Willi Körtels

Materialien zur Geschichte der Juden aus Wawern

1 impressum

Willi Körtels

Materialien zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Wawern

Konz im September 2013

Nachdruck nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors

2 Inhaltsanagabe

1 Vorwort 4 2 Schulprojekt „Jüdische Kultur im Raum “ 1987 5 3. Geburtsurkunden 21 4 Namenslisten Jüdische Einwohner in Wawern um 1930 23 Jüdische Familien um 1930 26 Aus Wawern stammend 29 Ins Ausland Geflohene 30 5. Antisemitische Übergriffe in Wawern 33 6. Berufe 35 7. Deportationen der Juden aus Wawern 36 8. Opfer der Schoa aus Wawern 38 9. Überlebende aus Wawern 39 10 Familienanzeigen im „Aufbau“ mit Bezug zu Wawern 40 11 Fotos 43 12. Bericht über die ehemaligen jüdischen Gemeinden in 45 der Trierischen Landeszeitung vom 6.11.1973 13. Erinnerung an die ehemaligen jüdischen Gemeinden an 46 der Saar im „Aufbau“ vom 1.2.1974 14. Die jüdische Schule Wawern 46 15. Der Trierer Oberrabbiner Joseph Kahn 1809-1875. 53 Eine biographische Skizze Rezension von Fritz Hofmann, Dortmund 158 Leo Baeck: An die Leser, 1932 135 16. Fragebogen zur Erinnerungskultur 160 17. Rückblick auf ein Jahrzehnt der Gedenkarbeit des 162 Fördervereins ehemalige Synagoge Könen e.V. 18. Quellen [Wawern] 168 19. Fotonachweis 169 20. Quellen und Literatur zur Geschichte der Juden in der 169 Region Konz-Trier

3 Vorwort

Die jüdische Gemeinde Wawern gehört zu den ältesten Ge- meinden in der Region Konz. Sie ragt aus der Vielzahl jüdi- scher Gemeinden insofern heraus, als sie wie die Gemeinde Thalfang einen Rabbiner hervorgebracht hat. Es handelt sich in Wawern um den Oberrabbiner Joseph Kahn 1809-1875 und in Thalfang um den Reformrabbiner Samuel Hirsch 1815- 1889. Beide Personen fanden günstige familiäre Bedingungen vor, die ihren Lebensweg prägten. Während der Vater von Joseph Kahn der jüdische Lehrer in Wawern war, verfügte der Vater von Samuel Hirsch als Viehhändler - für damalige Ver- hältnisse - über ungewöhnliche Sprachkenntnisse: er konnte die Thora in Hebräisch lesen. Beiden Dorfkindern gelang der Zugang zur Universität über die Talmudschule und besonderen Fleiß. Die Erfahrung von Toleranz im dörflichen Miteinander hatte ebenso Einfluss auf ihre Berufung, denn beide lobten in ihren späteren Schriften die Menschlichkeit ihrer Heimatdörfer und empfahlen diese größeren Kommunen als Vorbild. Ge- meinsam studierten sie an der Bonner Universität und wurden dort Freunde fürs Leben. Während Joseph Kahn Oberrabbiner von Trier wurde, bekleidete Samuel Hirsch Rabbinerstellen in Dessau, in Luxemburg und in Philadelphia in den USA. Im Vergleich zu Thalfang fehlt in Wawern ein Buch über die jüdische Gemeinde, obwohl wertvolle Vorarbeiten geleistet sind: die Restauration der ehemaligen Synagoge, ein Lehrpfad zur jüdischen Geschichte, ein Aufsatz über die Reichspogrom- nacht, ein Betrag über die jüdische Schule, eine Biographien über Marianne Elikan-Reusch, den Oberrabbiner Joseph Kahn und über die Familie Hirschkorn. Die Voraussetzungen für eine umfassende Geschichte der Juden von Wawern sind also recht günstig. Diese Materialsammlung will dazu beitragen, dass ein Buch über die Geschichte der Wawerner Juden entsteht.

4 Schulprojekte zum Thema „Jüdische Kultur im Raum Konz“. Beitrag zur Festschrift des Gymnasiums Konz 2013

Im zweiten Jahr meiner Pensionierung erreichte mich kurz vor Pfingsten des Jahres 2012 ein Brief des Schulleiters Herrn OSTD Paul Weirich, ob ich bereit und willens sei, einen Bei- trag zu einer geplanten Festschrift zum vierzigjährigen Jubilä- um des Gymnasiums Konz zu verfassen. Ich dachte unmittelbar an Projekte, die ich mit Kollegen oder allein geplant und ausgeführt hatte. In lebendiger Erinnerung geblieben waren mir zwei Projekte zum Thema „Judentum im Raum Konz“, das eine im Schuljahr 1987/88 und das andere im Schuljahre 2009 veranstaltet. Das erste Projekt hatte ich zusammen mit dem Kollegen OSTR Helmut Stoll vorbereitet und in die Tat umgesetzt, das zweite betreute ich allein. Während sich das erste Projekt an die Klassenstufe 12 richtete, wurde das zweite für die Jahr- gangsstufe 9/10 angeboten. Zwischen dem Jahre 1987 und 2009 hatten sich die Voraussetzungen grundlegend geändert. Im Jahre 1987 fehlte noch eine Sprache, um über das Thema Judentum in der Region reden zu können. Insofern betraten wir in dieser Zeit Neuland. Dies hatte sich 2009 weitgehend geändert, weil in der Öffentlichkeit mehr oder weniger regel- mäßig die regionale Geschichte der Juden thematisiert worden war. Dabei spielte die Zeitung eine zentrale Rolle. Die unter- schiedliche Ausgangssituationen bedingte spezifische Metho- den der Projektarbeit. So dominierten im Projekt von 1987 die Schülerinnen und Schüler, die in den Dörfern mit ehemals jüdischer Bevölkerung selbst Zeitzeugen aufsuchten und deren Berichte in die Projektarbeit einbrachten. Um die jüdischen Friedhöfe, Synagogen und Wohnhäuser in Augenschein zu nehmen, suchten wir mit Hilfe eines Kleinbusses die Zeug- nisse jüdischer Kultur auf und fotografierten diese. Aus dem zusammengetragenen Material erstellten wir eine ca. dreißig- seitige Schrift, die reißenden Absatz fand.

5 Das Projekt von 2009 orientierte sich am Thema „Geschichte der Juden von Konz“. Bekannt war zu diesem Zeitpunkt, dass es eine jüdische Gemeinde in Konz mit Synagoge und Fried- hof gegeben hatte. In der Martinstraße waren bereits Stol- persteine für zwei ermordete jüdische Frauen verlegt worden und die Übersetzung der hebräischen Inschriften auf dem jüdi- schen Friedhof in Konz hatte Pastor Georg Dehn im Pfarrbrief der Pfarrgemeinde St. Nikolaus veröffentlicht. Im Lehrplan des Faches Religion des Gymnasiums war das Thema „Judentum“ wie die anderen Weltreligionen zu ver- bindlichen Themen erklärt worden, nachdem das Zweite Vati- kanische Konzil von 1962-65 eine positive Wertung aller Weltreligionen ausgesprochen hatte und die Synode von Würzburg in den siebziger Jahren sich dem Verhältnis der Christen zum Holocaust angenommen hatte. In den Klas- senstufen 5 bis 10 sollte jede der großen Religionen einmal behandelt werden. Mit dem Thema „Judentum“ und dem Ho- locaust sind andere Unterrichtsfächer wie Deutsch, Geschich- te, Fremdsprachen und Sozialkunde ebenfalls befasst.

1. Projekt „Jüdische Zeugnisse im Raum Konz“ 1987

Vorausgegangen war dieser ersten Projektwoche am Gym- nasium Konz ein Studientag des gesamten Kollegiums in der Klostermühle in . Nach gründlicher Abwägung aller Vor- und Nachteile dieser ungewohnten Unterrichtsform „Projekt- tage“ wurde ein erster Versuch zu Beginn des Schuljahres 1987/88 gestartet. Unserer Projektidee lag der Wunsch zugrunde, die ehemalige jüdische Kultur im Raum Konz kennen zu lernen. Ausgangs- punkt waren die jüdischen Zeugnisse in Konz und seinem Umland. Deswegen bildete eine Rundfahrt über Oberemmel, Wawern und Könen, den zentralen Orten mit jüdischer Be- völkerung in der Vergangenheit, am ersten Projekttag die Grundlage für die weitere Arbeit. Schüler/Schülerinnen und die Projektleiter konnten sich vor Ort ein Bild machen und 6 umfangreiche Eindrücke und Kenntnisse zur Erstellung der nachfolgenden Dokumentation erwerben. Die Bürgermeister der genannten Orte unterstützten unsere Nachforschungen. Wichtige Informationen lieferten uns einzelne Zeitzeugen, die uns ihre Erfahrungen und ihr Wissen aus ihrer Kindheit, die die Zeit des Nationalsozialismus war, mitteilten. Das Landes- hauptarchiv Koblenz gewährte uns exemplarisch Einsicht in den Alltag des dörflichen Judentums im Raum Konz. Beson-

Projektteilnehmer auf dem jüdischen Friedhof Oberemmel ders freuten wir uns über die Bereitschaft von Herrn Norbert Hirschkorn, einem ehemaligen jüdischen Bewohner aus Wa- wern, mit uns in der Trierer Synagoge über seine Erfahrungen zu sprechen. Mit großem Engagement verfassten die Schüle- rinnen und Schüler eine dreißigseitige Dokumentation, die erstmals in Wort und Bild über die jüdische Kultur im Raum Konz informiert. Das Material, das wir erarbeiteten, wurde im

7 Waghalsige Forschertätigkeit an der ehemaligen Synagoge Wa- wern

Gymnasium Schülern und Eltern vorgestellt sowie meh- rere hundertmal in kopierter Form weitergegeben. Der Trierische Volksfreund berich- tete am 17./18. Oktober 1987 über unser Projekt unter der Über-schrift „Projektwoche führte Schüler des Gymnasi- ums in die jüdische Vergan- genheit des Konzer Raums. Dokumentation über Kapitel der jüngeren deutschen Ge- schichte regt zum Nachdenken an.“ Unsere Ergebnisse wur- den kurze Zeit später in der Presse verwendet, um an die Reichspogromnacht 1938 zu erinnern. Die Christlich-Jüdische Gesellschaft in Trier hono- rierte unsere Arbeit mit einem Preis. Am 27. Januar 1997 präsentierten wir die Ergebnisse unserer Projektarbeit anlässlich einer Gedenkfeier für die Opfer des Holocaust im Landesmuseum Mainz.

8 Teilnehmende Schülerinnen/Schüler:

Andreska, Bettina Bamberg, Uwe Bredin, Bernd Cremer, Dorothe Fech, Elke Schichel, Ute Schiefer, Petra Schmitt, Sonja Schmitz, Martina Schreier, Sandra Stinner, Ute Weidert, Jürgen

Projektleiter: OSTR Helmut Stoll, OSTR Willi Körtels 9 Projektergebnisse zu Wawern: a. Die Synagoge von Wawern

Am frühen Vormittag erreichen wir das n einem Flussbett gelegene Weindorf Wawern. In der Saarburgerstraße bietet sich uns dann aber gleich ein ernüchterndes Bild. Die alte, historisch bedeutsame Synagoge befindet sich in einem erbarmungswürdigen Zustand. Das Gebäude, 8 mal 10m große Grundfläche, 10 m Firsthöhe, hat ein billiges Eter- nit-Satteldach, was so gar nicht zu dem gut erhaltenen Sand- steingemäuer passen will. Die Fenster- und die Türöffnungen lassen durch ihre Rundbogenform zwar noch einen sakralen Bau erkennen, sind jedoch nur provisorisch mit schäbigen Brettern verschlagen. An zwei der Fenster entdeckten wir noch Reste einer ehemals kunstvollen Gestaltung. Auch am nur noch zum Teil erhaltenen Holzportal finden sich eingeschnitz- te Säuen und Ornamente. Der gesamte Bau macht auf alle, trotz des schlechten Zustandes, einen harmonischen Eindruck aufgrund seiner symmetrischen Gliederung. Gestört wird das Bild durch ein an der Seite herausgebrochenes Tor, dem eines der beiden Fenster weichen musste. Lediglich der Rundbogen ist noch erhalten. Vervollständigt wird dieser unerfreuliche Anblick noch durch eine an dem Tor befestigte Tafel mit der Aufschrift: „Warnung vor dem Hunde“ sowie zwei mit Farbe aufgeschmierte Hakenkreuze, die man zu überstreichen ver- sucht hat.

10 11 12 Die Rückseite der Synagoge ist folgendermaßen gegliedert: In der Firstachse eine schlichte Holztür, etwas höher, links und rechts davon, zwei kreisrunde Fensteröffnungen und im Giebel ein Rundbogenfenster. Auch hier, wie an allen Seiten des Ge- bäudes, sind die Öffnungen in etwas hervorspringenden, bear- beiteten Sandstein gefasst.

Erschreckend war für uns alle, dass der Hundezwinger direkt an der Rückseite aufgestellt ist. Bei einer früheren Besichti- gung durch die Projektleiter befand sich der Hund sogar in der Synagoge. Trotz dieser uns drohenden Gefahr wagen einige Schüler sich in das Innere des Baues. Außer einer schlecht erhaltenen Wandbemalung lässt sich wenig von der ehemaligen Funktion erkennen. Das viele Gerümpel deutet darauf hin, dass der Be- sitzer die Synagoge als Werkstatt und Abstellraum benutzt.

13 „Ein würdiger Zweck eines ehemals heiligen Bauwerkes?“

14 Wie kam es so weit…?

Um das herauszufinden, befragten wir den Bürgermeister und führten ein Gespräch mit einem ehemaligen jüdischen Bürger aus Wawern. Erste Zeugnisse jüdischer Kultur sind in Wawern Ende des 18. Jahrhunderts nachzuweisen. Die Synagoge wurde 1840 von in den im Ort lebenden jüdischen Bürgern aus eige- nen Mitteln erbaut, was auf eine gute finanzielle Lage schlie- ßen lässt. Im Jahre 1935 zählte die jüdische Gemeinde 47 Seelen. Sie be- trieben vor allem Viehhandel; es gab aber auch einen Drechs- ler sowie einen weiteren Handwerker. Die ehemals jüdischen Häuser standen in unmittelbarer Nähe der Synagoge. Im Haus Nr. 19 zum Beispiel befand sich ein Lebensmittelgeschäft sowie eine Drechslerei, die vermutlich von der gleichen Familie betrieben wurde. Auch das heutige Haus Nr. 21 gehörte ehemals einer jüdischen Familie, ist aber, wie fast alle jüdischen Häuser, nicht mehr in seinem ursprünglichen Zustand. Zum religiösen Leben: An jedem Freitagabend wurde ein Gottesdienst abgehalten, den der Vorsteher der Gemeinde leitete. Bei Beerdigungen, Hochzeiten und hohen Feiertagen kam der Rabbiner aus Trier. Die Leichname der Verstorbenen brachte man auf den Fried- hof in Niederleuken bei , da es in Wawern keinen eigenen Friedhof gab. Die Gläubigen begleiteten den Sarg bis zum Ortsausgang. Der Bürgermeister kann sich erinnern, dass die Juden Steine auf den Sarg legten. Wer viele Steine auf dem Sarg hatte, galt als beliebt. Diese religiöse Tradition wurde mit dem Nazi-Regime jäh unterbrochen. Aus beiliegendem Text geht hervor, dass zwischen 1934 und 1935 sowohl zwei jüdi- sche Wohnhäuser als auch die Synagoge von Wawerner Mit- bürgern beschädigt wurden. Offiziell ist heute jedoch nur be- kannt, dass in der Reichspogromnacht die Fenster der Synago- ge von der Wiltinger SA zerstört und das Innere verwüstet wurde. Die Thorarollen, der heilige Teil der Synagoge, wurden 15 von Wawerner SA-Männern auf die Straße geworfen, ausge- rollt und zertreten. Jedoch kam der Antisemitismus nicht über Nacht als Folge des Nationalsozialismus. Das Verhältnis zwi- schen Juden und Wawerner Bürgern war schon vor dieser Zeit teilweise spannungsgeladen. Von dem ehemaligen jüdischen Bürger Hirschkorn erfuhren wir, dass die Wawerner Juden nach der Reichspogromnacht 8 Tage lang in Wäldern, Scheunen und Wiesen „leben“ mussten. In Trier wurde ein Teil der Juden aus umliegenden Dörfern von Bürgern aufgenommen. Mit der Deportation der Juden im Jahre 1943 gab es keine jüdischen Bürger mehr in Wawern. Zwischen 1938 und 1945 fungierte die Synagoge als Quartier für Kriegsgefangene und Fremdarbeiter. In den letzten Kriegs- tagen wurde die Synagoge von der deutschen Wehrmacht, später den alliierten Streitkräften als Waffen- und Materialla- ger verwendet. In den 50er Jahren bot die Jüdische Kultusge- meinde das Bauwerk der Wawerner Gemeinde für 1200 DM an. Weil die Wawerner zu lange zögerten, erwarb schließlich ein Nachbar die Synagoge für 1400 DM. Der jetzige Eigentümer erhielt zwar von der Gemeinde die Auflage, das Gebäude zu erhalten; wir haben jedoch den Ein- druck, dass nur der Schein gewahrte werden soll. Immerhin wurde ein neues Dach angebracht, dem jedoch die Empore im Inneren zum Opfer fiel. Den Hund mit freiem Ausgang zur Synagoge könnte man viel- leicht als Wächter sehen. Das Gebäude ist schon lange Zankapfel in der Gemeindepoli- tik. Die Denkmalpfleger wollen die Synagoge restaurieren. Der Vorschlag, sie im Freilichtmuseum Konz-Roscheid aufzu- bauen, wurde mit der Begründung abgelehnt, dass es sich dann nicht mehr um ein Baudenkmal handle. Ein Teil des Gemeinderats ist der Auffassung, man sollte die Synagoge abreißen und an ihrer Stelle einen Dorfplatz anle- gen. So wie sie jetzt aussieht, ist die Synagoge wirklich nichts Se- henswertes mehr; eine vernünftige Restauration könnte jedoch 16 eines der letzten Zeugnisse jüdischer Kultur im Konzer Raum der Nachwelt erhalten. b. Die jüdische Schule in Wawern

In der Nähe der Synagoge liegt recht versteckt die ehemalige jüdische Schule Wawerns. Das Gebäude fällt durch seine schmale, hohe Bauweise auf (14 m Höhe und 4,2 m Breite). An einer Schmalseite weist dieses Gebäude auf zwei Etagen jeweils zwei Fenster auf. Die Fenster- und Giebelseite sind fast vollständig mit Efeu und wildem Wein bewachsen. Das Gebäude wird heute nicht mehr genutzt. Es gehörte zu einem Bauernhaus, dessen Besitzer es früher als Schweinestall und Heuschober diente. Insofern befindet sich noch an der Giebelseite ein Heugreifer. Das Gebäude diente bis 1935/36 als Schule. Seit den 30er Jahren wurde es jedoch bereits als Wohnung genutzt. Wie uns Bürgermeister Binz erzählte, besuchten zu dieser Zeit die jüdischen Kinder die katholische Volksschule. Lediglich der Religionsunterricht wurde für die jüdischen Schüler gesondert erteilt. Im Keller des Schulgebäudes befand sich ursprünglich eine religiöses Bad, von dem jedoch nichts mehr zu erkennen ist, da es zubetoniert wurde. Das Bad soll das ein einzige dieser Art im weiten Umkreis gewesen sein. Das jüdische Bad spielte im Judentum eine wichtige Rolle. Es war rituelle Reinigungs- stätte für die Frauen, auch Mikwe genannt. Im Alten Testa- ment werden bei besonderen Anlässen oder bei Unreinheit von Personen und Sachen Reinigungsbäder vorgeschrieben. Ur- sprünglich wurden zu diesem Zweck meistens natürliche Ge- wässer aufgesucht, seit dem Mittelalter aber überwiegen künstlich angelegte Judenbäder.

17 Projektgruppe 1987

2. Auf den Spuren der Juden von Konz

Unser Projekt im Rahmen der Projektwoche am Gymnasium Konz vom 21. bis 24. April 2009 war auf die Stadt Konz be- grenzt. Deswegen konnten die Teilnehmer ausgewählte Orte in der Stadt zu Fuß erkunden. Ausgerüstet mit Notizblock, Vide- okamera und Fotoapparat suchten wir zuerst den kleinen jüdi- schen Friedhof hinter der Friedhofshalle auf. Dort referierte Pastor Georg Dehn über die jüdischen Beerdigungsbräuche und die Inschriften auf den Grabsteinen. Auf einem Grab ent- deckten wir eine Grabplatte, die an zwei ermordete jüdische Frauen erinnerte, offenbar nach 1945 dort angebracht. Auf dem jüdischen Friedhof befindet sich ein Gedenkstein, der in den achtziger Jahren dort errichtet wurde. In der Martinstraße informierten wir uns über die dort verlegten Stolpersteine für Marianne und Mathilde Levy. In der Wiltingerstraße konnten wir einige ehemalige Häuser von jüdischen Bewohnern aus- findig machen. In der Lindenstraße verweilten wir vor dem 18 Gebäude, indem die ehemalige Synagoge eingerichtet war. An diesem Ort war in der Reichspogromnacht am 9./10. 1938 von nationalsozialistischen Randalierern die Thorarolle aus dem heiligen Schrein der Synagoge entnommen, auf der Straße ausgerollt und mit den Stiefeln zertreten worden. Teile der Inneneinrichtung wurden auf die Straße getragen und dort verbrannt. Alle Judenhäuser wurden in dieser Nacht vor den Augen von unbeteiligten Bürgern verwüstet.

Die Teilnehmer lauschen den Erläuterungen von Pastor Dehn

Zur Erläuterung dieser Ereignisse trug eine Gruppe der Pro- jektteilnehmer ein Rollenspiel zur Reichspogromnacht in Konz vor. Einige Schüler drehten einen kleinen Film zu unserem Projekt, in dem auch Interviews mit Konzer Bürgern, zu ihrem Ver- hältnis zu Juden befragt, aufgenommen wurden. Um die Er- gebnisse unseres Projekts am Tag der offenen Tür am Gymna- sium Konz zu präsentieren, errichteten wir eine Stellwand in

19 einem uns zugeteilten Klassenraum. Außerdem boten wir ei- nen Büchertisch mit den wichtigsten Werken zur jüdischen Geschichte der Region Trier an.

Stolpersteine für Marianne und Mathilde Levy in Konz

Projektteilnehmer:

Gottlieb, Florian Schramm, Christian Neymann, Philipp Wagner, Christoph Quiano, Aurelio Wohl, Gerit Schäfer, Daniel Werel, Jan Schirra, Felix Zink, Fabian Schönberger, Niklas

Projektleiter:

OSTR Willi Körtels

20 Geburtsurkunden

21 22 Personenlisten:

Jüdische Einwohner in Wawern um 1930

Name Vorname Geburt Tod Quelle 1. Bonem Sigmund 20.8.1868 1943 AB 2. Bonem Lina 24.3.1878 1943 AB [Hirsch] Hottenbach 3. Bonem Siegfried 27.3.1903 5.12.1974 AB/TW 4. Bonem Selma 12.4.1904 AB/TW [Hayum] 5. Bonem Sally AB 6. Bonem Erna AB [Grumbach] 7. Bonem Julius 13.5.1915 Lodz AB 8. Bonem Edward Enkel AB 9. Elikan Marianne 29.7.1928 SCHW (Reusch) 10. Engelke Emmi 15.6.1886 SCHW 11. Hirschkorn Aron 19.10.1885 Auschwitz TR/TW 12. Hirschkorn Sara 13.11.1885 Auschwitz TR/TW [Lachmann] Treblitz ? 13. Hirschkorn Sophia 22.11.1912 TW 14. Hirschkorn Paula 4.8.1919 TW 15. Hirschkorn Jakob 1.1.1914 SCHW/ TW 16. Hirschkorn Norbert 2.7.1921 SCHW/ TW 17. Hirschkorn Erna 3.10.1923 TW 18. Hirschkorn Halina 25.10.1925 SCHW 19. Hirschkorn Ernestine 17.8.1885 TW [Lachmann] 20. Hirschkorn Sophia 30.12.1912 TW 21. Hirschkorn Paula 20.7.1917 TW 22. Hirschkorn Helena 2.8.1921 TW 23. Hirschkorn Hermann 28.1.1925 TW 24. Joseph Eva 31.5.1904 LUX-ESC [Levy] 23 25. Joseph Moritz LUX-ESC 26. Kahn Benny 5.8.1881 TW 27. Kahn Henriette 24.2.1877 Auschwitz TR [Wolf] 15.2.1943 28. Kahn Herta 27.10.1928 TW 29. Kahn Ilse LUX-ESC 30. Kahn Jenny 18.4.1912 TW 31. Kahn Leon 10.8.1913 LUX-ESC 32. Kahn Marianne 28.2.1884 TW [Meyer] 33. Kahn Max 11.11.1915 TW 34.. Katz Martha 7.6.1913 AB [Wolf] 35. Kaufmann Emma 22.8.1866 6.5.1943 TR [Meyer] Theresi- enstadt 36. Kaufmann Malchen 3.1.1875 23.9.1942 TR [Jacobs] Chelmno 37. Levy Benno 6.2.1928 15.9.1942 TR Chelmno 38. Levy Kurt 19.9.1924 Lodz TR 39. Levy Moritz 12.2.1889 28.10.194 TR 2 Chelmno 40. Levy Sophie 13.8.1897 28.10.194 TR [Wolf] 2 Chelmno 41. Martini Berta 2.2.1895 SCHW 42. Meyer Betty 11.4.1910 SCHW [Süsskind] 43. Meyer Louis 14.9.1898 16.3.1945 SCHW 44. Schimmel Jacob 3.3.1915 AJ 45. Wachsmann Ella 4.12.1926 New York/ Ushmm/ Descend- TW ent of Plaut 46. Wachsmann Frieda 7.3.1903 Ushmm/ [Kaufmann] TW 47. Wachsmann Jakob 20.2.1924 Ushmm/ TW

24 48. Wachsmann Leo 10.10.1896 TW 49. Wachsmann Lutbert 18.6.1925 Ushmm/ TW 50. Wolff Benjamin GU 51. Wolf Cilli AB 52. Wolf Donald AB 53. Wolf Eduard 15.8.1886 3.3.1943 TR Auschwitz 54. Wolf Frieda 11.10.1901 9.10.1944 TR [Wolf] Auschwitz 55. Wolf Helma Sara 26.6.1886 TW [Hayum] 56. Wolf Irene AB 57. Wolff Isaak GU 58. Wolf 59. Wolf Isidor 7.12.1869 12.3.1944 TR Theresi- enstadt 60. Wolf Iwan 30.9.1920 TW 61. Wolf Esther Sara 11.8.1871 TW [Levy] 62. Wolff Johannetta GU 63. Wolf Leo 5.7.1897 3.3.1943 TR Auschwitz 64. Wolff Maria Anna GU [Israel] 65. Wolf Max 26.3.1867 31.8.1942 TR Theresi- enstadt 66. Wolf Max 8.5.1909 TW 67. Wolf Melanie 26.6.1889 3.3.1943 TR [Hayum] () Auschwitz 68. Wolf Moritz 30.6.1884 10.7.1957 AB/TW 69. Wolf Nathan 28.1.1905 Minsk TR 70. Wolf Nathan 27.9.1865 Treblinka TR 71. Wolf Penas 1865 AJ 72. Wolf Ruth AB [Krigman] 73. Wolf Sara 8.2.1886 TW [Hayum]

25 74. Wolff Sophie 13.8.1897 GU 75. Wolf Siegfried 6.5.1982 AB 76. Wolf Simon 1875 AJ 77. Wolf Walter SCHW

Abkürzungserklärung:

AB=Aufbau, TR=Trier vergisst nicht, AJ=Alemannia Judaica, SCHW= Schwer, Edgar: Was ist aus ihnen geworden? ushmm= United Staates Holocaust Museum, GU=Geburtsurkunde, TR=Trier vergisst nicht, TW=Amtsverwaltung

Familien um 1930

1. Bonem Sigmund 20.8.1868 EM Bonem Lina 24.3.1878 EF [Hirsch] Hottenbach Bonem Siegfried 1903 S Bonem Selma 12.4.1904 ST [Hayum] Bonem Sally S Bonem Erna ST [Grumbach] Bonem Julius 13.5.1915 S

2. Bonem Jakob Bonem Adele 17.1.1869 [Wolf]

3. Hirschkorn Aron 17.8.1885 EM Hirschkorn Sara 10.6.1887 EF Lachmann] Hirschkorn Jakob 1.1.1914 S Hirschkorn Norbert 2.7.1921 S Hirschkorn Sophia 22.11.1912 T Hirschkorn Paula 4.8.1919 T

26 Hirschkorn Erna 3.10.1923 Hirschkorn Halina 25.10.1925 T

4. Hirschkorn Ernestine 18.8.1885 EF [Lachmann] Hirschkorn Sophia 30.12.1912 T Hirschkorn Paula 20.7.1917 T Hirschkorn Helena 2.8.1921 T Hirschkorn Hermann 28.1.1925 S

5. Joseph Moritz 10.3.1898 EM Joseph Eva 31.5.1904 EF [Levy]

6. Kahn Benny 5.8.1881 EM Kahn Marianne 28.2.1884 EF [Meyer] Kahn Jenni 18.4.1912 T [Solmitz] Kahn Max 11.11.1915 S Kahn Herta 27.10.1928 T

7. Kahn Henriette 24.2.1877 EF Kahn Leon 10.8.1913 S=EM Kahn Ilse 30.8.1913 EF v. Leo

8. Kaufmann Benni 12.1.1879 EM Kaufmann Malchen 3.1.1875 EF [Jacobs]

9. Levy Max EM Levy Caroline EF Levy Sylvian S Levy Jeanne ST [Kahn]

10. Levy Moritz 12.2.1889 EM Levy Sophie 13.8.1897 EF [Wolf] Levy Kurt 19.9.1924 S 27 Levy Benno 6.2.1928 S

11. Meyer Max EM Meyer Henriette EF [Lazarus] Meyer Louis 14.9.1898 S / v.m. Alma Frank- furter Meyer Betty 11.4.1910 T (Süsskind) Meyer Claire T (Goldberger)

12. Wachsmann Leo 10.10.1896 EM Wachsmann Frieda 7.3.1903 EF [Kaufmann] (Kaisersesch) Wachsmann Jakob 20.2.1924 S Wachsmann Lutbert 18.6.1925 S Wachsmann Ella 4.12.1926 T

13. Wolff Benjamin II. EM Wolff Johannetta EF [Kallmann] Wolff Sophie 13.8.1897 T

14. Wolf Eduard 15.8.1886 EM Wolf Melanie 26.6.1889 EF [Hayum] Kirf Elikan Marianne 29.7.1928 T adoptiert (Reusch) Wolf Martha 7.6.1913 T? (Katz)

15. Wolf Isaak EM Wolf Anna Maria EF [Israel] Wolf Alex 8.1.1880 S

16. Wolf Isidor 7.2.1869 EM Wolf Esther 9.8.1971 EF 28 [Levy] Wolf Nathan 28.1.1905 S Wolf Henriette 25.1.1907 T [Eichenwald] Wolf Max 8.5.1909 S

17. Wolf Leo 5.7.1897 EM Wolf Betty 29.5.1896 EF [Kaufmann] Wolf Alfred S Wolf Johanna T

18. Wolf Max 26.3.1867 EM Wolf Frieda 11.10.1901 EF [Wolf]

19. Wolf Moritz 30.6.1884 EM Wolf Sara 8.2.1886 EF [Hayum] Wolf Cilli T Wolf Donald S Wolf Walter S Wolf Siegfried S Wolf Irene T Wolf Iwan 30.9.1920 S

20. Wolf Nathan 27.9.1865 EM Wolf Leo 5.7.1897 S Wolf Hugo S

Aus Wawern stammend

Bonem Max 26.4.1893 Luxemburg Sobibor Frankreich 6.3.1943 Bonem Simone 13.11.1900 Luxemburg/ [Israel] Frankreich Bonem Joseph 18.5.1923 Luxemburg/ Raymond Frankreich Callo Hedwig 6.12.1887 Holland Auschwitz 29 [Wolf] 17.9.1943 Goldberger Claire Essen [Meyer] Eichenwald Henriette 25.1.1907 Wuppertal Izbica [Wolf] Hanau Babette 3.11.1876 Brotdorf Treblinka [Bonem] Israel Josephine 1864 [Wolf] Kaufmann Emma 4.9.1866 Halle 6.5.1943 [Meyer] Theresienstadt Meyer Louis 14.9.1898 Wiesbaden Dachau Samuel Marianne 28.2.1879 Lodz [Jacobs] Solmitz Jenny1 18.4.1912 Holland Auschwitz [Kahn] 6.3.1944 Joseph Elise 1860 Aach Theresienstadt [Wolf] Wolf Alexander2 8.1.1880 Berlin Theresienstadt 3.10.1942

Ins Ausland geflohene jüdische Bürger

1. Bonem Erna USA [Grumbach] 2. Bonem Lina USA? [Hirsch] 3. Bonem Max 26.4.1893 Luxemburg Frankreich 4. Bonem Paula London 5. Bonem Sally USA 6. Bonem Siegfried USA 7. Bonem Sigmund 20.8.1868 Lodz/USA 8. Bonem Selma USA

1 Das Bundesgedenkbuch gibt an, dass Jenny Solmitz in Wawern wohnte. 2 Alexander Wolf aus Wawern legte 1900 am FWG in Trier die Abiturprü- fung ab und studierte Medizin. Er war Arzt in Berlin- Charlottenburg. Vgl. Festschrift FWG 1914, Verzeichnis der Abiturienten von Dr. Wickert. 30 9. Callo Hedwig 6.12.1887 Holland [Wolf] 10. Hirschkorn Paula 4.8.1919 London 11. Hirschkorn Jakob 1.1.1914 Luxemburg 12. Hirschkorn Norbert 5.6.1921 Luxemburg 13. Hirschkorn Ernestine 17.8.1885 Paris [Lachmann] 14. Hirschkorn Sophia 30.12.1912 Paris 15. Hirschkorn Paula 20.7.1917 Paris 16. Hirschkorn Helena 2.8.1921 Paris 17. Hirschkorn Hermann 28.1.1925 Paris 18. Joseph Eva 31.5.1904 Luxemburg/ [Levy] Frankreich 19. Joseph Moritz 10.3.1898 Luxemburg/ Frankreich 20. Kahn Benny 5.8.1881 Luxemburg/ Bolivien 21. Kahn Henriette 24.2.1877 Frankreich [Wolf] 22. Kahn Hermann 18.6.1877 Holland 23. Kahn Herta 27.10.1928 Luxemburg 24. Kahn Ilse 30.8.1913 Luxemburg/ [Kahn] Frankreich/ Schweiz 25. Kahn Leo 10.8.13 Luxemburg/ Frankreich/ Schweiz 26. Kahn Marianne 28.2.1884 Luxemburg/ [Meyer] Bolivien 27. Katz Martha USA [Wolf] 28. Levy Sylvian 15.1.1892 Frankreich Luxemburg Belgien 29. Mayer Meier 9.7.1869 Luxemburg 30. Meyer Isaak 2.1.1878 Luxemburg 31. Solmitz Jenny 18.4.1912 Holland [Kahn] 32. Wachsmann Ella 4.12.1926 Luxemburg/ Kuba

31 33. Wachsmann Frieda 7.3.1903 Luxemburg/ [Kaufmann] (Kaisersesch) Kuba 34. Wachsmann Jakob 20.2.1924 Luxemburg/ Kuba 35. Wachsmann Ludbert 18.6.1925 Luxemburg/ Kuba 36. Wolf Abraham 13.3.1873 Holland 37. Wolf Cilli USA [Wolf] 38. Wolf Donald USA 39. Wolf Gustav 26.3.1897 Luxemburg 40. Wolf Irene USA 41. Wolf Max 8.5.1909 Luxemburg 42. Wolf Moritz USA 43. Wolf Nathan 28.1.1905 Luxemburg 44. Wolf Ruth USA [Krigman] 45. Wolf Siegfried USA 46. Wolf Siegmund 191.1879 Luxemburg 47. Wolf Simon 6.3.1875 Luxemburg

Die nach Luxemburg geflohenen Juden wurden im August 1940 nach Frankreich gebracht. Einigen gelang von dort die Flucht nach Kuba (Familie Wachsmann) oder in die USA. Andere wurden von Luxemburg aus in die Konzentrationslager deportiert.

32 Antisemitische Übergriffe in Wawern

33 34 Auskunft über die antisemitischen Vorgänge in Wa- wern von 1933 bis 1938 gibt der Aufsatz:

Eberhard, Pascale: Die Reichspogromnacht vom 9./10. November 1938 in Wawern. Ein Rückblick 70 Jahre da- nach, in: Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg, S. 244- 255.

„In Wawern lebten 1937 noch 9 jüdische Familien, seit 1935 wurden sie laufend Schikanen unterzogen. Die SA veranstalte- te Propagandaumzüge und hetzte gegen die Juden, es wur- den Boykotte angedroht, anschließend wurden Fensterschei- ben eingeworfen, Fensterläden demoliert und in Hauseingän- ge uriniert. Diese Ausschreitungen wiederholten sich 1935 bis 1937 alle paar Wochen. Insbesondere die aus Polen stam- mende Familie Hirschkorn wurde Opfer der Verfolgungen. Das Haus von Familie Hirschkorn wurde regelmäßig umlagert, die SA begehrte Einlass und erpresste unter Drohungen Geld, Schnaps und Schuhe.“ aus: Raim, Edith: Justiz zwischen Diktatur und Demokratie, München 2013, S. 685.

Die nach Luxemburg geflohenen Juden wurden im August 1940 nach Frankreich gebracht, weil die deutsche Wehrmacht Luxemburg besetzt hatte. Einigen gelang von dort die Flucht nach Kuba (Familie Wachsmann) oder in die USA. Ella Wachsmann heiratete am 7. September 1950 in New York Heinz Joachim Spangenberg, geboren am 31. Mai 1923. Die Kinder dieses Ehepaares sind Bert Leo (192.1952) und Debra (15.7.1955). [aus: Descendent of Plaut- Descendents.pdf]. Andere wurden von Luxemburg aus in die Kon- zentrationslager deportiert.

35 Berufe jüdischer Bürger aus Wawern

Siegfried Bonem Viehhändler Aron Hirschkorn Schuhhändler Israel Hirschkorn Maler/Anstreicher Jakob Hirschkorn Metzger Benny Kahn Handelsmann Leon Kahn Viehhändler Marianne Kahn Lebensmittelhändlerin Max Kahn Verkäufer Benny Kaufmann Schneider Ella Wachsmann Schülerin Frieda Wachsmann Modistin/Haushälterin Leo Wachsmann Holzbildhauer Benjamin Wolf Handelsmann Eduard Wolf Geschäftsmann Isaak Wolf Handelsmann Nathan Wolf Viehhändler Max Wolf Kaufmann Moritz Wolf Hausierer

Wohltätigkeits und Belehrungsverein in Wawern

Oberrabbiner Joseph Kahn berichtet am 20.4.1864 in der Zeitschrift „Ben Chananja“, S. 330: „Ungeachtet dieses, im Vergleiche zu anderen Gegen- den günstigen Verhältnisses bestehen doch in den meisten selbst kleine- ren Gemeinden des Regierungsbezirkes [Trier] Wohltätigkeitsvereine verschiedener Art, von welchen mehrere auch noch den schönen Zweck der Belehrung der Mitglieder durch Vorlesen und Erklären religiöser Bü- cher und jüdischer Zeitschriften verbinden. So sind vorzüglich in den Ge- meinden Tholey, Saarlouis, Saarwellingen, Neunkirchen, Illingen, , Wawern, Trier u.a. derartige verschiedene Wohltätigkeits- und Belehrungsvereine.“

Deportationen der Wawerner Juden

Name Vorname Deportation Datum/Ziel 1. Bonem Julius Trier 16.10.1941

36 Lodz 2. Bonem Sigmund Trier 16.10.1941 Lodz 3. Hirschkorn Aron Trier 18.8.1944 Auschwitz 4. Hirschkorn Sara Trier 18.8.1944 Auschwitz? 5. Kaufmann Emma Trier/Halle 20.9.1942 [Meyer] Theresienstadt 6. Kaufmann Malchen Trier 16.10.1941 Lodz 7. Levy Benno Trier 16.10.1941 Lodz 8. Levy Kurt Trier 16.10.1941 Lodz 9. Levy Moritz Trier 16.10.1941 Lodz 10. Levy Sophie Trier 16.10.1941 Lodz 11. Wolf Eduard Trier 1.3.1943 Auschwitz 12. Wolf Esther Düsseldorf 21.7.1942 Theresienstadt 13. Wolf Frieda Trier 26.7.1942 Theresienstadt 14. Wolf Isidor Düsseldorf 21.7.1942 Theresienstadt 15. Wolf Leo Trier 1.3.1943 Auschwitz 16. Wolf Max Trier 26.7.1942 Theresienstadt 17. Wolf Melanie Trier 1.3.1943 Auschwitz

37 18. Wolf Nathan Nürnberg 11.9.1942 Theresienstadt

Über die Deportation der Wawerner Juden und die Fol- gen informieren die Werke:

1. Schnitzler, Thomas: „Das Leben ist ein Kampf“ Mari- anne Elikan-Verfolgte des Nazi-Regimes, Trier 2008 2. Eberhard, Pascale: Der Überlebenskampf jüdischer Deportierter aus Luxemburg und der Region Trier im Ghetto Litzmannstadt, Saarbrücken 2012

Opfer der Schoa aus Wawern

1. Bonem Julius3 13.5.1915 Lodz 2. Bonem Max 26.4.1893 6./7. 03. Sobibor 1943 3. Bonem Lina 24.3.1878 1943 Theresi- [Hirsch] enstadt 4. Bonem Sigmund 20.8.1868 1943 Theresi- enstadt 5. Hirschkorn Aron 17.5.1882 Auschwitz 6. Hirschkorn Sara 10.6.1887 Auschwitz Lachmann] 7. Kaufmann Emma 22.8.1866 6.5.1943 Theresien- [Meyer] stadt 8. Kaufmann Benni 12.1.1879 23.9.1942 Lodz/ Chelmno 9. Kaufmann Malchen 3.1.1875 23.9.1942 Lodz/

3 Julius Bonem wird in der Familienanzeige für die ermordeten Lina und Sigmund Bonem im „Aufbau“ vom 8.11.1946 erwähnt, aber hinter seinem Namen geben die Angehörigen an: „Aufenthalt unbekannt“. Zu diesem Zeitpunkt wissen sie nichts über das Schicksal von Julius. 38 [Jacobs] Chelmno 10. Levy Benno 6.2.1928 15.9.1942 Lodz/ Chelmno 11. Levy Kurt 19.9.1924 Lodz 12. Levy Moritz 12.2.1889 28.10.1942 Lodz/ Chelmno 13. Levy Sophie 13.8.1897 28.10.1942 Chelmno [Wolf] 14. Levy Sylvian 15.1.1892 1944 Auschwitz Mauthau- sen 15. Meyer Louis 14.9.1898 16.3.1945 Dachau 16. Wolf Abraham 13.3.1873 11.1.1945 Theresien- stadt 17. Wolf Eduard 15.8.1886 3.3.1943 Auschwitz 18. Wolf Esther 9.8.1871 7.3.1945 Theresien- stadt 19. Wolf Frieda 11.10.190 9.10.1944 Auschwitz 1 20. Wolf Gustav 26.3.1897 21. Wolf Isidor 7.2.1869 12.3.1944 Theresien- stadt 22. Wolf Leo 5.7.1897 3.3.1943 Auschwitz 23. Wolf Max 26.3.1867 31.8.1942 Theresien- stadt 24. Wolf Melanie 26.6.1889 3.3.1943 Auschwitz [Hayum] 25. Wolf Nathan 27.9.1865 Theresien- stadt/ Treblinka 26. Wolf Nathan 28.1.1905 Minsk 27. Wolf Sara 18.10.186 Theresien- [Hayum] 7 stadt/ Treblinka

Quelle: Trier vergisst nicht Nr. 1, 4, 5, 6, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 17, 18, 21, 22, 24, 25, 26, 27 ushmm.org Nr. 2, 4, 11, 13, 15, 25, 26 39 Bundesgedenkbuch Nr. 1, 3, 4, 5, 6, 10, 12, 13, 15, 17, 21, 22, 25

Überlebende aus Wawern

1. Bonem Siegfried 1903 5.12.1974 USA 2. Bonem Selma USA [Hayum] 3. Bonem Sally USA 4. Bonem Erna USA [Grumbach] 5. Bonem Edward Enkel USA 6. Hirschkorn Norbert 2.7.1921 7. Hirschkorn Halina 25.10.1925 8. Hirschkorn Jakob 1.1.1914 9. Hirschkorn Paula 4.8.1919 10. Reusch Marianne 29.7.1928 [Elikan] 11. Wachsmann Ella 4.12.1926 Kuba/USA 12. Wachsmann Jakob 20.2.1924 Kuba 13. Wachsmann Ludbert 18.6.1925 Kuba 14. Wolf Martha 7.6.1913 USA (Katz) 15. Wolf Cilli 16. Wolf Donald 17. Wolf Irene 18. Wolf Moritz 10.7.1957 USA 19. Wolf Ruth (Krigman) 20. Wolf Siegfried 6.5.1982 USA 21. Wolf Walter v. mit G. Meyer

Familienanzeigen im “Aufbau” mit Bezug zu Wawern

Datum Name Art 40 8.11.1946 Bonem Sigmund Trauer Bonem Lina Trauer [Hirsch] 15.8.1947 Meyer Louis Dachau- Liste 10 12.8.1949 Wolf Walter Hochzeit Meyer Gerda Hochzeit 12.11.1948 Wolf Walter Verlobung Bamberger Gertrude Verlobung 12.8.1949 Wolf Walter Hochzeit 26.7.1957, S. 28 Wolf Moritz Trauer 13.12.1974, S.24 Bonem Siegfried Trauer 25.6.1982, S. 21 Wolf Siegfried Trauer 17.6.1988, S. 27 Katz Martha Geburtstag 22.5.1992, S. 19 Katz Martha Geburtstag

Quelle: Aufbau vom 8.11.1946

41 Quelle: Aufbau vom26.7.1957, S. 28

Quelle: Aufbau vom 13.12.1974, S. 24

Quelle: Aufbau vom 25.6.1982, S. 21

42 Quelle: Aufbau vom 17.6.1988, S. 27

Quelle: Aufbau vom 22.5.1992, S. 19

Fotos

43 Meyer, Louis

Wolf, Eduard

44 Norbert Hirschkorn

Elikan-Reusch, Marianne

Aus: Trierische Landeszeitung vom 6.11.1973, S. 11

45 Aufbau vom 1.2.1974, S. 4

Die jüdische Schule Wawern

Seit wann erstmals in Wawern eine jüdische Schule betrieben wurde, wird aufgrund der spärlichen Dokumente weiterhin unbekannt bleiben. Vermutlich ist dieser Zeitpunkt nicht we- sentlich von der frühesten Ansiedlung von Juden in Wawern entfernt, der in der Mitte des 17. Jahrhunderts liegt.1 Ob Eltern oder Privatlehrer den Religionsunterricht erteilten, ist nicht mehr zu belegen. Die Praxis der Religionsweitergabe durch Eltern war in Wawern bereits um 1800 überwunden, denn vor 1808 ist der jüdische Lehrer Meyer Kahn nachgewiesen.2 Die- ser Lehrer wird in einem Geburtsdokument seines Sohnes Joseph, dem späteren Oberrabbiner von Trier (1808-1875), von 1808 „instituteur“ und in einem Sterbedokument seiner

1 Vgl. Heidt/Lennartz: Fast vergessene Zeugen, S. 38. 2 Kasper-Holtkotte, Cilli: Juden im Aufbruch, S. 365. 46 Tochter Vogel von 1802 „maitre de ecole“ genannt.3 Da der aus stammende Kahn um 1799 die Witwe Bees Schmul-Levy in Wawern geheiratet hatte, hat seine Lehrertä- tigkeit vermutlich in diesem Jahr in Wawern begonnen und mit seinem frühen Tod im Jahre 1813 geendet. Als Ort der jüdischen Schule, die heute noch als Gebäude existiert, ist das Anwesen Nr. 288, Sektion B, im Bungert, heute die Parzellen- nummer 231, anzusehen. Wer nach 1813 in Wawern unterrich- tete, ist unbekannt. Der berühmteste Schüler aus der Zeit 1814/15 bis 1822/23 ist der spätere Oberrabbiner von Trier Joseph Kahn, der Sohn des jüdischen Lehrers Meyer Kahn und dessen Ehefrau Bees Kahn-Levy, der von 1815 bis 1820 in Wawern unterrichtet wurde4 Erst 1845 wird wieder in Wawern ein jüdischer Lehrer aktenkundig.5 Dagegen wurde die jüdi- sche Schule von Wawern, das damals zur Bürgermeisterei gehörte, in den Jahren 1849 bis 1854 statistisch hin- reichend erfasst. So lässt sich für 1849 die Zahl der schul- pflichtigen Kinder genau bestimmen. Von den 18 jüdischen Kindern besuchten alle die jüdische Schule, die von dem Vor- sänger und Lehrer Simon Stern geleitet wurde.6 Ein Jahr später wurden in Wawern fünf jüdische Kinder von dem Vorsänger und Lehrer Raphael Singer unterrichtet.7 Derselbe Lehrer be- treute im Jahre 1851 14 jüdische Kinder. Im Vermerk „werden jüdischen Kindern Religionsunterricht erteilt“ ist der Name und die Funktion des Lehrers Singer angegeben: „Vorsänger

3 Meldeamt Konz; vgl. Körtels, Willi: Oberrabbiner Joseph Kahn, S. 14/15. 4 Ebda. Im Jahre 1823 lebten im Kreis Saarburg 125 jüdische Bürger, deren 18 Kinder von zwei rabbinisch geprüften Lehrern in drei Schulen unterrichtet wurden. Vgl. LHA Koblenz Best. 403, Nr. 15222, S. 45. 5 Manuskript Geschichte der Juden von Wawern. 6 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 212, S. 66/67. 7 Ebda., S.128/129. 47 und Lehrer Raphael Singer zu Wawern.“8 Im Jahre 1852 nah- men 19 Schüler am Unterricht des Lehrers Jacob teil. Ein Schüler besuchte die jüdische Schule in Oberemmel, vermut- lich ein jüdischer Schüler aus . Der Wawerner Leh- rer erteilte in diesem Jahr auch den sechs jüdischen Kindern aus Saarburg den Religionsunterricht.9 Im darauffolgenden Jahr wurden alle 13 jüdischen Kinder in der christlichen Schu- le unterrichtet. Obwohl drei Kinder aus Saarburg im Fach Re- ligion vom Lehrer in Wawern unterrichtet wurden, fehlt ein Vermerk zu Kanzem (Wawern). Auch in diesem Jahr besuchte ein Schüler die Schule in Oberemmel.10 Für das Jahr 1854 sind 15 Schüler nachgewiesen, von denen 15 die christliche und 11 die jüdische Schule unter Leitung von Lehrer Meyer besuch- ten. Da die Gesamtzahl der jüdischen Kinder nur 15 beträgt, kann diese Angabe nicht stimmen Vermutlich umfasst die Gruppe der 11 jüdischen Kinder, die die jüdische Schule be- suchten, nur die Schüler, die in Wawern am jüdischen Religi- onsunterricht teilnahmen. Lehrer Meyer hatte auch die beiden

8 Ebda., S. S. 186/187. 9 Ebda., S. 192/193. Zur Bürgermeisterei Kanzem gehörte auch der Ort Wiltingen, in dem damals jüdische Bürger wohnten. Das in der Schule in Oberemmel unterrichtete Kind könnte aus Wiltingen stammen, da der Weg nach Oberemmel als weniger schwierig eingeschätzt wurde. Von Wiltingen nach Wawern wäre die Saar zu überwinden gewesen, was damals nur mit einer Fähre möglich war.- Die Gesamtzahl der jüdischen Schüler in der Bürgermeiste- rei Kanzem betrug 19 und die Zahl der Kinder, die die jüdische Schule besuchten, ebenfalls 19. Der Schüler, der in Oberemmel unterrichtet wurde, müsste zu den 19 Schülern hinzu gerechnet werden. 10 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 212, S. 260/26. Vermutlich ein Schü- ler aus Wiltingen, weil in diesen Jahren die jüdischen Bewohner aus Wiltingen der Synagogengemeinde Oberemmel angehörten. 48 Heutiger Zustand der ehemaligen jüdischen Schule in Wawern

49 Schüler aus Saarburg unterrichtet.11Da um das Jahr 1854 die meisten jüdischen Elementarschulen der kleineren Orte in der Region Trier aus finanziellen und organisatorischen Gründen aufgegeben wurden, könnte die statistische Information diesen Fall für Wawern schon für das Jahr 1854 bestätigen. Der jüdi- sche Lehrer übernahm anschließend den Religionsunterricht in mehreren Gemeinden und war als Vorsänger und Schächter tätig. Im Jahre 1856 stellte der damalige Landrat Mersmann fest: „In Kirf, Freudenburg und Wawern wird der Religionsunter- richt der schulpflichtigen Judenkinder durch eigene Religions- lehrer erteilt, welche die an dem Synagogenbezirke beteiligten Judenschaft besoldet. Diese Lehrer haben nicht die gesetzliche Qualifikation zur Ausübung eines Elementar-Schulamtes, zur Besoldung derartiger Personen sind die Interessenten (...) au- ßer Stande. Soweit bekannt, wird der Religionsunterricht von Zeit zu Zeit kontrolliert, inwiefern hierdurch die nötige Für- sorge getroffen ist, weiß ich indessen nicht zu beurteilen.“12 Aus einem Inspektionsbericht des Jahres 1868 wird deut- lich, dass der jüdische Lehrer in Wawern noch deutschspra- chige Texte mit hebräischen Buchstaben schreiben ließ. Die Behörden hätten diese „jüdisch-deutsche“ Schrift mit einigem Misstrauen gesehen, weil sie für die nichtjüdische Bevölke- rung unverständlich war und neben Missverständnissen eine

11 Ebda., S. 320/321. Die Kooperation der Juden von Wawern und Saarburg bezog sich auch auf die gemeinsame Nutzung des Fried- hofs in Niederleuken. Über die Juden in Saarburg vgl. den Beitrag von Rudolf Müller: Die Judengemeinde, in Saarburg. Geschichte einer Stadt, Bd. I, S. 25-30. Um 1900 suchte die jüdische Gemein- de Saarburg einen eigenen Religionslehrer, wie aus einer Anzeige in „Der Israelit“ zu ersehen ist. Vgl. Der Israelit vom 27.9.1900. 12 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 14099, S. 24, zitiert nach Heidt/ Lennartz: „Fast vergessene Zeugen“, S. 391. 50 gewisse Absonderung des jüdischen Teils der Bevölkerung begünstige.13 Bestätigt wird durch diese beiden Texte, dass in Wawern weiterhin ein Lehrer eingesetzt war. Offenbar wurde nach 1856 wieder eine jüdische Elementarschule unterhalten, wie der Inspektionsbericht von 1868 und ein Konflikt aus dem Jahre 1870 zwischen dem katholischen Pfarrer des Ortes und dem jüdischen Lehrer nahe legen. Der Oberrabbiner von Trier, der aus Wawern stammt, wandte sich an den Landrat des Krei- ses Saarburg mit der Bitte, den Konfliktfall in Wawern der Regierung vorzutragen, damit diese das Bischöfliche General- vikariat um Vermittlung ersuche. Der Ortsgeistliche Heyart hatte die jüdische Privatschule verpflichtet, sich in Hinsicht des wöchentlichen Stundenplans und der Ferienregelung der christlichen Schule anzuschließen und auch am Freitagnach- mittag zu unterrichten. Der jüdische Lehrer hatte dies abge- lehnt, weil am Freitagnachmittag der Sabbatgottesdienst vor- bereitet werden müsse. Die Regierung in Trier antwortete am 26. März 1870 mit folgender Lösung des Streitfalles: „Da die Israeliten in Wawern eine eigene Schule auf ihre Kosten erhal- ten, so steht diese in den innern Angelegenheiten, wie überall, nur unter der Aufsicht des betreffenden Schulinspektors, kei- neswegs aber unter der Aufsicht des Ortspfarrers, welcher letztere daher auch nicht berechtigt ist, dem Lehrer Vorschrif- ten zu machen. Wenn der israelitische Lehrer Richard nun aus Kultusrücksichten am Freitagnachmittag keinen Unterricht erteilt, so liegt durchaus kein Grund vor, ihm dies zu untersa- gen (...)“14 Ein recht ungewöhnlicher Vorgang stellt die Bewerbung des Kantors und Religionslehrers Samuel Philippson aus Wa- wern im Jahre 1879 dar. Während in der Regel die jüdischen Gemeinden in der Region Trier nach einem Religionslehrer

13 Esperstedt, Joachim: Jüdische Schulen, in: Die Juden in ihrem gemeindlichen und öffentlichen Leben, S. 187. 14 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 13247, S. 77-78. 51 und Kantor Ausschau halten, wird in diesem Falle der Kandi- dat, vielleicht sogar der Stelleninhaber, selbst aktiv, um an einem anderen Ort tätig zu werden. Samuel Philippson ver- weist in seiner Stellenanzeige auf die Referenzen „Seiner Ehrwürden Herr Rabbiner Dr. Ehrmann“ in Trier.15 Die jüdische Gemeinde Wawern hatte im Jahre 1885 75 Mitglieder.16 Im Jahre 1925 bewarb sich Ferdinand Samuel (1901-1987), geb. in Freudenburg, um eine Religionslehrerstelle in ver- schiedenen kleineren jüdischen Gemeinden des Trierer Lan- des, u.a. auch Wawern. In seinem Bewerbungsschreiben an die Regierung in Trier heißt es: „Ergebenst Unterzeichneter möch- te bei einer hohen Regierung beantragen, gestützt auf beilie- gender Zeugnisabschrift und gestützt auf das Gutachten Seiner Ehrwürden des Herrn Oberrabbiners Dr. Altmann in Trier, eine hohe Regierung in Trier wolle mir gütigst die Berechti- gung erteilen, an die jüdischen Kinder der Gemeinden Gerol- stein, Kyllburg, Konz, Könen, Wawern, Kirf, Freudenburg, und Religionsunterricht zu erteilen.17 Der Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung nahm seine Bewerbung an und wies die Regierung in Trier am 7. August 1925 an, „dem Ferdinand Samuel aus Freudenburg, Kreis Saarburg, zur Erteilung von jüdischem Religionsunter- richt an jüdische Kinder in den Gemeinden Gerolstein, Kyll- burg, Freudenburg, Kirf, Wawern, Konz, Könen, Hermeskeil und Schillingen den Privatunterrichtserlaubnisschein zu ertei- len.“18 Im Jahre 1930 ist für den Religionsunterricht in Wa- wern der in Freudenburg wohnende Wanderlehrer Heimann zuständig.19 Noch 1935 besuchen die jüdischen Kinder von

15 Der Israelit vom 15.10.1879, zitiert nach alemannia-judaica Such- wort Synagoge Wawern 26.11.10. 16 Gemeindelexikon für die Provinz Rheinland 1888, S. 174/175. 17 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 13247, S. 125. 18 LHA Koblenz Best. 442, Nr. 13247, S. 141 19 Der Israelit vom 13.11.1930, zitiert nach alemannia-judaica 52 Wawern die allgemeine Volksschule von Wawern, die von Lehrer Diederich geleitet wurde, wie ein Foto vom Oktober dieses Jahres zeigt. Zu sehen sind die Schüler Erna Hirsch- korn, Kurt Levy, Christine Glückstein, Jakob Wachsmann, Otto Glückstein, Ella Wachsmann, Marianne Elikan, Benno Levy, Herta Kahn und Felix Kaufmann.20 Die Zahl der Opfer des Holocaust aus Wawern ist noch nicht abschließend geklärt. Von Überlebenden der Wawerner Juden finden sich vier Familienanzeigen im „Aufbau“21

Der Trierer Oberrabbiner Joseph Kahn, 1809-1875. Eine biographische Skizze

Text auf den folgenden Seiten!

25.11.10. 20 Heidt/Lennartz: Fast vergessene Zeugen, S. 399. Zu Marianne Elikan vgl. Schnitzler, Thomas: „Das Leben ist ein Kampf“ Trier 2008. 21 Schwer: Was ist aus ihnen geworden? S. 60, 62, 67, 69.

53 Inhaltsangabe

. Thematik Seite 1. Joseph Kahn: ein europäischer Avantgardist 55 2. Vorwort des Verfassers 57 3. Biographischer Forschungsstand 59 4. In Fachkreisen bekannt und gewürdigt 62 5. Neuere Erkenntnisse zur Biographie: Die Eltern 64 Ausbildung 68 Studium 69 Amtseinführung 74 Familiengründung 76 In Luxemburg 82 6. Wawern, das Heimatdorf von Joseph Kahn: ein 85 Modell für Toleranz und Menschlichkeit 7. Joseph Kahn, der Reformer des Judentums 88 8. Joseph Kahn und der preußische Staat 92 9. Joseph Kahn und der Synagogenbau in der Regi- 100 on Trier 10. Förderung der jüdischen Schulen 113 11. Der jüdische Sprengel Trier 122 .12. Ein Predigtbeispiel 126 13. Das silberne Amtsjubiläum am 15./16. Dezember 134 1866 14. „Kahns Bade- und Reiseberichte“ 137 15. Warum heute an Joseph Kahn erinnern? 140 16. Grabstein auf dem jüdischen Friedhof in der Wei- 148 degasse in Trier 17. Kurzbiographie 149 18. Quellen und Literatur 150 19. Fotos 153 20. Anhang 153

54 Joseph Kahn: ein europäischer Avantgardist

Zugegeben: es ist eine gewagte Hypothese, zumal Europa als geographisches und politisches Gebilde noch nicht existier- te, als Joseph Kahn im Jahre 1809 in Wawern an der Saar ge- boren wurde. Viele Kriege und grausame Verbrechen mussten die Völker der heutigen europäischen Länder erleben, damit endlich ihre Regierungen Pläne für ein friedliches und toleran- tes Europa schmieden konnten. Dennoch ohne die Grundge- danken der europäischen Aufklärung und der französischen Revolution - Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit - und jene Hoffnung auf eine reale Gleichbehandlung aller Bürger, die Joseph Kahn so tief prägte, gebe es vermutlich noch keine Verwirklichung der europäischen Utopie. Das Buch von Willi Körtels versetzt uns fachlich und ein- fühlsam in jene spannende Epoche der Hoffnung auf eine ge- rechtere Gesellschaft, die ein jüdischer Bürger - Joseph Kahn - als Oberrabbiner von Trier 30 Jahre lang intellektuell und menschlich mitgestaltete. Joseph Kahn, das beweist der Autor, war ein Mensch, der für seine emanzipatorischen Ideen uner- müdlich und behutsam kämpfte. Gegen den preußischen Staat, der die Gleichbehandlung aller Bürger - jenseits ihrer konfes- sionellen und politischen Zugehörigkeit - nicht verwirklichen wollte, gegen die Trierer Gegner eines aufgeklärten Zusam- menlebens zwischen Juden und Christen. Aber auch gegen seine jüdischen Zeitgenossen, die der religiösen und politi- schen Tradition verpflichtet waren. Mit großer innerer Anteilnahme las ich, dass Josef Kahn im Jahre 1844 die Wawerner Synagoge einweihte und die Wür- denträger des Judentums und des Katholizismus aus der Trie- rer und Luxemburger Region zu diesem Anlass einander tra- fen. Die jüdische und katholische Bevölkerung Wawerns emp- fing herzlich die zahlreichen Gäste von der Mosel, von der Saar und aus Luxemburg, um das wichtige Ereignis zusammen zu feiern.

55 Heute ist die Wawerner jüdische Gemeinde ausgelöscht. Ihr geistliches Gedankengut sowie die europäischen Utopien unserer Vorfahren leben jedoch weiter. Auch das heutige Eu- ropa, das uns immer noch mit einer langen Vergangenheit verbindet, braucht zukunftsweisende Vorbilder. Mögen heute junge Bewohner Wawerns u.a. auf den Spuren von Joseph Kahn Impulse für neue Hoffnungen und Sehnsüchte nach ei- nem innigen Zusammenleben in Europa des XXI. Jahrhunderts finden, über die bloßen wirtschaftlichen Interessen und die kulturellen Unterschiede hinaus, die eigentlich eine Bereiche- rung für alle sind. Vorausgesetzt, man verfügt über Neugierde für Andersdenkende und -fühlende. Zur Vertiefung einer ge- meinsamen europäischen Identität, die gleichzeitig Kontinuität und Fortschritt ermöglicht und die außereuropäischen Völker einbezieht, ist es ein Muss. Joseph Kahns Ideen fordern heraus und drängen uns Heuti- ge, das Zusammenwachsen Europas anzunehmen.

Dr. Pascale Eberhard, Wawern

56 Vorwort des Verfassers

Der Förderverein Synagoge Könen e.V. gründete sich im Jahre 2002 mit der Absicht, auf die kaum mehr erinnerte jüdi- sche Kultur im Raum Konz aufmerksam zu machen. Die Gründer dieses Vereins waren sich darin einig, dass eine Jahr- hunderte währende jüdische Kultur in der Region Konz wahr- genommen und angenommen werden will, weil sie zur Ge- schichte gehört. Die Mitglieder dieses Vereins sind sich der Schwierigkeiten bewusst, die sich mit der Aufarbeitung jüdi- scher Geschichte ergeben. Nach Jahrzehnten des Verschwei- gens und Verdrängens begrüßen nicht alle Bürger die Beschäf- tigung mit dieser Thematik. Anlässlich früherer Veröffentli- chungen konnten wir beobachten, dass es kein einheitliches Bewusstsein gibt: die einen möchten nicht erinnert werden, weil sie sich an den Zustand der Verdrängung gewöhnt haben, und die andern begrüßen es freudig, dass sie endlich informiert werden. Es handelt sich nicht so sehr um eine Problematik der verschiedenen Generationen, denn zu den Befürwortern und Ablehnenden der regionalen historischen Aufklärung zur Ge- schichte der Juden gehören Alte und Junge. Inzwischen existiert eine Tafel, die an die Synagogen der Region Konz erinnert. Zur Geschichte der jüdischen Gemein- den Oberemmel und Könen liegt jeweils ein Buch vor. Schau- tafeln zu den Kindern von Wawern, welche die Reichspog- romnacht erlebten, zum Schicksal einer jüdischen Person aus Könen und zu den Juden aus Konz wurden der Öffentlichkeit vorgestellt. Am jüdischen Friedhof in Oberemmel wurde 1997 eine Gedenktafel enthüllt. Im Rahmen des Europäischen Tages der Jüdischen Kultur werden alle zwei Jahre Führungen auf den jüdischen Friedhöfen in Könen und in Oberemmel ange- boten. Zur Erinnerung an die Reichspogromnacht 1938 fanden zwei Klezmer-Konzerte in der restaurierten Synagoge von Wawern statt. Außerdem hat der Förderverein Synagoge Kö- nen e.V. Vorträge und öffentliche Führungen zur Geschichte der Juden in der Region Konz angeboten. Alle Veranstaltun- 57 gen wurden von der Presse in Bericht oder Reportageform begleitet. Im Rahmen der Erforschung der jüdischen Kultur der Region Konz wurde die Trierer Lyrikerin Elise Haas ent- deckt, deren Biographie als Buch 2008 veröffentlicht wurde. In dieser Publikation über Joseph Kahn, die im Rahmen der Erforschung der Geschichte der Juden von Wawern entstand, geht es um eine außergewöhnliche Persönlichkeit, die vor 200 Jahren in Wawern geboren wurde und in der Region Trier und weit darüber hinaus segensreich als Oberrabbiner gewirkt hat. Die Erforschung dieser weitgehend unbekannten Persön- lichkeit unterstützten das Stadtarchiv Trier unter der Leitung von Dr. Reiner Nolden, das Stadtarchiv der Stadt Leer in Ost- friesland, das Standesamt Konz unter der Leitung von Frau Schwebach, das Standesamt Saarburg, die Archive der Univer- sitäten Heidelberg und Bonn, das joods historisch museum Amsterdam, das Stadsarchief Amsterdam und das Antiquariat Spinoza in Amsterdam. Oberstudienrat Andreas Vaske über- setzte die standesamtlichen Dokumente in französischer Spra- che ins Deutsche. Dr. Hans-Joachim Kann lektorierte das Ma- nuskript. Die erfahrene Hilfe, auch von nicht namentlich er- wähnten Personen und Institutionen, ging weit über die büro- kratische Pflicht hinaus. Allen sei herzlich gedankt. Wir bedanken uns ganz herzlich bei Richard Almond, ein Nachfahre von Joseph Kahn, aus Palo Alto in Californien, der uns Fotos von lithographischen Aufnahmen von Joseph und Rebecca Kahn u.a. zur Verfügung stellte.

Unterschrift von Oberrabbiner Joseph Kahn

58 Biographischer Forschungsstand

Eine Geschichte der Juden von Wawern zu schreiben, ohne an Joseph Kahn zu erinnern, ist nicht denkbar, denn von keiner anderen Person der jüdischen Gemeinde Wawern des neun- zehnten Jahrhunderts ist mehr überliefert als von ihm. So erin- nert ein Grabstein auf dem Jüdischen Friedhof in der Weide- gasse in Trier noch heute an Trierer Oberrabbiner.1 Außerdem widmet das Internet-Lexikon „Jewish-Encyclopedia“ Joseph Kahn einen kleinen Beitrag, der von Isidor Singer und Sieg- mund Salfeld bearbeitet wurde.2 Das im Jahre 2000 von Heinz Monz herausgegebene „Trierer Biographische Lexikon“ stellt Joseph Kahn in einem Artikel vor, den Annette Haller, die Autorin des Werkes über den Jüdischen Friedhof in der Wei- degasse, verfasste.3 Die erste Bibliographie der Veröffentli- chungen von Joseph Kahn findet sich in der von Mayer Kay- serling 1872 in Berlin herausgegebenen „Bibliothek Jüdischer Kanzelredner“.4 Von Joseph Kahn sind in diesem Artikel fol- gende im Druck erschienene Predigten erwähnt:

1. Rede gehalten bei dem besondern Gottesdienst, zur Ehre S. Maj. Unseres Königs und Großherzogs Wil- helm II., bei Allerhöchstderselben Anwesenheit in un- serer Stadt Luxemburg am 21. Juni (1840) (Luxem- burg). 2. Das Passah- als Versöhnungsfest. Predigt, gehalten in der Synagoge zu Saarlouis am Sabb[ath] vor dem Pas- sahfeste 5601 (1841). Saarbrücken 1841.

1 Haller, Annette: Der Jüdische Friedhof in der Weidegasse in Trier, S. 52. 2 http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=24&letter=K 3 Trierer Biographisches Lexikon, S. 207/208. 4 http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=24&letter=K; Ebenda. Eine Kopie dieses Beitrags stellte freundlicherweise das Antiquariat Spinoza in Amsterdam zur Verfügung.

59 3. Die Bestrebungen der neuen Rabbiner zielen nur da- rauf hin, das wahre alte Judenthum wieder herzustel- len. Predigt, gehalten bei seinem Amtsantritt am S. Bajigasch 5602 (18. Dezember 1841). Trier 1842 4. Der christlich-bürgerliche Neujahrstag für den Israeli- ten. Vortrag, gehalten in der Synagoge zu Trier am S. Waera 5603 (31. Dezember 1842). Trier o.J. 5. Leichenrede, gehalten am Grabe des Herrn Joseph Penas, am 19. Februar 1855. Trier 1855 6. Die Feier der Einweihung der neuen Synagoge zu Trier, am 9. und 10. September 1859. Trier 1860 (Ent- hält: Die Einweihungsrede und die Rede beim Sab- bath-Morgen-Gottesdienste) 7. „Jeder bei seiner Fahne!“ Predigt, gehalten in der Sy- nagoge zu Trier an den beiden Tagen des Schabuoth- festes 5623 (24. und 25. Mai 1863). Trier 1863 8. Gott, der Vater der Waisen! Rede zur Einweihung des jüdischen Waisenhauses für Westphalen und Rhein- land am 29. August 1863 in der Synagoge zu Pader- born. Paderborn 1863 9. Liebe und Versöhnung nach der Lehre des Juden- thums. Predigt, gehalten am Vorabend des Versöh- nungstages 5626 (1865). Trier 1866 10. Kampf, Sieg und Friede! Rede bei dem feierlichen Dank-Gottesdienst für den errungenen glorreichen Frieden, gehalten in der Synagoge zu Trier am 18. Ju- ni 1871. Aachen o.J.5

Aus dem Jahre 1872 ist außerdem eine publizierte Predigt bekannt sowie eine Denkschrift, die 1874, also nach der Drucklegung des bibliographischen Werkes von Kayserling, veröffentlicht wurde.6 Aufgrund seines Bekanntheitsgrades ist

5 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 299-300. Eine Kopie dieses Beitrags stellte mir freundlicherweise das Antiquariat Spinoza in Amsterdam zur Verfügung. 6 joods historisch museum Amsterdam, vgl. ttp://www.jhm.nl/bezoek 60 die Tätigkeit von Oberrabbiner Kahn aus Trier in sechs jüdi- schen Zeitschriften gut dokumentiert. Es handelt sich um die „Allgemeine Zeitung des Judentums“, „Der Orient“, „Der Is- raelit“, die „Israelitischen Annalen“ und um „Ben Chananja“. Während die „Allgemeine Zeitung des Judentums“ die gesam- te Zeitspanne seines Rabbinats von 1840 bis 1875 umfasst, enthält „Der Orient“ Beiträge aus den Jahren 1840 bis 1846, „Der Israelit“ Artikel aus der Zeit von 1844 bis 1847, und in „Ben Chananja“ finden sich Berichte aus der Zeit von 1860 bis 1867. Insgesamt liegen 140 Zeitschriftenbeiträge vor, von denen allein 61 in der „Allgemeinen Zeitung des Judentums“ erschienen sind, zehn in „Der Orient“, vierzehn in „Der Israe- lit“, fünfzehn in „Israelitischen Annalen“ und sechsundzwan- zig in „Ben Chananja“. Zwei Artikel aus der Zeitschrift „Ben Chananja“ wurden in der niederländischen jüdischen Zeit- schrift „Nieuw Isr. Weekblad“ abgedruckt. Darüber hinaus finden sich weitere Beiträge in dieser Zeitung, die nicht vorher in deutscher Sprache veröffentlicht worden waren, z.B. eine Predigt aus dem Jahre 1865, in der Joseph Kahn Stellung nimmt gegen antisemitische Aussagen eines katholischen Kongresses in Trier, insgesamt vier.7 Die Zeitschrift „Der isra- elitische Volkslehrer“ enthält sieben Beiträge und die Zeit- schrift „Die Neuzeit“ zwei zu Oberrabbiner Kahn.8 Die bisher entdeckten Zeitschriftenartikel sind in ihrem Umfang sehr

vom 23.12.2008; es handelt sich um die „Denkschrift, die gesetzliche Regelung des jüdischen Gemeinwesens. betreffend“, Trier 1874, nach Angaben des Leo-Baeck-Instituts New York, Suche im Catalog Nr.1 vom 8.2.2009. 7 Nieuwe Israel. Weekblad 1865, Nr. 14, S. 2. Dieser Beitrag liegt dem Ver- fasser als Kopie des joods historisch museum Amsterdam vor. Auch die Allgemeinen Zeitung des Judenthums vom 4.10.1865, S. 664/665 weist auf antisemitische Aussagen des Kongresses katholischer Vereine Deutsch- lands in Trier hin. Die in der holländischen Ausgabe angekündigte Veröf- fentlichung trägt den Titel „ Jüdische Liebe und Versöhnung“ und ist 1866 publiziert worden. Vgl. Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 300. 8 Der israelitische Volkslehrer, 1858, 1859, 1860; Die Neuzeit 1870, 1875. 61 unterschiedlich. Sie reichen von wenige Zeilen umfassenden Texten bis zu mehrteiligen Abhandlungen. Die große Zahl der während seiner Amtszeit als Oberrabbiner von Trier in Zeit- schriften erschienenen Texte und gedruckten Predigten erweist Joseph Kahn als ausdauernd fleißigen religiösen Schriftsteller. Im Jahre 2004 erschien das von Michael Brocke und Julius Carlebach herausgegebene „Biographische Handbuch der Rab- biner“, das erstmals umfangreich über die Publikationen, die Dokumente und die Literatur zu Oberrabbiner Joseph Kahn informiert. Die Liste der Publikationen von Kayerling erfährt in diesem neueren Werk eine Ergänzung:

1. Gutachten zugunsten Abraham Geigers, 18. No- vember 1842, in Rabbinische Gutachten über die Verträglichkeit der freien Forschung, Bd. II, S. 12- 44 2. Über Zweck und Wesen der Rabbiner-Versamm- lung, Trier 1845.9

In Fachkreisen bekannt und gewürdigt

Obwohl in allen einschlägigen wissenschaftlichen Werken die Herkunft von Joseph Kahn aus Wawern, einem Dorf an der unteren Saar mit einer jüdischen Synagogengemeinde, genannt wird, ist er in seinem Geburtsort so gut wie unbekannt. Des- wegen könnte es ratsam sein, auf die bisher veröffentlichten Würdigungen einzugehen. Die bedeutende jüdische Enzyklo- pädie „Jewish-Encyclopedia“ weist in einem eigenen Beitrag auf Joseph Kahn hin. Dieser Artikel erwähnt die unglücklichen Lebensumstände, die der am 2. September 1809 in Wawern geborene Joseph Kahn in seinen frühen Lebensjahren erfahren musste. Sein Vater, Lehrer und Kantor, sei früh gestorben und ein Sturz vom Pferd habe den Jungen Joseph Kahn daran ge-

9 Biographisches Handbuch der Rabbiner, S. 500-502. 62 hindert, sein Leben als Pferdehändler zu bestreiten. Stattdessen sei er nach Metz gezogen, um bei Meir Legard den Talmud zu studieren. Unter Jacob Ettlinger habe er seine Studien in Mannheim fortgesetzt. Danach habe er in Heidelberg und in Bonn an der Universität mit Erfolg studiert. Danach habe er dreißig Jahre das Oberrabbinatsamt in Trier inne gehabt, habe an den Rabbinerkonferenzen in Frankfurt a.M., in Breslau und in Kassel teilgenommen. Er sei ein eloquenter Prediger gewe- sen.10 Annette Haller berichtet in ihrem Beitrag zu Joseph Kahn im „Trierer Biographischen Lexikon“, dass er noch vor seiner Rabbinatszeit im Jahre 1841 am Pessachfest vor dem König-Großherzog Wilhelm II. der Niederlande in Luxemburg die Festrede gehalten habe. Als Oberrabbiner von Trier habe er sich für die vernachlässigte Schulbildung, für die Reformie- rung des Gottesdienstes und für den Neubau der baufälligen Synagoge in der Weberbach eingesetzt. Die neue Synagoge am Zuckerberg sei schließlich 1859 eingeweiht worden.11 In ihrem Werk „Der Jüdische Friedhof in der Weidegasse in Trier“ ergänzt die Autorin ihre Würdigung der Leistungen von Oberrabbiner Kahn, er sei „äußerst beliebt, einfühlsam und bescheiden, immer für seine Gemeindemitglieder zur Stelle“ und im Umgang mit den christlichen Behörden beliebt und angesehen gewesen. Er habe sich dem Geiste der Emanzipati- on verschrieben, er habe sich für den politischen und religiö- sen Fortschritt des Judentums eingesetzt, er sei ein treuer Geistlicher und ein Wohltäter der Armen, ein Vater den Wit- wen und Waisen gewesen. Man habe seinen Worten in tiefer Andacht gelauscht.12

10 http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=24&letter=K; zu Jakob Ettlinger vgl. dessen Biographie von Jeanette Strauss Almstad und Matthias Wolfers im Biographisch-Bibliographischen Kirchenlexi- kon, (www.bautz.de). 11 Trierer Biographisches Lexikon, S. 207/208; vgl. auch Israelitische Anna- len vom 6.8.1841, S. 255; als Bewerber für das Amt des Oberrabbiners von Trier predigte er mehrmals in Saarlouis. Vgl. Allgemeine Zeitung des Judenthums, 14.11.1840, S. 656. 12 Haller, Annette: Der jüdische Friedhof an der Weidegasse in Trier, 63 Neuere Erkenntnisse zur Biographie

Weniger bekannt sind dagegen allgemeine biographische Kenntnisse zu Joseph Kahn. So war bisher nichts über seine Wohnung in Trier und seine Eltern zu erfahren. Mit wem er verheiratet war und wie seine Kinder hießen, ist erst seit dem Erscheinen des 2004 erschienenen Biographischen Handbuchs der Rabbiner bekannt.

Die Eltern

Der Vater von Joseph Kahn hieß Mayer Kahn und stammte aus Freudenburg. Er war bei der Geburt seines Sohnes Joseph im Jahre 1809 37 Jahre alt. Er wurde also im Jahre 1772 gebo- ren. Sein Beruf wird mit „instituteur“ angegeben, welches mit Lehrer und Vorbeter übersetzt wird. Joseph Kahns Mutter heißt Bees, geb. Levy. Zeugen des Geburtsdokuments sind Emanuel Simon, Lehrer und Vorbeter, aus Könen und Johann Bidinger, Landwirt, aus Konz.13 Die Namensangaben zu Jo- seph Kahns Vater werden im Heiratsregister der Stadt Leer, wo Joseph Kahn 1844 heiratete, bestätigt. Der Vorname seiner Mutter ist auch in diesem Dokument „Bees“, der

S. XXI./XXII; ebenso Ben Chananja vom 15.1.1867, S. 43: umfangreiche Würdigung Joseph Kahn nach einem Bericht des Schweicher Lehrers Michael Levy; ebenso der Nachruf in der Allgemeinen Zeitung des Juden- thums vom 27.7.1875, S. 492ff. 13 Geburtsurkunde von Joseph Kahn, Meldebehörde Konz. Zeugen dieses Dokuments sind ein jüdischer und ein christlicher Bürger aus Könen, der Vorbeter Emanuel Simon, und aus Konz, der Landwirt Jean Bidinger. Dies zeigt, dass Juden und Christen damals im Alltag kooperierten. In der Sterbeurkunde von Kahns früh verstorbenem Bruders Vogel wird der Be- ruf von Mayer Kahn mit „maitre de ecole“ angegeben, vgl. Standesamt Konz 1802, „Acte de Décés“ , Nr. 7. Zeuge dieses Dokuments ist der aus Wawern stammende Viehhändler Feis Levy, der in hebräischer Schrift unterzeichnete, während Mayer Kahn seinen Namen in lateinischen Buch staben schrieb. 64 Geburtsurkunde von Joseph Kahn

Mädchenname Levy wird mit „Lewy“ angegeben.14 Sie war in erster Ehe mit Jakob Samuel (Schmul) verheiratet, der vor 1799 verstarb. Aus dieser Ehe gingen zwei Kinder hervor: Jacob Samuel, geb.1792, und Esther Samuel, geb. 1796, die am 22.12.1803 starb. Im Jahre 1799 schloss Bees Levy eine zweite Ehe mit dem aus Freudenburg stammenden Mayer Kahn, dem Vater von Joseph Kahn.15 Aus dieser Ehe stammt

14 Stadtarchiv Leer, Heiratsregister 1844, Nr. 6, Stand 2. Januar 1845: in der Todeseintragung für Esther Samuel wird ihre Mutter „Bees Loew Levy“ genannt, vgl. Anm. 15, S. 13; in der Sterbeurkunde ihres Sohnes Vogel wird ihr Name mit „Bes Levy“ angegeben, vgl. Standesamt Konz 1807, „Acte de Decés“, Nr. 7. 15 Heidt/Lennartz: Fast vergessene Zeugen, S. 266, Anm. 780; Standesamt Konz, 1803, Dokument Nr. 15: Zeugen der Todeseintragung sind Michel 65 Lage des Geburtshauses von Joseph Kahn

Das Landeshauptarchiv Koblenz nennt als Eigentümerin des markierten Anwesens für die Zeit nach 1820 Bees Levy, die Mutter von Joseph Kahn.4 Bei diesem Haus handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um das Geburtshaus des späteren Trierer Oberrabbiners. Dieses Gebäude diente wie die jüdi- sche Schule in Könen als Schule und als Wohnung für den jüdischen Lehrer. Teile des Anwesens lassen sich heute noch als ehemalige jüdische Schule wiedererkennen. In diesem Ge- bäude soll sich die ehemalige Mikwe der jüdischen Gemeinde Wawern befinden, die heute überbaut ist.

Müller, Schuhmacher, und Michel Steinmetz, Landwirt, beide aus Wa- wern. Standesamt Konz, „Acte de Déces“, Nr. 7. Weitere Geschwister Joseph Kahns sind im Meldeamt Konz nicht erfasst. (Auskunft von Frau Schwebach, Meldeamt Konz). 4 Landeshauptarchiv Koblenz, Außenstelle Kobern-Gondorf, telefonische Information von Frau Brahm am 27.5.2009: Bees Levy ist als Eigentüme- rin des Anwesens Nr. 288, Sektion B, Im Bungert eingetragen, welches heute die Parzellennummer 231 trägt. Katasterplan von Wawern, bearbei- tet von Frau Dr. Pascale Eberhard, Wawern. 66 Für Joseph Kahn aus Wawern

In Wawerns schmalen Gassen tatest du deine ersten Schritte in Haus und Hof und in die Monade Dorf, begegnetest Mensch und Tier; die Geräusche und Gerüche des Alltags waren dir vertraut und der Wechsel der Jahreszeiten und über ein Jahrzehnt lang die Sonnenauf- und -untergänge und die Bäume und die Reben und die Arbeit in Weinberg und Feld, die Blumen und die Käfer und der Ton der Glocke und die Gebete in der Synagoge. So lerntest du die Menschen kennen: Wie sie leben. Und wie sie sind. Und wie gefährdet und kurz ihre Zeit hier sein kann. Vertrauen und Freundlichkeit und Zuversicht haben dich tief geprägt und wie auf die Herausforderung des Lebens zu antworten ist. Du nahmst es als Erbe mit auf deine Pfade und Wege vom staunenden Kind bis zum Hochschulabsolventen und zum Oberrabbiner von Trier, entschieden für das, was getan werden muss, weil es die Zeit und die altehrwürdigen Weisungen des Ewigen gebieten, zum Wohle der dir Anvertrauten und zum Zeichen für viele - vielleicht bis heute. die am 17. Februar 1807 geborene Tochter Vogel Kahn, die nur acht Tage alt wurde. Joseph Kahn hatte also eine zwei 67 Jahre ältere Schwester. Am 29. April 1813 verstarb Joseph Kahns Vater im Alter von einundvierzig Jahren.5 Zu diesem Zeitpunkt war Joseph Kahn vier Jahre alt. Dies erklärt den Umstand, dass Joseph Kahn in seiner Ausbildungszeit einen Vormund benötigte.

Ausbildung

Joseph Kahn hatte einen älteren Stiefbruder, der ihn, nach- dem er dazu bestimmt worden war „zu lernen“ und Rabbiner zu werden, zur Talmudschule nach Metz brachte, wo er von Rabbiner Meir (Meyer) Lazard vier Jahre lang unterrichtet wurde. Während dieser Zeit wurde er von jüdischen Glau- bensgenossen unterstützt.6 Seine Mutter verließ Wawern in dieser Zeit und wohnte bis zu ihrem Tod in Luxemburg.7 Nach dem Besuch der Talmudschule in Metz setzte er ab dem 20. September 1827 in der Jeschiwa in Mannheim unter Leitung von Jacob Ettlinger seine Talmudstudien8 fort, die sich über weitere vier Jahre erstreckten und seinen Hochschulzugang ermöglichten.

5 Standesamt Konz 1813, „Acte de decés“, Nr. 20. Die Eltern sind Isac Kaan und Malu Kaan. Seine Ehefrau heißt hier Elisabeth Levy; Elisabeth ist die vollständige Form von Bes oder Bees, auch bekannt als Betty oder Betsy. Zeugen dieses Dokuments sind Marc und Feis Levy aus Wawern. Vermut- lich sind beide nahe Verwandte der Familie Kahn, vielleicht Brüder von Bees Levy. Dieses Dokument nennt sowohl für den Verstorbenen als auch für die Zeugen als Berufstätigkeit den Begriff „trafiguant“, welches mit Händler übersetzt werden kann. Damit ist der Broterwerb von Mayer Kahn benannt, nicht dessen Funktion als Lehrer in der jüdischen Gemeinde. 6 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 299. 7 Landeshauptarchiv Koblenz, Frau Brahm, 28.5.2009. Die Allgemeine Zeitung des Judenthums erwähnt noch 1844, dass Verwandte von Joseph Kahn in Luxemburg wohnten. Vgl. Ausgabe vom 10.6.1844, S. 326. 8 Biographisches Handbuch der Rabbiner, S. 500; eine Liste der Mitstudie- renden des Jahres 1828 findet sich in: Carsten Wilke: „Den Talmud und den Kant, S. 352, Anm. 86. 68 Studium

Vom Wintersemester 1831/32 bis zum Sommersemester 1832 studierte er an der Universität Heidelberg Theologie. Demnach hatte Joseph Kahn seine Talmudausbildung in Metz mit 14 Jahren begonnen; zum Studienbeginn in Heidelberg war er also 22 Jahre alt. Seine Matrikelnummer lautete 412. Da sein Vater bereits 1813 verstorben war, übernahm sein Halbbruder, der Kaufmann Jacob Samuel 9 aus Freudenburg, die Rolle seines Vormunds. Während seiner Studienzeit wohn- te er in Heidelberg-Stadt Nr. 299 bei Daniel Carlebach zur Miete.10 In Heidelberg zeigte Joseph Kahn wenig Interesse an den naturwissenschaftlichen Angeboten der Universität.11 Die Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn besuchte Joseph Kahn laut „Anmeldungs-Buch“ seit dem Wintersemester 1833/34. Ebenso wie an der Universität Heidelberg gab er an, dass Jacob Samuel aus Freudenburg sein Vormund sei. Aus dem Abgangszeugnis vom 15. Mai 1838 geht hervor, dass Joseph Kahn in Mannheim auf den Besuch der Universität vorbereitet worden war. Hinsichtlich seines Verhaltens sei nichts Nachteiliges bekannt, attestierten der Dekan der philo- sophischen Fakultät Prof. Dr. Freytag, der Universitäts-Richter Salomon und der Rector. Er habe sich auch keiner verbotenen Verbindung von Studierenden angeschlossen.12 Während sei- nes

9 Jacob Samuel, geb. um 1792 in Wawern, gestorben am 10.5.1858 in Freu- denburg, er war mit Reitz Kaan seit dem 22.12.1814 verheiratet. Seine wirtschaftlichen Verhältnisse waren bescheiden. Vgl. Heidt/Lennartz: Fast vergessene Zeugen, S. 266 und 287. Ungeachtet der begrenzten Einkünfte unterstützte er seinen Halbbruder Joseph Kahn. Kayserling, der Verfasser der ersten Biographie über Joseph Kahn geht davon aus, dass ein Oheim erzieherischen Einfluss auf seine Lebensgestaltung genommen hat. 10 Universitätsbibliothek Heidelberg: Die Matrikel der Universität Heidel- berg 1831 und 1832, VII 167, Matrikel-Nr. 412, vgl. auch Carsten Wilke: „Den Talmud und den Kant“, S. 423. 11 Carsten Wilke: „Den Talmud und den Kant“, S. 425. 12 Universität Bonn, Abgangszeugnis, Kopie 1 und 2; Joseph Kahn wird 69 Abgangszeugnis von Joseph Kahn Quelle: Exmatrikel Akte der Universität Bonn, S.1

unter der Register-Nummer 6487 geführt; vgl. auch Ben Chananja vom 15.10.1867, S. 646; das Stadtarchiv Mannheim verwahrt keine Dokumen- te zu Joseph Kahns Besuch der dortigen Talmud-Schule auf, E-Mail vom 29.12.2008. 70 Studiums in Bonn wohnte er in der Judengasse 813.13 Vom Wintersemester 1833/34 bis zum Sommersemester 1836 hörte Joseph Kahn private und öffentliche Vorlesungen der Hoch- schullehrer Brandis (Psychologie, Geschichte der Philosophie, Über Kant und Fichte), Nitzsch (Biblische Apologie des alten und neuen Testaments), Hünemann (Allgemeine Kulturge- schichte des Mittelalters), Redepenning (Die Anfangsgründe der syrischen Synagogen), Blank, Freytag, Ritter (Lateinische Grammatik), Auguste (Ausgewählte Psalmen), Calster (Physi- ologie), Fichte (Geschichte der neuesten Philosophie).14 Dem „Anmeldungs-Buch“ der Universität Bonn ist zu ent- nehmen, dass Joseph Kahn bei Prof. Dr. Schlegel von Michae- li 1936 bis Ostern 1837 eine öffentliche Vorlesung zum The- ma „Geschichte der neueren deutschen Litteratur“ gehört hat- te, für die er vom Universitätslehrer das Zeugnis erhielt: „Den fleißigen und aufmerksamen Besuch bis zum Schluss bezeugt August Schlegel“.15 Im Sommersemester1837 hörte Joseph Kahn eine Privatvorlesung bei Prof. Dr. Sommer zum Thema „Erklärung der Genesis“ und beim gleichen Professor eine öffentliche Vorlesung zur biblischen Geographie. Außerdem war er bei den Hochschullehrern Nitzsch und Kinkel, bei letz- terem in eine Vorlesung zum Thema „Neutestamentliche Zeit- geschichte“, eingeschrieben. Im Wintersemester1837/38 nahm er an einer Veranstaltung zum Thema „Homiletik und Kate- chese“ bei Prof. Dr. Nitzsch teil. Professor Sommer bewertet seinen Studenten am 30. August 1837 wie folgt: „Mit viel

13 Stadtarchiv Bonn, Schreiben vom 11.12.2008. 14 Anmeldungs-Bogen der Universität Bonn zu Joseph Kahn 1833-1836. 15 Archiv der Universität Bonn; August Wilhelm Schlegel, 8.9.1767 in Han- nover geboren und am 12.5.1845 in Bonn verstorben, bedeutender Rom- antiker; seine Vorlesungen waren offenbar gut besucht, denn Joseph Kahn ist unter Nr. 153 auf der Teilnehmerliste vermerkt. Bei August Wilhelm Schlegel eingeschrieben waren 1836 außerdem der aus Trier stammende Karl Marx und Samuel Hirsch, geboren in Thalfang. Vgl. Heinz Monz: Samuel Hirsch (1815-1889) Ein jüdischer Reformator aus dem Hunsrück, in: Weirich/Krause: Beiträge zur Geschichte der Juden von Thalfang S. 80-83. 71 Fleiß und löblichem Eifer Besuch bis zum Schluss“. Ähnliche Ergebnisse sind auch von anderen Hochschullehrern in ver- schiedenen Semestern belegt. Am 11. Mai 1838 schrieb Jo- seph Kahn an den Rektor der Rheinischen Friedrich-Wil- helms-Universität einen Brief, in dem er bittet, dass ihm sein Abgangszeugnis ausgestellt werde, weil ihn „dringende Ver- hältnisse“ dazu zwingen, die Universität zu verlassen.16 Mit diesem Schreiben sind der Universitätsrichter Salomon sowie Prof. Dr. Gurtelther (?) befasst, bei dem Joseph Kahn im Win- tersemester auch eine Vorlesung gehört hatte. Die Entschei- dung zugunsten seines Antrags fiel am 13. Mai 1838, und am 14.Mai 1838 wurde sein Abgangszeugnis ausgestellt.17 Die Umstände der plötzlichen Exmatrikulation gehen aus den Materialien der Universität Bonn nicht hervor. Die Biographie über Joseph Kahn von Kayserling erwähnt, dass er nach seinem Studium in Bonn eine Zeit lang in Offen- bach und Frankfurt a.M. als Lehrer tätig gewesen sei, bevor er wieder nach Bonn zurück gekehrt sei, um seine „Preisschrift über den Propheten Zacharias auszuarbeiten.“18 Eine redaktio- nelle Anmerkung zu einem Aufsatz von Joseph Kahn über „Die Spuren alter Buchstabenvertauschung“ in den „Israeliti- schen Annalen“ vom 16. August 1839 nennt allerdings als Entstehungszeit das Jahr 1837. 1837 war Joseph Kahn noch Student in Bonn. Obwohl seiner Preisschrift der ausgesetzte

16 Exmatrikulationsakte von Joseph Kahn, Archiv der Rheinischen Friedrich- Wilhelms-Universität Bonn. 17 Ebda.. Die Archivmaterialien der Universität Bonn geben keinen Hin- weis über eine Promotion von Joseph Kahn. 18 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 299; das Archiv der Universität Bonn verfügt weder über Kahns Preisschrift noch über einen Hinweis zu einer solchen Arbeit. In Bonn wurden die Sieger dieser Preis- schriften jährlich am Stiftungsfest der Universität, dem 3. August, bekannt gegeben. „Für die betreffenden Jahre sind die Namen der Preissieger überliefert, Joseph Kahn befindet sich nicht unter ihnen. Falls er die ge- nannte Preisschrift (...) eingereicht hat, so errang er mit ihr nicht den ausgesetzten Preis“. Vgl. Auskunft des Universitätsarchivs Bonn (Kristof- fer Klein) vom 27.1.2009. 72 Preis wegen formaler Mängel nicht zuerkannt worden sei, ha- be sie wegen ihres Gehaltes in den veröffentlichten Urteilen über die Konkurrenzschriften gebüh- rende und ehrende Anerkennung gefunden.19 Im Jahre 1840 war Joseph Kahn in der jüdischen Gemeinde von Saarlouis tätig. Dort hielt er mehrere Aufmerksamkeit er- regende Predigten, von denen eine in Saarbrücken publiziert wurde. In Luxemburg predigte er am 21. Juni 1840 zur Ehre Seiner Majestät des Königs und Großherzogs Wilhelm II. der Niederlande (1792-1849). Von Saarlouis aus reiste er nach seiner Wahl zum Oberrabbiner zur Amtseinführung nach Trier. Dies könnte bedeuten, dass sich Joseph Kahn nach Fer- tigstellung seiner Preisschrift über den Propheten Zacharias an der Universität Bonn im weiteren Umkreis von Saarlouis auf- gehalten hat. Der Artikel über Joseph Kahns Amtseinführung als Oberrabbiner von Trier in der „Allgemeinen Zeitung des Judenthums“ vom 5. März 1842 gibt an, dass er sich einein- halb Jahre „größtenteils“ in Saarlouis aufgehalten habe.20 Im Februar1840 war seine Berufung als Rabbiner in Koblenz vom Bonner Konsistorium hintertrieben worden.21

19 Israelitische Annalen vom 16.8.1839, S. 260. Ob diese Preisschrift zum Führen des akademischen Titels „Doktor“ berechtigte, geht aus den Un- terlagen der Universität Bonn nicht hervor. Das Biographische Handbuch der Rabbiner, Bd. 1, hrsg. von Michael Brocke und Julius Carlebach, München 2004, gibt an, dass Joseph Kahn promoviert sei, ohne eine Quelle zu nennen. Vgl. Ebda., S. 500. 20 Allgemeine Zeitung des Judentums vom 5.3.1842, S. 137. Das Biographi- sche Handbuch der Rabbiner erwähnt in seinem Beitrag zu Joseph Kahn den Aufenthalt in Saarlouis nicht, vgl. S. 500. Zur jüdischen Gemeinde Saarwellingen hatte er ein besonders intensives Verhältnis, wie die Ge- schenke zu seiner Amtseinführung und zu seinem 25jährigen Amtsjubilä- um nahe legen. Information von Richard Almond MD, Palo Alto, Califor- nien. 21 Biographisches Handbuch der Rabbiner, S. 500. 73 Amtseinführung

Mit 19 von 25 Wahlmännerstimmen wurde Joseph Kahn am 18. August 1841 zum Oberrabbiner von Trier gewählt.22 Seine rabbinische Ordination erhielt er durch die Reformrab- biner Lion Ullmann (Krefeld, 24. August 1841), Joseph Fried- länder (Brilon, 25. August 1841) und Abraham Geiger (Bres- lau, 27. Oktober 1841).23 Seine Amtseinführung als Oberrabbiner von Trier fand am 15. Dezember 1841 statt. Joseph Kahn war am Sonntag, dem 12. Dezember, in Saarlouis aufgebrochen, hatte am Tag darauf seinem Heimatdorf Wawern einen Besuch abgestattet und war, von mehreren Gemeindemitgliedern begleitet, nach Trier wei- tergereist. Dort angekommen, wurde er „von der ganzen im Synagogenhause versammelten Gemeinde freudig und feier- lich begrüßt, und in seine von der hiesigen Gemeinde schön ausmöblirten Wohnung gebracht, wo die vornehmsten Frauen von hier sich fanden und geschmackvoll den Tisch mit den schönsten Konfituren geziert hatten. Des andern Tages er- schienen Deputationen aus den nächsten Ortschaften des Rab- binats. Auf Mittwoch sodann war die feierliche Installation durch die Landräthliche Behörde einberaumt. Schon 8 Tage vorher hatte unser Herr Oberbürgermeister und Landrath – als Kommissarius der Regierung bei diesem Wahlakte, alle Land- räthe und Oberbürgermeister des ganzen Regierungsbezirkes aufgefordert, allen Israeliten den Tag der Installation bekannt zu machen, damit jeder der Feierlichkeit beiwohnen könne, welches auch in allen Synagogen geschah“.24 Die Amtseinfüh- rung fand in der Landrathur statt. Sämtliche israelitische Bür- ger hätten sich dort eingefunden sowie der „Königliche Land-

22 Heinz Monz gibt an, dass für die Wahlentscheidung zugunsten von Joseph Kahn als Oberrabbiner von Trier entscheidend war, dass er über eine Uni- versitätsbildung verfügte. Vgl. Beiträge zur Geschichte der Juden von Thalfang, Anm. 99, S. 90. 23 Biographisches Handbuch der Rabbiner, S. 500. 24 Ebda. 74 rath“, die Mitglieder des israelitischen Konsistoriums und mehrere andere Notabeln. Nachdem Joseph Kahn gemäß sei- ner Ernennung der großen Zahl der Israeliten von der „König- lichen Regierung“ vorgestellt worden war, hätten die beiden Konsistorialmitglieder Herr S. Allmayer und Herr N. Lazar ihn vereidigt. Anschließend habe der neue Oberrabbiner „sehr ergreifende Worte zum Danke und zur Angelobung treuer Er- füllung seines nun anzutretenden Berufs“ gesprochen. Am Nachmittag habe der Vorsteher Herr Allmayer der Oberrabbi- ner, den Notabilitäten und Fremden ein Diner gegeben. Am Abend habe die israelitische Schuljugend dem Oberrabbiner eine „Gesangständchen mit Fackeln“ dargebracht und ihm einen wertvollen Siegelring als Geschenk überreicht. Am 18. Dezember fand die Einführung in der festlich ge- schmückten Synagoge in Anwesenheit des Königlichen Land- raths, mehrerer Regierungsräthe, vieler anderer Honoratioren christlicher Bürger und einer großen Zahl von Israeliten statt. Der Rabbinatsverweser Herr Lambert Schloß führte den Ober- rabbiner zur Kanzel, wo er an den Oberrabbiner gerichtet eine Ansprache zu 4 Mose 27, 18 hielt, die diesem die Funktionen seines Amtes übergab; anschließend erteilte er „aus vollem Herzen“ den priesterlichen Segen. Daraufhin habe der neue Oberrabbiner mit seiner Ansprache begonnen. Zuerst habe er seine Jugendgeschichte geschildert, die ihn zu diesem geistli- chen Amt geführt hätte. Danach sei er auf den politischen und religiösen Fortschritt des Judentums seit Mendelssohn einge- gangen, der auch zum gründlichen und wissenschaftlichen Streben der jüdischen Geistlichen beigetragen habe. Er selbst habe sich als Vertreter dieser neuen Richtung ausgegeben. Seine Position habe er mit der Textstelle Jesaias 54, 13 be- gründet. Die Zuhörer hätten in „tiefster Andacht den Worten“ gelauscht; diese Predigt habe allgemeinen Beifall gefunden.25

25 Ebda., S. 138. Die Israelitische Gemeinde Saarwellingen schenkte Joseph Kahn einen silbernen Kiddusch-Becher mit der Widmung: „Ihrem lieben Oberrabbiner Herrn Joseph Kahn von Saarwellingen als Zeichen der Liebe und Hochachtung am 1. Februar 1842.“ Im Besitz von Richard 75 Familiengründung

Joseph Kahn heiratete am 14. Oktober 1844 im Alter von 35 Jahren in Leer die 21jährige Rebekka van Biema aus Leer in Ostfriesland.26 Die Trauung wurde von Landrabbiner Hirsch aus Emden vollzogen. Da die Stadt Leer zum Königreich Hannover gehörte, das künftige Ehepaar aber in Trier, das im Königreich Preußen lag, leben wollte, hatte der Königlich- Preußische Landrath und Oberbürgermeister in Trier am 29. September 1844 „die Obrigkeitliche Erlaubniß ertheilt“, dass der Herr Oberrabbiner Joseph Kahn in Leer die Tochter des Kaufmanns Samuel van Biema heiraten dürfe. Der Königlich- Preußische Landrath und Oberbürgermeister von Trier hatte weiterhin attestiert, dass Fräulein Rebecca van Biema durch ihre Verehelichung mit dem

Einträge zur Eheschließung von Joseph Kahn und Rebecca Kahn, geb. van Biema, Quelle: Heiratsregister der Stadt Leer aus dem Jahre 1844, Stadtarchiv Leer

Almond MD, Palo Alto, Californien. 26 Heiratsregister der Stadt Leer für das Jahr 1844, Nr. 21; Rebekka van Biema wurde im Jahre 1823 geboren. Ihre Eltern waren der Grossist Samuel van Biema und Sara, geb. Cohn, die bereits 1840 verstarben war; im Heiratsregister der Stadt Trier für das 1844, Nr. 258 ist die in Leer vollzogene Trauung am 18. Dezember 1844 eingetragen worden. 76 Bescheinigung des Oberbürgermeisters von Trier für Joseph Kahn, Quelle: Stadtarchiv Leer

Oberrabbiner Joseph Kahn eine preußische Unterthanin wer- de.27 Die Adressbücher der Stadt Trier geben an, dass die Fa- milie Joseph Kahn 1848 in der Fleischstraße, Nummer 476 wohnte.28 Im Jahre 1858 ist sie in der Metzelstraße, Nr. 103 gemeldet, wo sie auch noch 1871 ihr Domizil hatte.29 Das Adressbuch

27 Stadtarchiv Leer, schriftliche Information vom 1.12.2008. 28 Adressbuch der Stadt Trier von 1848. 29 Adressbücher der Stadt Trier 1861, 1864, 1867, 1868, 1871; heute trägt dieses Haus die Nummer 26. 77 von 1875, dem Todesjahr des Oberrabbiners, weist Joseph Kahn nicht mehr unter Metzelstraße, Nr. 103, aus.30 Das Ehepaar Kahn hatte drei Kinder:

1. Bertha, geb. am 16. Februar 184631 2. Sara Sophia, geb. am 19. Oktober 184932

30 Adressbuch 1875. 31 Geburtsregister der Stadt Trier von 1846, Nr. 115; Bertha heiratete am 3. Juli 1865 den Kaufmann Leib Samuel aus Amsterdam, der am 27.7.1829 in Freudenburg geboren wurde. Er ist der Sohn von Jacob Samuel und seiner Ehefrau Reitz, geb. Kahn, vgl. Stadtarchiv Trier, Heiratsregister 1865, Nr. 82; vgl. ebenso stadsarchief amsterdam H 1865, vol. 8, p. 72v. – Jacob Samuel war der Vormund von Joseph Kahn gewesen, vgl. Anm. 22, S. 19. - Am 24. Februar 1868 wurde dem Ehepaar Samuel-Kahn in Ams- terdam der Sohn Siegfried geboren. Am 3. April 1870 kamen die Zwillin- ge Joseph und die Rebecca zur Welt. Vgl. stadsarchief amsterdam BR 1874-1892, vol. 244, p. 77. Joseph war wie sein Vater Kaufmann gewe- sen. Rebecca hieß verheiratet de Bruin. Beide Kinder wurden in Sobibor von den Nationalsozialisten ermordet. Am 4. Juni 1943 starb Joseph (stadsarchief amsterdam, Auskunft am 16.2.2009) und am 16.4.1943 starb Rebecca. Vgl. http://yadvashem.org/wps/portal/ 20.2.2009. In dieser Familie lebte seit dem 20. 11.1875 der am 28.3.1861 in Freudenburg geborene Samuel Samuel (stadsarchief amsterdam vol. 143,p.141), Sohn von Israel Samuel und Susanna Levy (Standesamt Saarburg, Geburtsakt Nr. 16), vgl. auch Heidt/ Lennartz: Fast vergessene Zeugen, S. 287, 302 und 377. Israel Samuel ist nicht der jüngste Sohn von Jacob Samuel; denn nach ihm wurde 1829 Leib Samuel geboren, vgl. Stadtarchiv Trier, Hei- ratsregister 1865, Nr. 82, ebenso stadsarchief amsterdam H 1865, p. 72. Israels Sohn Samuel ist der dritte Samuel Samuel in Freudenburg. Er kommt dort in den Steuerlisten nicht vor, weil er mit vierzehn Jahren nach Amsterdam übergesiedelt war. 32 Geburtsregister der Stadt Trier von 1849, Nr. 764; bisher sind keine weite- ren Lebensdaten von Sara Sophia Kahn bekannt. Die Vermutung, dass sie nach Amsterdam verzogen war, hat das stadsarchief amsterdam nicht bestätigen können. (12.3.2009) Die Namen Rosa und Sara Kahn finden sich in einer Liste des Schiffes Frisia vom 21. 8. 1872, das nach New York startetete. Vgl. Hamburger Passenger List aus Progenealogist. Die- ses Schiff kam am 5.9.1872 in New York an. (http://www.castlegarden.org/search). Die angegebenen Lebensalter stimmen in etwa mit den Daten aus Trier von Rosa und Sara Kahn über- ein. Es fehlen Informationen zum Herkunftsort und zur Provinz. Verläss- liche Schlüsse lassen sich aus diesen Angaben kaum ziehen. 78 3.

Geburtsurkunde für Sara Sophia Kahn, Stadtarchiv Trier

79 3. Rosa Emilia, geb. am 28. November 185033

Joseph Kahn schloss in der Familie seiner Frau als Ober- rabbiner von Trier mehrere Ehen. Am 11. Juni 1850 traute er seine Schwägerin Rosetta van Biema mit dem Kaufmann Juli- us Vallenstein aus Berlin. Weiterhin schloss er, vermutlich um 1860, die zweite Ehe seines Schwagers Benjamin Samuel van Biema, geb. 1821, mit der 1839 geborenen Julie Wolfers. Am 14. Mai 1864 verheiratete sich seine Schwägerin Johanna van Biema mit dem Amsterdamer Arzt Dr. Abraham Israel. Auch hier vollzog Joseph Kahn die Trauzeremonie.34 Zu diesem Zeitpunkt lebte Joseph Kahns Ehefrau nicht mehr, denn sie war 20. Juli 1858 im Alter von 34 Jahren ver- storben.35 In der Zeitschrift „Der israelitische Volkslehrer“ vom Oktober 1858 entschuldigt sich der Oberrabbiner wegen eines überfälligen Artikels über das „Haindorf´sche israeliti- sche Lehrerseminar“ in Münster mit den Worten: „Durch höchst traurige Familienereignisse verspätet“.36 In derselben Ausgabe berichtet ein mit den Initialen „L.O.“ unterzeichneter Artikel, dass man sich in Trier mit dem „frommen und löbli- chen Vorhaben“ beschäftige, „der ausgezeichneten und Allen, die sie kannten, unvergesslichen seligen Gattin“ des Herrn Oberrabbiners Kahn ein „geeignetes Andenken“ in der „im Bau begriffenen neuen Synagoge stiften zu wollen“.37 Dieses Anliegen soll aus „freiwilligen Beiträgen von zahlreichen Freunden und Freundinnen, Anverwandten und Verehrern der, mit seltenen Gaben des Geistes und Herzens ausgestatteten

33 Geburtsregister der Stadt Trier von 1850, Nr. 858; auch von Rosa Emilia fehlen weitere gesicherte Informationen. Siehe Anm. 45. 34 Stadtarchiv Leer, schriftliche Information vom 1.12.2008; Vgl. auch Ben Chananja vom 20.6.1865, S. 422. 35 Stadtarchiv Trier; sie wurde am 22. Juli 1858 auf dem jüdischen Friedhof in der Weidegasse in Trier beerdigt. Ihr Grabstein ist noch erhalten, vgl. Haller: Der Jüdische Friedhof an der Weidegasse in Trier, S. 237. 36 Der israelitische Volkslehrer, Oktober 1858, S. 318; dieser Beitrag wurde im August 1858 verfasst. 37 Ebda., S. 331. 80 Frau begründet werden“. Der Verfasser bejaht dieses Vorha- ben, weil „der schmerzliche Hintritt und die wehmutsvolle Erinnerung an jene theuere, so tief verehrte Freundin“ dies gebiete; es soll den „schwer gebeugten Freund“ (Joseph Kahn) trösten. Während der Grundsteinlegung der neuen Synagoge soll eine Tochter der Verstorbenen ein Gedicht vortragen, welches „die Verewigte gedichtet“ habe, und worin „sich ihre schöne fromme Seele klar abspiegelt“.38 Das „Biographische Handbuch der Rabbiner“ gibt mit Ver- weis auf die Dezennaltabellen 1843-1853 des Stadtarchivs Trier an, dass Joseph Kahn ein zweites Mal geheiratet hatte. Die Heiratsurkunde vom 2. Juli 1848 bezieht sich allerdings auf eine Person, die auch Joseph Kahn heißt, die aber am 14. März 1825 geboren wurde und von Beruf Schumacher gewe- sen war.39 Am 26. August 1867 äußerte Joseph Kahn am Ende eines Kuraufenthalts in Bad Ems, dass er beabsichtige, seine Kinder in Amsterdam zu besuchen. Offenbar hielten sich mehrere seiner Kinder dort auf. Zu diesem Zeitpunkt war mindestens eine seiner Töchter dort verheiratet. Seine Tochter Bertha Kahn hatte am 3. Juli 1865 den Kaufmann Leib Samuel aus Amsterdam geheiratet, der in Freudenburg geboren wurde. In Amsterdam publizierte er theologische Texte in der jüdischen Zeitschrift „Nieuw Isr. Weekblad“ im Jahre 1866. Anlässlich eines Besuchs seiner Tochter im Jahre 1875 starb Joseph Kahn in Amsterdam.

38 Ebda. Als Andenken für Frau Kahn wählte das eigens zu diesem Zweck gebildete „Comite“ unter Leitung von Dr. Adelheim eine pracht- volle Kanzel. Vgl. Der Israelitische Volkslehrer, März 1859, S. 101. Die Kanzel stand rechts neben dem Thoraschrein, erinnert sich Alice Resse- guie, geb. Goldstein, in Eugene, Oregon, USA (14.1.2009). Das Städti- sche Museum verwahrt ein unveröffentlichtes Foto vom Innenraum der Trierer Synagoge, auf dem die Kanzel zu sehen ist. Dieses Foto bestätigt die Angaben von Frau Resseguie. 39 Biographisches Handbuch der Rabbiner, S. 501; Dezennaltabellen der Stadt Trier von 1843-1853, Stadtarchiv Trier. Vgl. Heiratsurkunde vom 2. Juli 1848 im Stadtarchiv Trier. 81 In Luxemburg

Joseph Kahn unterhielt zur jüdischen Gemeinde Luxem- burg gute Beziehungen. Dies zeigt sich einerseits daran, dass seine Mutter von Wawern nach Luxemburg gezogen war, und er andererseits noch vor seinem Amtsantritt als Oberrabbiner von Trier am Pesachfest 1840 in Anwesenheit des Königlichen Großherzogs Wilhelm II. eine vielbeachtete Predigt gehalten hatte, die im Druck vorliegt.40 Wenige Jahre später trat er als Oberrabbiner von Trier öffentlich in Erscheinung, als sein Studienkollege aus der Bonner Zeit, Samuel Hirsch (1815- 1889), in Luxemburg in das Amt des Großrabbiners eingeführt wurde. Diese Feier fand am 23. Juni 1843 statt. Am 20. Juni hatten sich bereits die Luxemburger Gemeindevertreter in Trier eingefunden, offenbar um in Trier ihren neuen Oberrab- biner zu treffen und die Feierlichkeiten zu besprechen. - Sa- muel Hirsch war vor seiner Amtseinführung in Luxemburg Rabbiner in Dessau gewesen. - Gemeinsam mit den beiden Geistlichen trafen die Gemeindevertreter am 23. Juni um 5 Uhr in der Synagoge in Luxemburg ein. Da Joseph Kahn we- gen seiner „lehrreichen Predigten“ in guter Erinnerung war, sollte „seine Gegenwart zur Feierlichkeit dieses Tages“ beitra- gen. Nachdem weißgekleidete Mädchen der israelitischen Schule den neuen Oberrabbiner überrascht hätten und ein reli- giöses Chorlied vorgetragen worden sei, habe der Trierer Oberrabbiner Kahn eine „kurze, aber dem Zweck der Sache ganz angemessene Rede gehalten, zu welcher er den Text des Psalmisten gewählt hätte: „Dieses ist der Tag, den der Ewige

40 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 299; Heinz Monz da- tiert diese Predigt auf das Jahr 1841. Vgl. Heinz Monz: Samuel Hirsch. Ein jüdischer Reformator aus dem Hunsrück, in: Beiträge zur Geschichte der Juden in Thalfang, S. 90. 82 Oberrabbiner Joseph Kahn Foto von Richard Almond MD, Palo Alto,Californien,

83 Rebecca Kahn, geb. van Biema, Foto von Richard Almond MD., Palo Alto, Californien 84 gemacht, lasst uns an demselben uns freuen und fröhlich sein“. Die Gemeinde könne glücklich sein, einen „so aufgeklärten und in jeder Beziehung achtungswürdigen Mann, der sich bereits in der gelehrten Welt einen Namen erworben“ habe, zum Vorsteher zu haben. Diese gehaltvolle Rede Kahns sei ein Beweis, „wie sehr ihm das Wohl dieser Gemeinde [Luxem- burg] am Herzen liege.41 Nach Angaben der Allgemeine Zei- tung des Judenthums vom 10. Juni 1844 soll Joseph Kahn versucht haben, bevor er Oberrabbiner von Trier wurde, in Luxemburg selbst Rabbiner zu werden. Die Einrichtung eines Rabbinats in Luxemburg wird auf sein Bestreben zurückge- führt. Außerdem hätte er Verwandte in Luxemburg.42 Heinz Monz vermutet, dass Joseph Kahn die Besetzung des Rabbinatsamtes in Luxemburg mit seinen Freund Samuel Hirsch beeinflusst habe.43

Wawern, das Heimatdorf von Joseph Kahn, ein Modell für Toleranz und Mitmenschlichkeit

Joseph Kahn ist nach Auskunft jüdischer Zeitschriften zweimal im Rahmen besonderer Ereignisse, wie bereits be- richtet, in sein Heimatdorf zurückgekehrt, einmal, als er von Saarlouis kommend, wo er in der dortigen Synagogengemein- de tätig war, um in Trier als Oberrabbiner eingeführt zu wer- den, und ein zweites Mal, als er den Neubau der dortigen Sy- nagoge einweihte.

41 Der Orient, 1.8.1843, S. 244; dieser Artikel geht davon aus, dass Joseph Kahn schon „oft“ in Luxemburg gepredigt hat, so dass die gedruckte Predigt zum Pesach-Fest 1840 nicht die einzige ist. Nach Angaben der Allgemeinen Zeitung des Judenthums vom 10. Juni 1844 soll Joseph Kahn versucht haben, in Luxemburg Rabbiner zu werden. 42 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 10.6.1844, S. 326-328. 43 Heinz Monz: Samuel Hirsch, in: Beiträge zur Geschichte der Juden in Thalfang, S. 90. 85 Zum ersten Besuch am 5. März 1842 berichtete die „All- gemeine Zeitschrift des Judenthums“, dass Joseph Kahn am 13. Dezember 1841 in Wawern eingetroffen sei. Dabei seien ihm „zum Empfange“ (...) „fünf Wagen mit dem Vorstande an der Spitze“ entgegen gefahren44 Dort sei beim Ortsvorsteher Herrn Herz Wolf eine festliche Tafel abgehalten worden, be- vor der Zug, dem sich mehrere Gemeindemitglieder ange- schlossen hätten, nach Trier weitergezogen sei, wo am Mitt- woch, dem 15. Dezember die Feier zur Amtseinführung statt- fand.45 Offenbar war die Freude in Wawern sehr groß, dass ein Sohn der Gemeinde das Amt des Oberrabbiners in Trier be- kleiden durfte. Deswegen würdigte man ihn in Formen des 19. Jahrhunderts, die nur besonderen öffentlichen Persönlichkei- ten, wie dem Kaiser oder dem Bischof zuteilwurden. Als am 13. August 1844 in Wawern eine neue Synagoge eingeweiht wurde, weilte Oberrabbiner Joseph Kahn wieder in seinem Heimatdorf, wie die Zeitung „Der Israelit im neun- zehnten Jahrhundert“ in der Ausgabe vom 3. November 1844 berichtet, weil er die sakralen Handlungen vornahm. Der Ver- fasser legt Wert darauf zu berichten, dass viele und angesehe- ne Bürger zu diesem Anlass nach Wawern kamen: Die meisten Beamten, viele der ersten Bürger aus der Umgebung von Saarburg46 und einige katholische Geistliche seien eingetrof- fen, um an den Feierlichkeiten teilzunehmen. Letztere hätten

44 Allgemeine Zeitung des Judentums vom 5.3.1843, S. 137; der Verfasser dieses Artikels führt aus, dass sich Joseph Kahn vor seiner Amtseinfüh- rung in Trier eineinhalb Jahre in Saarlouis aufgehalten hatte. Nach Aus- kunft des Standesamts Saarlouis findet sich jedoch keine Eintragung zu Joseph Kahn im dortigen Melderegister. Allerdings wird Joseph Kahn in einer Festschrift zum 100jährigen Bestehen der Saarlouiser Synagoge in der Silberherz-Straße genannt. E-Mail-Auskunft des Standesamtes Saar- louis vom 5.11.2008. 45 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 5.3.1843, S. 137. 46 Im Text steht der Name „Sonneburg“, doch es dürfte sich um eine Ver- schreibung für Saarburg handeln, da alle weiteren Informationen keinen Zweifel daran lassen, dass nur die Synagogeneinweihungsfeier in Wawern gemeint sein kann, das in der Nähe der kleinen Stadt Saarburg liegt. 86 sich „sehr günstig über die ganze Feierlichkeit, besonders über den Choralgesang und die Predigt“ geäußert. Da die ortsansäs- sigen Juden die überaus zahlreichen Gäste von der Mosel, von der Saar und aus Luxemburg nicht alle in ihren Häusern auf- nehmen konnten, hätten die katholischen Einwohner „ihre Stuben und ihre Betten unentgeltlich zur Verfügung ihrer an- ders glaubenden Mitbrüder“ gestellt. Während der drei Tage dauernden Feierlichkeiten habe nichts das „beste Vernehmen“ getrübt.47 Dieser Zeitungsartikel soll den „neueren Angriffen auf To- leranz und Duldung, die ein nahes Blatt sich erlaubt“, entge- genwirken. Die Vorgänge in Wawern erhalten damit Vorbild- charakter für ein Modell des Zusammenlebens von Juden und Christen, das von Toleranz und Mitmenschlichkeit geprägt ist. Das Abschreckende der „grausamen Judenverfolgung“ wird dem Mittelalter zugeordnet. Die christlichen Bürger der Ge- genwart seien geprägt vom Geist „unserer höchst humanen Regierung zu Trier“ und „unserer sehr freien und ausgezeich- neten Zeitung, die fast in jeder Nummer Günstiges über Juden und für dieselben bringt“.48 Es ist nicht zu übersehen, dass dieser Artikel die aufgeklärte Obrigkeit und die liberale Presse als Ursache für dieses günstige geistige Klima nennt. Zu die- sem Klima trägt auch die jüdische Gemeinde von Trier bei, die am Thora-Freudenfest des Jahres 1843 Joseph Kahn einen silbernen Pokal überreicht in „Anerkennung und Würdigung [seines] religiösen Eifers und fortwährenden Strebens, die Institutionen unserer Gemeinde auf Grundsätzen der Gerech- tigkeit und Billigkeit zu erhalten“.49

47 Zitiert wird aus der „Trierischen Zeitung“ Nr. 228 vom 13. August; vgl. Der Israelit im neunzehnten Jahrhundert vom 3.11.1844, S. 358/359. 48 Ebda.., S. 358; mit dem Ausdruck „nahes Blatt“ könnte eine Zeitung in Trier gemeint sein, die nicht den liberalen Tendenzen der „Trierschen Zeitung“ folgte. 49 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 4.9.1843, S. 695/696. 87 Joseph Kahn als Reformer des Judentums

Joseph Kahn war am 18. August 1841 von fünfundzwanzig „Notablen aus dem ganzen Regierungsbezirk“ mit neunzehn Stimmen aus vier Bewerbern zum Rabbiner gewählt worden.50 Er verstand sich als eine Person, die das Judentum weiterent- wickeln wollte. Seine theologische Position kommt sehr gut in Überlegungen zum Ausdruck, die vor der zweiten Rabbiner- konferenz in Frankfurt am Main (15. 7. bis 7. 8.1845) im Juni 1845 veröffentlicht wurden. Seine Ausführungen beziehen sich auf die Art und Weise, wie in der Versammlung beraten werden sollte. Zuerst ging er auf die unterschiedlichen Be- wusstseinslagen der einzelnen Gemeinden ein. Er drängte des- wegen nicht auf eine radikale Veränderung, sondern setzte auf einen Weg, der die Gemeinden „allmälig“ weiter bringen wer- de. Aus diesem Grund empfahl er der künftigen Versamm- lung, „nur solche Gegenstände vor das Forum unserer Berat- hungen (zu) bringen, die jetzt am Nöthigsten und daher auch zu realisieren sind“,51 Es sollten Themen erörtert werden, „de- ren Lösung allgemein gewünscht und die daher auch allent- halben jetzt schon den besten und segensreichsten Erfolg ha- ben“ würden. Trotz des „grausamen Dranges nach einer ent- schiedenen und durchgreifenden Reform im Judenthum“, der weit verbreitet sei, solle an die gedacht werden, „die einen solchen Drang nicht fühlen und ihn nicht einmal begreifen können, die aber dennoch aus innigsten, religiösen Antriebe eine zeit- und verhältnisgemäße Umgestaltung mancher Dinge sehnlichst wünschen“.52 Joseph Kahn dachte an die Folgen zu

50 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 11.9.1841, S. 523; die Zeitung Der Orient, die in mehreren Beiträgen den Kandidaten Moses Heß favori- siert hatte, berichtete erst am 19.2.1842 enttäuscht von der Rabbinatswahl am 18.8.1841 in Trier. Heß sei nicht zum Zuge gekommen, weil er in Trier „heimisch“ sei und zahlreiche nicht gerade beliebte Verwandte in dieser Stadt habe. Der Orient blieb bis 1846 die einzige Zeitung, die über aus kritische Beiträge gegen den Kurs von Joseph Kahn veröffentlichte. 51 Ebda. 52 Ebda.; Joseph Kahn teilt diese Position mit seinem Amtskollegen Sa- 88 großer Sprünge für die „Langsamen“ im Reformprozess. Er befürchtete, dass diese enttäuscht werden könnten und so in die „Hände und hierarchische Macht polnischer Rabbiner“ gelangen könnten.53 Deswegen schlug er vor, im Augenblick keine Prinzipien festzulegen, sondern zuerst umfangreiche Beratungen durchzuführen. Damit nicht ziellos diskutiert wer- de, solle in den ersten Sitzungen festgelegt werden, welche Anträge und Vorschläge beraten werden sollten. Seine prag- matische Haltung zeigt sich ebenso in seinem Vorschlag, die Beratungen nicht öffentlich abzuhalten, da dies „zu so vielem Unehrlichem und Schändlichem Veranlassung“ geben werde. Er fürchtet nicht die Altgläubigen, sondern die „Heuchler“ und die „Eiteln“, die selbst den Untergang des Judentums nicht scheuten. Um letztere auszuschließen, schlug er vor, „Einlaß- karten“ zu vergeben. Auf die zu erwartenden Beschlüsse be- zogen, lehnt er die Annahme der „Majorität“ ab, weil ja „ge- mäß der Bestimmungen“ nur beraten werden solle. Stattdessen solle angegeben werden, wie viele dafür und wie viele dage- gen gestimmt hatten.54 Darüber hinaus kam Joseph Kahn die Aufgabe zu, in den Wirren der Zeit Angriffe gegen den Kurs der fortschrittlichen Rabbiner abzuwehren. In der Ausgabe der „Allgemeinen Zei- tung des Judenthums“ vom 30. Juni 1845 wehrte er sich gegen unaufrichtige Kritiker aus den eigenen Reihen. Er sprach vom „schändlichen Treiben und Schleichen im Dunkel der amster- damer und frankfurter Heiligen, denen kein Mittel zu schlecht, keine Lüge zu groß ist, um die Rabbinerversammlung und deren Theilnehmer bei dem Volke und den Behörden zu ver- dächtigen, zu verleumden und Zwietracht zwischen den Ge-

muel Hirsch aus Luxemburg, der wie er an den Reform-Rabbiner-Kon- gressen in Braunschweig (1844), Frankfurt a.M. (1845) und Breslau (1846) teilgenommen hatte. Joseph Kahn begleitete diesen, als er 1843 in Luxemburg als Großrabbiner eingeführt wurde. Vgl. Monz: Beiträge zur Geschichte der Juden von Thalfang, S. 89 und 90, Anm.99. 53 Ebda., S. 424. 54 Ebda. 89 meinden und deren Rabbinern zu stiften“.55 Diese Angriffe belasteten ihn offenbar sehr stark, denn er spricht von hefti- gem Feuer, das ihn gewaltig aufrege. Er wisse sich dennoch getragen von seinen Gemeinden, die im „Geiste des ächten, religiösen Fortschrittes“ erkannt hätten, dass der Gottesdienst, der Jugendunterricht, die Gemeindeangelegenheiten und die bürgerlichen Verhältnisse einer Reform bedürften, für die „keine Mühen und Opfer“ gescheut werden dürften. Die Ge- genseite gebe das Judentum dem “gänzlichen Verfall“ preis, weil sie „unthätig“ in ihren vier Wänden hockten, „sich um Alles nicht kümmernd“.56 Als Höhepunkt dieser nicht nur ge- gen ihn als Einzelperson geführten Kampagne kann die Veröf- fentlichung eines Schreibens einiger Mitglieder der Trierer jüdischen Gemeinde gegen die Rabbinerversammlungen in „Der Orient“ angesehen werden. Er habe sich „der sogenann- ten Rabbinerversammlung“ schon zweimal angeschlossen, die sich „außerhalb des rabbinischen und positiv-historischen Ju- denthums“ befände. Die Unterzeichner befürchteten, dass der Friede in der Gemeinde zerstört werde. Sie forderten, „dasje- nige aufzugeben, was wir für Irrlehren erkennen“, und das nicht „zu tadeln, was uns allen heilig ist.“57 Konflikte existieren aber auch am anderen Rand des Juden- tums dieser Zeit. So wurde Joseph Kahn im Jahre 1844 aufge- fordert, sich zum „neuen Reformverein“ schriftlich zu äußern, in dem Familien ihre Jungen nicht mehr beschneiden lassen wollten. Er lehnte es ab, in Form eines theologischen Gutach- tens auf Angelegenheiten von Laien, deren Absicht es sei, den Offenbarungsglauben zu vernichten, zu antworten. In solchen Fällen sei es besser zu schweigen. Aufgabe eines Rabbiners sei es, sich mit „der Erhaltung unserer heiligen und göttlichen Religion“ zu befassen und durch Beispiele und Belehrung gegen unjüdische Grundsätze zu wirken. Das Ziel rabbinischer Tätigkeit sei es, durch „zeitgemäßes, dem Geiste unserer Reli-

55 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 30.6.1845, S. 412. 56 Ebda., S. 412/413. 57 Der Orient vom 24. 9.1845, S. 307/308. 90 gion entsprechendes, vernünftiges Fortschreiten (...) in aller Herzen aufrichtige Liebe, wahre Anhänglichkeit und innere Begeisterung“ zu bewirken, „damit die Schwachen und die Wankenden (...) erstarken und fester werden und bleiben und diejenigen, welche schon fast entsagt haben, aus Liebe und Freude in ihren Schoß wieder zurückkehren“.58 Die Fragestellung nach der Zulässigkeit der Nicht-Be- schneidung versucht er wie folgt zu klären: Die Beschneidung sei ein mosaisches Gebot und daher Pflicht jedes Israeliten. Denen, die jüdische Familien, die die Beschneidung ablehnen, aus der „Gesamtheit Israels“ ausschließen möchten, hielt er entgegen, dass die Beschneidung nicht die Bedingung des Judentums sei. Das Judentum sei eine Religion der Liebe, der Freiheit und der Überzeugung. Der Geist Gottes sei Geist der Weisheit, der Wahrheit und der Liebe. Deswegen riet er, in strittigen Fragen zu belehren, zu erörtern und sich gründlich auseinander zu setzen, um „dem weiteren Umsichgreifen die- ses Lossagens Einhalt zu thun“.59 Die Verantwortung, die Joseph Kahn für seinen Sprengel übernommen hatte, hinderte ihn allerdings nicht, über die Re- gion hinaus aktiv zu werden. So verteidigt er im Jahre 1861 beispielsweise seinen Rabbinerkollegen Schwarz in Köln ge- gen Angriffe,60 engagiert sich auf mehreren Rabbinerkonfe- renzen im deutschsprachigen Raum und beschrieb die Situati- on der Juden in Amsterdam in einem umfangreichen Beitrag.61 Wenn er sich zur Kur begab, nutzte er die freie Zeit, um die jüdischen Verhältnisse der Umgebung zu erkunden.62

58 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 17.6.1844, S. 346/347. 59 Ebda., S. 347. 60 Ben Chananja vom 22.11.1861, S. 406. 61 Ben Chananja vom 14.2.1866, S.133/159/179/186/233/258/294/335/353. 62 Ben Chananja vom 14.2.1866, S. 791; Grundlage seines Artikels war sein Kuraufenthalt vom 16. August bis Anfang September 1866 in Bad Cann- stadt; außerdem ist ein Kuraufenthalt in Bad Ems bekannt. 91 Joseph Kahn und der preußische Staat

Bereits in seiner Einführungsfeier zum Oberrabbiner von Trier am 19. Dezember 1841 wurde deutlich, dass das Amt des Oberrabbiners keine rein jüdische Angelegenheit war, denn nach der Wahl durch das jüdische Konsistorium sprach der königliche Landrat seine Ernennung aus. Gleiches galt auch für die beiden Konsistorialmitglieder Altmeyer und Lazar.63 In seiner anschließenden Dankrede legt der neue Oberrabbiner das „heilige Versprechen“ ab, sein neues Amt „gegen unseren allgeliebten und allgnädigsten König, gegen unser geliebtes Vaterland und gegen meine Israeliten treu und gewissenhaft zu erfüllen“, (...) „meine Pflegekinder über ihre Pflichten gegen König und Vaterland so unterweisen, dass sie immer bereit seien für dieselben ihr Gut und Blut aufzuopfern,“ (...) all un- sere Kräfte und Fähigkeiten dem König und dem Vaterlande zu widmen“. Die Dankrede endet mit einem Segensspruch: „Gott segne den König, Gott segne das Vaterland, Gott segne unsre Stadt. Amen“.64 Es fällt auf, dass der König an erster Stelle genannt wird, gefolgt vom Vaterland, und erst am Schluss die Israeliten thematisiert werden. Aus heutiger Sicht vermittelt diese Situation den Eindruck, dass Joseph Kahn den König und sein monarchistisches System vorbehaltlos bejahte. Doch muss beachtet werden, dass hier Formelhaftes und die Etikette eine wichtige Rolle spielten. Joseph Kahn wusste um die nicht eingelöste Gleichstellung der Juden in der preußi- schen Gesellschaft. Die Hoffnung auf eine allmähliche Verän- derung hatte er noch nicht aufgegeben. Der König aber war nicht prinzipiell sein Gegner, da er ein Klima der Toleranz begünstigte. Zuversichtlich stimmte ihn eine Petition zur Gleichstellung der Juden an den rheinischen Provinzial- Landtag, die von 150 gebildeten Trierer Bürgern im Jahre 1843 verfasst und unterschrieben wurde. Die Kernaussage

63 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 5.3.1842, S. 137. 64 Ebda. 92 dieser Petition lautete: „Gesetzliche Veränderungen, welche als nahe bevorstehend und die ganze bürgerliche Stellung der Israeliten, jedenfalls aber ihre Kultus- und Schulverhältnisse betreffend, von Wohlunterrichteten bezeichnet werden, haben die übrigen Städte des Rheinlandes bewogen, schon jetzt ihre, auf den, keinerlei Einschränkung duldenden Prinzipien der Rechtsgleichheit, wie auf der in den benachbarten Landen gemachten Erfahrung beruhenden Ansichten und Wünsche verfassungsgemäß zur Kenntnis S(eine)r. M(a)j(estät) des Königs zu bringen“.65 Die Unterzeichner mahnten das am 5. April 1815 „feierlich ertheilte Versprechen“ des preußischen Staates „die unter der Herrschaft der französischen Gesetzge- bung eingetretene, beinahe völlige Gleichstellung der hiesigen Israeliten in politischen und bürgerlichen Rechten“ an. Statt der damals „erhofften und in Frankreich wirklich erfolgten Aufhebung des letzten Überbleibsels hundertjähriger Unduld- samkeit“ sei das als „Übergangsregel für nur zehn Jahre einge- führte sogenannte Juden-Dekret vom 17. März 1808 von Neu- em auf unbestimmte Zeit verlängert“ worden.66 Auf diese Weise wurden „diese durch Fleiß und Talente ausgezeichnete Bekenner eines anderen Glaubens in tausend Dingen, die mit der Religion in gar keiner Verbindung stehen, eben wegen dieses Glaubens beschränkt und bedrückt“.67 Dies widersprä- che der auf Gleichheit bedachten Entwicklung des Staatsbür- gertums aller Untertanen. Joseph Kahn bezog sich nach einem Bericht der „Allgemeinen Zeitung des Judenthums“ vom 10. Juli 1843 in der Predigt eines Morgengottesdienstes in der Synagoge auf diese Bürgerpetition. Er deutete die Bibelstelle

65 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 3.7.1843, S. 390. 66 Ebda., S. 391; Heinz Monz gibt in seinem Aufsatz „Zur Trierer Juden- petition des Jahres 1843“ die Zahl der Unterzeichner mit 142 an, von denen 133 Namen identifiziert und in einer Liste festgehalten wurden. Neben der erneuten Veröffentlichung der Petition vermittelt er die Rezep- tionsgeschichte dieser Trierer Petition. Vgl. Heinz Monz: Zur Trierer Judenpetition des Jahres 1843, in: Landeskundliche Vierteljahresblätter Nr. 29, 1983, S. 45-53. 67 Ebda. 93 des vierten Buches Mose, Kapitel 4, Vers 21 ff., als an seine Gemeinde gerichtet: „(...) dass du dieses dein Vater- und Ge- burtsland als dein Kanaan anerkennest, dass du diesem dienen und ihm helfen willst seine Lasten zu tragen!“68 Mit dieser Interpretation legte der Oberrabbiner nahe, dass die jüdischen Bürger die Realität des Staates, in dem sie geboren, innerlich annehmen und Verantwortung übernehmen sollten.69 Gegen Ende des Vortrags teilte er mit, dass die „edlen und biederen christlichen Bürger unserer lieben Stadt [Trier, Anm. des Verf.] sich würdig angeschlossen haben an die der bedeutends- ten unserer Rheinprovinz, um unsere jetzt versammelten Stän- de zu bitten, dass diese sich auch für uns bei unserm König verwenden möchten, damit wir an allen Staatsrechten gleich den übrigen Bürgern betheiligt würden“. Deswegen erbittet er einen „vollkommnen Segen für die edlen Bürger unserer Stadt: „O Gott, segne sie und bewahre sie; O Gott, laß dein Antlitz ihnen leuchten und sei ihnen gnädig; O Gott, wende dein Ant- litz ihnen zu und verleihe ihnen Frieden“.70 Dieses Beispiel zeigt, dass Joseph Kahn die Rolle der von der französischen Freiheit geprägten Bürger im Staat ernst nahm, weil sie die Idee der Gleichheit begünstige. Anfang Juli 1843 wurde auf dem „Siebenten Rheinischen Provinzial-Landtag“ die „Petiti- on“ mit 54 zu 19 Stimmen angenommen.71 Dennoch rechnete

68 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 10.7.1843, S. 413. 69 Die jüdische Gemeinde Trier beteiligte sich an einer Hilfsaktion zuguns- ten des abgebrannten Hamburgs, wofür sich die Preußische Regierung bedankte. Vgl. Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 27.8.1842, S. 525. 70 Ebda. Die Nähe von Juden und Christen im Trier des Jahres 1843 ist lobenswert und erhält eine besondere Note, wenn man sie mit den negati- ven geschichtlichen Ereignissen vor und nach dieser Epoche vergleicht. 71 Von der Emanzipation zum Holocaust. Die Israelitische Synagogenge- meinde zu Aachen 1801-1942, bearb. von Herbert Lepper, S. 11. Am 6. Juli 1836 war es in Preußen Juden verboten worden, christliche Vornamen zu verwenden. Der Oberrabbiner von Krefeld, Dr. Ullmann, stellte da- raufhin in Frage, ob es christliche und jüdische Vornamen gebe, da die neutestamentlichen Namen jüdischen Ursprungs seien. Am 22. März 1841 wurde schließlich der Erlass vom 6.Juli 1836 für die Gebiete aufgehoben, 94 er mit dem Faktischen der Monarchie, die die rechtliche Gleichheit von Juden behinderte, aber für überzeugende Ar- gumente nicht völlig verschlossen war. Als der preußische Staat im Jahre 1847 den jüdischen Gemeinden Synagogen- Gemeinde-Statuten aufoktroyierte, die im Widerspruch zu den Interessen der einzelnen Gemeinden standen, kam es am 10. August 1847 in Köln zur Gründung eines „Comité[s] für die Angelegenheiten der Juden in der Rheinprovinz“, der auch der Oberrabbiner von Trier, Joseph Kahn, angehörte. Obwohl der Oberpräsident der Rheinprovinz Franz August Eichmann von dieser Gründung in Kenntnis gesetzt wurde und ihm angebo- ten wurde „bei Beratungen“ mitzuwirken, lehnte er aber eine Zusammenarbeit mit dieser neuen Vereinigung ab, weil der preußische Staat nicht willens war, die besonderen Verhältnis- se der einzelnen Judengemeinden zu berücksichtigen, sondern auf Einheitlichkeit der Bestimmungen insistierte.72 Im Revolutionsjahr 1848 erschien kein von Oberrabbiner Kahn gekennzeichneter Zeitungsartikel. Doch spricht der am 24. Januar 1848 unter der Überschrift „Aus der Rheinprovinz“ in der Allgemeinen Zeitung des Judenthums veröffentlichte Beitrag Bewertungen des am 23. Juli 1847 erlassenen Gesetzes über die Verhältnisse der Juden aus, die Joseph Kahn schon Jahre vorher, 1843, geäußert hatte. Die Formulierung „in unse- rem Thale an der äußersten Grenze unseres Vaterlandes“ um- schreibt die geopolitische Lage der Stadt Trier. Der Verfasser gibt an, dass das neue Gesetz „mit dem größten Interesse“ verfolgt worden sei, es hätte aber die in seit 35 Jahren geheg- ten Erwartungen und Wünsche zum Teil sehr herabgestimmt und die Gemüter verstimmt. Als Grund nennt er: Wer einmal zum Bewusstsein und zur Erkenntnis seines Rechts gelangt sei, den könne ein halbes Stück ihm zugestandenen Rechts niemals recht zusagen. Positiv vermerkt der Beitrag, dass es

in denen „französisches Recht“ galt. Vgl. Ebda., S. 11. 72 Von der Emanzipation zum Holocaust. Die Israelitische Synagogenge- meinde zu Aachen 1801-1942 Bd. I., bearbeitet von Herbert Lepper, S. 26. 95 den Gemeinden zur Pflicht gemacht werde, die schulpflichti- gen Kinder in der Religion von gebildeten Lehrern unterrich- ten zu lassen. Negativ wir hervorgehoben, dass das neue Ge- setz die inneren Angelegenheiten der Gemeinde außer Acht lasse. Gerade in einer Zeit des religiösen Indifferentismus müssen Volkslehrer, Prediger und Rabbiner die Einzelnen zu einem „höheren Leben“ anregen.73 Die jüdischen Bürger von Trier beteiligten sich kaum am revolutionären Prozess von 1848. Da es aber zu Verfolgungen von Juden in der Region kam, beklagte Oberrabbiner Kahn diese Ereignisse in einer öffentlichen Erklärung vom 5. April 1848; auch der Trierer Bischof Arnoldi wies diese Übergriffe zurück.74 Im Jahre 1851 bahnt sich eine rückschrittliche Entwicklung des Verhältnisses von Judentum und preußischem Staat an, die publizistisch von der „Kreuzzeitung“ getragen wird. Diese Zeitung verbreitet, die Revolution von 1848 sei von den Juden verursacht worden, sie seien die „rothesten Republikaner“ und die Juden seien die größten Feinde der Regierung.75 Die „All- gemeine Zeitung des Judenthums“ lehnt es ab, sich mit diesen Anfeindungen auseinander zu setzen. Stattdessen zitiert sie einen projüdischen Zeitungsausschnitt der „Trierschen Zei- tung“, der am Ziel der rechtlichen Gleichstellung der Juden festhält.76 Im Folgenden greift der Autor auf ein Privatschrei- ben des Herrn Oberrabbiners Kahn zurück, das als Kommentar zu einem von ihm verfassten Rundschreiben zu verstehen sei.77 Darin heißt es, dass die mittelalterlichen Bestrebungen des Königs und der Stände gegen die Juden abgewiesen wer- den sollen. Mit Blick auf die „Indifferenten“ in den eigenen Reihen sollen diese „aus ihrem sanften Schlafe“ aufgerüttelt

73 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 24.1.1848, S. 70. 74 Lindner, Erik: Deutsche Juden in der Revolution, in „Der schlimmste Punkt in der Provinz“, S. 625. 75 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 1.1.1851, S.4 und 6. 76 Ebda., S. 6. 77 Ebda., S. 4. 96 und in ihrer behaglichen Ruhe und Sicherheit“ gestört wer- den.78 Auf die aktuellen politischen Vorgänge bezogen beklagt er, dass man beabsichtige, eine „Oberkirchenbehörde“ einset- zen, ohne dass man hierüber mit den jüdischen Vertretern ge- sprochen hätte. Überdies unterstelle diese Behörde, dass die Juden ihre eigenen Angelegenheiten nicht geordnet bekämen. Dies stelle einen Eingriff in die „religiöse Selbständigkeit“ dar.79 Deswegen rät er, die bevorstehende Versammlung israe- litischer Abgeordneter solle sich nicht nur für Korporations- rechte einsetzen, sondern erwirken, dass Abgeordnete aus der ganzen Monarchie ein „allgemeines Statut“ genehmigen, aus- führen und überwachen, wie dies bereits in Österreich ange- ordnet wurde. Schließlich solle verlangt werden, dass Rabbi- ner und Vorbeter wie die übrigen Geistlichen besoldet werden, wie dies in Frankreich [Elsaß-Lothringen, Anm. des Verfas- sers], Belgien und Holland und einigen deutschen Staaten schon jetzt praktiziert werde. Es sei „heiligste Pflicht“, auf gesetzlichem Wege alles aufzubieten, dass die jüdische Reli- gion nicht länger mehr den anderen nachgesetzt bleibe.80 Zur Lage der Schule bemerkt der Oberrabbiner Kahn, dass jüdi- sche Familien in kleinen Gemeinden einen Religionslehrer aus eigener Tasche bezahlen müssten, damit ihre Kinder überhaupt in jüdischer Religion unterrichtet werden können. Dies wiege umso schwerer, weil sie ohnehin zum Gehalt des freien [christlichen, Anm. des Verfassers] Unterrichts finanziell bei- zutragen hätten, aber für ihre eigenen Schulen zusätzliche Opfer zu erbringen hätten.81 Aus diesem Vorgang ist zu ersehen, dass Oberrabbiner Jo- seph Kahn die ungerechte Situation der jüdischen Religion in Preußen seiner Zeit nicht nur im Stillen beklagte, sondern sie mit Hilfe der Zeitungen in die öffentliche Diskussion ein- brachte. Dabei wird seine mutige und kämpferische Rolle

78 Ebda., S. 5. 79 Ebda. 80 Ebda. 81 Ebda., S. 6. 97 deutlich; er verfolgt mit großer Aufmerksamkeit die politi- schen Geschehnisse und reagiert entschieden, wenn die Belan- ge der Juden nicht fortschrittlich beschieden werden. Diese Aktivität wird allerdings von einem Teil der jüdischen Ge- meinde als unrabbinisch abgelehnt. Die Lage der jüdischen Bürger verbessert sich nur in klei- nen Schritten. Erst 1871 erhielten die Juden die Gleichberech- tigung. Nach Joseph Kahn sollte das Verhältnis von Staat und Re- ligion nicht durch Grenzüberschreitung der beiden Institutio- nen bestimmt sein, wie es im preußischen Staatskirchensystem praktiziert wurde, sondern durch größtmögliche Eigenständig- keit. Damit ist er als Vordenker der rechtlichen Trennung von Kirche und Staat anzusehen, die die Kooperation von Staat und Religionen in sachlichen Angelegenheiten wie der Schule ermöglicht hätte. Er schreibt: „Und so lasse der Staat die jüdi- sche Religion sich aus sich selbst entwickeln und fortbilden auf ruhigem wissenschaftlichen Wege, und nur auf diesem ist es möglich, dass mit der Zeit sich manches anders herausstel- len werde.“82 Seine Zuversicht gründet er auf die positive Wirkung der Wissenschaft und auf die Dimension Zeit, die Fortschritt bringen wird. Der rechtliche Rahmen lässt aller- dings noch Jahrzehnte auf sich warten. Das Judentum erhält seine völlige Eigenständigkeit in Religionsangelegenheiten erst mit der Weimarer Reichsverfassung vom 11.August 1919. Andererseits wendet er sich dagegen, dass Juden dem Staat keinen Militärdienst leisten sollen. Er erkennt, dass dieser Ausschluss die noch nicht erlangte Gleichberechtigung zu- nichtemachen könnte. Deswegen formuliert er apodiktisch: „Bei den gläubigen Israeliten herrscht nicht der geringste Zweifel, dass ihre Söhne, so es ihre Vermögensumstände nur gestatten – als Freiwillige dienen zu lassen.“83, dass jeder Jo-

82 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 29.4.1843, S. 255. 83 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 9.4.1842, S. 217; Joseph Kahn betont die Freiwilligkeit des Militärdienstes und er weist auf die Vermö- gensumstände hin. Damit leistet er einen Beitrag zur Humanisierung des 98 seph Kahn betont in seinen Gemeinden Bürger jüdischen Glaubens Pflichten und andere Dienste dem Staat gegenüber zu beachten habe, sofern seine Vermögensumstände es gestat- ten. Dieses bedeutet, dass er die Ansprüche des Staates nicht isoliert von den wirtschaftlichen und familiären Verhältnissen betrachtet. Für ihn ist der Staat also kein Prinzip, dem sich die Einzelperson vorbehaltlos zu unterwerfen hat. Dass er am 18. Juni 1871 in der Trierer Synagoge einen Dankgottesdienst für „den errungenen glorreichen Frieden“84 nach dem Krieg der Deutschen gegen Frankreich hielt, entspricht seinen Vorstel- lungen eines emanzipierten Judentums. Das von Joseph Kahn angedachte Verhältnis von Religion und Staat, den Militär- dienst betreffend, führte dazu, dass Juden und Christen für- derhin geeint in gleicher nationaler Motivation in den Krieg zogen. Besonders der Erste Weltkrieg zeigte erstmals, dass zahlreiche jüdische Männer als deutsche Soldaten schwer ver- wundet und getötet wurden. Allein aus der Region Konz star- ben in diesem Krieg mehrere jüdische Männer, z.B. aus Kö- nen, aus Konz und aus Oberemmel. In Könen hält der Verfas- ser der Schulchronik die Namen der jüdischen Kriegstoten des Ortes fest. In Oberemmel erinnert eine Tafel aller Kriegstoten des Ersten Weltkrieges an der alten Kirche auch an die beiden jüdischen Gefallenen. In der Trierer Synagoge wurde eine Tafel mit den Namen der Kriegstoten des Ersten Weltkrieges angebracht, die nach dem Zweiten Weltkrieg von jüdischen Gemeindemitgliedern aus der zerstörten Synagoge geborgen und in die neue Synagoge gebracht wurde.85 Nach dem Ersten Weltkrieg erhält das deutsche Judentum seine völlige Gleichberechtigung. Die Kernaussage der Wei- marer Reichsverfassung geht von der Trennung von Religion und Staat aus. Damit ist der Weg frei für eine eigenständige Organisation der einzelnen Religionen in Deutschland, die bis

staatlichen Anspruchs auf die von Preußen und Habsburg beanspruchte allgemeine Militärpflicht. 84 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 300. 85 Juden in Trier. Katalog einer Ausstellung, S. 106. 99 dahin unbekannt war. Diese neue Rechtssituation entspricht der Forderung von Joseph Kahn an den preußischen Staat sei- ner Zeit, die dieser aber nicht einlöste. Mit dem Beginn der Nazi-Herrschaft im Jahre 1933 ist der Abbruch aller Ideen von Toleranz und Humanität verbunden, der alle aufklärerischen Bemühungen des 19. Jahrhunderts zunichtemachte. Die fortschrittliche Verfassung der Weimarer Republik wurde von den Nationalsozialisten zuerst demago- gisch abgewertet und anschließend außer Kraft gesetzt. Im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland von 1949 wurden die Artikel der Weimarer Reichsverfassung, die das Verhältnis von Religion und Staat betreffen, neu verankert.

Joseph Kahn und der Synagogenbau in der Region Trier

Zur Erneuerung des Judentums zählt für den Trierer Ober- rabbiner Kahn auch der Bau neuer Synagogen in den überwie- gend kleinen Gemeinden seines Amtsbezirkes. Dieser ist nicht identisch mit dem heutigen Regierungsbezirk Trier, sondern er ist erweitert um Teile des heutigen nördlichen Saarlandes. In der Region Trier existierten um 1840 in den kleinen Gemeinden viele provisorische Gebetsräume, die in Privathäu- sern untergebracht waren, die die Funktion als Synagoge mehr recht als schlecht erfüllten.86 In anderen Gemeinden waren die Synagogen zu klein, zu alt oder baufällig geworden, z.B. in Tholey, in in Spiesen, in Schweich und in Trier. Sowohl die Gebetsräume als auch die alten Synagogen genügten weder dem neuen Anspruch der Juden noch der zum Teil stark ange- stiegenen Zahl von Gemeindemitgliedern.

86 Eine genaue Bestandsaufnahme fehlt. In den Quellen werden die privaten Gebetsräume zum Teil Synagogen genannt, gemäß dem Wortsinn als Ort, an dem man zum Beten zusammenkommt. Vgl. auch Reichard/Heiden- blut: Synagogen im Landkreis Trier-Saarburg. 100 Oberrabbiner Kahns Bautätigkeit neuer Synagogen bezieht sich auf die überwiegend kleinen Gemeinden seines Amtsbe- zirks, größere Synagogen entstanden lediglich in Scheich und in Trier. Ein mit dem Pseudonym „Zeta“ gezeichneter Artikel in der „Allgemeinen Zeitung des Judentums“ vom 5. Januar 1852 vergleicht die Lage der jüdischen Landgemeinden in der Ver- gangenheit mit der neuen Lage, die Oberrabbiner Kahn ge- prägt hat. Während im „Konsistorialsprengel Trier die Land- gemeinden verwahrlost, ohne Synagoge, ohne Religionsschu- le, überhaupt ohne jede, einer Religionsgemeinde nöthige Ein- richtung“ waren, sei seit dem Amtsantritt von Oberrabbiner Kahn in den Gemeinden seines Sprengels ein frischer, religiö- ser Geist erwacht, der „zu großen Opfern zum Bau schöner Synagogen“ geführt hätte.87 In den vergangenen fünf bis sechs Jahren seien nicht weniger als 18 neue Synagogen errichtet worden und in jedem weiteren Jahr würde sich diese Zahl ver- größern. Der Verfasser hebt hervor, dass dies das Verdienst des Trierer Oberrabbiners sei, er hätte den „Aufschwung der hiesigen Verhältnisse angeregt und das Feuer der Begeisterung für die gute Sache angefacht und unterhalten“.88 Die „Allge- meine Zeitung des Judentums“ gibt im Jahre 1865 an, dass Joseph Kahn in 47 von 49 Gemeinden neue Synagogen erbaut habe.89 In „Kahns Bade- und Reiseberichte“, die Joseph Kahn während seines Kuraufenthaltes im Jahre 1867 in Bad Ems verfasste, nennt er die Zahl 29, bemerkt aber dazu, dass sich noch weitere Synagogen im Bau befänden.90 Realistischer wäre es deshalb, von 30 bis 35 Synagogeneinweihungen aus- zugehen. Auch kann die Zahl der Synagogeneinweihungen nicht der im Jahre 1838 mit 38 angegebenen Zahl91 hinzu ge- rechnet werden, denn in einigen Orten wird ausdrücklich da-

87 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 5.1.1852, S. 18/19. 88 Ebda., S. 19. 89 Allgemeine Zeitung des Judentums vom 27.6.1865, S. 395. 90 Ben Chananja, 1.10.1867, S. 617. 91 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 21.6.1838, S. 1. 101 rauf hingewiesen, dass im Rahmen der Einweihungsfeierlich- keiten die Prozession der Gläubigen von der alten zur neuen Synagoge geleitet wurde, so zum Beispiel in Tholey, also vor- handene zu kleine oder baufällige Synagogen durch einen Neubau ersetzt wurden. Damit verlor die alte Synagoge ihre sakrale Bedeutung, zählte künftig nicht mehr als Synagoge und wurde abgerissen oder profanen Zwecken zugeführt. Nur in kleineren Gemeinden dürfte die neue Synagoge die erste am Ort gewesen sein. Häufig wurden vorher die Gottesdienste dieser keinen Gemeinden in privaten Räumen abgehalten. Wawern ist ein solches Beispiel. Die 1844 feierlich eingeweih- te Synagoge, die als restauriertes Gebäude noch heute exis- tiert, hatte keinen Vorgängerbau, sondern die Gemeinde hatte sich in einem Gebetsraum versammelt, der in einem Privat- haus eingerichtet war.92 Ganz sicher aber hat sich die Zahl der Synagogen in der Region Trier während der Amtszeit von Joseph Kahn merklich vergrößert. Nicht alle Einweihungsfeiern neuer Synagogen in der Amtszeit von Oberrabbiner Kahn lassen sich in einem mehr oder weniger umfangreichen Bericht in einer der jüdischen Zeitungen wiederfinden. Aus der Region Trier sind die Ein- weihungsfeiern der Synagogen in Wawern, in Trier, in Spiesen, in Tholey, in Schweich, in Bernkastel, in Zeltingen, in Trittenheim, in Neunkirchen und in Müstert-Emmel (Nie- deremmel) in Form eines Zeitungsberichts festgehalten.93 Ein Artikel über die Einweihungsfeier der Synagoge von Lösnich aus dem Jahre 1867 findet sich in „Kahns Bade- und Reise-

92 Dieser Gebetsraum ist heute noch in einem Wohnhaus anhand von sakra- len Fensterrahmen zu erkennen. Freundlicher Hinweis von Hans Greis, Wawern. In Oberemmel, in Trittenheim, in Bitburg, in Niederemmel, in Mehring, in und anderen Orten sind solche privaten Gebetsräume nachzuweisen. In Hermeskeil diente noch bis Ende der dreißiger Jahre ein Privatraum als Synagogoge. Vgl. Marx, Georg: Juden in Hermeskeil, S. 33. 93 Zum Teil beziehen sich die Berichte in den jüdischen Zeitungen auf regi- onale Zeitungsberichte, z.B. zu Wawern und zu Trittenheim. 102 Synagoge Wawern, heutiger Zustand

103 Schweicher Synagoge, heutiger Zustand

104 Plan zur Vorderseite der Synagoge Trier 1858

105 Synagoge Trier94

94 Löwenstein, Isaac: Yom-ha-bikkurim: eine vollständige israelitische Confirmationshandlung am Schebuoth-Feste, Frankfurt 1883, S. 94. (Uni- versitätsbibliothek Frankfurt a.M., Signatur Jud 1772. - Frau Maike Stro- bel sei herzlich gedankt für die Übermittlung der Kopien). Erstmals veröf- fentlicht in: Schulte, Bärbel: Max Lazarus. Trier-St. Louis- Denver. Ein jüdisches Künstlerschicksal, Trier 2010, S. 279. (Katalog-Handbuch zur Ausstellung im Stadtmuseum Simeonstift Trier 21. März-27. Juni 2010). Dieses „Foto“ gehört aufgrund der unterschiedlichen zeitlichen Bezüge von Buch und Bild - der Druck erfolgte 1843, die Trierer Synagoge wurde dagegen erst 1859 eingeweiht - nicht zu diesem Buch, sondern ist als spätere Hinzufügung zu verstehen. Möglicherweise handelt es sich um ein Relikt des früheren Besitzers, der unter Amtspersonen einer jüdi- schen Gemeinde zu suchen ist, da sich dieses Buch an einen jüdischen Lehrer, einen Kantor oder einen Rabbiner richtet. Das Bild der Trierer Synagoge ist vermutlich zufällig in dieses Buch gelegt worden. Es ist bekannt, dass Oberrabbiner Stein von Frankfurt a.M. die Festrede zur Einweihung der Synagoge von Trier im Jahre 1859 hielt. Es lassen sich allerdings auch andere Theorien entwickeln, die das Zusammentreffen von Buch und Bild erklären. So könnte es sich um einen Erinnerungsge- genstand an einen Besuch in Trier handeln oder um eine postalische versandte Grußkarte; im Augenblick fehlen Belege für eine eindeutige 106 berichte“.95 Allein im Jahre 1855 seien vier Synagogen im Trierer Sprengel eingeweiht worden.96 Berichte darüber sind bisher noch nicht entdeckt worden. In der Beilage der „Allge- meinen Zeitung des Judenthums“ vom 19.12. 1865 wird die Einweihungsfeier der Synagoge in Neunkirchen beschrieben.97 Die Einweihungsfeiern werden in der Regel als großes Ereig- nis der Gesamtgemeinde, einschließlich der christlichen Mit- bürger, beschrieben. Häufig wird darauf hingewiesen, dass die bürgerlichen Vertreter der Gemeinde und des Landkreises anwesend waren. Auch christliche Geistliche werden verein- zelt als Mitfeiernde erwähnt. Der Oberrabbiner Kahn als wich- tigste Person der Weihehandlung stand stets im Mittelpunkt

Klärung dieser Frage. Die Abbildung der Trierer Synagoge weist die Form einer großen Postkar- te auf, auf der der graphische Inhalt im Querformat präsentiert ist. Diese Anordnung betont das Ausmaß des Baukörpers im neo-romanischen Stil. Der romanische Baustil habe sich an der Synagoge von Worms orientiert, führt der Architekt Christian Wilhelm Schmidt in seiner im Materialband zur Einweihung der Synagoge abgedruckten Baubeschreibung (Seite 52) aus. - Am unteren Rand der Abbildung findet sich in geschwungenem Schriftzug die Bezeichnung des dargestellten Gegenstandes: „Die neue Synagoge zu Trier“. 95 Ben Chananja, 1.10.1867, S. 617; zur Synagogeneinweihung in Merzig vgl. Der Israelit im neunzehnten Jahrhundert vom 30. 10.1842, S. 178; zur Einweihung der Synagoge Trittenheim vgl. Allgemeine Zeitung des Ju- denthums vom 20.4.1857, S. 225, ebenso Schmitt, Christoph: „Ein Got- teshaus zum Gebete für alle“. Die Synagoge der jüdischen Gemeinde Trittenheim . Zur Synagogeneinweihung in Trier vgl. Zenz, Emil: Ge- schichte der Stadt Trier im 19. Jahrhundert. Bd.II, S. 201/202. Sowohl von der Grundsteinlegung am 6. 10.1857 als auch von der Einweihungsfeier am 9./10. 9.1859 existieren Buchausgaben, die Berichte, Reden, Gebete, Gedichte und Dokumente enthalten. Siehe Literaturliste. 96 Israelitischer Volkslehrer vom September 1855, S. 366 97 Allgemeine Zeitung des Judenthums, Beilage zur Nr. 51 vom 19.12.1865; vgl. auch Ben Chananja vom 20.12. 1865, S. 915-916 und vom 7.12.1865, S. 920-921. Ungewöhnlich ist, dass Ben Chananja von der Synagogen- einweihung zwei Berichte veröffentlichte. In Neunkirchen weihte Joseph Kahn seine 28. Synagoge ein. 107 Synagoge Neunkirchen, historische Aufnahme der Berichterstattung. Einzelheiten der Festpredigt und der Liturgie sind fast jedem Artikel zu entnehmen. Der Artikel zur Einweihungsfeier in Schweich und Bernkastel hob hervor, dass das Programm zu dieser Veranstaltung bereits bei der Einweihungsfeier der Magdeburger Synagoge verwendet wur- de; die „Allgemeine Zeitung des Judentums“ druckte sogar einige Lieder aus Magdeburg ab.98 Als am 13. August 1844 in Wawern eine neue Synagoge eingeweiht wurde, nahm Oberrabbiner Joseph Kahn in seinem Heimatdorf, wie die Zeitung „Der Israelit in neunzehnten Jahrhundert“ in der Ausgabe vom 3. November 1844 schreibt, die sakralen Handlungen vor. Der Verfasser legt Wert darauf

98 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 1.11.1852, S. 538/539. 108 zu berichten, dass viele und angesehene Bürger zu diesem Anlass nach Wawern gekommen waren: Die meisten Beam- ten, viele der ersten Bürger aus der Umgebung von Saarburg99 Der Synagogenbau in Trier im Jahre 1857 nimmt einen breiten publizistischen Raum ein. Bereits die Feier zur Grund- steinlegung der neuen Synagoge Trier wurde in Buchform veröffentlicht.100 Als Buch wurde auch die Einweihungsfeier am 9./10. September 1859 herausgegeben. Berichtet wird über die Bauplanung, über die Finanzierung und die Baugeschichte ebenso wie über die Liturgie der Einweihungsfeier, an der mehr als 700 Nicht-Juden teilnahmen, insgesamt 1300 Perso- nen. Abgedruckt sind die zu diesem Anlass publizierten Zei- tungsartikel der Trier´schen Zeitung. Bertha Kahn, die Tochter des Oberrabbiners, und Anna Rothschild hatten Gedichte vor- getragen.101 Der Bau neuer Synagogen stellte für die zum Teil kleinen Gemeinden in der Region eine erhebliche finanzielle Belas- tung dar. In allen Berichten wird deshalb auf die außerge- wöhnlichen Anstrengungen einzelner Personen und der ge- samten Gemeinden hingewiesen. In Bitburg hatten die jüdi- schen Viehhändler im Rahmen ihrer Handelsgeschäfte ihre christlichen Vertragspartner gebeten, einen Thaler für den Bau der dortigen Synagoge beizusteuern.102

99 Im Text steht der Name „Sonneburg“, doch dürfte es sich um eine Ver- schreibung für Saarburg handeln, da alle weiteren Informationen keinen Zweifel daran lassen, dass nur die Synagogeneinweihungsfeier in Wa- wern gemeint sein kann, das in der Nähe der kleinen Stadt Saarburg liegt. 100 Bau-Comité (Hrsg.): Grundsteinlegung zur neuen Synagoge Trier am 6. October 1857, Trier 1857. Die bisher unbekannte Lyrikerin Clara Levy hatte zu dieser Feier Gedichte beigetragen. Ob die von Bertha Kahn, Tochter des Oberrabbiners Joseph Kahn, und Anna Rothschild zur Ein- weihung der neuen Synagoge im Jahre 1859 vorgetragen Gedichte auch von Clara Levy stammen, ist nach dem jetzigen Kenntnisstand nicht zu beweisen, aber nicht unwahrscheinlich. 101 Kahn, Joseph: Die Feier der Einweihung der neuen Synagoge zu Trier am 9./10. September 1859, 2. Auflage, Trier 1860. 102 Israeltisches Wochenblatt [Trier] 1887, S. 27. Dieses Ereignis wird rück- blickend von der Bistumszeitung „Paulinus“ mit dem Begriff „Gewalt- 109 Damit die neue Synagoge in Trier errichtet werden konnte, betätigte sich Oberrabbiner Kahn als „Selbstsammler“, der in Frankfurt a.M. und in Paris „namhafte Beiträge“ zu diesem Zweck erhielt.103 Ausführlich gibt der Oberrabbiner Kahn aus Trier Rechenschaft über die Herkunft der Gelder, die zum Bau der Trierer Synagoge benötigt wurden. Die größte Summe hatte die jüdische Gemeinde in Trier selbst aufzubringen. Zu diesem Zweck gab der Vorstand im Jahre 1854, nachdem der Beschluss zu einem Neubau gefasst war, eine Liste aus, in die sich Freiwillige eintragen konnten, die bereit waren, in 5 Jah- ren 20 Monatsraten zu leisten. Aus dieser Selbstverpflichtung wurden insgesamt 4300 Thaler eingesammelt. Die Zahlungen auf die einzelnen Jahre übertragen, zeigen, dass 1855, einem Krisenjahr, nur 508 Thaler zusammenkamen. An größeren Privatspenden sind 150 Thaler im Jahre 1854 und 500 Thaler im Jahre 1858 von Baron Rothschild aus Frankfurt vermerkt. Auf Vermittlung von Albert Cohn und Rabbiner Stein aus Frankfurt zahlte der Bankier Rothschild aus Paris 1000 Thaler. Von Christen stammten insgesamt 600 Thaler. Als im Jahre 1858 die Frau des Oberrabbiners, Rebecca Biema, starb, grün- dete sich ein Komitee zu ihrer Erinnerung, welches 2203 Tha- ler zum Bau der neuen Synagoge aufbrachte. Der Bürgermeis- ter aus Trier hatte im Jahre 1854 1500 Thaler zum Synago- genvorhaben zugesagt, diese Zusage allerdings an Bedingun- gen geknüpft: Die jüdische Schule und die Wohnung des jüdi- schen Elementarlehrers solle im jüdischen Gemeindehaus un- tergebracht werden. Diese Bedingung wurde nicht realisiert. Im Jahre 1857 beschloss die Abgeordnetenversammlung der Stadt, den Bau der Synagoge mit 500 Thalern zu fördern. Über 1000 Thaler kamen zusammen aus Versteigerung und Vermie- tung von „Stätten“ in der neuen Synagoge.104

mittel“ bezeichnet. 103 Der israelitische Volkslehrer, Oktober 1858, S. 331. 104 Kahn, Joseph [Hrsg.]: Die Feier der Einweihung der neuen Synagoge. 110 Dank der von Oberrabbiner Joseph Kahn zusammengetrage- nen Materialien lassen sich sowohl der Festzug als auch die Liturgie der Einweihungsfeier rekonstruieren.

Der Festzug am 9. September 1859 von der Weberbach bis zum Zuckerberg ab 2 Uhr:

Alle Fenster auf diesem Weg waren geschmückt mit Flaggen, Sym- bolen und Laubgewinden

Die Schuljugend mit ihrem Lehrer

Das Musikcorps Der Synagogengesangverein

Die Träger der Thora-Rollen, umgeben von weißgekleideten Mäd- chen mit Blumenkränzen

Zwei Mädchen, die die Schlüssel trugen Der Oberrabbiner Joseph Kahn und der assistierende Rabbiner Stein aus Frankfurt

Der Vorstand der jüdischen Gemeinde und das Bau-Komitee

Mitglieder des Konsistoriums

Die hohe Behörde

Der Architekt und der Baumeister Gemeindemitglieder

Die Einweihungsliturgie:

Überreichung der Schlüssel im Vorhof der Synagoge Öffnung der Synagogentüren

Erklärung der hebräischen Inschriften Vortrag von zwei Gedichten von Bertha Kahn und Anna Rothschild 111 Einweisungsgebet von Oberrabbiner Joseph Kahn

Einzug in die Synagoge, begleitet von den Klängen des Musikcorps und Liedvorträgen des Synagogengesangvereins

Die Thorarollen werden in die Mitte der Synagoge getragen

Die Türen des Thoraschreins werden geöffnet und die Thorarollen eingestellt

Gebetsvortrag und Thoralesung von Kantor Schnerb aus Merzig

Predigt von Oberrabbiner Joseph Kahn

Festrede von Rabbiner Stein aus Frankfurt

Vorträge des Musikcorps und des Synagogengesangvereins Segen in hebräischer und deutscher Sprache für die Gemeinde, die Stadt, den König und das Vaterland von Oberrabbiner Joseph Kahn

Obwohl die Bitburger Synagoge erst 1877, also zwei Jahre nach dem Tod von Joseph Kahn, eingeweiht wurde, ist sie dennoch in sein Bauprogramm einzuordnen, da die Vorüberle- gungen zu einem Bauvorhaben dieser Art eine jahrelange Vor- laufzeit benötigen. Dass die Festrede zur Einweihung der neu- en Synagoge der Trierer Kantor und Religionslehrer Michael Levy, ein langjähriger Vertrauter des verstorbenen Oberrabbi- ners Joseph Kahn, hielt, spricht für den Einfluss des Trierer Rabbiners auf dieses Bauprojekt.105

Die Restauration der ehemaligen Synagoge Wawern ist dargestellt in dem Band „Neue Nutzung in alten Ge- bäuden“, hrsg. von Marie-Luise Niewodniczanska, o.J., S. 43-46

105 Der Israelit vom 25.4.1877, S. 389-390. 112 Förderung der jüdischen Schule

Oberrabbiner Joseph Kahn wirkt auf vielen Ebenen, damit sein Sprengel, der Regierungsbezirk Trier, eine fortschrittliche Entwicklung nimmt. Er fördert nicht nur den Synagogenbau, sondern legt großen Wert auf die Entwicklung der jüdischen Schulen. Bereits vor seinem Amtsantritt als Rabbiner von Trier befasste er sich mit der vorbildlichen jüdischen Elemen- tarschule Trier unter Leitung von Isaak Levy.106 Die Vorbild- funktion der Trierer Elementarschule bleibt über mehrere Ge- nerationen erhalten, aber in den Landgemeinden wird dieses Vorbild nach über 20 Jahren schulischen Engagements seitens des Trierer Rabbinats nicht Standard in allen jüdischen Ge- meinden. Seine sechsteilige Artikelserie in der jüdischen Zeit- schrift „Ben Chananja“ aus dem Jahre 1864 geht unter ande- rem auch auf die Lage der jüdischen Schulen ein. Vieles lasse zu wünschen übrig, manche Gemeinden verfügten über keinen Lehrer, andere müssten sich mit einem unfähigen behelfen. Er erkennt die Gründe in der Weigerung der Gemeinden, einen Lehrer aufzunehmen und in den gesetzlichen Bestimmun- gen.107 Im Vergleich zu früheren Zeiten habe sich einiges ge- ändert. Viele Gemeinden hätten vorzügliche Elementar- und Religionslehrer, von denen einige sich durch vorzügliche Kenntnisse auszeichneten. Einige Gemeinden hätten ihre Op- ferbereitschaft zur Anstellung eines Lehrers verdoppelt. Die meisten Lehrer versähen das Vorbeteramt und das des Schäch- ters. Joseph Kahn ist zuversichtlich, dass sich die schulischen Unzulänglichkeiten in Zukunft vermindern werden.108 Joseph Kahn sieht die Schule als Einrichtung, die intelli- gente jüdische Schüler für eine höhere Ausbildung qualifizie-

106 Israelitische Annalen vom 18.1.1839, S. 23/24; ebenfalls sein Mitbewer- ber um das Rabbineramt, Moses Heß, vgl. Israelitische Annalen vom 10.5.1839. S. 150. 107 Kahn, Joseph: Aus dem Regierungsbezirke Trier, in: Ben Chananja vom 30.3.1864, S. 263. 108 Ebda. 113 ren kann, damit sie nicht in der traditionellen Viehhändlerrolle verbleiben.109 Die Verbesserung der jüdischen Schulen ist nicht nur sein Werk, sondern auch das der jüdischen Lehrer selbst. Erstmals versammelten sich dreizehn jüdische Lehrer aus der Rheinpro- vinz im Jahre 1846 in Krefeld, um über die Probleme der jüdi- schen Schule zu diskutieren und einheitliche Lehrbücher für die jüdischen Fächer festzulegen.110 Auf die Lage der jüdischen Lehrer wurde die Öffentlichkeit in der Denkschrift israelitischer Lehrer Westphalens und der Rheinprovinz vom Juli 1862 durch jüdische Lehrer aufmerk- sam gemacht. Die jüdischen Lehrer beklagten, dass sie zwar dieselbe Ausbildung wie ihre christlichen Kollegen erworben hätten, aber in den jüdischen Privatschulen ohne staatlichen Schutz unterrichten müssten. Dies hätte zur Folge, dass die Lehrer jederzeit entlassen werden könnten. Außerdem könne der jüdische Lehrer am Ende seiner Dienstzeit keine Rente erwarten. Deswegen sei der Beamtenstatus des jüdischen Leh- rers zu fordern. Da die vom Staat begünstigte Schule eine christliche sei, müsse sich der jüdische Schüler die christlichen Anschauungen aneignen. Dies aber zerstöre jedes Glaubens- element des jüdischen Kindes. Das Gesetz begünstige und verlange die Heranbildung „einer glaubenslosen Generation unter den Israeliten.“ Eine jüdische Konfessionsschule sei deswegen notwendig, um die jüdische Identität zu gewährleis- ten. Deswegen forderten die Lehrervertreter:  den Beamtenstatus für die jüdischen Lehrer  gleiche Grundsätze bei der Anstellung  Kostenübernahme der jüdischen Schule durch die politischen Gemeinden

109 Seine theologische Haltung kam in einer in Ottweiler gehaltenen Predigt zum Ausdruck: „Der Mensch darf auch nicht nur auf dem Boden stehen, an der Scholle kleben bleiben; er muss vielmehr auf der Himmelsleiter stets hinauf und fortschreiten, bis er die Spitze erreicht und zur Erkennt- nis Gottes gelangt ist.“ Vgl. AZJ vom 11.2.1862. 110 Eliav, Mordechai: Jüdische Erziehung in Deutschland, S. 398. 114  ein Mindestgehalt von 250 Thalern jährlich  Sitz und Stimme des jüdischen Lehrers im Schul- vorstand  Aufhebung des Verbots des Schulbesuchs christli- cher Schüler in jüdischen Schulen.  Schulinspektion durch einen Rabbiner.111 Die Haltung des Trierer Oberrabbiners Joseph Kahn in der Schulfrage ist noch 12 Jahre nach seinem Tod ein Thema des jüdischen Lehrerverbandes. In seiner Ablehnung der Gesetze von 1847 sei die Ursache für ihre nach wie vor missliche Lage zu erkennen. Die jüdischen Elementarlehrer der Region Trier beteiligen sich zeitlich verzögert als Einzelpersonen und in Verbänden organisiert an einer Dauerdiskussion über die Bedeutung der jüdischen Schule, über die Lerninhalte und über die rechtliche und finanzielle Lage der Lehrer. Eine herausragende Persön- lichkeit dieser Jahre stellt der in Hoppstädten tätige jüdische Lehrer Emanuel Hecht dar, der eine große Zahl von pädagogi- schen Schriften verfasste und mehrere Schulbücher überarbei- te oder neu herausgab.112 Außerdem kämpfte er für die Belan- ge der jüdischen Lehrer. Joseph Kahn würdigte diesen außer- gewöhnlichen jüdischen Lehrer in einem Nekrolog mit den Worten des Landesrabbiners Goldmann: Dr. Hecht habe als Lehrer, Schriftsteller und Kämpfer für den Fortschritt des Ju- dentums segensreich gewirkt. Neben seiner schriftstellerischen Arbeit habe er die Schule niemals vernachlässigt, sie sei eine der besten gewesen, er sei mit Begeisterung Lehrer gewesen und habe den Lehrerstand mit allem Eifer zu heben sich be- müht.113 Publizistischer Ausdruck dieser öffentlich ausgetragenen Diskussion stellt die von dem jüdischen Elementarlehrer Aron

111 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 12.8.1862, S. 543-558; und vom 7.6.1888, S. 367/368. 112 Kronenberger, Fritz: Dr. Emanuel Hecht 1921-1862, in: Mitteilungen des Vereins für Heimatkunde im Landkreis Birkenfeld, 1977, S. 33-40. 113 Ben Chananja vom 14.3.1862, S. 90-91 115 Nussbaum in Trier gegründete Zeitschrift „Israelitisches Volksblatt“114 dar. Allein in den Ausgaben des Jahres 1887 finden sich fünfzehn Artikel zu Fragen der jüdischen Schule. Unter den namentlich gekennzeichneten Verfassern dieser Zeitschrift ist der jüdische Elementarlehrer German Sender aus Tholey mit einem „Mahnruf“ vertreten, der im Wesentlichen darauf zielte, die jüdischen Gemeinden zu bewegen, die neuen preußischen Gesetze zur Bildung von staatlich anerkannten Synagogengemeinden zu nützen, um die Belange der kleinen jüdischen Gemeinden zu stärken. Darin kommt der Missmut der jüdischen Lehrer über ihre bedrückende Lage zum Aus- druck: „Während über 500 jüdische Gemeinden in Preußen ihre Cultus-Angelegenheiten zum Theil schon bald vierzig Jahre gesetzlich geordnet wissen, blühen und eine sichere Zu- kunft haben, schrumpfen die sogenannten Gemeinden unseres

114 Israelitisches Volksblatt. Volkstümliche Wochenschrift für die Interessen des Judentums, herausgegeben von Aron Nussbaum in Trier. In dieser Zeitschrift sind 10 Texte des jüdischen Lehrers Michael Levy enthalten, die sich in lyrischer Sprache auf jüdische Feste und biblische Themen beziehen. Michael Levy war über zwanzig Jahre lang Elementarlehrer in Schweich. Seit 1870 war er Chasan und Religionslehrer der israeliti- schen Religionsgesellschaft Trier. Diese bisher unbekannte Zeitschrift der Region Trier informiert über jüdische Sachverhalte in Deutschland und der ganzen Welt. Eine besondere Aufgabe sehen die Verfasser in der Reaktion auf antisemitische Berichte in der Trierer Bistumszeitung „Paulinus“ und der „Landeszeitung“. 116 Bezirks, welche wohl Judenschaften, aber keine anerkannten Genossenschaften bilden, in jeder Hinsicht von Jahr zu Jahr mehr zusammen, ja, gehen nach und nach ihrem Ruin sicher entgegen.“115 Ziel seiner Kritik ist nicht die staatliche Gesetz- gebung den Juden gegenüber, sondern die Haltung der jüdi- schen Gemeindevorstände. Obwohl laut Ministerial-Reskript vom 30. Juni 1859 den öffentlichen Schulen „eine fortlaufende jährliche Beihilfe von den Communen gewährt werden“, gin- gen die Privatschulen leer aus. Ursache seien die Gemeinden selbst. Deshalb rät er: „(...) gehet hin und bildet Synagogen- gemeinden!“116 Er verwirft die Skepsis der jüdischen Gemein- devorstände gegenüber dem Gesetz vom 23. Juli 1847, gegen welches sich nicht nur jüdische Kritiker negativ geäußert hät- ten, denn am 6. Februar 1850 sei dieses Gesetz von beiden Kammern der preußischen Regierung revidiert und diese neue Fassung vom preußischen König „beschworen“ worden. In dieser neuen „Constitution“ seien die Juden Preußens „jüdi- sche Preußen“ geworden. Dadurch sei der ungünstige Teil des Gesetzes von 1847 aufgehoben worden. Die jüdischen Ge- meinden des Rheinlandes hätten sich dieser Neuregelung be- reits angepasst und sich neu organisiert. Der Trierer Sprengel dagegen habe sich seinerzeit unter der Leitung des Oberrabbi- ners Joseph Kahn „entschieden ablehnend“ verhalten. Daran habe auch die Einladung an die Abgeordneten der jüdischen

115 German Sender: Mahnruf, in: Israelitisches Volksblatt 1887, S. 73. Sen- der spricht hier den Rückgang der Einwohnerzahl der meisten kleineren Gemeinden der Region Trier an, die wesentlich Folge des Wegzugs in größere Städte ist, weniger mit der Auswanderung nach Amerika zu erklären ist. 116 Ebda, S. 74. Die Position von Oberrabbiner Joseph Kahn findet ihren Niederschlag in einem Zeitungsartikel, der am 1.8.1867 in Ben Chananja veröffentlicht worden war: „Auch jetzt noch sind sie [die Gemeinden unseres Bezirks] fest entschlossen, dieses [das Gesetz vom 23.Juli 1847] nicht anzunehmen und wollen sich lieber verpflichten, freiwillig den Kultusbeitrag zu zahlen.“ Dieses Gesetz löst das napoleonische Konsis- torialsystem vom 17.3.1808 ab. Vgl. Haller, Annette: Das Protokoll- buch der jüdischen Gemeinde Trier (1784-1836), S. 35. 117 Gemeinden durch den Königlichen Landrat von Spangenberg als Regierungskommissar am 4. Oktober 1853 nichts geändert, weil die „Hauptstimmführer jener Zeit“ gegen die Annahme der neuen Gesetze waren. Noch Ende der 50er Jahre habe die Delegiertenversammlung in Ottweiler mit Ausnahme der Ver- treter aus Merzig und Tholey die neuen Gesetze abgelehnt. Erst nach dem Tod von Oberrabbiner Kahn hätte eine Dele- giertenversammlung am 12. Dezember 1876 in Saarbrücken die Notwendigkeit zur Bildung von Synagogengemeinden angenommen, ohne dass es zu einer praktischen Konsequenz geführt hätte.117 Der Verfasser habe daraufhin zu einer Ver- sammlung nach Ottweiler eingeladen, um die Gemeinden für eine staatliche Anerkennung zu gewinnen, der kein Erfolg beschieden war. Sein Mahnruf endet mit einem eindringlichen Appell an die jüdischen Gemeinden „in der Nähe und Ferne“ eine „gesetzliche Körperschaft“ zu bilden, damit der Weg für öffentliche jüdische Schulen geebnet werde.118 Joseph Kahn hatte sich bereits in den ersten Jahren seines Rabbinats um die Verbesserung der Lehrerbildung bemüht. Er unterstützte ideell und materiell die Marks-Haindorf´sche Lehrerbildungsanstalt in Münster, die von dem Arzt Dr. Ale- xander Haindorf im Jahre 1827 gegründet worden war.119 Oberrabbiner Kahn wohnte im Jahre 1858 einer Prüfung von sechs Studierenden dieser Einrichtung bei. Obwohl nicht alle eine Vorbereitungseinrichtung besuchen konnten, seien die Prüfungsleistungen der Kandidaten hinreichend gewesen. Geprüft wurden Religionskenntnisse in der biblischen und jüdischen Geschichte und in hebräischer Grammatik. Der Kandidat habe die Bibel geläufig zu übersetzen und müsse einen hebräischen Kommentar lesen können. Die Prüfung sei

117 Ebda. 118 Ebda, S. 82. Bereits 1863 veröffentlichte die Allgemeine Zeitung des Judentums einen Artikel zur Lage der jüdischen Schule der Region Trier mit selbstkritischer Tendenz. Vgl. Allgemeine Zeitung des Judentums vom 20.1.1863, S. 52. 119 Erschens, Hermann: Geschichte der Judengemeinde in Leiwen, S. 28/29. 118 von den Lehrern der Anstalt, einem Oberrabbiner oder einem in den hebräischen Disziplinen Gelehrte, abzunehmen, heißt es in dem Programm dieser Lehrerbildungseinrichtung vom 26. Oktober 1851. Die Kandidaten müssten lernen, einen Semi- nargottesdienst einzurichten, wie er in früheren Jahren be- stand, der der Mehrheit der anwesenden Gemeinde entspricht. Außerdem müsse das Vorbeten und das Vorlesen der Tora unterrichtet werden. Die künftigen Lehrer müssten das Vorbe- teramt einüben und Vorträge halten. Um dem Lehrermangel zu begegnen, müssten unvorbereitete Kandidaten in die Lehrer- bildungseinrichtung aufgenommen werden. Diese hätten sich aber einer Prüfung über ihre Vorkenntnisse durch den „Diri- genten“ der Anstalt oder einem von diesem bezeichneten Oberrabbiner zu unterziehen.120 Diese Einrichtung wurde von Gemeinden der Region Trier und des Rheinlandes finanziell unterstützt.121 Oberrabbiner Kahn lobt die Arbeit des Haindorfischen Vereins, er habe „sehr viel Gutes bewirkt“, besonders wegen der Ausbildung der Lehrer, die in Westphalen und im Rheinland tätig seien.122 In dieser Anstalt wurde Wert auf eine praktische Lehre- raus-bildung gelegt; aus diesem Grunde war diesem Institut eine Elementarschule angegliedert. Die Kandidaten wurden auf ihre spätere Tätigkeit in der Synagoge vorbereitet. In die- ser Einrichtung wurde auch Simon Bonem aus Neumagen 1836/37 ausgebildet.123 Andere Lehrerseminare, deren Bewer- ber in der Region Trier angestellt wurden, befanden sich in Ems, Würzburg, Kassel, Hannover, Berlin und Köln.

120 Kahn, Joseph, in: Der jüdische Volkslehrer Oktober 1858, S. 318-321. 121 Von der jüdischen Gemeinde Trier sind Listen von Förderern zwischen 1835 und 1848 erhalten. Vgl. Stadtarchiv Trier Tb 11/001. Die Beteili- gung der Königlichen Regierung in Trier an der Förderung dieser Ein- richtung erfolgte in jährlichen Aufforderungen der Gemeinden, Beiträge zu entrichten. Über den Ertrag fertigte die Regierung einen Bericht an. Vgl. „Aus dem Regierungsbezirke Trier“ in Ben Chananja vom 20.4.1864, S. 331. 122 Ebda. 123 Kahn, Joseph, in: Der jüdische Volkslehrer Oktober 1858, S. 318-321. 119 Neben den Zeugnissen der bestandenen Lehrerprüfung leg- ten einige wenige Bewerber um ein Lehramt in einer jüdischen Privatschule auch Gutachten oder Empfehlungen des Oberrab- biners aus Trier vor, dies häufig dann, wenn die 2. Lehrerprü- fung noch nicht abgelegt worden war. Es lassen sich auch Bewerbungsprozesse nachweisen, in denen der Leiter des Leh- rerseminars und der zugeordnete Rabbiner einzelne Kandida- ten empfehlen. Diese Gutachten enthalten nicht nur Aussagen zu den Lernergebnissen, sondern beziehen sich auf die Ge- samtpersönlichkeit des künftigen Lehrers. In der Region bewarben sich in den Landgemeinden häufig Lehramtskandidaten kurz nach bestandenem 1. Lehrerexamen in einem Alter von erst 20 bis 22 Jahren. Selten lassen sich Stellenbesetzungen von älteren gestandenen Lehrerpersönlich- keiten beobachten. Diese jungen Lehrer, von denen per Such- anzeige erwartet wurde, dass sie unverheiratet waren, verlie- ßen oft schon nach einem Jahr die angenommene Lehrerstelle, um lukrativere Positionen in Städten anzunehmen. Ein völlig anderes Bild ergibt die Lehrersituation in der Stadt Trier, in der von 1837 bis 1937/38 alle jüdischen Lehrer mehrere Jahr- zehnte tätig waren, bis sie aus Altergründen aus dem Schul- dienst ausschieden. Auf diese Weise war es ihnen möglich, sich mit der jüdischen Gemeinde und der Stadt zu identifizie- ren. Die Anstellung eines Lehrerkandidaten wurde mit einem Vertrag besiegelt, der vom Vorstand der jeweiligen Gemeinde und vom Bewerber unterzeichnet werden musste. Dieser Ver- trag wurde der Schulbehörde zur Genehmigung vorgelegt. Einige Verträge wurden beanstandet. Anfang 1839 wurde von zwei wissenschaftlich gebildeten Rabbinatskandidaten, Moses Heß und Joseph Kahn, die Lage der Juden in der Region Trier nicht nur positiv bewertet. Mo- ses Heß sah Fortschritte in der Bildung von Wohltätigkeitsver- einen und in der Elementarschule in Trier unter Leitung von

120 Lehrer Levy.124 Einen differenzierteren Überblick vermittelte Joseph Kahn, der zwischen den politischen und religiös- intellektuellen Verhältnissen unterschied. Die politischen Be- dingungen der Juden litten darunter, dass das sogenannte Mo- ralpatent von Napoleon, das sich gegen den Wucher einer Pro- vinz gerichtet hatte, von den preußischen Machthabern ange- wendet werde, obwohl es in Frankreich längst aufgehoben sei. Im Regierungsbezirk Trier sei sehr selten Wucher im Handel anzutreffen. In religiös-intellektueller Hinsicht lasse noch Vie- les zu wünschen übrig, aber es gebe auch Fortschritte. Wie Moses Heß nennt er als Beispiel die jüdische Elementarschule von Trier. Auf Verlangen der Israeliten seien in Ottweiler, Merzig, Thalfang und anderen Orten geprüfte Lehrer ange- stellt worden. Für das jüdische Schullehrerseminarium in Münster würden aus der Region jährlich Beträge gesammelt, wozu die Regierung die Gemeindevorsteher aufgefordert habe. Aus dieser Einrichtung (Institut Dr. Haindorf) seien Kandida- ten aus der Region ausgebildet worden, die als tüchtige Lehrer tätig seien. Negativ zu Buche schlage allerdings der Umstand, dass sich die kleineren Gemeinden mit sogenannten Religions- lehrern (Bachurim oder Ribbi) behelfen, was sich nachteilig auf die Schüler auswirke. Diese seien zwar „minder kostspie- lig“ und die Vorstände könnten besser über sie gebieten, doch die Folge sei, dass von dem unprofessionellen Religionsunter- richt keine Verbesserung der Lage ausgehe: die Söhne der Väter würden sich beruflich „lieber dem Handel als dem Handwerke oder anderen bürgerlichen Nahrungszweigen widmen.“125 In der Förderung der jüdischen Elementarschulen auf dem Lande erkennt er das geeignete Mittel, „dass eine bessere Generation in dem Trierischen heranwachse.“126 Joseph Kahn äußert sich kritisch gegenüber den staatlichen Gesetzen, insofern sie die jüdischen Schulen im Vergleich zu

124 Heß, Moses, in: Israelitische Annalen vom 10.5.1839, S. 150. 125 Kahn, Joseph, in: Israelitische Annalen vom 18.1.1839, S. 23/24. 126 Kahn, Joseph, in: Israelitische Annalen vom 14.8.1839, S. 283. 121 den christlichen benachteiligen. Er kritisiert vor allem die pri- vate Lehrerbesoldung, die jüdische Familien unverhältnismä- ßig finanziell belastet und die Schulaufsicht, die in jüdischen Schulen nur von christlichen Geistlichen vorgenommen wer- den darf. Als im Jahre 1865 ein „Verein zur Unterstützung hilfsbe- dürftiger Lehrer, Lehrers-Witwen und Waisen in Deutschland“ gegründet wird, regt er die Lehrer seines Bezirks an, diesem Verein beizutreten. Ebenfalls beantwortet er die Anfrage des Vorsitzenden der Hauptcomtés dieses Verbandes, Rabbiner Dr. Rothschild, aus Alzey, an der Herausgabe des Jahrbuches „Achawa“ mitzuarbeiten, positiv. Dennoch übt er Kritik an der unzulänglichen Ausformulierung der Statuten dieses neuen Vereins, der auf ganz Deutschland ausgedehnt werden soll. Er kritisiert die unzweckmäßige Art der Verwaltung des Vereins- vermögens, die zentrale Stellung von Hessen bei der Verwal- tung des Vereins und dass nur dem Vorstand die Reisekosten bei Kongressen zu erstatten sind, nicht aber den übrigen Dele- gierten.127

Der jüdische Sprengel Trier

Oberrabbiner Joseph Kahn veröffentlichte im Jahre 1864 eine Artikelserie „Aus dem Regierungsbezirke Trier“, in der er einen einzigartigen Überblick über seinen Wirkungsbereich gibt. Der Leser erfährt, in welchen Landkreisen des Regie- rungsbezirks Trier jüdische Bürger wohnen, wo die größeren Gemeinden liegen und wo es nur eine geringe Bevölkerungs- dichte jüdischer Bürger gibt. Die bevölkerungsreichsten Ge- meinden sind Trier mit 100 Familien und mit je 50 Familien die Orte Illingen, Ottweiler, Wittlich, Schweich und Offen-

127 Ben Chanaja vom 13.9.1865, S. 662-663. Im Jahre 1886 sind für den Monat April Mitgliedsbeiträge von Lehrer Speyer aus Schweich und von Rabbiner Dr. Zuckermandel aus Trier veröffentlicht. Vgl. AZJ vom 11.5.1886, S. 320. 122 bach a.G.128 In den Kreisen Bitburg, Daun und Prüm lebten nur wenige Israeliten. In den Städten seien die meisten Jüdischen Bürger Kaufleu- te, auf dem Lande dagegen werde Weinhandel betrieben, wo- bei die wohlhabenderen nebenher durch Landwirtschaft ihre Existenz sicherten. Die Vermarktung des hiesigen „Saar- Mosel-Weins“ floriere. Es gebe auch Handwerker und Gerber. Allein in Trier erzielten 4 jüdische Bürger mit nicht unbedeu- tenden Gerbereien ihr Einkommen. Im Regierungsbezirk Trier gebe es auch mehrere größere und kleinere Zigarrenfabriken, die von Israeliten unterhalten würden. Deswegen sei die Ein- kommenssituation der Juden in der Region“ Trier durch- schnittlich gut“. Die wenigen Armen würden „ohne große Opfer“ von den einzelnen Gemeinden unterhalten. Das Zusammenleben von Christen und Juden charakteri- siert Joseph Kahn als friedlich. Die Behörden würden sich der Israeliten „wolwollend und human“ annehmen. Es existierten noch diskriminierende Gesetze, die der Verfassung widersprä- chen, aber die Kammern und das Volk lehnten diese mit aller Kraft ab.129 Umfangreich informiert ein Artikel über die Vereine in jü- dischen Gemeinden. Ausgehend von den „städtischen Spitä- lern“ und dem „Landarmenhaus“ in Trier, die von der Kom- mune verpflichtet seien, alle Armen ohne Unterschied der Religion aufzunehmen, bemerkt Kahn, dass verarmte jüdische Bürger selten von den Spitälern aufgenommen werden , aber häufiger im Landarmenhaus. Joseph Kahn versehe im Land- armenhaus und in den Strafanstalten in Trier die Seelsorge an den jüdischen „Deternierten“ schon länger als 20 Jahre. Ge- mäß den Ideen der säkularen Gesellschaft hat die Bürgerge- sellschaft ehemals caritative Aufgaben der Religion in eigener Verantwortung übernommen. Dem Rabbiner wie den christli- chen Geistlichen bleibt allerdings die Rolle des Seelsorgers

128 Ben Chananja vom 24.2.1864, S. 151 129 Ebda. 123 überantwortet. Dies hat Konsequenzen für die Ziele der jüdi- schen wie der christlichen sozialen Vereine, die nicht mehr die ärgste Armut in den Gemeinden bekämpfen müssen, sondern Notlagen, die von den Hospitälern und dem Landarmenhaus nicht abgedeckt werden. So befassen sich die „Wohlthätig- keitsvereine“ in Tholey, Saarlouis, Saarwellingen, Neunkir- chen, Illingen, Schweich, Wawern und Trier mit der Beleh- rung der Mitglieder durch Vorlesen und Erklären religiöser Bücher und Zeitschriften. Die in Trier existierenden Männer- vereine übernehmen die Bestattung von Toten, unterstützen arme Kranke, steuern Mittel zur Hausmiete bei, verteilen im Winter Brennmaterial. Ein Synagogenchorverein fördert den Chorgesang im Gottesdienst.130 Die Frauenvereine in Trier tragen Sorge, dass arme Frauen Kleider erhalten, sie unterstüt- zen Waisen, verteilen Fleisch an Festtagen, pflegen arme kranke Frauen. An Pesach erhalten die Armen in Trier Gaben aus den Zinsen der „Kallmanischen“ Stiftung. Das überregionale Engagement des Rabbinatsbezirks Trier zeigt sich in der Förderung des „Haindorfischen Vereins“ zur Erlernung von Handwerken und Ausbildung von Elementar- lehrern in Münster, an der sowohl der Oberrabbiner als auch die Königlichen Regierung beteiligt ist. Außerdem ist der Trie- rer Oberrabbiner Mitglied im Kuratorium des jüdischen Wai- senhauses Paderborn. Er sammelt in und außerhalb Beiträge zur Unterhaltung dieser Einrichtung.131 In dieser Einrichtung hielt Joseph Kahn am 29. August 1863 eine Predigt, in der er die Waisen ermuntert, ihr Schicksal anzunehmen. Ausgehend von seiner eigenen Erfahrung, mit 13 Jahren Vollwaise zu sein, führt er aus: „…der gütige Gott, der Vater der Waisen, stand mir gnädigst bei; er weidete und nährte mich von meiner Jugend an bis auf den heutigen Tag.“132

130 Ben Chananja vom 20.4.1864, S. 330 131 Ben Chananja vom 20.4.1864, S. 331 132 Ben Chananja vom 6.4.1864, S. 289. Diese Predigt wurde im Selbstverlag des Kuratoriums in Paderborn unter dem Titel „Gott 124 Das Rabbinat beteiligt sich ebenso an einer Sammlung für Palästina, die Beträge werden an Albert Cohn in Paris gesen- det, der sie am Bestimmungsort zweckmäßig und gerecht ver- teilt.133 Über den Synagogengottesdienst weiß Joseph Kahn zu be- richten, dass die früheren Missstände beseitigt seien. Das We- sen des Gottesdienstes sei „noch ein konservatives“, so dass an den alten Gebeten nichts verändert worden sei. Jedoch sei der Chorgesang und die deutsche Predigt sehr beliebt und einhei- misch geworden.134 Oberrabbiner Joseph Kahn hofft, dass seine sechs Beiträge über den Regierungsbezirk Trier dazu beitragen, dass „manche Gemeinden“ das Gute nachahmen und Parteiungen aus ihrer Mitte beseitigen und den Frieden in sich erhalten.135

der Vater der Waisen“ veröffentlicht. 133 Ben Chananja vom 20.4.1864, S. 331. 134 Ben Chanja vom 30.3.1864, S. 263. 135 Ebda. 125 Ein Predigtbeispiel aus: Mayer Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, Berlin 1872, S. 298-305

126 127 128 129 130 Annäherung an diese Predigt

Dieses Predigt beginnt mit einem Bußgebet, in dem der Sabbat und das Jom-Kippur-Fest personifiziert als Fürsten angesprochen werden. Darauf folgt eine Bitte an Gott, wenn er die bekannten und unbekannten Sünden an diesem Tage richte, die Gerechtigkeit ans Tageslicht zu fördern. Dem schließt sich ein Vers aus dem Psalm 133 an: „Siehe, wie schön und lieb- lich ist´s, wenn Brüder auch in Liebe zusammen wohnen.“ Der Predigende spricht sodann die Zuhörer an, sie sollen „die beiden Fürsten“ begrüßen und feierlich empfangen, um

131 sie innerlich bereit zu machen, die Versöhnungsbotschaft an- zunehmen. Im Folgenden definiert er den Sabbat als „Fürst der Ruhe“, der Gott den Schöpfer vergegenwärtige und den „Fürsten der Versöhnung, der Gott als den mit den Menschen sich Versöh- nende verkünde, als Muster und Lehrer der Verbrüderung aller Menschen durch Liebe und Versöhnung. Darauf greift der Oberrabbiner das Motiv aus dem Psalm 133,1 wieder auf, die Botschaft der „beiden Fürsten“ sei „in leisem und sanftem Säuseln“ zu vernehmen, nicht nur an die- sem Tage, sondern sie entböten Gottes „Segen und Leben in Ewigkeit“. Im folgenden Abschnitt weitet er den Begriff „Brüder“ auf alle Menschen, die Geschöpfe Gottes sind, aus. Darauf folgt ein Rückblick auf Vorträge des Predigers, die dieser am Neujahrstag gehalten hatte. Das Kernthema lautet: Lebet in Liebe und Versöhnung mit unsern, andern Glaubens- bekenntnissen angehörenden Brüdern und Schwestern und selbst auch mit denen unter ihnen, die uns nicht lieben, die uns hassen und gering schätzen.“ Diesem Gedanken schließt sich eine Auseinandersetzung mit der „Schuld der Väter“ an. Joseph Kahn antwortet mit dem Wort des Propheten Ezechiel: „Jeder sterbe nur ob seiner eige- nen Sünde.“ Damit weist er die antijüdischen Äußerungen eines deutschen Kongresses katholischer Vereine in Trier, die Juden seien schuld am Tod Jesu, zurück. Anschließend bezieht er sich auf den Missbrauch des Wor- tes „Jude“ in der damaligen Öffentlichkeit. „Jude“ bedeute „ein Gott-Lobender und Dankender“. Der folgende Abschnitt thematisiert den Judenhass in der schönen Literatur. Die Zerrbilder von Juden resultierten aus Unkenntnis der häuslichen und religiösen Zustände der Juden, so dass sich die antisemitischen Schriftsteller „gewissenlos schuldig“ machten. Gleiches gelte auch für einen Teil der Zei- tungen (Tagesblätter) und Schriften, die den Judenhass „ver- ewigten“. Wenn etwas Nachteiliges zu berichten sei, so er- 132 wähnten die Verfasser, dass der Betreffende Jude sei, im um- gekehrten Fall werde die Zugehörigkeit zum Judentum unter- schlagen. An dieser Stelle fügt er die Frage ein, ob die Zuhörer auch die lieben sollen, die in ihrem Hasse gegen Juden fortfahren. Mit Bezug zu 4 Mos. 14, 31 antwortet er überraschend: „Wir können nicht“. Zur Bekräftigung dieser Aussage erinnert Joseph Kahn an die vielen jüdischen Märtyrer, die durch „ihrer Väter [der Christen] eigene Schuld“ gestorben seien. Der folgende Abschnitt korrigiert (dialektisch) die zuvor gemachten Aussagen. Die eigene Exodus-Erfahrung lehre, Andere mit Schonung und Liebe zu behandeln. Zahlreiche Bibelstellen aus dem 2., 3. und 5. Buch Mose unterstreichen die zentrale Botschaft des Oberrabbiners, die im Verbot gipfelt, den, der dich hasst und dir Böses angetan hat, wieder zu hassen und sich an ihm zu rächen. Die Nächstenlie- be sei die biblische Botschaft. Im Folgenden führt er aus, dass sich, wie die Nächstenlie- be, die Versöhnungsliebe auf alle Menschen erstrecke. Zur Verdeutlichung zitiert er Bibelstellen aus dem 2., 3. und 4. Buch Mose. Die Lesung des folgenden Tages vorweg nehmend, erzählt der Prediger die Geschichte des Propheten Jona. In den Vor- dergrund stellt er dessen Gottesbekenntnis: „Denn ich weiß, dass du ein gnädiger und barmherziger Gott bist, langmütig und reich an Gnade.“ Theologisch bekräftigt wird dieses Be- kenntnis mit einem Zitat aus dem Midrasch Jalkut: „Für meine Liebe hassen sie mich, ich aber bin ganz Gebet.“ Anschließend erläutert der Oberrabbiner seinen Zuhörern den Sinn des Versöhnungsfestes: Weil sie dem Gebot der Feindesliebe im Alltag nicht in allen Fällen nachkommen, sollen sie Opfer bringen. Gegen Ende der Predigt wird der Versöhnungsgedanke in knapper Form wiederholt und mit der Aufforderung verbun-

133 den, das eigene Verhalten dem vom Propheten Jesaja verkün- deten Messianischen Reich anzunähern.

Das silberne Amtsjubiläum am 15./16. Dezember 1866

Zum 25. Amtsjubiläum von Oberrabbiner Joseph Kahn fanden am 15. Dezember 1866 im Gemeindesaal und am 16. Dezember in der Synagoge Feiern statt. Von beiden Ereignis- sen berichtet der Schweicher Lehrer Michael Levy.136 Die Feierlichkeiten begannen am Freitagabend um 7 Uhr. Der hellerleuchtete Saal sei mit Girlanden und passenden In- schriften geschmückt gewesen. Zahlreich Gratulationsschrei- ben und Geschenke hätten auf den Tischen gelegen. Männer und Frauen hätten in großer Zahl Ehrengeschenke überreicht und den Jubilar beglückwünscht. Auch der Regierungspräsi- dent von Gärtner sei anwesend gewesen. Der Synagogenchor unter Leitung von Herrn Kantor Schmal aus Trier hätte einen ergreifenden Gesang vorgetragen, der nach einem Gedicht des Berichterstatters vertont worden war. Anschließend hätte Herr Allmeyer, einer der ältesten Mitglieder des Festkomitee den Jubilar gewürdigt. Das Ehrengeschenk hätte aus vier silbernen Leuchtern bestanden. Auf dieses Geschenk Bezug nehmend hätte der Redner in Anlehnung an Sprüche 3,25 „Das Gebot ist eine Leuchte und die Lehre ein Licht“ den Jubilar gewürdigt, weil er immer in allem Guten vorleuchtete, sich um den Bau neuer Synagogen bemühte und stets in klarer, lichtvoller Spra- che das Wort Gottes verkündete. Unter Tränen hätte darauf der Jubilar allen gedankt, indem er an einen Vers aus seiner An- trittsrede vor 25 Jahren erinnerte: „Ich bin zu gering aller Barmherzigkeit und Treue, die du deinem Knecht erwiesen.“ (1 Mos 32,11).

136 Ben Chananja vom 15.1.1867. 134 Der Berichtende hätte auf den Jubilar einen Toast ausge- bracht: „Es lebe unser Herr Josef, der Hirte seiner Brüder.“ Die Anwesenden hätten noch mehrere Stunden bei Erfrischun- gen munter und fröhlich zugebracht. Am Morgen des kommenden Tages hätte in der reichlich mit Blumen geschmückten Synagoge und bei brennendem Gaslicht eine weitere Feier stattgefunden. Anwesend seien gewesen der Regierungspräsident, der Landrat und der Bür- germeister. Nach dem Festgesang des Synagogenchores hätte Herr Lehrer Levy aus Ottweiler die Festpredigt nach Jes 9,1 gehalten. Dabei sei er eingegangen auf die Bedeutung des Festtages, den Beruf des jüdischen Priesters und würdigte anschließend den Jubilar wegen seiner Verdienste für die Sy- nagogen und das Gemeinde- und Schulwesen. Der Jubilar hätte sich daraufhin bedankt, indem er auf den Vers „Auch bis zum Alter und graue Haare, Gott verlass mich nicht.“ (Ps 71,18) Bezug genommen hätte. Ein Schlussgesang hätte die Feier beendet. Im Laufe dieses Tages seien noch viele Gratulanten in der Wohnung des Jubilars eingetroffen und zahlreiche Briefe und Telegramme seien angekommen. Zitate aus dem Buch Jesaja beenden die Predigt

Geschenk der Israelitischen Gemeinde Saarwellingen Foto von Richard Almond, Palo MD, Palo Alto, Californien

135 aus: Ben Chananja vom 15.1.1867 136 Die vielleicht bedeutsamste Würdigung von Joseph Kahn stammt von seinem Rabbinerkollegen Leopold Löw (1811- 1875), dem Universalgelehrten und Herausgeber der Zeit- schrift „Ben Chananja“. Sie ist am 1. Dezember 1866 in der Zeitschrift „Ben Chananja“ in einer unscheinbaren Form ab- gedruckt. Die zentralen Inhalte sind in einer Anmerkung am unteren Rand auf der Seite 846 zu finden, die sich auf die knappen Ankündigung dieses Ereignisses unter der Über- schrift „Aus dem Regierungsbezirke Trier“ beziehen. Nach- dem Oberrabbiner Joseph Kahn als „einer der tüchtigsten Vor- kämpfer für Licht und Fortschritt“ vorgestellt wird, fährt die Anmerkung fort: „Der verehrte Jubilar braucht sich nicht, wie sein Namensbruder in dem Schriftabschnitte [Joseph, Anm. d. Verf.]des Jubeltages, seinen Brüdern erst zu erkennen zu ge- ben. Er ist nicht nur den nahen, sondern auch den entfernten Brüdern als einer der edelsten Lehrer des heutigen Israels be- kannt. ´Lehre der Wahrheit ist in seinem Munde, und Unrecht ward nicht gefunden auf seinen Lippen; friedlich und redlich verkehrt er mit mir, und Viele hält er zurück vom Vergehen. Denn die Lippen dieses Priesters bewahren die Wissenschaft, und Belehrung sucht man aus seinem Munde, denn er ist ein Bote des Herrn der Heerscharen (Mal. 2, 6.7).´ Möge es ihm unter der Obhut Gottes gegönnt sein, noch eine lange Reihe von Jahren der treue Hirte seiner gebildeten Herde zu sein!“137

„Kahns Bade- und Reiseberichte“

Im Jahre 1867 verbrachte Joseph Kahn vom 22. Juli bis zum 27. August in Bad Ems.138 Während dieses langen Kurau- fenthalts verfasste er seine Bade- und Reiseberichte, die in

137 Ben Chananja vom 1. Dezember 1866, S. 846 138 In Bad Ems, der bedeutenden Kurstadt, gab es im 19. Jahrhundert mehre- re jüdische Kureinrichtungen, streng koscher geführte Gasthäuser und Hotels sowie jüdische Ärzte. Vgl. http://www.alemannia-judaica.de/bad_ems_ 137 mehreren Folgen von August bis Oktober 1867 in der jüdischen Zeitschrift “Ben Chananja” abgedruckt wurden. Diese Berichte umfassen drei Teile, die mit lateinischen Zah- len versehen sind. In die einzelnen Teile sind Orts- und Zeit- angaben eingefügt. Der erste Teil beginnt mit der Ortsangabe „Bad Ems“ und dem Datum „22. Juli“. Der Verfasser gibt an, er könne noch nicht viel berichten, da er erst seit Freitagmittag eingetroffen sei. Deswegen greift er auf Ereignisse zurück, die seinen früheren Kuraufenthalt in Bad Cannstadt bei Stuttgart betref- fen. Er berichtet über seine Eindrücke von Personen, mit de- nen er dort Gespräche geführt hat, informiert über die jüdi- schen Verhältnisse in Württemberg und setzt sich mit Themen auseinander, die sich auf das Fortbestehen des Judentums in der Geschichte beziehen. Erst am Ende erwähnt er, dass er in Bad Ems einen Vortrag seines Kollegen Dr. Hochstädter ge- hört hat. Er bedauert, dass die jüdischen Kurgäste die Gottes- dienste recht selten besuchen.139 Der zweite Bericht besteht aus zwei Abschnitten: Der erste trägt das Datum des 1. August, der zweite des 4. August. Da er inzwischen einen gut besuchten Gottesdienst erlebt hat, nimmt er seinen Tadel wegen des spärlichen Gottesdienst- besuches der jüdischen Kurgäste zurück. Er informiert über die Gespräche mit Bekannten aus verschiedenen Ländern, thematisiert das Gebet zum Jerusalemer Tempel und zur Wie- derherstellung des Opferkultes. Der auf den 4. August datierte Teil beschreibt die jüdischen Verhältnisse von Schweden und Dänemark, soweit er sie aus den Gesprächen namhafter Kurgäste kennen gelernt hat. Im Schlussteil setzt er sich mit einem Artikel ´Vom Rhein´, der in Nr. 15 des Ben Chananja erschienen ist, auseinander. Sein Kollege Dr. Hochstädter habe diesen falsch verstanden.140

139 Ben Chananja, 1. 8.1867, S. 486-488. 140 Ben Chananja, 15.8.1867, S. 506-508. 138 Am 1. September 1867 erscheint der Schluss zum Kapitel II, datiert auf den 1. August. Dieser Beitrag ist in vier Unter- punkte gegliedert, die sich alle als Replik auf den vorher schon genannten Artikel ´Vom Rhein´ verstehen. Joseph Kahn er- weist sich in diesem Text als wortgewaltiger Verfechter des aufgeklärten Judentums.141 Der dritte Teil der Bade- und Reiseberichte wurde erst in der Ausgabe vom 1. Oktober 1867 veröffentlicht, obwohl er wie vorhergehende Kapitel den 1. August als Tag der Abfas- sung trägt. In diesem Beitrag geht es um die von Joseph Kahn vorgenommene Einweihung der Synagoge in Lösnich an der Mosel. Er betont, dass Juden und Christen die Feier gemein- sam begangen haben. Im Folgenden berichtet er von der Begegnung mit einem Ehepaar, das in Australien mehrere erwachsene Söhne „durch Tod“ verloren habe. Der Schluss zum Teil III, auf den 1., 25. und 26. August datiert, enthält umfangreich die Ergebnisse seiner Unterhal- tung mit dem australischen Ehepaar. In diesem Abschnitt be- schreibt er die australischen Verhältnisse des Judentums. Am Ende des Bericht vom 1. August geht der Schreiber auf neue Entwicklungen in der jüdischen Gemeinde von San Francisco in den USA ein. Der kurze Text vom 25. August informiert über das Zusammentreffen von Joseph Kahn mit dem Bekann- ten Kahana, einem Bankier aus Jassy. In seinem Bericht vom 26. August erfährt der Leser die Wiederbegegnung zweier ehemaliger Talmudschüler. Joseph Kahn hatte zuvor über dreißig Jahre gemeinsam mit Rabbiner Dr. Frankel bei Rabbi Ettlinger den Talmud ´gelernt`. Joseph Kahn wird durch dieses Treffen an „aus dem Gedächtnis ge- schwundene“ Ereignisse erinnert, die ihn „erheben“ und für die er sich bedankt. Im weiteren erklärt der Autor die Ver- schiedenheiten ihrer beider religiösen Positionen mit den un- terschiedlichen Erfahrungen der beiden Lebensläufe. Während

141 Ben Chananja, 1.9.1867, S. 554-557. 139 das Leben von Dr. Frankel „an stillen Wassern“ verlaufen sei, hätte er vielfach „im düsteren Thale“ “ringen und streben im friedlichen Leben“ müssen.142 Da er angibt, am darauffolgenden Tag seinen Kurort zu verlassen, um zu seinen Kindern nach Amsterdam zu reisen, ist die Abreise am 27. August 1867 erfolgt.

Gliederung von Kahns Bade- und Reiseberichte Teil ergänzt Ort und Datum erschienen I Bad Ems, den 22. Juli 1.8.1867 II Bad Ems, 1. August 15.8.1867 Schluss Bad Ems, 1. August 1.9.1867 III Bad Ems, den 1. August 1.10.1867 Schluss Bad Ems, den 1. August 15.10.1867 Bad Ems, den 25. August 15.10.1867 Bad Ems, den 26. August 15.10.1867

Warum heute an Joseph Kahn erinnern?

Als Joseph Kahn am 10.Juli 1875 in Amsterdam bei einem Besuch seiner Tochter starb, verfügte die Trierer jüdische Ge- meinde, dass er auf ihre Kosten nach Trier überführt und dort beerdigt werden sollte, wo er 33 Jahre143 segensreich gewirkt hatte. Am 12. Juli 1875 um ein Uhr traf sein Leichnam auf dem Trierer Bahnhof ein, und um 4 Uhr wurde er unter Betei- ligung zahlreicher jüdischer und christlicher Einwohner der Stadt Trier beerdigt. Rabbiner Goldmann aus Birkenfeld und Rabbiner Dr. Blumenstein aus Luxemburg hielten die

142 Ben Chananja, 15.10.1867, S. 643-647. 143 Es ist nicht auszuschließen, dass Oberrabbiner Kahn 34 Jahre lang im Amt war, denn noch im Todesjahr wird er in einem Zeitungsartikel der Allge- meinen Zeitung des Judentums vom 13.4.1875, S. 253/254 als Kollege an- gesprochen. Eine Verabschiedungsfeier ist nicht bekannt. 140 Sterbeanzeige von Joseph Kahn in Amsterdam

Grabreden. Die große Bedeutung von Oberrabbiner Joseph Kahn fasste einer der Redner in dem Satz zusammen: „Durch seine segensreiche Wirksamkeit habe Oberrabbiner Kahn sich das unvergessliche Andenken erworben, das ihm seine Ge- meinden in pietätvoller Treue bewahren werden“. 144 Dazu zählte auch die Synagogengemeinde Wawern. Sich heute an Joseph Kahn zu erinnern, ist von Schwierigkeiten bestimmt, die aus der Zeit des neunzehnten Jahrhunderts betrachtet un- vorstellbar waren. Die jüdischen Gemeinden seines Sprengels

144 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 27.7.1875, S. 492/493; vgl. ebenso Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 20.7.1875, S. 483. Ein weiterer Nachruf ist in der in Wien erschienenen Zeitschrift „Die Neu zeit“ im Jahre 1875 veröffentlicht worden. Vgl. Die Neuzeit 1875, S. 241. 141 sind bis auf die Trierer jüdische Gemeinde ausgelöscht, weil die Nationalsozialisten in der Shoa an den europäischen Juden Massenmord begingen. - Zu den Ermordeten gehören auch Joseph Kahns Enkel, Joseph Samuel und Rebecca de Bruin, geb. Samuel, Kinder seiner Tochter Bertha, die in Ams- terdam den aus Freudenburg stammenden Leib Samuel gehei- ratet hatte. Joseph Samuel starb am 4. Juni 1943 und Rebecca de Bruin, geb. Samuel, starb am 16.4.1943 im Vernichtungsla- ger Sobibor. - Hunderte von jüdischen Bürgern des Trierer Landes wurden ermordet, Hunderte flohen in andere Länder und kehrten nie wieder zurück. Nachfahren der mit Joseph Kahn verwandten Familie Samuel aus Freudenburg leben heu- te in den USA. Einen Einblick in die Situation in Wawern in der Zeit von 1933 bis 1940 vermittelt der wissenschaftliche Aufsatz von Pascale Eberhard. Die antijüdischen Maßnahmen stellten kei- neswegs nur von außen in den Ort hineingetragene Aktionen dar, sondern wurden unter anderem von Mitbürgern initiiert, die die nationalsozialistische Ideologie bejahten.145 In Yad Vashem, der zentralen Gedenkstätte für die Ermor- deten der Shoa in Israel, wird im Tal der Gemeinden an die nicht mehr existierenden Gemeinden in Europa erinnert, da- runter kommen auch Ortsnamen vor, in denen Joseph Kahn rund hundert Jahre vorher hoffnungsfroh neue Synagogen einweihte, z.B. Schweich, Wawern, Trittenheim, Tholey. Der Optimismus, mit dem Oberrabbiner Kahn die jüdischen Ge- meinden aufbaute, kann den Menschen der Gegenwart umso deutlicher vor Augen führen, welche Grausamkeit die Natio- nalsozialisten in Deutschland und anderen europäischen Län- dern an den Juden verübten. Andererseits macht sein Kampf gegen den auch damals nicht unbekannten Antisemitismus uns Heutigen klar, dass eine Gesellschaft nicht ohne Toleranz zwi-

145 Eberhard, Pascale: Die Reichspogromnacht 1938 in Wawern, in: Jahr- buch des Kreises Trier-Saarburg 2009, S. 244-255; Vgl. auch „Das Leben ist ein Kampf“ Marianne Elikan -Verfolgte des Nazi-Regimes, hrsg. von Thomas Schnitzler, S. 1 und 2. 142 schen den unterschiedlichen Religionen vorstellbar ist. Das bedeutet, dass das Gleiche in Form und Lehre der jeweils an- deren Religion gesucht und das Ungleiche ausgehalten werden muss und dass billigen - nationalen oder kulturellen - Einheits- ideologien, die von sich behaupten, die absolute Wahrheit zu besitzen, widersprochen werden muss, weil sie dem Weltbild einer humanen Gesellschaft zuwider sind. Ebenso erkannte Joseph Kahn das Problem der Gleichgültigkeit sowohl in sei- nen eigenen Reihen als auch in der Gesellschaft. Auch diese Thematik ist in der Gegenwart noch aktuell, weil das verbrei- tete Bewusstsein, der Spaß sei das entscheidende Ziel des Menschen, die wirklich bewegenden Fragen heutiger Existenz ausklammert. Schließlich widersprach er nicht, wenn er fort- schrittlich genannt wurde oder seine Tätigkeit mit dem Fort- schritt in Verbindung gebracht wurde. Joseph Kahn verstand seine Arbeit nie als inhalts- und wertneutrale Lebensmaxime, sondern für ihn war der Fortschritt nur human, wenn er von der Offenbarung, also vom Willen Gottes, getragen ist. Gottes Wille ist für Joseph Kahn auch dann gültig, wenn er „eine schwere und unausführbare Zumuthung“ für viele darstellt, wie er im Bezug zur Versöhnung mit denen, die Juden hassen und gering schätzen, in einer Predigt zu Liebe und Versöh- nung im Jahre 1865 ausführte. Damit bereitet er den Weg zu einem menschlichen Miteinander. Denen, die die Juden seiner Zeit wegen des Todes Jesu kränkten und beleidigten, hält er entgegen, dass jeder nur für seine Taten bestraft werden darf, nicht aber für die Taten der Vorfahren. Außerdem sei es wis- senschaftliche Tatsache, dass die Römer aus politischen Grün- den Jesus ermordet hätten.146 Joseph Kahn reagiert mit diesen Worten auf antisemitische Aussagen eines Kongresses katholi- scher Vereine in Trier im Jahre 1865. In seiner Predigt zum Versöhnungstag 1865 führt er enttäuscht aus: „Machten wir doch ganz neulich hier, in unserer lieben Vaterstadt, deren Bürger stets liebevoll gegen uns sich benommen haben, die

146 Kayserling: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, S. 301. 143 traurige Erfahrung, wie einige hervorragende Männer, und selbst Pfleger der Religion der Liebe, die Alles auf ihrem Ge- biete rein conservieren und erlangen wollen, durch mehre Äu- ßerungen gegen uns bekundet haben, dass sie nicht rein und frei von Judenhaß sind“. Der christlichen Erinnerung an ihre Märtyrer hält er die unzähligen Märtyrer Israels entgegen, die „durch ihrer Väter eigene Schuld“ gestorben sind.147 Joseph Kahn vertraute auf die Wirksamkeit der Wahrheit im Kampf gegen tradierte Vorurteile. Wenn dieser Weg verlassen wurde, wie im Falle der Mortara-Affäre in Bologna, als fanatische Christen einen jüdischen Jungen raubten und anschließend tauften, unterzeichnete Oberrabbiner Joseph Kahn zusammen mit den meisten deutschen Rabbinern einen Protestbrief an den damaligen Papst Pius IX.148 Allerdings ist es für ihn nicht vorstellbar, dass die Ge- schichte von Juden und Christen zum Holocaust führen könn- te. Dass die deutsche Geschichte in der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts dennoch in eine bis heute unfassbare Menschheitskatastrophe mündete, zwingt den geistig wachen Menschen zur Suche nach Ursachen und Deutungen. Hat die Aufklärung den Menschen als zu gut eingeschätzt und seine irrationale Abgründigkeit übersehen? Oder ist gar ein Be- wusstsein der Abkehr von den Werten des Humanen, das in übersteigerten technischen, wissenschaftlichen, wirtschaftli- chen oder vi-talistischen Prämissen seine Erfüllung suchte, die tiefere Ursache für diesen Rückfall in die Barbarei, weil es blind geworden war für die Gültigkeit des religiös Unverfüg- baren? Immer wieder verweisen die Historiker auf den aus verschiedenen Quellen gespeisten Antisemitismus, der sich schon bald nach 1870 ausbreitete, als Motiv für den Völker- mord an den Juden. Die Begriffe „Fortschritt“ und „Moderne“ jedenfalls sind auf Grund des historisch gewordenen Holo- caust schwer beschädigt worden und können kaum noch im

147 Ebda., S. 302. Vgl. auch Nieuw Isr. Weekblad, 1865, Nr. 14, S. 2. 148 Allgemeine Zeitung des Judenthums vom 20.9.1858, S. 530-531. 144 Sinne eines vordergründigen Glaubens an eine bessere Welt verwendet werden. Der Rabbiner Leo Baeck formulierte nach seiner Befreiung aus dem KZ Theresienstadt 1945 in New York: „Für uns Juden ist eine Geschichtsepoche zu Ende gegan- gen. (...) Unser Glaube war es, daß deutscher und jüdi- scher Geist auf deutschem Boden sich treffen und durch ih- re Vermählung zum Segen werden können. Dies war eine Illusion – die Epoche der Juden in Deutschland ist ein für alle Mal vorbei“.149

Damit beschreibt Leo Baeck das Lebensgefühl vieler über- lebender jüdischer Bürger nach 1945: In Deutschland werde es wegen der Verbrechen der Nationalsozialisten kein jüdisches Leben mehr geben. Seine Aussagen markieren einen kulturel- len Abbruch zwischen Juden und Christen in Deutschland. ======Inzwischen sind über sechzig Jahre vergangen. In dieser langen historischen Zeitspanne gab es Zeiten des Verdrängens und Zeiten des Erinnerns. Es hat sich eine neue Gedenkkultur, die die Shoa thematisiert, etabliert. Viele nichtjüdische Deut- sche bejahen die Erinnerung an die Verbrechen der National- sozialsten und beziehen aus dieser Erinnerung ihre Motivation, die gesellschaftlichen Verhältnisse heute mit dem Maßstab des Humanen zu begleiten. Heute denken nicht mehr alle jüdi- schen Bürger in Deutschland wie die Generation der Opfer. Deutschland ist auch für Juden zu einem Einwanderungs- land geworden. Es entstehen wieder neue Synagogengemein- den. Es lässt sich aber auch ein neuer Antisemitismus be- obachten. Viele jüdische Einrichtungen müssen vor Übergrif- fen polizeilich geschützt werden.

149 Gidal: Die Juden in Deutschland, S. 426. 145 Erinnerung an ausgelöschte jüdische Gemeinden der Region Trier in Yad Vashem, Jerusalem

Vielleicht ließe sich heute wieder anknüpfen an die Ideale von Joseph Kahn. Dabei sollte der Gang der Geschichte nicht vergessen werden, damit nicht Realitätsferne das Handeln bestimmt. Es wäre auch nicht falsch, die Ziele gemeinsamen Lebens von Juden und Christen in Deutschland nicht in abs- trakter Gestalt, wie etwa mit dem Begriff „Geist“, zu um- schreiben, denn dieser Begriff beinhaltete beispielsweise auch die unkritische Bejahung des Militärischen, sondern darauf zu achten, dass alle Bürger menschenwürdig existieren können. Dies könnte sich beispielsweise darin zeigen, antisemitische Äußerungen einzelner nicht zu überhören, sondern diese zu thematisieren und zurück zu weisen. Dies sollte nicht nur die Aufgabe einer verantwortungsbewusster Presse sein, sondern eine selbstverständliche Bürgerpflicht, die alle angeht. Und noch ein Gedanke soll die Aktualität des Trierer Ober- rabbiners aus Wawern herausstellen: Joseph Kahn liebte sei- nen Sprengel, die Region Trier, dennoch war er an den Belan- gen des Judentums in Deutschland, in Europa und der ganzen 146 Welt interessiert, wie man dies sowohl seinem Engagement zugunsten der Rabbinerkonferenzen entnehmen kann als auch seinen intensiven Gesprächen mit Rabbinern aus anderen eu- ropäischen Ländern, die er während seiner Kuraufenthalte traf. Insofern lebte er nicht aus einem provinziellen und nationalis- tischen Bewusstsein, sondern er verkörperte in seiner geistigen Orientierung und durch seine Reisetätigkeit die Idee Europas. Dass er in Amsterdam starb und in Trier beerdigt wurde, zeigt bis zu den letzten Tagen seines Lebens, zeichenhaft, einen nicht unbedeutenden Teil seines Vermächtnisses. Es wäre viel geleistet, wenn die Erinnerung an Joseph Kahn und sein Werk viele von denen erreichen würde, die bisher noch nichts von ihm wussten. Dass er ein großer Sohn der kleinen Gemeinde Wawern war, sollte im Bewusstsein heutiger Bürger dieses Ortes sowie der näheren und der weite- ren Umgebung einen festen Platz haben. Vielleicht kann die Erinnerung an seinen 200. Geburtstag am 2. September 2009 einen Beitrag dazu leisten.

147 Grabstein von Joseph Kahn

Aus: Annette Haller: Der Jüdische Friedhof an der Weidegasse in Trier, S. 52

148 Lebenslauf, kurzgefasst

Am 2. September 1809 in Wawern geboren Talmud-Studien in Metz 1823-1827 Talmud-Studien in Mannheim 1827-1831 Theologiestudium in Heidelberg 1831-1832 Theologiestudium in Bonn 1833-1838 Preisschrift über den Propheten Zacharias, Bonn Am 13. Dezember 1841 Besuch in Wawern Am 19. Dezember 1841 Oberrabbiner von Trier Bis 1848 wohnhaft in der Fleischstraße Nr. 476 in Trier Von 1848 bis 1875 wohnhaft in der Metzelstraße Nr. 103 in Trier Predigtedition Luxemburg 1840 Predigtedition Saarbrücken 1841 Predigtedition Trier 1842 Silberner Pokal 1843 Einweihung der Synagoge in Wawern am 13. August 1844 Eheschließung mit Rebekka van Biema 18.12.1844 Edition zur Rabbinerkonferenz Frankfurt a.M.1845 Rabbinerkonferenz in Frankfurt 1845 Rabbinerkonferenz in Breslau 1846 Geburt der Tochter Herta 16.2.1846 Geburt der Tochter Sara Amalie 19.10.1849 Geburt der Tochter Rosa Julia 28.11.1850 Einweihung der Synagoge in Schweich 1852 Einweihung der Synagoge in Bernkastel 1852 Einweihung der Synagoge in Zeltingen 1855 Einweihung der Synagoge in Müstert-Emmel (Niederemmel) 1855 Predigtedition Trier 1855 Einweihung der Synagoge in Trittenheim 1857 Einweihung der Synagoge in Trier 1859 Predigtedition Trier 1860 Einweihung der Synagoge in Tholey 1864 Predigtedition Jüdische Liebe und Versöhnung 1865 Einweihung der Synagoge von Neunkirchen 1865 Einweihung der Synagoge in Lösnich 1866 Kuraufenthalte in Bad Ems und Bad Cannstadt 1866/67 Kahns Bade- und Reiseberichte 1867 Rabbinerkonferenz in Kassel 1869 Predigtedition Berlin 1872 Edition der Denkschrift, die gesetzliche Regelung des jüdischen Gemeinwesens betreffend, Trier 1874 Silbernes Rabbinerjubiläum 1867 Ende seiner Amtszeit 1874 ? Tod in Amsterdam am 10. Juli 1875 Beerdigung in Trier am 12. Juli 1875

149 Quellen und Literatur:

1. Adressbücher der Stadt Trier 1848, 1858, 1861, 1864, 1867, 1868, 1871, 1875, Stadtbibliothek Trier, Bestand 11/8, Nr. 3767 2. Almond, Richard MD: Fotos von Joseph und Rebecca Kahn, Geschenke der jüdischen Gemeinde Saarwellingen 3. Allgemeine Zeitung des Judentums 1838-1875 4. Altmann, Alexander: Adolf Altmann (1879-1944) A Filial Memoir, in: The Leo-Baeck-Year Book 1981, S. 145-167 5. Archiv der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn, Immatrikulations- und Exmatrikulationsakte Joseph Kahn, Schreiben vom 2.12.08 6. Ben Chananja 1860-1867 7. Biographisches Handbuch der Rabbiner, hrsg. von Michael Brocke und Julius Carlebach, Teil 1: Die Rabbiner der Emanzipationszeit in den deutschen, böhmischen und groß- polnischen Ländern 1781-1871, bearbeitet von Carsten Wil- ke, Band 2: Kaempf – Zuckermann, München 2004, S. 500- 502 8. Der Israelit im neunzehnten Jahrhundert 1844-1847 9. Der israelitische Volkslehrer 1858, 1859, 1860 10. Der Orient 1840-1846 11. Die Neuzeit 1870 u. 1875 12. Dezennaltabellen der Stadt Trier 1843-53, 1853-63 13. Eberhard, Pascale: Die Reichspogromnacht 1938 in Wa- wern, in: Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg 2009, S. 244- 255 14. Geburtsregister der Stadt Trier von 1846, 1849, 1850 15. Geburtsurkunde von Joseph Kahn u.a., Standesamt Konz 16. Gidal, Nachum T.: Die Juden in Deutschland von der Rö- merzeit bis zur Weimarer Republik, Köln 1997 17. Haller, Annette: Der Jüdische Friedhof an der Weidegasse in Trier, Trier 2003 18. Heidt, Günter/ Lennartz, Dirk S.: Fast vergessene Zeugen. Juden in Freudenburg und im Saar-Mosel-Raum 1321-1943, Norderstedt 2000 19. Heiratsregister der Stadt Trier von 1844, Stadtarchiv Trier 150 http://www.jewishencyclopedia.com/view.jsp?artid=24&lett er=K (30.9.08) 20. Israelitische Annalen 1841, 17.9.1841, S. 304 21. Ittenbach, Elmar P.: Jüdisches Leben in Thalfang. Geschich- te und Schicksale, Trier 2011 22. joods historisch museum Amsterdam (http:// www. jhm. nl/ bezoek.aspx?ID=16) 23. Juden in Trier. Katalog einer Ausstellung von Stadtarchiv und Stadtbibliothek Trier März – November 1988 unter Mitwirkung von Horst Mühleisen und Bernhard Simon, bearbeitet von Reiner Nolden, Trier 1988 24. Kahn, Joseph: Das Pesach - als Versöhnungsfest. Predigt, gehalten in der Synagoge zu Saarlouis am Sabbath vor dem Pesachfeste 5601 (1841), Saarlouis 1841 25. Kahn, Joseph: Predigt zu seinem Amtsantritt, Trier 1842 26. Kahn, Joseph: Edition zur Rabbinerkonferenz in Frankfurt a. M. 1843 27. Kahn, Joseph: Leichenrede, gehalten am Grabe des Herrn Joseph Penas am 19. Februar 1855, Trier 1855 28. Kahn, Joseph: Predigt zur Einweihung der neuen Synagoge in Trier, Trier 1860 29. Kahn, Joseph: Geschichte der Liturgie. I. Notizen über den Kaddisch, in: Ben Chananja, 1.10.1867 (Beilage) 30. Kahn, Joseph: Denkschrift, die gesetzliche Regelung des jüdischen Gemeinwesens betreffend, Trier 1874 31. Kahn, Joseph: Kahns Bade- und Reiseberichte, in: Ben Cha- nanja 1867 32. Kahn, Joseph: Über die Heiligkeitt der thierischen Erstge- burt, in: Der israelitischen Volkslehrer 1859 33. Kayserling, Meyer: Bibliothek jüdischer Kanzelredner, Berlin 1872, S. 298-305: (Joseph Kahn) 34. Lindner, Erik: Deutsche Juden in der Revolution von 1848/49. Barrikadenkämpfer, radikale Demokraten, gemä- ßigte Parlamentarier und Monarchisten, in: „Der schlimmste Punkt in der Provinz“ Demokratische Revolution 1848/49 in Trier und Umgebung. Katalog- Handbuch, Herausgegeben von Elisabeth Dühr, S. 622-642 35. Marx, Albert: Die Geschichte der Juden im Saarland. Vom Ancien Régimes bis zum Zweiten Weltkrieg, Saarbrücken 151 1992 36. Marx, Georg: Juden in Hermeskeil, Kell a. See 1999 37. Ders.: Juden in Schillingen, Kell a. See, 2001 38. Mendes-Flohr, Jehuda Reinharz: The Jew in the modern world, Oxford Press US 1995 39. Monz, Heinz: Samuel Hirsch (1815-1889) Ein jüdischer Reformator aus dem Hunsrück, in: Weirich, Hilde und Krause, Winfried: Beiträge zur Geschichte der Juden von Thalfang, Spiesen-Elversberg 1995 40. Monz, Heinz: Zur Trierer Judenpetition des Jahres 1843, in: Landeskundliche Vierteljahresblätter Nr. 29, 1983, S. 45-53 41. Neue Adresse: Kaiserstraße. 50 Jahre Synagoge Trier. Fest- schrift, hrsg. von Reinhold Bohlen und Benz Botmann, Trier 2007 42. Nieuw Isr. Weekblad 1865, 1866 43. Lepper, Herbert: Von der Emanzipation zum Holocaust. Die israelitische Synagogengemeinde Aachen 1802-1942, 2 Bde, Aachen 1994 44. Schnitzler, Thomas(Hrsg.): „Das Leben ist ein Kampf“ Marianne Elikan – Verfolgte des Nazi-Regimes, Trier 2008 45. Stadsarchief Amsterdam BR 1864-1874, C 92, BR 1874- 1892, vol. 143, vol. 224, S 1875, vol. 5 46. Strauss-Almstad, Jeanette/Matthias Wolfers, Biographie zu Jakob Ettlinger, in Biographisch-Bibliographisches Kirchen- lexikon (www.bautz.de/bbk/) 47. Trierer Biographisches Lexikon, hrsg. von Heinz Monz, Trier 2000 48. Wilke, Carsten: „Den Talmud und den Kant“. Rabbineraus- bildung an der Schwelle zur Moderne, Hildesheim 2003 49. Zenz, Emil: Geschichte der Stadt Trier im 19. Jahrhundert. Bd. I: Vom Beginn der französischen Herrschaft bis zum Ende der Revolution von 1848 (1794-1850), Trier 1979

152 Fotos: S. 83 Joseph Kahn, Richard Almond MD, Palo Alto 2009 S. 84 Rebecca Kahn, Richard Almond MD, Palo Alto 2009 S. 103 Synagoge Wawern, Franz Hermann, Wawern S.104 Synagoge Schweich, Heribert Wissen, Schweich S.105 Synagoge Trier, http://www.alemannia-judaica.de/ trier_synagoge.htm S. 106 Die neue Synagoge, Universitätsbibliothek Frankfurt a.M. Signatur Jud 1772, S. 94 S. 108 Synagoge Neunkirchen, alemannia-judaica 2009 http://www.alemannia-judaica.de/ S. 135 Kiddusch-Becher, Richard Almond, Palo Alto 2009 S. 146 Yad Vashem: Tal der Gemeinden, Willi Körtels 1999 S. 148 Grab und Grabinschrift Joseph Kahn: Annette Haller: Der jüdische Friedhof an der Weidegasse in Trier, Trier 2003, S. 52

Anhang

Allgemeine Zeitung des Judenthums Ausgabedatum Seite 21.6.1838 1 20.7.1839 351 2.5.1840 260 27.6.1840 373 14.11.1840 656 10.4.1841 213-214 11.9.1841 523-524 8.1.1842 22 5.3.1842. 137-139 9.4.1842 216-217 2.7.1842 395-396 9.7.1842 408-410 13.8.1842 489 27.8.1842 525-526 29.4.1843 254-255 3.7.1843 390-391 10.7.1843 412-413 4.9.1843 335

153 20.11.1843 695-696 10.6.1844 326-328 17.6.1844 344-345 3.11.1844 358 2.9.1844 506 20.11.1844 340-2341 30.6.1845 412-413 7.7.1845 423-424 1.8.1845 501-508 21.9.1845 312 24.11.1845 709-710 5.1.1846 21-23 2.2.1846 94 5.7.1846 213-214 31.8.1846 529-530 19.7.1847 462-464 24.1.1848 70-71 9.12.1850 684 1.1.1851 4-7 5.1.1852 18-19 1.8.1852 538 22.11.1854 592 15.1.1855 30-31 18.6.1855 320 2.7.1855 342 20.4.1857 225 16.11.1857 643-644 8.2.1858 85-87 11.10.1858 575-576 13.12.1858 702 3.10.1859 594-595 30.9.1862 568-571 9.6.1863 363 14.7.1863 444 28.7.1863 479 19.1.1864 54 24.10.1865 664-665 1865 Nr. 61, Beilage 11.12.1866 800 8.1.1867 28-29 13.4.1875 253-254 20.7.1875 483 154 27.7.1875 492-493

Ben Chananja Ausgabedatum Seite 1.8.1860 374-378 2.8.1861 269-271 22.11.1861 406 14.3.1862 90 3.1.1864 23-24 22.3.1865 201-202 20.6.1865 422 13.9.1865 643 u. 662 20.12.1865 915-916 27.12.1865 920-921 14.2.1866 133 7.3.1866 186-187 21.3.1866 233-234 27.3.1866 258-259 11.4.1866 294-296 18.4.1866 301-306 2.5.1866 335-336 9.5.1866 353-354 15.12.1866 846 15.1.1867 43 1.8.1867 476-477 1.8.1867 486-487 15.8.1867 505-507 1.9.1867 554-557 1.10.1867 617-619 15.10.1867 643-647

Der Israelit im neunzehnten Jahrhundert Ausgabedatum Seite 30.10.1842 178 30.7.1843 125 13.8.1843 133 7.4.1844 106 9.6.1844 183 20.10.1844 340-341 3.11.1844 358-359 3.11.1844 358 155 21.9.1845 312 5.7.1846 213-214 7.2.1847 47-48 14.3.1847 87 28.3.1847 101 20.6.1847 200

Der Orient Ausgabedatum Seite 2.5.1840 137 16.5.1840 151 13.6.1840 185-186 1.8.1840 237-238 10.10.1840 319 24.7.1841 210-211 19.2.1842 60 1.8.1843 244-245 24.9.1845 307-308 16.4.1846 118

Israelitische Annalen Ausgabedatum Seite 16.8.1839 259-260 30.8.1839 277-278 6.9.1839 284 27.9.1839 307-308 4.10.1839 315-316 15.11.1839 365-366 1.5.1840 151 1.5.1840 158 16.6.1840 219 14.8.1840 282-283 20.11.1840 752 8.1.1841 15 6.8.1841 255 3.9.1841 286 17.9.1841 304

Nieuw Isr. Weekblad Ausgabedatum Seite 1865, nr. 14 2 1866, nr. 31 3 156 1866, nr. 36 2-3 1866, nr. 38 3

Der israelitische Volkslehrer Juli 1855 257-262 August 1855 291 September 1855 366 Oktober 1858 318-321 Oktober 1858 331 März 1859 101 Mai 1859 136-147 Juni 1859 186ff. Juli 1859 212-223 August 1859 248-257 September 1859 302 März 1860 106-108

Die Neuzeit Die Neuzeit 1870 S. 54-56 Die Neuzeit 1875 S. 241

157 Rezension von Fritz Hofmann, Dortmund, in Freiburger Rundbrief 2011, S. 52

158 Rabbiner Dr. Leo Baeck Berlin-Schöneberg, den 1. Juli 1932 Am Park 15

AN DEN LESER!

Es gibt eine Geschichte menschlicher Worte, des Sprechens und Aufrufens von Menschen, aber es gibt auch eine Geschichte dessen, wozu Menschen geschwiegen haben, und sie ist eine Geschichte menschlicher Enge und Niedrigkeit. Wenn so oft Verbrechen und Untat sich weithin dehnen konn- ten, es ist fast immer geschehen, weil die Gewissen verschlossen und die Lippen stumm blieben, die sich zum Worte des Rechtes und der Sittlichkeit hätten öffnen sollen. Schuldig sind die, welche ein Böses verüben, aber schuldig, zumal vor dem Gericht der Geschichte, sind die auch, die einen Frevel sehen oder um ihn wissen und still dazu sind; sie sind die, welche, ohne es zu wollen, ihm erst den Weg bereiten. Nur wo Unfreiheit ist, kann die Gewalt ihre Bahn haben, und niemand ist unfreier als der, welcher stumm ist dort, wo er reden, wo er mahnen und warnen sollte. Wenn solches Schweigen über dem Lande lastet, dann will eine Hoffnung noch daran festhalten, daß manche deshalb nur schweigen, weil sie von dem Frevel noch nicht wissen. Und es wird darum zur Pflicht, ihn jedem, der einer der Freien sein will, aufzuzeigen und darzutun. Es ist so eine Pflicht auch gegen Volk und Vaterland. In jedem Volke sind Unrecht und Sünde; sie kommen und gehen, und das Volk bleibt. Aber wenn das Volk als solches, als Ganzes mitschuldig wird durch Schweigen, durch Dulden, durch Zuschauen, dann zerstört die Untat den Boden, auf dem allein ein Volk besteht; er bricht unter ihm zusammen. Völker sind versunken, erst wenn sie vorher verstummt waren, wenn der Widerspruch gegen die Sünde, der Spruch des Rechts seine Menschen nicht mehr gefunden hat. Es liegt darum Hoffnung für das Vaterland in der Zuversicht, daß die, wel- che erfahren werden, auch vermögen werden, zu sprechen.

Quelle: Freiburger Rundbrief 1999, S. 172

159 Fragebogen zur Erinnerungskultur150

Willi Körtels, Förderverein Synagoge Könen e.V.

→ Wie würden Sie persönlich den Begriff „Erinnerungs- kultur“ definieren?

Erinnerungskultur ist ein Allgemeinbegriff, der verschie- dene Initiativen der Gedenkarbeit umgreift. Erinnerungs- kultur beginnt auf der persönlichen Ebene, in der Fami- lie, am Arbeitsplatz, im Gottesdienst, im Unterricht und wird weitergeführt von Vereinen, von Parteien und der Politik. Unsere Erinnerungsarbeit ist wissenschaftlich motiviert; sie folgt nicht einer Tradition von Erinnerung wie sie die Toten- gedenkfeiern mit Blasmusik und politischen Reden praktizie- ren. Wir möchten anhand von glaubwürdigen Zeugen und Do- kumenten kein geschöntes Bild einer grauenhaften Hitlerei aufzeigen, sondern der Wirklichkeit einer menschenverachten- den politischen Praxis, die in jedes Dorf hineinreichte, aber viele Jahrzehnte verdrängt wurde. Unser Anliegen besteht im Umschreiben von historischer Wirklichkeit in einer eng um- grenzten Region Konz-Trier. Wir möchten erinnern, damit Fehler der Vergangenheit gesehen und nicht wiederholt wer- den. Wir möchten das Bewusstsein schärfen für die menschli- che Qualität unseres Landes und zur Versöhnung zwischen Opfern und Tätern beitragen.

150 Gouverneur, Petra: Wider das Vergessen-Erinnerungskultur in der Region Trier am Beispiel des Stolpersteinprojekts, Wissenschaft- liche Prüfungsarbeit für das Lehramt für Grund-und Hauptschu- len, Koblenz 2009. 160 → Nennen Sie Ihre Hauptmotivation zur Auseinandersetzung mit dem Thema Erinnerungskultur. Worauf fußt Ihr Engage- ment?

Ein Hauptmotiv zu nennen gelingt mir kaum. Deswegen will ich stichwortartig meine Beweggründe skizzieren: Meine Erfahrung im Elternhaus: freimütige, unverstellte Er- zählung der Erlebnisse zur Nazi-Zeit durch meine Eltern, das Studium der katholischen Theologie: Einsicht in Textkritik, damit historische Interpretation der Bibel, Impulse über das Studienfach Germanistik Freundeskreis ehemaliger Mitstudenten, die dem Thema Ju- dentum und Holocaust sehr aufgeschlossen waren- über Jahr- zehnte. Öffentliche Anerkennung eines Schulprojekts zum Thema „Jüdische Kultur im Raum Konz“ vor über 20 Jahren.

→ Nehmen Sie bitte Stellung zu dem Gegensatz „Geschichts- vergessenheit – Geschichtsversessenheit“.

Geschichtsvergessenheit erlebte ich in der Nachkriegszeit hautnah in Schule und Dorf. Fortschritt in Technik und Land- wirtschaft waren die zentralen Ideologien, verbunden mit einer Weiterherrschaft der ehemaligen Nazis im Dorf und in der Politik. Deren Devise zur damaligen Vergangenheit: Halt den Mund! Geschichtsversessenheit ist heute wie damals nur sehr selten anzutreffen, ein Thema für Spezialisten. Wenn sie nicht patrio- tisch und nicht nationalistisch ist, schadet sie nicht, sondern kann die Menschen weiter bringen.

161 → Wird in unserer Region genug erinnert?

Die Initiativen sind sehr fleißig geworden und hie und da be- einflussen sie Bewusstsein. Die Reden zum Volkstrauertag auf Gemeindeebene zeigen oftmals, dass die demokratischen Ver- treter immer noch Unverantwortliches von sich geben, was zum Teil in den Dörfern mehrheitsfähig ist - leider! Deswegen muss noch lange an das „Unangenehme“ der Vergangenheit erinnert werden. Die Spaßkultur mag keine heilsame Erinne- rung.

Rückblick auf ein Jahrzehnt Gedenkarbeit des Förderver- eins ehemalige Synagoge Könen e.V.

Der Vorstand des Fördervereins ehemalige Synagoge Kö- nen e.V. beabsichtigt, den Verein auflösen. Aus diesem Anlass möchte er allen Mitgliedern für die Bereitschaft danken, unse- re ein Jahrzehnt währende Gedenkarbeit im Raum Konz unter- stützt zu haben. Im Folgenden soll das Geleistete noch einmal in groben Zügen vorgestellt werden. Während im Jahre 1996 das Buch „Geschichte der Juden von Oberemmel“ für den Ort und die Region Konz ein Novum darstellte, hat sich diese Situation inzwischen verändert. Die Erinnerungskultur der engeren Region ist um einige Aspekte bereichert worden, wie sie vor rund zehn Jahren noch nicht vorstellbar war. Es ist normal geworden, dass die Zeitung über die regionale Gedenkarbeit berichtet und die angebotenen Veranstaltungen werden von vielen Interessierten besucht, z.B. Führungen auf den jüdischen Friedhöfen, Buchvorstellungen und Vorträge. In Oberemmel wurde schon im Jahre 1997 eine Bronzetafel am jüdischen Friedhof feierlich enthüllt, die an die ehemaligen

162 jüdischen Bürger erinnert. In Könen ist das Gespräch über eine Erinnerungstafel oder eine andere Form des Gedenkens für die Opfer des Holocaust über das Verfahren der Dorfmoderation eingeleitet und vom Ortsbeirat gebilligt worden. Die Ortsgemeinde Oberemmel hat ein Straßenschild an der Abzweigung Scharzbergstraße/Altenbergstraße anbringen las- sen, das auf den jüdischen Friedhof hinweist. Auf Initiative des Fördervereins Synagoge Könen hin wurde an der Abzwei- gung der Reinigerstraße/ Saarburgerstraße ein Schild ange- bracht, das auf den dortigen jüdischen Friedhof hinweist. Im Rahmen der Firmvorbereitung in der Pfarrei Ober- emmel wurde zweimal das Projekt „Geschichte der Juden von Oberemmel“ angeboten. Ebenso fand anlässlich der Gemein- deerneuerung im Jahre 2003 eine gut besuchte öffentliche Führung zur jüdischen Geschichte von Oberemmel statt. Als sich im Jahre 2006 der Stadtteil Oberemmel einem kommuna- len Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“ stellte, wurde eigens auf die jüdische Geschichte des Ortes verwiesen. Im Anschluss an dieses Verfahren veröffentlichte der Trieri- sche Volksfreund einen umfangreichen Bericht über den jüdi- schen Friedhof von Oberemmel. Die Forschungsaktivität zur Geschichte der Oberemmeler Juden beeinflusste die Arbeits- gruppen zur Geschichte der Nachbargemeinden Wiltingen und als auch überregionale historische Forschungen. So findet man die Bilder und Forschungsergebnisse von Ober- emmel in einem 2005 erschienenen Band über die Synagogen von Rheinland-Pfalz. Der Bericht über einen Besuch beim letzten Oberemmeler Juden, Jules Herrmann, in Céret in Süd- frankreich im Jahre 1997 wurde von der Zeitschrift „Sachor“ in Bad Kreuznach gedruckt. Bibliographische Angaben zur Geschichte der Oberemmeler Juden sind mittlerweile in ver- schiedenen deutschen, belgischen und israelischen For- schungseinrichtungen zu finden. Gewürdigt wurden die For- schungen zur Geschichte der Juden von Oberemmel auch im von Dr. Reiner Nolden im Jahre 2010 neu herausgegebenen

163 Gedenkbuch für die Juden aus Trier und dem Trierer Land mit dem Titel Trier vergisst nicht. Die Ergebnisse der Forschungsarbeiten in Architektur von Robert Reichard und Thomas Heidenblut zu den ehemaligen Synagogen im Landkreis Trier fanden Eingang in die Gesamt- darstellung ehemaliger Synagogen in Rheinland-Pfalz. Ergeb- nisse unserer Gedenkarbeit finden sich auch in einer wissen- schaftlichen Arbeit von Petra Gouverneur, vorgelegt an der Universität Koblenz. Über die rein wissenschaftlichen Ergebnisse hinaus stellen die intensiven menschlichen Begegnungen mit ehemaligen jüdischen Bürgern der Region den höchsten Wert dar. Im Mai 2010 besuchte Rick Cornfeld aus St. Louis in den USA, ein Nachfahre der Familie Samuel Herrmann, den Ort Oberem- mel. Im Juni 2012 erkundete eine Gruppe aus Israel, Nachfah- ren der Familie Kahn aus Konz und Könen, die ehemaligen jüdischen Orte im Umfeld von Konz. Frau Babette Levy-Das- kin aus St. Louis in den USA entdeckte im September 2012 den Grabstein ihrer Urgroßmutter Elise Herrmann, geb. Ber- mann, auf dem jüdischen Friedhof in Oberemmel. Kontakte via Skype zu Alice Resseguie in Eugene, USA, und Miriam Neumeier in Petach Tikva, Israel, sind noch zu ergänzen. Neue Ergebnisse zur Geschichte der Juden von Oberemmel gehen zum Teil auch auf die intensive Recherche zur „Ge- schichte der Juden von Könen“ zurück. Das im Jahre 2005 im Auftrag des „Fördervereins Synagoge Könen e.V.“ herausge- gebene Buch wurde in die Reihe Ortschroniken des Trierer Landes aufgenommen. Im Jahre 2006 veröffentlichte Alois Jäckels ein autobiogra- phisches Buch mit dem Titel „Leben zwischen Krieg und Frieden“, in dem er – für viele heutige Bürger völlig überra- schend - den Ablauf der Reichspogromnacht in Oberemmel als Augenzeuge beschreibt. Es ist nicht auszuschließen, dass noch weitere bisher unbekannte historisch relevante Ergebnisse entdeckt werden, z.B. infolge des erst vor kurzem freigegebe-

164 nen Archivmaterials aus dem Berlin Document - Center und des „Internationalen Suchdienstes“ in Arolsen. Am 20. November 2007 wurden die ersten Stolpersteine vor dem ehemaligen Wohnhaus der Familie Jakob Herrmann in der Brotstraße in Oberemmel verlegt. Die Aktion „Stolper- steine“ geht auf den Kölner Künstler Demnig zurück, der be- reits in Deutschland Tausende Stolpersteine verlegt hat, die an die ehemaligen jüdischen Bürger, die von den Nationalsozia- listen ermordet wurden oder vor ihnen flohen, erinnern. Die für die diese Aktion notwendigen biographischen Erkenntnisse zur Familie Jakob Herrmann sind ebenfalls das Resultat der Erforschung jüdischer Ortsgeschichte. Zur Stolpersteinverle- gung für Mathilde und Marianne Levy in Konz erschien eine Broschüre mit den wichtigsten biographischen Daten. Inzwischen liegt auch eine Biographie von dem aus Wa- wern stammenden Trierer Oberrabbiner Joseph Kahn 1809- 1875 vor. Dem Zufall zu verdanken ist die Entdeckung der Trierer Lyrikerin Elise Haas, von der eine Werkausgabe vor- gelegt werden konnte. Ebenfalls als ein Ergebnis der regiona- len Forschung stellt das 2012 erschienene Buch über die jüdi- sche Schule der Region dar, in dem auch die jüdische Schule der Region Konz thematisiert wird. Zur Trierer Lyrikerin Elise Haas fand 2011 in der Biblio- thek der Universität Trier eine mehrmonatige Ausstellung statt, von der der SWR einen TV-Beitrag ausstrahlte. Die Stadt Mainz nahm Elise Haas in ihrem Frauenkalender 2012 auf. Zu Elise Haas fanden Vorträge in Trier, Luxemburg, in Blieskas- tel und in Wiltingen statt. Im November wurde die von Frau Dr. Pascale Eberhard entwickelte Ausstellung zur ersten deutsch-luxemburgischen Deportation im Jahre 1941 in der Basilika in Trier eröffnet. Zwischen 2007 und 2010 wurden in der Synagoge Wawern vier Klezmer-Konzerte des Künstlers Eisel veranstaltet, die gut besucht waren. Öffentliche Vorträge zur Geschichte der Juden der Region Konz-Trier fanden in der Stiftskurie St. Paulin, in der Stadt- 165 bibliothek Konz und Trier, in der Katholischen Akademie Trier, in der deutschen evangelischen Gemeinde in Luxem- burg, im Bürgerhaus in Oberemmel, in der Reha Blieskastel und im Hotel Euchariushof in Konz-Obermennig statt. Für November 2013 hat die Volkshochschule Hermeskeil einen Vortrag zum Antisemitismus in der Region Trier in ihr Programm aufgenommen. Einzelne Beiträge zu unseren Forschungen in der Region Konz wurden vom Schellemann in Hermeskeil, im Jahrbuch des Landkreises Trier-Land und jüngst im Heimatbuch des Kreises Bitburg-Prüm veröffentlicht. Neuere Schriften aus dem Jahre 2012 befassen sich mit dem Antisemitismus der Region Trier und den Berichten über die Region Trier in der amerikanischen jüdischen Zeitschrift „Aufbau“ zwischen 1945 und 2005 sowie mit der Spiegelung der vatikanischen „Judenerklärung“ im „Aufbau“. Im Stadium der Vorbereitung befindet sich eine Material- sammlung zur Geschichte der Juden von Konz. Obwohl gegenwärtig viele Bürger erkennen, dass die Erin- nerung an die jüdische Geschichte vor Ort bedeutsam ist, zei- gen sich immer noch unterschiedlich motivierte Abwehrreak- tionen gegenüber dieser Thematik. Während die einen eine „Überfütterung“ als Grund nennen, ist bei anderen kaum ver- deckter Antisemitismus wieder zu beobachten, auch bei jünge- ren Menschen. Offenbar steigt die Zahl derer, die rechtes Ge- dankengut billigen und gedankenlos rechtfertigen. Im Einzel- fall konnte auch rechthaberisches Verteidigen falscher Aussa- gen festgestellt werden. Umso bedeutsamer ist das Erinnern an die Schattenseiten der dörflichen Geschichte. Eine besondere Form der Abwehrreaktion belasteter dörflicher Vergangenheit stellt das Nicht-Wahr-haben-Wollen des Faktischen dar. Der „Förderverein ehemalige Synagoge Könen e.V.“ hatte sich das Ziel gesetzt, zu informieren und zu erinnern. An die- sem Ziel über zehn Jahre gearbeitet zu haben, ist das bleibende Verdienst dieser Initiative. Leider ist es nicht gelungen, die

166 ehemalige Synagoge Könen zu erwerben und zu einem dau- ernden Gedenkort umzugestalten. Die Aufgabe, an die ehemaligen jüdischen Gemeinden der Region zu erinnern, bleibt bestehen, auch wenn unser Verein nicht mehr existiert. Zu wünschen ist, dass andere Personen die Verantwortung dieser Thematik spüren und verwirklichen.

167 Quellen [Wawern]:

1. Alemannia Judaica, Suchbegriff Wawern 2. Aufbau 1950-2005 (http://archive.org/details/aufbau/) 3. Aufstellung über die Glaubensjuden der Amtsverwaltung Ta- wern 4. Bundesgedenkbuch 5. Database Yad Vashem (http://db.yadvashem.org/names/search.html?language=en) 6. Datenbank: Luxembourg_escapes 7. Datenbank: Luxembourg_notes 8. Datenbank: ushmm.org 9. http://dutchjewry.org/inmemoriam/inmemoriam_list.php 10. Eberhard, Pascale: Die Reichspogromnacht 1938 in Wawern, in: Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg 2009, S. 244-255 11. dies.: Der Überlebenskampf jüdischer Deportierter aus Luxem- burg und der Region Trier im Ghetto Litzmannstadt, Saarbrü- cken 2012 12. Gedenkbuch Wuppertal 13. Körtels, Willi: Oberrabbiner Joseph Kahn 1809-1875. Eine bio- graphische Skizze, Konz 2010 14. ders.: Die jüdische Schule der Region Trier, Konz 2012 15. Schnitzler, Thomas: „Das Leben ist ein Kampf“ Marianne Elikan - verfolgte des Nazi-Regimes, Trier 2008 16. Schwer, Edgar: Was ist aus Ihnen geworden? Spurensuche nach jüdischen Mitbürgern in der Exilzeitschrift „Aufbau“ 1940-1950, Otzenhausen 2011 17. Synagoge und Haus Hirschkorn [Wawern] nach der Restaurie- rung 1995, in: Neue Nutzung in alten Gebäuden ein Wettbe- werb im ländlichen Raum o.J., S. 43-46 18. Trierische Landeszeitung vom 6.11.1973 19. Trier vergisst nicht. Gedenkbuch für die Juden aus Trier und dem Trierer Land, Trier 2010

168 Fotonachweis

1. Projektteilnehmer auf dem jüdischen Friedhof 7 Oberemmel [Willi Körtels] 2. Projektteilnehmer vor der ehemaligen Synagoge 8 Wawern [Projektteilnehmer] 3. Frontansicht der ehemaligen Synagoge Wawern 11 [Willi Körtels] 4. Seitenansicht [Willi Körtels] 12 5. Detail am Garagentor [Willi Körtels] 12 6. Giebelansicht [Willi Körtels] 13 7. Hundezwinger [Willi Körtels] 14 8. Innensicht [Willi Körtels] 14 9. Projektgruppe 1987 [Projektteilnehmer] 18 10. Projektgruppe mit Pastor Dehn in Konz [Willi Körtels] 19 11. Stolpersteine in Konz [Willi Körtels] 20 12. Louis Meyer, Wawern [Yad Vashem] 40 13. Eduard Wolf, Wawern [Yad Vashem] 40 14. Norbert Hirschkorn, Wawern/Trier [TV, Trier] 41 15. Marianne Elikan-Reusch, Wawern/Saarlouis [Thomas 41 Schnitzler] 16. Ehemalige jüdische Schule Wawern [Willi Körtels] 46

Quellen und Literatur zur Geschichte der Juden in der Region Konz-Trier:

1. Altmann, Alexander: Adolf Altmann (1879-1944) A Filial Mem- oir, in: The Leo-Baeck-Year Book 1981, S. 145-167 2. Amtliches Schulblatt für den Regierungsbezirk Trier 1934 3. Andres, Stefan: Der Knabe im Brunnen, München 1998 4. Bauer, Uwe F.W., Bühler, Marianne: Steine über dem Fluss. Jüdische Friedhöfe an der Mosel, Trier 2002 5. Bollmus, Reinhard: Trier und der Nationalsozialismus, in: Trier in der Neuzeit, hrsg. von Kurt Düwell und Franz Irsigler, Bd. 3, 2. 169 Auflage Trier 1996, S. 562-568, 591-612 6. Bühler, Marianne: Jüdische Schulen in Trier im Laufe der Ge- schichte, unveröffentlichtes Manuskript, Stand Mai 2006 7. dies.: Die jüdische Gemeinde Triers zur Zeit der Franzosen (Ma- nuskript 12.11.04) 8. Centre du Documentation de Luxembourg (Datenauszug „Ge- burtsort Könen“ vom 26.10.2004) 9. Christoffel, Edgar: Der Weg durch die Nacht, Trier 1983 10. Compactmemory. Internetarchiv jüdischer Periodika (compact- memory.de) 11. Corbach, Dieter: 6.00 Uhr ab Messe Köln-Deutz. Deportationen 1938-1945, Köln 1999 12. Dasbach, Georg Friedrich: Der Wucher im trierischen Lande, Trier 1887 13. Die nationalsozialistische Judenverfolgung im Gebiet des heuti- gen Rheinland-Pfalz, Bad Kreuznach 2002 (PZ-Information 4/2002) 14. Dokumentation zur Geschichte der jüdischen Bevölkerung in Rheinland-Pfalz und im Saarland von 1800 bis 1945, hrsg. von der Landesarchivverwaltung Rheinland-Pfalz in Verbindung mit dem Landesarchiv Saarbrücken, Band 5, Koblenz 1975, Bd. 7, Bd. 9, Boppard 1967, Bd. 9.3, Koblenz 1982 15. Dr. Adolf Altmann zum Gedenken, hrsg. vom Presse- und Infor- mationsamt der Stadt Trier, o.J. 16. Eberhard, Pascale: Die Reichspogromnacht 1938 in Wawern, in: Jahrbuch des Kreises Trier-Saarburg 2009, S. 244-255 17. Erschens, Hermann: Geschichte der ehemaligen Judengemeinde in Leiwen, Tritten-heim 1993 18. ...et wor alles net esou einfach. Questions sur le Luxembourg et la Deuxieme Guerre mondiale. Fragen an die Geschichte Lu- xemburgs im Zweiten Weltkrieg, Luxemburg 2002 19. Eberhard, Pascale: Der Überlebenskampf jüdischer Deportierter aus Luxemburg und der Region Trier im Ghetto Litzmannstadt, 170 Saarbrücken 2012 29. Familienbuch 2 Pfarrei St. Aper (Manuskript) 21. Gedenkbuch Opfer der Verfolgung der Juden unter der natio- nalsozialistischen Gewaltherrschaft in Deutschland 1933-1945, Bd. II, Berlin 2006 22. Griesang, Marcel: Vom Boykott zur Enteignung. Die wirtschaftli- che und gesellschaftliche Ausschaltung der Juden im Gebiet des heutigen Rhein-Hunsrück-Kreises, Argenthal 2010 23. Geschichte des Bistums Trier, Bd. IV., hrsg. von Bernhard Schneider und Martin Persch, 1. Auflage, Trier 2004 24. Heumann, Hugo: Erlebtes-Erlittenes. Von Mönchengladbach über Luxemburg nach Theresienstadt. Tagebuch eines deutsch- jüdischen Emigranten, Mersch/Luxemburg 2007 25. Haller, Annette: Der Jüdische Friedhof an der Weidegasse in Trier, Trier 2003 26. Heidt, Günter/ Lennartz, Dirk S.: Fast vergessene Zeugen. Juden in Freudenburg und im Saar-Mosel-Raum 1321-1943, Nor- derstedt 2000 27. Hepp, Michael, Hrsg.: Die Ausbürgerung deutscher Staatsange- höriger 1933-1945 nach den im Reichsanzeiger veröffentlichten Listen, München, New York, London, Paris 1985 28. Heyen, Franz Josef: Nationalsozialismus im Alltag, Koblenz 1982 29. Jacobs, Jacques: Existenz und Untergang der alten Judenge- meinde der Stadt Trier, Trier 1984 30. Juden in Trier. Katalog einer Ausstellung von Stadtarchiv und Stadtbibliothek Trier März – November 1988 unter Mitwirkung von Horst Mühleisen und Bernhard Simon, bearbeitet von Rei- ner Nolden, Trier 1988 31. Kaiser, Katharina/Hauser, Christoph: „hamma neischt ze han- deln?“. Jüdischer Viehhandel im Saarburger Land, aus: www.-saar.de/viehhandel (24.4.05) 32. Kasper-Holtkotte, Cilli: Juden im Aufbruch. Zur Sozialgeschichte

171 einer Minderheit im Saar-Mosel-Raum um 1800, Hannover 1996 33. Koltz, Jean Pierre: Die geschichtlichen Verbindungen zwischen Luxemburg und Trier, Trier o.J. 34. Körtels, Willi. Die Geschichte der Juden von Oberemmel, 1996 35. ders.: Die Geschichte der Juden von Könen, Konz 2005 36. ders.: Elise Haas. Eine Lyrikerin aus Trier, Konz 2008 37. ders.: Stolpersteine in Oberemmel, Brotstraße 3, Konz 2007 38. ders.: Stolpersteine in Konz, Martinstraße 17, Konz 2008 39. ders.: Oberrabbiner Joseph Kahn 1809-1875. Eine biographische Skizze, Konz 2009 40. Lindner, Erik: Deutsche Juden in der Revolution von 1848/49. Barrikadenkämpfer, radikale Demokraten, gemäßigte Parlamen- tarier und Monarchisten, in: „Der schlimmste Punkt in der Pro- vinz“ Demokratische Revolution 1848/49 in Trier und Umge- bung. Katalog-Handbuch, Herausgegeben von Elisabeth Dühr, S. 622-642 41. Marx, Albert: Die Geschichte der Juden im Saarland. Vom An- cien Régime bis zum Zweiten Weltkrieg, Saarbrücken 1992 42. Mergen, Josef: Die Amerika-Auswanderung aus dem Regie- rungsbezirk Trier, hrsg. Von Reiner Nolden, Trier 1965 43. Monz, Heinz: Samuel Hirsch (1815-1889) Ein jüdischer Reforma- tor aus dem Hunsrück, in: Weirich, Hilde und Krause, Winfried: Beiträge zur Geschichte der Juden von Thalfang, Spiesen- Elversberg 1995 44. ders.: Zur Trierer Judenpetition des Jahres 1843, in: Landes- kundliche Vierteljahresblätter Nr. 29, 1983, S. 45-53 45. Morbach, Johann: Chronik der Gemeinde Könen. Zusammenge- tragen in den Jahren 1936-1950 46. Neue Adresse: Kaiserstraße. 50 Jahre Synagoge Trier. Fest- schrift, Hrsg. Von Reinhold Bohlen und Benz Botmann, Trier 2007 47. Persch, Martin: Spurensuche-Spurensicherung. Vom Einsatz Trierer Bistumsgeistlicher für die jüdischen Mitbürger 1933- 1945, in: Kurtrierisches Jahrbuch Nr. 36, 1996, S. 303-317 172 48. Rothenberger, Heinz/Schuhn, Werner: Der Nationalsozialismus im Trierer Land, in: Beiträge zur Trierischen Landeskunde. Un- terrichtsmaterialien für Geschichte und Geographie, hrsg. Von Leo Friedrich u.a., Trier 1979 49. Schnitzler, Thomas (Hrsg.): „Das Leben ist ein Kampf“ Marianne Elikan – Verfolgte des Nazi-Regimes, Trier 2008 50. Schuler, Werner: Bericht über einen Schulausflug nach Saar- burg, Festschrift zum 75. jährigen Jubiläum der Grundschule St. Matthias 1989 51. Stattführer. Trier im Nationalsozialismus, Hrsg. von Thomas Zuche, Trier 1996 52. Synagogen im Landkreis Trier-Saarburg. Denkmalgerechtes Bauen. Bearbeitet von Doz. Prof. Helmut Schmidt, Robert Reichard und Thomas Heidenblut (unveröffentlichte Seminarar- beit) Trier 1998 53. Trierer Biographisches Lexikon, hrsg. von Heinz Monz, Trier 2000 54. „...und dies ist die Pforte des Himmels“ Synagogen in Rheinland- Pfalz/Saarland, Mainz 2005 55. Vorläufiges Gedenkbuch für die Juden von Trier 1938-1943, zusammengestellt von Reiner Nolden, 2. überarbeitete und korrigierte Auflage Trier 56. Weirich, Hilde/ Krause, Winfried: Beiträge zur Geschichte der Juden in Thalfang, Spiesen-Elversberg 1995 57. Weirich, Hilde: Juden in Hottenbach und Stipshausen. Eine Spu- rensuche, Fronhofen 1998 58. Zenz, Dr. Emil. Wie wählten die Bewohner des Trierer Raumes in den Schicksalsjahren 1932 und 1933. in: Jahrbuch des Landkrei- ses Trier-Saarburg 1980, S. 225- 230 59. Zenz, Emil: Die Stadt Trier im 20. Jahrhundert. 1.Hälfte 1900- 1950, Trier 1981

173 Literatur zur Geschichte der Juden in der Region Konz

Konz 2008; zu beziehen in der Buchhandlung Kolibri, Konz.

Konz 2005, zu beziehen in der Buchhandlung Kolibri, Konz.

Konz 2012 Zu beziehen in der Buchhandlung Kolibri, Konz

174 Weitere Empfehlungen:

1. Körtels, Willi: Die Region Trier im Spiegel der amerikanischen Zeitschrift „Aufbau“, Konz 2012

2. ders.: Die „Judenerklärung“ des Zweiten Vatikanischen Konzils 1962-65 im Spiegel der Zeitschrift „Aufbau“, Konz 2012

3. ders.: Anmerkungen zum neuzeitlichen Antisemitismus in der Region Trier und die jüdische Reaktion, Konz 2012 4. ders.: Gertrud Luckner im „Aufbau“, Konz 2012

5. ders.: Die jüdische Schule in der Region Trier, Konz 2012

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