landesgesetzblatt 1985, S. 4–5, Zugriff: 07.07.2020. 241 Krapf, Namengebung, S. 66.

68 herangezogen wurden. Für den Entscheidungsfindungsprozess werden insgesamt etwa zwei bis drei Monate eingeplant. 242

Benennungsgrundsätze sind immer schwer zu formulieren, und so gibt es diverse Beispiele aus dem Bludenzer Straßenverzeichnis, die hier aus der Reihe tanzen. Laut offiziellen Angaben werden in Bludenz die Straßen zuallererst nach örtlichen Flurnamen benannt, eine Praxis, die vielerorts in Österreich ausgeübt wird. In Ausnahmefällen werden auch besondere Personen, die einen Beitrag zur Stadtgeschichte leisteten, zur Benennung herangezogen – ebenfalls eine Vorgangsweise, die sich in ganz Österreich erkennen lässt.243 Eine weitere mittlerweile häufig angewandte Methode ist, den Fokus bei Straßennamensgebungen auf Frauen zu richten. In Vorarlberg wird in dieser Hinsicht etwa in Bregenz und Dornbirn sogar auf einen Mindestanteil geachtet, in Bludenz und Feldkirch gibt es hingegen keinen solchen.244 Auch das ungeschriebene Gesetz, dass Straßennamen nicht an Firmen oder Unternehmen vergeben werden, wird in Bludenz nicht konsequent verfolgt, was etwa 1979 die Umbenennung des Freiheitsplatzes in Sparkassenplatz zeigte.245

An dieser Stelle gilt es nun, die Zeit zunächst wieder zurückzudrehen und sich mit den Anfängen der Bludenzer Straßennamen zu beschäftigen, deren früheste Aufzeichnungen – zumindest hinsichtlich der Straßen innerhalb der Stadtmauern – bis ins 16. Jahrhundert zurückgehen.

4.3. Anfänge der Straßenbenennungen in der Innenstadt

Mit den Reformen Maria Theresias und ihres Sohns Josephs II. und damit dem Beginn der Volkszählungen in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts – aus militärischen sowie steuerpolitischen Gründen – kann ein Punkt gesetzt werden, ab dem Aufstellungen über Bevölkerungszahlen sowie deren Wohnhäuser vermehrt greifbar wurden.246 Über die dadurch ausgebaute Bürokratie lässt sich das Stadtbild besser rekonstruieren und viele Annahmen aus den Jahrhunderten davor können überprüft werden. Die Häuser wurden dabei mit eigenen Konskriptionsnummern versehen, und es bekam jedes Haus eine gewisse Individualität. Dank der Aufzeichnungen von Karl Fritz, einem Hobby-Historiker und Mitbegründer des Bludenzer

242 Ebd., S. 66, 88. 243 Ebd., S. 55–56. 244 Ebd., S. 73–74. 245 Ebd., S. 92. 246 Moser, Bludenzer Personen- und Häuserbeschrieb, S. 9.

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Geschichtsvereins, konnten in Bludenz die alten Hausnummern genau verortet werden. Zu diesem Zeitpunkt hatten die einzelnen Gassen schon längst im Volksmund ihre eigenen Namen, jedoch waren die Häuser der Stadt innerhalb der Stadtmauern noch durchnummeriert.247 Diese alten Nummern wurden schließlich auch übertragen, als die Gassen dann auch offiziell ihre Namen erhielten. Erst später bekamen die Häuser schließlich ihre eigenen Straßennummern. Man entschied sich dabei, vom Zentrum ausgehend, mit der Zählung bei 1 zu beginnen. Wann dies genau geschehen ist, konnte Fritz nicht feststellen.248 Das heute übliche Prinzip findet sich erstmals im Protokoll der Stadtgemeindevertretung vom 16. Jänner 1924. Damals kam es zur Neu- bzw. Umbenennung einer Vielzahl an Straßen in Bludenz, und die Anzahl der bestehenden Straßen verdoppelte sich fast. Auf die grundlegende Änderung der Nummerierung wird unter Punkt 2 genauer hingewiesen:

„Die Nummerierung erfolgt neu [!] nach den Strassen und wird in jeder Strasse bzw. Gasse mit 1 begonnen in der Weise, dass die Häuser links mit den ungeraden und die Häuser rechts mit den geraden Nummern versehen werden.“249

Das lässt den Schluss zu, dass ab dem Beginn des Jahres 1924 jede Straße in Bludenz separat nummeriert wurde. Das neue System betraf neben den in dieser Sitzung neu benannten Straßen vor allem auch die Straßen innerhalb der früheren Stadtmauern, die in früheren Zeiten in Rodeinheiten zusammengefasst waren und deren Namen bis in die frühe Neuzeit zurück überliefert sind.

Im oberen Teil der Stadt befand sich nordwestlich die heutige Kirchgasse. Dies war aber wohl nicht ihr ursprünglicher Name; im 16. Jahrhundert wurde sie nämlich als Schmidtgasse und später, aufgrund der Nähe zum Oberen Tor, als Obertorgasse bezeichnet. Demnach galten die Bewohner der Straße auch als „Obergässler“. Im Rodregister von 1600 ist dieser Straßenzug zwar als das kleinste Stadtviertel ausgemacht, jedoch war es das steuerstärkste, da hier durch die Nähe zum Pfründhaus und Spital die reichsten Bewohner lebten.250 Der heutige Name war dann aber bereits im 18. Jahrhundert die übliche Bezeichnung, auch wenn es damals noch keine offiziellen Benennungen, wie sie heute vonstattengehen, gegeben hat.251 Ausschlaggebend für

247 Im Jahre 1789 gab es in Bludenz 104 Häuser, die von 1 bis 104 durchnummeriert waren (Moser, Bludenzer Personen- und Häuserbeschrieb, S. 20.) 248 Moser, Bludenzer Personen- und Häuserbeschrieb, S. 17. 249 Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 16.01.1924, S. 6, StABlu. 250 Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter, S. 163–164. 251 Karl Fritz, Beiträge zur Heimatkunde des Raumes Bludenz, in: Bludenzer Geschichtsblätter 23, Bludenz 1995, S. 12.

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den Namen war die Spitalskirche. Das Bludenzer Bürgerspital entstand um 1300 und taucht 1486 erstmals in den Urkunden auf. Auch die Spitalskirche, die bei den Stadtbränden von 1491, 1638 und 1682 stark beschädigt wurde, ist bereits 1472 urkundlich erwähnt. 1821 wurde das Spital selbst an den Staat verkauft. Es beheimatete von da an das Landgericht und ab 1850 das Bezirksgericht, bevor diese Ämter 1929 wieder übersiedelten. Die Spitalskirche war sehr beliebt und wurde zuerst speziell von Spitalsbesuchern sowie vom Stadtrat aufgesucht. Nach einer längeren Nutzung als Magazin in der Kriegs- bzw. Nachkriegszeit, ist sie seit 1960 wieder als Kirche in Abb. 4: Ansicht der Kirchgasse Richtung Verwendung.252 Süden, ca. 1935 Eine weitere Rodeinheit lag südlich der Kirchgasse, die Sturnengasse. Sie wies lange einen ländlicheren Charakter auf, wohnten hier doch vor allem die ärmeren Bludenzer. Dies schlug sich auch in der Benennung der Straße nieder. Ihr Name ist nämlich seit Längerem für lokale Historiker Gegenstand der Diskussion. Karl Fritz stellte fest, dass die Straße früher lange Zeit auf den Namen Sturmengasse lautete, was er mit Briefen aus dem 16. bis 18. Jahrhundert belegt. Aufgrund der bequemeren Aussprache soll sich dies im 19. Jahrhundert zur Sturnengasse entwickelt haben. Außerdem stellt er fest, dass im Volksmund der Name Gaßgaß (= Geißgasse) üblich war, da die Bewohner hier mehr Geißen besaßen als in den restlichen Stadtvierteln.253 Einen anderen Ansatz verfolgt Manfred Tschaikner. Er sucht zuerst nach einem Vertreter der Familie Sturn und findet dabei den Feldkircher Baumeister Hans Sturn, der um 1500 lebte. Jedoch war eine Benennung nach Personen damals noch nicht üblich, weshalb er die Wortwurzel verfolgt. Im Romanischen bedeutet das Wort stuorn so viel wie verrückt, verwirrt oder betrunken. Aus diesem Grund soll die Gasse von den Bewohnern anderer Straßen als Narrengasse oder Säufergasse bezeichnet worden sein.254

252 Andreas Ulmer/Johannes Schöch/Ludwig Rapp, Topographisch-historische Beschreibung des Generalvikariates Vorarlberg. VIII. Band Dekanat Bludenz (ehemals Dekanat Sonnenberg). I. Teil, Dornbirn 1971, S. 147–148, 150. 253 Fritz, Beiträge zur Heimatkunde S. 11–16. 254 Manfred Tschaikner, Was bedeutet der Name ‚Sturnengasse‘?, in: Bludenzer Geschichtsblätter 20, Bludenz 1994, S. 43–46, hier: S. 43–44.

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Die dritte Rodeinheit um 1600 umfasste zwei der heutigen Straßenzüge der Innenstadt, die Herrengasse sowie die Rathausgasse, die damals als Brunnengasse bezeichnet wurde, da sich an diesem Straßenzug zwei Brunnen befanden, einer im sogenannten Katzenwinkel vor dem Schlachthaus und einer vor dem Rathaus. Letzter war als Bludenzer Stadtbrunnen bereits im ausgehenden Mittelalter an jener Stelle situiert, wo sich zuvor der Pranger befunden hatte. Nachdem der Brunnen dem letzten Stadtbrand zum Opfer gefallen war, wurde 1735 beschlossen, darauf eine Johannes-von-Nepomuk-Figur anzubringen, die von Johann Ladner angefertigt wurde. Er wurde mehrfach restauriert, erstmals 1889, dann nach der Beschädigung durch Nationalsozialisten 1944255 und erneut vor wenigen Jahren im Zuge der Sanierung der Fußgängerzone. Heute ist er eines der Wahrzeichen der Stadt Bludenz, der Name Brunnengasse ist allerdings längst nicht mehr aktuell. Für den oberen Teil zwischen Oberem Tor und Katzenwinkel wird seit dem 18. Jahrhundert der Name Herrengasse, in Anlehnung an die dort wohnenden geistlichen Herren, verwendet.256 Der Teil in Richtung des zentralen Nepomuk-Brunnens erhielt zunächst den Abb. 5: Rathausgasse mit Nepomuk-Brunnen, ca. 1925 Namen Metzgergasse, den er auch in der Aufstellung des Franziszeischen Katasters aus den 1850er Jahren trägt.257 Heute lautet dieser Straßenzug auf den Namen Rathausgasse. Das Rathaus wurde wohl im 15. Jahrhundert errichtet, durch die Stadtbrände aber ebenfalls wiederholt zerstört.258 Der Name Rathausgasse hat allerdings inzwischen lediglich historischen Charakter, da die Stadtverwaltung 1974 in ein neues Gebäude an der Werdenbergerstraße außerhalb der Innenstadt übersiedelte.

Das von der Anzahl der Haushalte größte Stadtviertel war die Marktgasse. Diese umschloss um 1600 einen Teil der heutigen Werdenbergerstraße (vom Rathaus bis zum ehemaligen Montafoner Tor) sowie die heutige Mühlgasse. Hier wohnte ein Drittel der Stadtbevölkerung, wobei die Kirchgasse das größte Viertel hinsichtlich der Steuerleistung blieb. Der bereits bei

255 Andreas Rudigier, Der Johannes-von-Nepomuk-Brunnen in Bludenz, in: Bludenzer Geschichtsblätter 10, Bludenz 1991, S. 3-28, hier: S. 10–12. 256 Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter, S. 164. 257 Land Vorarlberg, Franziszeischer Kataster. Urmappe 1857, Zugriff: 05.08.2020. 258 Burmeister, Bludenz, S. 104.

72 der Sturnengasse erwähnte Name Gaißgasse war im 16./17. Jahrhundert auch ein beliebter Name für die Marktgasse. Aufgrund ihrer Lage und der Straßenführung Richtung Unteres Tor lautete die Straße im 17. Jahrhundert außerdem auf den Namen Untergasse. Mindestens seit den 1720er Jahren war schließlich der Name Mühlgasse die übliche Bezeichnung.259 Als 1846 der Großteil der alten Stadtmauern abgerissen wurde, bildete sich in Bludenz eine Durchzugsstraße, die auch den Stadtkern und dadurch einen Teil der Mühlgasse passierte.260 Wahrscheinlich seit diesem Zeitpunkt, mindestens aber seit dem Franziszeischen Kataster von 1857, bezeichnet man heute nur noch den Teil bis zum Unteren Tor als Mühlgasse.261

4.4. Straßennamen im 19. Jahrhundert

Ein genauer Beginn, wann Straßennamen von einem Phänomen, das vom Volk bestimmt wurde, übergingen in die öffentliche Bürokratie, lässt sich aufgrund der bereits dargestellten Sachlage nicht feststellen, genauso wenig, wie der Zeitpunkt, wann an den jeweiligen Häusern der Straßenname hinzugefügt wurde. Definitiv stieg die Bedeutung einzelner Straßennamen durch die steigende Zahl an Wohnhäusern in der Stadt stark an, besonders natürlich, als sich die Stadt über die Stadtmauern hinaus auszubreiten begann. Eine tatsächliche Bestandsaufnahme, welche Straßen zu Bludenz gehören, ist erst am Ende des 19. Jahrhunderts möglich. Dabei gilt es aber zu berücksichtigen, dass offizielle Straßenverzeichnisse auch zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorhanden waren und dass es dementsprechend auch diverse Streitfälle gibt.

Ein erster dieser Streitfälle sind die zu Bludenz gehörigen Parzellen, die sich bis heute fernab des Stadtkerns am Eingang zum Klostertal befinden und bei denen selbst heutige Stadtbewohner immer wieder staunen, dass sie ein Teil der Stadtgemeinde Bludenz sind. Man muss hier berücksichtigen, dass die Herrschaft Bludenz und das Kirchspiel Bludenz in der frühen Neuzeit nicht die gleichen Grenzen hatten. Die eigentliche Herrschaft Bludenz umfasste damals neben dem gesamten Montafon auf heutigem Stadtgebiet nur einen Bereich, der vom St. Anna-Bild im Westen bis zum heutigen Riedmiller-Denkmal im Osten reichte.262 Der Begriff Kirchspiel bezieht sich auf einen „‚Bezirk, in dem ein Pfarrer predigen und die

259 Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter, S. 164–165. 260 Tschaikner, Eine kurz gefasste Geschichte, S. 38. 261 Land Vorarlberg, Franziszeischer Kataster. Urmappe 1857, Zugriff: 05.08.2020. 262 Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter, S. 161.

73 kirchlichen Amtsgeschäfte ausüben kann‘.“263 Es war außerdem ein territorial abgegrenzter Raum, der als Synonym für eine heutige Gemeinde gesehen wurde.264 Einige Teile dieses Kirchspiels Bludenz gehörten aber steuerlich und gerichtlich nicht zur Herrschaft Bludenz, sondern zur Herrschaft Sonnenberg, wodurch die Stadt Bludenz also von der Herrschaft Sonnenberg umgeben war.265 Dies änderte der Auswechslungsvertrag von 1695, als die Grenzen zwischen Bludenz, Sonnenberg und Montafon neu festgelegt wurden. Dadurch fiel nun das Kirchspiel Bludenz komplett an die Herrschaft Bludenz, dazu gehörten auch die Gebiete bis einschließlich Außerbraz, die sich geografisch bereits im Klostertal befanden.266 Dies führte außerdem dazu, dass nun Sonnenberg, das den Sitz in Nüziders hatte, also westlich von Bludenz lag, in zwei voneinander abgetrennte Bereiche geteilt war; die Gebiete ab Innerbraz gehörten nämlich weiterhin zur Herrschaft Sonnenberg.267 Durch die Vereinigung von Kirchspiel und Burgfrieden bzw. Herrschaft Bludenz gehörten also nun neben Außerbraz auch die Ortschaften Bings, Grubs, Hintergastenz, St. Leonhard und Radin nicht mehr nur in den kirchlichen Wirkungsbereich von Bludenz, sondern auch in den herrschaftlichen. Stallehr und Lorüns waren Sonderfälle, da sie zwar zum Kirchspiel Bludenz, aber bis 1695 nicht zu Sonnenberg gehörten, sondern als Teil der Talschaft Montafon zur Herrschaft Bludenz.268

Durch die Vergabe von Hausnummern bekamen schließlich im 18. und 19. Jahrhundert auch jene Häuser, die sich in den Parzellen befanden, ihre eigenen Nummern und können somit schon damals ebenfalls als Teil eines inoffiziellen Bludenzer Straßenverzeichnisses gesehen werden. Da einige dieser Parzellen aber sehr klein sind, wurden zum Teil bis heute keine konkreten Straßenbenennungen vorgenommen. Im Jahr 1900 war man davon sowieso noch weit entfernt. Wenn man dieses Jahr nun zur Orientierung als Stichjahr nimmt, dann gehörten somit die Klostertalparzellen Grubs, Hintergastenz, St. Leonhard, Außerbraz, Bings und Radin mit ihren Eigennamen zu den Bludenzer Straßen. Gleiches gilt für die näher am Bludenzer Stadtkern liegenden Stadtteile Rungelin, Brunnenfeld, Obdorf, Hasensprung und Gasünd269. Auch diese

263 Manfred Tschaikner, Herrschaft, Gericht, Steuergenossenschaft, Kirchspiel und Gemeinde. Zur Verwaltungsgeschichte des Großraums Bludenz in der Frühen Neuzeit, in: 200 Jahre Gemeindeorganisation in Vorarlberg. Almanach zum Vorarlberger Gemeindejahr 2008 (hrsg. v. Ulrich Nachbaur/Alois Niederstätter), Bregenz 2009, S. 281–300, hier: S. 281. 264 Ebd., S. 281. 265 Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter, S. 161. 266 Tschaikner, Herrschaft, S. 283. 267 Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter, S. 161. 268 Tschaikner, Herrschaft, S. 285. 269 Wurde früher oft auch Gassünd geschrieben (vgl. Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 12.04.1924, S. 6, StABlu → von einem Gassünderweg die Rede).

74 müssen zur damaligen Zeit strenggenommen als Teile des noch nicht stark ausgeprägten Straßennetzes betrachtet werden.

Hinzu kommen die bereits zuvor dargestellten Straßen in der Bludenzer Innenstadt: Kirch-, Rathaus-, Mühl-, Sturnen- und Herrengasse. Neben diesen können wohl auch der Schlossplatz vor dem Schloss Gayenhofen nördlich des Stadtkerns sowie der Postplatz an der Westseite der Stadt bereits einem inoffiziellen Straßenverzeichnis von 1900 angefügt werden, da sie mit ihren heutigen Benennungen ebenfalls im Straßenverzeichnis auftauchen.270

Abb. 6: Postplatz, ca. 1970 Abb. 7: Schloss Gayerhof-Platz, 2020

Daneben gab es im 19. Jahrhundert aber auch schon Straßen, die bereits Namen hatten, die man heute als vertraut erachten würde und die im gewählten Stichjahr 1900 als übliche Straßenbezeichnungen dienten. Einige dieser Straßen können auf einer im Vorarlberger Landesarchiv gefundenen Stadtansicht von Bludenz, dem „Situations-Riss“ von 1801271, erkannt werden. Eine davon ist der Messweg (Meßweg), der vom Kapuzinerkloster bis nach Rungelin führt; auf diesem Weg, der quer durch das Bludenzer Unterfeld führte, gelangten die Bewohner der Parzelle in die Pfarrkirche.272 Der andere durchs Unterfeld führende Weg entspricht in seinem Verlauf etwa der heutigen Schillerstraße. Sie war vor 1924 und wohl auch

270 Der Postplatz erhielt am 12. April 1924 den Namen Josef-Wolf-Platz (Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 12.04.1924, S. 5, StABlu) und der Schloßplatz wurde am 2. Februar 1962 in Schloß-Gayenhofplatz umbenannt. (Stadtvertretungsprotokolle 1962, Sitzung vom 02.02.1962, S. 8, StABlu). 271 S. Anhang 272 Manfred Tschaikner, Eine weitere frühe Ansicht von Bludenz: Der ‚Situations-Riss‘ von 1801, in: Bludenzer Geschichtsblätter 125, Bludenz 2020, S. 60–77, hier: S. 60, 69.

75 vor 1900 als Gassünderweg bekannt.273 Die am breitesten angelegte Straße auf der Karte wird als Landtstraße bezeichnet. Sie führt vom Kapuziner Stadttor stadtauswärts zu einem Wegkreuz und von diesem schließlich weiter Richtung Kloster St. Peter, das sich am rechten Kartenrand befindet.274 Diese Landstraße (heute: St. Peter-Straße) erhielt allerdings im Laufe des 19. Jahrhunderts im Zuge des Baus vieler Straßen im Österreichischen Kaiserreich den Namen Reichsstraße. Somit war auch die Reichsstraße im Jahr 1900 ein Teil des Bludenzer Straßensystems. Ihre Funktion als Landstraße behielt sie bis 1921, als die Reichsstraßen vom Bund übernommen wurden und dementsprechend Bundesstraßen genannt wurden.275 Heute ist sie auf Bludenzer Gebiet Teil der Vorarlberger Straße, der L190, die auch in Bludenz beginnt. Die Funktion als offizielle Straße auf Stadtgebiet hatte die Reichsstraße noch etwas länger, und zwar bis zum 16.01.1924, als sie geteilt wurde in die Werdenberger Straße und die St. Peter- Straße.276

Abb. 8: Dominikanerinnenkloster St. Peter, um 1840

273 Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 16.01.1924, S. 6, StABlu. 274 Tschaikner, Eine weitere frühe Ansicht, S. 60, 65, 68. 275 Bundesgesetzblatt für die Republik Österreich, 387. Bundesgesetz vom 8. Juli 1921, betreffend die Bundesstraßen, 162. Stück, 22.07.1921, S. 1373–1379, Zugriff: 10.08.2020. 276 Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 16.01.1924, S. 6, StABlu.

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Abb. 9: Ausschnitt aus dem Franziszeischen Kataster, 1857

Auf der Darstellung von Bludenz im Franziszeischen Kataster von 1857 zeigt sich ein ähnliches Bild wie auf dem „Situations-Riss“ von 1801. Das ist ein Beleg dafür, dass sich in diesem halben Jahrhundert hinsichtlich der Verbauung der Stadtgemeinde Bludenz bei weitem nicht so viel getan hat, wie dies in den 50 darauffolgenden Jahren der Fall sein sollte. Straßennamen sind auf diesem Kataster nur in der Innenstadt notiert. Dies kann zweierlei bedeuten: Einerseits könnten dies die einzigen Straßen sein, deren Bezeichnung Mitte des 19. Jahrhunderts auch einen gewissen offiziellen Charakter hatten, da dies die zentralen Straßen der Stadt waren und entlang derer die meisten Häuser standen.277 Andererseits könnte es auch bedeuten, dass Straßen außerhalb des Zentrums generell im Kataster nicht angegeben wurden, was sich auch an den Beispielen Bregenz und Feldkirch zeigt; in Dornbirn wurden diese Straßen nicht einmal beschriftet.278 Logischer erscheint jedoch die erste Variante.

Eine weitere Gegend, die östlich der Stadt beschriftet wurde, ist der Stadtgraben. Dieser weist zwar die gleiche Schrift auf wie die Gassen der Innenstadt, jedoch war dies wohl kein offizieller

277 Vgl. Auf dem Messweg, der damals bestimmt schon diesen Namen hatte, standen keine Häuser, demnach war die Benennung wohl rein im Volksmund verankert und etablierte sich erst später in den offiziellen Akten. 278 Land Vorarlberg, Franziszeischer Kataster. Urmappe 1857, Zugriff: 10.08.2020.

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Straßenname, sondern lediglich eine Bezeichnung des Flur- bzw. Riednamens.279 Denn der Name, der sich bereits im 19. Jahrhundert für diese Straße etablierte, war Marktgasse bzw. Marktstraße, wobei Marktgasse wohl die ältere Bezeichnung war. Erneut kann nicht nachverfolgt werden, wann und ob die Straße offiziell einmal Marktgasse hieß. Die älteste Erwähnung als Marktstraße geht zurück auf einen Bericht im „Bludenzer Anzeigers“ aus dem Jahr 1889.280 1906 wurde sie dann auch offiziell mit diesem Namen benannt281, bevor sie im Jänner 1924 in Wichnerstraße umbenannt wurde.282

Exakter wird die Rückverfolgung der Bludenzer Straßennamen schließlich ab der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, was angesichts des Aufblühens der Stadt nachvollziehbar ist. Ein Grund für die regelrechte Bevölkerungsexplosion und die vermehrte Bautätigkeit war die Errichtung der Vorarlberger Bahn zwischen 1870 und 1872. Die offizielle Eröffnung des Bludenzer Bahnhofs erfolgte am 1. Juli 1872.283 Danach wurde von 1880 bis 1884 die Arlbergbahn von Bludenz nach Landeck erbaut. Durch aufwändigen Arbeiten bei der Errichtung der Bahnlinien kamen zahlreiche Gastarbeiter, vor allem Italiener, nach Bludenz und trugen ganz wesentlich zum Bevölkerungswachstum bei.284 Aus dem Jahr 1873 ist schließlich im Stadtarchiv auch ein Akt überliefert über den Bau einer „zum Bahnhof führenden

Abb. 10: Bahnhofstraße von Süden Richtung Stadtmitte, ca. 1920

279 Ebd., Zugriff: 10.08.2020. 280 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 02.11.1889, S. 1, Zugriff: 10.08.2020. 281 Sitzungsprotokolle Gemeindeausschuss, 04/1904-12/1911, StABlu, 76/10. 282 Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 16.01.1924, S. 6, StABlu. 283 Weitensfelder, Der Tunnel, S. 457. 284 Ebd., S. 472.

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Straße“285, wobei es sich definitiv um die heutige Bahnhofstraße handelt. Eine offizielle Benennung gab es auch damals nicht, jedoch kann sie als eine in der alten Tradition der primären Straßennamen mit Orientierungsfunktion gesehen werden.

Eine letzte Straße, die ebenfalls mit absoluter Sicherheit bereits um 1900 in Bludenz als solche benannt war, lieferte außerdem eine zukunftsweisende Neuerung. Es handelte sich dabei um die 1891 neu erstellte Verlängerung der Bahnhofstraße in Richtung Norden, die mit Mutterstraße benannt wurde.286 Es war dies die erste personenspezifische Benennung im Bludenzer Straßennetz. Dies war insofern historisch, als es sich bei der ersten Person, der diese Ehre zuteilwurde, weder um einen Herrscher noch um ein Mitglied des Herrscherhauses handelte, auch nicht um einen Heiligen, sondern um eine Privatperson, nämlich einen Vertreter der Familie Mutter, die aus Tobadill (Bezirk Landeck) zugereist war und besonders im 19. Jahrhundert eine der prägenden Bludenzer Familien im Zeitalter der Industrialisierung war.287 Die Lokalhistoriker sind sich uneins, nach welchem der vier in Frage kommenden Vertreter der Familie Mutter die Straße tatsächlich benannt wurde. Ernst Wieser nimmt in seinem Beitrag über die personenspezifischen Bludenzer Straßennamen an, dass es sich um Franz Xaver Mutter (1776-1836), einen der Gründerväter der Firma Getzner, Mutter & Cie. handelt.288 Karl Fritz erkennt richtigerweise, dass die Annahme Manfred Getzners in seiner umfangreichen Firmengeschichte, der Name der Straße beziehe sich auf Christian Mutter, falsch ist. Er verweist auf eine Broschüre aus dem Jahre 1903, die als Stadtführer diente und in der die Straße als Andreas Mutterstraße notiert ist. Er geht daher davon aus, dass Andreas Mutter, der Bruder des mehrmaligen Bürgermeisters Christian Mutter289, der Namensgeber ist, vielleicht, weil er sich als Wohltäter einen Namen gemacht hatte.290 Doch auch dies scheint nicht der Weisheit letzter Schluss, wenn man auf die Zeit blickt, in der die Mutterstraße gebaut und benannt wurde. Im „Bludenzer Anzeiger“ vom 17. Oktober 1891 ist von einer „neu erstellte[n] Mutter-Straße“291 die Rede. Es ist daher davon ausgehen, dass die Straße also auch in diesem Jahr gebaut worden war, schließlich wird sie ja bereits im August erstmals erwähnt. Im „Bregenzer Tagblatt“ vom

285 Bahnhofstraße Akt, StABlu, CCXLVII/14. 286 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 01.08.1891, S. 2, Zugriff: 10.08.2020. 287 Otto Schwald, Bludenz. Handel und Gewerbe, Erfurt 2014, S. 111. 288 Ernst Wieser, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen in Bludenz, in: Vorarlberger Oberland 4, Feldkirch 1985, S. 133–160, hier: S. 144. 289 Bürgermeister von 1844-46, 1850-61, 1864-67. 290 Fritz, Beiträge zur Heimatkunde, S. 19. 291 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 17.10.1891, S. 1, Zugriff: 10.08.2020.

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Abb. 11: Wettersäule vor dem Hotel Eisernes Kreuz in der Mutterstraße, errichtet 1891 zu Ehren des Andre Mutter. Sie steht heute im Plettenberg-Park. Rechts auf dem Bild steht Rudolf Schweitzer, der das Haus 1914 als Pächter übernahm.

11. April 1893 wird schließlich eine Andre Mutterstraße genannt.292 Auch in der ersten großen Benennungsphase der Bludenzer Straßennamen vom 28. April 1906 ist die Straße noch als Andre Mutterstraße notiert.293 Andreas Mutter kommt somit auch weiterhin theoretisch als Namensgeber in Frage. Jedoch erscheint es um einiges logischer, dass es sich um Andrä Mutter (auch: Andre Mutter), einen der Söhne von Christian Mutter, handelt. Der wurde 1848 in Bludenz geboren, absolvierte sein Studium an der höheren Webschule in Chemnitz und kehrte 1872 nach Bludenz zurück. Er war sehr beliebt bei der Bevölkerung, wurde in den Gemeinderat gewählt, kam später in den Magistrat und wurde Vizebürgermeister. Er war außerdem mitverantwortlich für den Neubau des Schulhauses sowie Obmann des Vereins für gemeinnützige Zwecke.294 Im März 1894 wird im „Anzeiger“ erwähnt, dass die Mutterstraße von eben diesem Verein, dessen Gründung 1884 erfolgte, erstellt wurde. Auch die Wettersäule in der Mutterstraße wurde von diesem in Auftrag gegeben.295 Von dieser Säule, die man als Wahrzeichen zur Erinnerung an „Andre Mutter sel.“296 errichtet hatte, wurde erstmals am 30.

292 Bregenzer Tagblatt, 11.04.1893, S. 2, Zugriff: 10.08.2020. 293 Sitzungsprotokolle Gemeindeausschuss, 04/1904-12/1911, StABlu, 76/10. 294 Manfred A. Getzner, Getzner, Mutter, Gassner. Die Gründer der Firma Getzner, Mutter & Cie und ihre Nachfolger, Feldkirch 1989, S. 148–149. 295 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 31.03.1894, S. 1, Zugriff: 10.08.2020. 296 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 30.04.1892, S. 1, Zugriff: 10.08.2020.

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April 1892 berichtet. Andre Mutter wird dabei deshalb mit dem Zusatz „selig“ versehen, da er überraschend früh am 4. Juli 1890, wenige Tage nach seiner letzten Sitzung der Stadtvertretung, verstarb. Im „Anzeiger“ erschien am 5. Juli eine große Todesanzeige auf Seite eins, in der dem Verstorbenen nachgetrauert wird:

„Todt, so viel junges Leben, so viele Manneskraft in den schönsten Jahren, so viel Geistesmuth, so viele Hoffnung und Volksbeglückung. […] Die ritterliche Gestalt, der treueste und beste Mann unserer Vaterstadt liegt auf der Todesbahre […] Bludenz ist um eine der edelsten, besten Männer, um seine herrlichste Hoffnung ärmer geworden.“297

An seinem Begräbnis sollen an die 5.000 Personen teilgenommen haben. Mit Andrä Mutters plötzlichem Tod starb auch die männliche Nachfolgelinie der Familie Mutter aus.298 Aufgrund all dieser namentlichen Parallelen und des zeitlichen Bezuges ist daher nach heutigem Forschungsstand davon auszugehen, dass der erste personenspezifische Straßenname auf eben diesen Andrä (Andre) Mutter299 zurückgeht.

4.5. Erste große Benennungsphasen im frühen 20. Jahrhundert Die Entwicklung der steigenden Straßenzahlen, die sich bereits Ende des 19. Jahrhunderts ankündigte, sollte sich zu Beginn des 20. Jahrhunderts fortsetzen. Zunächst ist noch festzuhalten, dass die bis 1900 benannten Straßen natürlich nicht die einzigen Straßen in der Stadt waren. Dies wäre aufgrund des starken Bevölkerungszuwachses im späten 19. Jahrhundert gar nicht möglich gewesen. Zumindest als vorläufige Wege gab es demnach mit Sicherheit schon vor 1900 zahlreiche weitere Straßen, die heute einen Namen tragen, damals aber – zumindest offiziell – noch nicht benannt waren. Das zeigt sich auch in der Wortwahl des Gemeindeausschusses, als es am 28. April 1906 erstmals in der Stadtgeschichte zu einer groß angelegten Benennung der Bludenzer Straßen kam. Man besprach hierbei vor allem die „bisher namenlosen Straßen und Plätze“300. Die Wortwahl verweist darauf, dass es einen Unterschied zwischen bisher namenlosen und neu erstellten Straßen gab. Tatsächlich waren im Volksmund schon Ende des 19. Jahrhunderts weitere Straßen namentlich bekannt gewesen, denen allerdings noch eine offizielle Benennung fehlte. Diese war nun aufgrund der steigenden Anzahl der

297 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 05.07.1890, S. 1, Zugriff: 10.08.2020. 298 Getzner, Getzner. Gründer der Firma, S. 149-150. 299 Für Lebensdaten zu den personenspezifischen Straßennamen s. Register der Bludenzer Straßennamen. 300 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 28.04.1906, S. 2, Zugriff: 10.08.2020.

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Straßen notwendig geworden. Im April 1899 wird etwa im „Bludenzer Anzeiger“ bereits eine Bleichestraße erwähnt, ihren Namen erhielt sie offiziell aber erst später.301 Im selben Jahr ist auch ein Bericht zu finden, in dem eine Untersteinerstraße sowie eine Fohrenburgstraße erwähnt werden. Beide Straßen gab es damals offiziell noch nicht. Es wird sogar auf eine Benennung angespielt: „Die neue Straße vom Bahnhof zur unumstellten Fohrenburgstraße ist nun nahezu – bis aufs Trottoir – vollendet. […] Was wird wohl dieselbe für einen Namen erhalten?“302

Als in der Sitzung des Bludenzer Gemeindeausschusses am 20. April 1906 das Thema der Straßenbenennungen erstmals auf der Agenda stand, war die Suche nach den passenden Namen entsprechend groß angelegt. Hauptverantwortlich für die Benennung war Alfons Leuprecht, ein Tiroler Bürgerschullehrer, der nach Bludenz berufen wurde und 1904 zum Stadtarchivar bestellt worden war und als solcher auch an der Planung des Heimatmuseums beteiligt war. Er spielte generell eine wichtige Rolle bei den frühen Namensgebungen der Bludenzer Straßen. Insgesamt 22 Straßen wurden im Rahmen dieser ersten offiziellen Namensvergabe benannt; einige wenige gab es schon länger, einige gab es auch schon mit diesem Namen, und manche wurden auch verlängert. Dem „Antrag des Lehrers Leuprecht für die Benennung der neuen Straßen in Bludenz […] wurde [schließlich] mit geringen Abänderungen zugestimmt.“303 Besonders in der Bahnhofsumgebung waren einige Neubenennungen notwendig, da sich hier immer mehr Menschen ansiedelten. Benannt wurde demnach der nördlich des Bahnhofs liegende Bahnhofplatz304 und die Fohrenburger-Straße, die vom Bahnhofplatz weiter in Richtung der Brauerei Fohrenburg führt, nach der sie auch benannt ist. Die Bierbrauerei wurde 1881 von Ferdinand Gassner gegründet. Durch den Bau der Arlbergbahn in dieser Zeit erhoffte sich Gassner eine wachsende Zahl an Touristen, was die Nachfrage am Getränk steigern sollte. Seit der Gründungszeit gibt es auch ein dazugehöriges Gasthaus, wo es bereits ab 1894 auch einen Saal gab, in dem regelmäßig Veranstaltungen stattfanden.305

301 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 01.04.1899, S. 1, Zugriff: 10.08.2020. 302 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 07.10.1899, S. 2, Zugriff: 10.08.2020. 303 Anzeiger, 28.04.1906, Zugriff: 11.08.2020. 304 Quelle für alle nun folgenden neuen Straßenbezeichnungen von diesem Benennungstag: Anzeiger, 28.04.1906, Zugriff: 11.08.2020. 305 Christoph Volaucnik, Die Bludenzer Wirtschaftsgeschichte von 1914 bis 2014, in: Bludenz. Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts (hrsg. v. Norbert Schnetzer/Andreas Rudigier), Graz 2015, S. 266–395, hier: S. 352, 357.

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Vom Bahnhof Richtung Osten führte von nun an die Brunnenfelder Straße und von dieser, am Alten Marktplatz abzweigend, die Au-Straße. Letztere führt direkt an der Bahnlinie entlang. Weiter Richtung Stadtkern kam es zur Benennung des Kasernenplatzes sowie der Pulverturm- Straße. Für letztere Bezeichnung schlug Leuprecht ursprünglich den Namen Turmstraße306 vor. Als erste Straße in der Gegend der Flur Klarenbrunn wurde an diesem Tag die Klarenbrunn- Straße benannt. 1836 war dort eine Baumwollspinnerei mit diesem Namen gegründet worden. 1883 wurde sie schließlich von Getzner, Mutter & Cie. erworben, woraufhin die als Alt- Klarenbrunn bezeichneten Fabrikräume in ein Arbeiterwohnhaus umgebaut wurden und die Planung einer neuen Spinnerei nach dem Vorbild englischer Architektur in Angriff genommen wurde. Zur Zeit der ersten Straßenbenennungen war die Firma Getzner der zentrale Industriebetrieb der Stadt Bludenz und mitverantwortlich für den Aufschwung in der Alpenstadt.307

Abb. 12: Spinnerei der Fa. Getzner, Mutter & Cie. an der Klarenbrunnstraße, ca. 1910

Östlich bzw. südöstlich des Stadtkerns kam es im Umfeld des Betriebsgeländes der Fa. Getzner ebenfalls zu einigen Benennungen. Die Straße, an der sich die städtische Säge befand, wurde mit Sägegasse benannt. Sie beginnt direkt an der Marktstraße, deren Namen somit offiziell vom Volksmund in das Bludenzer Straßennetz überging, und führt ostwärts bis zum Getzner-Areal. Die Marktstraße ihrerseits wurde in Richtung Nordosten am Montikel entlang verlängert und als Untersteinstraße neu benannt; inoffiziell hatte sie diesen Namen bereits zuvor getragen. Außerdem benannt wurden die beiden Parallelstraßen der Sägegasse, die Gartenstraße und die

306 Alfons Leuprecht an den löblichen Stadtmagistrat in Bludenz, StABlu, S. 1, 51/76. 307 Manfred A. Getzner, Getzner, Mutter & Cie. Bludenz und die Entwicklung der Textilindustrie im Vorarlberger Oberland. Teil A, Feldkirch 1990, S. 306.

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Riedgasse, die ebenfalls zur Firma Getzner führen. Wenig überraschend, führt auch die Bleichestraße an diesem Areal vorbei. Im ursprünglichen Vorschlag Leuprechts kam auch diese Bleichestraße vor, allerdings wurde sein Vorschlag durchgestrichen und wohl von ihm selbst in Brunnenbachstraße geändert, da die Straße über eben diesen Bach führte.308 Diese Korrektur wurde vom „Anzeiger“ in seinem Abdruck der Sitzung des Gemeindeausschusses übernommen309, dennoch ist im Anschluss nie mehr über eine Brunnenbachstraße gesprochen worden. In allen weiteren Unterlagen zu den Bludenzer Straßennamen ist immer von der Bleichestraße die Rede. Für diese Änderung gibt es zwei Theorien: Die eine ist, dass man sich im letzten Moment noch einmal anders entschied und doch den Namen Bleichestraße wählte. Wahrscheinlicher ist aber, dass sich der Name Brunnenbachstraße nicht durchsetzen konnte und den Bewohnern der andere Namen als logischer erschien, auch weil er inoffiziell schon gebräuchlich war.

Auch im Unterfeld kam es zu einigen Benennungen. Die Gasündstraße löste den ehemaligen Gassünderweg ab. Leuprechts ursprünglicher Vorschlag war hier, den Namen Riedmillerstraße zu verwenden, in Gedenken an den Freiheitskämpfer Bernhard Riedmiller, der lange Zeit in Bludenz wirkte.310 Die Kapuzinerstraße war jene Straße, die am Kapuzinerkloster vorbeiführte. Auch eine Straße, die bereits im erwähnten Bludenzer „Situations-Riss“ von 1801 aufscheint, erhielt nun ihren Namen. Sie führte bereits damals von der Reichsstraße (1801: Landtstraßen; heute: St. Peter-Straße) bis zur Parzelle Rungelin und wurde mit Friedhofstraße benannt.311 Auch zur zweiten personenspezifischen Benennung kam es an diesem ersten großen Benennungstag. Die neu erstellte Straße entlang den Schulgebäuden wurde mit dem Namen Schillerstraße benannt. Offizielle Gründe für die Aufnahme Schillers, der keine nachweisliche Beziehung zu Bludenz hatte, gibt es keine. Erklärungen finden sich trotzdem. 1905 war oft von einem Schiller-Jahr die Rede, da er vielerorts anlässlich seines 100. Todestages geehrt wurde. So kam es auch in Feldkirch bereits 1905 zur Benennung der Schillerstraße, die dort bis heute besteht.312 Auch die Wahl der Lage der Straße erscheint logisch, da der Literat Schiller gewissermaßen auch für Schule und Bildung steht. Dementsprechend wurde die sich dort befindende Volkschule auch eine Zeit lang Volkschule Schiller genannt. Es sind dies nicht die einzigen Zeugnisse Schillers im Raum Bludenz, denn es kam auch zur Umbenennung eines

308 Alfons Leuprecht an den löblichen Stadtmagistrat in Bludenz, S. 2, StABlu, 51/76. 309 Anzeiger, 28.04.1906, Zugriff: 11.08.2020. 310 Alfons Leuprecht an den löblichen Stadtmagistrat in Bludenz, S. 2, StABlu, 51/76. 311 Tschaikner, Eine weitere frühe Ansicht, S. 60. 312 Lins, Straßennamen von Feldkirch, S. 125.

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Gipfels im Rätikon-Massiv: Der „Kessikopf“ wurde – wohl auch um diese Zeit – in „Schillerkopf“ umbenannt, vor allem wegen der Form, die an die Physiognomie des Dichterfürsten erinnert. Das vermeintliche Profil Schillers ist von der Schillerstraße aus besonders deutlich zu sehen.313

Es folgten noch einige Benennungen westlich des Stadtkerns. Eine davon war die Andre Mutterstraße, deren Geschichte bereits genauer beleuchtet wurde. Es handelte sich bei dieser Benennung aber lediglich um eine Verlängerung der bisherigen Straße. Auf der Hand lagen auch die Benennungen Alte Landstraße für die frühere Landstraße Richtung Nüziders, die nördlich der heutigen Hauptverbindung liegt, sowie die St. Annastraße, in der sich das St. Anna Bild befand und bis heute befindet. Zu guter Letzt gab es noch die Benennungen im Obdorf. Die zentrale Wegverbindung wurde 1906 zuerst mit Obdorfstraße benannt. Der Weg vom Zimmermeister Mutter bis zum Armenhaus erhielt unterdessen den Namen Gayenhof. Der ursprüngliche Vorschlag Spitalgasse314 wurde damals noch abgelehnt, setzte sich später aber durch und ist heute aus dem Bludenzer Straßennetz nicht mehr wegzudenken.

Durch die zahlreichen Benennungen im Rahmen einer einzigen Sitzung hatte die Stadt Bludenz diesbezüglich zunächst einmal auf einige Zeit vorgesorgt. Die Praxis des Benennens war bei diesen ersten Benennungen sowieso eine andere als heute. In der Folge kam es damals immer wieder zu einzelnen Sitzungen, die als „Benennungstage“ bezeichnet werden können, da meist mehrere Straßen gemeinsam einen neuen Namen erhielten. Man wartete dementsprechend auch immer den Bau von neuen Straßen ab und benannte sie dann alle gleichzeitig. Diese Vorgangsweise wäre heutzutage bei der Wichtigkeit von Adressen im täglichen Leben und bei der heutigen Stadtgröße undenkbar, weshalb mittlerweile Straßen oft schon benannt werden, bevor sie fertiggestellt sind.

So geschah es auch bei einem der wenigen Einzelfälle im frühen 20. Jahrhundert, nämlich bei der Ignaz-Wolf-Straße. Sie erhielt ihren Namen in der Sitzung des Gemeindeausschusses am 27. Februar 1917, da ihr Namensträger nur wenige Monate zuvor verstorben war.315 Interessanterweise war der Baumeister der Straße letztlich selbst der Namensgeber. Unter seiner Aufsicht wurden viele der wichtigsten Bauten der Stadt errichtet, u.a. die Brauerei Fohrenburg 1880, die Fabrik Neu-Klarenbrunn 1886, das Schulhaus 1897 und die Suchard-Fabrik 1890. Es

313 Guntram Plangg, Bergnamen um Bludenz als sprachliche Zeugen, in: Bludenzer Geschichtsblätter 108, Bludenz 2014, S. 41–54, hier: S. 42. 314 Alfons Leuprecht an den löblichen Stadtmagistrat in Bludenz, S. 2, StABlu, 51/76. 315 Sitzung des Gemeindeausschusses, 27.02.1917, StABlu, 76/12.

85 war sein Wunsch, dass die letzte von ihm sogar auf eigene Kosten gebaute Straße nach ihm benannt würde.316 Somit gab es in Bludenz nun eine dritte nach einer Person benannte Straße, und es war zudem der erste Fall, bei dem Vor- und Nachname enthalten waren, da die Andre Mutterstraße schon kurz nach ihrer Benennung nur noch als Mutterstraße bezeichnet wurde. Letzteres geht aus einer Auflistung der Bludenzer Straßen vom 7. März 1919 hervor, die aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls von Alfons Leuprecht gemacht wurde. Darin werden auch diverse weitere Straßen erwähnt, die neu benannt bzw. umbenannt werden sollten. Einige dieser Vorschläge wurden später tatsächlich übernommen, andere wurden abgeändert oder ganz fallen gelassen.317

Offenbar war 1919, kurz nach Ende des Krieges, noch nicht der richtige Zeitpunkt, um Straßen umzubenennen bzw. neu zu benennen, weshalb das Thema wieder für einige Jahre vom Tisch war und auch in den Stadtvertretungssitzungen in den darauffolgenden Jahren nie mehr Straßenbenennungen auf den Tagesordnungen standen. Erst Ende 1922 und Anfang 1923 ist schließlich wieder von Benennungen die Rede. Von der Gemeindevertretung wurde hierfür im Dezember 1922 ein Ausschuss gewählt, „zur Vornahme der Vorarbeiten für die Grundbuchanlegung.“318 Dieser tagte am 18. Jänner 1923 zum ersten Mal. Zuerst wurde Adalbert Gläser zum Obmann gewählt, danach wurde über die Neubenennung von Straßen debattiert sowie über die Festsetzung eines Häusernummerierungsplans, der bereits dargestellt wurde. Auch wenn Alfons Leuprecht nicht Mitglied des Ausschusses war, ist klar zu erkennen, dass sich die Vorschläge für neue Straßennamen stark an den von ihm bereits 1919 vorgeschlagenen Namen orientieren. Es wurde dabei auch über einige Benennungen debattiert, die später wieder fallen gelassen wurden, u.a. die Herzog Friedrichstraße als Teil der ehemaligen Reichsstraße, die Schlachthausstraße für einen Teil der Bahnhofstraße, der Kienbergweg als Teil des neu zu benennenden Winkelwegs und die Jahnstraße als Teil des Schlossplatzes.319 Besonders deutlich zeigt sich in den Dokumenten dieser Zeit, dass die Straßenbenennungen nicht linear erfolgten. In Auflistungen der Bludenzer Straßen sind plötzlich wieder Straßenzüge enthalten, die zuvor weder benannt noch erwähnt worden sind; in anderen Fällen stehen Straßen in der Spalte Alte Benennungen, obwohl die Benennung erst bevorstand. Daraus lässt sich erschließen, dass die Straßen zwar eigentlich hätten offiziell

316 Wieser, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen, S. 155. 317 Straßenaufstellung, 07.03.1919, StABlu, 51/76. 318 Sitzung des Ausschusses zur Vornahme der Vorarbeiten für die Grundbuchanlegung, 18.01.1923, StABlu, 51/76. 319 Sitzung des Ausschusses zur Vornahme der Vorarbeiten für die Grundbuchanlegung, 18.01.1923, S. 1-3, StABlu, 51/76.

86 benannt werden müssen, dass dies in der Praxis aber noch nicht möglich war und dass sich bei jeder Straße schnell eine gewisse Eigendynamik entwickelte. Aus diesem Grund ist wohl auch im Straßenbenennungsakt eine Auflistung enthalten, in der es hinsichtlich der Aufteilung der Bludenzer Straßen um „fragliche Fälle“320 geht. Im Hinblick auf die erst 1924 einsetzenden klaren Regelungen für die Häusernummerierung sind solche umstrittenen Fälle letztlich keine Überraschung.

Am 16. Jänner 1924 war es aber schließlich soweit, und in der ersten Sitzung der Stadtgemeindevertretung dieses Jahres wurden gleich mehrere Straßen auf Antrag des Straßenbenennungsausschusses neu benannt oder umbenannt.321 Aufgrund der Umstellung des Nummerierungssystems wurden im Protokoll auch die bereits bestehenden Straßen aufgelistet. Es liegt daher zum ersten Mal eine vollständige Übersicht aller Straßen von Bludenz vor, die somit als Ausgangspunkt für jede weitere Forschung auf dem Gebiet der Straßennamen dienen kann.

Durch das Wegfallen der Reichsstraßen war es nun nötig, die durch Bludenz führende ehemalige Reichsstrasse neu zu benennen. Man einigte sich auf eine Teilung der Straße in Werdenberger Strasse322 und St. Peter-Strasse. Beide Straßen bestehen noch heute. Besonders die Wahl des Namens Werdenbergerstraße erscheint sehr treffend. Zunächst war für diese Straße, die mitten durch das Stadtzentrum führt, der Name Herzog-Friedrich-Straße, vorgesehen gewesen, dann aber doch zugunsten der Werdenberger wieder verworfen worden, da deren zentrale Bedeutung für die Stadtgeschichte damit herausgestrichen werden sollte. Immerhin waren sie doch maßgeblich für die Stadtgründung zwischen 1259 und 1269 verantwortlich gewesen.323

Zu einem Straßentausch kam es entlang der „Schulmeile“ im Unterfeld. Aus der Schillerstrasse wurde die Schulstrasse. Damit der Name Schiller aber nicht aus dem Bludenzer Straßennetz verschwand, wurde der Gassünderweg, der erst 1906 noch mit Gasünderstraße benannt worden war, hier jedoch wieder als Weg aufschien, in Schillerstrasse umbenannt. Weiters wurde aus der Riedgasse die Riedstrasse und aus der bisherigen Gebietsbezeichnung Obdorf wurde der Obdorfweg. Bei diesem handelt es sich sehr wahrscheinlich um die 1906 neu benannte

320 Sitzung des Ausschusses zur Vornahme der Vorarbeiten für die Grundbuchanlegung, 18.01.1923, S. 1-3, StABlu, 51/76. 321 Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 16.01.1924, S. 5, StABlu. 322 Quelle für alle nun folgenden neuen Straßenbezeichnungen von diesem Benennungstag: Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 16.01.1924, S. 6, StABlu. 323 Niederstätter, Bludenz im Mittelalter, S. 67.

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Obdorfstraße, deren Bezeichnung sich offenbar nicht durchgesetzt hatte. Der neu benannte Säge-Weg scheint in dieser Aufstellung bei den Neubenennungen auf, obwohl es bereits eine 1906 neu benannte Sägegasse gab, die aber später nicht mehr aufschien. Es ist daher anzunehmen, dass hier derselbe Straßenzug gemeint ist.

Abb. 13: Das nahezu unverbaute Bludenzer Unterfeld mit der Schillerstraße (Mitte), ca. 1920

Auch die Anzahl der personenspezifischen Straßennamen stieg weiter an. Die bisherige Brunnenfelderstrasse wurde in Hermann Sander-Strasse umbenannt, zu Ehren des lokalen Historikers. Nach einer Schulausbildung in Vorarlberg, Tirol und Salzburg ging der 1840 als Sohn eines Schrunsers in Zell am Ziller geborene Sander zum Studium nach Innsbruck. Nach einer kurzzeitigen Tätigkeit als Lehrer in Feldkirch wurde er 1879 k.k. Landesschulrat in Vorarlberg und Direktor einer Innsbrucker Schule. Er lieferte einen großen Beitrag zur Heimatforschung, wobei seine Werke nicht nur historische Themen behandeln, sondern auch germanistische und juristische.324 Darüber hinaus war Sander Mitglied des Intellektuellenzirkels im Gasthof Bädle in Nüziders.325

Mit einem Straßenzug geehrt wurde außerdem einer der bekanntesten Bludenzer, der Schriftsteller Josef Wichner. Dieser strebte nach Abschluss des Gymnasiums in Feldkirch eine Laufbahn als Universitätsprofessor an, die er aufgrund fehlender finanzieller Mittel jedoch vorzeitig abbrechen musste. Das Studium beendete er aber und gelangte nach einigen Jahren in Feldkirch schließlich nach Krems, wo er eine neue Heimat fand. Trotz seiner langen Zeit fern der Heimat, pries er diese immer wieder in seinen zahlreichen Gedichten und setzte ihr auch

324 Wieser, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen, S. 149-150. 325 Weitensfelder, Der Tunnel, S. 458.

88 mit Romanen ein Denkmal. 1922 kehrte er nach langer Zeit wieder nach Bludenz zurück und wurde dort, wie auch in seiner Wahlheimat Krems, zum Ehrenbürger ernannt.326 An Bürgermeister Matthias Längle327 richtete Wichner nach seiner Rückkehr nach Krems noch ein Dankesschreiben, der diesen Dank am 14. Juni 1922, genau ein Jahr vor dem Tod Wichners, an die Stadtvertretung verlas.328 Posthum wurde Wichner die Ehre zuteil, dass die ehemalige Marktstraße, in der sein Geburtshaus stand, das sogenannte „Schneckenhaus“, nach ihm benannt wurde, und zwar nur wenige Wochen nach seinem Tod am 14. Juni 1923 in Krems.

Abb. 14: Josef Wichner, Gemälde Abb. 15: Geburtshaus von Josef Wichner, das „Schneckenhaus“ von Mina Forster, 1907 in der Wichnerstraße, abgerissen 1998

Eine Reihe von Neubenennungen wurden an diesem 16. Jänner 1924 ebenfalls beschlossen. Die traditionellen Bludenzer Gewerbe wurden mit einer Färberstrasse und einer Gerberstrasse im Stadtbild verewigt. Die Rungelinerstrasse wurde neu benannt, wobei es sich hierbei wohl um die frühere Friedhofstrasse handelte, die mittlerweile nicht mehr in der Straßenaufstellung vorkam. Der Bahnhofplatz wurde verlängert. Mit Im Moos, Obgayenhof, Oberfeldweg, Winkelweg, Illrain und Engelbündtstrasse wurden auch einige Flurnamen in das Straßenverzeichnis übertragen. Von der St. Anna-Straße abzweigend verlief von nun an der Armatinweg, der zwar auch in Richtung Galgentobel (früher Armatintobel) führte, dieses aber nicht erreichte, sondern bereits zuvor in den obersten Teil der Fohrenburgstraße mündete.

Historisch interessant sind darüber hinaus zwei neue, lange Straßen: die Zürcherstrasse und der Walserweg. Die Zürcherstraße im Unterfeld war nach der Schillerstraße und dem Messweg eine der ersten Straßen, die eine zentrale Rolle in diesem Stadtgebiet einnahmen. Die Zürcher

326 Wieser, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen, S. 154. 327 Bürgermeister von 1921-24. 328 Stadtvertretungsprotokolle 1922, Sitzung vom 14.06.1922, S. 3, StABlu.

89 waren eine der bekanntesten Sippen im Bludenz der frühen Neuzeit. Bereits um 1466 gab es die ersten Zürcher in Bludenz.329 Ihre Blütezeit in Alpenstadt war im 17. Jahrhundert, als sie über eine längere Zeit konstant für mehr als 30% des Steuereinkommens verantwortlich waren und auch mehrmals den Bürgermeister stellten.330 Der Name Zürcher weist laut Burmeister auf eine Herkunft aus Zürich hin.331 Plangg analysiert die Herkunft der Zürcher allerdings noch weiter und stellt dabei fest, dass nicht alle Zürcher unbedingt aus Zürich kommen müssen, da in Tirol zahlreiche ähnliche Namen vorkommen, etwa die Zircher, die Zurcher oder die Zurkger.332

Der historische Hintergrund des Walserwegs geht hingegen noch weiter zurück, nämlich auf den Einfluss der Walser in Vorarlberg, der allerdings in Bludenz selbst immer eher klein geblieben war. Sie waren eine alemannische Volksgruppe, die sich im Hochmittelalter, ausgehend von der Schweiz, über Vorarlberg ausbreitete. Einzelne Walser werden auch in Bludenz genannt, etwa Hans Ganttner der Walliser, der in Grubs und damit im Bludenzer Kirchspiel ansässig war.333 Jedoch kann davon ausgegangen werden, dass der Walserweg eher wegen des Einflusses der Walser in der Umgebung bzw. eventuell auch aufgrund der Wegführung des Walserwegs, der damals noch am westlichen Stadtrand lag und auch in Richtung Walsertal ausgerichtet war, so benannt wurde.

Zu guter Letzt gab es auch noch die Ehrung einer weiteren Person in Form einer entsprechenden Straßenbenennung, und dieser Fall hat unter den 145 Bludenzer Straßen auch ein gewisses Alleinstellungsmerkmal: Der Maschinenführer Robert Mokry wurde nämlich noch zu Lebzeiten mit der Benennung einer Straße mit Mokrystraße geehrt. Es war dies, abgesehen vom Adolf-Hitler-Platz, der von den Nationalsozialisten oktroyiert wurde, die einzige Straßenbenennung nach einer lebenden Person in der Bludenzer Stadtgeschichte. Die Straße trägt den Namen bis heute. Auch der Straßenzug, der nach Mokry benannt wurde, war sinnbildlich, liegt er doch genau in jener Gegend, in der für die Eisenbahner eine kleine Naturlandschaft zur Erholung nach harten Arbeitsstunden errichtet worden war. Robert Mokry

329 Guntram Plangg, Nicht alle Zürcher sind aus Zürich, in: Bludenzer Geschichtsblätter 88, Bludenz 2008, S. 3- 6, hier: S. 3. 330 Tschaikner, Bludenz im Barockzeitalter, S. 168–169. 331 Burmeister, Bludenz in der Zeit von 1420–1550, S. 107. 332 Plangg, Nicht alle Zürcher, S. 4. 333 Burmeister, Bludenz in der Zeit von 1420–1550, S. 107.

90 war die treibende Kraft hinter diesem Naturpark. Für die Benennung bedankte sich Mokry, der später in Salzburg lebte, bei der Stadt Bludenz.334

Wie bereits angedeutet, ließ man in den Anfängen der Straßennamensgebungen in Bludenz immer einige Straßen zusammenkommen, bevor man sie an einem großen Benennungstag mit Namen versah. Allerdings bilden einige spezielle Benennungen gewissermaßen die Ausnahmen für diese Regel, denn bereits wenige Monate nach dem großen Benennungstag Anfang 1924 kam es in der vierten Sitzung des Jahres, die für den 12. April anberaumt war, zum Antrag des Stadtrates auf die Schaffung eines Josef-Wolf-Platzes.335 Josef Wolf336 war Sohn des Bürgermeisters Basil Wolf337 und sollte bis zum heutigen Tag der längst dienende Bürgermeister der Stadt Bludenz bleiben. Im Verlauf seiner Amtszeit von 1867 bis zu seinem Tod 1909 schritt Bludenz wirtschaftlich stark voran, u.a. durch den Bau der Vorarlberg- und der Arlbergbahn. Außerdem gab es in diesen 42 Jahren mehr als eine Verdoppelung der Einwohnerzahl.338 Für eine Umbenennung kam nach der bevorstehenden Übersiedlung der Post der bisherige Postplatz in Frage, weshalb diesem Antrag auch einstimmig zugestimmt wurde.339

Auf das hinsichtlich der Straßenbenennungen turbulente Jahr 1924 folgte wieder eine etwas ruhigere Periode, in der solche Bestrebungen weder in den Protokollen der Stadtvertretungssitzungen noch in anderen Aufzeichnungen aufscheinen. Nachdem es besonders im westlichen Teil der Stadt zu starken Bautätigkeiten gekommen war, wurde am 31. März 1930 erstmals nach längerer Zeit wieder über neue Straßennamen debattiert. Bei dieser Sitzung waren neben dem Bürgermeister Josef Schmidt340 ausgewählte Mitglieder anwesend, in erster Linie erneut Alfons Leuprecht und der Baumeister Wilhelm Neier. Durch ein bearbeitetes Sitzungsprotokoll lässt sich der Diskussionsverlauf recht gut rekonstruieren.341 Zuerst wandte man sich den Straßen ob der Fohrenburg zu, also den Straßen im sogenannten Außerfeld. Es wurde dabei die Verlängerung der St. Annastrasse besprochen. Außerdem kam es zur Benennung einer Ausserfeldstrasse, die zuerst mit dem Namen Unter-Strasse bezeichnet werden sollte. Der Weg längs des Galgentobels wurde mit Tobelweg benannt.342

334 Wieser, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen, S. 144. 335 Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 12.04.1924, S. 5, StABlu. 336 Bürgermeister von 1867-1909. 337 Bürgermeister von 1826-29, 1842-44. 338 Ulmer/Rapp/Schöch, Topographisch-historische Beschreibung, S. 90. 339 Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 12.04.1924, S. 5, StABlu. 340 Bürgermeister von 1924-30. 341 Protokoll der Neustrassen-Benennungen, 31.03.1930, S. 1–2, StABlu, 51/76. 342 Ebd.

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Weiters einigte man sich bezüglich dieses Gebiets dahingehend, dass drei Straßen wieder nach Personen benannt werden sollten. Schnell einig war man sich bei der Ferdinand-Gassner- Strasse. Ferdinand Gassner war ein weiterer Vertreter, der die Bludenzer Stadtgeschichte wesentlich mitgeprägt hat. Als Sohn von Bürgermeister Andreas Gassner343 und seiner Frau Josephine Mutter in eine sehr bekannte Familie hineingeboren, stieg er bei Getzner, Mutter & Cie. bereits früh in das Firmengeschäft ein und ging in diesem Unternehmen auf.344 Er wurde später zum Teilhaber und schaffte es auch bis zum Vizebürgermeister, wo er als rechte Hand von Josef Wolf fungierte. Darüber hinaus war er Mitbegründer der Fohrenburg, des Alvierwerks und der Zementfabrik Lorüns. Kurz vor seinem Ableben 1926 spendete er der Stadt einen zentralen Postgarten, auf dem heute das Postgebäude steht.345 Leuprecht kannte Gassner persönlich und beschrieb seinen guten Charakter folgendermaßen: „Ein Mensch von zielbewußter Kraft und außerordentlichem Schaffensdrang, war er doch nie bemüht, seine Person in den Vordergrund zu drängen“346. Nachdem die Benennung der Straße am 6. April amtlich geworden war, richtete der Bürgermeister selbst am Tag darauf ein Schreiben an die Familie Gassner, in dem er die Benennung kundgab. Gassner habe „für die Öffentlichkeit Grosses geleistet und seine besonderen Fähigkeiten durch viele Jahre in den Dienst der Stadtgemeinde gestellt.“347 Andre Gassner bedankte sich wenige Tage später in einem Schreiben an Bürgermeister Schmidt für die Ehrung.348

Abb. 16: Ferdinand Gassner, der Abb. 17: Josef Wolf, Langzeit- Abb. 18: Jakob Jehly, innovative Unternehmer Bürgermeister von Bludenz Selbstportrait

343 Bürgermeister von 1847-50, 1861-64. 344 Getzner, Getzner. Gründer der Firma, S. 214. 345 Wieser, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen, S. 134–135. 346 Getzner, Getzner. Gründer der Firma, S. 219. 347 Bürgermeister Schmidt an Andre [sic!] Gassner, 08.04.1930, StABlu, 51/76. 348 Andre Gassner an Bürgermeister Schmidt, 12.04.1930, StABlu, 51/76.

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Etwas länger wurde über die Jakob-Jehly-Strasse debattiert. Bei dieser ist am 31. März 1930 noch ein Fragezeichen notiert, der schlussendlich angenommene Vorschlag war offenbar noch nicht gemacht worden; man dachte zunächst nämlich auch an den Namen West-Strasse. Die Stadtvertretung schien sich aber bis zu ihrem Beschluss vom 7. April 1930 auf den Namen Jakob-Jehly-Strasse geeinigt zu haben.349 Es ist dies die einzige Straße in Bludenz, die nach einem bildenden Künstler benannt ist. Jakob Jehly war der berühmteste Bludenzer Maler des 19. Jahrhunderts, er war verheiratet mit der verwitweten Wanda Douglass-(Jehly), mit der er sich in den 1870er und 1880er Jahren auch an einem Intellektuellenzirkel im Gasthaus Zum Bädle in Nüziders beteiligte. Dieser wurde auch als ‚Walgauisches Weimar‘ bezeichnet.350 Er war außerdem der Vater von Grete Jehly (verh. Gulbransson) und wohnte ab 1881 in einem Haus in der Halde, das damals regelrecht über der Stadt thronte. Die Fertigstellung seines Landhauses Armatin wurde von seinem Tod durch Lungenbeschwerden und Darmgeschwüren unterbrochen.351

Nach den Ehrungen zweier lokaler Größen erschien die Benennung der Dr. Noldin-Strasse hingegen eher überraschend und mitunter für viele Bewohner auch fragwürdig. Auch der Ausschuss war sich lange Zeit nicht sicher, wen man hier noch ehren sollte, denn die Namen Dr. Fink-Strasse und Gilmstrasse standen ebenfalls im Raum. Nachdem man sich für die Ehrung des Südtirolers Josef Noldin entschieden hatte, wurde im Nachhinein noch der Zusatz Dr. angefügt.352 Noldin war gebürtig aus Salurn im heutigen Südtirol und absolvierte ein Jus- Studium in Innsbruck. Im Fronteinsatz im Ersten Weltkrieg wurde er schwer verwundet und kam für fünf Jahre in Gefangenschaft. Nach dem Krieg wurde er italienischer Staatsbürger und versuchte sich der Italienisierung zu widersetzen, indem er Privatunterricht gab und zur Strafe dafür schließlich für fünf Jahre auf einer Insel im Tyrrhenischen Meer ausgesetzt wurde.353 Karl Fritz fragt sich in einem Aufsatz über Noldin, den er zwar als aufrechten und ehrlichen Südtiroler bezeichnete, warum dieser in Bludenz geehrt wurde, denn er sei nie in einer Beziehung zu dieser Stadt gestanden. Die Frage konnte tatsächlich nie zufriedenstellend beantwortet werden, weshalb – wie schon bei Schiller – eine zweite personenspezifische Benennung ohne konkreten Bludenz-Bezug notiert werden kann.354

349 Stadtvertretungsprotokolle 1930, Sitzung vom 07.04.1930, S. 5, StABlu. 350 Weitensfelder, Der Tunnel und die Arbeit, S. 458. 351 Andreas Rudigier, Der Bludenzer Maler Jakob Jehly, in: Bludenzer Geschichtsblätter 38, Bludenz 1997, S. 41–43. 352 Protokoll der Neustrassen-Benennungen, 31.03.1930, S. 1, StABlu, 51/76. 353 Wieser, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen, S. 145. 354 Fritz, Beiträge zur Heimatkunde, S. 23.

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Abb. 19: Suchardstraße mit den Wohnhäusern für die gehobenen Angestellten im Obdorf, bis auf die beiden ersten Häuser rechts abgerissen

An diesem 7. April 1930 wurden auch noch weitere Straßennamen fixiert.355 In der Nähe des Krankenhauses kam es zur Benennung der Spitalgasse, die heute einen anderen Verlauf hat, und einer Badgasse, die es heute in dieser Form nicht mehr gibt. Außerdem wurde der Weg vom Spritzenhaus bis zum Schloss als Schlossweg bezeichnet. Etwas weiter nördlich im Obdorf kam es zur Benennung einer Suchard-Strasse, die sich aus dem früheren Mittelweg (östlicher Teil) und der Engelbündtstrasse (westlicher Teil) zusammensetzte.356 Die Suchard-Strasse war eine treffende Bezeichnung, da an ihr lange Zeit die sogenannten „Schokoladehäuser“ standen. Es waren dies von Ignaz Wolf geplante Wohnhäuser, die nach der Eröffnung der Schokoladenfabrik 1888 für Facharbeiter und Angestellte errichtet wurden. Sie können durchaus als frühe Projekte des sozialen Wohnbaus angesehen werden. 1989 wurden sie schließlich - bis auf zwei inzwischen renovierte Häuser – abgerissen.357 Die Firma Suchard war hocherfreut über die Benennung der Straße und versprach, es werde für sie „stets eine erstrebenswerte Aufgabe sein […] nach Kräften an dem Aufblühen und Gedeihen der Stadt Bludenz in bisheriger Tradition weiter mitarbeiten zu können.“358 Der Name Engelbündtstrasse war damit wieder frei geworden und wurde verwendet für jene Straße, die als neue „Straße ob

355 Quelle für alle nun folgenden neuen Straßenbezeichnungen von diesem Benennungstag: Stadtvertretungsprotokolle 1930, Sitzung vom 07.04.1930, S. 5–6, StABlu. 356 Protokoll der Neustrassen-Benennungen, 31.03.1930, S. 1, StABlu, 51/76. 357 Volaucnik, Die Bludenzer Wirtschaftsgeschichte, S. 361. 358 Firma Suchard an den wohllöblichen Stadtrat Bludenz, 11.04.1930, StABlu, 51/76.

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Dir. Geiger“ beschrieben wurde. Die Recherche ergab, dass es sich um die spätere Stuttgarterstraße sowie um den Bezirksschulinspektor Franz Karl Geiger handeln musste, der an der Adresse Obdorf 24 (später: Walserweg) wohnte.359

Zu guter Letzt kam es auch noch in der Bahnhofsgegend sowie in der Bludenzer Au zu Umbenennungen. Längs des Bahndamms wurde der Äuleweg benannt. Es gab hier auch die Vorschläge Kanalstrasse sowie Güterweg, man entschied sich aber für den Euleweg, dessen E letztlich noch durch ein Ä ersetzt wurde.360 Außerdem wurde der Mühlebachweg benannt, der ursprünglich Tränkeweg hätte heißen sollen.361 In der Au wurden der Fabriksweg – er nahm wohl Bezug auf die Klarenbrunn-Fabrik – und die Wüstenrot-Strasse benannt. Letztere leitet ihren Namen von der Bausparkasse ab, die in den 1920er Jahren auch in Bludenz immer wichtiger wurde. Von Wüstenrot-Referenten wurden in der Fohrenburghalle Vorträge gehalten, die bei der Bevölkerung großen Anklang fanden und über die es eine regelmäßige Berichterstattung in den lokalen Medien gab. Im Februar 1928 war bereits die Rede von „120 ‚Wüstenrotler‘, welche mit Bienenfließ ihrem gesteckten Ziele zustreben.“362 Dadurch, dass in der Ausschusssitzung vom 31. März 1930 auch der Name Siedlungs-Strasse im Raum stand363, ist davon auszugehen, dass sich die Leute die hier gebauten Häuser und Wohnungen mit Hilfe eines Bausparvertrags bei der Wüstenrotkasse finanziert hatten, was auf den nunmehrigen Straßennamen rückschließen ließe.

Es begann nun langsam die Zeit, in der man in Bludenz begann, öfters auch nur einzelne Straßen zu benennen, ohne auf große Benennungstage zu warten. Am 30. Oktober 1931 wurde in der achten Stadtvertretungssitzung unter Punkt 15 einstimmig beschlossen, eine neue Querstraße der Klarenbrunnstrasse auf den Namen Hülzstrasse zu taufen.364 Karl Hülz war ein Bludenzer, der aber als Hofapotheker in Salzburg wirkte. Er erwarb sich einen guten Ruf durch großzügige Stiftungen, von denen auch seine Heimatstadt Bludenz profitierte, unter anderem in Form eines Gemäldes von Franz Bertle (1858) in der Laurentiuskirche, das den Hl. Karl Borromäus

359 Information gefunden im alten Personenverzeichnis der Stadt Bludenz unter dem Namen Geiger (Franz) Karl (1877–1944), Geburtsort: Dornbirn, in Bludenz seit: 1897, Straße: Obdorf 24 (später: Walserweg). 360 Protokoll der Neustrassen-Benennungen, 31.03.1930, S. 2, StABlu, 51/76. 361 Ebd. 362 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 11.02.1928, S. 4, Zugriff: 12.08.2020. 363 Protokoll der Neustrassen-Benennungen, 31.03.1930, S. 2, StABlu, 51/76. 364 Stadtvertretungsprotokolle 1931, Sitzung vom 30.10.1931, S. 6, StABlu.

95 dargestellt.365 Die Benennung der Straße war einmal mehr ein Vorschlag von Alfons Leuprecht, wobei der ursprüngliche Zusatz Karl schließlich noch gestrichen wurde.366

Als die Verbauung des Unterfelds immer mehr Fahrt aufnahm, wurde auch die Benennung der Straßen rund um den Sport- bzw. Spielplatz zwischen der heutigen Unterfeldstraße und der Gilmstraße zu einem Thema, bei dem unterschiedliche Meinungen bisweilen heftig aufeinanderprallten. Die Diskussionen begannen im Juni 1932 mit einigen Vorschlägen von Alfons Leuprecht. Der Stadtrat wünschte sich jedoch kürzere Namensvorschläge.367 Der Bauausschuss schlug hier die Namen Sportstrasse (am nördlichen Rand des Sportplatzes), Gilmstrasse (am südlichen Rand des Sportplatzes sowie stadteinwärts Richtung Kapuzinerstrasse) sowie Hofweg (Verbindung der vorgenannten Straßen) vor. Gemeindevertreter Wilhelm Neier war in der Stadtvertretungssitzung vom 19. August 1932hiermit nicht einverstanden und beantragte die Namen Ziegelhütte (statt Sportstrasse), Lehmgrube (statt Gilmstrasse) und Im Hof (statt Hofweg). Gemeindevertreter Anton Valandro wollte eine Jahnstrasse statt der Sportstrasse, die damit schon zwei Gegenstimmen hatte. Wenig überraschend gab es schließlich bezüglich dieser Straße keine Einigung. Die beiden anderen wurden mit Gilmstrasse und Im Hof benannt.368 Für die dritte Straße schlug der Stadtrat am 14. September 1932 den Namen Spielplatzstrasse vor, worauf der Bauausschuss am 27. September 1932 erneut für den Namen Sportstrasse plädierte.369 Dennoch wurde die Spielplatzstrasse am 30. September 1932 mit sechs Gegenstimmen benannt.370 Damit war die Diskussion über die Straßennamen in diesem Stadtteil allerdings nur für kurze Zeit beendet, denn am 10. Jänner 1935 stellte Maximilian Bickel mit scharf formulierten Worten den Antrag, die Gilmstrasse in Gebhard Bickel-Strasse umzubenennen, und zwar mit der Begründung: „Diese Sackstrasse habe ich in volste Ordnung gestelt welches mich nicht umsonst gekommen war.“371 Bürgermeister David Jochum372 antwortete Bickel daraufhin, man könne auf den Vorschlag nicht eingehen, solange die Straße von Bickel nicht in besseren Zustand gesetzt würde.373 Letztlich blieb die Benennung nach Franz Josef Gilm bestehen und erinnerte somit

365 Wieser, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen, S. 136, 138. 366 Plan des Bauausschusses: Vorschlag für Straßenbenennung, o. D., StABlu, 51/76. 367 Stadtrat an Bauamt, 15.07.1932, StABlu, 51/76. 368 Stadtvertretungsprotokolle 1932, Sitzung vom 19.08.1932, S. 5, StABlu. 369 Bauausschuss an Stadtrat, 27.09.1932, StABlu, 51/76. 370 Stadtvertretungsprotokolle 1932, Sitzung vom 30.09.1932, S. 4, StABlu. 371 Maximilian Bickel an löbliche Stadtgemeinde, 10.01.1935, StABlu, 51/76. 372 Bürgermeister von 1930-38. 373 Bürgermeister Jochum an Maximilian Bickel, 11.10.1935, StABlu, 51/76.

96 an den langjährigen Untervogt und Richter, der während der Sternbachzeit im 18. Jahrhundert in Bludenz wirkte.374

Am 14. November 1936 kam es in der achten Sitzung des Gemeindetages schließlich zu einer weiteren, vorerst letzten Diskussion über die Straßen in dieser Gegend. Hierbei wurde beschlossen, die Spielplatzstraße in Unterfeldstraße umzubenennen und den damit freigewordenen Namen Spielplatzstraße von nun an statt Im Hof zu verwenden. Beide Straßenzüge haben diesen Namen noch heute. Außerdem kam es an diesem Tag noch zur Benennung der Straße, die vom Unterstein, entlang des Spielplatzes bis zur damaligen Bundesstraße führt, auf den Namen Ziegelhüttenstraße, und es wurde in dieser Sitzung zudem noch ein Straßenzug in einem anderen Stadtgebiet benannt: Zwischen der Bahntrasse und der Klarenbrunnstraße erhielt ein neuer Verkehrsweg den Namen Siedlerweg.

Es dauerte ziemlich lange, bis in Bludenz auch nicht lokale Politiker einen Platz im Straßennetz bekamen. Im Sommer 1934 war es aber schließlich so weit: Am 30. Juli 1934 kam es im Gemeindetag zu einer Trauerkundgebung für den „obersten Führer, Bundeskanzler Dr. Dollfuß, der durch mörderische Hand am 25. Juli d. J. den Opfertod für unser Vaterland fand“375. Die Ortsgruppe Bludenz der Vaterländischen Front richtete daraufhin am 13. August 1934 ein Schreiben an den Gemeindetag mit der Idee, als erste Stadt im Land einen Straßenzug nach Engelbert Dollfuß zu benennen. Ihr Vorschlag war, die Werdenbergerstrasse in Kanzler- Dollfuss-Strasse umzubenennen.376 Gut einen Monat nach ihrer letzten Sitzung, am 31. August 1934, entschied man sich, zu Ehren des ermordeten Kanzlers den Platz vor den Amtsgebäuden, der seit deren Errichtung als Amtsplatz bezeichnet wurde, in Kanzler Dollfussplatz umzubenennen. Am Ende der Sitzung wurde außerdem ein Dankesschreiben der Vaterländischen Front verlesen377: „Als Hüter des Vermächtnisses de[s] verstorbenen Kanzlers Dr. Dollfuss erachtet die Vaterländische Front es für ihre Pflicht, dem Gemeindetag von Bludenz hierfür den aufrichtigsten Dank zum Ausdruck zu bringen. Österreich!“378 Diese Zweitbenennung des Platzes sollte aber noch lange nicht die letzte gewesen sein, wie der Abb. 20: Werbeeinschaltung der Familie Fritz für ihr Café am Dollfußplatz Verlauf der weiteren Geschichte des Platzes zeigen wird.

374 Wieser, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen, S. 135. 375 Stadtvertretungsprotokolle 1934, Sitzung vom 30.07.1934, S. 1, StABlu. 376 Ortsleiter Vaterländische Front an Gemeindetag Bludenz, 13.08.1934, StABlu, 51/130. 377 Stadtvertretungsprotokolle 1934, Sitzung vom 31.08.1934, StABlu. 378 Bezirksleiter Vaterländische Front an den Gemeindetag Bludenz, 31.08.1934, StABlu, 51/130.

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4.6. Der Einfluss des Nationalsozialismus

Als die Nationalsozialisten in der Nacht vom 11. auf den 12. März 1938 in Österreich einmarschierten und die Macht übernahmen, war deren Einfluss auch in Bludenz schnell spürbar. Am 11. März marschierte bereits eine Reihe von Menschen von der Fohrenburg aus durch die Stadt, unter ihnen auch Bludenzer SS-Mitglieder, am 12. März zog ein Fackelzug, vom Bahnhof beginnend, bis zum Riedmiller-Denkmal. Der militärische Anschluss erfolgte durch die deutsche Schutzpolizei aus München. Die Bludenzer Garnison wurde in kürzester Zeit in die Wehrmacht eingegliedert. Zum ersten NS-Bürgermeister wurde der lange Zeit wegen illegaler Betätigung inhaftierte Anton Hutter379 ernannt. Bei der manipulierten Abstimmung vom 10. April erreichte die ‚Zustimmung‘ für die NSDAP in Bludenz mit über 99% vorarlbergweit den höchsten Anteil an JA-Stimmen.380

Der Anschluss Österreichs hatte schon bald beträchtliche Auswirkungen auf die Benennung von Straßen und Plätzen durch die Nationalsozialisten. Spürbar war das nicht nur in der gesamten Ostmark, damit natürlich auch in Bludenz, sondern auch im Altreich, was unter anderem auch auf Bludenz Auswirkung zeigen sollte. Am 1. April 1938, also noch neun Tage vor der Volksabstimmung, kam es in Stuttgart zur Umbenennung zahlreicher Straßen im Stadtteil Feuerbach, zu Ehren der „Wiedervereinigung Oesterreichs mit dem Deutschen Reich, [der] Sehnsucht von Jahrhunderten381“. Oberbürgermeister Karl Strölin verkündete dort, er habe „zur dauernden Erinnerung an diese großen Tage der deutschen Geschichte, die wir miterleben durften, eine Reihe von Straßen in Stuttgart nach Ländern und Städten Oesterreichs benannt, die nun auf immer zu Deutschland gehören.“382 Es waren dies genau 20 Straßen, nachdem bereits zuvor zehn Straßen einen Österreichbezug aufwiesen. Unter den neuen Straßen befanden sich auch eine Bregenzer, eine Dornbirner und eben auch eine Bludenzer Straße.383 Es wurde an jenem 1. April auch ein Schreiben an den Bludenzer Bürgermeister Hutter gerichtet, in dem die Verbundenheit Stuttgarts mit der Gemeinde Bludenz zum Ausdruck gebracht wird.384 Eine weitere Umbenennung verkündete der Bürgermeister von in

379 Bürgermeister von 1938-40. 380 Thomas Rüscher, Parteien und Politik in der Alpenstadt, in: Bludenz. Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts, hrsg v. Norbert Schnetzer/Andreas Rudigier, Graz 2015, S. 198–265, hier: S. 227–228. 381 Erlass von Oberbürgermeister Strölin. Straßenbenennungen aus Anlaß der Heimkehr Oesterreichs zum Reich, Stuttgart 01.04.1938, StABlu, 51/76. 382 Ebd. 383 Diese hieß zuvor Metzstraße. Eine Benennung nach einer französischen Stadt war nun von der NSDAP wenig überraschend ebenfalls nicht mehr erwünscht. (Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 09.04.1938, S. 3, Zugriff: 13.08.2020). 384 Ebd.

98 einem Schreiben an Hutter vom 30. April. Er habe bereits am 8. April, unter Zustimmung der Ratsherren und des Kreisleiters, eine Straße mit Bludenzer Straße benannt. Auch dafür bedankte sich Hutter am 2. Mai.385

Abb. 21: Werdenbergerstraße Richtung Westen zum damaligen Adolf-Hitler-Platz, Ansichtskarte 1939 – das Hakenkreuz in den Flaggen wurde zum Teil nachträglich retouchiert.

Bludenz selbst revanchierte sich zu diesem Zeitpunkt aber noch nicht. Allerdings schritt anderorts eine Entwicklung bzgl. einer Platzbenennung voran. Der Vorarlberger Landeshauptmann richtete sich bereits am 9. April 1938 in einem Schreiben an die Bürgermeister von Vorarlberg und erklärte darin, dass die Benennung von Straßen oder Plätzen nach dem ‚Führer‘ und Reichskanzler eine Genehmigung durch diesen benötige.386 In einem weiteren Schreiben, teilte der Landeshauptmann mit, es sei dem Reichskanzler wichtig, dass keine alten Traditionen oder eingebürgerte historische Bezeichnungen abgeändert werden sollen. In weiterer Folge richtete Toni Hutter am 11. April ein Schreiben an Adolf Hitler persönlich, in dem er erklärte, er habe am Tag vor der Abstimmung verkündet, den bisherigen Dollfußplatz in Adolf-Hitler-Platz umzubenennen. Er ersuchte dabei auch um die Genehmigung dieser Umbenennung, dass die Stadt Bludenz „ihren Hauptplatz mit dem Namen des Führers

385 Erlass von Oberbürgermeister Strölin, 01.04.1938. 386 Landeshauptmannschaft Vorarlberg an Bürgermeister von Vorarlberg, 09.04.1938, StABlu, 51/153.

99 auf ewige Zeiten schmücken darf.“387 Die Antwort aus Berlin durch den Ministerialdirektor erfolgte am 20. April, die Umbenennung wurde erlaubt.388

Nach diesen anfänglichen Straßen- bzw. Platz-Benennungen nach Adolf Hitler, die sich schnell über das gesamte nunmehr Großdeutsche Reich verbreiteten, kam die Frage auf, nach wem oder was sonst noch Straßen benannt werden sollten bzw. durften. Hierzu richtete sich die Landeshauptmannschaft an die Vorarlberger Gemeindeämter und erklärte es als „Ehrenpflicht“389, Straßen nach den „Blutzeugen der Bewegung“ zu benennen. Ebenfalls erlaubt war die Benennung nach den Personen, die bereits länger an Hitlers Seite wirkten, wie Rudolf Hess oder Hermann Göring. Jedoch sollte von Benennungen nach „Angehörigen des gesamten Führerkorps im Lande Österreich“390 abgesehen werden. Da man von Seiten der NSDAP die Umbenennungen aber nicht ausarten lassen wollte, rief man auch des Öfteren zur Vorsicht bei Umbenennungen auf, traditionelle Namen sollten ja erhalten bleiben. Dies gelte aber nicht für Straßen mit jüdischen Namen, sie sollten sofort geändert werden.391 Da auch kirchliche Namen nicht gern gesehen waren, spielte Hutter im Dezember 1938 mit dem Gedanken, die St. Peter-Straße in Straße der S.A. umzubenennen.392 Obersturmführer Kölbl, der Führer der Vorarlberger Gebirgs-Jäger-Standarte, antwortete darauf, dass „die ganze SA des Landes [den] Entschluß freudigst begrüßen wird.“393 Kölbl erwähnt außerdem, dass Hutter der erste Bürgermeister des Landes sei, der der SA eine Ehrung in einer solchen Form erweisen wolle.394 Danach sind allerdings bezüglich einer Umbenennung keine weiteren Aufzeichnungen mehr zu finden, und Hutter schien die Idee letztlich verworfen zu haben.

Am 2. Februar 1939 erreichte ein Brief aus Stuttgart den Bludenzer Bürgermeister in dem man daran erinnert wurde, dass im Jahr zuvor in Stuttgart eine Bludenzer Straße benannt worden sei und dass man in Stuttgart derzeit eine statistische Erhebung durchführe, in welchen Städten der Ostmark die Stadt Stuttgart verewigt sei.395 Diese freundlich, aber bestimmt formulierte Erinnerung veranlasste Hutter fünf Tage später zu einer Antwort, in der er dem Stuttgarter Oberbürgermeister die Benennung eines Straßenzugs nach Stuttgart versprach und ihn zu einem

387 Bürgermeister Hutter an Führer und Reichskanzler Adolf Hitler, 11.04.1938, StABlu, 51/153. 388 Ministerialdirektor Berlin an Bürgermeister der Stadt Bludenz, Berlin 20.04.1938, StABlu, 51/153. 389 Landeshauptmannschaft Vorarlberg an alle Gemeindeämter, Bregenz 19.05.1938, StABlu, 51/153. 390 Landeshauptmannschaft Vorarlberg an alle Gemeindeämter, Bregenz 19.05.1938, StABlu, 51/153. 391 Landrat an Bürgermeister des Landkreises Bludenz, 03.02.1939, StABlu, 51/76. 392 Bürgermeister Hutter an Sturmbannführer der S.A. in Bludenz, 01.12.1938, StABlu, 51/76. 393 Obersturmbannführer Kölbl an Bürgermeister Hutter, 06.12.1938, StABlu, 51/76. 394 Ebd. 395 Stadtrat i.V. an Bürgermeister Hutter, Stuttgart 02.02.1939, StABlu, 51/76.

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Abb. 22: Bludenzer Straße in Stuttgart, Abb. 23: Stuttgarter Straße in Bludenz, 2019 2019 späteren Zeitpunkt darüber informieren wollte.396 Passenderweise bedurfte es damals gerade zweier Namen für im Obdorf neu errichtete Straßen. Für diese beiden Straßenzüge hatte Alpinschriftsteller Walther Flaig bereits einige Tage zuvor, am 30. Jänner, zwei Vorschläge gemacht, weil auch sein Haus an einem dieser Wege lag. Da im Obdorf die Bezeichnung Weg üblich sei, schlug Flaig vor diesen Brauch weiterzuführen. Die beiden Wege lagen abzweigend vom Walserweg, weshalb er zur Erhaltung der Stammesnamen die Bezeichnungen Schwabenweg und Keltenweg vorschlug. Letzteren ersetzte er später allerdings durch Alemannenweg.397 Er erhielt für die Vorschläge zuerst keine Antwort, weshalb er sie am 8. März noch einmal wiederholte.398 Am 24. April entschied sich Bürgermeister Hutter in einer Sitzung mit den Ratsherren schließlich zur Benennung einer der Straßen mit Stuttgarter-Straße. Dies gab er dem Landrat sowie der Stadt Stuttgart am 8. Mai bekannt und er erklärte, dass er sich damit für die Benennung der Bludenzer Straße revanchieren wolle.399 Es brauchte hierfür jedoch auch die Zustimmung der Kreisleitung. Am 30. Mai erhielt Hutter schließlich die Zusage von Kreisgeschäftsführer Piazzi, dass der Kreisleiter Hans Bernard mit der Benennung einverstanden sei.400 Bezüglich der Alemannen-Straße holte Hutter schließlich von der

396 Bürgermeister Hutter an Oberbürgermeister der Stadt der Auslandsdeutschen Stuttgart, 07.02.1939, StABlu, 51/76. 397 Walther Flaig and Stadtgemeinde Bludenz zu Händen des Stadtbauamtes, 30.01.1939, StABlu, 51/76. 398 Walther Flaig and Stadtgemeinde Bludenz zu Händen des Stadtbauamtes, 08.03.1939, StABlu, 51/76. 399 Bürgermeister Hutter an Landrat bzw. an Oberbürgermeister in Stuttgart, beide: 08.03.1939, StABlu, 51/76. 400 Kreisgeschäftsführer NSDAP Piazzi an Bürgermeister Hutter, 30.05.1939, StABlu, 51/76.

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Kreisleitung schon vor der Benennung die Zustimmung von Kreisleiter Bernard ein401, bevor er dies am 14. Juni dem Landrat mitteilte.402 Erst im Juli 1939 war dann in den Vorarlberger Medien erstmals von diesen Neubenennungen zu lesen, nämlich im „Vorarlberger Tagblatt“. Hier wurde auch angemerkt, dass weitere Benennungen nach Stämmen sinnvoll wären, wie etwa eine Keltenstraße oder eine Römerstraße.403 Aufgrund der idealen sonnenseitigen Lage begann im Herbst 1939 die Planung für die Errichtung einer SS-Siedlung an diesen beiden Straßenzügen.404 Beide Straßen weisen somit sowohl in ihren Namen als auch in ihrer Benennungsgeschichte eine eindeutige Verbindung zum Deutschen Reich auf. Dennoch gibt es beide Straßen noch heute in dieser Namensgebung; eine Umbenennung wurde immer nur zaghaft überlegt. Dasselbe gilt auch für die Bludenzer Straße in Stuttgart.405 Die Bludenzer Straße im Heilbronner Stadtteil Böckingen gibt es hingegen nicht mehr.406 Auch eine Bludenzer Stube, die im Sommer 1939 in Nürnberg für die Wehrmacht errichtet wurde, ist Geschichte.407

Nach der am 23. Juni 1939 besiegelten sogenannten „Berliner Vereinbarung“ schlossen Adolf Hitler und Benito Mussolini am 21. Oktober das Hitler-Mussolini-Abkommen, in dem die Umsiedlung der deutschsprachigen Bevölkerung in Italien beschlossen wurde. Im Zuge dieser „Option“ gab es zwei Wahlmöglichkeiten: Die Leute, die sich zu Deutschland bekannten, mussten ins Deutsche Reich umsiedeln und die, die in Italien bleiben wollten, sollten für immer als Italiener gelten. Die geographische Grenze sollte also auch zur völkischen gemacht werden. Die Anzahl der Personen, die in diesem Zuge nach Vorarlberg kamen, ist nicht vollständig geklärt. Die Zahlen variieren zwischen 5.700 und 12.000 Umsiedlern.408 Im Zuge dieser Migration kam es vielerorts zum Bau von Südtiroler Siedlungen, u.a. in Bludenz, wo im Herbst 1940 mit dem Bau nahe des Antonius-Waldes an der Gemeindegrenze Richtung Nüziders begonnen wurde. Es sollten insgesamt über 270 Wohnungen entstehen.409 Im November 1941 waren bereits zwei Drittel der Häuser in Bau, im weiteren Verlauf des Krieges wurde jedoch

401 Anm. am 10. Juni 1939 erfolgte die Antwort mit der Erlaubnis der Benennung (vgl. Kreisgeschäftsführer NSDAP Piazzi an Bürgermeister Hutter, 10.06.1939, StABlu, 51/76). 402 Bürgermeister Hutter an Landrat, 14.06.1939, StABlu, 51/76. 403 Vorarlberger Tagblatt, 08.07.1939, S. 7, Zugriff: 13.08.2020. 404 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 18.11.1939, S. 6, Zugriff: 13.08.2020. 405 Vgl. Landeshauptstadt Stuttgart, Stuttgarter Straßennamen, S. 9. 406 Vgl. Website Stadt Heilbronn, Zugriff: 13.08.2020. 407 Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 05.08.1939, S. 3, Zugriff: 13.08.2020. 408 Karl Gerstgrasser, Die Umsiedlung der Südtiroler, in: Die Bludenzer Südtiroler-Siedlung und ihre Bewohner. Zur Entstehung und Sozialgeschichte eines Stadtteiles, hrsg. v. Peter Bußjäger/Josef Concin/Karl Gerstgrasser (= Bludenzer Geschichtsblätter 43–45), Bludenz 1998, S. 9–18, hier: S. 9–11. 409 Peter Bußjäger, „Gewiß ein schönes Stück Erde und Heimat“. Zur Entstehung der Bludenzer Südtiroler- Siedlung, in: Die Bludenzer Südtiroler-Siedlung und ihre Bewohner. Zur Entstehung und Sozialgeschichte eines Stadtteiles, hrsg. v. Peter Bußjäger/Josef Concin/Karl Gerstgrasser (= Bludenzer Geschichtsblätter 43–45), Bludenz 1998, S. 19–84, hier: S. 50–52.

102 die Anschaffung von Baumaterialien immer schwieriger, sodass die Baumaßnahmen ins Stocken gerieten. Einige Häuser konnten schließlich sogar erst in der Nachkriegszeit fertiggestellt werden.410 Bereits im Februar/März 1942 wurden aber die ersten Wohnungen bezogen, und zwar nicht nur von Südtiroler Optanten, sondern aufgrund der großen Wohnungsnot auch von Leuten aus Bludenz und Umgebung sowie Umsiedlern aus dem ehemaligen Jugoslawien, aus Polen oder Litauen. Laut Pfarrer Alois Rheinberger waren es auch viele, die der NSDAP nahestanden. Grund dafür, dass es keine ausschließliche Siedlung der Südtiroler wurde, war wohl auch der etwas zähe Baubeginn, zu diesem Zeitpunkt war die

Abb. 24: Südtirolersiedlung in Bludenz mit den provisorisch A-Straße und B-Straße benannten Verkehrswegen, ca. 1945

Umsiedlung der Optanten nämlich bereits fast abgeschlossen.411 1942 begann nun, bereits unter dem neuen Bürgermeister Max Troppmayr412, die Suche nach passenden Straßennamen. Vorübergehend wurden die Straßen zur Südtiroler Siedlung und in der Siedlung selbst mit den provisorischen Namen Hauptstraße, A-Straße, B-Straße, C-Straße und Sackgasse versehen.413 Stadtarchivar Karl Hane machte in einer mehrseitigen Aufstellung drei konkrete Vorschläge von Namen, die er im Bludenzer Stadtbild verewigt sehen wollte: Matthias Purtscher, Alois

410 Ebd., S. 56–59. 411 Peter Bußjäger, Zur Sozialgeschichte der Südtiroler-Siedlung, in: Die Bludenzer Südtiroler-Siedlung und ihre Bewohner. Zur Entstehung und Sozialgeschichte eines Stadtteiles, hrsg. v. Peter Bußjäger/Josef Concin/Karl Gerstgrasser (= Bludenzer Geschichtsblätter 43–45), Bludenz 1998, S. 85–198, hier: S. 88–89. 412 Bürgermeister von 1938-40. 413 Bludenz Lageplan, Jänner 1944, StABlu, 51/76.

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Negrelli und Eduard Fleisch.414 Eine Entscheidung wurde erst lange nach Kriegsende im April 1949 getroffen, als vom Kulturring der Stadt Bludenz die Namen Sonnenbergstraße, St. Antonius Strasse, Meranergasse und Boznergasse vorgeschlagen wurden.415 Am 23. Juni 1949 kam es schließlich zur endgültigen Benennung der nach Südtiroler Städten benannten Straßenzüge in ihre heute noch gültige Form: Meranerstrasse und Boznerstrasse. Die provisorische Sackgasse wurde Teil der Boznerstrasse.416

Der Einfluss der NSDAP auf die Straßenbenennungen war insgesamt sehr groß, nicht nur in Bludenz. Die Nationalsozialisten sahen die Chance, die Bevölkerung durch die Benennung von Straßen und Plätzen zu beeinflussen und zu manipulieren. Besonders wichtig war ihnen der Versuch, sich dabei vordergründig immer auf Traditionen zu beziehen. Dementsprechend kam es während des Regimes erstmals zum offiziellen Beschluss, dass der öffentliche Raum nicht nach lebenden Personen benannt werden dürfe. Selbst bei der geplanten Benennung nach einem NS-Politiker musste die Partei-Kanzlei eine Zustimmung erteilen. Dies geht aus einer Verordnung vom November 1942 hervor.417 Mit fortschreitender Verschärfung der Diktatur suchte Hitler auch immer häufiger den offenen Konflikt mit der Kirche. Dies zeigte sich schließlich auch im Straßenbild. So gab es bei einer Kreisleiterbesprechung im Jänner 1943 den Beschluss, dass konfessionelle Orts- und Straßenbezeichnungen mit der Zeit verschwinden sollten. Von den jeweiligen Orten musste eine Liste der konfessionell „belasteten“ Straßennamen angefertigt und an die Kreisleitung geschickt werden. Es wurde aber betont, dass die Aufgabe nicht sehr dringlich sei und auch nach dem Krieg verwirklicht werden könne.418 Nach einer weiteren Erinnerung am 25. März antwortete die Stadt am 30. März mit den entsprechenden Vorschlägen für die zu diesem Zeitpunkt sechs Straßenbezeichnungen in Bludenz, die einen konfessionellen Bezug hatten. Das vertrauliche Schreiben ist nicht unterzeichnet, wahrscheinlich aber vom Bürgermeister selbst verfasst worden. Bei drei Straßen schlug er vor, aufgrund des hohen bürokratischen Aufwands die Umbenennung erst nach dem Krieg vorzunehmen. In seinen mehrseitigen Ausführungen führte er aus, dass die Hauptstraße in der Südtiroler-Siedlung nach Schulrat Eduard Fleisch benannt werden solle.419 Danach verliert sich hier allerdings die Spur, und es kam wohl zu keinen weiteren Diskussionen mehr

414 Karl Hane an Bürgermeister Max Troppmayr, 08.11.1942, StABlu, 51/76. 415 Niederschrift Sitzung des Kulturringes der Stadt Bludenz, 08.04.1949, StABlu, 51/261. 416 Amt der Stadtgemeinde Bludenz, 23.06.1949, StABlu, 51/261. 417 Bekanntmachung des RSth., 29.11.1942, StABlu, 51/76. 418 Kreisleitung Hauptabschnittsleiter Wernfried Richter an Bürgermeister Troppmayr, 29.01.1943, StABlu, 51/76. 419 Stadt Bludenz (wahrscheinlich Bürgermeister Troppmayr) an Kreisleiter Richter, 30.03.1943, StABlu, 51/76.

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über Straßenumbenennungen, auch nicht bezüglich der St. Annastraße, der St. Peterstrasse und des Meßwegs – drei Straßen, deren Umbenennung eigentlich schon zugesagt worden war. Dies ist wahrscheinlich auf die immer misslichere Kriegssituation zurückzuführen. Überhaupt kam es bis zum Ende des Krieges lediglich zu zwei weiteren Neubenennungen von Straßen: dem Römerweg420, dessen Benennung zwar schon länger im Raum gestanden war, sich aber nicht sicher zurückverfolgen lässt, sowie dem Tränkeweg in der Bludenzer Au, der im Jänner 1944 benannt wurde.421

Mit dem Ende der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden vielerorts nach Adolf Hitler benannte Straßen und Plätze rasch umbenannt. Dies war auch einer der Punkte, die sich die Kommissarische Stadtvertretung Bludenz schnell zum Ziel setzte. Eine Vorreiterrolle spielte Bludenz dahingehend, dass man einen Straßenzug sogar nach einem Nazi-Opfer benennen wollte, denn kaum eine Stadt konnte sich so früh zu einer solchen Ehrung durchringen.422 Mit 9:2 Stimmen kam es am 6. Juli 1945 zur Umbenennung des Adolf-Hitler- Platzes in Jeller-Platz, benannt Abb. 25: Alois Jeller, letztes nach dem von den Opfer der Nationalsozialisten in Bludenz Nationalsozialisten am 3. Mai

1945, also buchstäblich in letzter Sekunde vor deren Flucht, ermordeten Widerständler Alois Jeller. Der Erstantrag auf Befreiungsplatz wurde abgewiesen.423 In der elften Sitzung am 2. August 1945 wurde die Benennung des Platzes erneut diskutiert, da inzwischen gegen die Bezeichnung als Jeller- Platz Einspruch erhoben worden war424. Man entschied sich schließlich mit 7 von 11 Stimmen dafür, den Adolf-Hitler- Abb. 26: Ehrengrab Jellers auf Platz in Freiheitsplatz umzubenennen. Stattdessen solle Alois dem Städtischen Friedhof; Jeller mit einem Straßenzug geehrt werden, nämlich durch die mittlerweile aufgelassen, 1995

420 Durch die Benennung des Römerwegs wurde auch die Tradition der Benennung nach alten Völkern, die von den Nationalsozialisten speziell gefördert wurde, weitergeführt. 421 Bludenz Lageplan, Jänner 1944, StABlu, 51/76. 422 Franz J. Fröwis, Das Kriegsende in Bludenz (= Bludenzer Geschichtsblätter 27), Bludenz 1995, S. 29. 423 Protokolle der Kommissarischen Stadtvertretung Bludenz, Sitzung vom 06.07.1945, S. 3, StABlu. 424 Aus einem Schreiben der Bezirkshauptmannschaft geht hervor, dass die Berufung von Otto Geiger eingelegt wurde. In den Sitzungsprotokollen ist kein Name erwähnt (Bezirkshauptmann an Bürgermeister Eduard Dietrich, 06.10.1945, StABlu, 51/261).

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Umbenennung der Ziegelhüttenstraße im Unterfeld in Jellerstraße.425 Ebenfalls solle im Rathaus-Sitzungssaal eine Gedenktafel angebracht werden, ein Vorschlag, der jedoch nie ausgeführt wurde. Stattdessen gab es für Jeller einige Jahrzehnte später eine Gedenkstätte am Friedhof St. Peter.426

In den Folgejahren wurden zeitweilig auch Stimmen laut, die Stuttgarterstrasse umzubenennen. ÖVP-Gemeindevertreter Elmar Ulmer setzte sich am vehementesten für eine Umbenennung ein mit der unmissverständlichen Begründung: „Wir brauchen in unserem Österreich wohl keine Erinnerung mehr an die Stadt der Auslanddeutschen!“427 Bürgermeister Eduard Dietrich428 leitete die Bitte Ulmers um eine Umbenennung, zusammen mit dessen Vorschlägen Schweizerstrasse, Rhätikonstrasse, Mozartstrasse oder Leharstrasse, an den Fremdenverkehrs- und an den Kulturausschuss weiter.429 Es lassen sich jedoch keine weiteren Diskussionen bezüglich der Stuttgarterstraße wie auch der Alemannenstraße nachweisen, weder in der unmittelbaren Nachkriegszeit noch zu einem späteren Zeitpunkt. Die Tatsache, dass es diese Straßenbezeichnungen immer noch gibt, ist mit Sicherheit ein Umstand, über den nachgedacht werden sollte. Mit einer Umbenennung könnte eine weitere Erinnerung an die nationalsozialistische Herrschaft und deren Einfluss auf das Bludenzer Straßenbild beseitigt werden.

Es muss insgesamt festgehalten werden, dass der Einfluss der NSDAP auf die Bludenzer Straßennamen mit Sicherheit nicht so groß war wie in vielen anderen Städten, besonders den Großstädten Österreichs. Das zeigt auch ein Blick auf die Ergebnisse der speziell eingesetzten Kommissionen, die mit der Untersuchung der Straßennamen betraut wurden (s. Kapitel Erinnerungskultur). Zurückzuführen ist dies u.a. auf die große Vorsicht bei der Benennung nach Personen, die in Bludenz immer vorgeherrscht hat. Die Diskussionen über anstehende Umbenennungen der Straßennamen mit konfessionellem Bezug zeigen aber, dass es bei längerem Bestehen des Regimes durchaus noch zu weiteren Änderungen hätte kommen können.

425 Protokolle der Kommissarischen Stadtvertretung Bludenz, Sitzung vom 02.08.1945, S. 5, StABlu. 426 Fröwis, Kriegsende, S. 28–29. 427 Elmar Ulmer (Verkehrsamt der Stadt Bludenz) an Bürgermeister Dietrich, 11.03.1947, StABlu, 51/261. 428 Bürgermeister von 1945-1970. 429 Bürgermeister Dietrich an Fremdenverkehrsausschuss und Kulturausschuss, 14.03.1947, StABlu, 51/261.

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4.7. Notwendige Benennungen in den Randgebieten

Nach der im Dezember 1947430 erfolgten Benennung des Haldenwegs, der von der Ecke Jellerstraße/Untersteinstraße bis Rungelin führt, – es war die erste nicht mehr im Zusammenhang mit dem Krieg stehende in der Nachkriegszeit – gab es im April 1949 wieder einen größeren Benennungstag. Behandelt wurden dabei größtenteils die Straßen, die sich im Umfeld der Südtiroler-Siedlung befanden. Für die hier zu benennenden Straßen wurde erstmals im Rahmen offizieller Benennungen der Fokus auf alte Flurnamen gerichtet, um diese langfristig durch einen Straßennamen zu verorten. Am nordwestlichen Stadtrand wurden demnach zwei Straßen nach den Fluren Obderdaneu und Hinterplärsch benannt.431 Der bisherige Tobelweg wurde in Am Tobel umbenannt. Außerdem kam es zu Benennungen nach zwei Bergmassiven, was in Bludenz erstmals der Fall war.432 Eine Straße im Obdorf erhielt den Namen Rhätikonstraße, und der Weg vom Schloßplatz entlang des Montikels wurde mit Montikelweg433 benannt.

Ein ganz spezieller Fall ist in Bludenz die Engelbündtstraße. Auch dieser Name geht zurück auf eine alte Flur und wurde, wie bereits ausgeführt, bisher schon zweimal vergeben. Nachdem die Stuttgarterstraße nach dem Zweiten Weltkrieg aber nicht in Engelbündstraße rückbenannt worden war, konnte über diesen Namen wieder verfügt werden, und so wurde er für die Verbindung zum Oberfeldweg verwendet. Somit lauteten im Laufe der Geschichte der Stadt insgesamt drei verschiedene Straßen auf den Namen Engelbündtstraße. Die letzte dieser drei Straßen trägt den Namen bis heute.434

Ein Beispiel für die Partizipationsmöglichkeiten der Bevölkerung an der Benennung der Straßen in Bludenz zeigt sich in einem 1953 gefassten Beschluss: Nachdem es in Bludenz zum Bau weiterer Straßen gekommen war, machte der Kulturring einige Vorschläge, die von der Stadt zunächst aber nicht zur Benennung herangezogen wurden. Vielmehr beschloss der Stadtrat, in den obersten Klassen der Hauptschule sowie im Realgymnasium Vorschläge für die neuen Straßennamen ausarbeiten zu lassen. Dafür wurde sogar ein Preis in Aussicht gestellt.435

430 Stadtbauamt Bludenz and Standesamt Bludenz, 05.12.1947, StABlu, IVa/51-8. 431 Stadtvertretungsprotokolle 1949, Sitzung vom 29.04.1949, S. 5, StABlu. 432 Stadtvertretungsprotokolle 1949, Sitzung vom 29.04.1949, S. 5, StABlu. 433 Die Idee zur Benennung mit Montikelweg kam bereits unter dem Nazi-Regime, da dieser Straßenzug bereits im Lageplan von 1944 orange markiert mit Fragezeichen auftaucht (vgl. Lageplan Bludenz, Jänner 1944, StABlu 51/76). Heute ist der Weg nicht mehr offiziell Teil des Bludenzer Straßennetzes und verläuft lediglich als reiner Forstweg vom Alters- und Pflegeheim Richtung Montikel hinauf. 434 Stadtvertretungsprotokolle 1949, Sitzung vom 29.04.1949, S. 5, StABlu. 435 Stadtratssitzung vom 30.11.1953, StABlu, 51/261.

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Die Knabenschule richtete bereits am 7. April 1954 ein Schreiben an die Stadtgemeinde, in dem einige Vorschläge unterbreitet wurden, die später auch den endgültigen Benennungen sehr nahekamen. Allerdings muss dazugesagt werden, dass die Vorschläge anscheinend vom Lehrkörper bzw. von der Direktion gemacht worden waren und nicht von den SchülerInnen selbst kamen.436 Der Vorschlag der Mädchenhauptschule war sehr flüchtig von Hand geschrieben und ohne einen Beleg, wer die Ideen zu den Namen hatte.437 Am ausführlichsten war der Entwurf des Bundesrealgymnasiums vom 7. Juli 1954. Für alle zehn Straßen wurden zumindest vier, bei manchen sogar neun Vorschläge gemacht, wobei auch die Namen der SchülerInnen und ihre Klassen, die an der Auswahl mitgewirkt hatten, angefügt waren.438 Die nächste eingesetzte Instanz war dann wieder der Kulturring, der vom Bürgermeister beauftragt wurde, die Vorschläge, die vom Bauausschuss bereits im August 1953, von den Schulen im Frühjahr 1954 gemachten worden waren, zu evaluieren und sich schließlich mit konkreten Vorschlägen an den Stadtrat zu wenden.439 Wie lange man sich dieses Mal bei der Benennung Zeit ließ, geht auch aus den Stadtvertretungsprotokollen hervor: Sowohl in der Sitzung vom 10. November440 als auch in der vom 30. Dezember441 und schließlich sogar in jener vom 17. Mai442 des Folgejahres wurde der Punkt vertagt. Im August 1955, als die Entscheidung immer noch nicht gefallen war, bat man noch Ferdinand Rief und Lorenz Neyer, zwei ältere Bludenzer, um Vorschläge für die neuen Straßennamen, die diese auch einreichten.443

Schlussendlich kam es nach doch sehr langen und zähen Besprechungen – sie dauerten von der ersten Idee bis zur Benennung über zwei Jahre – am 23. September 1955 zur Beschlussfassung in der Stadtvertretung.444 Nie, weder zuvor noch danach, hatten sich die Diskussionen über neue Straßennamen derart in die Länge gezogen. Anscheinend wollte man bei den Benennungen besonders auf die Geschichte der Stadt eingehen. So wurden erneut diverse Straßenzüge mit Flurnamen benannt, wie etwa Am Zoll und Vogelherd oder auch Almeinweg. Außerdem kam es zu kleineren Umbenennungen: Die bisherige Schulstraße erhielt den neuen Namen

436 Knabenschule Bludenz an Stadt Bludenz, 07.04.1954, StABlu, 51/261. 437 Mädchenhauptschule Bludenz an Stadt Bludenz, o. D., StABlu, 51/261. 438 Bundesrealgymnasium Bludenz an Stadt Bludenz, 07.07.1954, S. 1–2, StABlu, 51/261. 439 Vertretung von Bürgermeister Dietrich an Kulturring der Stadt Bludenz, 10.07.1954, StABlu, 51/261. 440 Stadtvertretungsprotokolle 1954, Sitzung vom 10.11.1954, S. 7, StABlu. 441 Stadtvertretungsprotokolle 1954, Sitzung vom 30.12.1954, S. 5, StABlu. 442 Stadtvertretungsprotokolle 1955, Sitzung vom 17.05.1955, S. 9, StABlu. 443 Bürgermeister Dietrich an Ferdinand Rief und Lorenz Neyer, 25.08.1955, StABlu, 51/261. 444 Quelle für alle nun folgenden Straßenbezeichnungen dieses Benennungstags: Stadtvertretungsprotokolle 1955, Sitzung vom 23.09.1955, S. 7–8, StABlu.

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Schulweg445, und die Spitalgasse wurde verlängert, umfasste nun auch den bisherigen Straßenzug Im Winkel. Die alte Bludenzer Tradition der Benennungen nach Wirtschaft und Gewerbe wurde mit der Benennung der Schmittenstraße fortgesetzt. Sie erhielt ihren Namen in Anlehnung an die Schmiede des ehemaligen Vizebürgermeisters Muther. Neben dieser gab es im Gebiet bis zur Gunz-Mühle am östlichen Stadtausgang elf weitere Schmieden, die sich hier verteilt befanden.446 Eine Straße, die von der neuen Schmittenstraße abzweigt, wurde mit dem Namen Von Sternbachstraße versehen. Der Name geht nicht zurück auf eine bestimmte Person, sondern auf das gesamte Geschlecht der Von Sternbach. Es war eine Familie aus dem Tiroler Adel, die 1730 mit dem Kauf der Pfandschaften Bludenz und Sonnenberg mit der Vogtei und dem Schloss zu Bludenz in der Stadt Fuß fassten. 1744 wurde der Pfandbesitz schließlich in einen Lehensbesitz ausgedehnt, was ihre Besitztümer gewaltig erweiterte, u.a. auf den Blutbann, die Jagdbarkeit, die Fischerei, Wasserleitungen, Zinsen und Gülten oder auch Zoll- und Strafgelder. Für die Nachwelt lebendig blieben sie vor allem durch den Neubau des Schlosses Gayenhofen zwischen 1745 und 1752, für den riesige Summen von mehreren Tausend Gulden ausgegeben wurden.447 Die Freiherren von Sternbach hatten bis zum Beginn der bayrischen Regierung die Vogtei inne, verzichteten nach der Rückkehr zu Österreich 1814 allerdings auf die Gerichtsbarkeit. Das Schloss gehörte ihnen jedoch bis 1936, ehe es an die Stadtgemeinde verkauft wurde.448 Um den Namen des Sternbach’schen Schlosses langfristig zu erhalten, wurde der Schloßplatz daher in der Stadtvertretungssitzung vom 2. Februar 1962 in Schloß Gayenhofplatz umbenannt.449 Der Name des Schlosses blieb jedoch viel diskutiert, denn eigentlich war die Bezeichnung „Gayenhofen“ eine Erfindung des 19. Jahrhunderts und geht zurück auf eine falsch gedeutete Urkunde von 1565. Zur Sternbach’schen Zeit war das Schloss demnach nicht unter diesem Namen, sondern vielmehr unter „Schloss Bludenz“ bekannt.450

Genauso wie das Unterfeld wurden auch Gebiete in der Bludenzer Au im ersten Jahrzehnt nach dem Zweiten Weltkrieg immer stärker verbaut. Bereits 1945 entstand hier eine Haltestelle der Montafonerbahn. Diese wurde im Einklang mit der sich dort in der Nähe befindenden Straße

445 Hier wurde mehrfach der Vorschlag eingebracht, die Straße auf einen personenspezifischen Straßennamen umzubenennen. Im Raum standen Benennungen nach Johann Jehly oder Alfons Leuprecht. 446 Vorschläge für Straßenbenennungen, Schreiben an Stadt Bludenz, o. D., StABlu, 51/261. 447 Scheffknecht, Bludenz im Jahrhundert der Aufklärung, S. 322–324. 448 Ulmer/ Rapp/ Schöch, Topographisch-historische Beschreibung, S. 80–81. 449 Stadtvertretungsprotokolle 1962, Sitzung vom 02.02.1962, S. 8, StABlu. 450 Manfred Tschaikner, Schloss Gayenhofen in Bludenz – eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, in: Bludenzer Geschichtsblätter 93, Bludenz 2009, S. 3–29, hier: S. 25.

109 als Im Moos bezeichnet.451 Da im Gebiet Au/Klarenbrunn nun ein neuer, längerer Straßenzug entstand, entschied man sich in der Stadtvertretungssitzung vom 19. Oktober 1956, diesen neuen Straßenzug Im Moos zu nennen und den bisherigen Weg mit dieser Bezeichnung, der vom Wächterhaus 100 bis zum Tränkeweg führte, auf den Flurnamen Wiesenrain umzubenennen.

Abb. 27: Grete Gulbransson- Abb. 28: Geburtshaus der Künstlerin in der Halde, 1886 Jehly in jungen Jahren Dass es die Stadt auch als Aufgabe sah, die Volkskultur im Straßenbild nicht zu kurz kommen zu lassen, zeigte sich schließlich im Jahr darauf, weniger in der Benennung der Gemeindegrenze zu Nüziders als Grenzweg, als vielmehr mit der Benennung eines Funkawegs im Unterfeld, der auf den traditionellen Brauch des Funkenabbrennens zurückgeht.452 Der dritte zu benennende Straßenzug an diesem Tag sollte ursprünglich auf den Namen Am Schwimmbad lauten, da er an diesem entlang führt.453 Allerdings entschied man sich bei der Stadtvertretungssitzung schließlich dafür, von dieser Bezeichnung abzusehen, und wählte stattdessen den Namen Grete Gulbranssonweg.454 Auf diese Weise wurde die Schriftstellerin Grete Gulbransson mit einem Straßenzug am Fuße der Halde geehrt, unweit davon, wo das „Halda-Greteli“ als Tochter des Jakob Jehly und der Wanda Douglass-Jehly seine Kindheit verbracht hatte. Aus der Zeitung erfuhr Gulbranssons Sohn, der in München lebende Architekt Olaf Andreas Gulbransson, von der Benennung und bedankte sich in einem handschriftlichen Schreiben vom 3. März 1957 beim Bürgermeister persönlich, „denn sicherlich ist der Gedanke

451 Provisorischen Stadtvertretung Bludenz, Sitzung vom 28.12.1945, S. 3, StABlu. 452 Stadtvertretungsprotokolle, Sitzung vom 04.02.1957, S. 3, StABlu. 453 Stadtratssitzung vom 21.01.1957, StABlu, 51/261. 454 Stadtvertretungsprotokolle, Sitzung vom 04.02.1957, S. 3, StABlu.

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– so wie ich Sie kenne – Ihrem Kopfe entsprungen.“455 Von Geburt an war Grete Jehly in die gehobenere Gesellschaft integriert. Nach dem Tod ihrer Eltern zog sie als 20-Jährige nach München und fand schnell Zugang zu bekannten Künstlerkreisen. Sie hatte auch berühmte Schriftsteller wie Hermann Hesse oder Hugo von Hofmannsthal zu Gast. Außerdem heiratete sie 1906 den norwegischen Künstler Olaf Gulbransson, von dem sie sich aber 1923 wieder scheiden ließ. Nachdem sie mit ihren Gedichten keinen großen Erfolg gehabt hatte, schrieb sie Balladen und Dramen, die in Zusammenhang mit der Vorarlberger Geschichte standen. Ihr bedeutendstes Werk ist der Roman Geliebte Schatten. Eine Chronik der Heimat, eine Familienchronik, die auf den Erinnerungen ihrer Mutter basiert. Er erschien erst 1934 kurz nach ihrem Tod, wurde aber dennoch, oder vielleicht gerade deshalb, ein Verkaufsschlager.456 Die Verewigung Grete Gulbranssons im Bludenzer Straßennetz war in mehrerlei Hinsicht eine Besonderheit. Es war einerseits nach Josef Wichner erst die zweite literarische Persönlichkeit, die in Bludenz mit der Bezeichnung einer Straße geehrt wurde. Andererseits war sie, anders als die Hl. Anna, die Patin der St. Anna-Straße ist, die erste reale weibliche Person, die im Bludenzer Straßenbild verewigt wurde und dies bis heute ist.

In den folgenden Jahren trat im Hinblick auf Straßenbenennungen eine gewisse Ruhe ein. Es kam straßentechnisch zur Neugestaltung der Landesstraßen, was auf dem Gemeindegebiet von Bludenz nur auf die Bezeichnung der Montafonerstraße Auswirkung hatte.457 Nicht stattgegeben wurde im Juli 1958 einem Antrag von Walther Flaig auf die Benennung der Straßengabelung Mutterstraße/Alte Landstraße/Walserweg/Spitalgasse mit Anton-Neyer-Platz. Auch die dafür oftmals verwendete Bezeichnung Walserstern konnte sich nicht durchsetzen.458 Eine längere Diskussion gab es mit der Gemeinde Nüziders bzgl. der Umbenennung des Grenzwegs in Zollgasse (vgl. Straßennamenregister).459 Am Tag der Benennung des Schloß Gayenhofplatzes kam es zudem zur Benennung eines Weges am Fuße der Stadtteile Rungelin und Halde mit Im Halda-Wingert. Es ist dies einer der wenigen Straßennamen, bei dem man sich für eine dialektal gefärbte Variante entschieden hat. Der Name stellt einen Bezug her zu Weingärten, die es hier in früheren Zeiten gegeben hat.460

455 Olaf Andreas Gulbransson an Bürgermeister Dietrich, 03.03.1957, S. 1, StABlu, 51/261. 456 Jürgen Thaler, Heimatschützer, Außenseiter, Avantgardisten. Bludenz und die Literatur, in: Bludenz. Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Norbert Schnetzer/Andreas Rudigier, Graz 2015, S. 548–577, hier: S. 557–559. 457 Stadtratssitzung vom 21.10.1957, StABlu, 51/261. 458 Bürgermeister Dietrich an Stadträte der Stadt Bludenz, 26.07.1958, StABlu, 51/261. 459 Stadtratssitzung vom 23.10.1961, StABlu, 51/261. 460 Stadtvertretungsprotokolle 1961, Sitzung vom 02.02.1962, S. 8, StABlu.

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Eine große Bedeutung für ganz Vorarlberg hatte schließlich das in den 1960er Jahren verfasste, mehrbändige Werk Vorarlberger Flurnamenbuch von Werner Vogt, für das eigene Flurnamenkarten angefertigt wurden, die eine große Zahl alter Flurnamen der jeweiligen Regionen beinhalteten.461 Im September 1964 wurde im Stadtrat neben der Notwendigkeit weiterer Benennungen im Stadtgebiet auch erstmals die Frage aufgeworfen, ob die zur Stadtgemeinde gehörenden Parzellen Rungelin, Brunnenfeld, Bings, Radin und Außerbraz nicht durch Straßenbezeichnungen und Häusernummerierungen übersichtlicher gestaltet werden sollten. Es gebe des Öfteren Missverständnisse, die zum erschwerten Auffinden von Häusern durch nicht Ortskundige führt.462 Im Oktober 1964 entschloss man sich daher dazu, im Flurnamenkataster nach passenden Namen für die einzelnen Straßen zu suchen.463 Bereits im November wurden in einer weiteren Stadtratssitzung erste ausgearbeitete Vorschläge präsentiert.464 In der dritten Stadtvertretungssitzung der neuen Amtsperiode kam es schließlich am 4. Juni 1965 zum größten Benennungstag der Stadtgeschichte.465 Insgesamt 26 Straßenzüge erhielten einen neuen Namen. Die meisten davon waren in Außerbraz. Hier wurden alle Straßenzüge nach den durch Vogt bekannter gewordenen früheren Flurnamen benannt: Lötscherweg, Mühlekreisweg, Im Seiler, Im Reckholder, Im Trutsch, Unterrifats, Zafeierweg, Strof-Mottaweg, Brazer-Winkel, Kreuzweg und Winkelbühelweg; dazu erhielt die Arlbergstraße auf Außerbrazer Ortsgebiet die Bezeichnung Klostertalerstraße. In Bings kam es zur Benennung der Straßenzüge Dorfstraße, Unterbings, Oberbings und Kaplina. Der Straßenzug Bingser Siedlung sollte noch einmal debattiert werden. Einige Bingser Bewohner setzten sich gegen diesen Namen ein, unter anderem Volksschuldirektor Rudolf Küng. Er sprach von einer „absolut nicht wünschenswerte[n] Namensbezeichnung“466. Seine zahlreichen Vorschläge fanden allerdings auch keine Zustimmung, und so wurde der Name Bingser Siedlung schließlich am 28. Oktober 1965 fixiert.467 Weiters kam es am 4. Juni zur Unterteilung von Radin in Oberradin und Unterradin. In Brunnenfeld wurde eine Brunnenfelderstraße und ein Paschkweg468 benannt. Ein Teil der Landstraße wurde unter dem Namen Montafonerstraße nun

461 Werner Vogt, Vorarlberger Flurnamenbuch. I. Teil Flurnamensammlungen. Band 1 Nüziders, Bludenz, Klostertal, Bregenz 1970. + Werner Vogt, Flurnamenkarte der Stadtgemeinde Bludenz. Maßstab 1:10.000, Hard 1966. 462 Stadtratssitzung vom 21.09.1964, StABlu, 51/337. 463 Stadtratssitzung vom 26.10.1964, StABlu, 51/337. 464 Stadtratssitzung vom 30.11.1964, S. 6–9, StABlu, 51/337. 465 Quelle für alle nun folgenden neuen Straßenbezeichnungen von diesem Benennungstag: Stadtvertretungsprotokolle 1965, Sitzung vom 04.06.1965, S. 7–9, StABlu. 466 Rudolf Küng an Amt der Stadtgemeinde Bludenz, 13.02.1965, StABlu, 51/337. 467 Stadtvertretungsprotokolle 1965, Sitzung vom 28.10.1965, S. 11, StABlu. 468 am 28.10.1965 geändert in Paschgweg (vgl. Stadtvertretungsprotokolle 1965, Sitzung vom 28.10.1965, S. 10, StABlu).

112 ebenfalls offiziell ins Bludenzer Straßenverzeichnis aufgenommen. In Rungelin kam es zur Trennung des nördlichen Teils in eine Innergasse und eine Außergasse. Die Häuser abzweigend vom Haldenweg wurden mit dem Namen In der Halda469 versehen. Weiters gab es im Bludenzer Stadtgebiet noch die Benennungen der Siedlung Am Kreuz470, in Anlehnung an das schon früher dort stehende Feldkreuz, sowie die Benennung eines Straßenzugs im Unterfeld mit Sandgrubenweg. Im Obdorf wurde noch einmal über den Namen für eine Abzweigung vom Obdorfweg debattiert. Am 28. Oktober entschied man sich, da keine anderen Vorschläge eingebracht worden waren, auch hier für die Verwendung eines Flurnamens: Kurtiviel.471

Der 4.Juni 1965 war nicht nur der Tag, an dem auf Bludenzer Gemeindegebiet die meisten Straßen benannt wurden, sondern es war auch das letzte Mal, dass so ein großer Benennungstag notwendig war. Von da an kam es nämlich bis heute nie mehr zur Benennung von mehr als zwei Straßen an einem Tag. Das gesamte restliche Jahrzehnt verlief hinsichtlich der Straßenbenennungen deutlich ruhiger. Eine etwas längere Diskussion gab es noch bezüglich der Straße an der Bünt im Bludenzer Winkel. Nach diversen Vorschlägen entschied man sich im November 1966 dazu, das gesamte Gebiet am Hang mit Im Winkel zu benennen und damit den bereits früher für einen Teil der Spitalgasse verwendeten Straßennamen wieder einzuführen.472 Bis zum Ende des Jahrzehnts kam es noch zu zwei weiteren Straßenbenennungen, die beide am 26. Juni 1969 festgelegt wurden. In Außerbraz wurde die am Bahnhof entlangführende Straße mit Bahnhofstraße benannt473 Somit ist dies auch der erste und einzige Straßenname in Bludenz, der doppelt vergeben wurde, und daran hat sich bis heute nichts geändert. Man entschied sich dabei gegen die von den Anrainern verwendete Bezeichnung Bahnhofgasse. Bis zu diesem Zeitpunkt lauteten die Häuser an dieser Straße noch auf den ursprünglichen Namen Außerbraz.474 Weiters wurde im Obdorf eine Stichstraße, die vom Walserweg abzweigt, mit dem Namen Franz-Michael-Felder-Straße benannt. Mit Felder wurde eine weitere literarische Persönlichkeit in das Bludenzer Straßenbild aufgenommen, allerdings handelte es sich hierbei nicht um einen Autor mit direktem lokalem Bezug. Er stammte aus Schoppernau im Bregenzerwald.475 Eine Verbindung zu Bludenz hatte Felder vor

469 am 28.10.1965 geändert in In der Halde (vgl. Stadtvertretungsprotokolle 1965, Sitzung vom 28.10.1965, S. 10, StABlu). 470 am 28.10.1965 geändert in Beim Kreuz (vgl. Stadtvertretungsprotokolle 1965, Sitzung vom 28.10.1965, S. 10, StABlu). 471 Stadtvertretungsprotokolle 1965, Sitzung vom 28.10.1965, S. 10, StABlu. 472 Stadtvertretungsprotokolle 1966, Sitzung vom 03.11.1966, S. 9, StABlu. 473 Stadtvertretungsprotokolle 1969, Sitzung vom 26.06.1969, S. 10, StABlu. 474 Stadtratssitzung vom 20.05.1969, StABlu, 51/337. 475 Wieser, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen, S. 134.

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allem durch seinen Schwager Kaspar Moosbrugger, der zwar ebenfalls Bregenzerwälder war, aber von 1864 bis 1899 in Bludenz als Richter wirkte.476 Es erscheint daher etwas überraschend, dass in Bludenz noch nie der Name Kaspar Moosbrugger bei möglichen geplanten Straßenbenennungen auftauchte, dafür aber eine Straße nach Franz Michael Felder benannt wurde. Man muss also davon ausgehen, dass Felder daher weniger wegen seines letztlich geringen Bludenz-Bezugs, sondern vielmehr wegen seines überregionalen Wirkens und der Tatsache, dass er einer der bekanntesten Vorarlberger Schriftsteller Abb. 29: Franz Michael Felder des 19. Jahrhunderts ist, im Stadtbild verewigt wurde.

4.8. Einbindung der Bludenzer Banken ab den 1970er Jahren

Dass auch in einer Kleinstadt wie Bludenz bei der Vergabe von Straßennamen sehr oft Interessensvertreter entscheidenden Einfluss haben, ist nicht überraschend. Dies belegen die bisher dargelegten Entwicklungen, wenn man etwa an die Benennung der Ignaz-Wolf-Straße, die von Baumeister Ignaz Wolf selbst gewünscht wurde, oder an die Wünsche einiger Bingser Bewohner denkt, die auf keinen Fall eine Binger Siedlung wollten. Aber auch von politischen Systemen, wie dem Nazi-Regime oder schon zuvor der Zeit Österreichs unter der Führung der Vaterländischen Front, gab es massive Einflussnahme bei der Benennung von Straßenzügen.

Was bislang bei der Betrachtung der Straßenbenennungen noch nicht so stark im Fokus stand, sind wirtschaftliche oder finanzielle Interessen diverser Institutionen, sieht man einmal vom Wüstenrotweg ab. Dies ändert sich spätestens ab den 1970er Jahren, als sich zwei Bludenzer Banken verstärkt bemühten, für Dienste, die gegenüber der Stadt geleistet worden waren, gewissermaßen „Entschädigungen“ in Form einer Verewigung im Straßenbild der Stadt zu bekommen.

Die erste Bank, die die Benennung einer Straße nach ihrem Gründer Friedrich Wilhelm Raiffeisen zunehmend verlockend fand, war die Raiffeisenbank. Die Bludenzer Filiale wurde bereits am 6. Jänner 1900 im Gasthaus Löwen gegründet, damals unter dem Namen Spar- und

476 Thaler, Heimatschützer, S. 553.

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Darlehenskassen-Verein. In den ersten Jahren des Schaffens zog die Bank mehrmals um, bevor sie ab 1924 das Haus Werdenbergerstraße 9 bezog. 1955 erfolgte ein Neubau an dieser Stelle, der aber schnell zu klein war, sodass 1977/78 erneut ein Neubau fällig war. Die Lage hat sich seither nicht verändert.477 Die Verdienste der Bank für die Stadt Bludenz sind nicht klein zu reden, besonders im Bereich des Eigenheimbaus. Mit dieser Begründung wurde von Seiten der Bank auch am 19. April 1950, zum 50-Jahr Jubiläum der Spar- und Darlehenskasse der Antrag an die Stadt Bludenz gestellt, eine Raiffeisenstraße zu benennen. Als Gründe nannte man sowohl die Gewährung vieler Kredite für Häuser in Bludenz als auch die Tatsache, dass 90% der 937 damaligen Mitglieder der Bank ihren Wohnsitz in Bludenz hatten. Außerdem wurde darauf angespielt, dass es in einigen Gemeinden des Landes, u.a. Dornbirn und Lustenau schon „längst“ Raiffeisenstraßen gebe.478 Der damalige Antrag fand aber keinen Eingang in die Stadtvertretungssitzungen, obwohl kurz darauf die langwierige Diskussion um Bludenzer Straßenbenennungen begann.

Ein erneuter Anlauf für eine Aufnahme ins Straßenbild wurde 1968 unternommen, dieses Mal aus Anlass des 150. Geburtstags des Gründers Friedrich Wilhelm Raiffeisen. Der Wunsch wurde seitens der Stadt als berechtigt angesehen, da dies einerseits den Sozialreformer Raiffeisen würdigen, andererseits auch als Dank für die finanzielle Unterstützung der Bank gesehen werden könne. Der Kulturausschuss solle sich mit der Benennung einer Raiffeisenstraße oder eines Raiffeisenplatzes beschäftigen.479 Im Dezember 1968 wurde bei der Diskussion um die Benennung der späteren Franz-Michael-Felder-Straße auch darauf hingewiesen, dass es den Antrag der Bank auf eine Verewigung im Straßenbild gebe.480 Das Stadtbauamt war aber der Meinung, dass die Bezeichnung Raiffeisenstraße hier nicht angebracht wäre, da es sich an dieser Straße um Häuser handle, die mit Hilfe der Bausparkasse der Sparkassen erbaut worden seien.481

Doch auch nach diesem neuerlichen Rückschlag ließ man von Seiten der Raiffeisenbank nicht locker. Im Dezember 1970 trat man direkt an den Bürgermeister heran, um zu fragen, ob nicht eine Benennung mit dem Namen Raiffeisen möglich wäre.482 Dieses Mal waren die Chancen deutlich besser, da im Unterfeld die Erstellung einer neuen Straße geplant war. Der Bau- und

477 Volaucnik, Die Bludenzer Wirtschaftsgeschichte, S. 376–377. 478 Spar- und Darlehenskasse Bludenz an Stadtgemeinde Bludenz, 19.04.1950, StABlu, 51/261. 479 Internes Schreiben: Abteilung Id an Abteilung IVa, 30.10.1968, StABlu, IVa/51-8. 480 Aktenvermerk IVa/51-8, 09.12.1968, StABlu, IVa/51-8. 481 Stadtratssitzung vom 20.05.1969, S. 12, StABlu, 51/337. 482 Aktenvermerk ergehend an Abteilung IVa, 11.12.1970, StABlu, 51/337.

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Wasserwerksausschuss schlug die Benennung in Raiffeisenstraße vor und brachte einen entsprechenden Antrag bei der Stadtvertretung ein.483 Zunächst wollte man nur entweder das geplante Straßenstück zwischen Grete Gulbranssonweg und Unterfeldstraße oder jenes zwischen Schillerstraße und Unterfeldstraße mit diesem Namen versehen. Nachdem von Seiten der Bank noch einmal mit Stadtrat Fritz Tomaselli verhandelt worden war, einigte man sich im Juli 1971 darauf, den gesamten Straßenzug mit dem Namen Raiffeisenstraße zu versehen.484 Wenige Tage darauf, am 29. Juli, kam erneut ein Schreiben der Bank an Bürgermeister Hermann Stecher485, in dem man sich einerseits für die Aufnahme des Namens Raiffeisen bedankte und andererseits noch einmal auf das Gespräch mit Tomaselli verwies, welcher versprochen habe, den gesamten Straßenzug, der dann von der Unterfeldstraße geteilt würde, als Raiffeisenstraße zu benennen.486 Der Bauausschuss teilte schließlich in einem Schreiben vom 12. Oktober mit, dass eine Teilung des Straßenzuges keinen Sinn machen würde487, und so kam es am 17. Dezember zur Benennung der gesamten geplanten Straße mit Raiffeisenstraße.488 Die Tatsache, dass die Straße noch nicht einmal gebaut war und dass von Seiten der Bank in den Monaten und Jahren vor der finalen Benennung mehrmals eingehakt und nachgefragt worden war, beweist, wie sehr die Stadt hier unter Druck stand, diesen Beschluss im Sinne der Raiffeisenbank zu fassen.

Doch damit nicht genug. Als in den 1990er Jahren das gesamte Areal um den Riedmillerpark neugestaltet und die Errichtung eines Kultursaales geplant wurde, eröffnete die Stadt ein Baukonto bei der Raiffeisenbank Bludenz. In der Stadtvertretungssitzung vom 24. April 1997 heißt es:

„Die jährlich anfallenden Zinsen werden von der Raiffeisenbank der Stadt Bludenz als Werbekostenbeitrag mit einer jährlichen Erhöhung um 3,875% refundiert, wenn der Platz oder das Theater während der Laufzeit des Darlehens (fünfzehn Jahre) mit dem Namen ‚Raiffeisen‘ (z. B. Theater am Raiffeisenplatz, Remise am Raiffeisenplatz, …) verbunden wird.“489

483 Stadtratssitzung vom 10.02.1971, StABlu, 51/337. 484 Zusatznotizen vom 23.07 + 26.07.1971 auf: Bürgermeister Hermann Stecher an Raiffeisenbank Bludenz, 21.06.1971, StABlu, 51/337. 485 Bürgermeister von 1970-83. 486 Raiffeisenbank Bludenz an Bürgermeister Stecher, 29.07.1971, StABlu, 51/337. 487 Internes Schreiben: Abteilung IVa an Abteilung Ia, 12.10.1971, StABlu, 51/337 488 Stadtvertretungsprotokolle 1971, Sitzung vom 17.12.1971, S. 6, StABlu. 489 Stadtvertretungsprotokolle 1997, Sitzung vom 24.04.1997, S. 23, StABlu.

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Im Jahr darauf standen der Kultursaal bzw. das Parkareal vor seiner Vollendung, und um das damals gegebene Versprechen gegenüber der Raiffeisenbank für die finanzielle Unterstützung und die Gewährung des Kredits einzulösen, wurde der gesamte Park, auf dem sich sowohl der Kultursaal Remise als auch das Riedmiller-Denkmal befindet, auf den Namen Raiffeisenplatz umbenannt.490 Anders als ursprünglich angedacht, wurde der Name aber nach 15 Jahren nicht mehr umbenannt, und damit erhielt also der direkt vor der Bank liegende Platz seinen Namen wohl endgültig. Heute wird er oft auch mit Am Raiffeisenplatz bezeichnet, da lediglich das Kulturzentrum im Straßenverzeichnis mit dieser Bezeichnung versehen ist.

Die Benennung mit Raiffeisenplatz verdrängte somit den Namen Riedmillerpark aus dem Stadtbild; dessen Benennung war erst 1982 im Zuge der Neugestaltung der Parkanlage auf dem Gebiet des ehemaligen Hauses Werdenbergerstraße 12 beschlossen worden491. Er war benannt worden nach Bernhard Riedmiller, einer der wichtigsten lokalen militärischen Persönlichkeiten des 19. Jahrhunderts. Er wurde in Illberbach bei Memmingen geboren und zog 1789 mit 32 Jahren nach Bludenz, nachdem er das Gasthaus Krone übernommen hatte. Als 1796 der Krieg zwischen Österreich und Frankreich begann, wurde er Hauptmann einer Freiwilligenkompanie. Später war er auch eine wichtige

Figur im Freiheitskampf des Frühjahrs 1809 gegen die Abb. 30: Bernhard Riedmiller, Gemälde bayrische Fremdherrschaft. Im Vorarlberger Aufstand von Franz Thomas Löw, 1799 wurde er zum Major ernannt, flüchtete aber nach der Niederschlagung des Vorarlberger Widerstands gegen die französisch-bayerische Besatzung nach Innsbruck, wo er an der Seite Andreas Hofers an der dritten Bergisel-Schlacht teilnahm. Da Riedmiller bei der Verwaltung des Gnadensolds keine genauen Aufzeichnungen geführt hatte, verlor er kurzzeitig an Prestige und es wurde eine gerichtliche Pfändung beantragt, die erst im April 1827 vom Kaiser selbst wieder aufgehoben wurde, was Riedmiller wieder zu vollem Ansehen verhalf.492 Auch wenn er kein Ehrenbürger der Stadt wurde, war er als sehr verdiente Persönlichkeit allseits geschätzt

490 Stadtvertretungsprotokolle 1998, Sitzung vom 07.05.1998, S. 23, StABlu. 491 Stadtvertretungsprotokolle 1982, Sitzung vom 28.07.1982, S. 6, StABlu. 492 Wieser, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen, S. 145–149.

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gewesen. 1904 stellten die Brüder Neyer das Ansuchen, auf eigene Kosten ein Denkmal zu Ehren Riedmillers zu errichten. Sie suchten sich diesen „wohlverdienten Kriegsherren“493 aus, da bereits ihre Vorfahren an seiner Seite kämpften.494 Bildhauer Georg Matt aus Rankweil wurde beauftragt, das Denkmal zu planen, das schließlich am 25. Juni 1905 enthüllt wurde. Der Säbel des eine militärische Uniform tragenden Bernhard Riedmiller zeigt dabei Richtung Bayern.495 Der Brunnen wurde errichtet an der Abzweigung Schillerstraße-St. Peter-Straße (damals Gassünderstraße- Reichsstraße), in deren Nähe sich früher der Merkurbrunnen befand, der daraufhin im Abb. 31: Seit 1905 steht das Riedmiller-Denkmal Katzenwinkel wiedererrichtet wurde496, heute vor dem östlichen Eingang der Stadt Bludenz, Aufnahme 2020. aber verschollen ist .

Nachdem die Raiffeisenbank somit im Straßenbild der Stadt Bludenz ab 1971 gut verankert war, stellte sich die gleiche Frage auch für die Sparkasse, dem zweiten langjährigen Geldinstitut in Bludenz. Hier war die Lage sogar noch etwas prekärer. Ihre Vorgängerorganisation, die als Bludenzer Spar- und Vorschußverein am 28. Oktober 1892 den Geschäftsbetrieb aufgenommen hatte, war nämlich sogar noch einige Jahre älter als die Spar- und Darlehenskasse. Die ersten Amtsräume befanden sich im Gebäude des Alten Rathauses. 1928 zog man in das Parterre des neuerrichteten Amtsgebäudes der Bezirkshauptmannschaft an der Ecke Werdenbergerstraße- Untersteinstraße, in dem sich heute das Bezirksgericht und die Polizei befinden. Es begannen zu dieser Zeit auch die Bemühungen, die Bank der Stadt Bludenz einzuverleiben. Unter NS- Bürgermeister Hutter kam es 1938 tatsächlich zur Umwandlung der Bludenzer Spar-, Handels- und Gewerbekasse in eine Sparkasse der Stadt Bludenz, was Vorteile bei der Finanzierung sozialer Bauten bringen sollte. Durch die sich gut entwickelnden Geschäfte in den 1950ern

493 Franz J. Fröwis, „Denk mal über’s Riedmillerdenkmal!“ Ein Bludenzer Wahrzeichen auf dem Prüfstand, in: Bludenzer Geschichtsblätter 30, Bludenz 1996, S. 51–71, hier: S. 54. 494 Ebd., S. 54. 495 Ebd., S. 58–60. 496 Ebd., S. 61.

118 konnte 1958 am ehemaligen Standort des Hotels Montafonerhof, der nach dem Abzug der französischen Besatzung nicht wieder als Hotel in Betrieb genommen und an die Sparkasse verkauft worden war, ein Neubau realisiert werden. In den 1970ern kam es zur Gründung weiterer Filialen in umliegenden Gemeinden. Lange Zeit wickelte die Stadt Bludenz ihre Geschäfte mit der Sparkasse ab, bis diese schließlich 2001 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde.497

Der Platz vor dem 1958 errichteten Sparkassen-Neubau hat, wie bereits dargestellt, eine bewegte Geschichte hinter sich, lautete er schließlich schon auf zumindest vier verschiedene Namen498. So viele hatte kein anderer Straßenzug in der Bludenzer Stadtgeschichte. Im Zuge des 40-jährigen Jubiläums der Umwandlung in eine Sparkasse der Stadt Bludenz entstand im Jahre 1979 die Idee, diesen Platz in Sparkassenplatz umzubenennen. In einem Schreiben an ÖVP-Klubobmann Herbert Morscher und SPÖ-Klubobmann Hubert Engstler erklärte Bürgermeister Stecher den Sachverhalt. Man sei in der Stadtvertretung der Meinung, der Julius- Gassner-Grund beim Riedmiller-Denkmal solle von der Stadt für kulturelle Zwecke verwendet werden.499 Stecher stellte daraufhin einen Antrag bei der Sparkasse, ein 25 Jahre laufendes Darlehen in der Höhe von 7 Millionen Schilling bei 4% Verzinsung aufzunehmen. Dafür müsste die Sparkasse Bludenz aber 5 Millionen Schilling an Zinsverlusten in Kauf nehmen.500 Da der Kauf des Grunds, ironischerweise der heutige Raiffeisenplatz, ohne die Mitfinanzierung der Sparkasse nicht möglich wäre, überlege man sich als Gegenleistung sowie als würdiges Jubiläumsgeschenk den Freiheitsplatz in Sparkassenplatz umzubenennen. Man solle diese Diskussion in die nächste Stadtratssitzung aufnehmen.501

Am 4. Oktober 1979 wurde darüber schließlich im Stadtrat gesprochen und die beiden Klubobmänner versicherten, dass ihr jeweiliger Klub mit der Umbenennung einverstanden sei. Der Antrag solle an die Stadtvertretung weitergeleitet werden.502 Am 12. Oktober wurde dort schließlich unter Punkt sieben einstimmig der Freiheitsplatz in Sparkassenplatz umbenannt, „in Anerkennung der Leistungen für die Allgemeinheit in Bludenz“503. Die Sparkasse, die die in

497 Volaucnik, Die Bludenzer Wirtschaftsgeschichte, S. 373–375. 498 Amtsplatz (bis 1934), Dollußplatz (bis 1938), Adolf Hilterplatz (bis 1945), Freiheitsplatz (bis 1979). Dazwischen hatte er 1945 noch einige Wochen den Namen Jellerplatz, gegen den aber schnell Einspruch erhoben wurde. 499 Es handelte sich dabei um den Grund, der den Namen Riedmiller-Park erhielt und später in Raiffeisenplatz umbenannt wurde. 500 Bürgermeister Stecher an Hubert Engstler bzw. an Herbert Morscher, 19.09.1979, S. 1, StABlu, 51/337. 501 Bürgermeister Stecher an Hubert Engstler bzw. an Herbert Morscher, 19.09.1979, S. 2, StABlu, 51/337. 502 Stadtratssitzung vom 04.10.1979, StABlu, 51/337. 503 Stadtvertretungsprotokolle 1979, Sitzung vom 12.10.1979, S. 3, StABlu.

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Zusammenhang mit der Umbenennung entstehenden Kosten zu tragen hatte, bedankte sich am 5. November in einem Schreiben an die Stadtvertretung für die Ehrung des langjährigen Wirkens der Sparkasse in Bludenz.504 Aufgrund des starken Einsatzes der Sparkasse für die Stadt Bludenz und der Tatsache, dass ja auch die Raiffeisenbank bereits im Stadtbild vertreten war, erscheint diese Benennung auch in der Retrospektive als vertretbar und auch logisch. Dass durch die Umbenennung des Freiheitsplatzes jedoch in gewisser Weise ein weiteres Stück Stadtgeschichte verloren ging, ist die – aus historischer Sicht – bedauerliche Kehrseite dieser Umbenennung.

Abgesehen von diesen beiden starken Einschnitten in das Straßenbild, gab es in den 1970er Jahren sehr wenige Neubenennungen. 1976 wurde in Außerbraz der bislang letzte neue Straßenname in dieser Parzelle mit Laguz bezeichnet; erneut orientierte man sich hier an den alten Flurnamen.505 Im Dezember 1978 kam es in Brunnenfeld zu einer weiteren Benennung, als das Stück zwischen Brunnenfelderstraße und Montafonerstraße mit Alfenzstraße benannt wurde.506 Hier gab es aufgrund der bisherigen Nicht-Bezeichnung der Straße immer wieder Beschwerden und Komplikationen.507 Und auch in einem weiteren Bludenzer Stadtteil, in Rungelin, war 1979 noch eine Straßenbenennung notwendig: Die Verbindung zwischen Innergasse und Außergasse im oberen Parzellenteil wurde passenderweise als Obergasse bezeichnet.508 Fünf Jahre später beschloss man in der Stadtvertretung, diesen drei Gassenbezeichnungen jeweils den Zusatz Rungelin voranzustellen509, was sich dann jedoch nie richtig durchsetzen konnte, und so erscheinen diese Gassen im heutigen Straßenverzeichnis wieder ohne den Zusatz Rungelin.

Auch in den 1980er Jahren gab es keinen größeren Bedarf an neuen Benennungen für Straßen. Eventuell führte genau dieser Umstand dazu, dass es immer dann relativ langer Diskussionen bedurfte, wenn tatsächlich eine Straße zu benennen war. Im Gegensatz zum Beginn des Jahrhunderts beteiligten sich die Bewohner selbst auch immer mehr an der Diskussion um Straßenbenennungen.

Im Obdorf wurden 1981 Pläne für eine Verbindungsstraße von Oberfeldweg und Spitalgasse geschmiedet, für die ein passender Name gefunden werden sollte – Beweis dafür, dass man

504 Sparkasse der Stadt Bludenz an Stadtvertretung Bludenz, 05.11.1979, StABlu, 51/337. 505 Stadtvertretungsprotokolle 1976, Sitzung vom 28.06.1979, S. 18, StABlu. 506 Stadtvertretungsprotokolle 1978, Sitzung vom 15.12.1978, S. 2, StABlu. 507 Stadtratssitzung vom 19.09.1978, StABlu, 51/337. 508 Stadtvertretungsprotokolle 1979, Sitzung vom 03.05.1979, S. 7, StABlu. 509 Stadtvertretungsprotokolle 1984, Sitzung vom 24.02.1984, S. 23, StABlu.

120 mittlerweile die Straßen bereits zu benennen versuchte, bevor es zu großen Verbauungen im betroffenen Gebiet kam. Da sich die besagte Straße an der Flur Bünt(en) befindet, entschied man sich für den Namen Büntweg, der am 22. Dezember 1981 von der Stadtvertretung einstimmig beschlossen wurde.510 Entlang des neu errichteten Fußballstadions sowie der Tennisplätze im Unterfeld brauchte es ebenfalls eine neue Straßenbezeichnung. Ein Anrainer, Albert Gassner, gab in einem Telefonat vom September 1983 an, er bemühe sich bereits seit 1976, eine Hausnummer und damit auch einen Straßennamen für sein Wohnhaus an besagter Straße zu bekommen.511 Das Problem an diesem Straßenzug war/ist sein äußerst kurviger Verlauf, weshalb man zunächst eine Teilung in zwei Straßenzüge in Erwägung zog, sich hier aber nicht auf einen Namen einigen konnte. Im Stadtrat wurde im November auf Vorschlag von Bürgermeister Stecher der Antrag gestellt, den gesamten Straßenzug vom Haldenweg bis zur Schmittenstraße (bisher Teil des Grete Gulbranssonwegs) sowie bis zum Straßenende an der Tennishalle als Stadionweg zu bezeichnen.512 Am 15. Dezember kam es schließlich zu einem einstimmigen Beschluss, allerdings mit der Benennung als Stadionstraße.513 Heute führt diese Straße einerseits bei der Tennishalle rechts weiter zur Unterfeldstraße, andererseits geradeaus als Fußweg weiter bis zur Raiffeisenstraße.

1988 wurden schließlich noch einmal zwei Straßenzüge benannt. Bei einem, der Bingser Au, folgte man erneut dem Flurnamenbuch von Vogt, in dem für diese Region die Bezeichnung Bingser Au ausgewiesen ist.514 Für die Benennung der neu errichteten Wohnungen am Gemüsemarktplatz wurde erstmals der Geschichtsverein Region Bludenz um Vorschläge gebeten.515 Dieser griff eine bereits öfter geäußerte Idee wieder auf und machte den Vorschlag, den Platz nach dem ehemaligen Stadtarchivar Alfons Leuprecht zu benennen, der selbst für viele Straßennamen verantwortlich gewesen war.516 Im Stadtrat wurde am 2. Februar 1988 jedoch beschlossen, der Stadtvertretung den Antrag des Bauausschusses (Am Gemüsemarkt) zu unterbreiten.517 Am Benennungstag, dem 18. Februar 1988, wurde von Bruno Spagolla von der Fraktion Bludenz Grünt die Idee unterbreitet, den Platz nach einem Nazi-Opfer zu

510 Stadtvertretungsprotokolle 1981, Sitzung vom 22.12.1981, S. 3, StABlu. 511 Aktenvermerk ergeht an Abteilung IVa, 21.09.1983, StABlu, 51/337. 512 Stadtratssitzung vom 21.11.1983, StABlu, 51/337. 513 Stadtvertretungsprotokolle 1983, Sitzung vom 15.12.1983, S. 4, StABlu. 514 Auszug aus der Niederschrift über die Sitzung des Bauausschusses, 15.12.1987, StABlu, 51/337. 515 Bürgermeister Heinz Wiedemann an Geschichtsverein Region Bludenz, 08.01.1988, StABlu, 51/337. (Bürgermeister Wiedemann war im Amt von 1983-95.) 516 Geschichtsverein Region Bludenz (Schriftführer Otto Schwald) an Bürgermeister Wiedemann, 25.01.1988, StABlu, 51/337. 517 Stadtratssitzung vom 02.02.1988, StABlu, 51/337.

121 benennen. Dies wurde aber sowohl von ÖVP- als auch von SPÖ-Seite abgelehnt. Schließlich wurde die Bezeichnung Am Gemüsemarkt fixiert.518

4.9. Entwicklungen der letzten Jahrzehnte

Das letztgenannte Beispiel zeigt bereits, in welche Richtung die Straßenbenennungen nun gehen sollten. Besonders ab den 1980er Jahren begann man in Bludenz, bei Straßenbenennungen sehr vorsichtig vorzugehen. Dies setzte sich in den 1990er Jahren und eigentlich bis heute fort. Deutlich wird das vor allem dadurch, dass es seit 1990 nur noch zu einer einzigen personenspezifischen Straßenbenennung gekommen ist. Vielmehr bestimmen seither noch mehr als zuvor alte Flurnamen oder generell für das Straßenumfeld logisch erscheinende Namen die Genese neuer Benennungen. Auf diese Weise konnten auch viele zeitintensive Diskussionen verhindert werden.

Am 14. Oktober 1993 kam es zur Benennung einer Straße im westlichen Teil der Stadt mit Rafaltenstraße.519 Es ist dies ein weiterer Flurname, der der Flurkarte von Vogt entnommen wurde.520 Mit der Benennung des Raiffeisenplatzes am 7. Mai 1998 wurde zur bisher letzten Mal Verewigung eine Person im Bludenzer Straßenbild verewigt. Wie in der Nachbargemeinde Nüziders auch, erfolgte in Bludenz die Benennung eines Negrelliwegs, der von der Alten Landstraße nach Südwesten abzweigt.521 Es war nicht das erste Mal, dass der Name Alois Negrelli bei einer Straßenbenennung ins Spiel gebracht wurde. Auch beim Vorschlag des Stadtarchivars Karl Hane für die Abb. 32: Alois Negrelli, Lithographie von August Prinzhofer, 1845 Benennungen der Straßen in der Südtiroler-Siedlung war er bereits als eine in Frage kommende Person genannt und daher sein Leben kurz dargestellt worden. Während der Nazi-Zeit wurde von Hane als besonderer Grund für die Benennung einer Straße mit Negrelli nicht seine Mitplanung des Suez-Kanals herausgehoben, sondern vielmehr bemerkt, Negrelli habe „für die Stadt Bludenz eine […] untergeordnete Bedeutung […] die

518 Stadtvertretungsprotokolle 1988, Sitzung vom 18.02.1988, S. 5, StABlu. 519 Stadtvertretungsprotokolle 1993, Sitzung vom 14.10.1993, S. 10, StABlu. 520 Vogt, Flurnamenkarte, A2. 521 Stadtvertretungsprotokolle 1998, Sitzung vom 07.05.1998, S. 22, StABlu.

122 aber, vom gesamtvölkischen Standpunkte aus gesehen, wegen des großen Schwindels, den die Engländer und Franzosen mit ihm getrieben haben, wert ist, ebenfalls in der Geschichte der Stadt Bludenz besonders festgehalten zu werden.“522 Als konkrete Vorarlberg- bzw. Bludenz- Bezüge bei Negrelli gibt Hane an, er sei als Ingenieur bei der Vorarlberger Rheinregulierung tätig gewesen und sei auch verantwortlich für die Straßenarbeiten in der Bludenzer Umgebung. Außerdem habe er auf einer Durchreise in Bludenz eine seiner Töchter an Diphterie verloren, die auch hier begraben wurde.523 Einige dieser Gründe wirken aus heutiger Sicht ziemlich fragwürdig oder zumindest fadenscheinig; sie waren mit ziemlicher Sicherheit auch nicht mehr der Grund für die Benennung des Negrelliwegs in Bludenz. Logischer erscheint hierbei schon die Ehrung Negrellis als Person. Aus dem Trentino (Primör) stammend, fühlte er sich dem österreichischen Staatenverband zugehörig und litt stark am Verlust der Staatsbürgerschaft, bedingt durch seinen Dienst in der Schweiz. Es sollte eine Ehrerweisung sein für sein Wirken in Gesamt-Vorarlberg und vor allem natürlich auch für die Projektierung des Suez-Kanals. Seine im Zuge von Vermessungsarbeiten erstellten Pläne wurden 1856 von einer Kommission als die besten ausgewählt. Später wurde er zum Vorstand der technischen Oberleitung des Suezkanal-Unternehmens gewählt, erlebte aber die Fertigstellung nicht mehr persönlich, da er am 1. Oktober 1858 an einem Nierenleiden verstarb.524 Im Jahr 1999, ein Jahr nach der Straßenbenennung, stand auch sein 200. Geburtstag an. Auch dies dürfte bei der Entscheidung eine Rolle gespielt haben.

Nachdem sich 1999 am Fuße der Halde die Straße Im Torkel in die Reihe der Flurbenennungen, die auf den alten Weinbau in Bludenz anspielen, einreihte525, kam es am 22. November 2001 zur ersten Benennung des neuen Jahrtausends. Auf Antrag von Ingeborg Fritz sowie weiterer Miteigentümer wurde ein Straßenzug in Brunnenfeld mit Fritzabühel benannt; auch hier wurde dem Antrag einstimmig stattgegeben.526

Eine jüngere Tradition in der Bludenzer Geschichte sind Städtepartnerschaften. 2001 wurde die 10-jährige Städtepartnerschaft der Stadt Bludenz mit Borgo-Valsugana im Trentino gefeiert. Da es zu diesem Zeitpunkt zwischen der Sturnengasse und dem Gastgarten des Gasthauses Hirschen zur Neugestaltung eines Platzes kam, beschloss man, diesen mit Platz Borgo

522 Karl Hane an Bürgermeister Troppmayr, 08.11.1942, S. 3, StABlu, 51/76. 523 Ebd., S. 4. 524 Peter Bußjäger/Josef Concin/Karl Gerstgrasser, Alois Negrelli und seine Spuren in Vorarlberg (1822–1832). Eine regionalhistorische und verwaltungsgeschichtliche Untersuchung (= Bludenzer Geschichtsblätter 33+34), Bludenz 1997, S. 19–21. 525 Stadtvertretungsprotokolle 1999, Sitzung vom 23.09.1999, S. 8, StABlu. 526 Stadtvertretungsprotokolle 2001, Sitzung vom 22.11.2001, S. 30, StABlu.

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Valsugana zu benennen.527 Stadtvertreter Rudolf Zeif war nach dem einstimmigen Beschluss der Meinung, dass auch die Partnerstadt Plettenberg in Nordrhein-Westfalen einen Platz oder eine Straße in Bludenz bekommen sollte. Hierfür solle ein Vorschlag ausgearbeitet werden, obwohl es in Bludenz damals kaum noch unbenannte Verkehrsflächen gab.528 Bereits zwei Stadtvertretungssitzungen später, am 28. Juni 2001, fand man aber eine Lösung: Der Park vor der Volksschule Bludenz-Mitte wurde zum Plettenberg-Park.529 Da es, abgesehen von der Schule selbst, die schon zuvor die Adresse St. Peter-Straße 1 hatte, keine Gebäude an dieser Verkehrsfläche gibt, erhielt sie zwar durch Beschluss eine offizielle Bezeichnung, ist aber nicht Teil des Straßenverzeichnisses.530

Die weiteren Benennungen in den 2000er Jahren waren wenig spektakulär. Im Sommer 2002 erhielt der Postplatz im Zuge einer umfassenden Umgestaltung und des Umbaus einiger angrenzender Gebäude einen neuen Namen: Am Postplatz. Außerdem kam es zur Anbringung einer Gedenktafel an die Stifter des Platzes.531 2003 wurde ein privater Zufahrtsweg im Obdorf, abzweigend vom Walserweg, mit Im Sparrafeld bezeichnet.532 Dabei wurde die von Werner Vogt für diese Gegend gewählte Flurbezeichnung Sparraloch adaptiert.533 Im Jahre 2005 kam es zur Benennung des Weges entlang der Kindergärten sowie der Volks- und Musikschule als Schulgasse.534 Es war zwar nicht dezidiert von einer Umbenennung die Rede, jedoch hatte der Weg zuvor bereits mehrere Namen535 und ist somit einer der am meisten umbenannten Straßenzüge in Bludenz. Zu guter Letzt wurde 2007 die Erschließungsstraße im ehemaligen Gebiet der Schmieden in derselben Tradition benannt wie die Schmittenstraße, von der sie abzweigt, nämlich mit In der Schmitte. 536

Auf diese Benennung folgte die längste Dürreperiode hinsichtlich Straßenbenennungen seit den Anfängen der offiziellen Bludenzer Straßenbenennungen durch die Gemeindevertretung vor mittlerweile über 100 Jahren. Es dauerte fast neun Jahre, bis zur Errichtung von Wohnanlagen in Brunnenfeld, dass ein Straßenzug einen neuen Namen erhalten musste. Historiker Manfred Tschaikner wandte sich dabei mit drei Vorschlägen an die Stadtvertretung. Sein erster

527 Stadtvertretungsprotokolle 2001, Sitzung vom 15.03.2001, S. 38, StABlu. 528 Ebd., S. 39. 529 Stadtvertretungsprotokolle 2001, Sitzung vom 28.06.2001, S. 17–18, StABlu. 530 Statistik Austria, Straßenverzeichnis Vorarlberg, Zugriff: 23.09.2020. 531 Stadtvertretungsprotokolle 2002, Sitzung vom 04.07.2002, S. 29–30, StABlu. 532 Stadtvertretungsprotokolle 2003, Sitzung vom 26.06.2003, S. 12–13, StABlu. 533 Vogt, Flurnamenkarte, B2. 534 Stadtvertretungsprotokolle 2005, Sitzung vom 24.02.2005, S. 8, Zugriff: 23.09.2020. 535 Schillerstraße (1906 bis 1924), Schulstraße (bis 1955), Schulweg (bis 2005). 536 Stadtvertretungsprotokolle 2007, Sitzung vom 05.07.2007, S. 6, Zugriff: 23.09.2020.

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Vorschlag Maierhofweg, allerdings noch auf das kürzere Maierhof abgeändert, fand Zustimmung, und so erfolgte am 23. März 2017 die Benennung. Als Maierhof war jahrhundertlang das heutige Zürcherhaus bezeichnet worden, bis es schließlich in den Besitz der Zürcher-Familie übergegangen war.537

Im Jahre 2018 kam es noch einmal zu einer etwas längeren Diskussion bei der Umgestaltung der Straßennamenlandschaft in Bings. Da die Hausnummerierungen und Straßenbezeichnungen hier zum Teil verwirrend und ungenügend waren, bedurfte es eines neuen Straßenzugs, der zunächst als Bingser Feld geplant war. Man wollte aufgrund der Konstanz mit den anderen Straßenbezeichnungen definitiv das vorgestellte Bingser in der Straßenbezeichnung haben. Die Benennung eines Straßenzugs erwies sich jedoch immer noch als unpraktisch, weshalb man am 14. Juni 2018 sowohl ein Bingser Oberfeld als auch ein Bingser Unterfeld benannte, an dem es schließlich auch zu Neubauten kommen sollte.538

Zur bisher letzte neue Bludenzer Straßenbezeichnung (Stand: Oktober 2020) erfolgte am 4. Oktober 2019. Im Klarenbrunn-Gebiet hatte eine Querstraße bis zu diesem Tag noch keinen eigenen Namen, sondern war als Teil der Klarenbrunnstraße bezeichnet. Erneut wurde die Meinung von Manfred Tschaikner eingeholt, der drei Vorschläge für Straßennamen machte, wobei sein dritter Vorschlag, Schmelzhüttenstraße, die größte Zustimmung erhielt und auch angenommen wurde. Damit hatte Bludenz einen weiteren Straßenzug, dessen Name einen wirtschaftsgeschichtlichen Hintergrund hat. Er spielt auf die Schmelzhütte der Bergwerke Montafon an, die 1522 unweit der nunmehr nach ihr benannten Straße errichtet wurde.539 Diese Benennung bildet derzeit den Abschluss einer langen Reise durch die Geschichte der Bludenzer Straßennamen.

537 Stadtvertretungsprotokolle 2017, Sitzung vom 23.03.2017, S. 37, Zugriff: 23.09.2020. 538 Stadtvertretungsprotokolle 2018, Sitzung vom 14.06.2018, S. 27–28, Zugriff: 23.09.2020. 539 Stadtvertretungsprotokolle 2018, Sitzung vom 04.10.2018, S. 22–23, Zugriff: 23.09.2020.

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4.10. Register Bludenzer Straßennamen

Abb. 33: Fotocollage Bludenzer Straßenschilder, 2020

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Im Folgenden wird in Form eines kommentierten Straßenregisters jede der 145 Straßen im Stadtgebiet von Bludenz kurz beschrieben. Es wird erfasst, wo die Straße heute verläuft, wann sie benannt wurde, ob es zu Umbenennungen kam oder ob es bereits früher an einem anderen Ort der Stadt eine Straße mit der gleichen Bezeichnung gab. Außerdem werden alte Flurnamen historisch sowie linguistisch analysiert, und bei personenspezifischen Namen finden die wichtigsten biographischen Fakten Erwähnung.

1) Alemannenstraße Während der NS-Zeit gab es in Bludenz einige wenige Benennungen, die vom Regime speziell veranlasst wurden. Der Beschluss zur Benennung der Alemannenstraße im Stadtteil Obdorf wurde von den nationalsozialistischen Stadtvorstehern am 10.06.1939, also bereits wenige Monate nach dem Anschluss, gefasst. Die Benennung wurde offiziell erst nach der verpflichtenden Zustimmung des Kreisleiters freigegeben. Aufgrund des historischen Hintergrunds der Alemannen in Bludenz wurde die Benennung erlaubt. Außerdem passte sie durch ihre räumliche sowie ideologische Nähe zum Walserweg und der ebenfalls vom NS- Regime 1939 benannten Stuttgarter Straße in das damalige Straßenbild.540

2) Alfenzstraße Die Alfenzstraße befindet sich im industriell geprägten Teil des Ortsteils Brunnenfeld als Verbindung von Montafonerstraße und Brunnenfelderstraße. Hier liegt auch die Bahn- Haltestelle Bludenz-Brunnenfeld. Die Straße ist benannt nach der in Stuben am Arlberg entspringenden Alfenz. Sie fließt durch das Klostertal und mündet beim östlichen Ortseingang von Bludenz, unweit der Alfenzstraße, in die Ill. Dass es für dieses Verbindungsstück eine Zeit lang keinen separaten Namen gab, wurde von einem Mitglied des Bau- und Wasserwerkausschusses im September 1978 urgiert. Daraufhin setzte sich der Stadtrat mit der Thematik auseinander. Dessen Entscheidung für den Namen Alfenzstraße wurde am 15.12.1978 von der Stadtvertretung bestätigt.

3) Allmeinweg Die Straße ist eine der Verbindungsstraßen zwischen Klarenbrunnstraße und Im Moos südlich der Bahnstrecke. Der Name Allmein steht für einen Gemeindegrund, der früher vor allem als Weideplatz für Vieh verwendet wurde. Allmeinen gab es in dieser Gegend sehr

540 Zusätzliche Informationen, S. 101–102.

127 lange. Kurz vor der Benennung stand auch der Name Spinnereistraße zur Debatte, da sich die Straße in der Nähe der Spinnerei Klarenbrunn befand und es mit der Bleichestraße schon eine weitere Straße gab, die auf die Getzner-Fabriken Bezug nimmt. Man entschied sich aber für den Namen Allmeinweg, dessen offizielle Benennung am 23.09.1955 erfolgte.

4) Alte Landstraße Die Alte Landstraße führt von der Kreuzung Walserweg-Spitalgasse-Mutterstraße Richtung Nüziders, wo sie an der Ortsgrenze zur Waldburgstraße wird. Regionale Berühmtheit erhielt sie im Jahre 1952, als bei Kanalisierungsarbeiten Gräberfelder aus der Zeit der Romanisierung gefunden wurden. Der Straßenzug war bis zum Bau der neuen, heutigen Landstraße Mitte des 19. Jahrhunderts die einzige befahrbare Verbindung Richtung Walgau. Die Benennung mit dem Namen Alte Landstraße erfolgte am 20.04.1906.

5) Am Gemüsemarkt Der kleine Platz Am Gemüsemarkt befindet sich in einer Seitenstraße der Rathausgasse und ist auch vom Durchgang Kronenhaus bzw. von der Untersteinstraße aus erreichbar. Als im Jahre 1987 am dortigen Gemüsemarkt neue Wohnblöcke errichtet wurden, bedurfte es einer Platzbenennung. Hierfür wurde u.a. der Geschichtsverein Region Bludenz befragt, dessen Vorschlag Alfons-Leuprecht-Platz (nach dem Historiker und Stadtarchivar) allerdings abgelehnt wurde. Man entschied sich am 18.02.1988 für die vom Bauausschuss im Dezember 1987 vorgeschlagene Bezeichnung Am Gemüsemarkt.

6) Am Postplatz Mit Am Postplatz werden jene Gebäude bezeichnet, die direkt vom heutigen Postplatz aus zugänglich sind. Am 12.04.1924 wurde ein Teil des damaligen Postplatzes am Eingang zur Altstadt zu Ehren des ehemaligen Bürgermeisters Josef Wolf (im Amt: 1867-1909) in Josef- Wolf-Platz umbenannt. Eine komplette Umstrukturierung des Postplatzes gab es um die Jahrtausendwende. In Zuge dessen kam es am 04.07.2002 zur Benennung der Gebäude auf dem Postplatz mit dem Namen Am Postplatz, wodurch diverse Gebäude eine neue Adresse bekamen. Bei jenen Gebäuden, die ihren Zugang von einer anderen Straße aus haben, z.B. von der Werdenbergerstraße, blieb die ursprüngliche Bezeichnung bestehen. Auch die Post selbst behielt daher ihre ursprüngliche Adresse: Werdenbergerstraße 37.

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7) (Am) Raiffeisenplatz Damit ist der Platz gemeint, auf welchem sich das Kulturzentrum Remise befindet und auch das Denkmal für Bernhard Riedmiller (1757-1832) steht. Gebürtig aus Oberschwaben, kam dieser in den 1780er Jahren nach Bludenz. Er war Freiheitskämpfer unter Andreas Hofer und nahm 1809 an der dritten Bergisel-Schlacht teil. Im Juli 1905 wurde der Riedmiller-Brunnen, entworfen von Georg Matt, enthüllt. Daher kam der Name Riedmillerplatz, der aber lediglich die kleine Insel mit dem darauf stehenden Denkmal bezeichnete. Am 28.07.1982 erhielt der Park auf dem Gebiet der ehemaligen Werdenbergerstraße 12 die Bezeichnung Riedmillerpark. Am 07.05.1998 wurde der Platz in Raiffeisenplatz umbenannt, in Würdigung der Verdienste des Geldinstituts um die Stadt Bludenz sowie als festgelegte Abmachung, der Bank für die Gewährung eines Kredits zur Umgestaltung des Platzes in Form einer namentlichen Verewigung zu danken. Das Denkmal des Freiheitskämpfers Riedmiller steht noch heute im Zentrum des Platzes; das Ende des 20. Jahrhunderts fertiggestellte Kulturzentrum Remise hat sie Adresse Raiffeisenplatz 1.541

8) Am Tobel Diese Straßenbezeichnung wird verwendet für den Weg entlang des Galgentobels, das sich am westlichen Stadtrand befindet. Das Galgentobel selbst hatte große Bedeutung hinsichtlich der Besiedlung von Bludenz, liegt die Stadt doch auf dem Schuttkegel des Galgentobelbaches. Im 17. Jh. lässt sich am Bach außerdem ein Galgen als Hinrichtungsort nachweisen. Das Wort Tobel selbst bezeichnet im Alemannischen ein enges Tal bzw. eine Schlucht. Als am 29.04.1949 mehrere Straßen am westlichen Stadtrand benannt wurden, kam es auch zur Benennung mit Am Tobel. Zuvor wurde die Straße beim Benennungsprozedere vom 07.04.1930 bereits mit Tobelweg bezeichnet.

9) Am Zoll Die kleine Siedlung Am Zoll ist über eine Seitenstraße der Zollgasse erreichbar. Sie liegt am südwestlichen Stadtrand unweit der heutigen Bundesstraße. Ab dem Mittelalter wurde an dieser Stelle der sogenannte Wegzoll, eine Art Maut, eingehoben. Wahrscheinlich passierte das allerdings an der Hauptstraße (Alte Landstraße) und nicht in der Nähe der heutigen Siedlung Am Zoll. Ab 1953 begann die Planung für die Benennung dieser Gegend mit einem passenden Straßennamen. Nach Einholung diverser Vorschläge, entschied sich die

541 Zusätzliche Informationen, S. 116–117.

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Stadtvertretung am 23.09.1955 schließlich für die Benennung mit dem Namen Am Zoll. Als im Jahre 1972 weitere Bauten in diesem Gebiet entstanden, überlegte man, für sie einen neuen Straßennamen zu vergeben, entschied sich aber im Stadtrat am 05.02.1973, den Namen Am Zoll für die gesamte Siedlung beizubehalten.

10) Armatinweg Der Armatinweg ist eine diagonale Verbindungsgasse zwischen St. Anna-Straße und Fohrenburgstraße. Der Name geht zurück auf den Armatinbach sowie das Armatintobel (ab 1761: Galgentobel). In den Jahren 1511 und 1666 kam es zu großen Überschwemmungen, die das Bachbett des Tobels auffüllten und das Obdorf bedrohten. Der Name Armatin setzt sich aus zwei rätoromanischen Wörtern zusammen: aram (Kupfer) und mat (Berg). Er taucht urkundlich 1356 erstmals als armentin auf, 1450 erstmals als armatin. Eine andere Deutung des Namens leitet ihn von armentina ab, was auf eine Weide für Jungvieh schließen ließe. Etwas westlich des Tobels Richtung Innenstadt wurde am 16.01.1924 eine kleine Straße mit Armatinweg benannt.

11) Äuleweg Der Äuleweg beginnt unterhalb der Milka-Fabrik Mondelez (ehemals Suchard), geht in Richtung der westlichsten Bludenzer Bahnhofunterführung und endet am Unteren Illrain. Onomastisch ist der Begriff Äule eine Verkleinerungsform des Begriffs Au. Die Bludenzer Au war speziell aufgrund des Mühlebachs als Energielieferant wichtig für die städtische Wirtschaft in der frühen Neuzeit. Im Verlauf der Benennungen vom 07.04.1930 wurde besagte Straße schließlich als Aeuleweg bezeichnet, nachdem auch die Namen Kanalstraße und Güterweg in der engeren Auswahl gestanden waren. Eine Straße mit dem Namen Äuleweg gibt es insgesamt viermal in Vorarlberg, drei davon befinden sich im Bezirk Bludenz.

12) Außerfeldstraße Die Außerfeldstraße liegt im westlichen Teil der Stadt südlich der Alten Landstraße und ist eine Verbindungsstraße von Dr. Noldin-Straße und Jakob-Jehly-Straße. Als Außerfeld wird die Region westlich der Stadt bezeichnet, welches die Gebiete der Fluren Englenbünt und Hasensprung umfasst. Dem gegenüber stehen Oberfeld und Unterfeld an den anderen

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Stadträndern. Die heutige Außerfeldstraße wurde am 07.04.1930 von der Stadtvertretung als solche benannt. Der erste Vorschlag Unter-Strasse wurde fallen gelassen.

13) Außergasse Die Außergasse ist einer der vier Straßenzüge im Stadtteil Rungelin. Der Name spielt auf die Lage der Straße an. Sie zweigt links von der Kirche zum Hl. Antonius Richtung Norden ab und führt somit nicht an der Innenseite des Berges entlang (s. Innergasse), sondern an der Außenseite der Kirche vorbei. Von dieser Straße geht auch ein Waldweg Richtung Obere Furkla. Die Benennung erfolgte gleichzeitig mit der Innergasse am 04.06.1965.

14) Austraße Ähnlich wie der Äuleweg befindet sich auch die Austraße südlich des Stadtkerns entlang der Bahnstrecke. Die Bezeichnung geht auf die Bludenzer Au zurück. In das wirtschaftlich wichtige Gebiet wurde 1731 der Marktplatz gelegt. Wenige Jahre später gab es große Schäden aufgrund der Überschwemmung durch die Alfenz. Die offizielle Benennung der Austraße erfolgte am 20.04.1906. Diesen Namen tragen acht Straßen in Vorarlberg.

15) Bahnhofplatz Der Bahnhofplatz befindet sich an der Nordseite des Bludenzer Bahnhofs beim Hauptbahnhofsgebäude. Seit 1872 war Bludenz über eine Bahnstrecke mit dem Rest Vorarlbergs und dem schwäbischen Raum verbunden. Bereits in den 1880er Jahren ist im Bludenzer Anzeiger vom Bahnhofplatz die Rede. Dennoch wurde der Platz erst am 20.04.1906 offiziell als Bahnhofplatz ins Bludenzer Straßenverzeichnis aufgenommen. Am 16.01.1924 wird er erneut bei den Neubenennungen erwähnt. Hier ist wohl davon auszugehen, dass der Straßenzug damals auf weitere Häuser ausgedehnt wurde.

16) Bahnhofstraße (Außerbraz) Auch wenn die Parzelle Außerbraz einige Kilometer abseits der Stadt im Klostertal liegt, gehört sie bereits seit 1695 zur Herrschaft Bludenz. Außerbraz hat einen eigenen Bahnhof an der Arlberg-Bahnstrecke, welcher heute aber nicht mehr als Haltestelle angefahren wird. Man überlegte zunächst, ob es wohl sinnvoll sei, die Straße als Bahnhofstraße zu bezeichnen, weil es unter Umständen zu Verwechslungen mit der Bludenzer Bahnhofstraße kommen könnte.

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Dennoch entschied man sich am 26.06.1969 für diesen Namen. Es ist damit der einzige Straßenname der Stadtgemeinde Bludenz, der zweimal vergeben ist.

17) Bahnhofstraße (Bludenz) Die Bahnhofstraße wurde bereits kurz nach der Fertigstellung des Bahnhofs Bludenz 1872 als solche bezeichnet. Aus dem Jahre 1873 ist ein Akt überliefert, in welchem der Bau dieser „zum Bahnhof führenden Straße“ (StABlu, CCXLVII/14) besprochen wird. Heute führt die Straße von der Nordseite des Bahnhofs bis zur Postkreuzung und ist eine der meistbefahrenen Straßen der Stadt. Den Namen Bahnhofstraße gibt es im Übrigen insgesamt 23 Mal in Vorarlberg, womit er auch zu den häufigsten Straßennamen gehört.542

18) Beim Kreuz Mit Beim Kreuz ist weniger eine Straße gemeint als vielmehr eine Ansammlung mehrerer Wohnblöcke, die sich am östlichen Stadtrand nahe des Klosters Sankt Peter und des Klosterbühels befindet. Nach Fertigstellung der Vogewosi-Siedlung stieß man bei der Namenssuche auf die frühere Bezeichnung des Gebiets, nämlich Am Kreuz, da schon früher an der Ecke Schillerstraße-Rungelinerstraße ein Feldkreuz gestanden war. Auch eine Benennung einzelner Straßen in der Siedlung wurde in Erwägung gezogen, schließlich aber verworfen. Die am 04.06.1965 offiziell erfolgte Bezeichnung mit dem Namen Am Kreuz stieß schon bald auf Kritik. Laut Stadtratsprotokoll vom 05.07.1965 hieß es, dass der Name Beim Kreuz bereits „im Volksmund verankert“ (StABlu, 51/337) sei. Daher erfolgte am 28.10.1965 seitens der Stadtvertretung die Richtigstellung und Umbenennung in Beim Kreuz.

19) Bingser Au Bings ist ein östlicher Stadtteil von Bludenz, der geografisch, wie Radin und Außerbraz, bereits zum Klostertal gehört, politisch aber dennoch Teil der Stadtgemeinde Bludenz ist. Zum ersten Mal ist das Gebiet 1480 mit der Bezeichnung binges überliefert, doch bereits 1490 gibt es Aufzeichnungen zum Namen Bings. Herkunft des Namens ist das romanische Wort pineu, das übersetzt Rottanne (heute: Fichte) bedeutet. Ausschlaggebend für die Benennung war das Wäldchen Pinperdill, das bei Bings liegt und bereits 1535 urkundlich erwähnt ist. Wie auch in Bludenz gibt es hier eine Aulandschaft, die als Flur- und Straßenname noch immer in Verwendung ist. Früher verlief außerdem die Alfenz durch die

542 Zusätzliche Informationen, S. 78–79.

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Bingser Au. Der heutige Straßenname bezieht sich auf eine kleine Häusergruppe am Ortsrand. Zur Benennung der Siedlung mit dem Namen Bingser Au kam es am 18.02.1988.

20) Bingser Dorfstraße Die Bingser Dorfstraße ist, abgesehen von der Durchzugsstraße, die längste Straße der Parzelle. Sie ist die einzige Straße, die direkt zur Nachbargemeinde Stallehr führt, die zwischenzeitlich – während des Zweiten Weltkriegs und bis 1947 – zu Bludenz gehörte. Die Benennung der Straße als Bingser Dorfstraße erfolgte am 04.06.1965.

21) Bingser Oberfeld Aufgrund der recht unstrukturierten Situation der Straßen in Bings wurden am 14.06.2018 zwei neue Straßennamen vergeben. Das neu benannte Bingser Oberfeld befindet sich östlich der Dorfstraße in Richtung der Firma TerraTec Maschinenbau im Gebiet der Flur Oberbings.

22) Bingser Siedlung Mit Bingser Siedlung wird die Häusergruppe am südlichen Ortsrand bezeichnet. Sie ist von der Bingser Dorfstraße aus erreichbar. Die Benennung durch die Bludenzer Stadtvertretung erfolgte am 28.10.1965. Der Name wurde bereits im Juni dieses Jahres vorgeschlagen, sollte damals aber noch einmal debattiert werden. Einige Bingser Bewohner waren strikt gegen diese „absolut nicht wünschenswerte“ (StABlu, 51/337) Bezeichnung und schlugen diverse andere Namen vor: Forchen-Siedlung, Awinser-Siedlung, Feldkreuz (ein Teil der Straße), Äulestraße (ein Teil der Straße). Dennoch wurde die Benennung mit dem Namen Bingser Siedlung von der Stadt Bludenz durchgesetzt.

23) Bingser Unterfeld Der Name Bingser Unterfeld stammt aus der Neubenennung, die am 14.06.2018 erfolgte. Sie zweigt von der Bingser Dorfstraße ab Richtung Westen hin zur Bingser Au und befindet sich im Flurgebiet Unterbrings. Die Umstrukturierung in dieser Gegend war ein bürokratisch mühsamer Prozess. Lange Zeit stand nämlich auch der Name Bingser Feld im Raum.

24) Bleichestraße Die Bleichestraße befindet sich südöstlich der Altstadt im Gewerbegebiet der Firma Getzner Textil. Daher ist auch die Namensgebung kein Zufall. Ab 1680 gab es in Bludenz eine

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Bleiche. Nach 1827 wurde sie von der jungen Firma Getzner, Mutter & Cie., die im selben Jahr an den heutigen Standort wechselte, gepachtet und 1854 schließlich gekauft. Die Benennung der Bleichestraße kann nicht restlos geklärt werden. In seinen Vorschlägen für neue Straßennamen vom 17.04.1906 notierte der Lehrer und spätere Stadtarchivar Alfons Leuprecht eine Bleichestraße. Auf demselben Dokument ist diese durchgestrichen und – wahrscheinlich von ihm selbst – durch Brunnenbachstraße ersetzt worden. In der Stadtvertretung wird am 20.04.1906 dem Antrag Leuprechts „mit geringen Änderungen“ (StABlu, 76/10, Gemeindeausschuss, 20. April 1906) zugestimmt, wodurch die Brunnenbachstraße bestätigt wurde. In der Folge ist aber nie mehr von einer Brunnenbachstraße die Rede, und bereits Artikel im „Bludenzer Anzeiger“ des Jahres 1899 bezeichnen die hier beschriebene Straße als Bleichestraße. Sie trug somit offenbar schon mindestens seit diesem Jahr im Volksmund diesen Namen; das offizielle Benennungsjahr ist aber nicht zu eruieren.543

25) Boznerstraße Die Boznerstraße ist die südlichere Straße der ab Oktober 1940 errichteten Südtiroler Siedlung im Nordosten der Stadt an der Grenze zu Nüziders. Im Zuge des Hitler-Mussolini- Abkommens mussten sich nicht-italienisch sprechende Südtiroler entscheiden, ob sie ins Deutsche Reich übersiedeln oder aber im faschistischen Italien bleiben wollten. Über 80% entschieden sich damals für eine Auswanderung, vollzogen wurde sie schließlich zwar nur von einem deutlich geringeren Teil, dennoch wurden für die Optanten in vielen Städten Südtiroler-Siedlungen gebaut. Noch lange nach dem Bau der Siedlung in Bludenz hatten die Straßen keine Namen, auch wenn die Benennung nach Südtiroler Gemeinden bereits ab November 1942 im Raum stand. Die Boznerstaße wurde vorübergehend als B-Straße bezeichnet. Noch unter den Nationalsozialisten gab es einen Aufruf an den Lehrkörper der Volks- und Hauptschulen, geeignete Namen zu finden. Erst am 29.04.1949 wurden die Straßen schließlich benannt und die hier besprochene Straße erhielt den Namen Boznergasse. Es gab danach nie eine offizielle Umbenennung, aber bereits im Straßenverzeichnis vom Juli 1949 ist die Straße als Boznerstraße festgehalten.544

543 Zusätzliche Informationen, S. 84. 544 Zusätzliche Informationen, S. 103–104.

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26) Brazer Winkel Unter Brazer Winkel versteht man den nordöstlichen Winkel des Bludenzer Stadtteils Außerbraz. Es handelt sich hierbei um keine Straße im eigentlichen Sinne, sondern um eine kleine Siedlung am Ortsrand. Am 04.06.1965 wurde die Gegend, die auch auf Flurnamenkarten mit Winkel notiert ist, mit dem Namen Brazer Winkel versehen, auch um Verwechslungen mit dem Bludenzer Winkel vorzubeugen. Der war nämlich zu diesem Zeitpunkt bereits als Im Winkel im Straßenverzeichnis verankert.

27) Brunnenfelderstraße Die heutige Brunnenfelderstraße ist die längste Straße des Parzelle Brunnenfeld und führt von der Abzweigung an der Montafonerstraße durch den Ortsteil in Richtung Bingser Au. Bis zum Jänner 1924 trug allerdings eine andere Straße den Namen Brunnenfelderstraße, nämlich die heutige Hermann-Sander-Straße, die zuweilen auch als Lastenstraße bezeichnet wurde. Urkundlich erstmals erwähnt wurde das Brunnenfeld bereits 1329. Der Flurname geht zurück auf die Brunnenquellen, die hier entspringen und schließlich den Mühlebach (auch Brunnenbach genannt) bilden. Als die Ortsteile von Bludenz am 04.06.1965 ihre eigenen Straßennamen erhielten, wurde eben diese Straße als Brunnenfelderstraße bezeichnet.

28) Büntweg Beim Büntweg handelt es sich um eine Verbindungsstraße zwischen Oberfeldweg und Spitalgasse im Bludenzer Winkel. Der Name geht zurück auf den Vorarlberger Dialektausdruck Bündt (Wiese, Weide). In diesem Fall ist die sich im Winkel befindende Wiese über dem Bauernhof gemeint. Da der Flurname als Bünt bezeichnet wurde, wird der Straßenname heute entgegen der gängigen Rechtschreibung ohne dt geschrieben. Bei der Benennung am 22.12.1981 standen auch die Namen In der Bünt und Winkelbüntweg im Raum. Letzterer wurde aufgrund der Ähnlichkeit zum Winkelbühelweg in Außerbraz aber abgelehnt. Vor der Benennung 1981 war der heutige Büntweg ein Teil der Spitalgasse.

29) Dr. Noldin-Straße Die Dr. Noldin-Straße befindet sich im Bludenzer Außerfeld und ist eine Parallelstraße der Fohrenburgstraße sowie der Jakob-Jehly-Straße. Sie ist benannt nach dem Südtiroler Josef Noldin (1888-1929), der zur Zeit des Faschismus deutsche Privatschulen organisierte und hierfür sogar für fünf Jahre auf die Insel Lipari, nördlich von Sizilien verbannt wurde. Am

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07.04.1930 wurde eine Straße ob der Fohrenburg schließlich mit Dr. Noldin-Straße benannt, obwohl nichts über die Beziehung Noldins zur Alpenstadt bekannt ist. Der Zusatz Dr. war beim Erstvorschlag vom 31.03.1930 noch nicht angefügt worden.545

30) Engelbündtstraße Die heutige Engelbündtstraße im Obdorf ist eine diagonale Verbindungsstraße zwischen Stuttgarterstraße und Oberfeldweg. Sie hat eine bewegte Geschichte hinter sich. Der Name Engelbünt/Englenbündt geht ursprünglich zurück auf einen Flurnamen im Außerfeld. Es gab hier eine Wiese (Bündt), die einer Person mit dem weiblichen oder männlichen Vornamen Engel gehörte. Als Engelbündtstraße wurde am 16.01.1924 ein Teil der heutigen Suchardstraße benannt. Als diese 07.04.1930 ihren heutigen Namen bekam, wurde die nahegelegene Parallelstraße über dem Haus des Franz Karl Geiger mit Engelbündtstraße bezeichnet. Diese wurde allerdings während der nationalsozialistischen Herrschaft in Stuttgarterstraße umbenannt, wodurch der Name Engelbündtstraße wieder frei war. Am 29.04.1949 wurde schließlich die nahegelegene heutige Engelbündtstraße mit diesem Namen versehen und trägt ihn bis heute.

31) Fabriksweg Der Fabriksweg befindet sich zwischen dem Ill-Ufer und der Bahnstrecke. Es ist die einzige Verbindungsstraße vom Oberen Illrain zur Klarenbrunnstraße, die einen eigenen Namen trägt; die beiden anderen werden dem Oberen Illrain zugerechnet. Letztere steht auch in Zusammenhang mit der Namensgebung, denn bei der im Namen angeführten „Fabrik“ handelt es sich wohl um die Klarenbrunnfabrik, die in den 1880er Jahren von der Firma Getzner, Mutter & Cie. errichtet wurde. Am 07.04.1930 wurde die Straße als Fabriksweg bezeichnet und trägt diesen Namen bis heute.

32) Färberstraße Die Färberstraße liegt südlich des Stadtkerns und wird auch bei der Umfahrung des Zentrums nicht passiert. Es ist eine Seitenstraße der Wichner- bzw. der Hermann-Sander- Straße. Es ist ein weiterer Straßenzug, der in wirtschaftsgeschichtlichen Zusammenhang zu stellen ist. Bereits in der Frühen Neuzeit sind Färbereibetriebe am Mühlebach nachzuweisen, ab 1688 gab es auch eine eigene Färberzunft. Zur Benennung mit dem Namen Färberstraße

545 Zusätzliche Informationen, S. 93.

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kam es am 16.01.1924. Damals gab es noch eine direkte Verbindung zur Bahnhofstraße. Aufgrund des Baus der heutigen Illbrücke, die zum Teil direkt über der Färberstraße verläuft, ist diese Verbindung heute nicht mehr befahrbar.

33) Ferdinand-Gassner-Straße Die Ferdinand-Gassner-Straße befindet sich im Bludenzer Außerfeld nördlich der Fohrenburg und ist eine Parallelstraße der St.-Anna-Straße. Sie ist benannt nach Ferdinand Gassner (1842-1926), der als einer der bekanntesten Bludenzer gilt. Er war nicht nur Teilhaber der Firma Getzner, Mutter & Cie., sondern auch Mitbegründer des Alvierwerks und der Zementfabrik Lorüns sowie der Brauerei Fohrenburg. Außerdem war er um die Jahrhundertwende Bludenzer Vizebürgermeister. Die ihm gewidmete Straße liegt oberhalb der Fohrenburg und führt westlich bis zum Galgentobel. Benannt wurde sie am 07.04.1930, und nur wenige Tage später bedankten sich die Angehörigen Gassners bei der Stadt Bludenz für diese besondere Ehre.546

34) Fohrenburgstraße An der Nordseite des Bahnhofs beginnend, führt die Fohrenburgstraße an der Suchard- Fabrik sowie an der Fohrenburger-Brauerei vorbei bis hinauf zur Alten Landstraße. Sie ist benannt nach der Brauerei, die hier 1881 ihren Betrieb aufnahm. Der Name stammt vom Bad Fohrenburg (früher: Bad Hinterplärsch), einem seit der frühen Neuzeit genutzten Heilbad, das sich zuvor dort befand. Der Name Fohrenburg enthält das regionale Wort For(ch)en, welches für Föhren verwendet wird. Der Forchenberg zog sich vom Fuße des Muttersbergs bis nach Nüziders und im Osten Richtung Bludenz. Langfristig klang Fohrenburg für Gäste einladender als Hinterplärsch. Die heutige Fohrenburgstraße wurde 1899 gebaut und mit dem Namen Fohrenburgerstraße am 20.04.1906 benannt. Jedoch wurde der nördlichere Teil, von der Fohrenburg bis zur Alten Landstraße, bereits Ende des 19. Jh. als Fohrenburgstraße bekannt.547

35) Franz-Michael-Felder-Straße Im Bludenzer Obdorf findet man, den Walserweg hinauffahrend, auf der rechten Seite die Franz-Michael-Felder-Straße. Ihr Namensgeber Franz Michael Felder (1839-1869) war ein

546 Zusätzliche Informationen, S. 92. 547 Zusätzliche Informationen, S. 82.

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Schriftsteller aus Schoppernau (Bregenzerwald). Mit seinem Schwager Kaspar Moosbrugger war er auch als Sozialreformer tätig. Heute ist in allen fünf Vorarlberger Städten eine Straße nach Felder benannt, allerdings mit teilweise unterschiedlichen Bezeichnungen. Die Benennung in Bludenz wurde am 26.06.1969 von der Stadtvertretungssitzung beschlossen.548

36) Fritzabühel Der Fritzabühel befindet sich im Ortsteil Brunnenfeld. Es ist eine Seitenstraße der durch den Ort führenden Brunnenfelderstraße, und sie beginnt gegenüber dem Gasthof Krone. Der Ausdruck Bühel ist aus dem Vorarlberger Dialekt entlehnt und bedeutet so viel wie Hügel. Er wurde bereits im Mittelhochdeutschen in dieser Form verwendet. Für den ersten Teil des Namens verantwortlich ist u.a. Ingeborg Fritz, die zusammen mit zehn weiteren Miteigentümern am 18.08.2001 die Benennung der Wegparzelle beantragte. Am 22.11.2001 wurde der Antrag auf eine Benennung mit Fritzabühel angenommen.

37) Funkaweg Von der Schillerstraße stadtauswärts befindet sich auf der linken Seite der Funkaweg. Das traditionelle Abbrennen des Funkens am Funkensonntag (erster Fastensonntag) geht auf die alemannische Vergangenheit Vorarlbergs zurück und hat bis heute eine große Tradition. Auch in Bludenz gibt es mehrere Funken, wobei es in der direkten Nähe des Funkawegs keinen Funken gibt und offenbar auch nie einen gegeben hat. Die Benennung des Funkawegs erfolgte am 04.02.1957. Es ist einer der wenigen dialektal gefärbten Ausdrücke im Bludenzer Straßennamenverzeichnis. Im gesamten Land findet man die Bezeichnung Funkaweg dreimal.

38) Furklaweg Der Furklaweg ist ein Straßenzug, dessen Geschichte nicht vollständig entschlüsselt werden kann. Er liegt am Beginn des Buchenwaldes über den Bünten im Bludenzer Winkel und führt als Forststraße den Berg hinauf bis zum Gebiet der Oberen Furkla. Früher hatten Furklaweg und Obere Furkla einen gemeinsamen Namen und scheinen im Straßenverzeichnis von 1940 als Furkla auf. Der ursprüngliche Flurname Furggla (bzgl. Aussprache von g und k vgl. Paschgweg) ist ein Diminutiv des romanischen furca (dt. Gabel, Bergpass). 1949 findet der Straßenzug schließlich als Furklastraße Erwähnung. Wann genau die Umbenennung in

548 Zusätzliche Informationen, S. 113–114.

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Furklaweg erfolgte, lässt sich aus den Akten nicht erschließen und wurde auch nie von der Stadtvertretung eigens bestätigt.

39) Gartenstraße Bei der Gartenstraße handelt es sich um eine Seitenstraße der Wichnerstraße südöstlich des Stadtzentrums. Sie führt über die Umfahrungsstraße (Ignaz-Wolf-Straße) bis hin zum Getzner-Areal. Mit großer Wahrscheinlichkeit geht der Name zurück auf die Gärten, die sich früher außerhalb der Stadt an dieser Stelle befanden, da für sie in der engen Bludenzer Innenstadt kaum Platz war. Die Benennung erfolgte am 20.04.1906. Es war eine weitere von Alfons Leuprecht vorgeschlagene Straßenbezeichnung. Der Name Gartenstraße ist in Vorarlberg recht häufig und taucht immerhin 15 Mal auf.

40) Gasünd Als Gasünd wird die Flur bezeichnet, die in Form eines Hügels bzw. kleinen Berges die Bludenzer Stadtteile Bings und Rungelin trennt. Da das Gebiet von den anderen Stadtteilen getrennt liegt und einen flächenmäßig großen Bereich umfasst, wird es allgemein als eigene Parzelle gesehen. Heute gilt es, obwohl die Häuser weit verstreut im Forstgebiet liegen, als offizieller Straßenname, der eine lange Tradition hat. 1341 tauchte der Name als Gusunne erstmals urkundlich auf. Im 15. Jh. ist er als Gasün zu finden und 1644 erstmals als Gassünd. Die Schreibweise mit ss blieb lange aktuell; so wurde auch die Gassünderstraße, die heutige Schillerstraße, noch im 19. Jahrhundert mit ss geschrieben. Der Name geht auf das Wort casune zurück, was so viel bedeutet wie großes Haus. Vermutlich ist ein Pilgerhaus gemeint, das zum nahe gelegenen Kloster St. Peter gehörte.

41) Gerberstraße Der Name Gerberstraße geht zurück auf eine ehemalige Gerberei, die sich am Mühlebach befand und die für die Lederherstellung zuständig war. Die Benennung erfolgte am 16.01.1924. Die heutige Gerberstraße hat heute einen völlig anderen Verlauf als die ursprüngliche. Früher führte sie direkt von der St. Peter-Straße über den Mühlebach und die Bahntrasse zum Klarenbrunn-Areal. Heute ist sie in Abschnitte unterteilt: Sie beginnt zwar nach wie vor an der St. Peter-Straße, wird nach der neuen Brücke über den Mühlebach aber zur Austraße. Der alte historische Verlauf der Straße ist – spätestens nach der Errichtung eines neuen Betriebsgebäudes der Fa. Getzner – nicht mehr zu erkennen. Der früher über

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einen Bahnübergang führende Straßenverlauf ist inzwischen nämlich nach dessen Aufhebung und der Errichtung einer Fußgängerunterführung völlig unterbrochen. So gibt es keine direkte Verbindung mehr zum Rest der Gerberstraße auf der anderen Seite der Bahn.

42) Gilmstraße Die Gilmstraße liegt im Unterfeld und ist eine Parallelstraße der Unterfeldstraße sowie der Zürcherstraße. Sie führt stadtauswärts Richtung Raiffeisenstraße. Der Name geht zurück auf den in Bregenz geborenen Franz Josef Gilm (1703-1776). Er war in der Stadt Bludenz als Untervogt sowie von 1739 bis 1769 als Richter tätig. Bereits 1730 wurde er von Karl VI. in den rittermäßigen Adelsstand erhoben. Sein Enkel war der Lyriker Hermann von Gilm. Im Juni 1932 wurde von Stadtarchivar Alfons Leuprecht erstmals der Name Gilmstraße vorgeschlagen, und am 19.08.1932 erhielt schließlich die oben beschriebene Straße offiziell ihren heutigen Namen.

43) Grete-Gulbransson-Weg Der Grete-Gulbransson-Weg ist am Fuße der Bludenzer Halde gelegen. Er führt an der Ostseite des Schwimmbads vorbei Richtung Rungelin. Es ist der einzige Straßenname von Bludenz, der einer Frau gewidmet ist (die St. Anna-Straße nicht mitgerechnet), nämlich der Schriftstellerin und Heimatdichterin Grete Gulbransson (1882-1934), der Tochter der verwitweten Wanda Douglass und des Malers Jakob Jehly (s. Jakob-Jehly-Straße). nachdem der ursprüngliche Namensvorschlag Am Schwimmbad abgelehnt worden war, erfolgte am 04.02.1957 die Benennung mit dem heutigen Namen. Wenig später erreichte die Stadt Bludenz ein Schreiben des Architekten Olaf Andreas Gulbransson, in dem er sich für die Ehre bedankte, dass eine Straße nach seiner Mutter benannt wurde.549

44) Grubs Grubs ist eine im Klostertal liegende Parzelle, die zur Stadtgemeinde Bludenz (früher Teil der Landgemeinde) gehört. Sie befindet sich nördlich der Arlbergstraße, ist über Hintergastenz erreichbar und liegt gewissermaßen über Oberradin. Sie war Teil des Kirchspiels Bludenz und kam 1695 von der Herrschaft Sonnenberg an die Herrschaft Bludenz. Der Name geht zurück auf den Flurnamen, der eigentlich Grups hieß und am

549 Zusätzliche Informationen, S. 110–111.

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Grupser Tobel liegt. Der Name stammt vom germ. kruppa (übers. Knoten oder Anhöhe). Wegen der geringen Bevölkerungszahl benötigte es nie eine konkrete Straßenbenennung.

45) Haldenweg Der Haldenweg ist der zentrale Straßenzug im Bludenzer Stadtteil Halde, welcher an der Nordseite des Schwimmbads entlang bis nach Rungelin führt. Seinen Namen verdankt der Haldenweg dem Flurnamen Halde. Diese Bezeichnung wird oft verwendet für einen sanften Abhang eines Berges oder Hügels. Der exakte Benennungstag des Haldenwegs ist nicht bekannt, allerdings findet sich in den Archiven eine Mitteilung des Bauamtes vom 05.12.1947, wonach die Straße den Namen Haldenweg führe. Demnach ist eine Benennung kurz vor diesem Zeitpunkt anzunehmen; offiziellen Stadtvertretungsbeschluss gibt es keinen. In ganz Vorarlberg gibt es den Namen Haldenweg siebenmal.

46) Hasensprungweg Die westlichste Region der Stadtgemeinde wird mit dem Flurnamen Hasensprung bezeichnet. Da der Hasensprungweg direkt an der Gemeindegrenze liegt, wechselte auch des Öfteren der Zuständigkeitsbereich. Beim Namen Hasensprung handelt es sich um eine liebliche Bezeichnung für diese Allmein, wobei kein konkreter Zusammenhang mit Hasen bekannt ist. Der Straßenzug Hasensprung (in Nüziders) ist nicht mit dem von dort nach Osten abzweigenden Hasensprungweg (in Bludenz) zu verwechseln. Seit dem 16.12.1993 liegt der Hasensprungweg im Zuständigkeitsbereich der Gemeinde Nüziders. Die an diesem Weg liegenden Häuser befinden sich aber auf Bludenzer Gemeindegebiet, weshalb der Name im Bludenzer Straßenverzeichnis auftaucht. Die Bezeichnung Hasensprung stand bei der Benennung Bludenzer Straßen an der Gemeindegrenze des Öfteren zur Diskussion (zuletzt im Februar 1973), sie konnte aber aufgrund des nahegelegenen Straßenzugs Hasensprung im Gemeindegebiet von Nüziders nicht vergeben werden. In den Bludenzer Akten taucht eine Benennung des Hasensprungwegs nicht auf; sie dürfte aber Ende der 1970er Jahre erfolgte sein.

47) Hermann-Sander-Straße Die Hermann-Sander-Straße befindet sich südlich des Zentrums. Sie beginnt am Bahnhofplatz und führt stadtauswärts bis zur Bleichestraße. Hermann Sander (1840-1919) stammte aus Zell am Ziller, hatte durch seinen Schrunser Vater aber einen Bezug zu

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Vorarlberg. Er war als Gemeinderatsmitglied in der Innsbrucker Politik tätig und wurde später in Vorarlberg Schulinspektor für den Bezirk Bludenz. Bekannt wurde er durch seine historischen Arbeiten über Bludenz und seine Umgebung. Der beschriebene Straßenzug wurde am 20.04.1906 aufgrund seiner Straßenführung Brunnenfelderstraße genannt. Am 16.01.1924, dem ersten großen Benennungstag in der Stadtvertretung nach seinem Tod, wurde der Historiker durch die Umbenennung der Straße in Hermann-Sander-Straße gewürdigt. Auch der Hermann-Sander-Weg in Schruns erinnert an ihn.550

48) Herrengasse Die Herrengasse ist eine der Straßen des Bludenzer Stadtkerns. Sie verlief damals vom Oberen Tor entlang dem Stadtschrofen Richtung Osten bis zur Stadtmauer. Heute führt sie hier noch weiter, bis sie im Unterfeld in die Jellerstraße mündet. Ihren Namen verdankt sie den Pfründhäusern, in denen früher die geistlichen Herren wohnten. In der Frühen Neuzeit war die Straße ein Teil der Brunnengasse. Die Bezeichnung Herrengasse für diesen nördlichen Teil der Brunnengasse ist seit Beginn des 18. Jahrhunderts nachweisbar.551

49) Hintergastenz Ähnlich wie Grubs ist auch Hintergastenz sowohl ein Flurname als auch eine eigene Parzelle. Auch dieser Teil fiel durch den Auswechslungsvertrag von 1695 von der Herrschaft Sonnenberg an Bludenz. Die Parzelle liegt nördlich der Arlbergstraße zwischen St. Leonhard und Radin und an der Straße Richtung Grubs. Aufgrund der wenigen Häuser, die sich dort befinden, gab es nie eine Benennung mit eigenen Straßennamen. Die Herkunft des Namens konnte bislang nicht eindeutig geklärt werden. Der Name wurde daher schon des Öfteren in Frage gestellt, etwa bei einer Prüfung der Flurnamen im Jahr 1989. Die Unsicherheit rührt auch daher, dass die Schreibweisen Hintergastez bzw. Hintergasters ebenfalls in Quellen aufscheinen. Eine Herleitung von castrum (Burg) ist wohl auszuschließen, da es hier höchstwahrscheinlich nie eine Burg gegeben hat. Möglich wäre auch eine Herleitung von costa (Hang; Leite).

550 Zusätzliche Informationen, S. 88. 551 Zusätzliche Informationen, S. 72.

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50) Hinterplärsch Die Straße Hinterplärsch liegt im nordöstlichen Teil der Stadt am Fuße des Muttersbergs. Sie führt von der Brücke am Galgentobel über die Talstation bis weiter hinein in die Schlucht. Der Name geht zurück auf das Bad Hinterplärsch, das sich ab dem 15. Jahrhundert als Vorgänger des Bad Fohrenburg hinter der Flur Plärsch befand. Für den Flurnamen gibt es mehrere Deutungsmöglichkeiten: das romanische Wort palera bzw. palära (Ort, an dem Wasser gestaut wurde) oder das lateinische pala (Schaufel). Als die Straßen der Südtiroler Siedlung am 29.04.1949 nach langen Diskussionen ihre Namen zugeteilt bekamen, entschied man sich auch dafür, diesen Straßenzug mit Hinterplärsch zu benennen.

51) Hülzstraße Die Hülzstraße liegt am südlichen Stadtrand. Es ist eine linke Seitenstraße der Klarenbrunnstraße, die von dieser bis zur Bahnstrecke führt. Benannt ist sie nach dem in Bludenz geborenen Karl Hülz (1800-1872). Er war Hofapotheker in Salzburg und machte sich einen Namen durch zahlreiche Stiftungen, u.a. auch an die Stadt Bludenz. Er war außerdem 1836 Gründungsmitglied der Spinnerei Wolf & Co. Als 1931 in besagter Straße ein Wohnhaus erbaut wurde, langte bei der Stadt ein Antrag des Bauausschusses ein, die Straße mit Hülzstraße zu benennen. Diesem wurde am 30.10.1931 stattgegeben.552

52) Ignaz-Wolf-Straße Die Ignaz-Wolf-Straße liegt südöstlich des Zentrums und wird bei der Umfahrung der Bludenzer Altstadt Richtung Osten passiert. Sie ist zum Teil eine Einbahnstraße und führt nach Norden Richtung Hl. Kreuz-Kirche. Die Straße wurde vom Bludenzer Stadtrat Johann Baptist Ignaz Wolf (1850-1916) auf dessen eigene Kosten geplant. Wolf war besonders in seiner Funktion als Bauplaner bekannt und auch Hauptmann der Freiwilligen Feuerwehr. Er äußerte den Wunsch, dass die Straße nach seinem Tod nach ihm benannt werde. Er starb schließlich aber noch vor Bauende, weshalb es zur außergewöhnlichen Situation kam, dass der Name der Straße bereits vor ihrer Fertigstellung festgelegt war. Zur offiziellen Benennung in der Stadtvertretung kam es bereits am 27.02.1917, der Bau wurde aber erst 1918 fertiggestellt.553

552 Zusätzliche Informationen, S. 95–96. 553 Zusätzliche Informationen, S. 85–86.

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53) Im Halda-Wingert Der Halda-Wingert ist eine Seitenstraße der Grete-Gulbransson-Straße im Bludenzer Unterfeld am Fuße des Stadtteils Halde (im Dialekt als Halda bezeichnet). Der Ausdruck Wingert wird im alemannischen Raum für Weingarten verwendet. Da es in dieser Region in früheren Zeiten Weingärten gab, gelangte der Ausdruck in das Flurnamenverzeichnis. Als es darum ging, in dieser Gegend eine Straße zu bezeichnen, griff man auf diese beiden Namen zurück und kombinierte sie mit Beschluss vom 02.02.1962 zu einem neuen Straßennamen.

54) Im Moos Im Moos nennt sich ein Straßenzug, der südlich der Bahnlinie an der Gerberstraße beginnt und quer Richtung Schmelzhüttenstraße führt. Der Name Im Moos wurde bereits am 16.01.1924 erstmals vergeben für eine Straße, die weiter östlich und damit näher am Gebiet lag, das den traditionellen Flurnamen Moos trägt. Dementsprechend erhielt die dort gebaute Haltestelle der Montafonerbahn, laut Beschluss vom 28.12.1945, den Zusatz (Bludenz- )Moos. Als an der hier besprochenen Straße mehr und mehr Häuser errichtet wurden, benötigte es erneut einen Namen. Man behalf sich damit, dass man die Straße am 19.10.1956 nach einigen Diskussionen mit Im Moos benannte und die bisherige Straße Im Moos in Wiesenrain umbenannte. Die Bahnhaltestelle behielt jedoch ihren ursprünglichen Namen.

55) Im Reckholder Die Straßenbezeichnung Im Reckholder wird für einen Straßenzug nördlich des Bahnhofs Außerbraz in der Flur Obere Bünt verwendet. Er führt von der Ecke Mühlekreisweg- Zafeierweg Richtung Nordwesten. Der Name Reckholder ist eine alemannische Bezeichnung für einen Wachholder, der zum Selchen von Fleisch benötigt wurde. Bei der Benennung der Außerbrazer Straßennamen am 04.06.1965 erhielt der Straßenzug den Namen Im Reckholder, da er auch als alter Flurname für diese Gegend verwendet wurde. Der andere Vorschlag, Almaweg, wurde fallen gelassen.

56) Im Seiler Der Straßenzug Im Seiler befindet sich nördlich des Bahnhofs Außerbraz. Er zweigt von der Straße Im Reckholder ab, von wo aus er Richtung Osten zum Winkelbühelweg führt. Ursprünglich war hier der Name Im Reckholder vorgesehen. Dieser Name wurde aber verlegt (s. Im Reckholder). Laut Fraktionsvorsteher Adolf Tschol habe es in diesem Gebiet einen

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Betrieb gegeben, der Seile hergestellt habe, weshalb das Gebiet im Dialekt Säler genannt wurde. Daher wurde hier am 04.06.1965 der Name Im Seiler vergeben.

57) Im Sparrafeld Hierbei handelt es sich um eine Seitenstraße im nördlichen Teil des Walserwegs, die Richtung Osten führend, als Sackgasse endet. Die Straße befindet sich im Gebiet der Flur Sparraloch, woher auch die Namensähnlichkeit stammt. Erstmals urkundlich überliefert ist das Sparraloch als Spohreloch bzw. Spornenloch im Bayrischen Landeskataster von 1810. Aufgrund dieser unterschiedlichen Bezeichnungen wird auch die Deutung des Namens erschwert. Möglicherweise handelt es sich aber um eine Ableitung des Wortes Sparer, welches eine alte bayrische Bezeichnung für Sperling oder Spatz, genauer für den Bergsperling oder die Alpenbraunelle, ist. Eine andere Erklärung lässt einen Bezug zu einer Familie Sparr vermuten. Die Benennung mit dem Namen Im Sparrafeld erfolgte am 26.03.2003.

58) Im Torkel Die Straße Im Torkel ist eine Seitenstraße des Grete-Gulbransson-Wegs unweit des Halda- Wingert. Die beiden Straßen vereint ihr gemeinsamer Hintergrund. Beim Wort Torkel handelt es sich um einen anderen Namen für Weinpresse (lat. torculum). Besonders im süddeutschen und österreichischen Raum wird dieses Wort verwendet. Der Straßenzug ist einer der jüngeren. Er wurde im Zuge des Baus von Wohnanlagen am 23.09.1999 von der Stadtvertretung mit Im Torkel benannt, um auf diese alte Flur hinzuweisen.

59) Im Trutsch Der kurze Straßenzug Im Trutsch liegt nördlich des Bahnhofs Außerbraz. Er führt vom Zafeierweg Richtung Im Reckholder. Es handelt sich dabei, genau wie bei den angrenzenden Straßen, um einen alten Flurnamen, der vom rätoromanischen bzw. surselvischen Wort trutg (Ableitung von trogiu = Fußweg) kommt. Der Straßenname wurde am 04.06.1965 festgelegt und besteht bis heute. Eine Straße mit der Bezeichnung Trutsch gibt es auch in Satteins.

60) Im Winkel So vielseitig wie die Geschichte des Namens Im Winkel ist die der Region, der dieser Name zugeordnet ist. Die heutige Straße Im Winkel befindet sich südlich der Furklastraße am Hang

145 an der Flur Bünt. Der traditionelle Winkel befand sich an einer anderen Stelle (s. Winkelweg). Die Erstbenennung einer Straße mit Im Winkel wurde nicht von der Stadtvertretung festgelegt, erfolgte aber wahrscheinlich Ende der 1920er oder Anfang der 1930er Jahre, als ein Teil der Straße Obgayenhof in Im Winkel umbenannt wurde. Es ging damals um den nördlichen Teil der heutigen Spitalgasse vom Spital zum protestantischen Friedhof. Im Jänner 1944 wurde die Bezeichnung auf den heutigen Büntweg ausgedehnt. Aufgrund der Ähnlichkeit mit dem Namen Winkelweg, wurden 1955 Stimmen laut, die Straße umzubenennen in Ob Gayenhof (Rückbenennung), Gätschilätsch (Flurname der Gegend) oder Bündta. Am 23.09.1955 entschied man sich für die Umbenennung und für eine Verlängerung der Spitalgasse, die nun auch das Gebiet Im Winkel umfasste. Als am Hang neben der Bündt immer mehr Häuser entstanden, brauchte es wieder einen Namen. Vom Stadtrat wurden die Namen In der Bündt sowie Im Winkel zur Beschlussfassung durch die Stadtvertretung vorgelegt. Am 03.11.1966 entschied sich diese für Im Winkel.

61) In der Halde Die Siedlung In der Halde ist der nördlichste und höchstgelegene Teil der Bludenzer Halde. Es ist die Bezeichnung für die gesamte Gegend, die sich nördlich des Haldenwegs an der Ostseite des Montikels befindet (Namensbedeutung: s. Haldenweg). Am 04.06.1965 wurde die Gegend von der Stadtvertretung mit dem Namen In der Halda benannt. Kurz darauf kam von Oberschulrat Kohlbacher der Vorschlag, die Straße in In der Halde umzubenennen, um keine dialektalen Einflüsse zu haben. Diese Idee wurde zuerst vom Bau- und Wasserwerksausschuss, später auch vom Stadtrat gutgeheißen und in der Stadtvertretungssitzung vom 28.10.1965 bestätigt.

62) In der Schmitte Die Schmitte war früher eine der prägenden Bludenzer Flurbezeichnungen (s. Schmittenstraße). Als in der Gegend dieser Flur eine weitere kurze Straße angelegt wurde, entschied man sich dafür, genau wie bei der Schmittenstraße, von der In der Schmitte abzweigt, den Bezug zu dieser historischen Bezeichnung herzustellen. Zur Benennung kam es in der Stadtvertretungssitzung vom 05.07.2007.

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63) Innergasse Bei der Innergasse handelt es sich um jene Straße in der Parzelle Rungelin, die bei der Kirche zum heiligen Antonius auf der rechten Seite abzweigt und an der Innenseite des Hanges entlang hinaufführt. Sie wurde am 04.06.1965 im Zuge der Namensgebung für die Straßenzüge in den Bludenzer Parzellen von der Stadtvertretung festgelegt.

64) Jakob-Jehly-Straße Die Jakob-Jehly-Straße ist die westlichste Straße im Bludenzer Außerfeld, das sich westlich des Stadtkerns befindet. Sie zweigt an der Alten Landstraße ab und führt südlich Richtung St. Anna-Straße. Benannt ist die Straße nach dem in Bludenz geborenen bildenden Künstler Jakob Jehly (1854-1897), der auf vielen Kunstreisen sein Handwerk erlernte. Er war verheiratet mit der verwitweten Wanda Douglass und ist der Vater von Grete Jehly (verh. Gulbransson). Heute sind einige seiner Werke im Stadtmuseum zu sehen. Zur Benennung einer Straße mit seinem Namen kam es am 07.04.1930, nachdem der erste Vorschlag für diesen Straßenzug, West-Strasse, keine Zustimmung gefunden hatte.554

65) Jellerstraße Es ist dies eine Straße im Bludenzer Unterfeld, die am Fuße des Montikels westlich des Gymnasiums beginnt und an der Kreuzung Schillerstraße endet. Erstmals benannt wurde die Straße am 14.11.1936, damals als Ziegelhüttenstraße. Knapp nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurde die Straße aber nach dem Widerstandskämpfer Alois Jeller (1902-1945) benannt, der kurz vor der Befreiung von Bludenz von den abziehenden Nazis ermordet wurde. Zuerst sollte der Adolf-Hitler-Platz in Jellerplatz umbenannt werden, wovon jedoch abgesehen wurde. Schließlich kam es bereits am 02.08.1945 zur Umbenennung der Ziegelhüttenstraße in Jellerstraße.555

66) Josef-Wolf-Platz Josef Wolf (1829-1909) war der am längsten amtierende Bürgermeister der Stadt Bludenz. Unter seiner Führung von 1867 bis 1909 gab es ein massives Bevölkerungswachstum und die Stadt entwickelte sich zu einem industriellen Zentrum im Westen der Monarchie. Einem Antrag des Stadtrates, wonach der frühere Postplatz in Josef-Wolf-Platz umbenannt werden

554 Zusätzliche Informationen, S. 92–93. 555 Zusätzliche Informationen, S. 105–106.

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solle, wurde am 12.04.1924 stattgegeben. Dieser Platz liegt im westlichen Teil der Altstadt unweit des heutigen Postplatzes und ist gewissermaßen ein Teil der durch den Stadtkern führenden Werdenbergerstraße.556

67) Kaplina Die mit Kaplina bezeichnete Straße gehört bereits zum Stadtteil Bings, ist von diesem aber räumlich getrennt, da sie sich direkt hinter dem Kloster St. Peter am Fuße von Gasünd an einem kleinen abfallenden Felsvorsprung befindet. Das Wort caplina bedeutet auch Fels und bezieht sich auf eben diesen Felsen, aus welchem früher der Bingser Marmor gebrochen wurde. Um 1600 tauchte der Flurname als Grapplina bzw. Gapplina erstmals in den Ratsprotokollen der Stadt Bludenz auf. Vom reinen Flurnamen zum Straßennamen wurde Kaplina aber erst, als die Häuser, die an dieser schmalen Straße entlang der Trasse der Arlbergbahn erbaut wurden, Bezeichnungen benötigten. Dies geschah am 04.06.1965.

68) Kapuzinerstraße Der Name Kapuzinerstraße ist heute ohne den geschichtlichen Hintergrund kaum verständlich. Er geht zurück auf das Kapuzinerkloster, das zwischen 1645 und 1652 an der heutigen, nach dem Bettelorden benannten Straße erbaut wurde. Das ehemalige Montafoner Tor wurde auch als Kapuzinertor bezeichnet. Die Benennung der Kapuzinerstraße erfolgte am 20.04.1906 bei der ersten großen Straßenbenennungsphase. 1941 wurde das Kloster nach einer Belagerung der Gestapo aufgehoben und im Mai/Juni 1945 mit Hilfe der französischen Besatzungsmacht wieder installiert. Im Juni 1991 übernahmen es die Franziskaner der Provinz Posen in Polen, die bis heute dort leben und wirken. Der alte Straßenname wurde jedoch beibehalten.

69) Kasernplatz Der Kasernplatz bzw. Kasernplatze, wie er früher auch öfters bezeichnet wurde, ist die Verbindungsstraße zwischen Pulverturmstraße und Fohrenburgstraße. Er beginnt an der Pulverturm-Kreuzung und führt zur Suchard-Fabrik. Die Bezeichnung als Platz ist für diesen Straßenzug nicht erst in heutiger Zeit etwas verwirrend. Der Name geht zurück auf die Au- Kaserne, die 1834 errichtet wurde und in der sich eine Zeitlang die Bludenzer Garnison befand. Diese war allerdings zum Teil auch an anderen Stellen, etwa im Schloss Gayenhofen,

556 Zusätzliche Informationen, S. 91–92.

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untergebracht. Die Benennung des Straßenzugs mit dem Namen Kasernplatz erfolgte am 20.04.1906. Aufgrund der Stationierung der Garnison im Schloss kam es immer wieder zu Verwirrungen, da Auswärtige den Kasernplatz vor dem Schloss suchten.

70) Kirchgasse Die Kirchgasse war in der frühen Neuzeit die kleinste der vier Rodeinheiten in Bludenz. Sie war der Teil, in dem die reichsten Stadtbewohner lebten, und hatte dadurch schnell die höchste Steuerleistung. In der frühen Neuzeit wurde die Straße auch als Schmidtgasse bzw. später als Obertorgasse bezeichnet; daher wurden die Bewohner auch Obergässler genannt. Ihr heutige Name stammt von der ehemaligen Spitalskirche, die 1472 als Kirche der Heiligen Dreifaltigkeit geweiht wurde. Deren Errichtung geht zurück auf den Bau des Bürgerspitals um 1300. Sie fiel drei Stadtbränden zum Opfer, wurde aber immer wieder aufgebaut. Während der NS-Zeit wurde die Kirche von der NSDAP als Magazin genützt, danach bis 1959 von der Stadt, und seit 12.06.1960 wird sie als Kirche wieder für sakrale Zwecke verwendet.557

71) Klarenbrunnstraße Die Klarenbrunnstraße ist die längste Straße im Bludenzer Stadtgebiet mit Hausnummern bis über 100. Sie führt von der alten Ill-Brücke beim Hofer-Markt Richtung Osten bis zur Autobahnauffahrt Bludenz-Montafon. Die Flurbezeichnung Klarenbrunn entstand infolge der reinen Quellen, die sich in diesem Gebiet der Bludenzer Au befanden. 1836 wurde die Baumwollspinnerei Alt-Klarenbrunn gegründet, die in den 1880ern von der Firma Getzner, Mutter & Cie erworben und in Wohnungen umgebaut wurde. Zwischen 1884 bis 1886 errichtete man schließlich eine neue Spinnerei. 1992 wurde die Fabriksanlage verkauft und 2015 stillgelegt. Die zentrale Straße im Klarenbrunn-Gebiet erhielt ihren Namen bereits am 20.04.1906.558

72) Klostertalerstraße Mit Klostertalerstraße wird die Arlbergstraße (ehemals: Reichsstraße) auf Höhe der Bludenzer Parzellen St. Leonhard, Radin und Außerbraz bezeichnet. Sie ist benannt nach dem Tal, an dessen Eingang sie gelegen ist. Die Benennung erfolgte am 04.06.1965 im Zuge

557 Zusätzliche Informationen, S. 70–71. 558 Zusätzliche Informationen, S. 83.

149 der Namensgebung der Straßenzüge in Außerbraz, von denen der Großteil noch bis heute Bestand hat. Während sie in Innerbraz und Wald am Arlberg den Namen Arlbergstraße trägt, erhielt sie auf Dalaaser Ortsgebiet ebenfalls den Namen Klostertalerstraße.

73) Kreuzweg Der Kreuzweg befindet sich, abzweigend von der Klostertalerstraße, im Ortsgebiet Außerbraz und führt beim Hotel Traube den Hang hinauf bis zur Bahnhofstraße. Im Vorfeld der Benennung der Außerbrazer Straßennamen gab es einige Diskussionen, ob der Straßenzug mit Kreuzgasse benannt werden solle. Man entschied sich aber am 04.06.1965 für Kreuzweg mit der Begründung, dass sich dieser Name im Volksmund auch durchgesetzt hätte, wenn die offizielle Bezeichnung Kreuzgasse wäre. Trotz des allgemein gehaltenen Straßennamens ist dieser nur noch ein weiteres Mal in Vorarlberg zu finden, in Feldkirch.

74) Kurtiviel Der Straßenname Kurtiviel geht ebenfalls zurück auf einen alten Flurnamen. Er wird 1359 erstmals urkundlich erwähnt und ist aus früheren Zeiten auch oft als Gurtafiel überliefert. Der Name stammt vom rätromanischen cuort (Hof). Bei den Walsern wurde der Zusatz vecla zu viglia/veglia und hierzulande später zu cuort veglia (= alter Hof). Bei der großen Benennungsphase im Sommer 1965 wurde nochmals darüber debattiert, die vom Obdorfweg nach Westen abzweigende Straße mit Kurtiviel zu benennen, nachdem bereits im September des Jahres zuvor erstmals im Stadtrat darüber diskutiert worden war. Am 13.09.1965 wurde der Name Kurtiviel vom Stadtrat beschlossen. Als im Kulturausschuss kein anderer Vorschlag zustande kam, bestätigte die Stadtvertretung den Namen am 28.10.1965.

75) Laguz Als eine der wenigen Straßen in Außerbraz wurde Laguz nicht in der großen Benennungsphase von 1965 vergeben, sondern erst elf Jahre später. Der Name geht, wie die meisten der Außerbrazer Straßennamen, auf einen alten Flurnamen zurück. Laguz wurde ein See genannt, der sich bei Überschwemmungen an dieser Stelle bildete. Der Name wurde am 28.06.1976 vergeben, nachdem Lehrer Werner Soraperra an diesem Zufahrtsweg zum Mühlekreisweg im Osten der Ortschaft ein Einfamilienhaus gebaut hatte.

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76) Lötscherweg Die Flur Lötsch ist eine der prägenden Fluren in Außerbraz. Sie befindet sich im Nordosten des Ortsgebiets und war auch der Grund für die Benennung des Weges, der, abzweigend vom Mühlekreisweg, den Hang hinauf zu dieser ländlich geprägten Flur führt. Das Wort stammt aus dem Romanischen. Es beschreibt eine schlechte Weide für Galtvieh (Ochsen). Der Lötscherweg ist einer der längsten Straßenzüge in Außerbraz. Er führt entlang des Winkeltobels bis Lötsch und wurde am 04.06.1965 mit dem Namen Lötscherweg benannt.

77) Maierhof Der Straßenname Maierhof wird verwendet für die 2017 fertiggestellte kleine Siedlung, die kurz nach dem Ortseingang von Brunnenfeld nach links abzweigt ins Gebiet der Flur Paschg. Die Benennung erfolgte durch die Stadtvertretung am 23.03.2017. Die Abteilung der Stadtplanung bat Historiker Manfred Tschaikner um einige Vorschläge. Aus den drei Vorschlägen (Maierhofweg, Kärglinweg, Egli-Neyerweg) entschied sich die Stadtvertretung für die Kurzform des ersten Vorschlags: Maierhof. Der Name steht für die ehemalige Bezeichnung des Zürcherhauses, welches sich am Ortseingang in Brunnenfeld unweit der Siedlung befindet. Dieses hatte den ursprünglichen Namen, bis es von der Zürcher-Familie übernommen wurde.

78) Meranerstraße Die Meranerstraße ist die zweite Verkehrsverbindung in Bludenz, die nach einer Stadt in Südtirol benannt ist. Es ist die nördliche Parallelstraße der Boznerstraße. Durch die Option kamen viele Südtiroler nach Vorarlberg und wurden in Siedlungen untergebracht. Allerdings lebten in der Bludenzer Siedlung keineswegs nur Südtiroler. Ab 1942 war man auf der Suche nach Namen für die beiden Straßen (s. Boznerstraße). Im November dieses Jahres wurde vom Verkehrsamt erstmals die Benennung nach Südtiroler Orten vorgeschlagen. Zwar stand schon damals die Bezeichnung Meranerstraße im Raum, doch zunächst erhielt sie den vorübergehenden Namen C-Straße, dem allerdings keine offizielle Benennung zu Grunde lag. Erst am 29.04.1949 erfolgte die Umbenennung auf ihren heutigen Namen.559

559 Zusätzliche Informationen, S. 103–104.

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79) Meßweg Der Meßweg ist eine der ältesten Straßen in der Bludenzer Stadtgeschichte und die erste Straße, die das Zentrum von Bludenz mit einer heutigen Parzelle verband. Heute hat er jedoch fast nur noch historische Bedeutung, da nur noch zwei Gebäude die Bezeichnung Meßweg tragen. Die Straße ist mittlerweile eine kurze Sackgasse, die von der Kapuzinerstraße unweit des Klosters erreichbar ist. Vor der Verbauung des Unterfelds in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg führte er, an von heute etwas abweichender Stelle beginnend, bis zur Parzelle Rungelin und war dadurch über Jahrzehnte auch die längste Straße des offiziellen Bludenzer Straßenregisters. Seinen Namen erhielt er, weil die Bewohner Rungelins auf diesem Hauptverbindungsweg in die Pfarrkirche Laurentius zur Messe gingen.

80) Mokrystraße Die Mokrystraße befindet sich im Gebiet südlich des Bahnhofs am Unteren Illrain. Dieser Stadtbereich wird allgemein als Mokry bezeichnet. Namenspatron ist der Maschinenführer Robert Mokry (1847-1932), der in Bludenz tätig war. Er war die treibende Kraft hinter dem kleinen Naturpark, der zwischen der Ill und den Bahnhofsanlagen entstand. Als Dank für diese Arbeit wurde bereits am 16.01.1924 genau an dieser Stelle eine Straße nach ihm benannt. Zu diesem Zeitpunkt lebte Robert Mokry in Salzburg, und er bedankte sich für die Benennung. Bis zum heutigen Tag ist dies, abgesehen vom oktroyierten Adolf-Hitler-Platz, die einzige Benennung einer Bludenzer Straße nach einer lebenden Person.560

81) Montafonerstraße Die Montafonerstraße befindet sich in der Verlängerung der St. Peter-Straße am östlichen Stadtrand und führt an Brunnenfeld vorbei bis zum Ende des Gemeindegebiets bei Lorüns. Der Umbau der Straße war ein großes Projekt, das in den Stadtvertretungssitzungen mehrmals besprochen wurde. Hinsichtlich der Überlegungen für einen passenden Namen scheint es aber keine größeren Diskussionen gegeben zu haben, jedenfalls sind keine solchen überliefert. Als schließlich am 04.06.1965 viele Straßenzüge der östlichen Parzellen, so auch in Brunnenfeld, eigene Namen bekamen, wurde dieser Teil der heutigen L190 als Montafonerstraße bezeichnet.

560 Zusätzliche Informationen, S. 90–91.

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82) Mühlebachweg Der Mühlebachweg ist der erste Straßenzug, der von der Bahnhofstraße Richtung Stadtmitte nach links abzweigt. Er führt in einen Innenhof, wo er bei einer kleinen Brücke auch über den namensgebenden Mühlebach führt. Der Name des Bachs und damit des Wegs stammt von der Alten Mühle, die an diesem Bach lag. Sie befand sich knapp außerhalb des Stadtkerns, südlich des Unteren Tors. Der erste Vorschlag für eine Benennung, vorgebracht am 31.03.1930, lautete auf den Namen Tränkeweg. Dieser wurde überarbeitet und durch den Namen Mühlebachweg ersetzt, welcher am 07.04.1930 von der Stadtvertretung festgelegt wurde.

83) Mühlekreisweg Einer der längsten Straßenzüge von Außerbraz ist der Mühlekreisweg. Er beginnt nördlich des Bahnhofs Außerbraz und führt von dort bis an den östlichen Ortsrand, wo er auf (Inner- )Brazer Gemeindegebiet schließlich zur Oberen Gasse wird. Er führt dabei bis zum Mühlebach, von dem er auch seinen Namen hat. Der Name Kreis kann nicht genau gedeutet werden. Es kann damit die Bezeichnung für ein eigenes Gebiet (einen Kreis) gemeint sein oder aber Mühlegras als Weide meinen – aufgrund der mundartlichen Ähnlichkeit von Müli- Gräs und Müli-Kräs. Jedenfalls wurde von der Stadtvertretung am 04.06.1965 dieser ehemalige Flurname für diesen Straßenzug vergeben.

84) Mühlgasse Die Mühlgasse ist eine der Straßen im historischen Stadtkern von Bludenz. Sie ist heute die südöstliche Gasse, die Richtung Unteres Tor führt und hier in die Wichnerstraße mündet. Im 16./17. Jahrhundert bildete die Gasse das größte Stadtviertel, da sie auch noch Teile der heutigen Werdenbergerstraße bis hin zum damaligen Rathaus umfasste. Bei der Bevölkerung wechselte der Name damals aber öfters: Sie wurde zuerst als Marktgasse, danach Gaißgasse und später als Untergasse bezeichnet. Spätestens in den 1720er Jahren soll der Name Mühlgasse aufgekommen sein, den die Straße bis heute behielt.561

85) Mutterstraße Der Name der Mutterstraße, die als Bindeglied zwischen Alte Landstraße und Bahnhofstraße direkt am Stadtkern entlangführt, wird oft falsch gedeutet. Er geht zurück auf die

561 Zusätzliche Informationen, S. 73–74.

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einflussreiche Familie Mutter, die von Tobadill in Tirol zugereist war und sowohl wirtschaftlich als auch politisch besonders im 19. Jahrhundert eine bedeutende Rolle spielte. Benannt ist die 1891 neu errichtete Straße allerdings nicht nach Franz Xaver oder seinem Bruder Christian Mutter, der mehrmals zum Bürgermeister gewählt wurde, sondern nach Andreas (genannt Andre) Mutter (1848-1890), der als amtierender Stadtrat früh verstarb und bereits kurz nach seinem überraschenden Tod (wenige Tage zuvor hatte er noch an einer Stadtratssitzung teilgenommen) mit einer Straße geehrt wurde. Es war dies eine der frühesten offiziellen Straßenbenennungen der Stadtgeschichte.562

86) Negrelliweg Der Negrelliweg wurde im Zuge der Neuerrichtung von Blöcken südlich der Alten Landstraße knapp vor der Gemeindegrenze zu Nüziders angelegt. Die Benennung erfolgte am 07.05.1998. Bereits davor wurde der Trentiner Alois Negrelli (1799-1858) öfters genannt, wenn es um die Benennung von neuen Straßen ging, u.a. bereits mehr als 50 Jahre zuvor beim Bau der Südtiroler-Siedlung. Er war als Ingenieur in Vorarlberg tätig und wirkte außerdem bei Entwürfen für den Suez-Kanal mit. Seine Beziehung zu Bludenz wurde durch den Tod seiner Tochter verstärkt, die hier unerwartet an Dipheterie verstarb und auf dem alten Friedhof begraben wurde. Die Ehrung seiner Person mit einem Straßennamen im Jahre 1998 ist außerdem die letzte personenspezifische Benennung in Bludenz bis zum heutigen Tag. In Vorarlberg gibt es insgesamt neun Negrelliwege bzw. -straßen.563

87) Obdorfweg Obdorf ist ein Bludenzer Flurname, der das geographisch höher gelegene Gebiet nördlich des Stadtkerns, sprich ob dem Dorf bezeichnet. Bereits im Pfarrkirchenurbar von 1491 wird das Gebiet erstmals erwähnt, zu dieser Zeit gehörte es aber noch zum Herrschaftsgebiet Sonnenberg. Zu Bludenz gehörte es erst, nachdem 1695 die Grenzen zwischen Bludenz, Sonnenberg und Montafon neu definiert wurden. Das Gebiet Obdorf wurde schließlich auch mit diesem Namen in das Straßenverzeichnis übernommen, als dort erste Hausnummern angebracht wurden. Die erste besiedelte Straße im Obdorf, der Obdorfweg, wurde schließlich am 16.01.1924 als solcher benannt. Diesen zentralen Charakter hat der Weg, auch aufgrund

562 Zusätzliche Informationen, S. 79–81. 563 Zusätzliche Informationen, S. 122–123.

154 seiner beachtlichen Länge, reicht er doch von der Alten Landstraße bis Hinterplärsch, bis heute nicht verloren.

88) Oberbings Bei der Bingser Dorfstraße erfolgte die Teilung des Ortsteils in Oberbings und Unterbings. Beide Straßenzüge sind ein Teil der Arlbergstraße. Oberbings nennt sich der östliche Teil, der topographisch betrachtet etwas höher liegt und von der Kreuzung an der Bingser Dorfstraße bis zur Bahnunterführung bei St. Leonhard führt. Ab dort heißt die Straße Klostertalerstraße. Der Name Oberbings wurde am 04.06.1965 vergeben.

89) Oberdaneu Der Flurname Daneu wird meist mit der Gemeinde Nüziders und dem dort befindlichen Hotel Daneu in Verbindung gebracht. Doch am nordöstlichen Eck des Bludenzer Gemeindegebiets gibt es seit der Benennung am 29.04.1949 eine Straße, die auf den Namen Oberdaneu lautet, da dies auch mit dem dortigen Flurnamen übereinstimmt. 1544 taucht der Name als Thanew erstmals urkundlich auf. Später wurde es zu Taneü und Taneu bzw. Daneu. Der Name geht auf den Wortstamm „FONTANA + -ETU ‚Gebiet mit Quellen‘“ zurück (Plangg, Die Flurnamen von Bludenz, S. 20). Dabei wurde das fon oft mit dem deutschen von verwechselt, wodurch noch Taneu blieb, aus dem Daneu wurde.

90) Obere Furkla Die Obere Furkla bezeichnet einen Teil des großen Forstgebiets Furkla, welches sich über der nördlichen Stadtseite erhebt. Dennoch gehört die Obere Furkla offiziell zum Bludenzer Straßenverzeichnis (Namensbedeutung: s. Furklaweg). Der Flurname Furggla wird unterteilt in eine Unter- sowie eine Oberfurggla, wobei nur die Obere Furkla auch ein Straßenname ist. Die Benennung der Oberen Furkla ist genauso wie die des Furklawegs nicht komplett rekonstruierbar. Definitiv fand die Benennung aber in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts statt, da in der Stadtvertretungssitzung vom 25.01.1989 bereits eine Obere Furkla aufgelistet ist, diese aber im Straßenverzeichnis von 1949 noch nicht auftaucht. Ein Stadtvertretungsbeschluss zur offiziellen Aufnahme ist nicht nachweisbar.

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91) Oberer Illrain Der Illrain befindet sich direkt am Fluss Ill, dem zentralen Fluss durch Bludenz. In der Benennungsphase vom 16.01.1924 wurde das gesamte Flussufer als Illrain bezeichnet. Schon bald gab es allerdings im Volksmund die Trennung in einen Oberen und einen Unteren Illrain. Eine offizielle Benennung mit dem Namen Oberer Illrain ist nicht überliefert (s. Unterer Illrain), definitiv wird der Straßenzug aber bereits im Zuge der Benennung des Fabrikswegs im Jahre 1930 als Oberer Illrain erwähnt und somit sehr wahrscheinlich auch bereits als eigener Straßenname geführt. In einer Zeitungsannonce im „Bludenzer Anzeiger“ ist sogar bereits 1927 von einem Oberen Illrain die Rede.

92) Oberfeldweg Im Jahre 1491 ist im Pfarrkirchen Urbar zu Bludentz erstmals von einem oberveld die Rede. Das Gebiet des Oberfeldes befindet sich nördlich der Altstadt zwischen Obdorf und Winkel. Der heutige Oberfeldweg ist die zentrale Straße dieser Flur und führt vom heutigen Krankenhaus aus Richtung Norden. Das Präfix Ober- deutet darauf hin, dass sich die Flur oberhalb der Stadt befand, also höher gelegen war. In der Frühen Neuzeit war es neben dem Außerfeld und dem Unterfeld ein für die städtische Landwirtschaft wichtiges Gebiet. Die Aufnahme des Oberfeldwegs in das Straßenverzeichnis erfolgte durch Beschluss vom 16.01.1924, einem bedeutenden Benennungstag für Bludenzer Straßennamen.

93) Obergasse Nachdem im Juni 1965 die beiden Abzweigungen von der Rungeliner Kirche mit Innergasse und Außergasse bezeichnet wurden, benötigte man 1979 eine Bezeichnung für den weiter oben errichteten Verbindungsweg zwischen diesen beiden Straßen. Man einigte sich am 03.05.1979 auf den Namen Obergasse. Fünf Jahre darauf wurde beschlossen, dass bei den Rungeliner Gassen als Zusatz vor dem Straßennamen Rungelin zu stehen habe. Dies lässt sich mit dem Bingser Prinzip vergleichen. Allerdings konnten sich diese Bezeichnungen trotz eines Stadtvertretungsbeschlusses nicht durchsetzen. Heute steht der Zusatz längst nicht auf allen Hausnummern, und auch im offiziellen Straßenverzeichnis scheint der Zusatz nicht auf.

94) Oberradin Der Name Radin taucht urkundlich bereits 1545 in dieser Schreibweise auf. Es handelt sich um einen Stadtteil von Bludenz, der geografisch dem Klostertal zuzuordnen ist. Er grenzt an

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St. Leonhard im Westen und an Außerbraz im Osten. In der Neuzeit gehörte der Stadtteil zum Kirchspiel Bludenz, genauer zum Kloster St. Peter, das ein Erblehen besaß, welches sich u.a. auf Radin befand. Ab 1695 gehörte Radin auch politisch zur Herrschaft Bludenz. Der Name geht zurück auf das romanische Wort ratin, das so viel bedeutet wie Steigung. Am 04.06.1965 erhielten die beiden Siedlungen von Radin eigenständige Namen. Der größere Teil nördlich der Hauptstraße wurde dabei mit Oberradin benannt.

95) Paschgweg Der Paschgweg befindet sich im Stadtteil Brunnenfeld und ist eine Abzweigung nach links, wenn man stadtauswärts die Brunnenfelder Straße entlangfährt. Der Name geht zurück auf das lateinische Wort pascuum (Weide). Es ist einer der prägenden Flurnamen dieses Gebiets zwischen Brunnenfeld und Unterbings. Bereits im 15. Jahrhundert taucht der Flurname urkundlich auf, um das Gebiet zu beschreiben. Am 04.06.1965 wurde in Brunnenfeld der Paschkweg benannt. In der Folge wurde die Benennung allerdings überprüft, und man stellte fest, dass statt das geschriebene K mündlich als G ausgesprochen wurde. Daher wurde die Benennung am 28.10.1965 revidiert und der Weg nun mit Paschgweg benannt.

96) Platz Borgo Valsugana Im Jahre 1991 schloss Bludenz eine Städtepartnerschaft mit der Gemeinde Borgo Valsugana im Trentino ab. Am 15.03.2001 wurde, anlässlich des 10-jährigen Jubiläums, ein Straßenzug in der südlichen Bludenzer Altstadt mit Platz Borgo Valsugana benannt. Er fand allerdings erst 2013 Eingang in das offizielle Straßenverzeichnis, da erst in diesem Jahr mit der Eröffnung des Restaurants Eichamt ein Gebäude mit der genannten Bezeichnung beschriftet wurde. In der Stadtvertretung war man 2001 außerdem der Ansicht, die deutsche Stadt Plettenberg, eine weitere Partnerstadt von Bludenz, sollte ebenfalls geehrt werden. Daher wurde der Park bei der Volksschule Mitte in Plettenbergpark umbenannt. Dieser Name scheint aber in diesem Verzeichnis sowie im offiziellen Straßenverzeichnis der Stadt Bludenz nicht auf, da es kein Gebäude mit der entsprechenden Bezeichnung gibt.564

564 Zusätzliche Informationen zu beiden Plätzen, S. 123–124.

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97) Pulverturmstraße Die Pulverturmstraße befindet sich direkt südlich der Innenstadt. Auch dieser Name ist eng mit der Geschichte der Stadt verbunden. Der Pulverturm war Teil der Bludenzer Stadtmauer und wurde für die gefährliche Lagerung von Schießpulver genutzt. Dieses kam zwar nicht zur Verwendung, musste aber verpflichtend im Turm gelagert werden. Weil Bludenz im 19. Jahrhundert kein Kriminalgefängnis besaß, gab es eine Zeitlang Überlegungen, den Pulverturm als Gefängnis zu nutzen. Dies geschah allerdings nicht. Teile des alten Pulverturms stehen bis heute und sind unter Denkmalschutz. Die Straße bekam ihren Namen am 20.04.1906, wobei zum gleichen Zeitpunkt auch Vorschläge abgegeben wurden, sie aufgrund der Errichtung der ersten Buchdruckerei der Stadt in Gutenbergstraße umzubenennen. Dazu kam es allerdings nicht.

98) Rafaltenstraße Die Rafaltenstraße ist einer der neueren Straßenzüge von Bludenz. Er führt abzweigend von der Zollgasse stadteinwärts und auf einem Fuß-/Fahrradweg weiter Richtung Am Tobel. Bei der Benennung des Straßenzugs am 14.10.1993 entschied man sich für die Übernahme eines Flurnamens, der von Werner Vogt dieser Gegend zugesprochen wird. Das Wort Rafalten setzte sich zusammen aus dem rätoromanischen riva (Ufer) sowie dem lateinischen Wort altus (hoch). Übersetzt spricht man daher von einer erhöhten Uferböschung, was topographisch auch auf das Gebiet zutrifft, auch wenn der historische Zusammenhang nicht restlos geklärt ist. Bereits bei der Benennung des Gebiets Am Zoll im Jahre 1972 stand der Name Rafalten kurzzeitig zur Debatte.

99) Raiffeisenstraße Die Raiffeisenstraße befindet sich im Bludenzer Unterfeld. Sie ist einerseits die Verbindung zwischen der Unterfeldstraße und dem Grete-Gulbransson-Weg und führt andererseits noch als Sackgasse Richtung Schillerstraße. Die Straße ist benannt nach dem Geldinstitut, das seinerseits nach dem Gründer Friedrich Wilhelm Raiffeisen (1818-1888) benannt ist. Bereits 1950 kam von der Raiffeisenkasse die Anfrage hinsichtlich der Benennung einer Straße mit dem Namen der Bank, da diese damals ihr 50-jähriges Bestehen in Bludenz feierte. Im Jahre 1970 wurde dieses Anliegen angesichts der im Unterfeld geplanten Straße neuerlich vorgebracht, und dieses Mal wurde der Bitte stattgegeben und die Straße am 17.12.1971 mit

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Raiffeisenstraße benannt. Heute ist dies nicht die einzige Raiffeisen-Erwähnung im Bludenzer Stadtbild (s. Am Raiffeisenplatz).565

100) Rathausgasse Die Rathausgasse ist ein weiterer Straßenzug in der historischen Altstadt von Bludenz. Sie führt heute vom Platz beim Nepomuk-Brunnen, einem der Wahrzeichen von Bludenz, in den nördlichen Teil der Altstadt Richtung Katzenwinkel und Herrengasse. Mit letzterer bildete sie früher eine gemeinsame Rodeinheit. Diese wurde als Brunnengasse bezeichnet, da es außer dem Nepomuk-Brunnen einen zweiten Brunnen vor dem früheren Schlachthof im Katzenwinkel gab. Aufgrund des Schlachthofs wurde zum Teil auch der Name Metzggasse verwendet. Die aktuelle Bezeichnung Rathausgasse ist mittlerweile ebenfalls bereits historisch geprägt, da sich das Rathaus seit den frühen 1970er Jahren nicht mehr hier befindet, sondern westlich des Stadtkerns an der Werdenbergerstraße.566

101) Rhätikonstraße Bei der Rhätikonstraße handelt es sich um die einzige Straße in Bludenz, die nach einem Bergmassiv benannt ist. Sie befindet sich im Bludenzer Oberfeld. Ihr Name geht zurück auf die Gebirgskette Rhätikon, die sich über Lichtenstein, das südliche Vorarlberg sowie den Schweizer Kanton Graubünden erstreckt. Auch wenn in den Akten der Benennungsgrund für diese Straße nicht genannt ist, so kann davon ausgegangen werden, dass die Straße so benannt wurde, da vom Straßenverlauf her ein optimaler Blick auf das imposante Rhätikongebirge gegeben ist. Mit dem Namen versehen wurde die Straße in der ersten Benennungsphase nach dem Zweiten Weltkrieg, am 29.04.1949.

102) Riedstraße Die Riedstraße befindet sich südwestlich des Stadtzentrums. Sie beginnt als Seitenstraße der Wichnerstraße unter dem Kino und führt Richtung Getzner-Areal, wo sie in die Bleichestraße mündet. Der Flurname ist in Form von Riedtgraben bereits 1478 überliefert und wurde eigentlich zur Beschreibung eines Gebietes im Unterfeld verwendet, das als Feuchtgebiet bekannt war. Für eine Straße an dieser Stelle konnte der Name allerdings so nicht verwendet

565 Zusätzliche Informationen, S. 114–116. 566 Zusätzliche Informationen, S. 72.

159 werden, da zum Zeitpunkt der Erstbenennung, am 20.04.1906 (damals noch als Riedgasse), das Unterfeld größtenteils noch nicht verbaut war. Am 16.01.1924 erfolgte die Umbenennung in Riedstraße.

103) Römerweg Die Benennung von Straßen nach alten Siedlern hat in Bludenz eine gewisse Tradition. Darunter fällt auch der Römerweg, der vom Fuße der Furkla bis zur Galgentobelbrücke nahe Hinterplärsch führt. Er verdankt seinen Namen der Romanisierungsphase Vorarlbergs in der Antike. Im Zuge der Alpenfeldzüge 16-14 v. Chr. unter den Oberbefehlshabern Drusus und Tiberius, den Söhnen von Kaiser Augustus, wurde auch das Vorarlberger Oberland erobert. Bludenz gehörte fortan zur Provinz Raetia. Die Römer ließen sich am Montikel, am Kleinen Exerzierplatz und im Unterstein nieder. Ab dem 3. Jh. wurde der römische Einfluss durch das Vordringen der Alemannen geringer. Heute erinnert der Römerweg an diese Periode. Die Benennung kann jedoch nicht genau datiert werden. Während er bei der Auflistung der Straßen, an die 1941 Lebensmittelkarten ausgestellt wurden, noch nicht aufscheint, ist er auf einer Straßenkarte von 1944 bereits mit dieser Bezeichnung zu finden. Der Benennungszeitpunkt muss also irgendwo dazwischen liegen. Römerwege (11) bzw. Römerstraßen (5) sind in Vorarlberg sehr zahlreich, vor allem in Gemeinden an der Ostseite von Rheintal und Walgau.

104) Rungelin Der Name Rungelin bezeichnet einen Bludenzer Stadtteil, der bereits 1346 als Rungalin erstmals urkundlich festgehalten wurde. Er befindet sich am Hang östlich der Stadt neben der Halde. Früher war die Parzelle vom Rest der Stadt getrennt. Durch die Verbauung des Unterfelds ist ein eigenständiger Charakter Rungelins jedoch kaum mehr zu erkennen. Der Name geht zurück auf rom. runcalina, was übersetzt etwa Reute bzw. Rodung bedeutet. Daraus wurde Rungalin, Rungalen, Runggelin und heute Rungelin. Als man in Bludenz mit der Vergabe von Hausnummern begann, wurden alle Häuser der Parzelle mit Rungelin beschriftet. Am 04.06.1965 wurden aber zwei der Rungeliner Straßen mit Innergasse und Außergasse benannt. Für die Häuser südlich der Rungeliner Kirche entschied man sich den Straßennamen Rungelin beizubehalten und keinen weiteren zu vergeben.

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105) Rungelinerstraße Die Rungelinerstraße führt heute als Abzweigung der St. Peter-Straße vom Friedhof, vorbei an der Siedlung Beim Kreuz, bis zur Parzelle Rungelin. Erstmals benannt wurde die Straße am 20.04.1906 als Friedhofstraße, da sie auch an diesem vorbeiführt. Schon bald bürgerte sich der Name Rungelinerstraße ein. Die offizielle Benennung mit diesem Namen am 16.01.1924 zählte damals trotz der bereits vorliegenden Bezeichnung der Straße zu den Neubenennungen und nicht zu den Umbenennungen. Durch die Errichtung der Siedlung Beim Kreuz in den 1960ern bekam die Rungelinerstraße als Zufahrtstraße eine noch größere Bedeutung.

106) Sägeweg Der Sägeweg liegt südöstlich des Stadtzentrums. Er beginnt direkt über dem Kino gegenüber dem Unteren Tor, führt an der Hl. Kreuz Kirche vorbei und mündet unmittelbar danach in die St. Peter-Straße. Der Name geht zurück auf die Sternbachsche Säge, die sich genau am Beginn dieses Weges auf dem Grund des heutigen Kinos bis zu dessen Errichtung in den 1920er Jahren befand. Am 20.04.1906 folgte die Erstbenennung dieses Weges, der damals aber noch als Sägegasse bezeichnet worden war. Im Volksmund war er jedoch schon lange vor der offiziellen Benennung als „Weg“ geläufig, und so erfolgte am 16.01.1924 die Umbenennung in Sägeweg. Diese Benennung ist dabei etwas überraschend bei den Neubenennungen und nicht bei den Umbenennungen eingetragen.

107) Sandgrubenweg Beim Sandgrubenweg handelt es sich um einen Straßenzug, der als Verbindungsweg zwischen Zürcherstraße und Schillerstraße im Unterfeld fungiert. Seinen Namen erhielt er aufgrund des Flurnamens Sandgrube, der wahrscheinlich erst im 19. Jh. aufgekommen ist. Der Name der Flur, die mit der heutigen Straße geographisch fast deckungsgleich ist, beschrieb den Sand, der hier durch Moränen angeschwemmt worden war. Dieser wurde vor allem verwendet für den Bau von Häusern in der Vorstadt und im 19. Jh. für die Bauten der aufkommenden Bludenzer Industriebetriebe. Die Benennung des Sandgrubenwegs erfolgte am 04.06.1965. Einen Sandgrubenweg gibt es außerdem in Bregenz und Feldkirch.

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108) Schillerstraße Die Schillerstraße führt stadtauswärts vom Riedmiller-Denkmal, an mehreren Schulen vorbei, in Richtung Kloster St. Peter. Bereits am 20.04.1906, kurz nach dem 100. Todestag des deutschen Dichters Friedrich Schiller (1759-1805), wurde die heutige Schulgasse mit Schillerstraße benannt. Die dort gelegene Volksschule Bludenz-Mitte, in deren Zeichensaal zeitweilig auch Sitzungen der Stadt Bludenz stattfanden, trug früher ebenfalls den Namen Volksschule Schiller. Am 16.01.1924 wurde schließlich der Gassünderstraße, die in Richtung des gleichnamigen Berghangs führte, in Schillerstraße umbenannt, und sie trägt diesen Namen bis heute. Zuvor hatte sie den Namen.567

109) Schloß-Gayenhof-Platz Als Schloß-Gayenhof-Platz wird das Areal um das nördlich des Stadtzentrums auf dem Stadtschrofen neben der Laurentiuskirche liegende Schloss Gayenhofen bezeichnet. Der Name des Schlosses ist viel diskutiert. Das neubarocke Schloss wurde zwischen 1745 und 1752 dort neu errichtet, wo zuvor die mittelalterliche Burg stand. Nach dem Neubau wurde es zunächst oft als Schloss Bludenz bezeichnet. Es gehörte dem Adelsgeschlecht Von Sternbach (s. Von Sternbach-Straße). Erst im 19. Jahrhundert tauchen die Bezeichnungen Gayenhofen bzw. Gayenhof auf. Später wurde es als Schloßplatz ins Straßenverzeichnis aufgenommen. In den Jahren 1961/62 beschloss man, dem Platz einen neuen Namen zu geben. Unter den Vorschlägen waren: Gayenhof, Schloßplatz Gayenhof, Schloß Gayenhof. Am 02.02.1962 entschied man sich für den Namen Schloß Gayenhofplatz, damit „der Name der Nachwelt erhalten“ bleibt (StABlu, 51/261).568

110) Schmelzhüttenstraße Aufgrund einer unübersichtlichen Situation bei der Verbindungsstraße zwischen Wiesenrain und Klarenbrunnstraße kam es im Jahre 2018 zu einer der wenigen Neubenennungen im Bludenzer Stadtgebiet. Für die Benennung der Straße wurde Historiker Manfred Tschaikner befragt, der mehrere Vorschläge einbrachte: Phallusstraße, Adorantenstraße, Eligiusstraße und Schmelzhüttenstraße. Die Stadtvertretung entschied sich am 05.10.2018 für letztere. Es ist dies derzeit die jüngste Namensgebung (Stand: Oktober 2020). Der Name geht zurück auf

567 Zusätzliche Informationen, S. 84–85, 87. 568 Zusätzliche Informationen, S. 109.

162 die Schmelzhütte der Montafoner Bergwerke, die 1522 in der Nähe des Klosters St. Peter nahe der heutigen Gunz-Mühle errichtet wurde.

111) Schmittenstraße Die Schmittenstraße ist eine lange Straße im Unterfeld. Sie führt von der St. Peter-Straße zuerst bis zur Unterfeldstraße und danach weiter zu den Tennisplätzen und zum Schwimmbad. 1954 waren in Bludenz einige Straßenneubenennungen erforderlich und man holte sich diverse Meinungen, u.a. auch von Schulklassen ein. Dementsprechend gab es unterschiedlichste Vorschläge, wobei sich der Name Schmittenstraße durchsetzen konnte. Nach Besprechung im Stadtrat wurde der Name am 23.09.1955 von der Stadtvertretung bestätigt. Hintergrund des Namens sind die zwölf Schmieden, die sich von hier bis zur Gunz- Mühle befanden. Die erste Schmiede war die des früheren Vize-Bürgermeisters Xaver Muther.

112) Schulgasse Der Name Schulgasse war keineswegs der erste Name für den Straßenzug zwischen St. Peter- Straße und Schillerstraße, der an der Volksschule Bludenz Mitte sowie an zwei Kindergärten vorbeiführt. Kurz nach Schillers 100. Todestag wurde die damals neu angelegte Straße am 20.04.1906 mit Schillerstraße benannt. Am 16.01.1924 erfolgte die Verlegung des Namens Schillerstraße an einen anderen Standort und die Neubenennung dieses Straßenzugs als Schulstraße. Am 23.09.1955 kam es schließlich zur Umbenennung in Schulweg. Doch auch dieser Name blieb nur für ein knappes halbes Jahrhundert bestehen, denn am 24.02.2005 einigte man sich auf die Umbenennung in Schulgasse, die auch heute aktuelle Bezeichnung.

113) Siedlerweg Als im Jahre 1936 eine neue Siedlung zwischen Klarenbrunnstraße und Bahnlinie gebaut wurde, bedurfte es eines Straßennamens. Man entschied sich der Einfachheit halber für den Namen Siedlerweg, den der Straßenzug bis heute trägt. Mittlerweile ist er eine Verbindungsstraße zwischen Klarenbrunnstraße und Im Moos. Der Name wäre aber wohl kaum gewählt worden, wenn man 1930 den unweit davon befindlichen Wüstenrotweg als Siedlungsweg bezeichnet hätte, wie dies zunächst angedacht worden war. So war der Name noch frei und konnte am 14.11.1936 bestätigt werden. Den Namen Siedlerweg findet man

163 heute im Vorarlberger Straßenverzeichnis insgesamt fünfmal; alle Benennungen befinden sich im Oberland.

114) Sonnenbergstraße Im Zuge des Baus der Südtiroler-Siedlung ab 1940 wurden auch neue Straßennamen benötigt. Die Straße, die nach dem Galgentobel von der Alten Landstraße rechts in nordwestlicher Richtung zur neuerrichteten Siedlung führte, brauchte daher auch einen Namen, trug sie doch in der Anfangszeit nur die vorübergehende Bezeichnung A-Straße. Auch der schlichte Name Hauptstraße wurde zeitweilig verwendet. Der Name Sonnenbergstraße wurde allerdings bereits 1942 erstmals in Betracht gezogen, und zwar aufgrund der alten Herrschaftsgrenze zwischen Bludenz und Sonnenberg. Allerdings bezog sich diese Diskussion auf den heutigen Hasensprungweg. 1949 kam der Name schließlich auch wieder für die hier beschriebene Straße ins Spiel und wurde am 29. April desselben Jahres von der Stadtvertretung bestätigt. Von der Vorarlberger Landesregierung erreichte die Stadt im März 1958 ein Schreiben, dass die Landstraße Richtung Nüziders den Namen Sonnenbergstraße erhalten solle. Da es diesen Namen in Bludenz aber bereits gab, ersuchte die Stadt darum, den Namen nicht zu verwenden und bei der alten Bezeichnung Alte Landstraße zu bleiben.

115) Sparkassenplatz Der heutige Sparkassenplatz hat eine namenkundlich äußerst bewegte Geschichte hinter sich. Nach dem Bau von Amtsgebäuden am östlichen Stadtrand ab 1928 wurde die Fläche davor als Amtsplatz bezeichnet. Für diesen Namen gab es zwar keinen Stadtvertretungsbeschluss, er war aber schnell die übliche Bezeichnung. Am 31.08.1934 wurde der Platz zu Ehren des ermordeten Bundeskanzlers Engelbert Dollfuss (1892-1934) in Kanzler Dollfußplatz umbenannt, wurde in der Bevölkerung aber zumeist in der verkürzten Form Dollfußplatz verwendet. Während des Nationalsozialismus bekam er schon bald nach dem Anschluss den Namen Adolf Hitlerplatz. Diese Umbenennung wurde von Bürgermeister Anton Hutter bereits am 09.04.1938 verkündet, erst zwei Tage später wurde sie der NS-Führung mitgeteilt. Es war dies die einzige eindeutig nationalsozialistisch gefärbte Straßenbenennung in Bludenz. Nach dem Ende des Krieges sollte der Platz ursprünglich in Jellerplatz umbenannt werden sollen, im Gedenken an den ermordeten Widerstandskämpfer Alois Jeller. In der Stadtvertretung wurde dagegen Einspruch erhoben, und man einigte sich am 02.08.1945 auf

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den Namen Freiheitsplatz. Dieser blieb bis zum 12.10.1979 bestehen, als die Sparkasse aufgrund ihrer Verdienste für die Stadt Bludenz und aufgrund der Gewährung eines Kredits mit der neuen Bezeichnung Sparkassenplatz für den Platz vor ihrer Filiale gewürdigt wurde. Es war eine der wenigen Umbenennungen nach 1945.569

116) Spielplatzstraße Die Spielplatzstraße befindet sich im Gebiet Unterstein/Unterfeld, direkt am großen Unterstein-Sportplatz, auf dem früher nicht nur die Jugend des FC Rätia Bludenz trainierte, sondern auch von der Turnerschaft Bludenz Sportveranstaltungen durchgeführt wurden. Zu Beginn der 1930er Jahre war man sich nicht einig über die Straßenbenennungen in diesem Gebiet. Die Folge waren einige Umbenennungen. Die hier beschriebene Straße wurde am 19.08.1932 mit Im Hof benannt, nachdem sie zuvor in der Bevölkerung als Hofweg bekannt war. Nur einen Monat danach wurde die angrenzende heutige Unterfeldstraße mit dem Namen Spielplatzstraße versehen. Am 14.11.1936 erhielt diese allerdings ihren heutigen Namen, und so wurde in der gleichen Sitzung der Straßenzug Im Hof mit der frei gewordenen Bezeichnung Spielplatzstraße versehen. Der Name Spielplatzstraße ist somit einer, der in Bludenz bereits für mehrere Straßen gegolten hat.

117) Spitalgasse Die Spitalgasse zweigt heute bei der Verkehrsinsel an der Ecke Mutterstraße-Alte Landstraße rechts ab Richtung Krankenhaus und verläuft nach der dortigen Straßengabelung weiter in Richtung des protestantischen Friedhofs im Winkel. Dieser gesamte Straßenzug wurde früher als Obgayenhof bezeichnet. Das untere Stück bis zur Gabelung beim Krankenhaus erhielt als klassische Orientierungsfunktion am 07.04.1930 den Namen Spitalgasse. Das zweite Teilstück trug zunächst noch den Namen Obgayenhof, danach Im Winkel und wurde am 23.09.1955 zu einer Fortsetzung der Spitalgasse, um weitere Verwechslungen mit dem Winkelweg zu vermeiden. Dies verlängerte die hier beschriebene Straße erheblich, sie reichte zunächst sogar bis in die Hälfte des heutigen Büntwegs. Nach dessen Benennung 1981 wurde die Spitalgasse reduziert, heute endet sie beim Evangelischen Friedhof.

569 Zusätzliche Informationen, S. 97, 99–100, 105, 118–120.

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118) St. Anna-Straße Die St. Anna-Straße führt vom Oberen Tor stadtauswärts Richtung Außerfeld, wo sie die längste Straße ist. Der Name geht zurück auf die Heilige Anna, die nach römisch-katholischer Tradition die Mutter Marias und damit die Großmutter Jesu war. Ein kleiner Bildstock an der Straße erinnert an die Namenspatronin. Dieses St. Anna-Bild war früher ungefähr die Grenze zwischen den Herrschaften Bludenz und Sonnenberg. Nachdem man den St. Anna-Tag (26. Juli) schon in den Pestjahren im 15. Jahrhundert feierte, galt für ihn ab 1687 eine Feiertagsregelung. Am 20.04.1906 wurde die Straße erstmals von der Gemeindevertretung benannt. Am 07.04.1930 war erneut eine St. Annastraße bei den Straßen der Neubenennungen zu finden. Es ist davon auszugehen, dass es sich hierbei um eine Erweiterung der Straße gehandelt hat, sodass auch dem Straßenstück oberhalb der Fohrenburg dieser Name zugeteilt wurde. Somit wird die heutige St. Anna-Straße von der Fohrenburgstraße gewissermaßen in zwei Abschnitte geteilt.

119) St. Antonius-Straße Bei der St. Antonius-Straße handelt es sich um den Straßenzug, der durch die Südtiroler Siedlung am nordöstlichen Stadtrand führt. Die Hausnummerierung erfolgt im Süd-Nord- Verlauf. Ihr Namenspatron ist der Heilige Antonius, welchem auch der hier vor dem Siedlungsbau vorhandene Wald gewidmet war. Antonius von Padua lebte im 12./13. Jh. und war Ordenspriester des Franziskanerordens. Während der Bauphase in der Südtiroler Siedlung trug die Straße den vorläufigen Namen A-Straße. Unter den Nationalsozialisten wurden Straßennamen gesucht und vorgeschlagen, jedoch keine Entscheidungen getroffen. Die Straße nach einem Heiligen zu benennen, wäre auch nicht durchgegangen, da die NSDAP sogar bestehende Straßennamen, denen geistliches Gedankengut zugrunde lag, umbenennen wollte. Am 08.04.1949 tagte der Kulturring der Stadt und schlug den Namen St. Antonius Strasse vor; am 29. April wurde der Name von der Stadt bestätigt.

120) St. Leonhard Wenn man auf der Klostertalerstraße stadtauswärts nach der Bahnunterführung beim Glasbühel nach links abbiegt, gelangt man in die kleine Rotte St. Leonhard. Diese gehört, genauso wie Außerbraz, seit 1695 zur Herrschaft Bludenz. Zuvor war das Gebiet Teil des Kirchspiels Bludenz, lag aber in der Herrschaft Sonnenberg. Der Name stammt von der kleinen Kirche, die dort steht und deren Namenspatron der Hl. Leonhard ist. Er gilt u.a. als

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Schutzpatron der Bauern und Fuhrleute, hatte somit für das lange Zeit ländlich geprägte Klostertal eine große Bedeutung. Da die Rotte nur wenige Häuser umfasst, die alle an einer Straße liegen, wurde nie eine konkrete Straßenbenennung durchgeführt; daher tauchen alle dort befindlichen Häuser im Verzeichnis unter St. Leonhard auf.

121) St. Peter-Straße Die St. Peter-Straße, ein Teil der heutigen L190, war zur Zeit des Kaiserreichs ein Teil der auch in Bludenz als solche bezeichneten Reichsstraße. Letztere wurde am 16.01.1924 auf Bludenzer Stadtgebiet aufgeteilt und umbenannt in die Werdenbergerstraße (westlicher Abschnitt) und die St. Peter-Straße (östlicher Abschnitt). Der Name geht zurück auf das Dominikanerinnenkloster St. Peter, das sich an dieser Straße befindet; es ist das älteste noch bestehende Kloster in Vorarlberg. Die Geschichte geht zurück bis zur Schenkung des Patronsrechts über die Kirche St. Peter von Graf Hugo I. von Werdenberg an das Frauenkloster Oetenbach bei Zürich. 1286 wurde St. Peter zur Klosterkirche, und der Klosterbau begann. Ab etwa 1340 wurden die Klosterfrauen, deren Einfluss schon kurz nach der Gründung des Klosters deutlich spürbar gewesen war, als Dominikanerinnen bezeichnet.570

122) Stadionstraße Kaum eine Straße musste in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts so lange auf ihre Benennung warten wie die Stadionstraße. Sie führt von der Kreuzung Haldenweg-Stadion- Schwimmbad in Richtung der Tennisplätze, kreuzt dort die Schmittenstraße und geht weiter bis zur Tennishalle, wo sie zum einen rechts Richtung Unterfeldstraße, zum anderen als Fußweg weiter zur Raiffeisenstraße führt. Im Dezember 1976, kurz nach dem Bau der Tennishalle, wurde vom Bau- und Wasserwerkausschuss der Name Torkelweg vorgeschlagen. Der Stadtrat sah allerdings eine Benennung noch nicht als Notwendigkeit an. Unter Hinweis auf das ehemalige Sumpfgebiet wurde vom Stadtbauamt im April 1978 der Name Schilfweg ins Spiel gebracht. Wenige Wochen vor seinem Tod im Oktober 1983 schlug Bürgermeister Hermann Stecher den Namen Stadionweg vor, da die Straße am Fußballstadion entlangführt. Am 15.12.1983 entschied sich die Stadtvertretung schließlich für den Namen Stadionstraße.

570 Zusätzliche Informationen, S. 76, 87, 100.

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123) Strof-Motta-Weg Der Strof-Motta-Weg befindet sich im Osten des Ortsteils Außerbraz. Man erreicht ihn, wenn man vom Mühlekreisweg gegenüber der östlichen Bahnunterführung nach Norden abbiegt. Der Name wurde im Zuge der Benennungen in den Parzellen am 04.06.1965 vergeben. Beide Teile des Namens lassen sich relativ sicher erklären: Der erste Teil des Namens geht auf einen Herrn Strof zurück, der hier gelebt haben soll. Bei „Motta“ handelt es sich um einen alten Flurnamen, der einen mit Gras bewachsenen Hügel bezeichnet.

124) Sturnengasse Die Sturnengasse ist der südwestliche Straßenzug in der Bludenzer Altstadt, der in Richtung Pulverturm führt. Im Gegensatz zu den oberen Gassen der Stadt war die Sturnengasse noch bis ins späte 19. Jahrhundert ländlich geprägt. Bereits seit dem 17. Jahrhundert wohnte hier die ärmere Bevölkerungsschichte. Die Namensherkunft ist ziemlich kontrovers, da die Straße eingedeutscht auch Sturmengasse genannt wurde. Die eigentliche Wortwurzel stammt aber wohl aus romanischer Zeit und weist auf einen Spottnamen hin, weshalb auch oftmals von den Bewohnern der Narrengasse oder der Säufergasse gesprochen wurde. Es ist im Übrigen die einzige Sturnengasse in Vorarlberg.571

125) Stuttgarterstraße Die Stuttgarterstraße im Stadtteil Obdorf ist eine Verbindungsstraße von Walserweg und Oberfeldweg. Ausschlaggebend für die Benennung war die Umbenennung einer Straße in Stuttgart in Bludenzer Straße am 08.04.1939. Die NS-Bürgermeister der beiden Städte standen in regem Austausch, und es wurde von Bludenzer Seite die Benennung einer Straße nach dem schwäbischen Stuttgart zugesichert. Zum Beschluss in Bludenz, der von der NS- Kreisleitung bestätigt werden musste, kam es am 30.05.1939. Es folgten Dankesschreiben, in denen der Hoffnung auf langjährige gute Beziehungen Ausdruck verliehen wurde. In der Nachkriegszeit kam es zu Debatten über eine Umbenennung der Straße. Aus dem Fremdenverkehrsamt kam im März 1947 eine derartige Bitte, da man in Österreich „wohl keine Erinnerung mehr an die Stadt der Auslanddeutschen“ brauche (StABlu, 51/261). Doch sowohl die Straße in Bludenz als auch die in Stuttgart gibt es heute noch.572

571 Zusätzliche Informationen, S. 71. 572 Zusätzliche Informationen, S. 100–102, 106.

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126) Suchardstraße Die Suchardstraße ist eine Straße im Gebiet Oberfeld/Obdorf, die früher aus zwei selbständigen Teilen bestand und in der Stadtvertretungssitzung am 07.04.1930 zu einer gemeinsamen Suchardstraße verbunden wurde. Zuvor wurde der eine Teil der Straße Engelbündtstraße und der andere Mittelweg genannt. Der heutige Name geht zurück auf den Schweizer Chocolatier Philippe Suchard (1797-1884), der 1825 von Neuenburg aus in die Welt der Schokoladeproduktion einstieg und mit seinen Schokoladefabriken weltberühmt wurde. Eine der ersten Zweigniederlassungen wurde 1888 in Bludenz eröffnet. Viele Betriebsangehörige waren an der heutigen Suchardstraße untergebracht. Seit Anfang der 1990er stehen nur noch zwei dieser sogenannten „Schokohäuser“. Über die Straßenbenennung wurde die Firma Suchard in einem Schreiben des Bürgermeisters informiert. Suchard stellte sicher, weiter am Gedeihen der Stadt mitzuwirken. Auch durch das alljährliche Milka-Fest ist die Bedeutung der Fabrik, mittlerweile im Besitz von Mondēlez International, bis heute spürbar.573

127) Tränkeweg Ähnlich wie bei den Straßen in der Südtiroler Siedlung fand auch beim heutigen Tränkeweg die Diskussion über einen passenden Straßennamen während des Zweiten Weltkriegs statt. Genaues Benennungsdatum ist wie bei den meisten anderen während des Kriegs benannten Straßen keines ausfindig zu machen, jedoch ist der Tränkeweg auf einem Lageplan vom Jänner 1944 orange markiert, was auf eine Benennung zu diesem Zeitpunkt schließen lässt. Er führt, von der Montafonerstraße rechts abzweigend über die Bahntrasse der Montafonerbahn bis zur Klarenbrunnstraße und umfasst heute auch das Areal der „Zitronensiedlung“. Hintergrund für die Benennung ist eine Viehtränke, ob sich diese jedoch genau im Gebiet des heutigen Tränkewegs befand, ist nicht überliefert und wohl eher anzuzweifeln.

128) Unterbings Die Bingser Dorfstraße markiert die Teilung zwischen Oberbings und Unterbings. Beide Straßenzüge sind Teil der Arlbergstraße. Als Unterbings wird der Teil bezeichnet, der bei der Gabelung am Kloster St. Peter beginnt und bis zur Abzweigung der Bingser Dorfstraße

573 Zusätzliche Informationen, S. 94.

169 führt, ab welcher die Hauptstraße bis zur Grenze des Ortsteils Bings den Namen Oberbings trägt. Unterbings bildet somit den topographisch etwas niedriger gelegenen Abschnitt der Hauptstraße. Festgelegt wurde diese Benennung von der Stadtvertretung am 04.06.1965.

129) Unterer Illrain Für den Unteren Illrain gilt eine ähnliche Ausgangssituation wie für den Oberen. Auf die Benennung des gesamten Gebietes als Illrain am 16.01.1924 folgte nie eine offiziell von der Stadt bestätigte Trennung der beiden Uferabschnitte an der Ill. Es gibt allerdings ein handschriftliches Schreiben der Bau- und Wohnungsgenossenschaft Bludenz an das Straßenbenennungskomitee vom 11.02.1923, in dem angesucht wurde, den flussabwärts, südlich des Bahnhofs gelegenen Teil des Illrains (auch Mokry-Illrain genannt) mit Unterer Illrain zu benennen. Eine Antwort auf dieses Schreiben oder eine weitere Diskussion ist nicht überliefert. In den Straßenverzeichnissen der NSDAP ist der Untere Illrain definitiv bereits als eigener Straßenname aufgelistet.

130) Unterfeldstraße Im alten Stadtbuch von Bludenz ist 1478 erstmals von einem underveld die Rede. Dieser allgemein gehaltene Flurname steht für das Gebiet, welches sich vom östlichen Altstadtausgang bis in Richtung Halde/Rungelin bzw. zur Siedlung Beim Kreuz erstreckt. Es ist eine sehr große Flur, die aber erst in den 1950ern großräumig verbaut wurde. Trotz der historischen Bedeutung des Namens verlief die Verwendung des Flurnamens für einen Straßennamen in diesem Gebiet nicht linear. In der Sitzung vom 19.08.1932 wurden für die heutige Unterfeldstraße die Vorschläge Sportstraße, Ziegelhütte und Jahnstraße vorgebracht, die jedoch allesamt keine Mehrheit fanden. Am 30. September desselben Jahres kam es zur Erstbenennung in Spielplatzstraße. Am 14.11.1936 wurde der Name Spielplatzstraße für eine andere Straße verwendet und die hier beschriebene wurde in Unterfeldstraße umbenannt. Über den Grund der Umbenennung lässt sich nur spekulieren.

131) Unterradin Der Name ratin kommt aus dem romanischen und bedeutet so viel wie Steigung (s. Oberradin). Der Flurname ist bis heute für diesen Bludenzer Ortsteil in Verwendung. Am 04.06.1965 erfolgte die Teilung Radins in zwei Ortsteile und dadurch auch in zwei Straßennamen, wobei der südliche, tiefer gelegene Teil mit Unterradin benannt wurde.

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132) Unterrifats Unterrifats nennt sich ein abgelegenes Gebiet am südlichsten Punkt der Parzelle Außerbraz. Es wurde am 04.06.1965 benannt. Der Flurname kommt von rätorom. riva (Ufer bzw. Abbruch). Mit Unter- ist in diesem Fall wahrscheinlich die Phrase unten am gemeint, was bei der Gesamtbezeichnung unten am Ufer in Zusammenhang mit dem Fluss Alfenz, in deren Richtung der Straßenzug führt, durchaus Sinn ergibt.

133) Untersteinstraße Die Untersteinstraße führt, beginnend beim heutigen Sparkassenplatz, am Fuß des Stadtschrofens und anschließend des Montikels in Richtung Halde bzw. Unterfeld. Die Flur wurde im 16./17. Jahrhundert erstmals urkundlich mit der Bezeichnung under dem stain erwähnt, was auf ebendiesen steil abfallenden Felsen anspielt. Es war zwischen 1830 und 1935 einer der wichtigsten Orte für Fundstellen von Eisen- und Bronzegeräten und -waffen. Ein großer Teil der Stadtgeschichte ließ sich dank der Funde in diesem Gebiet rekonstruieren. Die Benennung der Untersteinstraße erfolgte schon früh, nämlich am 20.04.1906.

134) Vogelherd Der Flur- und Straßenname Vogelherd bezeichnet eine Gegend an der Gemeindegrenze zu Nüziders, vom südwestlichen Ufer des Galgentobels bis zum Rost. Für diesen Straßenzug zwischen Am Tobel und dem Rost wurde in den Jahren 1953 bis 1955 ein passender Straßenname gesucht. Dabei wurden auch Schulen beauftragt, wobei lediglich im Vorschlag der Knabenschule die Bezeichnungen Am Vogelherd sowie Im Vogelherd zu finden waren. Am 23.09.1955 kam es durch die Stadtvertretung zur Benennung mit Vogelherd, wobei sich wie beim Hasensprung kein klarer Bezug zum Tierreich herleiten lässt. Als -herd wird in der Regel ein Ort bezeichnet, wo Vögel gefangen/gehalten werden.

135) Von Sternbach-Straße Die Von Sternbach-Straße verläuft, abzweigend von der Schmittenstraße parallel zu Zürcher- und Schillerstraße. Sie wurde im Zuge des großen Ausbaus im Unterfeld in den 1950er Jahren angelegt und am 23.09.1955 benannt. Die Straße ist im Gegensatz zu vielen personenspezifischen Namen nicht einer Einzelperson, sondern einer ganzen Familie gewidmet. Im Oktober 1730 hatte Franz Andreas von Sternbach, dessen Familie dem Tiroler Adel angehörte, die Pfandschaften Bludenz und Sonnenberg mit der Vogtei und dem Schloss

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zu Bludenz erworben. Besonders bekannt wurden die Freiherren Von Sternbach durch den zwischen 1744 und 1752 vollzogenen Neubau des Schlosses Gayenhofen. Nachdem Bludenz zwischen 1806 und 1814 zu Bayern gehört hatte, bekamen die Herren von Sternbach zwar nicht erneut die Gerichtsbarkeit, das Schloss aber blieb bis 1936 in ihrem Privatbesitz.574

136) Walserweg Die Walser sind eine alemannische Volksgruppe, die sich vor allem in Vorarlberg, in der Westschweiz, in Liechtenstein und in Piemont ausbreiteten. Ihre Ankunft in Vorarlberg wird im 12./13. Jahrhundert vermutet; erste urkundliche Erwähnungen in dieser Region gibt es aus dem frühen 14. Jahrhundert. Sie siedelten auch in der Bludenzer Umgebung an, allerdings nicht direkt bei der Stadt. Dennoch ist der Walserweg eine der zentralen Straßen im Obdorf. Er führt von der Ecke Alte Landstraße-Mutterstraße vorbei am Rettungsheim, bis hinauf zum Winkelweg. Die Benennung mit dem Namen Walserweg erfolgte am 16.01.1924, wobei der Name bereits einige Monate zuvor, am 13. Oktober 1923, in einem Bericht im „Bludenzer Anzeiger“ auftauchte und damit die Straße schon zuvor inoffiziell so genannt wurde.575

137) Werdenbergerstraße Zur Zeit des Kaiserreichs gab es sogenannte Reichsstraßen, die sich über ganz Österreich erstreckten. Ein Teil führte auch durch Bludenz und war als Reichsstraße offizieller Bludenzer Straßenname, da man im Wohngebiet eigene Hausnummern benötigte. Nach dem Zusammenbruch der Monarchie sowie nach der Übernahme der Reichsstraßen als Bundesstraßen – der genannte Abschnitt war Teil der Bundesstraße 1 von Wien nach Bregenz – bedurfte es eines neuen Namens. Man beschloss diesen am 16.01.1924, als die Straße im Stadtgebiet zweigeteilt wurde. Der sich vom westlichen Gemeindeeingang durch die Stadt bis hin zur Hl. Kreuz Kirche ziehende Abschnitt wurde in Werdenbergerstraße umbenannt. Für einen Teil dieser Straße, nämlich für den Verlauf durch die Innenstadt, war kurz der Name Herzog-Friedrich-Straße im Gespräch. Die neue Benennung steht in direktem Zusammenhang mit der Stadtgeschichte. Nach dem Tod Hugos II. von Montfort wurde dessen Erbe 1258 aufgeteilt; es fiel an seine Söhne sowie an die Söhne seines Bruders Rudolf I., der bereits 1243 verstorben war und seinen Stammsitz auf der Burg Werdenberg bei Buchs hatte. Dessen Söhne bekamen schließlich jenen Teil des Erbes, in dem sich Bludenz befand,

574 Zusätzliche Informationen, S. 109. 575 Zusätzliche Informationen, S. 90.

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und übernahmen den Namen Werdenberg. Sie waren letztlich auch verantwortlich für die Stadtgründung zwischen 1259 und 1270.576

138) Wichnerstraße Die Wichnerstraße befindet sich östlich des Stadtkerns und bildet die Verlängerung der Untersteinstraße. Sie beginnt am Sparkassenplatz und führt Richtung Bürs bis zur Bahnlinie. Früher nannte man die Gegend Stadtgraben bzw. Marktgraben. Der Straßenzug ist heute benannt nach dem Bludenzer Dichter und Volksschriftsteller Josef Wichner (1852-1923). Dieser wurde nicht nur zum Ehrenbürger der Stadt erhoben, sondern nach ihm wurde auch die heutige Mittelschule benannt. Der Straßenname wurde bereits kurz nach Wichners Tod im Rahmen der Benennungen vom 16.01.1924 festgelegt. Den bis dahin verwendeten Namen Marktstraße hatte sie bereits am 20.04.1906 erhalten. Die Wahl der nach Wichner benannten Straße war kein Zufall, denn in dieser Straße befand sich auch das Geburtshaus des Heimatdichters, das „Schneckenhaus“. Es hieß so, da Wichners Großvater Ignaz von seinem Lehrer aufgrund seiner Schwerfälligkeit „Schneckennaze“ genannt wurde.577

139) Wiesenrain Der Straßenzug Wiesenrain liegt in der Bludenzer Au. Er führt an der Bahntrasse der Montafonerbahn sowie an der Haltestelle Bludenz-Moos entlang zum Tränkeweg. Am 16.01.1924 erhielt die Straße zunächst die Bezeichnung Im Moos, was die Benennung der Bahnhaltestelle erklärt. Allerdings trat dieser Name ab 1954 in Zusammenhang mit einem anderen Straßenzug auf (s. Im Moos). Für die hier besprochene Straße musste daher ein neuer Name gesucht werden. Am 17.09.1956 debattierte der Stadtrat die vom Bauausschuss vorgeschlagene Bezeichnung Am Wiesenrain und verkürzte diese zu Wiesenrain. Am 19. Oktober erfolgte die Umbenennung durch die Stadtvertretung. Der Flurname Wiesenrain steht für einen Streifen Land, der eine Fläche, in diesem Fall eine Wiese, von der anderen abgrenzt. Den Straßennamen gibt es in sieben weiteren Vorarlberger Gemeinden.

140) Winkelbühelweg Aufgrund der unübersichtlichen Situation in den Parzellen von Außerbraz begann ab Herbst 1964 die Suche nach Namen für die einzelnen Straßenzüge. Der Schulleiter der Volksschule Außerbraz, Anton Kurzemann, machte für den Weg entlang des Winkeltobels Richtung

576 Zusätzliche Informationen, S. 72–73, 87. 577 Zusätzliche Informationen, S. 78, 88–89.

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Brazer Winkel den Vorschlag, diesen mit Winkelbühelweg zu benennen. Am großen Benennungstag, dem 04.06.1965, wurde dieser Name bestätigt. Die Inkludierung des Wortes Bühel, was aus dem Dialekt ins Hochdeutsche übersetzt Hügel bedeutet, verweist darauf, dass sich die Gegend am Hang befindet. Der Name sollte später auch die Benennung der Straßen des Bludenzer Winkels beeinflussen.

141) Winkelweg Der Winkelweg ist eine kurvige Straße im Bludenzer Stadtteil Obdorf, die vom Obdorfweg bis zum Oberfeldweg führt, wobei er auch mehrere Abzweigungen in Sackgassen umfasst. Die Bezeichnung geht zurück auf den historischen Flurnamen Winkel, der sich in dieser Gegend befindet. Anzumerken ist, dass dieser Flurname sich nicht mit dem heute als Winkel bezeichneten Gebiet am Hang der Bünt deckt, sondern dass er höher und nordöstlich von diesem liegt. Die Benennung des Winkelwegs erfolgte am 16.01.1924. Im Jahr zuvor war noch eine Aufteilung der Straße in einen Winkelweg und einen Kienbergweg geplant gewesen, den zweiten Namen ließ man aber schließlich fallen.

142) Wüstenrotweg Der Einfluss der Bausparkasse Wüstenrot war nach ihrer Gründung – Georg Kropp hatte sie im Jahr 1921 im kleinen Wüstenrot bei Heilbronn als Gemeinschaft der Freunde Wüstenrot gegründet – schon bald auch in Österreich spürbar. Ein vermehrter Bezug zu Bludenz ist ab 1927 zu erkennen, als die Vorträge von Firmenvertretern viele Leute anzogen. Grund dafür war die Wohnungsnot. Im Februar 1928 gab es bereits 120 „Wüstenrotler“, auch wenn die Bausparkasse in Österreich selbst noch nicht zum Geschäftsbetrieb zugelassen war. Aufgrund des wachsenden Einflusses wurde am 07.04.1930 in der Bludenzer Au eine Seitenstraße der Klarenbrunnstraße (heute Verbindungsstraße zu Im Moos) mit Wüstenrotweg benannt. Zuvor waren am 31.03.1930 die Namen Siedlungsstrasse bzw. Wüstenrotstrasse vorgeschlagen worden. In Bludenz gibt es auch eine Wüstenrot-Filiale, die sich zunächst in der Mutterstraße befand und heute in der Bahnhofstraße liegt.578

143) Zafeierweg Der Zafeierweg ist ein Straßenzug in Außerbraz, der direkt an der Nordseite des Bahnhofs entlang der Bahn vom Bahnübergang im Westen der Ortschaft in Richtung Osten führt, wo

578 Zusätzliche Informationen, S. 95.

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er zum Mühlekreisweg wird. Beim rätoromanischen Namen Zafeier handelt es sich um eine Flurbezeichnung für das Gebiet im Westen der Ortschaft. Sie stammt vom Familiennamen Zafeier, einer den Walsern zugehörigen Sippe aus Sáfien (Graubünden, CH). Aus diesem Grund ist der Flurname auf der Flurnamenkarte bei Vogt auch von den anderen Gebieten abgegrenzt dargestellt. Die Benennung erfolgte am 04.06.1965.

144) Zollgasse Für Verwirrung bei der Straßenbenennung sorgt nicht selten die Grenze Bludenz-Nüziders. Die heutige Zollgasse verläuft am südlichen Teil des Grenzgebiets bis hinauf zur Alten Landstraße. Am 04.02.1957 wurde, in Absprache mit der Gemeinde Nüziders, die gesamte Gemeindegrenze mit Grenzweg benannt. 1961 änderte Nüziders ohne Rücksprache den Namen des südlichen Teils auf Zollgasse. Damit galt die Bezeichnung Grenzweg nur noch für den nördlichen Teil bis zur Südtiroler Siedlung (heute: Hasensprung). Es begann die Diskussion, ob man bei Nüziders intervenieren solle, um den alten Namen beizubehalten, oder ob man ebenfalls auf Zollgasse wechseln solle. Man entschied sich offenbar, den Namen zu übernehmen, denn in den Akten sind keine weiteren Verhandlungen zu finden. Heute hat die Zollgasse Bewohner in Nüziders (westlich der Straße) sowie in Bludenz (östlich der Straße). Sie ist als einzige in beiden Straßenverzeichnissen zu finden, wobei die Straße selbst am 16.12.1993 dem Gemeindegebiet Bludenz zugeschlagen wurde.

145) Zürcherstraße Die Zürcherstraße ist eine der längsten Straßen im Unterfeld. Sie führt vom Fuße des Schlossbergs stadtauswärts Richtung Osten zur Siedlung Beim Kreuz, endet aber zuvor in einer Sackgasse. Ihren Namen verdankt sie dem Clan der Zürcher, die ab dem 14. Jahrhundert in Bludenz zu finden sind; der Name weist auf deren Schweizer Herkunft hin. Vom 16. bis zum Beginn des 18. Jahrhunderts stellten sie des Öfteren den Bürgermeister und waren speziell im 17. Jh. die bedeutendste Bürgerfamilie. 1623 waren sie für fast 40% der Steuerleistungen in Bludenz verantwortlich. Zu einer späten Ehrung kam es im Rahmen der Straßennamensgebungen vom 16.01.1924, als besagte Straße mit Zürcherstraße benannt wurde.579

579 Zusätzliche Informationen, S. 89–90.

175

Anmerkung 1: Die Schreibweise der Straßennamen wurde für dieses kommentierte Register an die offiziellen Richtlinien für die Schreibweise von Straßennamen angepasst, um für ein einheitliches, richtiges Register zu sorgen, z.B. Grete-Gulbransson-Weg statt des im Stadtbild als Grete-Gulbranssonweg bezeichneten Straßenzugs. Anmerkung 2: Zur besseren Lesbarkeit wurde in diesem Register, abgesehen von Direktzitaten, auf Zitationen verzichtet. Jedoch wurde ein Literaturverzeichnis mit den wichtigsten Quellen angefertigt. Im Fließtext werden alle Auszüge standardmäßig zitiert.

Nachweise zum kommentierten Straßennamenregister:

Literatur: Bußjäger, Peter, ‚Gewiß ein schönes Stück Erde und Heimat‘. Zur Entstehung der Bludenzer Südtiroler-Siedlung, in: Bludenzer Geschichtsblätter 43-45 (hrsg. v. Peter Bußjäger/Josef Concin/Karl Gerstgrasser), Bludenz 1998, S. 19-84. Fritz, Karl, Beiträge zur Heimatkunde des Raumes Bludenz, in: Bludenzer Geschichtsblätter 23, Bludenz 1995, S. 5-58. Fröwis, Franz J., Das Kriegsende in Bludenz, in: Bludenzer Geschichtsblätter 27, Bludenz 1995, S. 5-63. Getzner, Manfred, Getzner, Mutter & Cie, Bludenz und die Entwicklung der Textilindustrie im Vorarlberger Oberland. Teil A, Feldkirch 1990. Plangg, Guntram, Alte Flurnamen in Bludenz, in: Bludenzer Geschichtsblätter 86, Bludenz 2007, S. S. 3-18. Plangg, Guntram, Vordeutsche Namen um Rungelin, in: Bludenzer Geschichtsblätter 85, Bludenz 2007, S. 3-10. Schnetzer Norbert/Andreas Rudigier (Hrsg.) Bludenz. Stadtgeschichte des 20. Jahrhunderts, Graz 2015. Tschaikner, Manfred, Bludenz. Eine kurz gefasste Geschichte der Stadt, in: Bludenzer Geschichtsblätter 50, Bludenz 1999, S. 5-68. Tschaikner, Manfred, Das Bad Hinterplärsch und die Entstehung der Fohrenburg, in: Bludenzer Geschichtsblätter 124, Bludenz 2020, S. 4-40. Tschaikner Manfred (Hrsg.) Geschichte der Stadt Bludenz. Von der Urzeit bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts, Sigmaringen 1996. Tschaikner, Manfred, Schloss Gayenhofen in Bludenz – eine Erfindung des 19. Jahrhunderts, in: Bludenzer Geschichtsblätter 93, Bludenz 2009, S. 3-29. Tschaikner, Manfred, Was bedeutet der Name ‚Sturnengasse‘?, in: Bludenzer Geschichtsblätter 20, Bludenz 1994, S. 43-46. Ulmer, Andreas/Johannes Schöch/Ludwig Rapp, Topographisch-historische Beschreibung des Generalvikariates Vorarlberg. VIII. Band Dekanat Bludenz (ehemals Dekanat Sonnenberg). I. Teil, Dornbirn 1971. Vogt, Werner, Flurnamenkarte der Stadtgemeinde Bludenz. Maßstab 1:10.000, Hard 1966. Vogt, Werner, Vorarlberger Flurnamenbuch. I. Teil Flurnamensammlungen. Band 1 Nüziders, Bludenz, Klostertal, Bregenz 1970.

176

Wichner, Josef, Im Schneckenhause (Josef Wichner. Ausgewählte Werke 1), Bregenz 1985. Wieser, Ernst, Persönlichkeitsbezogene Straßennamen in Bludenz, in: Vorarlberger Oberland 4, Feldkirch 1985, S. 133-160.

Archivalien aus dem Stadtarchiv Bludenz Straßenbenennungsakte 51/76; 51/261; 51/337. Bahnhofstraße Akt CCXLVII/14. Bauamt, IVa/51/8. Stadtvertretungssitzungsprotokolle 1917–1937; 1945–2020

Zeitungsquellen: Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, Ausgaben vom 28.04.1906; 19.01.1924; 12.04.1930. Vorarlberg Online, 09.06.2014 [https://www.vol.at/legutz-faescha-strof-partelstobel/3989327], Zugriff: 30.07.2020.

Sonstiges: Gespräch mit Manfred Tschaikner, Vorarlberger Landesarchiv, 29.07.2020. E-Mail-Kontakt mit Guntram Plangg, 05.-06.08.2020.

177

5. Analyse der ausgewählten Motive

% Bludenz Hohenems Wörgl Bruck (Mur) Tulln Eisenstadt Spittal (Drau)

Straßen 100,0 100 100 100 100 100 100 (gesamt)

Personen 12,4 44,9 50,0 26,6 18,9 29,8 34,5

weibliche 0,7 4,1 1,7 2,9 1,2 2,6 1,8 Person

Politik 12,4 7,0 16,4 3,2 7,3 6,1 7,9

Wirtschaft 15,9 2,2 6,0 5,8 2,1 7,4 3,0 & Gewerbe Kunst 6,2 16,9 25,0 8,0 8,5 12,2 12,1 & Kultur

absolut Bludenz Hohenems Wörgl Bruck (Mur) Tulln Eisenstadt Spittal (Drau)

Straßen 145 314 116 312 328 312 165 (gesamt)

Personen 18 141 58 83 62 93 57

weibliche 1 13 2 9 4 8 3 Person

Politik 18 22 19 10 24 19 13

Wirtschaft 23 7 7 18 7 23 5 & Gewerbe Kunst 9 53 29 25 28 38 20 & Kultur

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Bei der Analyse und Interpretation der angefügten Statistiken muss berücksichtigt werden, dass es in den angeführten, von der Einwohnerzahl her vergleichbaren Gemeinden unterschiedliche Ansichten geben kann, ob es sich bei einer Straßenbenennung z.B. um eine politisch oder wirtschaftlich motivierte handelt. Es soll hier lediglich der grobe Versuch gemacht werden, in den ausgewählten Städten, die von ihrer Größe her vergleichbar sind, das Verhältnis zu untersuchen, in dem Politik, Wirtschaft und Kultur bei der Benennung von Straßen eine Rolle gespielt haben. Um eine wirklich exakte Analyse vornehmen zu können, müssten alle Städte von derselben Person untersucht werden, was dann bei einer weiteren Erforschung dieser Thematik zu klareren Ergebnissen führen würde. In vorliegenden Fall geht es allein darum, Tendenzen herauszuarbeiten und den Fokus in weiterer Folge auf die untersuchte Stadt Bludenz zu legen, um daraus sowie anhand von konkreten Beispielen, ein schlüssiges Fazit ziehen zu können.

5.1. Bedeutung der Politik Wenn von der unterschiedlich motivierten „Benutzung“ von Straßennamen für bestimmte Zwecke die Rede ist, dann denkt man hier in erster Linie an die politische. Es geht um die Verewigung politischer Parteien oder deren Akteuren im Straßenbild. Durch die allgemein immer üblicher gewordene Überprüfung von Straßennamen durch Kommissionen kann davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der Straßennamen mit eindeutigem Politik-Bezug zurückgegangen ist – zumindest in demokratisch geführten Staaten. Bei keiner der diesbezüglich untersuchten Städte ist der prozentuelle Anteil der Namen, die eindeutig auf einen politischen Bezug zurückzuführen wären, besonders hoch. Führend ist in dieser Kategorie ist Wörgl, wo ein Anteil von 16,4% politischer Straßennamen zu finden ist. In den übrigen befragten Städten liegt der Wert überall deutlich unter 10%.

Bludenz wäre in dieser Reihung auf dem zweiten Platz mit 12,4% politischer Straßennamen. Hierbei wurden sogar noch einige Streitfälle (Römerweg, Walserweg) in diese Liste mit aufgenommen, die bei anderer Auslegung auch weggelassen werden könnten. Die politisch motivierten Bludenzer Straßennamen bestehen u.a. aus ehemaligen Politikern, die in der Stadt gewirkt haben (Josef-Wolf-Platz, Ignaz-Wolf-Straße), aus reichen Familien oder Adelsfamilien der Neuzeit (Von-Sternbach-Straße, Zürcherstraße) oder auch aus Straßen, die in einem definitiven Zusammenhang mit einem politischen Ereignis stehen. Darunter fallen die Straßen in der Südtiroler-Siedlung (Meranerstraße, Boznerstraße), deren Namen in direktem

179

Zusammenhang mit der „Option“ stehen. Dabei unterscheidet sich die Motivation hier auch von der Verewigung Südtiroler Städte anderorts in Österreich. In Innsbruck etwa wurde der Bozner Platz bereits im Jahre 1923 in Erinnerung an die Abtrennung Südtirols von Nordtirol in den Friedensverträgen von 1919 benannt.580 Nicht zu vernachlässigen gilt es jedoch, dass einige öffentliche Verkehrsflächen früher eine politische Bedeutung hatten, dies heute jedoch nicht mehr haben, schließlich sind die Reichsstraße oder auch der Freiheitsplatz (zuvor: Adolf-Hitler- Platz bzw. Dollfußplatz) schon lange Geschichte. Weiters muss berücksichtigt werden, dass es, wie in der Abhandlung gezeigt, auch eine Reihe von Straßenzügen gibt, bei denen zwar eine politische Benennung im Raum stand, diese jedoch nicht ausgeführt wurde.

Alles in allem kann gesagt werden, dass neben den anderen Kleinstädten auch in Bludenz Straßennamen mit klar politischem Hintergrund nicht besonders stark vertreten sind. Dennoch sind es meist gerade diese Straßen, die für Diskussionen gesorgt haben und immer noch sorgen, da sie eine besondere Strahlkraft zu haben scheinen. In Großstädten bzw. politischen Zentren wie München, Berlin oder Wien ist der Anteil jedoch bedeutend höher als in Kleinstädten, selbst wenn in diesen die Verwendung von Straßen zu politischen Zwecken auch hier, natürlich in kleinerem Maße, versucht und teilweise auch durchgezogen wurde.

5.2. Bedeutung von Wirtschaft und Gewerbe Eine schwer einzugrenzende Kategorie ist jene, die sich an Wirtschaft & Gewerbe orientiert. So wurden bei dieser Analyse auch Firmengründer oder traditionelle Berufe diesem Bereich zugeordnet. Beim Vergleich mit den anderen österreichischen Städten der Größenordnung von Bludenz zeigt sich, dass Bludenz auch im Straßenbild als Wirtschafts- und Industriestadt heraussticht. In keiner der befragten Städte übersteigt der Anteil der Straßen dieser Kategorie die 10%-Marke. In Bludenz hingegen zeigt sich der Einfluss der Wirtschaft sehr deutlich. Insgesamt sind es 15,9% der Bludenzer Straßennamen, die einen klaren Bezug zur Kategorie Wirtschaft & Gewerbe aufweisen. Es gibt noch immer eine Vielzahl an Straßennamen, die in Zusammenhang mit klassischen Gewerben stehen, die längst nicht mehr an diesem Ort, zum Teil nicht einmal mehr in der Stadt ausgeübt werden. Diese haben somit inzwischen bereits eine historische Bedeutung, die sich im Lichte der Erinnerungskultur als bedeutend erweist. Beispiele hierfür wären: Gerberstraße, Färberstraße, Mühlgasse oder Schmittenstraße. Auch Straßen in direktem Zusammenhang mit einer Firma/Fabrik sind in Bludenz einige zu finden:

580 Justic, Innsbrucker Straßennamen, S. 14.

180

Fohrenburgstraße, Bleichestraße, Klarenbrunnstraße, etc. Bei letzter handelt es sich zwar auch um einen alten Flurnamen, dennoch ist davon auszugehen, dass die Straßenbenennung von 1906 in Zusammenhang mit der Firma zu sehen ist; Flurnamen fanden damals nämlich noch recht wenig Beachtung bei der Wahl eines Straßennamens.

Auch Firmengründer sind im Bludenzer Straßennetz zu finden: Ferdinand-Gassner-Straße, Suchardstraße. Ebenfalls in dieser Kategorie berücksichtigt wurde die Inklusion der Bludenzer Banken im Bludenzer Straßennetz, einerseits durch die Raiffeisenstraße, andererseits durch eine zweimalige Umwandlung eines politisch motivierten in einen wirtschaftlich motivierten Straßennamen: Riedmiller-Park → Am Raiffeisenplatz sowie Freiheitsplatz → Sparkassenplatz. Der vielerorts übliche Grundsatz, Firmen oder Unternehmen nicht in Verkehrsflächenbezeichnungen zu integrieren, wird somit in Bludenz nicht beachtet.581

All diese Beispiele beweisen, dass der Einfluss von Wirtschaft & Gewerbe auf die Benennung Bludenzer Straßenzüge nicht nur umfangreich, sondern auch vielschichtig ist. Bereits seit der ersten großen Benennungsphase vom 20. April 1906 wird darauf geachtet, und noch in der jüngsten Benennung, der Schmelzhüttenstraße, zeigte sich diese Tendenz. Es könnte diesbezüglich auch argumentiert werden, dass es ohne den enormen Einfluss der wirtschaftlichen Betriebe und großen Firmen in der Stadt nicht zu so einem deutlichen Bevölkerungsanstieg gekommen wäre und es demnach wohl auch viel weniger Straßenzüge in Bludenz gäbe.

5.3. Bedeutung von Kunst und Kultur Während die anderen beiden wichtigen Untersuchungsbereiche manchmal doch recht nahe beieinander liegen und es in den einzelnen Städten oft ähnlich viele Benennungen nach den beiden Kategorien gibt, so unterscheidet sich die Kategorie Kunst & Kultur doch deutlich von den anderen. Es scheint fast so, als wäre in den Städten bei der Benennung von Straßen entweder der Fokus mehr auf die Wirtschaft oder mehr auf die Kultur gelegt worden. Die Zahlen von Wörgl, Hohenems und Spittal a. d. Drau belegen, dass dies Städte sind, in denen Kunst & Kultur sich ganz wesentlich in den Straßennamen niederschlugen. In Wörgl ist es sogar ein Viertel der 116 Straßen, das einen solchen thematischen Hintergrund hat. Bei Bludenz zeigt sich hingegen ein anderes Bild. Auch wenn es sich in den letzten Jahrzehnten verstärkt bemüht

581 Krapf, Namengebung, S. 92.

181 hat, auch Kulturstadt zu werden, ist Bludenz eher eine Industriestadt, und daher ist es nicht überraschend, dass lediglich 6,2% der Straßen einen unzweifelhaften Bezug zu Kunst & Kultur aufweisen. Bei den unmittelbaren Namensgebern handelt sich hierbei größtenteils um Schriftsteller: Friedrich Schiller, Josef Wichner, Grete Gulbransson, Franz Michael Felder. Auch das alte Brauchtum, verankert im Funkaweg, oder die Schulgasse wurden hier berücksichtigt. In diesem Fall ist auch die Anzahl der Streitfälle, die eventuell noch zu dieser Kategorie gehören könnten, nicht sehr groß und würde zu keinen entscheidenden prozentuellen Veränderungen führen. Konfessionelle Benennungen (z.B. St.-Anna-Straße) wurden genauso wenig hinzugezählt wie der Bereich Freizeit (z.B. Stadionstraße). Dass Bludenz heute durchaus als Schulstadt bekannt ist – in der Stadt gibt es Schulen für alle Schulstufen und auch diverse höhere Schulen, die jedes Jahr zahlreiche MaturantInnen hervorbringen –, schlägt sich in den Straßennamen nicht nieder. Insgesamt haben Kunst & Kultur also bislang nur wenig Eingang in Bezeichnung von Verkehrsflächen gefunden.

Besonders auffällig ist, dass es in Bludenz keine Straße gibt, die nach MusikerInnen, DirigentInnen oder KomponistInnen benannt ist. Nach einem bildenden Künstler mit der Jakob-Jehly-Straße nur ein Straßenzug benannt, und selbst wenn man den Architekten Alois Negrelli noch dieser Kategorie zuordnen würde, wäre der Prozentsatz nur unbedeutend höher.

Somit steht fest, dass eines der Hauptmotive für Straßenbenennungen im mitteleuropäischen Raum in Bludenz bisher völlig zu kurz gekommen ist, speziell wenn man sich vor Augen führt, dass unter den Top Fünf der in Deutschland meistverwendeten personenspezifischen Straßennamen vier (Schiller, Goethe, Mozart, Beethoven) in die hier als solche definierte Kunst & Kultur-Kategorie fallen würden.582

5.4. Einfluss spezifischer Wendejahre

Der Frage nach dem Einfluss spezifischer Umsturzjahre auf das Straßenbild wurde im Abriss über die Geschichte der Straßenbenennungen bereits nachgegangen. Für Österreich wurden solche Jahre festgemacht am Zusammenbruch der Monarchie 1918/19, der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1938 oder auch am Ende des Zweiten Weltkriegs 1945.583

582 Pöppinghege, Geschichte mit Füßen getreten, S. 8. 583 Kubinzky/Wentner, Grazer Straßennamen, S. 8.

182

Für die Kleinstadt Bludenz muss jedoch resümiert werden, dass diese Jahre, die politisch große Veränderungen brachten, bei den Straßenbenennungen allgemein kaum eine Rolle spielten. In den Jahren 1918 und 1919 gab es keine Umbenennungen. Die Reichsstraße, der Straßenzug, der mit der Monarchie in Verbindung zu setzen ist, wurde erst im Jänner 1924 umbenannt. Bei der Machtübernahme der Nationalsozialisten machte sich noch am ehesten eine verstärkte Diskussion über Straßennamen breit. Es kam zur Benennung des Adolf-Hitler-Platzes sowie kurz darauf zur Benennung der Stuttgarterstraße und der Alemannenstraße. In der Folge gab es zwar noch einige Überlegungen, durchgeführt wurden jedoch keine weiteren nationalsozialistisch gefärbten Umbenennungen. 1945 zeigt sich ein ähnliches Bild: Zunächst wurde sehr schnell der Adolf-Hitler-Platz aufgelöst und die Jellerstraße benannt. Danach flachten die diesbezüglichen Diskussionen aber schnell ab, und es wurde seither nie ein Platz oder eine Straße nach einem weiteren Nazi-Opfer oder einem Widerstandskämpfer benannt, obwohl der Wunsch danach hin und wieder vorhanden war. Vielmehr fällt auf, dass die großen Umbenennungsphasen in Bludenz immer zu politisch ruhigeren Zeiten stattfanden. Die Stadtvertretung konnte und wollte sich anscheinend mit der Thematik von Straßenbenennungen nur dann beschäftigen. Dies zeigt sich auch darin, dass die Benennung von Straßen und Plätzen in Sitzungen häufig wieder von der Tagesordnung genommen und um eine oder manchmal sogar mehrere Sitzungen verschoben wurde. Das war unter anderem auch im Vorfeld des größten Benennungstages im Jahr 1965 der Fall.

Die meisten der großen Benennungsjahre gab es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts: Im April 1906 wurden 22 Straßen benannt.584 Im Jänner 1924 gab es für 15 Straßen Neubenennungen und für sieben Straßen Umbenennungen.585 Dazu kam eine Benennung im April 1924.586 Im April 1930 wurden 15 Straßen587, im April 1949 zehn Straßen benannt.588 1955 kam es im September zu sieben Neubenennungen.589 Zu guter Letzt folgte noch der größte Benennungstag, der 4. Juni 1965, an dem 25 neue Straßen mit einem Namen versehen wurden.590 Dazu kamen im Oktober desselben Jahr noch drei weitere Umbenennungen und zwei

584 Anzeiger, 28.04.1906, S. 2, Zugriff: 21.08.2020. 585 Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 16.01.1924, S. 5– 6, StABlu. 586 Stadtvertretungsprotokolle 1924, Sitzung vom 12.04.1924, S. 5, StABlu. 587 Stadtvertretungsprotokolle 1930, Sitzung vom 07.04.1930, S. 5–6, StABlu. 588 Stadtvertretungsprotokolle 1949, Sitzung vom 29.04.1949, S. 5, StABlu. 589 Stadtvertretungsprotokolle 1955, Sitzung vom 23.09.1955, S. 7–8, StABlu 590 Stadtvertretungsprotokolle 1965, Sitzung vom 04.06.1965, S. 7–9, StABlu

183

Neubenennungen.591 Diese Aufzählung zeigt, dass es die größten namentlichen Veränderungen im Bludenzer Straßenbild immer in politisch wenig aufregenden Zeiten gab.

5.5. Umbenennungen von Straßennamen

Anders als bei Neubenennungen, bei denen es oftmals Vorschläge aus der Bevölkerung gab, die auch diskutiert wurden, waren Anträge von Einzelpersonen auf die Umbenennung einer Straße selten und wurden noch seltener auch angenommen. In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war Alfons Leuprecht die wohl wichtigste Person, die sich regelmäßig Gedanken über Straßenbenennungen machte. Vor allem für die ersten Benennungsphasen kamen von ihm zahlreiche Vorschläge, die bei der Stadtvertretung oftmals großen Anklang fanden. Diese beschränkten sich größtenteils jedoch auf Neubenennungen. Im Laufe der Diskussionen wurden dabei die Straßen auch zum Teil umbenannt, jedoch nur selten, nachdem sie den Namen bereits offiziell erhalten hatten. Leuprechts Vorschläge wurden demnach immer genau geprüft und, besonders in späteren Jahren, zum Teil auch abgelehnt.

Für die meisten nach Personen benannten Verkehrsflächen im Straßenverzeichnis sind keine Anträge von Nachkommen oder gar von ihnen selbst ersichtlich. Einzig die Ignaz-Wolf-Straße bildet hier eine Ausnahme, denn ihre Benennung beantragte Ignaz Wolf, der Baumeister der Straße, selbst. In den meisten anderen Fällen war es so, dass die Straße benannt wurde und die Person bzw. ein Nachfahre dieser Person erst retrospektiv informiert wurde, was meist eine Antwort mit dem Dank für die Benennung zur Folge hatte (vgl. Ferdinand-Gassner-Straße, Grete-Gulbransson-Weg). Anders war dies bei den unter 4.8. genauer besprochenen Bludenzer Banken. Hier waren es sehr wohl die Banken selbst, die die Vorschläge hinsichtlich einer Benennung nach dem jeweiligen Geldinstitut beantragten. Am Beispiel der Raiffeisenbank zeigt sich auch, dass solche Anträge zunächst abgelehnt werden konnten, später aber neuerlich diskutiert wurden. Zwei der drei nach Bludenzer Banken benannten Verkehrsflächen im Zentrum der Stadt (Sparkassenplatz, Raiffeisenplatz) sind zu den Umbenennungen zu zählen. Lediglich die Raiffeisenstraße im Unterfeld hatte niemals einen anderen Namen. Beim Blick in die Archivalien fällt auch auf, dass wohl auch kein anderer Name im Raum stand.

Generell schaffte man es in Bludenz, die Anzahl der Umbenennungen eher gering zu halten. Es sind insgesamt 26 von 145 Straßen, die im Laufe der Stadtgeschichte zumindest einmal mit

591 Stadtvertretungsprotokolle 1965, Sitzung vom 28.10.1965, S. 10–11, StABlu

184 einem anderen Namen versehen wurden, wobei hier auch bereits Nuancen inkludiert sind, wie etwa die Umbenennung der Riedgasse in Riedstraße oder der Umbenennung von In der Halda in In der Halde.

5.6. Stadtviertel mit thematisch verwandten Straßennamen Bereits unter 3.4.6. wurde auf die Methode hingewiesen, in bestimmten Stadtteilen Namen zur selben Thematik zu verwenden, sodass gewissermaßen eigene Viertel entstanden, in Wien etwa ein Tier- bzw. Blumenviertel. Aber auch Schwerpunkte wurden in der Bundeshauptstadt gesetzt, so gibt es auch ein Physikerviertel, ein Fußballerviertel oder ein Norwegerviertel.592 Dass dies jedoch bei weitem kein Großstadtphänomen ist, zeigen andere Beispiele. In der Tiroler Stadt Wörgl, die auf Anfrage ebenfalls einen Fragebogen retournierte, gibt es etwa ein Viertel, in dem sich einige Komponisten in den Straßennamen wiederfinden. Auf engem Raum befinden sich hier eine Franz-Schubert-Straße, eine Joseph-Haydn-Straße, eine Johann- Strauß-Straße und eine Anton-Bruckner-Straße.593 Und auch auf noch kleinerer Ebene wurden solche Viertel geschaffen: In der kleinen Parzelle Gantschier im Gemeindegebiet von Bartholomäberg im Montafon wurde bei der Benennung zahlreicher Straßen in den 1990er Jahren ein Baumviertel geschaffen, in dem es u.a. einen Birken-, Zirben-, Lärchen- oder Buchenweg gibt.594

In Bludenz sucht man solche Viertel vergeblich, wenn man von jenen Gebieten absieht, die sich komplett an Flurnamen orientieren. Darüber hinaus stehen nur die Parallelstraßen Boznerstraße und Meranerstraße in der Südtiroler-Siedlung in thematischer Beziehung. Die Straßenzüge Schmittenstraße und In der Schmitte sind zwar inhaltlich ident, allein aber zu wenig, um von einem Viertel sprechen zu können. Was die fünf Straßen im historischen Stadtkern (Rathausgasse, Mühlgasse, Sturnengasse, Herrengasse und Kirchgasse) betrifft, stehen auch diese in keinem thematischen Bezug.

Während es vielerorts schwer ist bzw. Umbenennungen benötigt, um ein Viertel in einer Stadt mit inhaltlich zusammenhängenden Straßennamen zu benennen, hätte es in der Geschichte der Stadt Bludenz genügend Möglichkeiten gegeben, dies in den Randbereichen der Stadt zu machen, z. B. schon bei der Benennung der Straßen im Außerfeld im April 1930 oder beim

592 Autengruber, Lexikon, S. 20. 593 Google Maps, Wörgl, Zugriff: 21.08.2020. 594 Google Maps, Gantschier, Zugriff: 01.10.2020.

185 langen Tauziehen um die zu benennenden Straßen im Unterfeld bzw. an der Grenze zu Nüziders in den 1950er Jahren. Bei den Namensgebungen in den Parzellen im Jahr 1965, als man sich größtenteils aber für eine Benennung nach Flurnamen entschied, hätte es sich letztmals angeboten. So muss nach heutigem Stand resümiert werden, dass es solche Viertel mit Benennungen, die sich einer gemeinsamen Thematik zuordnen ließen, in Bludenz nicht gibt.

5.7. Einfluss von Flurnamen und Lokalgeschichte Der Einfluss der Lokalgeschichte ist vielerorts, nicht nur in Bludenz, von erheblicher Bedeutung; so sind etwa Römerwege oder Austraßen keine Seltenheit. Der Anteil der Straßen in Bludenz, die direkt in Beziehung stehen zur Vergangenheit der Stadt bzw. zu verschiedenen landschaftlichen Gebieten, ist sehr hoch. Besonders Flurnamen haben in Bludenz schon immer eine nicht unbedeutende Rolle gespielt. In der Benennungsphase von 1906 wurden z. B. bereits die Austraße und die Untersteinstraße benannt. Diese Tendenz setzte sich auch bei den folgenden Benennungsphasen fort. Zu einer wahren Flut von Neubenennungen in Anlehnung an Flurnamen kam es am letzten großen Benennungstag, dem 4. Juni 1965. Speziell in der Parzelle Außerbraz wurde auf solche Namen zurückgegriffen, obwohl sich deren Bedeutung zum Teil nur schwer erschloss und wohl auch nicht allen Bewohnern geläufig war. Doch auch im Stadtgebiet selbst zeigen Benennungen wie Beim Kreuz, Haldenweg, Im Moos, Vogelherd, Hinterplärsch, Riedstraße oder Büntweg, dass es mit Ausnahme der Innenstadt solche Benennungen eigentlich überall gegeben hat, sodass viele der alten Flurnamen wieder ins Bewusstsein der Bevölkerung geholt und vor dem Vergessen bewahrt wurden. Diese Begründung ist keineswegs nur ein theoretisches Konstrukt, sondern findet sich expressis verbis auch in den Unterlagen zu den Straßenbenennungen. Die Rolle, die Werner Vogt mit seinen Forschungen zu den Vorarlberger Flurnamen dabei gespielt hat, war eine bedeutende, wird sein Name doch in den Diskussionen anlässlich der Sitzungen häufig erwähnt.595

Ebenfalls wichtig war bei der Benennung der Straßen in Bludenz der Blick in die Vergangenheit. Dieses Geschichtsbewusstsein zeigte sich beispielsweise schon 1906, als in einer Ausgabe des „Anzeigers“ folgende Einsendung eines heute unbekanntem Verfassers abgedruckt wurde:

595 Vgl. Stadtratssitzung vom 28.12.1987, StABlu, 51/337.

186

„Ich ersuche, die Untersteiner-Straße mit Römer-Straße zu benennen, und zwar aus folgenden Gründen: 1. Heißt der Weg, der von Braz-Grubs-Hellwald bis zur Halde führt jetzt schon Römer-Weg […] 2. Hatten einstens die Kelten und Römer in Unterstein ihre Grabstätten […] 3. Trägt noch keine Straße der Stadt den Namen dieses einstens hier ansäßigen Volkes.“596

Der Redakteur dieser Lokalzeitung schloss sich dieser Meinung an und fügte außerdem hinzu, man solle statt der Pulverturmstraße eine Gutenbergstraße benennen, in Erinnerung an den Erfinder des Buchdrucks. Als Begründung wurde der Sitz der Buchdruckerei von Franz Dworzak, die sich in dieser Straße befand, angeführt.597 Zu einer Gutenbergstraße kam es zwar nie, ein Römerweg (nicht eine Römerstraße) wurde aber unter den Nationalsozialisten sehr wohl benannt. Außerdem gab es ab 1939 auch eine Alemannenstraße.

Die wohlhabenden Bludenzer Familien, die in der Geschichte der Stadt eine bedeutende Rolle gespielt haben, wurden ebenfalls im Bludenzer Straßenbild berücksichtigt; so gibt es eine Von- Sternbach-Straße und eine Zürcherstraße. Um einen Namen für die Nachwelt zu bewahren, wurde schließlich auch der Name Schloßplatz umbenannt in Schloß-Gayenhof-Platz, auch wenn dieser Name gar nicht so historisch war, wie ursprünglich angenommen wurde.

Ein weiterer Beleg für das durchaus hohe Geschichtsbewusstsein der Bludenzer ist die Tatsache, dass Straßenzüge wie Rathausgasse, Gerberstraße oder Kasernplatz bis heute nicht umbenannt wurden, obwohl sich inzwischen weder ein Rathaus noch eine Gerberei oder eine Kaserne in den jeweiligen Straßenzügen befinden. Auch die Kapuzinerstraße könnte mittlerweile bereits als historisch betrachtet werden, da an ihre Stelle im Kloster längst die Franziskaner getreten sind. Umso überraschender ist dann wieder die Tilgung eines der wichtigsten Ereignisse der jüngeren Vergangenheit, der Befreiung der Stadt vom nationalsozialistischen Regime, aus dem Straßenbild. Aus historischer Sicht hätte die Umbenennung des Freiheitsplatzes in Sparkassenplatz eigentlich nicht vollzogen werden dürfen.

596 Anzeiger, 28.04.1906, S. 3, Zugriff: 21.08.2020. 597 Anzeiger, 28.04.1906, S. 3, Zugriff: 21.08.2020.

187

5.8. Personenspezifische Benennungen

Wenn von der Forschung zur Geschichte von Straßennamen die Rede ist, denkt fast jeder zunächst an personenspezifische Straßennamen. Sie haben eine besondere Eigendynamik; Menschen sind oft sehr interessiert daran, wer die Person ist, die hinter einem Straßennamen steckt. Dabei umfasst dieser Aspekt der Straßenbenennung, bezogen auf die Gesamtzahl der Straßen, in Bludenz nur einen kleinen Prozentsatz. Zudem ist die personenbezogene Benennung auch noch eher jung, setzte in vielen Städten, so auch in Bludenz, erst allmählich ein. Insgesamt ist es ein Benennungsmotiv, das sich sehr gut mit anderen Städten vergleichen lässt, wobei auffällt, dass alle sechs Städte, die angefragt wurden, sowohl absolut als auch prozentuell diesbezüglich deutlich über Bludenz liegen. In Wörgl haben 50% aller Straßen einen personenspezifischen Hintergrund, in Hohenems sind es mit 44,9% nicht viel weniger. Auch Spittal/Drau und Eisenstadt haben mit 34,5% respektive 29,8% einen sehr hohen Anteil personenspezifischer Straßennamen.

Bludenz bildet mit 12,4% und insgesamt nur 18 Straßen, die nach Personen benannt sind, bei diesem Vergleich das klare Schlusslicht. Die Zahl könnte allerdings weitaus höher sein, wenn bei den Diskussionen zu den Straßennamen jene Personen zum Zug gekommen wären, die vorgeschlagen worden waren. Es gibt nämlich einige bedeutende Persönlichkeiten aus Bludenz und Umgebung oder mit einem Bezug zur Stadt, die vor Benennungen immer wieder im Raum standen, nach denen aber bisher noch keine Straße benannt wurde, u. a. Matthias Längle, Alfons Leuprecht, Herzog Friedrich, Johann Jehly. All diese Namen tauchten in den Diskussionen sogar mehrfach auf, und manchmal stand eine Benennung sogar schon kurz bevor, ehe dann doch kurzfristig davon abgesehen wurde. Eine wesentliche Rolle dabei spielt der vermehrte Fokus auf Flurnamen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Überraschend ist, dass sich auch in den Benennungen des 21. Jahrhunderts keine einzige Person wiederfindet, was im Vergleich mit anderen Kleinstädten eher eine Seltenheit darstellt. Diese Statistik zeigt daher deutlich, dass man in Bludenz bei Benennungen insgesamt sehr behutsam und überlegt vorgeht und sich vor allem bei der Entscheidung für Personen nicht aus dem Fenster lehnen will.

5.9. Genderfrage und Frauenanteil Wie bereits angedeutet, ist der Anteil von Frauen bei den Bludenzer Straßennamen klein und daher auch schnell analysiert. Bisher gibt es in Bludenz nämlich – abgesehen vom Sonderfall der Hl. Anna – nur eine einzige weibliche Person, die Schriftstellerin Grete Gulbransson, die

188 im Straßenbild verankert ist, was insgesamt lediglich 0,7% entspricht. Von Seiten der Stadt sind derzeit keinerlei Bestrebungen erkennbar, dass auf keinen Mindestanteil an Frauen bei der Straßenbenennung geschaut würde.598 Dabei haben ja, wie bereits erwähnt, neben Flurnamen durchaus auch Persönlichkeiten aus der Bludenzer Stadtgeschichte Aufnahme in das Straßennamenverzeichnis gefunden.599 Umso mehr fällt das fast gänzliche Fehlen weiblicher Namen im Stadtbild auf, wobei noch anzumerken ist, dass diese einzige Benennung nach einer Frau bereits in den 1950er Jahren erfolgte. Die großen Frauenbewegungen in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts gingen demnach zumindest an der Bludenzer Straßennamenthematik völlig spurlos vorüber. Es sind auch keine Aufzeichnungen enthalten, in denen der Name einer weiblichen Person vorgeschlagen worden wäre, wobei die 1990er und frühen 2000er Jahre hinsichtlich Diskussionen über Straßenbenennungen recht schwach dokumentiert sind. Es ist jedoch anzunehmen, dass Namen von früher oder derzeit in Bludenz bzw. ganz Vorarlberg wirkenden weiblichen Persönlichkeiten in Zukunft in das öffentliche Verkehrsnetz aufgenommen werden, auch wenn es derzeit kein formuliertes Ziel der Stadt ist.

In den anderen untersuchten Städten ist der Anteil der weiblichen Personen an der Gesamtzahl der Straßen ebenfalls sehr gering. Hohenems etwa verzeichnet mit 4,1% den höchsten Anteil, gefolgt von Bruck/Mur mit 2,9% und Eisenstadt mit 2,6%. Es ist also signifikant, dass in allen Städten deutlich mehr Männer die Straßennamen prägen. In Wörgl, wo es mit 50% den größten personenspezifischen Anteil gibt (absolut sind dies 58 Straßen), sind nur zwei nach Frauen benannt. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei Großstädten. So gibt es etwa in Wien eine deutlich stärkere Berücksichtigung von Männern, obwohl die Politik dies seit einigen Jahren etwas auszugleichen versucht. 65% aller Wiener Verkehrsflächen sind personenspezifische Benennungen; immerhin 7,2% aller Straßen sind nach Frauen benannt. Der Wert erscheint zwar nicht übermäßig groß, ist jedoch deutlich höher als in allen befragten Kleinstädten.600

5.10. Straßennamen mit Diskussionsbedarf Es ist bereits erwähnt worden, dass die Stadt Bludenz in den vergangenen Jahrzehnten bei Straßenbenennungen sehr bedachtsam vorgegangen ist. Kontroverse Persönlichkeiten standen eigentlich nie zur Debatte, und auch bei scheinbar „unproblematischen“ Personen entschied

598 Krapf, Namengebung, S. 74. 599 Krapf, Namengebung, S. 55. 600 Autengruber, Lexikon, S. 11.

189 man sich schlussendlich bei der Benennung meist für einen Flurnamen oder einen wirtschaftlichen Betrieb, der etwa in der Nähe angesiedelt war. Ins Bild passt da auch ein Blick auf die Lebenszeit der Personen, nach denen in Bludenz Straßen benannt wurden. Der Großteil der Personen wirkte im 19. Jahrhundert, manche im beginnenden 20. Jahrhundert. Die früheste berücksichtigte Person ist Franz Josef Gilm (1703–1776), die jüngste ist Alois Jeller (1902– 1945). Letzterer ist auch die einzige Persönlichkeit, die an die Nazi-Herrschaft erinnert. Als Widerstandskämpfer wurde er noch in den letzten Kriegstagen Opfer des Regimes, als er in den frühen Morgenstunden des 3. Mai 1945 im Keller der Kreisleitung grausam hingerichtet wurde.601 Selbstverständlich würde eine Person nicht nur durch eine mögliche Mitgliedschaft bei der NSDAP zu einer umstrittenen Person im Straßenverzeichnis werden, sondern auch wenn andere Vergehen über sie bekannt wären.

An dieser Stelle sei erwähnt, dass in den „Bludenzer Geschichtsblättern“ bzw. in anderen regionalen Publikationen bereits mehrfach Abhandlungen über diverse Straßennamenspatrone veröffentlicht wurden, dabei aber ihre Ehrung im Bludenzer Straßenbild nur selten Erwähnung fand.

Insgesamt kann gesagt werden, dass jene Personen, die bislang Aufnahme ins Straßenverzeichnis gefunden haben, über jeden Zweifel erhaben sind. Das scheint zwar selbstverständlich zu sein, ein Blick auf die im Abschnitt „Erinnerungskultur“ analysierten Städte genügt allerdings, um zu erkennen, dass das andernorts nicht immer der Fall ist.

Es bleiben allerdings noch andere Namen, die eventuell als umstritten gelten könnten. Dazu gehört auf jeden Fall die Stuttgarterstraße, zu deren Benennung man vom nationalsozialistischen Stuttgarter Bürgermeister regelrecht gedrängt wurde. Aus diesem Grund wäre eine Umbenennung der Straße angebracht, und es wäre eine gute Gelegenheit, stattdessen einen Erinnerungsort für eine weitere Persönlichkeit der Stadtgeschichte zu schaffen.

Der Römerweg und der Tränkeweg wurden ebenfalls während der Zeit des Nationalsozialismus benannt. Ihre Namen sind jedoch gänzlich unproblematisch. Irgendwo dazwischen liegt die Alemannenstraße, die ebenfalls von den Nationalsozialisten benannt wurde. Sie liegt nahe der Stuttgarterstraße und damit ebenfalls im Wohngebiet, welches die Nationalsozialisten während ihrer Herrschaft für sich beanspruchten. Die Alemannen, eine westgermanische Volksgruppe, übten in Vorarlberg definitiv einen Einfluss aus, jedoch hinterlässt die oft verwendete

601 Fröwis, Kriegsende, S. 27.

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Bezeichnung Deutschlands als Alemannia einen fahlen Beigeschmack, wenn man es in dem Licht betrachtet, dass die Umbenennung vom NS-Bürgermeister Toni Hutter in Auftrag gegeben wurde. Wenn man nach dem Freiburger Umbenennungssystem vorginge, so müsste man wahrscheinlich die Alemannenstraße in die Kategorie C1 gehören (würde heute nicht mehr so gewählt)602 und die Stuttgarterstraße in die Kategorie B (teilweise belastet, diskussionswürdig)603.

Alle übrigen 143 Straßen können nach heutigem Dafürhalten als politisch-ethisch unbedenklich gesehen werden; es gäbe hier maximal noch lokalhistorische Ungereimtheiten oder die Tatsache, dass einige nach Flurnamen benannte Straßen nicht dort sind, wo die entsprechende Flur eigentlich ist, was schon öfters für Verwirrungen gesorgt hat (z.B. Im Winkel oder Engelbündtstraße). Außerdem kann es als umstritten angesehen werden, dass in den zwei bereits ausführlich diskutierten Fällen, Am Raiffeisenplatz bzw. Sparkassenplatz, jeweils die Benennung nach einem Geldinstitut einen für die Bludenzer Historie relevanten Namen verdrängte. Es handelt sich dabei allerdings nicht um umstrittene Namen für Verkehrsflächen, sondern maximal um eine fragliche politische Entscheidung.

Alle Namen, die sonst als nicht vertretbar angesehen werden könnten, wurden bereits wieder umgeändert: Adolf-Hitler-Platz, Dollfußplatz, eventuell auch Reichsstraße. Die allgemeine Vorsicht der Stadt bei Straßenbenennungen, besonders seit den 1960er Jahren, führt dazu, dass man in Bludenz von einer kommissionellen Prüfung nicht betroffen ist. Dies ist, beim Blick auf andere Städte im deutschsprachigen Raum, keine Selbstverständlichkeit.

5.11. Fazit der Fallstudie Vor dem Blick in die Geschichte der Bludenzer Straßenbenennungen stand zunächst vor allem die Frage im Vordergrund, ob es bei den Bezeichnungen gewisse Schwerpunkte gibt, etwa aus den Bereichen von Politik, Wirtschaft & Gewerbe oder auch Kunst & Kultur. Jedoch zeigte die intensive Beschäftigung mit den Namen, dass die Themen viel weiter gefasst werden mussten. Viele Hauptmotive in der Straßenbenennung, die in der Sekundärliteratur angeführt werden, sind nicht auf Bludenz zu übertragen. Auf der anderen Seite finden sich aber viele intensive Diskussionen zu vermeintlich unspektakulären Straßennamen, von denen auch einige beschrieben werden, da diese besonders unter dem Gesichtspunkt der Public History interessant

602 Abschlussbericht Freiburger Straßennamen, S. 11, Zugriff: 22.08.2020. 603 Ebd., S. 11, Zugriff: 22.08.2020.

191 erschienen. So ist es erstaunlich, dass etwa Namen wie Bingser Siedlung oder Am Gemüsemarkt, die beide keinem der zunächst ins Auge gefassten Motive angehören, äußerst lange Diskussionen nach sich zogen. Gerade Kontroversen wie diese zeigen aber, dass die Benennung von Straßen auch durchaus zu einer Identifikationsfrage werden kann, denn Bewohner einer Straße sind nicht mehr einfach dazu bereit, jeden Namen zu akzeptieren. Große Benennungstage wie im frühen 20. Jahrhundert wären daher heute kaum noch denkbar, da sie heftige Diskussionen auslösen würden. Das in Kapitel 3.3. angeführte Zitat, es sei schwerer, eine Straße zu benennen, als sie zu bauen, trifft demnach heutzutage absolut zu. Vor 100 Jahren hätte dem wohl noch niemand zugestimmt.

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6. Schlussbetrachtung

In einem voreiligen Fazit zur Einordnung der Bludenzer Straßennamen in einen größeren Kontext möchte man meinen, die Benennungen der letzten 100 bis 150 Jahre würden die allgemeinen Tendenzen – so wie wir sie aus anderen vorwiegend städtischen Räumen Österreichs kennen – in der Straßenbenennung nicht widerspiegeln. Jedoch hat die Beschäftigung damit im Rahmen der vorliegenden Abschlussarbeit gezeigt, dass Straßennamen doch weit mehr politische und erinnerungsgeschichtliche Komponenten aufweisen als zunächst angenommen. Es ist wirklich erstaunlich, wie viel Geschichte in den Straßennamen einer Stadt mit nur knapp 15.000 Einwohnern steckt, einer Stadt, die von den großen Kriegen des 20. Jahrhunderts weitestgehend verschont blieb und die politisch nie von großer Bedeutung war – nicht umsonst wird sie von den Ansässigen auch oft als „Städtle“ bezeichnet. Dieses Diminutiv soll aber keineswegs über die interessante Stadt- und damit Gesellschaftsgeschichte, die sich speziell auch in den Straßennamen widerspiegelt, hinwegtäuschen.

Zuallererst muss in diesem Zusammenhang die Bedeutung der Erinnerungskultur beleuchtet werden. Die Ende des 20. Jahrhunderts entstandene Disziplin beschäftigte sich ursprünglich in erster Linie mit der Erinnerung an den Holocaust. In der heutigen Forschung wird dieser Erinnerungsgedanke allerdings viel weiter gefasst. Längst ist auch die Straßennamenforschung Teil davon, was in wachsenden Zahlen an Abhandlungen zur Straßennamengeschichte, in Zeitungsartikeln über Benennungen oder in Überprüfungen der Namen durch Kommissionen Niederschlag findet.

Bludenz liefert innerhalb dieser Straßennamenforschung einen Beweis dafür, dass die Geschichte der Benennung von Straßen und Plätzen keineswegs nur als Analyse politischer Systeme gesehen werden kann, wie dies sehr oft der Fall ist; vielmehr reflektiert sich darin auch ein Stück Gesellschaftsgeschichte bzw. Erinnerungsarbeit der ansässigen Bevölkerung, die nicht von vornherein einen ausgesprochenen politischen Charakter aufweisen muss.

Seit mehr als 100 Jahren unterliegt die Benennung von Straßen gesetzlichen Vorgaben bzw. müssen gefasste Beschlüsse darauf beruhen. Am Beispiel Bludenz lässt sich gut erkennen, dass seither nur ganz wenige Straßennamen nicht offiziell von der Stadtvertretung beschlossen wurden. Teil der juridischen Merkmale der Straßennamen ist auch der Zuständigkeitsbereich, der in der Regel vom Staat oder vom Bundesland festgelegt wird. Mittlerweile ist es die übliche Praxis, dass die Gemeinde- bzw. Stadtvertretung die jeweiligen Entscheidungen trifft und dass sich die Länder selbst nicht mehr damit befassen. Zu Zeiten diktatorischer Systeme in

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Mitteleuropa, besonders während des Nationalsozialismus, waren diese Zuständigkeitsbereiche noch anders aufgeteilt: Es musste von Seiten der Stadt die Erlaubnis zu Benennungen erst eingeholt werden. Heute sind es StadtpolitikerInnen, die durch die Beschlüsse im Rathaus einen Teil der Stadtgeschichte mitbestimmen. Wie nah Geschichte und Tagespolitik, bzw. entsprechende Entscheidungen in vielen Belangen beieinanderliegen, hat diese Straßennamenanalyse deutlich gezeigt.

Bei der Erforschung der Verkehrsflächenbenennung spielen unterschiedliche Komponenten eine wichtige Rolle. In Bludenz stechen von den für diese Arbeit ausgewählten Motiven – auch im überregionalen Vergleich – die Benennungen aus dem Bereich Wirtschaft und Gewerbe hervor. Im ausgehenden 19. Jahrhundert entwickelte sich Bludenz nämlich zu einem industriellen Zentrum, und dies machte sich bereits in den frühen Benennungsphasen ab 1906 bemerkbar. Dieser Einfluss der Bludenzer Wirtschaft auf Neubenennungen von Straßenzügen ist auch bis heute klar spürbar.

Was die politisch gefärbten Benennungen betrifft, so sind diese bis auf die wenigen, die noch eine gewisse Nähe zum Nationalsozialismus haben, nach heutigem Stand unbedenklich. Grund dafür ist die große Vorsicht, mit der in den vergangenen Jahrzehnten bei der Benennung von Verkehrsflächen vorgegangen wurde. Es überrascht außerdem, dass trotz der vielen Schulen in Bludenz nur wenige Literaten, Pädagogen oder Künstler Eingang ins Straßenverzeichnis gefunden haben. Stadtteile, in denen mehrere Straßen nach einem Themengebiet benannt sind, finden sich in Bludenz nicht – auch das ist eine Seltenheit. Der Fokus bei den Bludenzer Straßennamen liegt primär auf historischen Flurnamen. Dies ist auch Beleg dafür, dass die Kleinstadt vor allem in den Randgebieten noch stark ländlich geprägt ist. Hier wurde anscheinend bewusst auch darauf geachtet, alte Benennungen von Fluren vor dem Vergessen zu bewahren. Letztlich ist aber auch die Geschichte der Stadt im Straßenbild verankert, so wird etwa an frühere Adelsgeschlechter und alte Stämme erinnert.

Darüber hinaus zeigte die Beschäftigung mit den Straßennamen auch, dass einige andere Fachrichtungen bei der Benennung von Straßen ins Spiel kommen. Hierzu gehört etwa der geographische Hintergrund von Straßennamen. Sehr oft sind es alte Flurnamen, die besonders im ländlichen Bereich, aber auch in Kleinstädten wie Bludenz, einen großen Einfluss auf die Namensgebung haben. Einige Straßennamen beschreiben alte Gebäude, die an dieser Stelle einmal bestanden (z.B. Schmittenstraße), oder sie verweisen auf die Beschaffenheit des Bodens (Sandgrubenweg) oder auf Dinge, die an diesem Ort früher angebaut wurden (Im Halda-

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Wingert). Der geographisch-topographische Einfluss lässt sich zudem bei Benennungen nach Regionen oder Gemeinden erkennen, welche durch die entsprechenden Straßen miteinander verbunden werden (Montafonerstraße). Außerdem kann auch der Einfluss umliegender Gebirge zum Tragen kommen (Rhätikonstraße).

Die Bezeichnung von Straßen hat außerdem einen sprachlich-gesellschaftlichen Aspekt im engeren Sinne. Einerseits werden inhaltlich kulturelle Bereiche berührt, etwa die Literatur, andererseits geht es schlicht um orthographische Fragen. Eine falsche Rechtschreibung der Straßennamen kommt selbst heute noch vielerorts vor und ist auch in Bludenz anzutreffen. Manche Fehler sind dabei augenscheinlich, wie etwa das Beibehalten eines ß statt eines ss604. Auffallend ist die Unachtsamkeit besonders bei personenspezifischen Straßennamen, weil dabei häufig die inkorrekte Schreibweise ohne Bindestrich verwendet wird605. Dies ist insofern überraschend, als bereits vor über 100 Jahren Aufsätze auf das Problem der richtigen Rechtschreibung von Straßennamen hingewiesen haben.606

Zuletzt sind da noch die Bereiche, die in Form von personenspezifischen Benennungen Einfluss auf das Straßenbild haben. Hier ist die Stadt Bludenz allerdings aufgrund ihrer geringen Anzahl von nach Personen benannten Straßennamen wenig repräsentativ. In größeren Städten sind viel mehr Straßen zu finden, die mit den Personen aus den Fachbereichen Naturwissenschaften, Medizin, Sport oder Kultur benannt sind. So bilden oftmals einzelne RepräsentantInnen viele verschiedene Disziplinen in den Straßenbenennungen ab. Der Grund dafür liegt darin, dass Personen aus unterschiedlichen Fachbereichen Vorschläge für Straßennamen einbringen und dies nicht allein HistorikerInnen vorbehalten ist.

Für die Benennung von Straßennamen ist es wichtig, dass neben einem breiten Beteiligungsprozess von BürgerInnen auch eine historische Expertise eingeholt wird. Bei der fachdidaktischen Aufarbeitung für den Unterricht, wie das hier im Rahmen der Abschlussarbeit geschehen ist, ist das jedenfalls ein zentraler Punkt. Hier sollte vor allem jener Bezug zur Lebenswelt der SchülerInnen herausgestrichen werden, der für sie bei anderen historischen Phänomenen unter Umständen nur schwer herstellbar ist. Die Möglichkeit, etwas über die eigene Wohnstraße erfahren zu können, sollte zudem auch SchülerInnen ansprechen, die gewöhnlich kein ausgeprägtes historisches Interesse zeigen.

604 Schloß (statt Schloss) Gayenhofplatz 605 Grete Gulbranssonweg statt Grete-Gulbransson-Weg 606 Vgl. Kapitel 3.2

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Wenn abschließend die derzeitigen Bludenzer Straßennamen und vor allem die jüngsten Benennungen seit der Jahrtausendwende noch einmal zusammenfassend betrachtet werden, so fällt in erster Linie die Sorgfalt auf, mit der gegenwärtig die Benennung von Straßen erfolgt. Es scheint, als wolle man vor allem nichts falsch machen, weshalb man auch nur noch selten auf personenspezifische Benennungen zurückgreift. Durch die vermehrte Verwendung historischer Flurnamen gelingt es, einen weitgehend unbedenklichen Weg zu gehen und dennoch die Geschichte der Stadt auf lange Sicht im Bludenzer Straßenbild zu verankern. Letztlich ergeben die Benennungen der Straßen und Plätze der Kleinstadt Bludenz heute ein buntes Bild; sie sind ein Konglomerat aus unterschiedlichsten Zeitabschnitten der städtischen Geschichte sowie diverser Lebensbereiche der Bludenzerinnen und Bludenzer.

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7. Fachdidaktische Umsetzung für die 7. Klasse AHS

7.1. Fachdidaktische Ansätze zur Benennung des öffentlichen Raums „Straßennamen [sind] eine ausgezeichnete Möglichkeit, sich mit dem Konstruktcharakter von Geschichte zu befassen und handlungsorientierten Geschichtsunterricht zu gestalten.“607

Der Historiker Rainer Pöppinghege (*1962), der als Experte in dem Gebiet der Straßenbenennungen gilt, bringt mit diesem Zitat seine Überzeugung zum Ausdruck, dass die Beschäftigung mit Straßennamen vor allem auch im Unterricht stattfinden kann und soll. Dabei handelt es sich nämlich um ein Themengebiet, das sehr nahe an der Lebenswelt der SchülerInnen angesiedelt ist, da sich ihre Wohnungen bzw. Häuser alle in einer Straße befinden, deren Name, in welcher Form auch immer, geschichtlich von Interesse ist. Bezüglich des handlungsorientierten Unterrichts schlägt Pöppinghege vor, dass es sich besonders anbieten würde, das Thema Straßennamen in Form von Projektarbeiten im Unterricht einzusetzen.608 Diese Idee wird nun auch für diesen fachdidaktischen Abschnitt aufgegriffen, in dem ein Projekt zu den Bludenzer Straßennamen ausgearbeitet werden soll.

Die Auseinandersetzung mit der Stadt bzw. dem Ort als historischem Lernort ist nicht neu. Im Hinblick auf zu unterrichtende Aspekte wie Lokalgeschichte und Erinnerungskultur bietet sich besonders an, diese anhand der Stadt bzw. des Ortes zu analysieren, in der/dem sich die Schule befindet. Bei Themen zur Stadtgeschichte sind gerade Straßennamen sehr geeignet, da sie sowohl aufzeigen, welche Aspekte der Stadtgeschichte so wichtig erscheinen, dass sie in ihnen verewigt werden, als auch Diskussionen ermöglichen, welche Aspekte – bewusst oder unbewusst – bislang bei der Benennung von Verkehrsflächen vernachlässigt wurden.

Die Beschäftigung mit Straßennamen im Allgemeinen fällt in den Bereich Erinnerungskultur, der besonders in der Oberstufe im Fach Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung einen zentralen Platz einnehmen sollte. Im Kapitel zur Erinnerungskultur wurde die Thematik bereits eingehend abgehandelt, somit wird hier nur noch exemplarisch darauf eingegangen. Hinsichtlich des Beitrags der Erinnerungskultur zur Geschichtskultur merkt Christoph Kühberger (*1975) an, dass sie aus mehr als nur der Beschäftigung mit der NS-Vergangenheit

607 Rainer Pöppinghege, Straßennamen im Geschichtsunterricht, in: Geschichte in Wissenschaft und Unterricht 66, Heft 9/10, Seelze 2015, S. 600–607, hier: S. 602. 608 Ebd., 604.

197 und dem Holocaust bestehen sollte und das Thema nicht nur darauf beschränkt werden dürfe.609 Er spricht in diesem Zusammenhang auch von Erinnerungslandschaften, die es zu dekonstruieren gelte. Wichtig sei hierbei, dass dies nicht nur durch HistorikerInnen geschehen könne, sondern auch durch SchülerInnen, die sich mit den Erinnerungsformen in einer Stadt beschäftigen.610

Beim Thema Erinnerungskultur wird in der Schule generell historisches Lernen mit politischem verbunden, weshalb auch die fünf Aspekte der Erinnerungstheorie beide Merkmale miteinander verknüpfen: Zunächst braucht es ein Objekt der Erinnerung, d. h. man muss wissen, woran man erinnern will. Dann ist eine Begründung nötig, mit der die Erinnerung als gerechtfertigt erscheint bzw. die einen konkreten Anlass dafür beschreibt. Weiters muss man sich Gedanken machen über die Subjekte bzw. Adressaten der Erinnerung. Dies können sowohl Gemeinschaften als auch Individuen sein. Erst in letzter Instanz geht es um die Repräsentation der Erinnerung, also um das fertige Produkt. Ein Denkmal, ein Preis, eine Veranstaltung oder eben auch ein Straßenname wäre so eine Repräsentation.611 Wenn ein/e StadtbewohnerIn also einen Straßennamen entdeckt, der ihm/ihr bisher noch nicht aufgefallen ist oder über dessen Hintergrund ihm/ihr nichts bekannt ist, ist das der Beweis, dass erst diese Repräsentation, man könnte auch Manifestation sagen, ins Bewusstsein der Bevölkerung dringt.

Durch die vermehrte Beschäftigung mit der Straßennamenthematik, besonders auch im Unterricht, ist es möglich, die Gründe, die hinter einer Benennung stecken, gemeinsam zu erörtern. Hierbei ist wichtig, dass eine rein nominelle Betrachtungsweise meist nicht genügt. Die ausführlich diskutierte Stuttgarterstraße in Bludenz wäre demnach nicht ausreichend analysiert, wenn man nur anfügen würde, dass die Straße nach der baden-württembergischen Hauptstadt Stuttgart benannt ist. Das wäre inhaltlich zwar nicht falsch, jedoch verrät es nicht einmal die halbe Wahrheit über den vom NS-Regime festgelegten Straßennamen. Somit sollte es das Ziel einer Projektarbeit zu den Bludenzer Straßennamen sein, dass sich die SchülerInnen mit einigen wenigen Straßen intensiv auseinandersetzen, um letztlich ein „selbständiges und begründetes Urteil über den besprochenen und analysierten Fall“612 abgeben zu können. Die

609 Christoph Kühberger, Erinnerungskulturen als Teil des historisch-politischen Lernens, in: Informationen zur Politischen Bildung 32, Innsbruck–Wien–Bozen 2010, S. 39–42, hier: S. 39. 610 Ebd., S. 39. 611 Ebd., S. 41. 612 Ebd., S. 42.

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Lehrperson soll zwar für das Projekt notwendige Materialien zur Verfügung stellen, sie sollte das Urteil der SchülerInnen aber nicht als richtig oder falsch bewerten.613

Claus Oberhauser (*1984), ein weiterer Fachdidaktiker, der sich mit der Bedeutung von Straßennamen im Geschichtsunterricht auseinandergesetzt hat, gibt in seinem Beitrag in der Zeitschrift für Geschichtsdidaktik einen Überblick über verschiedene vergangene Projekte, die sich mit der Benennung des öffentlichen Raumes auseinandersetzten, unter anderem dem Kunstprojekt Temporäres Denkmal des Innsbrucker Künstlers Franz Wassermann und dessen didaktischer Aufarbeitung durch Claudia Rauchegger-Fischer. Es ging um die Benennung von Straßen und Plätzen nach den 360 damals (2004) bekannten Opfern, die von der psychiatrischen Anstalt Hall in den Jahren 1940 bis 1942 nach Nidernhart oder Hartheim deportiert wurden.614 Außerdem erwähnt Oberhauser ein Projekt von Christoph Kühberger, der hinterfragte, ob Straßennamen verändert werden dürfen. Dieser Frage können SchülerInnen in der Sekundarstufe II anhand von Sekundärliteratur und eigener Recherche nachgehen.615 Oberhauser geht auch auf den bereits zitierten Text Pöppingheges ein und streicht dabei noch einmal heraus, dass Straßen zwar oft vor Jahrzehnten benannt wurden, dass diese Namen aber heute durchaus hinterfragt werden dürfen, es handle sich ja nicht um eine zementierte Stadtgeschichte.616 Diese Tatsache kann demnach auf die eingangs zitierte Feststellung bezogen werden, in der vom Konstruktcharakter von Geschichte die Rede ist. Wie in anderen Ausdrucksformen von Geschichte können vor allem auch bei Straßennamen aufgrund der begrenzten Anzahl solcher Namen nur Auszüge einer Stadtgeschichte sichtbar gemacht werden. Genau diese gilt es im schulischen Kontext kritisch zu hinterfragen, um die Kompetenz Geschichtsbewusstsein der SchülerInnen zu fördern.

Prinzipiell sollte die Beschäftigung mit Straßennamen keineswegs nur auf den Geschichtsunterricht beschränkt bleiben, sondern kann durchaus auch fächerübergreifend angewandt werden. Neben Geschichte sind auch Deutsch, Bildnerische Erziehung und Geografie Fächer, in denen eine spannende Auseinandersetzung mit dieser Thematik möglich ist. Eine eigene Studie gibt es zur Beschäftigung mit Straßennamen im Unterrichtsgegenstand DaF (Deutsch als Fremdsprache). Arndt Kremer hebt dabei besonders den kulturhistorischen bzw. mentalitätsgeschichtlichen Aspekt hervor, den die Straßennamenforschung besonders seit

613 Ebd., S: 42. 614 Claus Oberhauser, Das Rauschen der Straßennamen, in: Zeitschrift für Geschichtsdidaktik 16, Göttingen 2017, S. 82–97, hier: S. 94–95. 615 Ebd., S. 95. 616 Ebd., S. 93–94.

199 den 1980er Jahren, seit dem verstärkten Aufkommen von Erinnerungskultur, erhalten hat.617 Es stellt sich zwar zunächst die Frage, wie sinnvoll es ist, dass sich nach Österreich zugezogene Personen mit Straßennamen beschäftigen, aber neben den linguistischen Feinheiten bringt diese Auseinandersetzung auch mehr Verständnis für die Kultur und Geschichte unseres Landes. Einerseits hilft den Personen die Kenntnis des Straßensystems, sich besser und schneller in einer für sie neuen und eben deutschsprachigen Stadt orientieren zu können. Andererseits betreffen Straßennamen auch ihre Lebenswelt, ihren Alltag, da alle Menschen in einer Straße wohnen, die auf einen ganz bestimmten Namen lautet. Arndt zitiert in diesem Zusammenhang auch Schultheis und Walter, die Straßennamen als „‚lebendiges Sprachmaterial‘“618 bezeichnen. Zu guter Letzt können Straßennamen den Lernenden auch aufzeigen, wie bedeutsam im mitteleuropäischen Raum der kulturell-politische Kontext ist und wie eng Namen allgemein – und hier besonders Straßennamen – mit Identität verknüpft sind.619

7.2. Verortung im Lehrplan und Vernetzung mit fachdidaktischen Kompetenzen Sehr oft rückt die Lokalgeschichte in den mittleren und höheren Schulen in den Hintergrund, sie wird nur noch selten in den Unterricht eingebaut. Dies ist als vergebene Chance anzusehen, da die Grundlagen für eine Bildung auf lokaler und, in diesem Fall, lokalhistorischer Ebene bereits in der Grundschule gelegt werden. Im Lehrplan der Volksschulen ist u.a. der Erfahrungs- und Lernbereich Zeit verankert. In der Grundstufe II wird dieser Bereich besonders mit der Vergangenheit des Heimatortes in Verbindung gebracht. Es geht darum, für die Kinder der 3. Klasse Volksschule Bezugsräume zu schaffen, die oft auch historische Aspekte einschließen sollen. Dabei können ihnen wichtige Persönlichkeiten und Ereignisse aus der Lokalgeschichte nähergebracht werden.620 In der 4. Schulstufe wird dies sogar noch einmal genauer ausgearbeitet, indem auch die Vergangenheit des Bundeslandes betrachtet wird. Durch Unterrichtsmaterialien, die fachdidaktisch kindgerecht aufbereitet sind, sollen die Kinder einen Bezug zur Gegenwart erkennen können.621

617 Arndt Kremer, Namen schildern: Straßennamen und andere Namensfelder im DaF-Unterricht, in: Historische Quellen im DaF-Unterricht, hrsg. v. Marc Hieronimus (= Materialien. Deutsch als Fremdsprache, Band 86), Göttingen 2012, S. 135–176, hier: S. 135. 618 Kremer, Namen schildern, S. 145. 619 Ebd., S. 144–145. 620 Lehrplan der Volksschule, in: BGBl. II, Nr. 314/2006, August 2006, S. 80–102, hier: S. 95. 621 Ebd., S. 95.

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Im Lehrplan der Neuen Mittelschule bzw. der AHS-Unterstufe sind die konkreten Bezüge des Fachs Geschichte und Sozialkunde/Politische Bildung zur Lokalgeschichte schon etwas schwieriger zu erkennen, jedoch werden auch hier wichtige Bereiche erwähnt. So heißt es im ersten Abschnitt des Lehrplans, der Bildungs- und Lehraufgabe des Fachs: „Der Unterricht soll Einblicke in die Geschichte und Politik unterschiedlicher räumlicher Dimensionen (lokale, regionale, nationale, kontinentale und globale Ebene) sowie ihren Vernetzungen geben.“622 Es ist also ganz wichtig, dass die lokale und regionale Ebene nicht aus den Augen verloren wird, denn in den Themenbereichen, mit denen man sich laut Lehrplan beschäftigen sollte, wird sie nur selten spezifisch erwähnt. Ideale Verarbeitung fänden diese Themen etwa in der 8. Schulstufe im Modul 6 Geschichtskulturen – Erinnerungskulturen – Erinnerungspolitik. Thematisch geht es dabei um die Aufarbeitung der Erinnerungskulturen zum Holocaust oder auch um Zeitzeugenberichte aus dem Zweiten Weltkrieg, jedoch ist bei den Kompetenzen auch dezidiert von der Ableitung lokaler und regionaler Bezüge die Rede.623 Demnach würde sich bereits hier eine Beschäftigung mit den Straßennamen der Heimatgemeinde anbieten, weil es sich dabei um eine lebensweltnahe Ausformung von Erinnerungskultur handelt.

Generell ist das Einbinden von Lokalgeschichte in den Geschichtsunterricht eine wichtige Voraussetzung für das hier geplante Projekt, da jedes Vorwissen den SchülerInnen die Arbeit erleichtern wird. Da aber genau diese gute Vorbereitung notwendig ist und hier von der LP, die das Projekt plant, eventuell noch einige Themenbereiche behandelt werden müssen, macht es Sinn, das Projekt nicht vor der 11. Schulstufe einzuplanen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Wörter Lokales oder Lokalgeschichte im AHS-Oberstufen-Lehrplan nicht ein einziges Mal vorkommen, womit sich dieser deutlich von den anderen beiden Lehrplänen unterscheidet. Allerdings bildet der Begriff Erinnerungskultur einen wichtigen Teil des Lehrplans der 7. Klasse AHS, und daher soll das Projekt auch in dieser Schulstufe durchgeführt werden, selbst wenn in diesem Kontext dezidiert von Erinnerungskulturen zum Nationalsozialismus und zum Holocaust die Rede ist.624 Dadurch, dass sich die SchülerInnen in der 7. Klasse AHS aber mit diesem Begriff intensiver auseinandersetzen, liefert er den perfekten Einstieg für das geplante Projekt zu den Bludenzer Straßennamen. Einerseits werden so wichtige Begriffe wie Geschichtskultur, Erinnerungskultur oder Public History besprochen,

622 Änderung der Verordnung über die Lehrpläne der Hauptschulen (Artikel 1), Neuen Mittelschulen (Artikel 2), allgemein bildenden höheren Schulen (Artikel 3), in: BGBl. II, Nr. 113/2016, Mai 2016, S. 2, 14. 623 Ebd., S. 12, 23. 624 Änderung der Lehrpläne der allgemeinbildenden höheren Schulen, Lehrplan Geschichte und Sozialkunde / Politische Bildung (5. bis 8. Klasse), in: BGBl. II, Nr. 219/2016, August 2016, S. 52–59, hier: S. 58.

201 andererseits fließt die Beschäftigung mit diesen Begriffen unmittelbar in Kurzbeschreibungen zu den Straßennamen ein.

Ein zentrales Merkmal des Geschichtsunterrichts der Oberstufe ist, dass dieser auf der Basis unterschiedlicher Kompetenzen gestaltet werden sollte. Im geplanten Projekt spielen alle vier Grundkompetenzen, die im Geschichtsunterricht gefördert werden sollten, eine wichtige Rolle und werden somit auch speziell trainiert. Den Ausgangspunkt bildet dabei immer die Historische Fragekompetenz. Hier geht es darum, retro-perspektivische Fragen an die Vergangenheit zu stellen, wobei es sowohl um inhaltliche als auch um methodische Fragen geht. In jedem Fall sollen es die SchülerInnen dadurch schaffen, das Gebiet einzugrenzen und herauszuarbeiten, was sie thematisch herausfinden wollen.625 Im konkreten Fall ginge es darum, herauszufinden, was es beim Straßennamen zu bedenken gilt. Geht es mehr um die Dekonstruktion des Wortes im Straßennamen, geht es um Informationen zu einer Persönlichkeit, die recherchiert werden, oder geht es um die Hintergründe der Benennung, die man erforschen möchte?

Der Historischen Methodenkompetenz kommt in diesem Zusammenhang besonders eine besonders große Bedeutung zu. Dabei geht es sowohl um die Re-Konstruktion als auch um die De-Konstruktion vergangener Phänomene und historischer Narrative. Zunächst liegt der Fokus auf der De-Konstruktion: In diesem Akt sollen die vorliegenden Zeugnisse der Vergangenheit (egal ob Archivmaterialien oder ältere Literatur) analysiert und auf ihre Strukturen untersucht werden. Die SchülerInnen sollen herausarbeiten, was die Intention der jeweiligen Autoren war.626 Bei der Re-Konstruktion geht es darum, die Quellen im Hinblick unter Rücksichtnahme der eigenen Fragestellung zu erschließen. Es ist somit der Übergang von der Quellenkritik zur Quelleninterpretation.627 Im konkreten Fall geht es also zuerst um eine Zerlegung der Quelle in ihre Bestandteile, um eine darauffolgende quellenkritische Analyse sowie am Schluss um ein erneutes Zusammenbauen der Elemente und eine anschließende Verschriftlichung in narrativer Form, und zwar in Gestalt der geplanten Kurzbeschreibungen. Demnach wäre es nicht ausreichend, lediglich eine Quelle abzutippen und dies als Beschreibung des Straßennamens einzureichen.

625 Waltraud Schreiber (et al.), Historisches Denken. Ein Kompetenz-Strukturmodell, in: Kompetenzen: Grundlagen – Entwicklung – Förderung 1, Neuried 2006, S. 13–64, hier: S. 21–22. 626 Ebd., S. 24. 627 Ebd., S. 23.

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Bei der Historischen Orientierungskompetenz handelt es sich sehr oft um einen intrinsischen Prozess, bei dem die SchülerInnen viel Bereitschaft zeigen müssen. Es geht dabei besonders um das Zulassen einer Erweiterung des eigenen Horizonts. Die geschieht unter anderem durch eine Re-Organisation des Geschichtsbewusstseins, eine genaue Reflexion bei den zuvor erwähnten Re- und De-Konstruktionsprozessen sowie um die Kompetenz, Überlegungen und Handlungen vergangener Akteure in den eigenen Denk- und Organisationsprozess aufzunehmen.628 Konkret heißt das, dass Dinge und Informationen, die den SchülerInnen bisher scheinbar klar waren, noch einmal überdacht werden sollten und dass der neue Input auch in ihre Denkprozesse Eingang findet. Dieser Vorgang ist nicht immer einfach, da es dabei eventuell zu Änderungen im Weltbild der SchülerInnen kommen kann. Außerdem sollen die SchülerInnen lernen, ihr Quellenmaterial aus einer historischen Perspektive zu betrachten, und erkennen, dass sich gewisse Darstellungen und vor allem auch Ausdrucksweisen in der Historiografie seither geändert haben.629

Zu guter Letzt geht es um die omnipräsente Historische Sachkompetenz, die in die allermeisten geschichtsdidaktischen Aufarbeitungen Eingang findet und damit eine Konstante darstellt. Wichtig ist aber, dass Sachkompetenz nicht gleichzusetzen ist mit klassischem Faktenwissen, auch wenn dieses besonders bei der Begriffskompetenz eine Rolle spielt. Hier geht es darum, dass gewisse Begriffe und ihre Konzepte von den SchülerInnen verstanden werden. Es ist wichtig, dass Domänenspezifisches im Hinblick auf Inhalt und Methodik abstrahiert und strukturiert werden kann, sodass die erlernten Begriffe nicht allein dastehen, sondern auch passend in einen größeren Kontext eingebunden werden.630 Somit ist auch diese Kompetenz bei der Anfertigung von Kurzbeschreibungen wichtig, da es eine besondere Herausforderung ist, längere Diskussionen und Sachverhalte kurz und möglichst prägnant zu beschreiben. Das eingearbeitete Wissen muss darüber hinaus strukturiert werden, und die Kurzbeschreibungen sollen sich hinsichtlich ihres Aufbaus nicht zu stark unterscheiden.

Zusätzlich zu diesen „klassischen“ Kompetenzen kam in den vergangenen Jahrzehnten eine weitere hinzu, die es mittlerweile besonders auch an Schulen zu fördern gilt, nämlich die Medienkompetenz. Hierbei geht es um die Fähigkeit, einen professionellen Umgang mit verschiedenen Medien zu entwickeln. Die Medienkompetenz gliedert sich in drei Bereiche. Im ersten geht es um den Aufbau, die Reflexion und das Weitergebeben von Wissen. Darunter

628 Ebd., S. 25–26. 629 Schreiber (et al.), Historisches Denken, S. 27. 630 Ebd., S. 28–29.

203 fallen etwa das Erfassen von Informationsquellen, die Auswahl an Medienangeboten und das Beurteilen der Interessensvertreter, die diese Medien zur Verfügung stellen. Der zweite Bereich beschäftigt sich mit der Entwicklung von Haltungen, die besonders geprägt ist durch die Entwicklung von kritischem und kreativem Denken. Ein dritter Bereich ist konkret das Bewerten von Medieninhalten sowie das eigene Planen von Handlungen und die Gestaltung eigener Medienbeiträge.631

Das hier vorgestellte Projekt eignet sich gut, neben einer quellenkritischen auch eine medienkritische Analyse vorzunehmen, da die Informationsquellen für die SchülerInnen zum Teil aus Zeitungen, aus der Sekundärliteratur oder aus dem Internet kommen. Dabei müssen sie zunächst die nötigen Medienprodukte suchen, sie analysieren und (dadurch entwickeln die SchülerInnen eine spezielle Haltung gegenüber dem Medium) und schließlich das Medium bewerten. Am Schluss müssen sie entscheiden, wie sie die Information selbst in ihrer Kurzbeschreibung verarbeiten wollen. Diese Vorgehensweise ist einer Quellenkritik sehr ähnlich und bildet einen weiteren Schritt auf dem Weg zu einem eigenständigen, professionellen Handeln der SchülerInnen im Verlauf dieses Projekts.

7.3. Konzept des Projekts und dessen Ziele

Für den Unterricht ist es wichtig, sich am Beginn eines Projekts ein konkretes Ziel vor Augen zu führen. Dieses besteht hier etwa in der Erstellung von kommentierten Kurzbeschreibungen für die Bludenzer Straßen, die auf einer Straßentafel Platz haben. Als Vorbild dienen dabei die Innsbrucker Straßentafeln. Die Art der Beschreibung kann durchaus variieren: Es sollten nicht allein Informationen aufgenommen werden, die den Hintergrund des Namens beleuchten, sondern es sollte variabel auch auf Hintergründe zur Lage des spezifischen Straßennamens oder zur Benennung eingegangen werden. Es ist dabei wichtig, historische bzw. politische Sachverhalte kurz und prägnant darzustellen und spannende Hintergründe zu den einzelnen Straßennamen zu liefern. Das wird am besten gelingen, wenn sich die SchülerInnen in die Rolle eines Touristen/einer Touristin hineinversetzen. Bei der Länge der Kurzbeschreibung sollte man sich am Innsbrucker Vorbild orientieren.

631 Bundesministerium Bildung, Wissenschaft und Forschung, Kompetenzlandkarte, BMUKK 2013, Zugriff: 23.09.2020.

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Der Grund für die Wahl eines solchen Projekts liegt einerseits in der Verknüpfung der historischen Teilkompetenzen, die eine maßgebliche Rolle spielen werden, andererseits darin, die Zügel in die Hand der Bevölkerung, in diesem Fall in die Hände der SchülerInnen, zu legen und diese im wahrsten Sinne des Wortes selbst Geschichte schreiben zu lassen. Dies bietet sich bei diesem Thema insofern sehr gut an, als der Großteil der Bewohner einer Straße nichts mit Geschichte, mit der Historikerzunft oder mit der Straßenbenennungspraxis zu tun hat, mit einer identitätsstiftenden Straßenbezeichnung aber doch jeden Tag in Berührung kommt, und sei es nur auf dem Nachhauseweg oder beim Leeren des Briefkastens. Demnach bilden Straßennamen einen Teil der Lebenswelt jedes Menschen und nicht nur eines/r Historikers/Historikerin, der/die sich intensiv damit beschäftigt.

Für die SchülerInnen ist es allerdings wichtig, dass sie bei der Erstellung dieser Kurzbeschreibungen professionell angeleitet werden und dass Ihnen bereits genügend vorbereitetes Material zur Verfügung gestellt wird. Hier kommt nun die Lehrperson (LP) ins Spiel, die den SchülerInnen bei der Besorgung dieser Materialien behilflich sein sollte. Auch die Ausführungen in dieser Arbeit sowie das kommentierte Register sollten den SchülerInnen eine Hilfe bei den Beschreibungen sein. Es ist jedoch auch eine entsprechende Eigenrecherche erwünscht, weshalb die SchülerInnen z. B. im Internet nach weiteren Informationen suchen dürfen, die sie jedoch vor der Verwertung kritisch prüfen sollten. Auf diese Weise wird neben den vier klassischen Teilkompetenzen auch die Medienkompetenz der SchülerInnen gefördert.

Wenn man bei diesem Beispielfall von einer Klasse mit 25 SchülerInnen ausgeht, so haben diese jeweils 5-6 Kurzbeschreibungen zu erstellen. Dafür werden von der LP zwei Unterrichtseinheiten eingeplant, wobei unter Umständen noch eine angehängt werden muss, falls es zu Verzögerungen kommt. Wichtig ist jedoch, dass die SchülerInnen bereits Materialien erhalten, mit denen sie gut arbeiten können, da eine komplette Eigenrecherche in diesem Kontext realistischerweise nicht durchführbar ist. Dass die SchülerInnen mit Hilfe der für sie ausgewählten Materialien sowie ihrer Internetrecherche eine kurze, prägnante Beschreibung erstellen müssen, ist die Herausforderung.

Die LP sollte das Projekt in ein größeres Modul eingliedern, etwa mit dem Arbeitstitel Straßennamen als Ausdrucksform von Erinnerungskultur. Als Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung müssen die SchülerInnen in den Stunden zuvor bereits von Erinnerungskultur und ihren verschiedenen Ausdrucksmöglichkeiten gehört haben. Dies passiert wahrscheinlich im Zusammenhang mit der Darstellung der Geschichte des

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Nationalsozialismus, die ebenfalls Lehrstoff der 7. Klasse ist. Im Modul selbst stehen schließlich noch zwei einleitende Stunden zur Verfügung, in denen allgemein über die Geschichte der Straßennamen informiert sowie das Fallbeispiel Bludenz kurz analysiert wird. Das Ziel ist es, dadurch ein Wissensfundament zu schaffen, auf dem die SchülerInnen im Projekt selbst aufbauen und es schließlich weitestgehend eigenständig erarbeiten können.

7.4. Modulplanung Rahmenbedingungen: - Schulstufe: 7. Klasse AHS - Anzahl der SchülerInnen: 25 - Name des Moduls: Straßennamen als Ausdrucksform von Erinnerungskultur - Anzahl der Unterrichtseinheiten des Moduls: 4 (oder maximal 5) UE - Anzahl der zu bearbeitenden Straße pro SchülerIn: 5 bzw. 6 (insgesamt 145 Straßen)

1. Stunde – Einführung in das Thema: Die erste Stunde des Moduls, in der die SchülerInnen in das neue Thema eingeführt werden, besteht im ersten Teil aus einem kurzen Überblick über die Geschichte der Straßennamen. Dies kann in Form von Frontalunterricht geschehen, oder es wird hierfür ein Lückentext erstellt. Es folgt eine Gegenüberstellung von primären bzw. sekundären Straßennamen. Die Unterschiede werden kurz erklärt, worauf ein Brainstorming folgt, bei dem die SchülerInnen auf einige der zentralen Merkmale der unterschiedlichen Arten von Straßenbenennungen kommen sollten. Es gilt hier auch zu klären, ab wann primäre bzw. sekundäre Straßennamen Verwendung fanden. Schlussendlich wird in dieser ersten Stunde noch auf die Erinnerungsfunktion von Straßennamen eingegangen. Dabei wird einerseits der Bogen zurück zum in den vorherigen Stunden erörterten Thema Erinnerungskultur gespannt, und andererseits wird man sich an dieser Stelle auch mit dem manipulativen Einsatz von Straßennamen beschäftigen, insbesondere der Verwendung zu politischen Zwecken. Die Festigung erfolgt anhand eines Zahlenstrahls, auf welchem die wichtigsten Fakten zeitlich festgehalten werden. Dies ermöglicht einen besseren Überblick und soll auch zeigen, wie stark die Beschäftigung mit Straßennamen im Laufe des vergangenen Jahrhunderts angestiegen ist.

2. Stunde – Bludenzer Straßennamen: In der zweiten Stunde geht es in der Einführung darum, wer Straßennamen vorschlagen kann und wer diese bestimmt. Man könnte demnach von der gesetzlichen Komponente bei der

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Bestimmung von Straßennamen sprechen. Daraufhin wird konkret auf das Beispiel Bludenz eingegangen. Es wird diskutiert, seit wann es solche Bezeichnungen gibt und wer in Bludenz für die Benennung von Verkehrsflächen zuständig ist. Anschließend wird eine Liste der Bludenzer Straßennamen ausgeteilt und das Projekt erklärt, an dem in den kommenden Stunden gearbeitet wird. Die SchülerInnen sollen hier angeben, welche Straßennamen ihnen unbekannt sind bzw. über welche sie bereits etwas wissen. Es wird gewissermaßen das lokalhistorische Vorwissen abgerufen, um festzustellen, wie viel Zeit genau für das Projekt eingeplant werden muss. In weiterer Folge wird gemeinsam mit den SchülerInnen herausgearbeitet, welche Straßennamen von Bludenz besonders brisant sein könnten und welche eine spannende Benennungsgeschichte hinter sich haben. Wichtig ist hier auch der Hinweis, dass nicht nur historisch interessante Straßennamen eine Bedeutung für die Stadtgeschichte haben könnten. In der Festigungsphase werden die Bludenzer Straßen so gut wie möglich in primäre und sekundäre Straßennamen unterteilt. Zum Abschluss der Stunde wird das Projekt kurz vorgestellt, und es erfolgt die Einteilung, welche SchülerInnen welche Straßen bearbeiten sollten.

3. Stunde – Erstellung von Kurzbeschreibungen, Teil 1: Die grundsätzlichen Bedingungen für die Erstellung der Kurzbeschreibungen der Bludenzer Straßennamen werden geklärt:

1) Es sollen nicht mehr als zwei Sätze geschrieben werden; keine Stichworte 2) Benennungsjahr bzw. -zeitraum muss überall vorhanden sein 3) Hintergrund des Namens: Wer oder was steckt hinter dem Namen? Wie stark ist der lokale Bezug? Woran wird dieser festgemacht? 4) bei Personen: Die Lebensdaten werden angefügt. 5) bei Bedarf: Hintergrund der Benennung: Gab es Umbenennungen? Lautete früher eine andere Straße auf diesen Namen? Ist eine Kritik an der Benennung bekannt?

Zur Unterstützung werden den SchülerInnen einige Beispiele aus Innsbruck vorgelegt. Ungefähr nach diesem Modell sollen die Kurzbeschreibungen auch für Bludenz erstellt werden.

Beispiel 1: (Maria-Theresien-Straße): Maria Theresia (1717-1780), Königin von Böhmen und Ungarn, Erzherzogin von Österreich, regierte neben ihrem Gemahl Kaiser Franz I. Stephan von Lothringen seit 1740 das Habsburgerreich.

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Beispiel 2: (Pradler Straße): Benannt 1904 in Erinnerung an die Vereinigung der Fraktion Pradl mit Innsbruck am 1. Jänner 1904. Sie stellt die alte Dorfstraße von Pradl dar, die von der Pradler Brücke kommend in die Amraser Straße mündet.

Nun sind die SchülerInnen selbst an der Reihe, die ihnen zugeteilten Straßennamen zu beschreiben. Die LP teilt ihnen hierfür die nötigen Informationsquellen zu den jeweiligen Straßennamen aus oder lässt ihnen diese bereits im Vorfeld elektronisch zukommen. Die SchülerInnen sollen nun außerdem im Internet nach weiteren Informationen zum jeweiligen Straßennamen suchen und diese – nach Rücksprache mit der LP – eventuell in die Kurzbeschreibung einbinden. Alternativ können sie die Straßen zuerst ausführlicher beschreiben und diese Texte dann kürzen. Für Bludenz würden passende Kurzbeschreibungen etwa so ausschauen.

Beispiel 1: (Mokrystraße): Robert Mokry (1847-1932) war Maschinenführer in Bludenz und verantwortlich für die Errichtung des Naturparks zwischen Ill und Bahnhof. Zum Dank wurde dort 1924 eine Straße nach ihm benannt.

Beispiel 2: (Kapuzinerstraße): Zwischen 1645 und 1652 wurde an dieser Straße ein Kapuzinerkloster errichtet. Trotz der Übernahme durch die Franziskaner 1991 blieb die 1906 erfolgte Benennung bestehen.

Den SchülerInnen soll durch dieses Projekt vor allem bewusst werden, dass hier alle historischen Kompetenzbereiche Berücksichtigung finden: Die Fragekompetenz ist abgedeckt durch die Fragen, die an die ihnen ausgeteilten historischen Quellen gestellt werden. Diese zu analysieren und mit ihnen zu arbeiten, ist Teil der Methodenkompetenz. Die Orientierungskompetenz wird trainiert, indem zum Teil historisches Wissen notwendig ist, um die Quellen sowie den Wandel in der Straßenbenennungspraxis zu verstehen. Die Sachkompetenz ist unzweifelhaft ein ständig benötigter Teil dieses Projekts. Diese braucht es etwa, um die Kurzbeschreibungen inhaltlich und sprachlich prägnant erstellen zu können.632

4. Stunde – Erstellung von Kurzbeschreibungen, Teil 2: In der zweiten Projektstunde wird an diesen Kurzbeschreibungen weitergearbeitet. Im Idealfall haben alle SchülerInnen nach diesen beiden Stunden die ihnen zugeteilten fünf bis sechs Straßen beschrieben. Falls dies nicht der Fall ist, wird in der darauffolgenden Stunde noch

632 Christoph Kühberger/Philipp Mittnik/Irmgard Plattner/Bernhard Wenninger, Historische Kompetenzen und ihre Teilkompetenzen, Salzburg 2013, S. 1–2, Zugriff: 15.09.2020.

208 einmal Zeit dafür verwendet, ehe anschließend einige bereits fertiggestellte Beispiele vorgestellt werden. In weiterer Folge werden der LP die Ergebnisse elektronisch übermittelt. Diese kontrolliert die Vorschläge der SchülerInnen und redigiert bei Bedarf einzelne Beschreibungen.

7.5. Weitere Schritte und Überlegungen

Um die von den SchülerInnen erstellten Kurzbeschreibungen zu präsentieren, wird – möglichst an einem außerschulischen Termin, einem Nachmittag, – ein Stadtrundgang geplant. Hier sollen einige Straßen abgegangen werden, und der/die für die jeweilige Straße zuständige SchülerIn soll kurz etwas über die Straße erzählen. Außerdem gibt es an einigen Straßenzügen bereits Hinweise oder Schilder, die mit dem jeweiligen Straßennamen in Verbindung stehen. Diese werden beim Stadtrundgang ebenfalls aufgesucht. Der Nachmittag soll unter dem Motto Zu Fuß durch die Geschichte von Bludenz stehen, und das Ziel ist es, dass die SchülerInnen von nun an mit anderen Augen durch die Stadt gehen und die Zusammenhänge der Orte mit den jeweiligen Straßennamen kennen. Zudem werden sie in Zukunft auch der Benennung von Verkehrsflächen in anderen Orten größere Aufmerksamkeit schenken.

Die fertigen Kurzbeschreibungen sollen schließlich von der LP gesammelt und an die Stadt Bludenz übergeben werden. Die Idee hinter dem Projekt Kurzbeschreibungen von Bludenzer Straßennamen ist, dass diese irgendwann auf neuen Straßentafeln oder alternativ auf Zusatztafeln neben den bisherigen Straßentafeln erscheinen. Dadurch würde das geplante Projekt schließlich aus der Schule ausgegliedert, und es wäre ein Stück Erinnerungskultur für alle, sowohl BludenzerInnen als auch TouristInnen, geschaffen worden.

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8.2. Gesetzestexte Gesetztestexte (außer, wenn anders vermerkt) eingesehen über das Portal ALEX (Historische Rechts- und Gesetztestexte Online) der Österreichischen Nationalbibliothek. Letzter Zugriff auf alle Gesetzestexte am 10.10.2020.

Änderung der Verordnung über die Lehrpläne der Hauptschulen (Artikel 1), Neuen Mittelschulen (Artikel 2), allgemein bildenden höheren Schulen (Artikel 3), in: BGBl. II, Nr. 113/2016, Mai 2016. Änderung der Lehrpläne der allgemein bildenden höheren Schulen, Lehrplan Geschichte und Sozialkunde / Politische Bildung (5. bis 8. Klasse), in: BGBl. II, Nr. 219/2016, August 2016, S. 52–59. Ausf.-Anw. zur BD über die Benennung von Straßen, Plätzen und Brücken, 15.07.1939, in: Sammlung von wichtigen Gesetzesabdrucken und Verordnungen von Reich und Staat II/264, [https://www.lwl.org/westfaelische-geschichte/nstopo/normen/1939-07-15.pdf].

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8.3. Zeitungsquellen Zeitungsquellen (außer, wenn anders vermerkt) eingesehen über das Portal ANNO (Historische Zeitungen und Zeitschriften) der Österreichischen Nationalbibliothek. Letzter Zugriff auf alle Zeitungsartikel am 10.10.2020. Anzeiger für die Bezirke Bludenz und Montafon, 02.11.1889; 05.07.1890; 01.08.1891; 17.10.1891; 30.04.1892; 31.03.1894; 01.04.1899; 07.10.1899; 28.04.1906; 11.02.1928; 09.04.1938; 05.08.1939; 18.11.1939. Bregenzer Tagblatt, 11.04.1893. Das Vaterland, 13.12.1893. Der Standard, Kärntner Ortstafelproblem gelöst, 01.04.2011, [https://www.derstandard.at/story/1297822088463/kaerntner-ortstafelproblem-geloest]; Wiener Straßennamen. Historiker sehen viele Umbenennungskandidaten, 24.09.2014, [https://www.derstandard.at/story/2000005967777/wiener-strassennamen-historiker-sehen-viele- umbenennungskandidaten]. Frankfurter Allgemeine Zeitung, 06.06.1986, [https://www.1000dokumente.de/index.html?l=de&c=dokument_de&dokument=0080_nol&object=facsi mile&pimage=1&v=100&nav=].

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Grazer Volksblatt, 25.11.1902. Kleine Zeitung, Norbert Hofer will Wien-Schwechat in „Niki-Lauda-Airport“ umbenennen, 03.06.2019, [https://www.kleinezeitung.at/politik/innenpolitik/5638539/Denkmal_Norbert-Hofer-will- WienSchwechat-in-NikiLaudaAirport]. (Linzer) Tages-Post, 03.01.1904. Vorarlberg Online, Generalsanierung der Mittelschule Bludenz abgeschlossen, 23.11.2010, [https://www.vol.at/generalsanierung-der-mittelschule-bludenz-abgeschlossen/1560308]. Vorarlberger Tagblatt, 08.07.1939. Wiener Zeitung, 28.06.1903,. Zuschauer, Besondere Beilage zu Nr. 113 des Zuschauers, 19.09.1845.

8.4. Archivalien

Alle eingesehenen Archivalien stammen aus dem Stadtarchiv Bludenz (StABlu) Adolf-Hitler-Platz Akt, 51/153. Bahnhofstraße Akt, CCXLVII/14. Dollfussplatz Akt, 51/130. Protokolle der Kommissarischen Stadtvertretung Bludenz, Sitzungen vom 06.07.1945; 02.08.1945. Provisorische Stadtvertretung Bludenz, Sitzung vom 28.12.1945. Sitzungsprotokolle Gemeindeausschuss, 04/1904-12/1911, 76/10. Stadtbauamt Akte 1945–1989, IVa/51-8. Straßenbenennungsakte 1920-1945, 51/76; 1945-1962, 51/261; 1964-1989, 51/337. Sitzungsprotokolle Bludenzer Stadtvertretung, Sitzungen vom 14.06.1922; 16.01.1924; 12.04.1924; 07.04.1930; 30.10.1931; 19.08.1932; 30.09.1932; 30.07.1934; 31.08.1934; 29.04.1949; 10.11.1954; 30.12.1954; 17.05.1955; 23.09.1955; 04.02.1957; 02.02.1962; 04.06.1965; 28.10.1965; 03.11.1966; 26.06.1969; 17.12.1971; 28.06.1979; 15.12.1978; 03.05.1979; 12.10.1979; 22.12.1981; 28.07.1982; 15.12.1983; 24.02.1984; 18.02.1988; 14.10.1993; 24.04.1997; 07.05.1998; 23.09.1999; 15.03.2001; 28.06.2001; 22.11.2001; 04.07.2002; 26.06.2003. Sitzungsprotokolle Bludenzer Stadtvertretung (online eingesehen auf https://www.bludenz.at/stadt-bludenz/aktuellespresse/niederschriften-stadtvertretung.html; letzter Zugriff am 10.10.2020), Sitzungen vom 24.02.2005; 05.07.2007; 23.03.2017; 14.06.2018; 04.10.2018.

8.5. Webadressen

Für alle Internetquellen gilt: letzter Zugriff am 10.10.2020. Cambridge Dictionary [https://dictionary.cambridge.org/dictionary/english/public]. City Population, Stand: 01.01.2020, [https://www.citypopulation.de/en/austria/vorarlberg/bludenz/80103__bludenz/].

218

Google Maps, Gantschier, [https://www.google.com/maps/place/6780+Gantschier/@47.0893938,9.8851264,17.75z/data=!4m5!3m4 !1s0x479b53c5814f98fb:0xc6de3b810b0d5e28!8m2!3d47.08913!4d9.88609]. Google Maps, Wörgl, [https://www.google.com/maps/place/Anton-Bruckner- Stra%C3%9Fe,+6300+W%C3%B6rgl/@47.4904706,12.0641725,18z/data=!4m5!3m4!1s0x477633adb29 ff1bf:0xce661835e8de194a!8m2!3d47.490483!4d12.0678423]. Heilbronn Stadt Website, [https://www.heilbronn.de/fileadmin/daten/stadtheilbronn/formulare/leben/heilbronn_entdecken/strassenn amen/Aufgehobene_Strassennamen.pdf]. Land Vorarlberg, Franziszeischer Kataster. Urmappe 1857, [vogis.cnv.at/atlas/init.aspx?karte=basiskarten_und_bilder&ks=digitaler_atlas_vorarlberg&redliningid=e xzbx43w23l1cjzzdrpe412z&layout=vogis_atlas&box=-41489.9752940164;223193.666579388;- 35957.8562013721;225568.134684146&srs=31254]. Statistik Austria, Straßenverzeichnis Vorarlberg, [http://www.statistik.at/verzeichnis/strassenliste/gemplzstr_8.pdf].

219

9. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1, S. 64: StABlu Abbildung 2, S. 65: StABlu Abbildung 3, S. 66: StABlu Abbildung 4, S. 71: Fotoarchiv Reinhard Ganahl Abbildung 5, S. 72: Fotoarchiv Otto Schwald Abbildung 6, S. 75: Fotoarchiv Christine Libardi Abbildung 7, S. 75: Foto Sebastian Schwald Abbildung 8, S. 76: Archiv Kloster St. Peter Abbildung 9, S. 77: Land Vorarlberg, Urmappe 1857 (s. Anhang) Abbildung 10, S. 78: Fotoarchiv Otto Schwald Abbildung 11, S. 80: Fotoarchiv Heidi Geyer Abbildung 12, S. 83: Fotoarchiv Fa. Getzner Abbildung 13, S. 88: Nachlass Walter Vaplon Abbildung 14, S. 89: Museum der Stadt Bludenz Abbildung 15, S. 89: Nachlass Walter Vaplon Abbildung 16, S. 92: Fotoarchiv Fa. Getzner Abbildung 17, S. 92: StABlu Abbildung 18, S. 92: Museum der Stadt Bludenz Abbildung 19, S. 94: Nachlass Karl Fritz Abbildung 20, S. 97: Fotoarchiv Otto Schwald Abbildung 21, S. 99: Fotoarchiv Michael Steu Abbildung 22, S. 101: Foto Sebastian Schwald Abbildung 23, S. 101: Foto Sebastian Schwald Abbildung 24, S. 103: StABlu Abbildung 25, S. 105: Foto privat Abbildung 26, S. 105: Foto Franz Fröwis Abbildung 27, S. 110: Fotoarchiv Guntram Jussel Abbildung 28, S. 110: Fotoarchiv Heinz Peter Jehly Abbildung 29, S. 114: Rützler, Vorarlberg Museum Abbildung 30, S. 117: Museum der Stadt Bludenz Abbildung 31, S. 118: Foto Sebastian Schwald Abbildung 32, S. 122: Negrelli-Museum, Fiera di Primiero Abbildung 33, S. 126: Fotos und Collage: Sebastian Schwald

220

10. Abkürzungsverzeichnis

BGBL Bundesgesetzblatt CDU Christlich Demokratische Union Ebd. ebenda et al. et alii/alie/alia (und andere) Fa. Firma FPÖ Freiheitliche Partei Österreichs ÖVP Österreichische Volkspartei s. siehe S. Seite SPÖ Sozialdemokratische Partei Österreichs 1945-1991: Sozialistische Partei Österreichs StABlu Stadtarchiv Bludenz Vgl. Vergleiche VLA Vorarlberger Landesarchiv

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Anhang

Fragebogen Straßennamen

Allgemeine Fragen: 1) Wer hat die Entscheidungsgewalt bei der Benennung von Straßennamen? in Bludenz: Stadtvertretung

2) Anzahl der Straßen insgesamt in Ihrer Stadt (ggf. mit Parzellen, die zur Stadtgemeinde selbst gehören) in Bludenz (inkl. aller Parzellen): 145

3) Anzahl der Straßen in Ihrer Stadt, die auf Personen zurückgehen: in Bludenz: 17

4) Wie viele der personenspezifischen Namen gehen auf eine weibliche Person zurück? in Bludenz: 1

Spezifische Fragen: 5) Wie viele Straßennamen in Ihrer Stadt haben mit dem Thema Politik zu tun? (z.B. lokalpolitische oder staatspolitische Persönlichkeiten; politische Ereignisse) Beispiel Bludenz: Josef-Wolf-Platz (ehemaliger Bürgermeister)

6) Wie viele Straßennamen in Ihrer Stadt haben mit dem Thema Wirtschaft und Gewerbe zu tun? (z.B. Firmennamen) Beispiel Bludenz: Suchardstraße (benannt nach der Schokoladefabrik)

7) Wie viele Straßennamen in Ihrer Stadt haben mit den Themen Kunst und Kultur zu tun? (z.B. Benennung nach Musikern, Dirigenten, Künstlern; aber auch z.B. Benennung nach Bräuchen in Ihrer Region) Beispiel Bludenz: Schillerstraße

8) Gab es signifikante Straßen-/Platzumbenennungen in der Geschichte Ihrer Stadt? (nur zu beantworten, wenn zeitlich möglich) Beispiel Bludenz: Umbenennung von Dollfußplatz in Adolf-Hitler-Platz, nach 1945 in Freiheitsplatz und schließlich in Sparkassenplatz

9) Gibt es derzeit umstrittene Straßennamen, die immer wieder debattiert werden? Beispiel Bludenz: hier gibt es zurzeit keine

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Ansicht von Bludenz im „Situations-Riss“, 1801

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Eidesstattliche Erklärung

Ich erkläre hiermit ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht verwendet und die den benützten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich gemacht habe.

Innsbruck, Oktober 2020 Sebastian Schwald

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