SWR2 Musikstunde Unbekannte Komponisten Der Romantik (1-5)
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SWR2 Musikstunde Unbekannte Komponisten der Romantik (1-5) Folge 5: Von Scharwenka bis Zimmermann Von Christian Möller Sendung vom: 11. Juni 2021 Redaktion: Dr. Ulla Zierau Produktion: SWR 2021 SWR2 können Sie auch im SWR2 Webradio unter www.SWR2.de und auf Mobilgeräten in der SWR2 App hören – oder als Podcast nachhören: Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Die SWR2 App für Android und iOS Hören Sie das SWR2 Programm, wann und wo Sie wollen. Jederzeit live oder zeitversetzt, online oder offline. Alle Sendung stehen mindestens sieben Tage lang zum Nachhören bereit. Nutzen Sie die neuen Funktionen der SWR2 App: abonnieren, offline hören, stöbern, meistgehört, Themenbereiche, Empfehlungen, Entdeckungen … Kostenlos herunterladen: www.swr2.de/app Diese Woche mit Romantikerinnen und Romantikern, die eher selten zu hören sind. Brahms, Schumann und Chopin kriegen wir ja schließlich genug. Wie wäre es also zur Abwechslung mal mit Scharwenka, Urspruch und Wagenaar. Noch nichts von gehört? Ging mir bis vor kurzem auch so. Ich bin Christian Möller, guten Morgen! Eine Sache, die mir immer wieder aufgefallen ist bei der Vorbereitung zu dieser Sendung: Wer heute unbekannt ist, gehörte zu Lebzeiten oft zu den Stars des Musiklebens. So zum Beispiel Xaver Scharwenka. Er ist einer der erfolgreichsten Musiker des deutschen Kaiserreichs - als Klaviervirtuose, der laut Kritikerpapst Eduard „blendend ohne Scharlatanerie“ spielt, als Dirigent und Komponist, Konzertveranstalter und Pädagoge. Befreundet ist er mit Max Bruch, konzertiert zusammen mit Ferrucio Busoni, seine Klavierkonzerte führt unter Gustav Mahler und Arthur Nikisch auf. In Berlin gründet er zusammen mit seinem Bruder Philip ein eigenes Konservatorium. Als er nach New York übersiedelt, gründet er dort kurzerhand eine Zweigestelle. Seine ersten Erfolge als Komponist feiert er mit seinen polnischen Tänzen. Musik 1 (3:56) Xaver Scharwenka: Vier polnische Tänze op. 3 Nr. 1 François-Xavier Poizat (Klavier) Naxos 8.572637 Die Pianist François-Xavier Poizat mit einem der polnischen Tänze op. 3 von Xaver Scharwenka. Bei Scharwenka kommt das Vergessen nach einem Leben voller mühelosem Erfolg und internationalem Ruhm. Das lässt sich bei der nächsten Komponistin nicht sagen. Ethel Smyth muss sich ihren Erfolg hart erkämpfen. Denn komponierenden Frauen wird zu ihrer Zeit noch jeder greifbare Stein in den Weg gelegt. Als ihre Familie ihr das Kompositionsstudium in Leipzig verbieten will, reagiert sie mit einem Hungerstreik - und setzt sich durch. Als sie da ein Konzert besuchen will, das sich angeblich für junge unbegleitete Frau nicht schickt, verkleidet sie sich kurzerhand als alte Schabracke. Ich lieh mir eine Perücke mit grauen Korkenzieherlocken und eine große Hornbrille“, so erzählt sie. Außerdem den dichtesten Schleier und das Ausgehkleid ihrer Vermieterin, „das“, so Smyth weiter, "nachdem ich mich in mehrere Schichten Zeitungspapier gehüllt, mit einer Schnur festgezurrt und andere Vorrichtungen angebracht hatte, hervorragend passte. Nachdem ich mir schließlich die entsprechenden Falten aufgemalt hatte, segelte ich ins Rosenthal, setzte mich mit einem Strickzeug (reine Attrappe) an einen kleinen Tisch und bestellte Bier und ein Schinkenbrötchen.“ Man kann sich vorstellen, dass diese Frau sich auch vom herablassenden Urteil Johannes Brahms’ nicht abhalten lässt. Dem schickt sie anonym Proben ihrer 2 Musik zu, die er lobt. Bis er erfährt, dass sie von einer Frau kommt. Ethel Smyth nimmt Teil am Kampf der Suffragetten, der ersten Frauenbewegung, und komponiert dafür einen „March Of The Women“ Dass ihre Musik „very german“ klinge und sehr nach Wagner, das ist vor allem in ihrer Heimat England immer wieder bemerkt worden. Bei der Ouvertüre zu ihrer Oper „The Weckers“, merkt man, da ist ein bisschen was dran. Musik 2 (9:21) Ethel Smyth: Ouvertüre zu „The Weckers“ BBC Symphony Orchestra Leitung: Sakari Oramo Chandos CHSA5240 Die Ouvertüre zu „The Weckers“ von Ethel Smyth, gespielt vom BBC Symphony Orchestra, geleitet von Sakari Oramo. „Ich möchte, dass Frauen sich großen und schwierigen Aufgaben zuwenden. Sie sollen nicht dauernd an der Küste herumlungern, aus Angst davor, in See zu stechen. Ich habe weder Angst noch bin ich hilfsbedürftig; auf meine Art bin ich eine Entdeckerin, die fest an die Vorteile dieser Pionierarbeit glaubt.“ Das ist das Credo von Ethel Smyth. Inzwischen wird ihre Musik zum Glück wieder aufs Programm gesetzt, es gibt eine ganze Reihe von Aufnahmen. Wenn Sie noch mehr von ihr hören möchten, werden Sie also fündig. Hier in der SWR2 Musikstunde geht es jetzt aber einen Buchstaben weiter im Alphabet der unbekannten Romantik. Als nächstes hören wir hier Musik vom „liebsten, besten, schönsten, herrlichsten Ludwig“ - so nennt ihn zumindest sein Jugendfreund Richard Strauss. Ludwig Thuille ist der bürgerliche Name, er stammt aus Südtirol, ist aber vor allem verbunden mit der Musikstadt München, da wird er Professor für Komposition und zum Vater der „Münchner Schule“, unter anderem Ernest Bloch und Walter Braunfels, aber auch der Dirigent Hermann Abendroth gehören zu seinen Schülern. Vor allem wegen seiner lebenslangen Freundschaft mit Richard Strauss ist er in den letzten Jahrzehnten wiederentdeckt worden. Eine große Bereicherung fürs Repertoire sind seine Lieder. Die geben sich schon durch ihre Titel unverkennbar als romantische Schöpfungen zu erkennen. Da gibt es ein „Nachtlied“, es wird die „Waldeinsamkeit“ besungen. Und natürlich auch das romantische Gefühl schlechthin - die „Sehnsucht“. Es geht um das Verlangen nach Stille und Andacht im Lärm 3 des Lebens. „Wie eine leise Glocke klingt die Sehnsucht in mir an“, heißt es da, und die leise Glocke, klingt synkopisch drängend in der Klavierbegleitung. Musik 3 (3:49) Ludwig Thuille: Drei Lieder op. 15, Nr 2: Sehnsucht Roman Trekel (Bariton) Hartmut Höll (Klavier) Capriccio C5058 Roman Trekel, Bariton, und Hartmut Hall, Klavier, mit dem Lied „Sehnsucht“ von Ludwig Thuille. Es gibt ein Werk von Ludwig Thuille, das hat sich dem Vergessen seiner übrigen Werke zum Trotz eigentlich durchweg in den Konzertprogrammen gehalten. Sein Sextett in B-Dur für Klavier und Bläserquintett. Als Thuille Richard Strauss von seinen Plänen für ein Werk dieser Besetzung berichtet, rät der ihm ab. Ludwig Thuille macht sich trotzdem daran. „Mein Sextett“, schreibt er an Strauss, „geht nur sehr langsam vorwärts, da mir das ungewohnte Material viel Kopfzerbrechen sowohl nach Seite der Erfindung als auch Ausführung macht.“ Von diesem Kopfzerbrechen hört man rein gart nichts. Das ist ungetrübt heitere Musik. Mit Verbeugungen vor der musikalischen Vergangenheit. Aus dem Scherzo wird bei Thuille nämlich eine elegante kleine Gavotte. Musik 4 (3:48) Ludwig Thuille: Sextett B-Dur op. 6, III. Gavotte - Andante, quasi allegretto Aulos Quintett Anthony Spiri (Klavier) SWR M0360619 003 Gavotte aus dem Sextett B-Dur op. 6 von Ludwig Thuille. „Bei Liszt fand ich eine Aufnahme, welche ich mir auch bei den kühnsten Träumen nicht hätte ahnen lassen können. Meine Compositionen haben ihm ganz außerordentlich zugesagt und umarmte und küsste er mich ein übers andere Mal stürmisch – ebenso gefalle ich ihm als Pianist.“ Das berichtet stolz der nächste Komponist in der SWR2 Musikstunde. Um unbekannte Romantikerinnen und Romantiker geht’s. Und wir sind damit beim Buchstaben U - wie Urspruch. Anton Urspruch, so heißt er. Seine Werke klingen erstaunlicherweise weniger nach dem so begeisterten Liszt. Sondern nach dessen Antipoden Johannes Brahms. Oder was würden Sie denken, von wem dieses Klavierkonzert ist, wenn Sie es nicht wüssten? 4 Musik 5 (5:00) Anton Urspruch: Klavierkonzert Es-Dur op. 9, III. Allegro - Tempo giusto Oliver Triendl (Klavier) Nordwestdeutsche Philharmonie Leitung: Georg Fritzsch CPO 5551942 Oliver Triendl, Nordwestdeutsche Philharmonie, Georg Fritzsch mit dem Finale aus dem Klavierkonzert in Es-Dur von Anton Urspruch. Musik der Romantik, das heißt meist: deutsche Romantik, dann vielleicht noch Frankreich, Italien, klar, auch Osteuropa wird gern genommen. Aber sonst? Die Niederlande beispielsweise, die hat man doch eigentlich nicht so auf dem Schirm. Das ändern wir jetzt. Und zwar mit Johannes Verhulst. Der wird in Den Haag geboren. Und 1836 von Felix Mendelssohn entdeckt. Dem zeigt man im Urlaub die Partitur einer Ouvertüre von Verhulst, und er nimmt ihn als seinen Schüler mit sich nach Leipzig. Und damit in eine der Schaltzentralen der europäischen Musik des 19. Jahrhunderts. Eine besonders enge Freundschaft knüpft er da mit Robert Schumann. Die beiden widmen sich gegenseitig Werke und setzen sich für den anderen ein. Schumann setzt bei Privatkonzerten gern Verhulsts Streichquartette aufs Programm. Verhulst nennt seinen Sohn mit Vornamen Robert, und Schumann wird selbstverständlich Taufpate. Ganz ungetrübt ist die Freundschaft nicht. Verhulst findet, seine Musik könne mit der Schumanns nicht mithalten. Das stürzt ihn in tiefe Depressionen. Zeitweilig gibt er das Komponieren deshalb ganz auf. Besonders stark äußert sich die Seelenverwandtschaft der beiden Komponisten in Verlusts Liedern. Da könnte man glatt auf die Idee kommen, Schumann hätte holländische Texte vertont. Wir hören zwei davon. Eines traurig, eines euphorisch. „Scheiden“ Musik 6 (1:52, 2:20) Johannes Verhulst: Scheiden, Lied op. 29 Nr. 5 Nico van der Meel (Tenor) Leo van Doeselaar (Klavier) NM Classics 92029 Nico van der