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Im Spiegel der Zukunft: Wissenskultur und - ethik in : Voyager

Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Philologischen Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg i. Br.

vorgelegt von

Katja Bay aus Freiburg i. Br.

WS 2011/2012 Erstgutachterin: Prof. Dr. Barbara Korte Zweitgutachter: Prof. Dr. Wolfgang Hochbruck

Vorsitzende des Promotionsausschusses der Gemeinsamen Kommission der Philologischen, Philosophischen und Wirtschafts- und Verhaltenswissenschaftlichen Fakultät: Prof. Dr. Hans-Helmuth Gander

Titel der eingereichten Dissertation: „Im Spiegel der Zukunft: Die amerikanische Wissenskultur und ihre Verbreitung im populären Fernsehen am Beispiel von Star Trek: Voyager“

Datum der Fachprüfung im Promotionsfach: 04.07.2012 Inhaltsverzeichnis

Danksagung iii

Einleitung 1

I. Theoretische und methodische Grundlagen 11 1. Wissen und seine Konstitution 11 1.1 Wissenskategorien nach Hans-Dieter Kübler 14 1.2 Reiner Kellers Wissenssoziologische Diskursanalyse 17 2. Wissen(schafts)popularisierung und populäres Wissen 21 2.1 Kategorisieurng und Zirkulation von populärem Wissen 25 3. Medien und Strategien der populären Wissensvermittlung 27 3.1 Charakteristika einer TV-Serie 28 3.2 berblich über die für die Analyse verwendeten populären Zeitschriften 32 3.3 Popularisierungsstrategien in fiktionalen Texten 36 3.4 ‚Echte‘ Wissenschaftler in den Massenmedien 38 3.5 Charakteristika der Wissenschaftsdarstellung im -Genre 40 4. Leitgedanken für die Analyse 45

II. „To Boldly Go“ – Wissen als Faszinosum und Gefahr 47 1. Eine kurze Einführung in Star Trek: Voyager 48 1.1 Das Stammpersonal des Raumschiff Voyager 49 1.2 „Is There Anything You Don’t Know?“ - ‚Allwissende‘ in Voyager 51 2. Ein Überblick über Wissenthemen und -diskurse in Star Trek: Voyager 53 3. „Boundaries That Shouldn’t Be Crossed“ – Von der Gefahr des 60 unbändigen Strebens nach neuem Wissen

III. Wissenschaftsethos und Grauzonen ethischen Handelns 65 1. Wissenschaftsethisches Verhalten in der öffentlichen Wahrnehmung 68 1.1 Grundgedanken der Wissenschaftsethik 71 1.2 Fiktionale Wissenschaftler-Stereotype – ein kurzer Überblick 73 1.3 Ethische Aspekte der Gentechnologie im Spezialdiskurs der Ethik und dem 80 öffentlichen Mediendiskurs 1.4 Künstliche Intelligenzen im Spezialdiskurs der Ethik und dem öffentlichen 89 Mediendiskurs 2. „We’ll Wrestle with the Morality of the Situation Later“ – Ethisches 100 Handeln in Star Trek: Voyager 2.1 Grauzonen ethischen Handelns in Voyager 100 2.2 „Modern Heirs of Frankenstein“? – Wissenschaftlerfiguren in Voyager 104 2.3 Die Darstellung von Klonen und „Designer Babies“ in Voyager 123 2.4 Korrelationen zwischen der Konstitution von Identität und ethischem 128 Verhalten bei künstlichen Intelligenzen in Voyager 3. Fazit 143

IV. Geschichtsrepräsentationen als Entertainment und ethische Lektion 145 1. Die Geschichts-/Erinnerungskonjunktur seit den 1990er Jahren 149 1.1 Die identitätsstiftende Bedeutung von Geschichte 149 1.2 Ausgewählte Ansätze der Gedächtnistheorie 152 1.3 Zeitzeugen und ihre mahnende Funktion 154 1.4 Mediale Zirkulation von Vergangenheitswissen in Massenmedien 156 2. Spezifische Geschichts- und Erinnerungskontexte der Voyager-Serie 159 2.1 Geschichte erinnern – erleben – entdecken: Modi der Geschichtskultur 163 2.2 Ausgewählte Erinnerungskontroversen in den USA der 1990er Jahre 169 3. „Nazis – The of their Day“: Historische Repräsentationen in Star 177 Trek: Voyager 3.1 Das Spiel mit Fakt und Fiktion in Voyager 179 3.2 Geschichte als Szenerie in Voyager 192 3.3 „Not Just a Matter of History“ – Der Wert des (historischen) Erinnerns in 198 Voyager 4. Fazit 208

Schlussbemerkungen 211

Zitierte Werke 214

Anhang 232 Danksagung

Diese Studie ist eine von der Philologische Fakultät der Albert-Ludwigs-Universität im Wintersemester 2011/2012 angenommene Inaugural-Dissertation, die im Umfang gekürzt und leicht überarbeitet wurde. Ich möchte Frau Prof. Dr. Barbara Korte für ihre Betreuung und Unterstützung sowie wertvollen Anregungen danken. Ein Dank geht ebenfalls an die Teilnehmer des Doktoranden-Kolloquiums und Kollegen für einen regen Gedankenaustausch. Meinen Eltern und Freunden möchte ich für die vielfältige Unterstützung während der Promotionszeit danken. Ein besonderer Dank geht an die Personen, die zur Fertigstellung des Manuskripts beigetragen haben: Kathrin Göb, Christiane Hadamitzky, Doris Lechner, Thorsten Leiendecker, Dr. Stefanie Lethbridge, Dr. Christina Spittel und Georg Zipp.

iii

Einleitung

Was wir über unsere Gesellschaft, ja über die Welt, in der wir leben, wissen, wissen wir durch die Massenmedien. (Luhmann 1996, 9)

Der Begriff Wissen wird gemeinhin mit Bildung und Schule assoziiert, da Wissen in der Regel in Institutionen wie Schulen, Universitäten oder aber auch Bibliotheken weiter- gegeben und gepflegt wird. Jedoch ist Wissen, wie das Eingangszitat von Niklas Luhmann bereits verdeutlicht, mehr als nur ‚Schulbildung‘: es umgibt den Menschen ganzheitlich und vermittelt dem Individuum wie die Welt und unsere Gesellschaft ‚funktioniert‘. Das meiste Wissen ist dabei routinisiert und wird deshalb größtenteils unbewusst ausgeführt, wie zum Beispiel gehen, essen, Fahrrad fahren etc. Die Tradierung von Bildungswissen findet mittlerweile nicht mehr ausschließlich in den angestammten Institutionen statt: Vor allem Massenmedien fördern Bildung durch Kommunikation von Wissensbeständen. So kann bspw. auch eine fiktionale TV-Serie dazu beitragen, Wissen zu verbreiten. Die diversen Serien der Star Trek-Reihe eignen sich für eine Analyse der Wissenskulturen, da Wissenserwerb und Umgang mit Wissen innerhalb der jeweiligen Entstehungszeiten prominent im Konzept verankert sind. Die Missionen der ‚Sternenflotte‘ waren seit Beginn auf die Erforschung des Weltalls und den Erwerb von Wissen ausgerichtet. Dies zeigt sich bereits in der Eingangssequenz bei Star Trek: The Original Series, welche die Konzepte Wissensdurst und Entdeckerdrang prägnant hervorhebt:

Space. The final frontier. These are the voyages of the Starship Enterprise. Its five year mission: to explore strange new worlds, to seek out new life and new civilizations, to boldly go, where no man has gone before. (meine Hervorhebung)1

Ronald Moore, Mitglied des Produzententeams und Autor einiger Star Trek-Episoden, sieht in diesem Episoden-Prolog eine „quest for knowledge“ eingeschrieben (in Greenwald 1998, 135). Am Beispiel der Star Trek-Serie Voyager (1995-2001) geht die vorliegende Studie dem Phänomen Wissenskultur und seiner Verbreitung im populären

1 Dieser Text wird zu Beginn jeder Episode der Original Series vor Einsetzen des Vorspanns von einer Erzählerstimme gesprochen.

1 Fernsehen nach und untersucht, wie und warum hier spezielle Wissensthemen zu einer bestimmten Zeit verhandelt werden. Unter ‚Wissenskultur‘ wird dabei im Folgenden der Umgang mit Wissen in einer Gesellschaft verstanden: Welches Wissen wird wie kommuniziert und verhandelt, welches archiviert, welches vernachlässigt? Die zunehmende Technologisierung der Lebenswelt sowie das ‚neue‘ Medium Internet eröffnen dabei vielfältige Möglichkeiten der Wissensspeicherung und -verbreitung. Durch diese technische Modernisierung kam es im 20. Jahrhundert zu einem explosionsartigen Anstieg der unmittelbar verfügbaren Menge an Wissen, was mit großer Intensität auch im öffentlichen Diskurs thematisiert wird. So ist es in der gegenwärtigen Gesellschaft von hoher Bedeutung, mit technischen und auch naturwissenschaftlichen Themen zumindest oberflächlich vertraut zu sein, da sie das Leben eines jeden Einzelnen tangieren – wer an der Gesellschaft teilhaben will, kann sich ‚Nicht-Wissen‘ kaum leisten. Wissen ist zum kulturellen, wissenschaftlichen und zunehmend auch politischen Kapital geworden.2 Allerdings ist manches Wissen für ein allgemeines Publikum schwerer zu vermitteln als anderes. Nicht alle Wissensbestände, z.B. komplizierte Theoreme aus Naturwissenschaft und Technik, sind problemlos zu popularisieren. Eine starke Vereinfachung von Wissenskonzepten kann leicht zu Ungenauigkeiten in der Darstellung führen und somit die Vermittlung negativ beeinflussen oder das Wissen sogar verfälschen. Andererseits besteht in der Öffentlichkeit ein hohes Interesse an wissenschaftlichen Inhalten. Die Aufgabe der Wissenschaftspopularisierung ist es hierbei, Erkenntnisse der Wissenschaften durch die Verhandlung in öffentlichen Medien und durch die Anwendung von Popularisierungsstrategien aufzubereiten und einer breiten Rezipientenschaft zugänglich zu machen. Die Verbreitung von wissenschaft- lichem Wissen in der Öffentlichkeit findet nicht nur in den explizit für die Wissen- schaftspopularisierung vorgesehenen Medienformen statt, sondern auch als Teil unter- haltender Formate, wie etwa Science Fiction-Serien im Fernsehen. Wissen, das auf diese Weise zirkuliert, kann als ‚populäres Wissen‘ definiert werden: Es wird außerhalb des Fachdiskurses in den Massenmedien verbreitet und zu diesem Zweck ‚übersetzt‘, um es für ein breites Publikum zugänglich zu machen.3

2 Zum Begriff des Kapitals vgl. Bourdieu (1992). 3 Vgl. hierzu bspw. Lewenstein, der einen Übersetzungsprozess für die Darstellung von „popular science“ konstituiert (1992, 45). Diese Aussage kann auf jegliche in den Massenmedien zirkulierenden Wissensbestände ausgeweitet werden vgl. Kap. I.2.

2 In Bezug auf Star Trek: Voyager lässt sich feststellen, dass hier eine ausgesprochene Vielfalt von Wissensthemen aufgegriffen wird, manche Themen aber in auffallender Häufung auftreten. Dabei sind diese nicht nur genretypisch für Science Fiction, sondern beziehen sich dezidiert auf aktuelle Entwicklungen in öffentlichen Wissensdiskursen. Ziel der vorliegenden Untersuchung ist es deshalb vor allem, darzu- stellen, wie Star Trek: Voyager in fiktionaler Darstellung bedeutende und gesellschafts- relevante Debatten über Wissensbestände aus der eigenen Entstehungszeit aufgreift, d.h. wie die Serie bestimmte Aspekte der Wissenskultur vor allem der USA im ausgehenden 20. Jahrhundert spiegelt. Der Begriff Wissenskultur kann unterschiedlich weit gefasst werden: Carsten Kretschmann versteht darunter jeglichen „lebensweltlichen Zusammenhang“ im Um- gang mit Wissen, der dadurch auch „Ausdruck sozialen Wandels“ wird (2003, 8). Karin Knorr-Cetina argumentiert, dass unsere heutige Gesellschaft aus verschiedenen „Kulturen von Wissenskontexten (2002a, 19) zusammengesetzt ist, aufgrund „der ganzen Bandbreite von Strukturen, Mechanismen und Arrangements, die der Erzeugung von Wissen dienen und sich mit ihm artikulieren“ (ibid., 18). Fried/Kailer bieten zwei mögliche Definitionsansätze an:

Zum einen ist [mit Wissenskultur] ein Aspekt von Kultur überhaupt gemeint, der des Wissens nämlich: Betrachtet man Kultur als die Gesamtheit menschlicher Hervorbringung auf allen Gebieten des Lebens, dann ist Wissen darin ein so zentraler Gesichtspunkt, daß seine Untersuchung einen Blick auf alle kulturellen Leistungen ermöglicht. Zum anderen hat der Begriff der Kultur innerhalb des Kompositums „Wissenskultur“ einen historisch deskriptiven Sinn: Er bezeichnet je besondere Kulturen, die er als dynamische Wissenssysteme beschreibt; er zielt auf das Wissen, das gerade diese Kulturen konstituiert, auf das Wissen, das sie hervorbringen und weitergeben. (2003, 9f)

Aus den verschiedenen Definitionsansätzen lassen sich zwei weitere Aspekte von Wissenskultur ableiten: Zum einen die epistemische Kultur, in der es vor allem um die „Validierung von Wissen“ geht, wobei Wissenskultur „sich auch auf Werthaltungen u.Ä. gegenüber Wissen und Information beziehen kann“ (Knorr-Cetina 2002b, 710). Wissenskultur beinhaltet somit

diejenigen Praktiken, Mechanismen und Prinzipien, die, gebunden durch Verwandtschaft, Notwendigkeit und historische Koinzidenz, in einem Wissensgebiet bestimmen, wie wir wissen, was wir wissen. Wissenskulturen generieren und validieren Wissen. (Knorr- Cetina 2002a, 11)

Zum anderen wird Wissenskultur auf Alltagspraktiken bezogen. So schließt zum Beispiel Jens Lüning anhand archäologisch geborgener Sachkultur auf die jeweilige

3 zeitgenössische Wissenskultur: „Wissen realisiert sich im Gebrauch. Es setzt sich um in die Sachkultur einer Gesellschaft; in Form von Herstellungs- wie von Gebrauchswissen haftet es an den Gegenständen einer Zivilisation.“ (2003, 23) Wissen selbst kann nach Fried/Kailer generell als „verfügbare Erfahrung“ definiert werden, welche sich in manchen Feldern als sehr dynamisch erweist, so z.B. Wissen als „aktualisierte Erinnerung“, „soziale Ressource“, „Medium des gesellschaftlichen Wandels“ oder „Antwort auf eine Krise“ (2003, 10-12). Eine solche ‚Dynamik‘ lässt sich für die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts feststellen, in der Wissen zu einem zentralen Faktor der gesellschaftlichen und wirt- schaftlichen Entwicklung geworden ist: „Die moderne Gesellschaft wurde bisher in erster Linie von den sozialen Merkmalen Arbeit und Eigentum (Kapital) geprägt. […] Das Vordringen des wissenschaftlich-technischen Wissens ist Anlaß dafür, unsere Gesellschaft unter der Perspektive ihrer Wissensstruktur zu sehen.“ (Stehr/Meja 1997, 739) Dies veranlasst einige Theoretiker, von der modernen Gesellschaft als Wissens- gesellschaft zu sprechen.4 Allerdings wird von anderer Seite darauf hingewiesen, dass Wissen bisher in jeder Gesellschaftsform von Bedeutung war und es auch immer schon ‚Experten‘ wie bspw. Heilkundige und Baumeister gab.5 Martin Heidenreich erweitert das Konzept der Wissensgesellschaft durch Abheben auf die Bedeutung von Organisationen und stellt dies in den Kontext der Globalisierung:

[Sie] ist nicht in erster Linie eine Gesellschaft von Wissenschaftlern, Akademikern, Forschern und Entwicklern, sondern eine Gesellschaft lernender, vielfach grenzüber- schreitend tätiger Organisationen, die ihre eigenen Strukturen permanent auf den Prüfstand stellen, um ihren Bestand in einer turbulenten Umwelt sicherzustellen. (2003, 40f)

Wissen durchdringt also alle Bereiche der Lebenswelt. Die Art und Weise der Wissenszirkulation, speziell bei neuem Wissen, hat sich im ausgehenden 20. Jahrhundert gewandelt, wie etwa Soziologen beobachten: „Wir leben in einer Epoche politischer und gesellschaftlicher Umbrüche, neuer Medien und technischer Innova- tionen, wir erleben eine Epoche der Wissensrevolution.“ (Fried/Süßmann 2001, 7) Der

4 Vgl. z.B. Franz (2001, 5), Knorr-Cetina (2002a, 15) oder Stehr/Ericson (1992, 3-7), siehe auch Stehr (1994). In diesem Zusammenhang wird stets die Arbeit von Daniel Bell, The Coming of the Post- Industrial Society: A Venture in Social Forecasting (1973) angeführt. „Wissen, so argumentiert Bell, ist zu einer Produktivkraft geworden, die die klassischen wert- und wohlstandserzeugenden Faktoren wie Kapital, Arbeit und natürliche Ressourcen der Tendenz nach ersetzt“ (Knorr-Cetina 2002a, 17). 5 So argumentiert z.B. Giddens in The Consequences of Modernity (1990), dass die moderne Gesell- schaft über Expertensysteme „organisiert“ ist (zitiert in Knorr-Cetina 2002a, 16f). Dem widerspricht Jens Lünings (2003) Artikel über Sachkultur, der beschreibt, dass es in jeder Gesellschaft stets Spezialisten gegeben hat. Diese Diskussion greift ebenfalls der UNESCO Welt-Report zur Wissens- gesellschaft auf vgl. Bindé 2005, 17f.

4 Bericht der UNESCO Towards Knowledge Societies konstatiert ebenfalls eine Revolution aufgrund der Entwicklungen im Bereich der Informations- und Kommunika- tionstechnologien und ihres Einsatzes durch „providers of information, educational and cultural contents, among which the media play an increasingly important part“ (Bindé 2005, 21). Angesichts solcher Entwicklungen – die besonders das Internet vorange- trieben hat – plädieren Gibbons et al. für die Annahme zweier Modi des (wissen- schaftlichen) Wissens und der Wissenszirkulation. Modus 1 bezieht sich auf Wissen, wie es traditionell in bestimmten disziplinären Kontexten generiert und von da ver- breitet wird: „generated within a disciplinary, primarily cognitive, context“ (1994, 1). Im zweiten Modus dagegen wird Wissen auf breiterer Basis geschaffen und zirkuliert: „Mode 2 knowledge is created in broader, transdisciplinary social and economic contexts.“ (Ibid.) Wissenschaftliches Wissen wird demnach laut Gibbons et al. nicht mehr vorrangig in den Forschungsdisziplinen und -institutionen generiert, sondern durchaus auch in der öffentlichen Arena, im Sinne einer Erweiterung von bestehendem Wissen durch Zirkulation, Akkumulation und Diskussion. Die öffentliche Meinung kann so auch stärker Forschung beeinflussen, durch öffentliche Sanktionierung oder Ablehnung von Forschungsprojekten. In diesem Zusammenhang wurde zum Beispiel seit Mitte des 20. Jahrhunderts von öffentlicher Seite vermehrt die Reglementierung von Forschung durch den Regierungsapparat gefordert: „Many segments of civil society want governments to enact measures aimed at satisfying their ideas or demands for the future use of knowledge.“ (Stehr 2004, x) Die geforderten Reglementierungen beinhalten u.a. eine zunehmende Reflexion von Wissen unter ethischen Aspekten, wobei nicht (nur) die Produktion von Wissen kritisch hinterfragt wird, sondern vor allem der Gebrauch von Wissen:

The concern that we know too much […] has been replaced by concerns about the accumulation of novel knowledge that appears to have questionable social consequences. In that sense, current concerns directed towards science represent a return to vigorous social conflicts science has experienced in the past. (Ibid., xi)

Auch im bereits erwähnten UNESCO-Bericht wird eine Zunahme ethischer und politischer Debatten im Bezug auf Wissensproduktion prognostiziert und als Kon- sequenz die Implementierung von weltweiten Standards im Bereich Forschung und Entwicklung wie auch eine verbesserte Informationspolitik hin zur Öffentlichkeit gefordert. Die steigende Präsenz von Wissenschaft und Technik im Alltag „points up the importance of ethics committees, science education and successful public awareness-

5 raising campaigns, which depend on effective science and technology media coverage“ (Bindé 2005, 25 und Kapitel 7).6 Durch die ‚neuen Medien‘, allen voran das Internet, zirkuliert neues und ‚altes‘ Wissen weitläufig in der Lebenswelt; es wird breit diskutiert und auch bewertet. Angesichts dieser Entwicklungen sind Wissen und gesellschaftliche Wissensbe- stände im ausgehenden 20. Jahrhundert ein aktuelles und expandierendes Forschungs- feld. So beschäftigte sich das DFG-Forschungskolleg „Wissenskultur und gesell- schaftlicher Wandel“ (1999-2004) an der Universität Frankfurt mit diesem Thema. Zu den Veröffentlichungen des Kollegs zählen die teilweise bereits angeführten Bände von Fried/Kailer, Wissenskulturen: Beiträge zu einem forschungsstrategischen Konzept (2003), Claus Zittel, Wissen und Soziale Konstruktion (2002), Carsten Kretschmann, Wissenspopularisierung: Konzepte der Wissensverbreitung im Wandel (2003) sowie Fried/Stolleis, Wissenskulturen: Über die Erzeugung und Weitergabe von Wissen (2009). Den Einfluss des Internets auf die Wissenskultur untersucht Daniela Pscheida in Das Wikipedia Universum: Wie das Internet unsere Wissenskultur verändert (2010). Einen diachronen Abriss über die Wissensgesellschaft von der Renaissance bis ins frühe 19. Jahrhundert bietet der 2004 von Richard van Dülmen herausgegebene Band Macht des Wissens: Die Entstehung der modernen Wissensgesellschaft. Mit Wissensethik aus einer philosophischen Perspektive beschäftigt sich die Dissertation von Sanjaadorj Molor- Erdene, Wissensethik als Kulturethik: Erkenntnistheoretische und ethische Unter- suchungen zur Philosophie der Wissenskulturen (2007). Auch die Literatur zur Popularisierung von Wissenschaft und Wissen hat in den letzten Jahren zugenommen.7 Neuere Dissertationen hierzu sind bspw. Daniela Eichholz‘ Popularisierung von Wissenschaft in der Wissensgesellschaft (2010) und Henning Schweers Popularisierung und Zirkulation von Wissen, Wissenschaft und Technik in visuellen Medien (2010). Eine Dissertation, die populärwissenschaftliche Zeitschriften analysiert, wurde 2007 von Christian Salzmann vorgelegt, Populäre Wissenschaft? Analyse der Wissenschaftskommunikation in populärwissenschaftlichen

6 Der Begriff, unter dem die Bemühungen, die Wissenschaften der Öffentlichkeit näher zu bringen, sub- sumieren, ist Public Understanding of Science (PUS). Dieser ist in Großbritannien seit der Veröffent- lichung des sogenannten Bodmer-Reports im Auftrag der Royal Society im Jahr 1985 geläufig (vgl. Zugriff 17.02.2015). In den USA setzte diese Bewegung bereits verstärkt nach dem Zweiten Weltkrieg ein (vgl. Lewenstein 1992, 45). Seit 2009 formiert sich in den USA ein von der National Academy of Science gefördertes Netzwerk mit dem Namen COPUS (Coalition on the Public Understanding of Science), welches wis- senschaftliche sowie nicht-wissenschaftliche Institutionen und Organisationen für die Verbreitung von wissenschaftlichem Wissen nutzen wollen (vgl. Zugriff 17.02.2015). 7 Vgl. S. 21f dieser Arbeit.

6 Zeitschriften. Eine Möglichkeit, massenmedial verbreitetes Wissen zu untersuchen, zeigt Clare Birchall in Knowledge Goes Pop: From Conspiracy Theories to Gossip (2006) auf. Sie verfolgt dabei auch Karrieren von verfälschtem und nicht-legitimiertem Wissen, welches häufig in der Form von Verschwörungstheorien und Klatschnach- richten durch die Medien ‚geistert‘. Wie diese Übersicht andeutet sind Wissenskulturen nicht mehr nur Gegenstand vor allem sozialwissenschaftlicher Forschung, sondern auch geistes- bzw. kulturwissenschaftlichen Interesses. So beobachten auch Nowotny/ Scott/Gibbons:

[W]e saw the humanities as the most engaged of all disciplines, not only simply because they flow through into the culture industry (for example, through novels and popular history), but because they comfortably (and inevitably) embody notions of reflexivity which the natural, and even the social, sciences distrust. (2003, 188)8

In dem Maße, in dem auch wissenschaftliches Wissen breit in der Gesellschaft zirkuliert und in zahlreichen Formen und Medien dargestellt wird, rückt es in die Aufmerksamkeit der Kulturwissenschaften, die vor allem die gesellschaftliche Bedeutung dieses Wissens kritisch hinterfragen. Hier situiert sich auch die vorliegende Arbeit, die eine der populärsten Science Fiction-Reihen des ausgehenden 20. Jahrhunderts in den Blick nimmt. Das Genre der Science Fiction zeichnet sich dadurch aus, dass es zeitgenössische Tendenzen und Strömungen in den Wissenschaften und der Gesellschaft nicht nur aufgreift, sondern sie in Hinblick auf ihre soziale und ethische Relevanz diskutiert und bewertet. Science Fiction „[spekuliert] definitionsgemäß über künftige Entwicklungen in Wissenschaft und Technologie, [und fungiert] somit sowohl als Produzent wie als Archiv populärer (narrativ umgesetzter und personifizierter) Vor- stellungen von Wissenschaft und wissenschaftlicher Tätigkeit“ (Frizzoni 2004, 24).9 Auf diese Weise hält auch die Serie Star Trek: Voyager der Öffentlichkeit einen Spiegel vor hinsichtlich des Umgangs mit und des Einsatzes von Wissen. Dabei konzentriert sich die Star Trek-Reihe allgemein primär auf den Bezug von Wissen zur und seinen Einfluss auf die Gesellschaft:

[Star Trek’s] pursuits focus on human behavior, on our untapped potential and our inherent limitations. These explorations tell us as much about ourselves and our assumptions as about what we discover. […] [F]inding out where the series has been prescient in its predictions and where it has gone widely off the mark gives us interesting clues about the way we think, about our lingering desire to have the bitter cups of difficult

8 Vgl. hierzu auch Gibbons et al. (1994, Kapitel 4). 9 Vgl. Kap. I.3.5.

7 decisions taken from us. The mirror that the show holds up forces us to examine areas that are slippery and dangerous for scientists and nonscientists alike – ethics, religion, gender prejudices, and reproductive taboos. (Andreadis 1998, xiii)

Eine philosophische Folie sieht Klaus Sachs-Hombach in der Star Trek-Serie, welcher „das Verhältnis von Moralität und Affektivität“ zugrunde liege (2000, 157). Er stellt somit das Element der Reflexion und Wertung der in der Serie präsentierten Diskurse prominent in den Vordergrund. Auch Ingrid Weber konstatiert, dass Star Trek sich mit bestimmten Serienthemen aktueller Debatten annimmt: „Viele der sozialen und politischen Probleme, die während der Entstehungszeiträume der jeweiligen Serienteile aktuell waren und zum Teil immer noch sind, finden ihren Niederschlag in den Episoden“ (2000, 145). Dabei adaptiert Star Trek nicht ausschließlich wissenschaftliche Themen, sondern rekurriert auf alle Bereiche des öffentlichen Diskurses:

Star Trek lebt vor allem vom Facettenreichtum der Themen, die in der Serie behandelt werden. Vor dem Hintergrund einer optimistischen Grundstimmung in Bezug auf die Ent- wicklung der Menschheit werden immer wieder einzelne Probleme aus den Bereichen Kultur, Politik, Wirtschaft und Technologie der zum jeweiligen Produktionszeitraum aktuellen Wirklichkeit aufgegriffen und in der für Science Fiction charakteristischen explorierenden Weise umgesetzt. (Ibid., 152)

Die Forschung zu Star Trek hat sich bereits mit Wissensthemen beschäftigt, allerdings fokussieren die Analysen meist naturwissenschaftliches Wissen, wie z.B. in den Aufsätzen der von Nina Rogotzki et al. herausgegebenen Bände Faszinierend! Star Trek und die Wissenschaften (2003, 2 Bde). Auch Naturwissenschaftler setzen sich mit der Realitätsnähe der in der Serie dargestellten Wissenschaften auseinander, wie z.B. Laurence Krauss in The Physics of Star Trek (1996) oder Anthena Andreadis in To Seek Out New Life: The Biology of Star Trek (1998). Weitere Publikationen, die das Phänomen Star Trek in seiner Gesamtheit untersuchen, sind u.a. Penny Baillie-de Byls Artificial Life Possibilities: A Star Trek Perspective (2006) und Diana Relkes Drones, Clones and Alpha Babes: Retrofitting Star Trek’s Humanism, post 9/11 (2006). Beispiele für Publikationen, die kulturelle und soziale Themen in Star Trek fokussieren, sind David Grevens Gender and Sexuality in Star Trek: Allegories of Desire in the Television Series and Films (2009), eine 2008 herausgegebene Aufsatzsammlung von Lincoln Geraghty mit dem Titel Influence of Star Trek on Television, Film and Culture sowie die Monographie von James Broderick, The Literary Galaxy of Star Trek: An Analysis of References and Themes in the Television Series and Films (2006). Zudem sind in den letzten Jahren mehrere Dissertationen im deutschsprachigen Raum erschienen, die sich

8 mit Star Trek auseinandersetzen: Christian Wenger (2006) untersucht die Fankultur, der sich auch Ulf Brüdigam (2001) widmet, dabei aber vornehmlich Bildungsprozesse erörtert. Andrea zur Nieden (2003) und Marcus Recht (2006) beschäftigen sich mit Androiden und Cyborgs, während die Arbeiten von Uta Scheer (2002) und Thomas Herrig (2011) Geschlechterkonfigurationen analysieren. Katja Kanzler (2004) diskutiert die Darstellung einer multikulturellen Gesellschaft, vornehmlich in The Next Generation. Uwe Meyer (2008) betrachtet Star Trek: Enterprise hinsichtlich der poli- tischen Bezüge zur Realwelt. Veröffentlichte Dissertationen aus dem englischsprachigen Raum zu Star Trek sind bspw. Robert Kozinets’ To Boldly Go: A Hypermodern Ethno- graphy of Star Trek’s Fan Culture and Communities of Consumption (2008) und Mia Lynn Consalvos The Best of Both Worlds? Examining Bodies, Technologies, Gender and the Borg of Star Trek (2008). Eine Studie zu Verhandlungen von Wissenskulturen in Star Trek liegt bisher noch nicht vor. Die vorliegende Arbeit wird sich dieser Frage vor allem über die Genese von Episodenthemen in Star Trek: Voyager nähern und erörtern, welche in öffentlichen Medien thematisierten, aktuellen und gesellschaftsrelevanten Diskurse über Wissen in der Serie aufgegriffen und in eine futuristische Szenerie extrapoliert wurden. Obwohl die Star Trek-Serie als US-amerikanische Produktion primär die US-amerikanische Wissenskultur reflektiert, waren die meisten der verhandelten Diskurse auch weltweit relevant, wodurch sich die für einen internationalen Markt wichtigen Bedeutungs- anschlüsse für nicht-amerikanische Rezipienten ergeben. Anlehnend an den Medien- wissenschaftler Douglas Kellner wird im Folgenden davon ausgegangen, dass Medien- diskurse verstärkt solche Themen aufgreifen, die für die intendierten Publika relevant und aktuell sind: „Media culture aims at a large audience, thus it must resonate to current themes and concerns, and is highly topical providing hieroglyphics of contemporary social life.“ (1995, 1) Dass Star Trek: Voyager aktuelle Wissensdiskurse aufgreift, lässt sich also dadurch absichern, dass die in der Serie identifizierten Wissensthemen auch in anderen zeitgenössischen Medien prominent verhandelt werden. Für die Zwecke dieser Arbeit sind dabei vor allem populäre Zeitschriften aussagekräftig. Dabei kann natürlich keine Aussage getroffen werden hinsichtlich der tatsächlichen Rezeption eines Themas durch einzelne Rezipienten, da „[d]as [in den Medien] gespeicherte und vermittelte Wissen [...] ‚nur‘ die potenzielle Ausgangsbasis, nicht jedoch das individuell vorhandene und verfügbare Wissen [ist].“ (Kübler 2009, 117) Die

9 breite Verhandlung eines Themas in den Medien suggeriert jedoch, dass zumindest Teile daraus in kollektive Wissensbestände Einzug finden. Die Arbeit strukturiert ihr Thema folgendermaßen: Teil I entwickelt begriffliche und methodische Grundlagen. Teil II stellt die Serie Star Trek: Voyager genauer vor und betrachtet ihren übergreifenden Zugang zum Thema Wissen und Wissenskultur. Die ver- schiedenen Episoden thematisieren Wissen dabei nicht nur als Wert, sondern auch als Risiko, letzteres vor allem im Zusammenhang mit der Spezies der Borg, die reine und rücksichtslose Wissensakkumulierung betreiben. Gerade hier werden Fragen ethischen Verhaltens relevant: Welches Wissen darf trotz hoher Risiken für eine Gesellschaft er- schlossen werden? Abschnitt III beschäftigt sich speziell mit der Relevanz von ethischen Richtlinien in naturwissenschaftlichen Bereichen und deren Darstellung in der Voyager-Serie – ein klassisches Science Fiction-Thema, das jedoch aktuelle Forschung extrapoliert aufbereitet und kritisch diskutiert. In Abschnitt IV wird die Repräsentation von historischem Wissen in Star Trek: Voyager untersucht, da eine auffällige Häufung von Episoden, die sich mit Geschichte beschäftigen, festzustellen ist. Hier wird eine Diskussion über kulturelle Erinnerung und das kulturelle Gedächtnis aufgegriffen, welche die letzte Dekade des 20. Jahrhunderts geprägt hat. Es wird zu zeigen sein, dass die Darstellung nicht nur auf historische Persönlichkeiten, Kriege oder die Thematisierung der (heutigen) Gegenwart als Geschichte beschränkt ist, sondern vor allem die in den 1990er Jahren aufkommende Debatte über die Notwendigkeit des historischen Erinnerns aufgreift sowie die Relevanz von Geschichte für die Gegenwart als eine ethische Dimension ausleuchtet.

10 I. Theoretische und methodische Grundlagen

Für die Ziele dieser Arbeit ist es zunächst grundlegend, ‚Wissen‘ genauer zu bestimmen und zu kategorisieren (1.1). Als leitende Methode wird Reiner Kellers Forschungs- programm der Wissenssoziologischen Diskursanalyse eingeführt, welches Aspekte wissenssoziologischer Untersuchungen mit der Diskursanalyse kombiniert (1.2). Die Diskursanalyse ermöglicht hierbei „Spielräume der Kreativität“ in der Herange- hensweise sowie der Datensammlung, da sie „multi-methodisch“ angelegt ist und „unterschiedliche Daten und Zugänge […] in Beziehung setzt“ (Keller 2005, 263). Dies ist für die vorliegende Untersuchung ein geeigneter Ansatz, da Diskurse durch Korrelation von Aussageereignissen in verschiedenen Medien bestimmt und zu den Serienthemen von Star Trek: Voyager in Bezug gesetzt werden. Auf die wissensso- ziologischen Überlegungen folgt ein Abriss zu Aspekten der Popularisierung von Wissen(schaft) in Kapitel 2. Die speziell für die Analyse relevanten Medien – TV-Serie und populäre Zeitschriften – werden in Kapitel 3 diskutiert. Schließlich werden die wichtigsten Aspekte des Science Fiction-Genres als eines einschlägigen fiktionalen Mediums der Popularisierung von Wissen skizziert.

1. Wissen und seine Konstitution

Der Mensch erfährt die Welt durch „kollektiv erzeugte symbolische Sinnsysteme oder Wissensordnungen“, die Realität manifestieren und Sinn stiften; die Wissenssoziologie untersucht dabei die „soziale Genese, Zirkulation und [...] Effekte von Wissen“ (Keller 2005, 19).10 Generell kann Wissen hinsichtlich seiner Typisierungen, Sedimentierungen und Routinisierungen untersucht werden. Kübler identifiziert dabei zwei Herange- hensweisen: „Konstruktivistische Ansätze definieren Wissen über soziale Anerkennung und Rekonstruktion, funktionalistische [Ansätze] über kontextuelle Korrelationen wie z. B. Handeln.“ (Kübler 2009, 116) Weitere Untersuchungsgegenstände sind die Wissensproduktion, sprich die Epistemik, sowie die Selektion von Wissen, d.h. die

10 Für eine detaillierte ‚Geschichte‘ der Wissenssoziologie vgl. bspw. Keller (2005, Kap. 2), Knoblauch (2005) und Kübler (2009, 97-118).

11 Frage welches Wissen archiviert und welches als redundant angesehen wird. Tradiert wird Wissen gemeinhin durch Kommunikation: „Gesellschaftliche Wissensvorräte werden in Kommunikationsprozessen verschiedenster Art auf unterschiedlichen Ebenen aufgebaut, aufrechterhalten, verändert und weitergegeben.“ (Keller 2005, 70) Dabei lassen sich unter dem Begriff ‚Wissen‘ mehrere Einzelbereiche subsumieren:

elaborierte gesellschaftliche Ideensysteme wie Religion oder politische Weltan- schauungen, naturwissenschaftliche Faktizitätsbestimmungen, implizites, inkorporiertes Können, alltägliche Klassifikationsschemata […] Glaubensvorstellungen, Körperprak- tiken, Routinen alltäglicher Lebensführung. (Ibid., 19)

Auch Kübler konstatiert: „Wissen [lässt sich] generell kaum mehr normativ fassen […] vielmehr akzeptiert man verschiedene Formen, Qualitäten und Funktionalitäten von Wissen.“ (2009, 115) In einer einflussreichen Studie im Bereich der Wissenssoziologie, Berger und Luckmanns Die gesellschaftliche Konstruktion der Wirklichkeit (1969), wird Wissen im Bezug auf Wirklichkeitskonstruktion definiert „als die Gewißheit, daß Phänomene wirklich sind und bestimmbare Eigenschaften haben“ ([1969] 2001, 1). Ähnlich ist dies bei McCarthy formuliert: „knowledge refers to any and every set of ideas accepted by one or another social group or society of people, ideas pertaining to what they accept as real“ (1996, 2). Diese Definitionen von Wissen verdeutlichen, dass die eingangs angeführten Behauptungen, erst die moderne Gesellschaft sei eine Wissensgesellschaft, nicht haltbar sind. Wissen ist von grundsätzlicher anthropolo- gischer Bedeutung, da es dem Individuum hilft, sich und seine Lebenswelt zu definieren und dadurch Sinn zu stiften. Die Wissensformen, welche der Mensch im Alltag benötigt und welche die Identität konstituieren sowie der Realitätsstiftung dienen, sind „Objekti- vationen subjektiv sinnvoller Vorgänge, aus denen die intersubjektive Welt entsteht“ (Berger/Luckmann 2001, 22). Diese Objektivationen werden durch – vornehmlich sprachliche – Zeichen vermittelt (vgl. ibid., 24),11 in denen sich „[d]as menschliche Ausdrucksvermögen […] in Erzeugnissen menschlicher Tätigkeiten [manifestiert]“ und somit Realität stiftet (ibid., 36). Die Welt wird geordnet durch symbolische Repräsentation von objektiviertem Wissen sowie die dadurch möglichen Lernprozesse. Laut Fried/Süßmann wird in den durch Lernprozesse generierten ‚Erfahrungen‘ Wissen „gesammelt und symbolisiert, weitergegeben und erinnert, verwertet, verfeinert und

11 Zur Legitmation, d.h. Sinnstiftung, durch Objektivation vgl. Berger/Luckmann (2001, 98f).

12 systematisiert“ (2001, 9).12 Ausgehend von vorhandenem Wissen bzw. Wissenslücken kann neues Wissen generiert werden (vgl. ibid., 9f). In Bezug auf Wissenserzeugung und -tradierung ist der Aspekt der Kommu- nikation, den auch Berger/Luckmann betonen, von zentraler Bedeutung. Denken und Wissen wird durch die Intersubjektivität der Alltagswelt und der Interaktion mit Anderen beeinflusst (vgl. Berger/Luckmann 2001, 26). Eine rege Kommunikation führt zu einer (quantitativen) Zunahme von Wissensbeständen, welche durch das reziproke Verhältnis von Wissen und Gesellschaft weiter befördert wird. Dies bedingt gesellschaftlichen Wandel, der wiederum den Wissensbestand der Gesellschaft beein- flusst durch „Bevölkerungsverluste ebenso wie durch Bevölkerungswachstum, durch Migration, Begegnung und Abgrenzung, durch technische Innovation oder politische Katastrophen, vor allem durch das wechselnde Licht gesellschaftlicher Wertideen“ (Fried/Süßmann 2001, 10). Aufgrund des beschleunigten gesellschaftlichen Wandels im ausgehenden 20. Jahrhundert ist Wissen teilweise nur noch von kurzer Relevanz und steigt zudem noch exponentiell an (vgl. ibid., 7). Die Zunahme von Wissen kann aber auch darin begründet liegen, dass Medien Wissen als Unterhaltungsgegenstand entdeckt haben und somit Wissen verschiedenster Art in der Öffentlichkeit breit zirkuliert:

Eine besondere Art der Instrumentierung und Kommerzialisierung erfährt Wissen durch die Medien, die es einerseits verbreiten, andererseits – etwa in den vielen Quiz- und Wissensgenres – als Publikumsmagneten auf ihre Formate, Interessen und Niveaus hin ausrichten. (Kübler 2009, 115)

Aus diesem Grund fordert Reiner Keller den systematischen Einbezug von Medien in die Untersuchung von Wissenskontingenten:

Angesichts der enormen Bedeutung von audiovisuellen Medienformaten und -inhalten (Fernsehen, Film, Fotografie, Comics, Werbung) werden sich wissenssoziologische Diskursanalysen zukünftig stärker mit der Analyse und Interpretation solcher Daten befassen müssen. (Keller 2005, 271; meine Hervorhebung)

Für die Analyse von Wissenskontingenten ist es zunächst notwendig Wissen zu definieren, um somit Wissens-Kategorien zu bestimmen. Die für die vorliegende Untersuchung als Grundlage dienenden Kategorien werden im Folgenden vorgestellt.

12 Vgl. dazu bspw. auch Fried/Kailer, die Erfahrung u.a. als „aktualisierte Erinnerung“ definieren (2003, 11).

13 1.1 Wissenskategorien nach Hans-Dieter Kübler

Die Kategorisierung von Wissen kann auf verschiedenen Ebenen erfolgen, wobei häufig funktionalistische Ansätze gewählt werden. Zeitgenössische wissenssoziologische Abhandlungen beziehen sich dabei stets auf die ersten Theoretiker der Wissenssoziologie – Max Scheler,13 Alfred Schütz sowie Peter Berger und Thomas Luckmann – und übernehmen deren grundlegende Definitionen des Wissensbegriffs und der Wissenskategorien.14 Zentral sind dabei die Ansätze von Schütz (Strukturen der Lebenswelt, 1979) und Berger/Luckmann, welche zeigen, dass Wissen in Hinblick auf seine Relevanz für die Lebenswelt und Alltagswelt kategorisiert werden kann. Die von Berger/Luckmann fokussierten Eckpunkte der Wissenstheorie, Jedermanns- bzw. Alltagswissen und Spezialwissen, dominieren auch in neueren Abhandlungen. Trotz Berger/Luckmanns Einflusses auf nachfolgende Theorien wurde die Untersuchung von Alltagswissen und dessen Bedeutung für die Lebenswelt jedoch nicht konsequent weitergeführt, wie Hans-Dieter Kübler in seiner Monographie Mythos Wissens- gesellschaft beschreibt (vgl. 2009, 105). Kübler kritisiert zudem, dass in der Wissenssoziologie häufig der Standpunkt vertreten wird, dass Alltags- oder Jedermanns- wissen generell nützlich sei,15 da es der Lösung von Problemen dient, wohingegen Kübler auch ‚unnützes‘ Wissen als bedeutende Kategorie ausmacht (vgl. 111f).16 Dieses ‚unnütze‘ Wissen wird aus Interesse angeeignet, es dient also nicht zur Problemlösung, ist für die Identitätsbildung des Individuums jedoch äußerst relevant (vgl. 133). Ebenso werden die Facetten zwischen Spezial- und Alltagswissen kaum beleuchtet und nur vage definiert. Aufgrund dieses Desiderats stellt Kübler selbst differenziertere Wissens- kategorien auf, die er mit Elementen der bisherigen Theoretiker unterfüttert. Des Weiteren legt er seine Kategorien nach einem, wie er sagt, „neuen Relevanzfokus“ an, der in den letzten Jahren durch „veränderte Konstitutions- und Kontextbedingungen“ forciert wurde, welche in der „verstärkten Aufmerksamkeit und Erwartung für

13 Max Scheler war der Erste, der sich dieser Forschungsdisziplin widmete und sich in Die Wissens- formen und die Gesellschaft (1926) mit dem Wissensbegriff befasste. 14 Zur Kritik an der zu allgemeinen und diffusen Definition von Wissen in neueren Studien aus dem Bereich der Wissenssoziologie vgl. Kübler (2009, 89 sowie 97). Diese neueren Abhandlungen sowie der amerikanische Zweig der Wissenssoziologie werden in dieser Darstellung vernachlässigt, da Wissen darin nicht explizit definiert wird, sondern primär Gesellschaftsanalysen vorgenommen werden. 15 Dies beschreiben schon Schütz und Berger/Luckmann. Als neueres Beispiel führt Kübler Nico Stehr und seine Kategorien (Deutungswissen, Produktivwissen, Handlungswissen) an, die auf die ökono- mische Bedeutung von Wissen zielen (vgl. Kübler 2009, 112). 16 Sofern nicht anders angegeben, beziehen sich alle folgenden Seitenzahlen in diesem Unterkapitel auf Kübler (2009).

14 Innovation und Bildung, aber auch [in] der medialen Popularisierung von Wissen“ begründet sind (130). Die erste seiner Kategorien ist das Erkenntniswissen, das generiert wird, um die Lebenswelt zu erforschen und zu erklären (vgl. 131). Als Beispiel für das „enzyklo- pädische Streben“ und dessen ‚Renaissance‘ führt er die Internetenzyklopädie Wikipedia an, in der auch ‚Laien‘ ihr Wissen archivieren können (vgl. 132). Kübler charakterisiert dieses „lexikalische Wissen“ als „demokratisiert, relativiert, arbeitsteilig […] beliebig, unvollständig, zeitabhängig, individuell“ (ibid.). Zu beachten ist, dass bei dieser Form der Archivierung oder Dokumentation auch ‚unnützes‘ Wissen tradiert wird. Dies ist in der fast nahtlos angeschlossenen Kategorie des professionellen, fachlichen Wissens nicht der Fall, da es primär dazu befähigt, den Beruf auszuüben. Es handelt sich also um „professionelle Kompetenz“, die im Laufe der Zeit durch Erfahrung „großenteils in Routinen sedimentiert“ wird (vgl. 134f). Die dritte Kategorie ist kulturelles Wissen oder Bildung, welches im Laufe des Lebens im sekundären Sozialisationsprozess und „insbesondere durch diverse Medien“ angeeignet wird:

Individuen [erwerben] unzählige Kenntnisse, Vorlieben und Urteilskriterien für und über ihre – im weitesten Sinne – Kultur […]. Vorzugsweise ist es mittels Symbolen kodiert, also abstraktes Wissen, aber es beinhaltet auch viele aktionale Komponenten, die Menschen in ihrer Lebensgestaltung ausüben. (137)

Dieses Wissen enthält einerseits eine gesamtgesellschaftliche, ‚universelle‘ Kom- ponente, die mit Begriffen „wie das kulturelle Erbe oder das kulturelle Gedächtnis geschmückt“ wird (ibid.). Andererseits enthält es Komponenten, die dem Habitus bzw. dem sozialen Milieu geschuldet sind. Laut Kübler hat sich der Rahmen des klassischen „bildungsbürgerliche[n] Wissens“ verändert, es bezieht sich

weniger auf anerkannte Wissensbestände als auf hochgeschätzte, wertbezogene Eigenschaften wie Toleranz, Mündigkeit, Neugier und auf allgemeine, auch als universell erachtete Fähigkeiten wie kulturelle Teilhabe, Problemlösung, Teamfähigkeit, Empathie und soziale Kompetenz. (138)

Aufgrund der „ökonomischen Nützlichkeit und Zweckrationalität“ (ibid.) kann der Relevanzfaktor von Wissen durch einen hohen Verteilungsgrad zunehmen. Neben diesem kollektiven Aspekt kulturellen Wissens lässt sich auch ein subjektiver darstellen, denn jedes Individuum „verarbeitet und repräsentiert sein ganz persönliches kulturelles Wissen, seine eigene Bildung, eben als Mitglied aber auch als Träger einer kulturellen Entität“ (ibid.). Im subjektiven kulturellen Wissensvorrat eignet sich das Individuum

15 auch ‚unnützes‘ Wissen an, das, wie bereits erwähnt, zur Identitätsbildung jedoch relevant ist. Geprägt wird der subjektive Wissensvorrat vor allem durch zeitliche und soziale Umstände. Das kulturelle Wissen eines Individuums ist also eine Vermischung aus kollektiv verbreiteten und subjektiv ausgewählten Wissensbeständen. Kübler räumt allerdings ein, dass seine weit gefasste Definition von kulturellem Wissen eine scharfe Abgrenzung zu anderen Typisierungen erschwert. Als eine mögliche Trennlinie schlägt Kübler den Aspekt der Funktionalisierung vor, denn kulturelles Wissen ist „am wenigsten funktionalisierbar […] oder [vereinigt] eben die meisten funktionalen Optionen pluralistisch auf sich.“ (139) Die vierte Kategorie, Alltagswissen, hat viele Überschneidungspunkte mit dem kulturellen Wissen, was in Küblers Definition von ‚Alltag‘ begründet ist. Diesen definiert er als „die umfassende kulturelle Praxis des Individuums“ (ibid.). Darunter fallen Fähigkeiten, die hauptsächlich primär-sozialisiert und routinisiert sind sowie geprägt durch sozio-kulturelle Kontexte; dies schließt auch operative Fähigkeiten, sowohl physische ebenso wie kognitive, ein (vgl. 141).17 Dieses Wissen ist zudem hochgradig medial geprägt:

Über die Medien selbst, ihre Genres und Formate, ihre Events und Stars, ihre Sensationen und Histörchen besitzen die Menschen offensichtlich ein immenses Wissen, sicherlich nebenbei erworben, auch flüchtig und assoziativ, aber gewiss nicht weniger prägend als das schulische oder kulturell anerkannte Wissen. (Ibid.)

Kübler erwähnt hierbei aber auch die Leistung von Medien, „Formen des über- kommenen, aber verstaubten Bildungs- und Faktenwissens durch ihre vielfältigen Quiz- und Rateangebote immer wieder zu neuem Leben [zu erwecken]“ (ibid.). Hier ergibt sich eine Schnittstelle zum Bildungswissen, auch hinsichtlich des Erlangens von Medienkompetenz während der sekundären Sozialisation (vgl. ibid.). Trotz seiner recht hohen Funktionalität für das tägliche Leben, wird diese jedoch „kaum bewusst und bleibt daher eher latent“ (ibid.). Die fünfte Kategorie beinhaltet natürlich-intuitives Wissen und betrifft die körperlichen und mentalen Bereiche des Individuums.18 Es wird zwar erlernt wie das Alltagswissen, jedoch ist die Ausführung „noch unbewusster und noch intuitiver“ (142). In einer finalen Kategorie listet Kübler darüber hinaus „[w]eitere erforderliche Differenzierungen und Prägungen von Wissen“ (143) auf. Hierunter fallen bspw. 17 Alfred Schütz subsumiert dieses Wissen unter der Kategorie ‚Gebrauchswissen‘ (vgl. Schütz/ Luckmann 2003, 157f). 18 Bei Schütz zählt dieses Wissen des „gewohnheitsmäßigen Funktionierens des Körpers“ zur Wissens- kategorie ‚Fertigkeiten‘ (vgl. Schütz/Luckmann 2003, 156).

16 dokumentiertes bzw. nicht-dokumentiertes Wissen, publiziertes bzw. nicht-publiziertes Wissen oder auch wissenschaftliche Abhandlungen. Des Weiteren erwähnt er bildliche Darstellungen, vor allem Film und Fernsehen. Diese Massenmedien bieten die größte Wissenstradierung, wobei Wissen in popularisierter Form dargestellt wird (vgl. 145). Laut Kübler ergäbe sich somit auch hier eine Schnittstelle mit dem Bildungswissen:

Unter einem möglichst weiten Bildungsbegriff lässt sich einem Großteil der Medien- und Programminhalte Wissens- und Bildungspotenzial zuschreiben, eben weil die Medien, ihre Formate bzw. Produkte, Themen und Figuren selbst zum kuranten Wissensreservoir zählen, mindestens zum aktuellen, großenteils auch zum kulturellen und sozialen, und weil Menschen eigentlich nie nicht lernen (können). (Ibid.)

Diese „populären Medien(wissens)inhalte“, so Kübler, werden in der Forschung vernachlässigt, da ein empirischer Nachweis schwer möglich ist (146). Die vorliegende Untersuchung will aber genau einen Aspekt dieser bisher noch wenig erforschten populären Medien(wissens)inhalte untersuchen. Diese von Kübler aufgestellten Wissenskategorien sind bei der Differenzierung von Wissensthemen und -bereichen nützlich. Jedoch trägt die Identifikation eines Wissensbestands in sich aber noch keine Aussage über Nutzung, Speicherung und Weitergabe in einer Gesellschaft. Somit wird ein weiterer Zugang benötigt, der sich mit Prozessen von Wissensbildung und -zirkulation auseinandersetzt.

1.2 Reiner Kellers Konzept der Wissenssoziologischen Diskursanalyse

In den 1980er Jahren erlebte die Wissenssoziologie eine Hinwendung zur Erforschung von Prozessen, die gesellschaftliche Ordnung konstituieren, welche Reiner Keller in Anlehnung an Hubert Knoblauch als „kommunikative Wende“ deklariert (vgl. Keller 2005, 58).19 Innerhalb dieser Wende wird ein cultural turn der Wissenssoziologie konstatiert, der nun die „Frage nach der sozialen Determination des Wissens mit Theorien der kulturellen Konstitution der menschlichen Erfahrung zusammenbringt“ (60). Dies geht einher mit einer Hinwendung zur Untersuchung der (sozialen) Akteure und deren Deutungsprozesse. Keller verknüpft also den Akteursfokus aus der älteren Wissenssoziologie mit der Untersuchung von Strukturzusammenhängen aus der Diskursanalyse. Keller weist explizit darauf hin, dass es sich bei der Wissenssoziologischen Diskursanalyse „nicht um eine Methode [handelt], sondern um ein sozialwissen- 19 Sofern nicht anders angegeben beziehen sich alle folgenden Seitenangaben in diesem Unterkapitel auf Keller (2005).

17 schaftliches Forschungsprogramm zu spezifisch fokussierten Untersuchungen der ‚Objektivität der Ordnungen und ihrer kommunikativen Konstruktion‘ in Diskursen“ (188). Ziel eines solchen Forschungsprogramms ist die Rekonstruktion von „Prozessen der sozialen Konstruktion, Zirkulation und Vermittlung von Deutungs- und Handlungs- weisen auf der Ebene von institutionellen Feldern, Organisationen, sozialen Kollektiven und Akteuren“ (ibid.). Symbolische und soziale Ordnungen werden auf Konventionen und Strukturen, den Bezug auf „institutionell stabilisierte Regeln der Deutungspraxis“ (ibid.) sowie den Einfluss der Akteure auf den Deutungsprozess hin analysiert. Weitere Aspekte sind „Objektivierungen und Konsequenzen von Diskursen in Gestalt von Arte- fakten, sozialen Praktiken, Kommunikationsprozessen und Subjektpositionen“ (ibid.). Generell gefasst untersucht die Wissenssoziologische Diskursanalyse

die Produktion und Transformation gesellschaftlicher Wissensverhältnisse durch Wissens- politiken, d.h. diskursiv strukturierte Bestrebungen sozialer Akteure, die Legitimität und Anerkennung ihrer Weltdeutungen als Faktizität durchzusetzen. Sie begreift damit sozialen Wandel nicht nur als sozialstrukturellen Prozess, sondern als Verschiebung von Wissensregimen. (Ibid.)

Reiner Keller will besonders der Prozesshaftigkeit näher kommen, vor allem im Bezug auf die Mechanismen der Wissenszirkulation. Somit sieht Keller die Diskursanalyse u.a. als Möglichkeit zur Erschließung der Tradierung von Spezialwissen, welches bisher in Bezug auf die Konstitution von Wirklichkeit und den Einfluss auf kollektive Wissensbestände noch nicht einbezogen worden ist (vgl. 178). Keller identifiziert des Weiteren ein Desiderat bei Studien im populärmedialen Bereich. Er erkennt Potential für die Untersuchung von „Formen und Folgen der modernen massenmedialen Vergesellschaftung“ und inwieweit Wirklichkeit in den Massenmedien tradiert wird (318). Ihn interessieren dabei sowohl die jeweiligen Produktionsbedingungen und Vermittlungsressourcen als auch die Rolle der Akteure und ihr Rezeptionsverhalten. Die Erforschung von Wissenszirkulation verläuft dabei auf mehreren Ebenen,20 wodurch sich die ‚Karriere‘ eines Diskurses beschreiben lässt. Der Begriff Diskurs wird von Keller in Anlehnung an Foucault definiert als ein „Komplex von Aussageereignissen und darin eingelassenen Praktiken, die über einen rekonstruierbaren Strukturzusammenhang miteinander verbunden sind und spezifische Wissensordnungen der Realität prozessieren“ (230). Diskurse sind dabei durch ihre

20 Die Untersuchung beginnt in der Regel bei der Produktion eines Diskurses, danach werden dessen Struktur, Akteure und Verhandlungsräume sowie eventuelle Veränderungen eines bestehenden Diskurses aufgrund externer Ereignisse identifiziert.

18 relative Stabilität gekennzeichnet, so dass sich an ihnen Bedeutungsverhandlungen einer Zeit und einer Gesellschaft ablesen lassen (vgl. 231).

Die Bausteine eines Diskurses – die Begriffe, Theorien, Deutungsmuster, Klassifika- tionen usw., die er transportiert – erhalten ihren Sinngehalt aus dem Relationsgefüge, das durch ihren Gebrauch erzeugt und reproduziert wird, und in das sie unweigerlich eingebunden sind. (191)

Ein Diskurs setzt sich also zusammen aus verschiedenen Aussageereignissen, wobei diese wiederum selbst auf Diskurse angewiesen sind, da sie ohne diese „nicht verstanden, typisiert und interpretiert“ werden können (201). Ein neuer Diskurs entsteht analog zu neuem Wissen, d.h. durch ein Ereignis, welches bspw. das alltägliche Leben und sein Gefüge stört, wodurch bestehendes Routinewissen und Typisierungen auf die neue Situation nicht mehr anwendbar sind und somit ein neuer Deutungsansatz gebraucht wird. Ein Diskurs bildet sich also aufgrund „Irritationserfahrungen auf der Ebene kollektiver Wissensvorräte bzw. symbolischer Ordnungen“, wodurch neue Deutungsmuster erschaffen werden, die „damit in Konkurrenz und Herausforderung zu den etablierten Diskursformationen treten“ (285). Den ‚Auslöser‘ für die Aktualisierung eines vorhandenen Diskurses bezeichnet Keller als „diskursive[s] Ereignis“, welches eine Veränderung der „Diskursstruktur“ zur Folge hat (ibid.). Strukturell ist ein Diskurs in zwei Bereiche teilbar: eine „Binnen- struktur“, jene Zeichen, die zur Deutung des Diskurses beitragen sowie den externen Bezug, der den Diskurs von anderen Themen abgrenzt (vgl. 191). Dabei kann das gleiche ‚Zeichen‘ in verschiedenen Diskursräumen unterschiedliche Auslegungen haben (vgl. ibid.). Sprache erfährt dabei nur im Kontext des „sozialen Diskursuniversums“ Bedeutung, denn hier wird „Kodierung und Dekodierung reguliert“ (193). Die Typisierungen der Zeichen finden ihren Weg in den kollektiven Wissensvorrat und werden innerhalb des primären und sekundären Sozialisationsprozesses tradiert (vgl. 196). Die Tradierung findet dann mittels verschiedener Datenwege statt: als Beispiel führt Keller „Diskussionsveranstaltungen, Massenmedien“ aber auch „Ratgeberliteratur, Gesetzestexte und sonstige Regelwerke“ an (259). Der Prozess der Wissenskom- munikation findet also „in mehr oder weniger regulierten und anonymisierten“ Kon- texten statt (ibid.). Die Definition für ‚diskursive Praktiken‘ leitet Keller ebenfalls von Foucault ab, diese sind eine „Sonderform von Praktiken, welche der Produktion und Zirkulation von Diskursen zugrunde liegen“ (219). Ausgehend von Positionen der Soziologie definiert

19 Keller diskursive Praktiken als „beobachtbare und beschreibbare typische Handlungs- weisen der Kommunikation, deren Ausführung als konkrete Handlung […] der inter- pretativen Kompetenz sozialer Akteure bedarf und von letzteren aktiv gestaltet wird“ (223). Eine Ballung von Diskursen, „die nach denselben Formationsregeln gebildet werden, bilden zusammen eine von anderen abgrenzbare diskursive Formation.“ (224) Diese kann explizit definiert und wiederum in Subformationen untergliedert werden. Mehrere diskursive Formationen bilden eine sogenannte Diskurskonfiguration, die für einen spezifischen Zeitraum untersucht werden kann. Beispiele für Diskursformationen einer Makroebene sind Diskurse über Politik, Ökologie oder Literatur, wobei sich etwa der Diskurs ‚Politik‘ auf der Mikroebene in Subformationen wie ‚Parteien‘, ‚Politiker‘ und ‚Wahlrecht‘ einteilen ließe. Die Makroebene kann weiterhin in Spezialdiskurse und öffentliche Diskurse unterteilt werden. Ein Spezialdiskurs wird definiert als „Diskurs innerhalb von gesell- schaftlichen Teilöffentlichkeiten, z.B. wissenschaftlichen Kontexten“ (230). Öffent- licher Diskurs wird von Keller definiert als ein „Diskurs mit allgemeiner Publikums- orientierung in der massenmedial vermittelten Öffentlichkeit“ (ibid.). Die Wissenssozio- logische Diskursanalyse will beide Bereiche „im Hinblick auf ihre Träger, auf übereinstimmende oder unterschiedliche Formationsregeln und inhaltliche Positio- nierungen sowie deren Effekte“ erforschen (225). Thematisch geht es in öffentlichen Diskursen um „politisch-argumentative Auseinandersetzungen über gesellschaftliche Problemfelder, an denen sich, vermittelt über die Massenmedien und diverse andere öffentliche Arenen die zivilgesellschaftliche Öffentlichkeit beteiligt.“ (Ibid.) Bedingt durch den öffentlichen Rahmen, haben diese Diskurse gegenüber institutionell- organisatorischen „eine diffusere Sprecherstruktur und andere Regeln der Formulierung legitimer Inhalte, die den Funktionslogiken der Massenmedien folgen“ (259). Dennoch lassen sich auch für den öffentlichen Diskurs Strukturen beschreiben, die bestimmten Regeln unterliegen und sich bestimmter Ressourcen bedienen:

[Sie] bestehen […] aus unabhängigen Aussageereignissen, die an verschiedensten Orten und zu unterschiedlichsten Zeiten erscheinen, typisierbare Regeln aufweisen und – wenn auch nicht als unmittelbare Interaktion unter Bedingung der Kopräsenz – als Aushand- lungsprozesse […] begriffen werden können. (227)

Diskurse mit globaler Relevanz wie Atomenergie und Nuklearwaffen sowie Gentech- nologie oder Umweltverschmutzung werden weltweit in den Medien verhandelt, wobei diese Verhandlungen nicht zwangsläufig gleichzeitig stattfinden, sondern sich meist am

20 Stand der Wissenschaften einer Nation orientieren. Eine gleichzeitige Verhandlung eines globalen Themas ist daher meist mit einem Anlass, d.h. einem ‚diskursiven Ereignis‘, verknüpft: bspw. einem Atomunfall, der Havarie eines Tankers oder der Erschaffung eines Klonschafs. Ein solches Ereignis, welches weitreichende Folgen für die Lebens- welt hat, verändert entsprechend die Diskursstruktur. Die (sozialen) Akteure21 greifen mittels Wissenspolitiken ein, um ihren jeweiligen Standpunkt im Diskurs durch- zusetzen. Die Aktualisierung eines Diskurses durch öffentliche Aushandlungsprozesse kann unter Umständen, aufgrund der Produktion neuer Deutungsanschlüsse, zur Verschiebung von etablierten Wissensregimen – d.h. von dem, was als ‚wahr‘ erachtet wird – führen. Kellers Innovation in der Verbindung von wissenssoziologischen Aspekten mit der Diskursanalyse liegt vor allem in dem Relationsgefüge von handelnden Akteuren in diskursiven Strukturen, welches für die vorliegende Untersuchung ein fruchtbares Modell ist. Im Prinzip beschreibt der Prozess der Einflussnahme von Akteuren auf eine Diskursstruktur auch den Prozess der Popularisierung und somit die „Konstitution populären Wissens“:

[Populäres Wissen] wird bestimmt durch Aushandlungsprozesse, in denen unterschiedlich sozialisierte Akteure mit je konkreten Vorannahmen, Interessen und Geltungsansprüchen agieren und bestimmte Aufzeichnungs- und Darstellungspraktiken nutzen, um Wissen in differierenden Verwendungskontexten zu präsentieren bzw. an ein heterogenes Publikum mit je eigenen Erwartungen zu kommunizieren. (Boden/Müller 2009, 14)

Da diese Ansicht nicht dem ‚klassischen‘ linearen Popularisierungsverlauf vom Experten zum Laien entspricht, soll ein kurzer Abriss zu Entstehung und Gegenstand der Wissen(schaft)spopularisierung diese „Aushandlungsprozesse“ von Akteuren eines Diskurses näher beleuchten, die einhergeht mit der Zunahme des Medienangebots seit Mitte des 20. Jahrhunderts.

2. Wissen(schaft)spopularisierung und populäres Wissen

Eine erste Blütezeit erlebte die Popularisierung von Wissenschaft im 19. Jahrhundert mit dem Aufkommen des Bildungsbürgertums. Wissen(schaft)spopularisierung war eine Reaktion auf die gestiegene Nachfrage an Wissen über revolutionäre neue Techno-

21 Akteure für die genannten Ereignisbeispiele sind Organisationen und Institutionen wie Greenpeace, Regierungen, Forschungseinrichtungen oder die Atomlobby sowie allen voran die Medien.

21 logien, die plötzlich den Alltag eroberten, aber auch nach den Wissenschaften generell. „Populärwissenschaft ist ein Phänomen des 19. Jahrhunderts, anders gesagt: ein Produkt des bürgerlichen Zeitalters.“ (Brecht/Orland 1999, 5) Zwei Studien, die sich mit diesem Phänomen im Europa des 19. Jahrhunderts dezidiert beschäftigen, sind Angela Schwarz’ Der Schlüssel zur modernen Welt (1999) sowie Andreas Daums Wissenschaftspopu- larisierung im 19. Jahrhundert (1998).22 Schwarz begründet in ihrer Monographie den Durst nach Wissen mit der veränderten Alltagssituation im 19. Jahrhundert: Aufgrund neuer Gegebenheiten, die auch die Gesellschaft radikal veränderten, suchten die Men- schen nach Informationen zur Alltagsbewältigung in für Laien geschriebenen wissen- schaftlichen Darstellungen. Carsten Kretschmann verweist auf die jüngste Forschung, in der die These aufgestellt wird, dass „gesellschaftliche Krisensituationen die Nachfrage nach popularisiertem Wissen erhöhen“ (2003, 14). Eine gesellschaftliche ‚Krise‘ kann im Sinne Kellers als diskursives Ereignis charakterisiert werden,23 welches zu einer Veränderung der Diskursstruktur mittels Popularisierung führt und somit das im Diskurs enthaltene Wissen tangiert:

In [Momenten des beschleunigten sozialen Wandels] erfüllt die Wissenspopularisierung ein existentielles Bedürfnis, indem sie Lösungen auf ungeklärte Fragen, Expertisen für komplexe Situationen, kurz: Routine in gesellschaftlichen Krisen verspricht. (Ibid.)

Ebenso ist der Anstieg von wissenschaftlichem Wissen selbst ein Faktor, der Wissens- durst beeinflusst, denn durch mehr Wissen wird deutlich, was nicht gewusst wird, d.h. es wird versucht, Wissenslücken zu schließen. Als weiteren Grund für das Bedürfnis nach popularisiertem Wissen nennt Angela Schwarz das Motiv der Neugier, „jene[r] anthropologische[n] Grundkonstante, die unter anderem der Popularisierung von Wissenschaft und Technik am Ende des 20. Jahr- hunderts noch ein so reges Interesse beschert“ (1999, 94).24 Als Voraussetzungen zur Wissenschaftspopularisierung im 19. Jahrhundert nennt Schwarz des Weiteren die Dezimierung des Analphabetismus und die dadurch stetig ansteigende Leserschaft, welche den Aufstieg des Printmediums zu einem Massenmedium beförderte (vgl. ibid., 91).25 Brecht/Orland erwähnen in diesem Zusammenhang zusätzlich die Popularität

22 Die Wissenschaftspopularisierung hat in den vergangen Jahren viel Aufmerksamkeit erlangt und ist zu einem breiten Forschungsfeld avanciert, weshalb eine ausführliche Diskussion an dieser Stelle zu weit führen würde. Zur weiterführenden Lektüre vgl. bspw. Ash (2002), Blaseio (2005), Hüppauf (2005), Krysmanski (2001), Paletschek/Tanner (2008), Russell (2010) oder Wolfschmidt (2002). 23 Vgl. S. 19 dieser Arbeit. 24 Vgl. dazu auch Kretschmann (2003, 14). 25 Zur Popularisierung durch Publikationen in Printmedien vgl. bspw auch Wolfschmidt/Reich/ Hühnemörder (2002, 22-27).

22 öffentlicher Vorträge und Experimente26 wie auch den Besuch von Museen und Ausstellungen als einem beliebtem Freizeitvergnügen (vgl. 1999, 6f). Dabei, so Brecht/ Orland, wollte „[d]as bürgerliche Publikum (und in seiner Folge das moderne Massenpublikum) [...] jedoch nicht nur Belehrung und Nutzen, sondern ebenso Erbauung, Genuß und Unterhaltung“ (ibid., 7).27 Kretschmann argumentiert, dass Popularisierung besonders in unterhaltender Aufbereitung eine belehrende Wirkung hat und dadurch eine „freiwillige Wissensaneignung“ erfolgt (2009, 29). Durch die Hervor- hebung der Nützlichkeit des zirkulierenden Wissens wurde der Anreiz zur Wissens- aneignung noch gesteigert:

Den ‚uninitiated‘ den Weg zu größerer Vertrautheit zu ebnen, unterlag als Endzweck all diesen Vorstellungen, Vertrautheit mit den Tatsachen der Natur, den ‚Fakten der modernen Wissenschaft‘ wie mit Neuerungen, etwa der Funktionsweise elektrischer Geräte, schaffen zu wollen. (Schwarz 1999, 238)

Hierdurch sollte der Relevanzanschluss zur zeitgenössischen, modernen Lebenswelt gewährleistet werden. Der Popularisierungsprozess wurde dabei von der Forschung zunächst als lineare Weitergabe von Wissen erachtet: „Popularisation has traditionally been considered as the transmission of scientific knowledge from scientists to the lay public.“ (Whitley 1985, 3)28 Die neuere soziologische Forschung hat diese Interaktionsform zwischen Experten und Laien revidiert und erkannt, dass beide Seiten an der Produktion und Verteilung von Wissen beteiligt sind und sich gegenseitig beeinflussen (vgl. Kretschmann 2003, 9).29 Mit Kretschmann lassen sich folgende Merkmale der Wissens- popularisierung definieren: 1) Es besteht ein „deutlich markiertes Wissensgefälle zwischen Produzenten und Rezipienten“, 2) das Wissen liegt bei der kleineren Gruppe der Produzenten, die es für eine Masse an Rezipienten aufbereiten, wobei aber 3) der „erkennbare Bezug zum ‚populus‘“ hergestellt wird. 4) Die Art der Wissensaufbereitung folgt einer bestimmten Intention der Produzenten/Populisatoren und findet 5) über die Medien statt, „die zumindest potentiell breitenwirksam sind und einen multiplizierenden Effekt haben“ (ibid., 14). Bei Popularisierung wird Wissen demnach nicht nur tradiert, sondern bei der Aufbereitung unter Umständen auch verändert, d.h. im Populari-

26 Zur Popularisierung von Wissenschaft durch Vorträge vgl. Wolfschmidt/Reich/Hühnemörder (2002, 27-34). 27 So auch Carsten Kretschmann: „eine unterhaltsame Wissenspopularisierung [befriedigt] das Grundbe- dürfnis des Publikums nach Entspannung, Ablenkung und Zerstreuung“ (2009, 29). 28 Vgl. dazu bspw. auch Brecht/Orland (1999, 4). 29 Vgl. hierzu auch Whitley (1985, 5-7).

23 sierungsprozess kann neues Wissen generiert werden (vgl. ibid., 21), bzw. Wissenselemente können verloren gehen:

Kein Wissenstransfer nämlich gelingt vollständig; jede Übersetzung verändert die Botschaft; alle Popularisierungsleistung ist abhängig von den Möglichkeiten und Grenzen der jeweils benutzten Medien. Popularisierung […] umschreibt vielmehr einen Zwischen- raum, einen Raum des ‚Nicht mehr‘ und des ‚Noch nicht‘. (Kretschmann 2009, 19)

Popularisiertes Wissen ist demnach „nicht mehr“ nur im Spezialdiskurs, sondern auch in den öffentlichen Medien vorhanden, wobei es „noch nicht“ vom Rezipienten aufge- nommen wurde, es aber bei Bedarf oder Wunsch in dessen Lebenswelt integriert werden kann. Zur Rolle der Medien bei der Popularisierung von Wissen ist festgestellt worden, dass

unterschiedliche Medien (Texte, Fotografien und Film) in ein Wechselverhältnis treten und Wissen in divergierenden Verwendungskontexten auf je spezifische Weise arrangieren, mit traditionellen Wissensbeständen verknüpfen, inszenieren und neue generieren. (Boden/Müller 2009, 10)

Dabei beinflussen die Medien, welches Wissen sie wann und wie verhandeln, wobei das ökonomische Interesse diesen Entscheidungen vorangestellt sein kann (vgl. Kretschmann 2009, 29). Bezüglich der Forschung zur Popularisierung bemängelt Kretschmann, dass die Abhandlungen sich bisher stets auf Wissenschaftspopularisierung beschränkt haben (vgl. ibid., 19). Diese Aussage kann dahingehend ergänzt werden, dass die Forschung bislang auch Prozesse der Genese populären Wissens jenseits intentionaler Wissens- popularisierung weitgehend vernachlässigt hat. ‚Populäres Wissen‘ in einem weiteren Sinn hat in den bisherigen Abhandlungen zur Wissenstheorie wenig Beachtung gefunden. Populär heißt in diesem Zusammenhang, dass das Wissen breit und außerhalb der Wissenschaften zirkuliert, vor allem in den Massenmedien, und dass es auf ‚ver- ständliche‘ und möglichst attraktive Art präsentiert wird, d.h. mit wenig Fachter- minologie durchsetzt, teilweise mit Bildern illustriert und prinzipiell für jeden zugänglich ist. Populär kann in diesem Zusammenhang auch bedeuten, dass Wissen, wie Kübler es bezeichnet, ‚unnütz‘ ist, also keine direkte praktische oder ökonomische Verwertungmöglichkeit aufweist, aber zur Identitätskonstituierung des Individuums einen substantiellen Beitrag leisten kann (vgl. S. 14f oben). Denn populäres Wissen ist kollektiv vorhanden, und die kollektive Identität einer Gesellschaft kann auf gemein- samem Wissen aufbauen. Der folgende Kategorisierungsversuch will populäres Wissen

24 an die aus der Wissenssoziologie geläufigen, oben angeführten Kategorien anschließen sowie dessen Zirkulation in der Wissenskultur veranschaulichen.

2.1 Kategorisierung und Zirkulation von populärem Wissen

Generiert wird populäres Wissen aus den Kategorien Erkenntniswissen und/oder Kulturwissen, wobei zwei Arten des populären Wissen unterschieden werden können.30 Populäres wissenschaftliches Wissen stellt eine Vermischung aus drei Wissens- kategorien dar: es stammt aus dem Erkenntniswissen, wird mit Kulturwissen versetzt und an Alltagswissen angeknüpft, wobei durch letzteres Relevanz für die Lebenswelt etabliert wird. Populäres kulturelles Wissen entspricht einer im weiten Sinne Aktualisierung des vorhandenen Kulturwissens: ‚altes‘ oder als ‚Hochkultur‘ markiertes Kulturwissen wird medial ‚aktualisiert‘.31 Beispielsweise wird Geschichtswissen durch stetige Wiederholung der legitimierten Interpretationen und Pflege der Deutungsan- schlüsse ‚aktuell‘ gehalten, sprich durch die Erhaltung der Relevanz für die Lebenswelt sowie der Konstitution von Identität für die Gemeinschaft. Eine gezielte Popularisierung kann hier stattfinden, indem Wissen bspw. mit ‚modernen‘ Kulturaspekten verknüpft wird. „Denn nur ein Wissen ohne Verfallsdatum [kann] das Bedürfnis nach Orientierung in einer zunehmend haltlosen Welt befriedigen.“ (Kretschmann 2003, 17) Aber auch außerhalb formaler Popularisierung wird ‚populäres‘ Geschichtswissen generiert, etwa in Computerspielen, durch die nicht zuletzt neue Rezipientenschichten erschlossen werden. Populäres Wissen speist sich somit aus dem kollektiven Wissensvorrat, und zwar auch außerhalb klar definierter Prozesse der Wissenspopularisierung. Insofern ist es sinnvoll, statt von ‚Popularisierung‘ von ‚Übersetzung‘ oder ‚Adaption‘ zu sprechen. Bereits in der Einleitung wurde darauf hingewiesen, welch wesentliche Rolle die Medien bei Prozessen der Wissenszirkulation in heutigen Gesellschaften spielen.32 An dieser Stelle sei noch einmal auf die von Gibbons et al. unterschiedenen Modi der Wissenszirkulation verwiesen (s. S. 5 oben). Populäres Wissen, wie hier bestimmt, ist mit dem von Gibbons et al. identifizierten zweiten Modus der Wissenszirkulation

30 Alltagswissen sollte keiner Popularisierung bedürfen, da es sich naturgemäß im ständigen Aktualisierungsprozess bezüglich der Relevanz für die Lebenswelt befindet vgl. dazu S. 16f oben. 31 Auch hier kann die Motivation zur Popularisierung ökonomischer Natur sein, als Beispiel lassen sich Neu- auflagen und Adaptionen literarischer oder filmischer ‚Klassiker‘ anführen. 32 Vgl. dazu bspw. auch Hickethier: „Medien sind heute Orte der kulturellen Identitätsbildung und Sinnstiftung. […] der Teilnahme an der medialen Kommunikation [kommt] die Funktion zu, die früher z.B. Gottesdienste mit ihren fest gefügten Liturgien ausübten: die Integration des Einzelnen in die Gemeinschaft, das Kollektiv“ (2003, 223).

25 korrelierbar. In diesem Modus sind Spezial- und öffentliche Diskurse untereinander verknüpft. Im öffentlichen Diskurs ist Wissen populär aufbereitet, wobei diese Aufbereitung unterschiedliche Formen annehmen kann: von der intentionalen Wissens- popularisierung bis zur Darstellung in fiktionalen Erzählungen (wie etwa in Star Trek: Voyager). Da in dieser Arbeit die Wissenspräsentation der Voyager-Serie in Relation zum zeitgleichen Diskurs in Zeitschriften gesetzt werden soll, ist im folgenden Schema der öffentliche Diskurs nach unterschiedlichen Arten der populären Darstellung differenziert:

Schaubild zur Zirkulation des Wissens nach Modus 2

Wissenschaftliches Wissen wird, wie bereits erwähnt, meist zunächst in Spezial- diskursen verhandelt und aus diesen in ‚öffentliche‘ Diskurse übersetzt (P1a/P1b): entweder populärwissenschaftlich (etwa in Zeitschriften) und/oder fiktional (wie etwa in der Star Trek-Serie).33 Wie bereits gezeigt wurde, ist der ‚öffentliche‘ Diskurs jedoch sehr vielfältig und medial ausdifferenziert, so dass es auch zwischen Formen des öffentlichen Diskurses Beziehungen geben kann (P2).34 In den Analysekapiteln dieser

33 Vgl. z.B. Hans J. Wulff, der dies als eine „Wanderung des Spezialwissens“ charakterisiert (2003, 26). 34 Aus Darstellungsgründen sei hier nur kurz erwähnt, dass die Verhandlungen in Spezial- und öffentlichen Diskursen auch auf die Forschung zurückwirken und dort die Generierung neuen Wissens anregen können, z.B. die Schließung identifizierter ‚Lücken‘ oder Umsetzung von in fiktionalen Texten erfundener Technologie (zu letzterem vgl. S. 47 dieser Arbeit).

26 Arbeit wird gezeigt, wie sowohl Zeitschriften als auch die fiktionale Darstellung der TV-Serie Star Trek: Voyager an der Generierung und der Reflexion von populärem Wissen beteiligt sind – wobei der Weg des Wissens in die Serie unterschiedlich sein kann: entweder aus dem öffentlichen Diskurs (P2) heraus oder aus dem wissenschaftlichen Spezialdiskurs (P1b).35 Die Medien und Darstellungsstrategien, mit denen Wissen in öffentlichen Diskursen popularisiert wird, werden im Folgenden näher beleuchtet. Dabei werden zunächst die für die Analyse herangezogenen Medien TV- Serie und populäre Zeitschriften hinsichtlich formaler Aspekte und ihres Potenzials für populäre Darstellung diskutiert.

3. Medien und Strategien der populären Wissensvermittlung

Ganz allgemein ist die Hauptaufgabe der Massenmedien die Bereitstellung von Informationen, wobei auch das Fernsehen einen bedeutenden Anteil hat. Jörg verweist in diesem Zusammenhang auf eine Umfrage der National Science Foundation im Jahr 2002, die besagt, dass 44% der US-Bevölkerung ihre Informationen über Wissenschaften und Technologie aus dem Fernsehen beziehen (2003, 303).36 Salzmann betont die Funktion von Massenmedien als Verhandlungsort und definiert sie als eine „öffentliche Arena, in der Akteure aus Wissenschaft, Politik, Recht etc. Argumente und Lösungen sozialer, ethischer und rechtlicher Probleme austauschen können“ (2007, 35). Audio-visuelle Informationsformate haben hier vermutlich einen höheren Anteil als fiktionale Serien, dennoch sind auch TV-Serien geeignet, Wissen populär zu vermitteln, wie am Beispiel Star Trek: Voyager gezeigt werden wird.37 Aufgrund der starken Bindung populären Wissens an die Massenmedien kann es unter Umständen dazu kommen, dass – im Gegensatz zur traditionellen Wissenschafts- popularisierung – ein Rezipient aufgrund der breiten Verhandlung dem verhandelten

35 Ein aktuelles Beispiel für eine direkte Popularisierung aus dem Spezialdiskurs in den öffentlichen Diskurs II sind fiktionale Texte zur Nanotechnologie. Diese wurde bereits Anfang der 1990er Jahre in der Science Fiction verhandelt, noch bevor populäre Zeitschriften dieses Thema überhaupt aufgriffen. (Scientific American stellt in diesem Zusammenhang eine Ausnahme dar vgl. S. 98 sowie Abb. 3 im Anhang, S. 234). Beispiele hierfür sind die Technologie des Replikators und die Spezies der Borg aus der Star Trek-Reihe sowie die Kurzgeschichtensammlung Nanodreams (1995), herausgegeben von Elton Elliot. 36 Vgl. dazu bspw. auch Gerbner (1987). 37 Dass die Wissensdiskurse dieser Serie nicht in Bezug zu anderen Fernsehsendungen (Wissensma- gazinen, TV-Nachrichten, TV-Magazinformaten oder TV-Dokumentationen) gesetzt werden, sondern zu Wissensdiskursen in Zeitschriften, hat einen pragmatischen Grund, nämlich die erleichterte Recherche mittels Stichwortsuche in Datenbanken und Online-Archiven.

27 Wissen ‚unfreiwillig‘ ausgesetzt ist und dieses nicht zwangsläufig bewusst aufnimmt. Schütz/Luckmann sprechen in diesem Fall von einer „Unterlassung der Wissenser- werbsunterbrechung“ (2003, 202). Gemeint sind Situationen, in denen ein Individuum in der Situation ‚gefangen‘ ist und dem Wissenserwerb nicht entkommen kann, welches insbesondere durch die Weckung von Emotionen gefördert wird: Somit kann etwa eine emotional aufgeladene Nachrichteninformation oder der Spannungsbogen eines Romans oder einer TV-Serie dazu führen, dass der Zuschauer den Wissenserwerb ‚beiläufig‘ und nicht intentional vollzieht, da dieser an die Aufnahme und Verarbeitung der Nachricht bzw. des finalen erlösenden Moments des fiktionalen Textes gekoppelt ist. Informationsformate setzen mittlerweile vermehrt Strategien des fiktionalen Erzählens ein, um den Rezipienten besonders emotional an ein Thema anzubinden. Strategien dieser Art sind vor allem Personalisierung und Visualisierung, welche sowohl in audiovisuellen Medien als auch in Printmedien zum Einsatz kommen.

3.1 Charakteristika einer TV-Serie

Die Rezeption einer TV-Serie wird durch deren formelhafte Konstruktion erleichtert. So macht die zeitliche Limitierung einer Serienepisode diese „leichter konsumierbar“ und „steigert ihre Integrationsfähigkeit in den Zuschaueralltag“ (Hickethier 1991, 10). Bezüglich des Serienformats trifft Knut Hickethier mehrere Unterscheidungen, wobei für die folgende Untersuchung das Format der Serie mit abgeschlossenen Folgehand- lungen relevant ist, welche meist folgende Struktur aufweist: harmonischer Ausgangs- zustand – Störung dieses Zustands – Wiederherstellung des harmonischen Zustands. Die einzelnen Episoden werden verknüpft durch den Einsatz eines Stammpersonals (vgl. Hickethier 2007, 196f). Die Lösung des Konflikts durch das Stammpersonal geht einher mit der Wiederherstellung der vorherrschenden Ordnung und somit der Affirmation von Sinn. Eine Möglichkeit der Episodengestaltung ist z.B. die Übernahme von Kon- ventionen des Hollywood-Films:

(knappe) Exposition,38 rasche Steigerungen (Wendepunkte), Höhepunkt und Schluß. Der Spannungsaufbau ist häufig am Prinzip des last minute rescue orientiert. Der Zuschauer soll bis zum Schluß in Atem gehalten werden. Übersicht und Verständlichkeit bleiben auf der Ebene des Erzählens immer gewahrt. (Hickethier 1997, 131)

38 Das Eingangssegment einer Episode, der sogenannte teaser, wird funktionalisiert als ‚knappe Exposition‘, dabei soll die Neugier der Zuschauer geweckt werden und dient meist zur Einführung des ordnungsstörenden Elements (vgl. Allrath/Gymnich/Surkamp 2005, 12).

28 Ein solcher Transfer von filmischen Konventionen auf die TV-Serie erleichtert es dem Zuschauer, auch Wissen über Genrekonventionen intermedial zu übertragen und erleichtert dadurch die Dekodierung des Themas. Zudem soll ‚atemlose‘ Spannung das Interesse und die Neugier des Zuschauers, auch über Werbeunterbrechungen hinweg, bis zum Ende halten. Bezüglich der Figurenausarbeitung des Stammpersonals erfordert serielles Erzählen keine detaillierte Exposition zu Beginn der Serie, sondern kann bruchstückhaft über die Laufzeit erfolgen (vgl. Hickethier 1991, 44). Dies hat den Vorteil, dass der Zuschauer das Gefühl bekommt, die Figuren über einen längeren Zeitraum hinweg ‚kennen zu lernen‘. Ebenso erlaubt dies eine gewisse Freiheit bezüglich der Gestaltung, so kann bspw. ein bisher noch nicht etablierter Charakterzug einer Figur eine über- raschende Wendung im Seriengeschehen herbeiführen. Der ‚Handlungsraum‘ der Serie muss hingegen, so Hickethier, in der ersten Episode etabliert werden:

[F]ür die Zuschauer [ist dieser] mit bestimmten Konnotationen aufgeladen. Dadurch wird ein Assoziationsfeld mobilisiert und die Zuschauer, in der Regel auch durch eine von Folge zu Folge gleichbleibende Eröffnungsmusik emotional unterstützt, auf das in diesem Handlungsraum stattfindende Geschehen eingestimmt. (Ibid.)

Aufgrund der zeitlichen Limitierung einer Episode ist es nicht möglich, stets neue Charaktere zu integrieren. Aus diesem Grund wird in Serien ein Stammpersonal fokussiert und Gast-Nebendarsteller sorgen für Abwechslung im Serienalltag (vgl. Allrath/Gymnich/Surkamp 2005, 24). Ebenso hat es sich etabliert, mehrere Handlungs- stränge auch über die Dauer von mehreren Episoden auszubreiten, und diese zu unterschiedlichen Zeiten zu einem Ende kommen zu lassen (vgl. ibid.), um so eine Bindung des Zuschauers an die Serie zu forcieren. Die formalen Elemente einer fiktionalen TV-Serie sollen dem Zuschauer helfen, sich in die Handlung hineinzuversetzen und sie ‚mitzuerleben‘. Dabei kann die unterhaltende fiktionale Darstellung zur Vermittlung (kulturell) relevanter Themen dienen: „almost any version of the television text functions as a forum in which important cultural topics may be considered“ (Newcomb/Hirsch 2000, 565). Douglas Kellner betont die Notwendigkeit eines soziohistorischen Anschlusses ohne den eine Rezeption nicht möglich ist:

Indeed for media culture to work for its audiences it has to resonate to social experience, to „fit in“ with the social horizon of audiences, and so popular media culture taps into existing fears, hopes, fantasies, and other concerns of the day. (1995, 105)

29 Die kontextuelle Verortung einer Serie in ihrer Entstehungszeit trägt dazu bei, deren Position als Akteur in und ihren Beitrag zu öffentlichen Diskursen zu verdeutlichen (vgl. Hickethier 1991, 52). Hickethier sieht die TV-Serie daher nicht nur als Unter- haltungsformat, sondern auch als ein Medium zur ‚Informationsverbreitung‘:

Das zentrale Unterhaltungsversprechen der Serie reduziert mögliche Zugangsbarrieren, die gerade in der Konfrontation mit fremden Verhaltensweisen und Werten liegen. Bei der quer durch alle Zuschauerschichten gehenden Popularisierung von Serien können diese divergierenden gesellschaftlichen Gruppen Verhaltensweisen zum Diskussionsstoff anbieten und sie mit einem Spektrum gesellschaftlicher Themen und Verhaltensweisen vertraut machen. (1991, 55)

Dabei ist eine realistische Darstellung des verhandelten Themas nicht zwingend. „Entscheidender ist, was der Zuschauer aus dem, was ihm die Serie anbietet, für sich als Wirklichkeit herausnimmt, was er als für sich wichtig zum Bestandteil seiner eigenen Wirklichkeitssicht werden läßt.“ (Ibid., 40) Insofern kann eine Science Fiction-Serie, trotz der überdeutlich markierten Fiktionalität durch den futuristischen Handlungsraum, dem Zuschauer Deutungsangebote für seine Lebenswelt eröffnen. Science Fiction ist ein Genre mit starken Konventionen, welche im Fall einer TV-Serie Zuschauern den Zugang zum Thema einer Episode erleichtern: „For the television viewer, genre plays a major role in how television texts are classified, selected and understood.“ (Turner 2002, 5) Die Verknüpfung mit einem Genre impliziert somit direkt die Art und Weise der Darstellung und Verhandlung eines Themas, „sie organisier[t] das Wissen über Erzählmuster, Themen und Motive“ (Hickethier 2007, 203). Somit können sich die Zuschauer „ganz auf die Ausgestaltung [der] alternativen Welt […] konzentrieren“, auch wenn, laut Hickethier, die Science Fiction ein „weniger festes Schema“ bezüglich der filmischen Genrekonvention aufweist (1997, 130). Innerhalb des Science Fiction-Genres gibt es allerdings „zahlreiche Verwandtschaften [...] mit einer begrenzten Zahl von Strukturelementen und Motiven“ (ibid., 133).39 Dies begünstigt das Einbauen von intertextuellen Referenzen – sowohl innerhalb des Genres als auch zu anderen Texten –, welche direkt oder indirekt für eine Episode übernommen werden können, was in den letzten Jahrzehnten zu einem beliebten Element des seriellen Erzählens in allen Genres geworden ist:

It is part of the increasing playfulness and the postmodern tendencies one can observe in recent TV series that they often make use of intramedial references, that is allusions to

39 Die Konventionen des Science Fiction-Genre allgemein werden in Kapitel 3.5 näher ausgeführt.

30 other TV programmes, and of intermediality, that is references to literary texts and to films. (Allrath/Gymnich/Surkamp 2005, 35)40

Das Einbauen einer Referenz „zu Einzeltexten, Gattungen oder den gesamten medialen Systemen von Fernsehen und Film, Literatur und Kunst, eigener Produktionen“ kann auf unterschiedlichen Ebenen geschehen, als „Kurzzitate und Anspielungen, Struktur- kopien und Hommagen, Genretransfers und Selbstzitation“ (Hahlbohm 2003, 165). Halbohm sieht hierin, speziell bei versteckten Zitaten, einen „Trivial Pursuit-Effekt“, der zum Mitdenken animieren und bei Erkennen der Referenz im Zuschauer eine zusätzliche Befriedigung auslösen soll (vgl. ibid., 180). Dieses spielerische Einbauen von intertextuellen Verweisen kann einerseits der Auflockerung des Episodenverlaufs dienen, andererseits zur Aktivierung von Wahrnehmungsmustern eingesetzt werden. So kann zum Beispiel eine Situation durch das Heranziehen einer analogen Situation aus einem bekannten Film oder Roman beschrieben und sogar bewertet werden, oder eine Figur kann durch das Heranziehen eines Stereotyps indirekt charakterisiert werden.41 Neben diesen ‚Dekodierungshilfen‘ muss das verhandelte Thema die bereits mehrfach erwähnte Relevanz für die Lebenswelt des Zuschauers aufweisen. Die Serie, als Akteur im öffentlichen Diskurs, offeriert Deutungsangebote für die Lebenswelt der Zuschauer, die jeder für seine spezifischen Bedürfnisse zwecks Sinnstiftung heranziehen und erschließen kann. Massenmedien nehmen also zeitaktuelle Diskurse auf, um das Interesse der Zuschauer zu wecken und somit möglichst breit rezipiert zu werden. Dies ist, wie bereits erwähnt, ökonomisch motiviert und populäre TV-Serien unterliegen denselben Marktbestimmungen wie populäre Zeitschriften: so wie Einschaltquoten den Erfolg und somit das Fortbestehen einer Serie bestimmen, beeinflussen Absatzzahlen den Verbleib von Printmedien am Zeitschriftenmarkt. Die Absatzorientierung wirkt sich bei Printmedien neben der Themenauswahl auch auf die Art der Berichterstattung aus, wie sich auch für die für diese Arbeit herangezogenen Zeitschriften zeigt. Da eine Science Fiction-Serie eine gemischte Zuschauerschaft anspricht, die vom Wissenschaftler42 bis zum ‚Durchschnittsbürger‘ reicht, wurden sowohl populärwissenschaftliche Zeit- schriften als auch Nachrichtenmagazine ausgewählt, um ein größeres Spektrum der Informationsverbreitung und der unterschiedlichen Rezipientenschichten abzudecken.

40 Vgl. dazu auch Hickethier (1997, 133). 41 Zum Einsatz von Wissenschafter-Stereotypen in Star Trek: Voyager vgl. III.1.2. 42 Zum Interesse von Wissenschaftlern an den Star Trek-Serien vgl. S. 47.

31 3.2 Überblick über die für die Analyse verwendeten populäre Zeitschriften

Printmedien können unterschieden werden in Fachzeitschriften, die sich dezidiert an ein Fachpublikum richten, Nachrichtenmagazine und Unterhaltungsmagazine sowie Tages- und Wochenzeitungen. Letztere richten sich an eine breite Öffentlichkeit und müssen ihre Themen aufgrund gesellschaftlicher Relevanz wählen, da sie nur dann ihre ökonomischen Interessen wahren können. Eine Zwischenstellung nehmen für Salzmann populäre Wissenschaftszeitschriften ein:

Auf der einen Seite stehen sie der Wissenschaft nahe. Die Autoren sind häufig Wissen- schaftler oder Wissenschaftsjournalisten mit einer naturwissenschaftlichen akademischen Ausbildung. Die Artikel sind auf vergleichsweise hohem Niveau geschrieben. Sie richten sich an wissenschaftsinteressierte Leser […]. Auf der anderen Seite gehören [sie] dem System der Medien an. Sie sind auf den wirtschaftlichen Erfolg angewiesen und müssen ihr Produkt verkaufen. Sie orientieren sich in der Themenauswahl an gesellschaftlichen Entwicklungen. Dabei orientieren sie sich – wenn auch nicht äquivalent zu den Presse- organen – an Nachrichtenwerten und greifen so gesellschaftlich relevante Themen auf. (2007, 46-48)43

Somit müssen auch Zeitschriften, die sich einer anspruchsvollen Berichterstattung verpflichten, zeitaktuelle, für die Lebenswelt relevante Themen präsentieren. Salzmann unterscheidet in seiner Studie hierbei zwischen einer rein „popularisierenden Darstel- lung“, bei der „vorwiegend Forschungsergebnisse dargestellt werden“, und „Medien- kontroversen“, in denen „die Wissenschaft nach nichtwissenschaftlichen Kriterien be- wertet [und] in moralische, ethische, soziale oder rechtliche Zusammenhänge gestellt [wird]“ (ibid., 43). Für die Analyse der Star Trek: Voyager-Episoden wurde mittels eines eigens angelegten Stichwortkatalogs vor allem nach ‚Medienkontroversen‘ recherchiert, die relativ zeitnah zu der jeweiligen Folge in populären Zeitschriften verhandelt wurden. Für diesen Vergleich wurden zwei monatlich erscheinende Wissenschaftszeitschriften, Scientific American und Popular Science, sowie zwei wöchentlich erscheinende Nach- richtenmagazine, Time Magazine und Newsweek, ausgewählt. Dabei war es von Bedeutung, dass die ausgesuchten Zeitschriften eine breite Leserschaft erreichen, also populär im Sinne der Reichweite von Massenmedien sind. Scientific American ist eines der ältesten durchgehend publizierten Magazine der USA und erschien erstmals im Jahr 1845 (vgl. „About SciAm“). Aufgrund seines Bekanntheitsgrades wurde es in die Untersuchung mit aufgenommen. Jedoch ist es mit einer durchschnittlichen Zirkulation

43 Siehe dazu auch die Tabelle in Salzmann (2007, 47).

32 von 616.721 Millionen Exemplaren pro Monat (Stand 2008)44 weniger verbreitet als die Zeitschrift Popular Science. Des Weiteren wird Scientific American als Zeitschrift für besser gebildete Schichten angesehen und kann dementsprechend näher an der Kate- gorie Fachzeitschrift angesiedelt werden.45 Wie bereits der Name der Zeitschrift suggeriert, bereitet Popular Science seine Themen näher an der Lebenswelt der Leser auf. Im Gegensatz zu Scientific American, das die Sichtweise aus den Wissenschaften favorisiert, will Popular Science die Schnittstellen zwischen den Wissenschaften und dem Alltag kommentieren (vgl. „About SciAm“ sowie „Popular Science“). Popular Science wurde 1872 gegründet und ist die fünftälteste durchgehend publizierte Zeitschrift in den USA (vgl. „Popular Science“). Im Jahr 2000 hatte das Magazin eine durchschnittliche Auflage von ca. 1,5 Millionen Exemplaren pro Monat (vgl. „Circu- lation Magazines 2000“) und war somit in den Top 50 der Monatszeitschriften der USA. Die beiden großen wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazine Time Magazine (Auflage ca. 4 Millionen/Woche) und Newsweek (Auflage ca. 3,1 Millionen/ Woche)46 wurden nicht nur auf zeitpolitisches und kulturelles Wissen hin gesichtet und ausgewertet, sondern auch hinsichtlich wissenschaftlicher Themen. Die gesellschaft- liche Relevanz einer neuen wissenschaftlichen Erkenntnis oder Technologie wird gerade im Format des Nachrichtenmagazins meist prominenter hervorgehoben als bei wissen- schaftlich ausgerichteten Zeitschriften. Das Time Magazine erschien erstmals am 3. März 1923 mit dem Anspruch eines „newsmagazine which summarized and organized the news so that ‚busy men‘ could stay informed“ („History of Time“). Anhand der Top 50-Liste der Magazine Publishers of America lässt sich ablesen, dass Time um den Jahrtausendwechsel das meist verkaufte wöchentliche Nachrichtenmagazin war. Laut der Selbstdarstellung des Magazins konnte dieser Status erreicht werden durch „trustworthy reporting, authoritative news analysis, and best-in-class photojournalism“, als auch mit dem Anspruch: „[to] set the news agenda by answering questions instead of

44 Scientific American befindet sich nicht unter den Top 50 der US-Publikumszeitschriften, weshalb hier eine gesonderte Quelle für die Auflagenzahlen herangezogen werden musste. Ein direkter Link für die Absatzzahlen kann nicht angegeben werden, da die Angaben und somit die entsprechenden Internet- seiten regelmäßig erneuert werden, weshalb vorherige Auflagenzahlen nicht mehr zugänglich sind. Auf der Internetseite (Zugriff 17.02.2015) können unter dem Menüpunkt „Consumer Magazines“ die entsprechenden Auflagenzahlen direkt mit Angabe des Magazintitels oder aber nach Kategorien abgefragt werden. 45 Die „Key Facts“ des Scientific American geben an, dass jeder dritte Leser einen „postgraduate degree“ inne hat (vgl. „About SciAm“). Es werden zudem viele von Wissenschaftlern, darunter zahlreiche Nobelpreisträger, verfasste Artikel veröffentlicht. Das Magazin selbst positioniert sich in ihrer „Com- pany History“ als Medienorgan für neue Trends und zukunftsorientierte Leser (vgl. „About SciAm“). 46 Angabe der durchschnittlichen monatlichen Zirkulation für das Jahr 2000 („Circulation Magazines 2000“), die Auflagenzahlen sind seither eher rückläufig (vgl. z.B. „Circulation Magazines Index“).

33 just asking them.“ („TIME Inc.“) Newsweek wurde zehn Jahre nach Time, im Jahr 1933, gegründet; bereits damals versuchte sich Newsweek gegenüber Time abzugrenzen und nahm aus diesem Grund eine politisch liberalere Haltung bei der Berichterstattung ein (vgl. „Newsweek History“). Eine Studie ergab, dass Newsweek seit Ende der 1970er Jahre seltener innen- und außenpolitische Themen behandelte: „‚Softer‘ news areas such as health, science and entertainment, increased as cover subjects.“ (Ibid.) Um die Bedeutung und Resonanz eines Themas abschätzen zu können, wurde teilweise auch stichprobenhaft die Tageszeitung USA Today, die in den USA auflagenstärkste Tageszeitung, durchsucht (Auflage ca. 1,7 Millionen/Tag im Jahr 2000; vgl. Barringer 2000, n.pag.). Die Stichwortsuche wurde hier allerdings gezielter und mit eingeschränktem Zeitrahmen, entsprechend der Funde in Time und Newsweek, vorge- nommen. Vereinzelt wurden außerdem die Monatszeitschriften Smithsonian und National Geographic herangezogen. Das Smithsonian wird von der Smithsonian In- stitution herausgegeben. Letztere wurde 1846 gegründet und ist der weltgrößte Forschungskomplex mit 19 Museen und Galerien, einem nationalen zoologischen Garten und neun Forschungseinrichtungen (vgl. „About Smithsonian“). Die Smith- sonian Institution sieht in der Erweiterung (increase) und Verbreitung (diffusion) von Wissen ihre zentrale Aufgabe (vgl. „Smithsonian Mission“). Das Smithsonian erschien erstmals im Jahr 1970: „[A] monthly magazine created for modern, well-rounded individuals with diverse interests. It chronicles the arts, history, sciences and popular culture of the times.“ („Smithsonian Magazine“) Das Smithsonian positioniert sich als Zeitschrift für den gebildeten Bürger („well-rounded“) und somit als anspruchsvolles und nicht explizit populäres Printmedium.47 Im Jahr 2000 erreichte das Smithsonian eine durchschnittliche Auflage von ca. 2 Millionen/Monat in den USA (vgl. „Circulation Magazines 2000“). National Geographic dagegen, u.a. berühmt für spektakuläre Foto- grafien, ist eine der auflagenstärksten Zeitschriften in den USA, mit einer durchschnitt- lichen Auflage von ca. 7,89 Millionen/Monat im Jahr 2000 (vgl. ibid.). National Geographic ist speziell in den Bereichen Geographie, Kultur, Anthropologie, Geschichte und aktueller wissenschaftlicher Themen führend. Das Magazin ist der National Geographic Society angebunden, erschien zum ersten Mal im Jahre 1888 und wirbt auf seiner Internetseite mit dem Leitgedanken: „[I]nspiring people to care about the planet since 1888“ („NG-About“). Es enthält viele Reportagen über Expeditionen

47 Die im Magazin veröffentlichten Artikel sind teilweise frei auf der dazugehörigen Internetseite ein- sehbar (Zugriff 17.02.2015).

34 und Ausgrabungen, die von der NGS gefördert wurden. Dabei hat sich das Magazin, wie in der Selbstdarstellung hervorgehoben wird, im Laufe seiner Geschichte von der Fachzeitschrift zum populären Massenmedium gewandelt:

When National Geographic magazine debuted […] it was a scholarly, scientific journal that reflected the interests of its small, mostly professional, readership. Between its conservative, dull brown covers, there were no photographs – only studious articles […]. One-hundred-and-twenty-three years later […] [w]ith comprehensive and timely articles and legendary photographs and maps, the magazine documents and interprets the world’s largest sweeping changes through the lens of personal experience. („Evolution of NGM“)

Hier wird dezidiert auf den Einsatz von Bildmaterial und Personalisierung als Strategie zur Popularisierung hingewiesen, um dadurch ein größere Leserschaft anzusprechen. Visualisierungs- und Personalisierungstrategien werden gemeinhin in allen Massenmedien eingesetzt. Besonders durch Visualisierung können komplexe Sachver- halte vereinfacht dargestellt werden; außerdem nutzen Nachrichtenmagazine Bilder, um Emotionen zu wecken. Die oben aufgeführten Intentionen bezüglich Darstellung und Leserschaft der Zeitschriften zeigen, dass sich diese im Laufe der jeweiligen Publi- kationsgeschichte wandeln können und sogar müssen, um auf dem umkämpften Zeit- schriftenmarkt zu bestehen. Populärwissenschaftliche Zeitschriften betonen in ihrer Selbstdarstellung durch Adjektive wie „scholary“, „scientific“ oder „well-rounded“ das Ansprechen einer spezifischen Leserschaft, die über entsprechende Bildung verfügt. Scientific American und das Smithsonian weisen aus diesem Grund auch eine geringere Leserschaft auf, als es bei den ‚populärer‘ aufbereiteten Zeitschriften der Fall ist. Aber auch Time und Newsweek mussten im Laufe der Zeit ihre Berichterstattung den veränderten Ansprüchen der Leserschaft anpassen, d.h. vor allem der sich verändernden Medienlandschaft durch das Internet, der explosiven Zunahme an TV-Kanälen (einschließlich der dadurch entstehenden 24-Stunden Nachrichtensender wie CNN), und der sich im Zuge dessen verändernden Gewohnheiten und Bedürfnisse der Leserschaft. Auch wurde deutlich, dass Time und Newsweek unterschiedliche Schwerpunkte in der Themenauswahl setzen, um sich voneinander abzugrenzen und Leser nicht an den ‚Rivalen‘ zu verlieren. Die verhandelten Themen müssen dabei für das entsprechende audio-visuelle Format (i.e. Dauer und Aufbau der Episode) ‚adaptiert‘ werden, wie auch die Themen in den Zeitschriften aufgrund der Seiten- oder Wortvorgabe durch die Redaktion verkürzt dargestellt werden müssen. Allerdings befördert diese Restriktion (Platz bzw. Zeit) die Rezeption, das Thema wird dadurch ‚verdaulicher‘, d.h. Wissen wird prägnant darge-

35 stellt und die Kondensierung des Texts erlaubt eine erleichterte Integration in den Alltag. Für diese Zwecke setzen Informationsmedien und TV-Serien die im folgenden Kapitel näher ausgeführten Strategien des fiktionalen Erzählens ein.

3.3 Popularisieurngsstrategien in fiktionalen Texten

Da fiktionale Texte48 Emotionen wecken, wird ihnen häufig nachgesagt, sie beeinflussen die öffentliche Meinung gegenüber den Wissenschaften: „[S]everal empirical studies of science in the media suggest that fictional representations of science on television can have an influence on public attitudes toward science.“ (Kirby 2003, 262). Durch Fiktionalisierung „ist es möglich, eine wissenschaftliche Theorie zu veranschaulichen und einen Diskurs über potentielle Folgen in Gang zu setzen oder wenigstens zu einem solchen Diskurs beizutragen“ (Schröder 1998, 38). Laut Christian Salzmann ist zudem der Popularisierungsgrad bei fiktionalen Texten am höchsten (vgl. 2007, 39). Die Einbindung stereotyper Elemente, wie man sie typischerweise in populärer Genre- Fiktion vorfindet, kann die Allgemeinverständlichkeit des wissenschaftlichen Themas zusätzlich fördern (vgl. ibid.). Nancy Kress betont, dass gerade die fiktionale Erörterung eines ethischen Dilemmas eine effektive Methode ist, durch Forschung neu entstandenes Wissen sowie dessen Implementierung zu hinterfragen und die möglichen Folgen für die Gesellschaft zu erörtern (vgl. 2007, 201). Die Repräsentation eines ethischen Dilemmas in fiktionaler Form ermöglicht den Autoren, Auswirkungen wissenschaftlicher und/oder technologischer Neuerungen an einem Charakter oder einer Gruppe von Figuren beispielhaft aufzuzeigen und somit, durch Empathie des Rezipienten mit dem oder den Protagonisten, Emotionen anzusprechen. Die Strategien, die dazu in fiktionalen Texten eingesetzt werden können, sind Personalisierung, negative Aufladung, Zeitbezug und Verzerrung:49 Die Personali- sierungsstrategie baut eine emotionalisierte Verbindung zwischen fiktionalem Charakter zum Rezipienten auf, indem Identifikationsangebote offeriert und zur Lenkung von Sympathie eingesetzt werden. Dies macht das fiktionale Geschehen für den Rezipienten ‚persönlich‘ erfahrbar. Zudem wird die Botschaft eines Textes meist über das Verhalten und die Interaktion der Akteure transportiert.50 Eine negative Aufladung der Thematik eignet sich, so Kress, besonders als Rezeptionsanreiz, da eine drohende Katastrophe die 48 Der Begriff Text wird hier im weitesten Sinne verstanden und schließt somit auch audio-visuelle Medientexte mit ein. 49 Die folgende Ausführung zu diesen Strategien sind Kress (2007, 201-205) entnommen. 50 Vgl. hierzu auch Weingart (2003, 14).

36 Emotionen der Rezipienten stärker involviert und durch Sympathielenkung die Aufmerksamkeit auf bestimmte Aspekte des Geschehens gerichtet werden kann.51 Der Bezug der fiktionalen Thematik zur zeitgenössischen Gesellschaft ist bedeutend, da nur durch die Verknüpfung mit der Lebenswelt der Rezipienten das verhandelte Thema an Relevanz gewinnt. Durch die zeitliche Verzerrung – in Science Fiction meist in die Zukunft – kann ein bestimmter Aspekt etwa einer Technologie hervorgehoben und andere Elemente bewusst vernachlässigt werden. Dies intensiviert, laut Kress, die eingenommene ethische Position und verdichtet den Text. Eine weitere Strategie zur Popularisierung im Sinne von Vereinfachung ist das Heranziehen von stereotypen Darstellungen. Laut Weingart sind die in den Medien zur „Darstellung von Wissenschaft und Wissenschaftlern verwendeten Bilder, Clichés und Metaphern [...] insofern Spiegel der populären Bilder von Wissenschaft, als ihre Filme ein Spiegel der populären Kultur sind“ (2003, 12). Auch fiktionale Stereotype sind über die Jahre ein fester Bestandteil der Wissenskultur geworden und werden zur Erleich- terung des Verständnisses in Diskussionen um Forschung und Technik herangezogen, um ethische Diskurse zu veranschaulichen. Diese Strategie wird häufig eingesetzt, wenn von einem geringen Hintergrundwissen der Öffentlichkeit auszugehen ist. Dabei werden, da die Ergebnisse und Folgen von Forschung ungewiss sind und die Öffent- lichkeit sich tendenziell nur marginal mit diesen Themen beschäftigt, Bilder evoziert, die dem allgemeinen kulturellen Repertoire inhärent sind.52 Das wohl bekannteste Wissenschaftler-Stereotyp ist der Mad Scientist, vornehmlich repräsentiert durch den fiktionalen Forscher Viktor Frankenstein aus Mary Shelleys Roman Frankenstein, or the Modern Prometheus (1818),53 der für fragwürdige Erkenntnisgewinnung steht. Der Roman wird in populären Medien häufig als intertextuelle Referenz herangezogen, um eine unethische Position hervorzuheben. Allerdings kann der Gebrauch eines Stereotyps problematisch sein, da es für die jeweilige intendierte Aussage des Textes angepasst werden muss. Dies führt dazu, dass, wie zum Beispiel Peter Weingart bemerkt, „Wissenschaftler sich und ihre Wissenschaft falsch dargestellt [sehen]“ (2003, 9). Im Gegensatz zu Autoren früher Science Fiction-Texte, wie z. B. H.G. Wells, die zum Teil ausgebildete Wissenschaftler waren und auf Fachwissen zurückgreifen konnten, ist dies bei zeitgenössischen Autoren häufig nicht der Fall. Zudem ist in der zweiten Hälfte des 51 Vgl. hierzu auch Schnabel (2003, 258). 52 Vgl. Mulkay (1996, 158) sowie Junge/Ohlhoff (2004, 7). 53 Der Wissenschaftler Frankenstein wird bevorzugt im Zusammenhang mit Forschung genannt, bei der der Forschungsverlauf an sich kritisch gesehen wird und deren (Aus-)Wirkungen noch nicht bekannt sind, z. B. bei Debatten zur Gentechnologie vgl. S. 73f dieser Untersuchung.

37 20. Jahrhunderts wissenschaftliches Wissen und das wissenschaftlich sowie technisch Mögliche exponentiell angestiegen.54 Aus diesem Grund ist eine ‚verfälschte‘ Dar- stellung des Wissenschaftsbetriebs und auch von Wissen in populären Medien scheinbar unabwendbar. Daher werden von Produzenten populärer Medien zunehmend Wissenschaftler in die Produktion von Medieninhalten einbezogen, um diesem Prozess entgegenzuwirken.

3.4 ‚Echte‘ Wissenschaftler in den Massenmedien

Wie bereits angedeutet, kann die massenmediale Darstellung von Wissenschaften und Wissenschaftlern Vorstellungen in der Bevölkerung beeinflussen:

Sicherlich ist die massenmediale Aufbereitung wissenschaftlicher Inhalte teilweise für das Bild des Wissenschaftlers als überlegenes Wesen verantwortlich; überlegen an Intelligenz und an moralischen Prämissen, denn ihre Motivationen sind anscheinend ehrlich, uneigennützig, nicht gewinnorientiert und vernünftig. (Gonzalo 2004, 282)

Darstellungen, die breit in den Massenmedien zirkulieren, verfestigen sich im öffent- lichen Diskurs und können dadurch ‚Allgemeingültigkeit‘ erlangen. Die permanente Wiederholung bestätigt hierbei die ‚Wahrheit‘ der Darstellung, wodurch Wissensregime entstehen können.55 So können etwa die soziale Stellung der Wissenschaftler und wissenschaftlicher Institutionen in der Gesellschaft zu einem bestimmten Zeitpunkt bspw. anhand des zum Vergleich herangezogen Stereotyps abgelesen werden (vgl. Mulkay 1996, 159 und Haynes 1994, 2).

Ihr Auftreten, ihre Persönlichkeit und ihr Intellekt stehen in direktem Zusammenhang mit der Wichtigkeit und den Konsequenzen ihrer Arbeit. Die Gleichsetzung von Wissen- schaftlerInnen mit Wissenschaft macht Wissenschaft leichter vermittelbar. Jede dieser Beschreibungen – egal ob nun Realität oder Fiktion – ergänzt oder widerspricht den allgemeinen Vorstellungen von typischer Wissenschaft bzw. WissenschaftlerInnen und reflektiert so die kollektiven Ideen der Öffentlichkeit über Wissenschaft. (Felt/ Nowotny/Taschwer 1995, 256)

Da jedoch immer mehr (populäres) Hintergrundwissen in der Bevölkerung vorhanden ist, bzw. sich manche populären ‚kollektiven Ideen‘ verfestigt haben, bewegen sich die beiden Seiten – Wissenschaften und Massenmedien – aufeinander zu. In populären Printmedien beispielsweise, die sich nicht dezidiert mit populärwissenschaftlichen Themen auseinandersetzen, werden neben den etablierten Interviews und Kommentaren

54 Clute/Nicholls vermuten, dass der Wissenschaftler als Protagonist in Science Fiction-Texten in den letzten Jahren seltener geworden ist, da es Autoren kaum mehr möglich sei, sich als Laie dieses Spezialwissen anzueignen (vgl. 1995, „Scientists“). 55 Zu Wissensregimen vgl. S. 21.

38 vermehrt von Wissenschaftlern verfasste Artikel publiziert, um ein besseres Verständnis für Forschung zu fördern. Somit stehen Massenmedien „in der Spannung zwischen dem Selbstverständnis der Popularisierung und der Erwartung an eine moderne Wissen- schaftskommunikation.“ (Salzmann 2007, 7) So kommen einerseits vermehrt ‚echte‘ Wissenschaftler in den Medien zu Wort, was mit der sich veränderten Wissenspro- duktion seit Mitte des 20. Jahrhunderts in Verbindung stehen kann (s.o.). Andererseits wollen die Massenmedien ‚authentische‘ Forschung und wissenschaftliche Arbeit präsentieren. Dies führt dazu, dass immer mehr TV- und Film-Produzenten Wissen- schaftsberater für ihre Projekte engagieren, um tatsächliche Abläufe und den Jargon des Wissenschaftsbetriebs möglichst authentisch zu repräsentieren.56 Allerdings müssen die beratenden Wissenschaftler (s.u.) in Kauf nehmen, dass möglicherweise die Realität der Sensation weichen muss, denn der Regisseur und die Produzenten entscheiden, „whether scientific accuracy or ‚dramatic licence‘ provides more box office appeal“ (Kirby 2003, 269). Dieses ‚Dilemma‘ von authentischer vs. reizvoller Darstellung wird auch von Christopher Rose aufgegriffen:

The question of whether movie science should also be accurate so as not to misinform the public is a contentious one. Filmmakers are obviously constrained more by the demands of profitability and (one hopes) artistic expression than by principles, laws, and limitations of real science. (2003, 290f)

Peter Weingart erachtet die bevorzugte Darstellung „von Resultaten statt von Me- thoden“ als problematisch. Dies „hat sicher etwas mit der Distanz des Mediums Film zur Wissenschaft zu tun. Genau darin kann aber auch ein Problem der Darstellung von Wissenschaft in der Öffentlichkeit überhaupt gesehen werden“ (2003, 16). So erscheint es nicht erstaunlich, dass die „Hälfte der [von Weingart untersuchten] Filme (51%) […] sich in offenem Widerspruch zu der in den entsprechenden Geschichten dargestellten Wissenschaft [befinden]“ (ibid., 18). In Bezug auf die Repräsentation eines wissen- schaftlichen Themas fordert Rose nicht zwangsläufig eine authentische, aber zumindest eine plausible Darstellung. „Although some attention to scientific detail is obviously necessary to root a plot in reality, I propose that plausible ideas have far greater potential than accurate details to motivate the public toward a better understanding of science.“ (2003, 291) Die Verwendung von Laborszenen oder ähnlichem hat aber durchaus dramatur- gisches Potential: „die Darstellung der tatsächlichen Arbeitsmethoden von Wissen-

56 Auch die Produzenten von Star Trek arbeiten in den verschiedenen TV-Serien und Filmen mit Wissenschaftsberatern zusammen.

39 schaftlern [ist] nur dann interessant, wenn sie die problematische, vielleicht gar kriminelle Natur dieser Methoden aufdeckt.“ (Weingart 2003, 16) Medien schaffen demnach ein Umfeld, in dem bereits bestehende Meinungen und Einstellungen von Rezipienten kultiviert und verstärkt werden können (vgl. Kirby 2003, 262f). Das bedeutet, dass Verhandlungen in Medien somit Wissenspolitiken und/oder Wissens- regime unterstützen oder auch unterwandern können. Diesbezüglich kann auch das Science Fiction-Genre als ‚meinungsbildendes‘ Medium erachtet werden, in dem sowohl wissenschaftliches als auch kulturelles Wissen populär dargestellt und in einem futuristischen Szenario kritisch diskutiert werden.

3.5 Charakteristika der Wissenschaftsdarstellung im Science Fiction-Genre

Im Folgenden sollen vornehmlich die für die spätere Voyager-Analyse bedeutenden Charakteristika des Science Fiction-Genres hinsichtlich der Darstellung von Wissen- schaften aufgezeigt werden. Den Ursprung des Genres sieht der Schriftsteller und Kritiker Brian Aldiss in der Verknüpfung von Darstellungen neuer wissenschaftlicher Ideen mit Sozialkritik, wie Mary Shelley dies in Frankenstein präsentiert (vgl. 1973, 23).57 Mary Shelley beschreibt in dem von ihr verfassten Vorwort zur Ausgabe von 1831, wie die Idee zum Roman verbunden ist mit zeitgenössischen, wissenschaftlichen Experimenten:

They [Percy B. Shelley and Lord Byron] talked of the experiments of Dr. Darwin, (I speak not of what the Doctor really did, or said that he did, but, as more to my purpose, of what was then spoken of as having been done by him,) who preserved a piece of vermicelli in a glass case, till by some extraordinary means it began to move with voluntary motion. (Shelley 1831, ix-x)

So zeigt sich bereits in diesem ‚Ur-Roman‘ des Genres die Aufarbeitung eines neuen Wissens in fiktionaler Form, die zudem einen ethischen Kommentar beinhaltet. Aldiss macht des Weiteren im Roman ein bis dato nicht vorhandenes Sujet aus: „touching not only science but man’s dual nature, whose inherited ape curiosity has brought him both success and misery“ (1973, 29). Allerdings wird in Frankenstein diese ‚Neugierde‘ kritisiert, denn „[k]nowledge brings no happiness“ (ibid.). Dieser Forschungsdrang wird

57 Der ‚tatsächliche‘ Ursprung des Genres ist in der Theorie umstritten und wird verschiedentlich angelegt und begründet. Eine detaillierte Diskussion würde an dieser Stelle zu weit führen, deshalb sei auf folgende Werke verwiesen: Roberts (2006a und 2006b), Luckhurst (2005), Slusser (2005), Stableford (2003) sowie Suerbaum/Broich/Borgmeier (1981). Zum Science Fiction-Genre allgemein siehe bspw. auch Bould et al. (2009), Erickson (2005, Kap. 7), Seed (2005), James/Mendlesohn (2003), McCracken (1998, Kap. 4), Scholes/Rabkin (1977) sowie Amis (1961).

40 in der Science Fiction unablässig dargestellt. Wie auch Suerbaum/Broich/Borgmeier anmerken, werden „Einsichten in das Wesen der Wissenschaft” sehr bewusst von den Autoren beschrieben:

Diese Absicht steckt nicht nur hinter den vielen in die Geschichte eingebauten Lehrvorträgen, in denen Teile des heutigen Wissens dargelegt werden. Sie zeigt sich besonders darin, daß ein Aspekt von science immer wieder zum Gegenstand gemacht wird: der Prozeß des Forschens. […] Die erzählten einfachen Aktionen – Reisen, Überwindung von Hindernissen, Aufklärung von Rätseln – werden damit zu Metaphern für komplexe Erkenntnisverfahren. (1981, 29f)

Ein hohes Maß an Vereinfachung ist bei der Vermittlung von technologischem Wissen in der Science Fiction vonnöten. Hierbei wird auf einen technologischen Stand ‚zurück- gegriffen‘, der in der Öffentlichkeit bereits bekannt und auch sprachlich (in Form einer bekannten Terminologie) erfasst ist. Dabei muss die dargestellte Wissenschaft oder Technologie nicht wissenschaftlich akkurat beschrieben sein, aber sie muss plausibel erscheinen (vgl. Roberts 2006a, 5 und Suerbaum/Broich/Borgmeier 1981, 20). Ein bedeutendes Konzept, das die Vereinfachung eines Themas theoretisch erfasst, wurde von Darko Suvin mit dem Begriff cognitive estrangement geprägt (1979, 4).58 Das im Text verarbeitete ‚Erkennbare‘ (cognition) stellt den Bezug zur Gegenwart des Rezipienten dar und das Novum (s.u.) wird zur Verfremdung (estrangement) eingesetzt (vgl. ibid., 6 und 10).59 Durch den thematischen und sprachlichen Anschluss an die Gegenwart der Rezipienten wird ein Relevanzbezug zu deren Lebenswelt aufgebaut.60

Die SF spielt mit eben diesem Wissen und den Werten, stellt sie in einen veränderten Zusammenhang, kehrt sie um, kritisiert oder verfremdet sie. Die SF ist gerade auf diese Grundlagen und dieses Wissen beim Rezipienten angewiesen, ohne das sie als Denkmodell versagen würde. (Schröder 1998, 49)

Von anderer Seite wurde dieses Konzept mit den Termini extrapolation und speculation zu fassen versucht – d.h. eine Technologie wird auf spekulative Weise in ein futuris- tisches Setting extrapoliert:

[W]hatever scientific interests it has must be recast imaginatively [i.e. speculation], put to use in some alternative realm [i.e. extrapolation], some place other than or adjacent to the here-and-now. Science Fiction plays out the tension between scientific interest and imaginative speculation. (Gelder 2004, 64)

58 Zu estrangement und cognition vgl. auch Parrinder (2000). 59 Vgl. dazu auch Schröder (1998, 41). 60 Vgl. Schröder (1998, 39f sowie 44) sowie Suerbaum/Broich/Borgmeier (1981, 20) und Roberts (2006a, 28).

41 Die fiktive Darstellung der Erkenntnisgewinnung wird dabei jedoch, so Suerbaum/ Broich/Borgmeier, teilweise so sehr durch die Vereinfachung „deformiert“, dass die Darstellung ein veraltetes Bild der Wissenschaft zeichnet und dadurch zur Verfälschung von Forschung beiträgt (1981, 30). Dabei bleibt die ethische Hinterfragung oft auf das forschende Individuum beschränkt, wodurch eine Charakterisierung vorgenommen wird. Mit anderen Worten: wird die forschende Person positiv konnotiert, dann werden auch die Forschung sowie die Forschungsabsichten als positiv dargestellt und vice versa (vgl. ibid.). Dies verweist bereits auf die Nutzbarmachung der Science Fiction als mahnende Instanz. Wie bereits erwähnt, greifen Science Fiction-Autoren Tendenzen und Diskurse ihrer Gegenwart auf und können dazu beitragen, „den notwendigen Diskurs anzuregen und [...] gelegentlich sogar der Zukunftsforschung als eine Art Frühwarnsystem [zu] dienen“ (Steinmüller 1992, 29). Torben Schröder verweist auf die Tendenz der Leser, Science Fiction mit Zukunftsprognostik zu verknüpfen:

Im Falle der Zukunftsprognostik wird immer wieder auf Beispiele verwiesen, in denen SF-Autoren Entwicklungen beschrieben haben, die später tatsächlich eingetreten sind. Es wird implizit unterstellt, die Autoren hätten in wissenschaftlicher Weise den aktuellen Stand der technologischen oder gesellschaftlichen Entwicklung analysiert und dann in unterhaltender Form eine Prognose gestellt, wie diese Entwicklung sich fortsetzen und welche Folgen sie haben kann. (1998, 32)

Jules Verne zum Beispiel wurde von seinen Zeitgenossen als ein solcher ‚Prophet‘ angesehen, jedoch hat dieser, wie Schröder erklärt, seine ‚fortschrittlichen Ideen‘ im Pariser Patentamt recherchiert und hatte also lediglich einen Wissensvorsprung gegen- über der Öffentlichkeit (vgl. ibid.). Seine Fiktionen waren also keine ‚Prognosen‘, sondern die Verarbeitung von vorhandenem Erkenntniswissen. Science Fiction-Autoren wollen generell keine Zukunftsprognostik betreiben, sondern auf zukünftige Eventu- alitäten hinweisen, die sich aus zeitgenössischen Tendenzen ergeben könnten. Erik Simon erklärt, die Science Fiction beschreibt – konträr zur allgemeinen Auffassung – „eine Dimension der Gegenwart – nicht die eine Zukunft, die tatsächlich kommen wird, sondern den Fächer von virtuellen Zukünften, in dem sich die (oder einige) Tendenzen, Erwartungen, Hoffnungen, Befürchtungen und Fragen der Gegenwart spiegeln.“ (1992, 145; vgl. dazu auch Steinmüller 1992, 28) Science Fiction-Darstellungen, so Torben Schröder, wollen somit ein Bewusstsein schaffen für das Zustandekommen von Verän- derungen und dabei aufzeigen, dass diese nicht unausweichlich sondern durchaus beeinflussbar sind (vgl. 1998, 37). Als Beispiel kann hier die Mahnung vor einem

42 Atomkrieg angeführt werden, welcher Mitte des 20. Jahrhunderts eine reale Gefahr darstellte: „Science fiction, a literature that privileges the promise and terrors of technical and scientific development, gained a sudden deadly relevance after August 1945.” (Luckhurst 2005, 80) Somit kann also ein möglicher Ethik-Diskurs durch Science Fiction entstehen und zirkulieren, „indem sie [mögliche zukünftige Probleme] vor ihrem Eintreten thematisiert, konkretisiert und dadurch diskutierbar macht“ (Schröder 1998, 37). Die ‚Gier nach Wissen‘, wie auch das Bedürfnis zu wissen, was die Zukunft bringt, ist ein ausgesprochener Reiz des Genres: „Science fiction […] relies upon our hunger for foreknowledge and our need to contemplate shadows of the future as part of the process of self-discovery.“ (Parrinder 1995, 16f) Das zukünftig Neue, das ‚Novum‘, wird von Darko Suvin wie folgt bestimmt:

Quantitatively, the postulated innovation can be of quite different degrees of magnitude, running from the minimum of one discrete new „innovation“ (gadget, technique, pheno- menon, relationship) to the maximum of a setting (spatiotemporal locus), agent (main character to characters), and/or relations basically new and unknown in the author’s environment. (1979, 64)

Schröder vereinfacht dies in folgender Aussage: „Der Begriff des Novum umfaßt also in Bezug auf die SF all jene Aspekte einer Geschichte, die von der Nullwelt [d.h. der Gegenwart] abweichen und im Sinne der Definition SF ausmachen.“ (1998, 16) Es ist dieser Bereich, der die Science Fiction von fantastischen und eskapistischen Genres unterscheidet: „Das Novum wird [...] in der SF wissenschaftlich, wissenschaftsähnlich oder zumindest auf eine dem herrschenden Wissenschaftsverständnis nicht wider- sprechende Weise erklärt.“ (Ibid., 18)61 Das Novum muss dabei nicht zwingend aus dem technologischen Bereich kommen, wie Roberts betont; allerdings sind Raumschiffe und Roboter „key machines of SF“ (Roberts 2006a, 7 und 111). Vor allem letztere werden häufig als Folie für menschliches Verhalten eingesetzt, da die Schnittstelle zwischen Mensch und Maschine hier besonders evident wird: „The robot is the dramatisation of the alterity of the machine, the paranoid sense of the inorganic come to life.“ (Ibid., 118) Bezüglich der Analyse von Science Fiction-Texten plädiert Schröder dafür, „von dem Novum als Prämisse auszugehen und dessen Folgen zu hinterfragen, anstatt das Novum selbst zu hinterfragen und so der Science Fiction ihr spezifisches Potential zu nehmen“ (1998, 59). Denn gerade in der Thematisierung der gesellschaftlichen Entwicklung,

61 Zur Definition des Fantasy-Genre und seine Abgrenzung zur Science Fiction vgl. bspw. Roberts (2006a, 5 sowie 2006b, xiv) oder Suerbaum/Broich/Borgmeier (1981, 9).

43 angestoßen durch den Einsatz des Novums, liegt die Wirkmacht der Science Fiction, kritisch über zeitgenössische Tendenzen zu reflektieren. Die Rolle von Science Fiction- Texten als mahnende Instanz kommt nicht nur in der Kritik von rein wissenschaftlichen und technischen Entwicklungen zum Ausdruck, sondern auch in der Auslotung gesellschaftlicher Themen. In seiner Studie zeigt Schröder, dass Science Fiction es ermöglicht, „den Rezipienten gesellschaftliche Strukturen, Probleme und Gesetzmäßig- keiten vor Augen zu führen und gesellschaftsrelevante Themen auf spezifische Art und Weise darzustellen“ (ibid., 29). Klaus Steinmüller sieht die Science Fiction diesbe- züglich als „soziale[n] Seismograph[en]“ (1992, 28). Somit wird den von der Science Fiction behandelten Diskursen eine gesellschaftliche Rückkopplungsfunktion beige- messen, sofern ein entsprechender Kontext etabliert wird und die massenmediale Verbreitung gegeben ist (vgl. Schröder 1998, 51). Das Novum kann auf zwei Arten in den Text integriert werden, anhand dessen sich nach Torben Schröder die Science Fiction in zwei Bereiche teilen lässt: erstens die Abenteuer-Science Fiction, in der das Novum „Kulisse oder Handlungsanlaß“ ist, und zweitens die erkenntnisorientierte Science Fiction, in der das Novum „das Thema stellt“ (ibid., 16). Ähnlich trifft Ken Gelder diese Unterscheidung und sieht Science Fiction entweder als „entertainment/adventure“ oder andererseits als „cerebral literature of scientific ideas“ (2004, 66). Die Kategorie erkenntnisorientierte Science Fiction kann nochmals unterteilt werden in gadget und social Science Fiction. In der gadget Science Fiction ist das Novum auf ein wissenschaftliches oder technologisches Thema fokus- siert, in der social Science Fiction werden besonders gesellschaftliche Konsequenzen des Novums thematisiert (vgl. Schröder 1998, 16). Diese Einteilung in gadget und social Science Fiction entspricht den geläufigeren Termini hard und soft Science Fiction, die allerdings nicht direkt das Novum charakterisieren, sondern die generelle Thematik des Textes. In der hard Science Fiction stehen die Naturwissenschaften im Vordergrund:62 „[A] work of sf is hard sf if a relationship to and knowledge of science and technology is central to the work.“ (Cramer 2003, 187)63 Auf der anderen Seite steht die soft Science Fiction, in der vorwiegend humanistische Themen, wie Identitätssuche, Ethik und Geschichte, thematisiert, aufgearbeitet oder weitergedacht werden: „writing

62 Eine stark simplifizierte Etymologie des Terminus ‚hard sf‘ bietet David Samuelson: „All sf requires some relationship to modern science and technology, including expectations of technological change. Hard sf ties much of its credibility to scientific rules and probability, enough that some readers define it simply as ‚hard‘ to read“ (2009, 494). 63 Kathryn Cramer stellt außerdem einen extensiven Kriterienkatalog auf, zu dem u.a. die Schlüsselbe- griffe „scientifically true“, „plausible“ und „didactic“ zählen (2003, 188f).

44 that subordinates ‚real‘ science to the demands of fiction“ (Gelder 2004, 64). Ken Gelder bezeichnet soft Science Fiction, ähnlich wie Schröder, hierbei als ‚soziales Genre‘ (vgl. ibid., 64f). Bei der soft Science Fiction werden die technischen gadgets, so Suerbaum/ Broich/Borgmeier, lediglich zu „thematische[n] Requisiten“ (1981, 109).

4. Leitgedanken für die Analyse

Star Trek wurde von seinem Erfinder, Gene Roddenberry, als „wagon train to the stars“ (Whitfield/Roddenberry 1991, 21) bezeichnet, in der die final frontier, d.h. die Grenze des Weltraums, erobert wird. Star Trek kann demnach der Kategorie der Abenteuer- Science Fiction zugeordnet werden und fällt zudem in das ‚soziale‘ Subgenre, in der ‚harte Wissenschaft‘ in den Hintergrund tritt und soziale Auswirkungen einer Tech- nologie in den Vordergrund gerückt werden.64 Das Novum ist in den Episoden Hand- lungsanlass – also Auslöser der ‚Störung‘ der ‚harmonischen Ausgangssituation‘ – und die Konsequenzen für die Gesellschaft werden stark fokussiert. Aufgrund der offenen Genrekonventionen einer Science Fiction-Serie kann das Novum aus vielfältigen Gebieten herangezogen werden. Dabei ist von Bedeutung, dass dem Zuschauer das Novum nicht gänzlich ‚fremd‘ ist, d.h. sein Wissen ausreicht, um die Thematik zu verstehen. Nach Hickethier lassen sich, wie oben bereits angedeutet, durch die kontextuelle Verortung einer Serie in ihrer Entstehungszeit Aussagen über bedeutende kulturelle und gesellschaftliche Themen treffen: „Entscheidend ist [...], wie die jeweils allgemein formulierbaren Werte und Verhaltensweisen auf konkrete Situationen und Verhaltensan- forderungen der jeweiligen Zeit bezogen werden, welchen Verhaltensspielraum die Figuren den Zuschauern in Fragen der Lebensweise anbieten.“ (1991, 49f) Unter dieser Prämisse liegt das Hauptaugenmerk bei den Analysen der einzelnen Episoden auf den in der Serie propagierten ethischen Werten und Verhaltensweisen. Dementsprechend wurde die Serie Star Trek: Voyager in Hinblick auf die Aufnahme und Vermittlung von Kontroversen über Wissensgebiete in den 1990er Jahren und zum Millenniumswechsel untersucht, da eine Medienkontroverse auf eine hohe gesellschaftliche Relevanz des Themas schließen lässt (vgl. S. 32 oben). So konnten zwei in der Serie vermehrt auf- tretende Diskurskonfigurationen herausgefiltert werden: Zum einen die Makroebene ‚Wissenschaftsethos‘ und zum anderen die Makroebene ‚Geschichtsrepräsentation‘, die

64 Schröder attestiert zahlreichen Star Trek-Episoden Social Fiction zu sein (vgl. 1998, 65).

45 in Teil III und IV respektive diskutiert werden. Diese werden in Bezug gesetzt zu Diskursverwandtschaften in populären Zeitschriften. In der Diskurskonfiguration ‚Wis- senschaftsethos‘ ist zu erwarten, dass ein starker Aushandlungsprozess – verschiedene Akteure, die unterschiedliche Intentionen im Diskurs vertreten – die Vermittlungs- und Popularisierungsstrategien prägt. In der Diskurskonfiguration ‚Geschichtsrepräsen- tationen‘ kann erwartet werden, dass hier Wissenspolitiken zum Einsatz kommen, und auch, dass die Verschiebung von Wissensregimen möglich ist.

46 II. „To Boldly Go“ – Wissen als Faszinosum und Gefahr

Von Anbeginn hatte Star Trek-Erfinder Gene Roddenberry den Anspruch, in seiner Serie aktuelle Forschung abzubilden, und pflegte aus diesem Grund regen Kontakt zur scientific community. So ließ er z.B. sein Konzept für die medizinische Station von Experten kommentieren: „The concept, as a logical extension of today’s medical science, was verified by sources in the scientific community.“ (Whitfield/Roddenberry 1991, 154) Stephen Whitfield, Co-Autor des Buches Star Trek: The Making of the TV Series ([1968] 1991), berichtet von einem Abendessen in Washington, bei dem Ingenieure, Wissenschaftler und Vertreter verschiedener Firmen anwesend waren: „They were most interested in the show as a vehicle through which they might promote their theories in order to popularize them and thereby gain acceptance at the real scientific level.“ (Ibid., 206) Somit war die Serie als Plattform für die Wissenschaften von Interesse; umgekehrt scheint Star Trek Wissenschaftler und Ingenieure aber auch inspiriert zu haben: „Star Trek is full of examples of things being invented for the show and later cropping up again in real life in some form or another.“ (Ibid., 176)65 Die Serie hat zudem einige junge Zuschauer in ihrer späteren Berufswahl inspiriert:

New Scientists ran a story discussing how important the series had been in the recruitment and development of a new generation of American researchers and technicians: „MIT students, NASA engineers and other technical people find the programme compelling. Star Trek is confirmation that what they are doing is worthwhile [...]“. (Jenkins/Tulloch 1995, 4)

Wie diese Zusammenhänge von fiktionaler Serie, den Wissenschaften und den Zuschauern bereits zeigen, trifft Star Trek den ‚Nerv der Zeit‘. Als ein populäres Kulturprodukt beschäftigt sich die Reihe der Star Trek-Produkte mit der Kultur des Alltagslebens seiner Zuschauer und partizipiert in „Praktiken und Strategien des Handelns und der Erzeugung von ‚Sinn‘“ (Wulff 2003, 21).

65 Vgl. dazu auch Greenwald: „[T]ransdermal hyposprays and folding cellular ‚communicators‘ – are already in common use. A Canadian firm has developed the first working tricorder, and Apple Computers – directly inspired by Star Trek – has come up with a version of the PADD (Personal Access Display Device); a palmtop computer used by personnel“ (1998, 39).

47 Das Wissen, das in den jeweiligen Star Trek-Serien66 präsentiert und verhandelt wird, ist stets eng verknüpft mit deren Entstehungszeit.67 Ähnlich wie Steinmüller (s. S. 44 oben) bezeichnet Wulff Star Trek deshalb als „Seismograph[en] zeitgenössischer Diskurse“ (ibid., 23). In The Making of Star Trek wird explizit auf die Intention Roddenberrys verwiesen, mit der Original Series Themen ansprechen zu wollen, die in den 1960er Jahren noch der Zensur unterlagen.

By using science fiction yarns on far-off planets, he was certain he could disguise the fact that he was actually talking about politics, sex, economics, the stupidity of war, and half a hundred other vital subjects usually prohibited on television. (Whitfield/Roddenberry 1991, 19)

Das von Gene Roddenberry vorgegebene futuristische Gewand gegenwärtiger Inhalte wurde über die Jahre beibehalten. Spezielle Themen der Zeit werden dabei in einzelnen, abgeschlossenen Episoden verhandelt; Katja Kanzler bezeichnet diese als issue- episodes, die bewusst kritisch konzipiert sind (vgl. 2004, 99).68 Zunächst soll eine kurzer Abriss der Serie vorgenommen und alle zentralen Charaktere auch in Hinblick auf durch sie verkörperte Wissensgebiete vorgestellt werden (1). Dem folgend wird aufgezeigt, wie vielfältig sich die Voyager-Serie in issue-episodes mit unterschiedlichen Wissensdiskursen beschäftigt (2). Schließlich wird anhand zweier Episoden beispielhaft die ethische Bewertung des unbändigen Strebens nach Wissen aufgezeigt (3).

1. Eine kurze Einführung in Star Trek: Voyager

Die Handlung der Voyager-Serie ist im 24. Jahrhundert angesiedelt. Der übergeordnete Handlungsrahmen ist die Rückkehr des Raumschiffs Voyager zur Erde, nachdem es im Delta-Quadranten, einem unerforschten Bereich der Galaxis, gestrandet ist. Dorthin gelangt die Voyager durch ein Wurmloch während der Verfolgung eines Schiffes der ‚‘-Rebellen. Durch einen Vorfall wird das Rebellenschiff zerstört und die beiden Crews müssen auf der Voyager eine Allianz bilden, mit dem Ziel, zur Erde zurück- zukehren. Die Heimreise quer durch den Delta-Quadranten wird auf eine Dauer von über 70 Jahren geschätzt. Auf dieser ‚Odyssee‘ muss die Crew Abenteuer bestehen,

66 Star Trek: The Original Series (1966-1969), Star Trek: The Next Generation (1987-1994), Star Trek: Deep Space Nine (1993-1999), Star Trek: Voyager (1995-2001) und Star Trek: Enterprise (2001- 2005); die Jahresangaben beziehen sich auf die Erstausstrahlung im US-amerikanischen Fernsehen. 67 Vgl. z.B. Dewi (1997, 14f), Greenwald (1998, 137), Kanzler (2004, 15), Meyer (2008, 14f). 68 Kanzler beschränkt diesen Begriff allerdings in ihrer Studie auf Episoden, die sich mit Rassismus und anderen sozialen Ungerechtigkeiten befassen.

48 kommt aber gleichzeitig dem in der Sternenflotten-Charta implementierten Forschungs- auftrag nach und kartographiert neues Territorium und registriert bisher unbekannte Spezies. Bei dieser Erforschung steht der Crew über den Bordcomputer das gesamte gespeicherte Wissen ihrer Kultur zu Verfügung. Der unbekannte Weltraumquadrant führt sie aber immer wieder auch an die Grenzen dieses Wissens und löst so Forscherdrang aus.

1.1 Das Stammpersonal des Raumschiff Voyager

Die Crew der Voyager besteht serientypisch aus einer Kerngruppe, die sich über die Serienlaufzeit kaum verändert: Diese Gruppe bilden Captain (gespielt von ),69 der Erste Offizier Commander (gespielt von Robert Beltran), Sicherheitsoffizier Lt. (gespielt von Tim Russ), Operations- und Kom- munikationsoffizier Ensign (gespielt von Garrett Wang), Chefingenieurin Lt. B’Elanna Torres, die halb Klingonin und halb Erdenmensch ist (gespielt von Roxann Dawson), Pilot Lt. (gespielt von Robert Duncan McNeill), das medizinische Hologramm (gespielt von Robert Picardo) sowie zwei Zivilisten aus dem Delta- Quadranten, (gespielt von Ethan Phillips) und (gespielt von ). Die Borgdrohne (gespielt von Jeri Ryan) wird in der letzten Folge der dritten Staffel als Charakter eingeführt. Als Captain kommt es Janeway zu, eine Wissensgeneralistin zu sein. Ihr Spezial- gebiet liegt jedoch in den Naturwissenschaften. Aufgrund dieses Hintergrunds ihrer Ausbildung ist Janeway sehr vertraut mit Technik und Wissenschaft und dies in höherem Maße als die anderen Captains.70 Eine Art Mutter/Tochter Beziehung etabliert sich zwischen Janeway und Kes und später zwischen Janeway und Seven. Allerdings, wo Janeway sich bei ihren Entscheidungen bei aller Wissenschaftlichkeit auch noch von Gefühlen leiten lässt, stellt Seven stets das umfassende Wissen, das sie als Borg akku- muliert hat, und die daraus gefolgerten rationalen Entscheidungen in den Vordergrund. Affinitäten zu Wissenschaft und bestimmten Wissensbereichen sind bei den Führungsoffizieren der Voyager unterschiedlich ausgeprägt. Tuvok ist als Vulkanier

69 Die Figur der Captain Janeway ist der erste weibliche Sternenflotten-Captain in einer Serienhaupt- rolle. Eine feministische Perspektive auf das Raumfahrtprogramm der NASA mit Verbindung zu Star Trek eröffnet Penley (1997). 70 Captain Kirk (Original Series) sticht vor allem durch seinen Pragmatismus hervor, wohingegen Captain Picard (Next Generation) eher als Philosoph dargestellt wird. Captain Sisko (Deep Space Nine) muss hauptsächlich diplomatisches Geschick einsetzen.

49 aufgrund seiner Herkunft der Logik und Rationalität verschrieben. Wie auch in anderen Serien des Star Trek-Franchise wird für Vulkanier die Abspaltung der Gefühle thematisiert (z.B. in „Meld“, 2/16; „Flashback“, 3/02 und „Riddles“, 6/06).71 Somit bildet auch er eine rationale Vergleichsfolie zu Janeways emotionalen Entscheidungen. Für die anderen Charaktere ist er eine Mentorfigur, die Themen jeglicher Art sachlich begegnet. Chakotay ist indianischer Abstammung und seiner Herkunft sehr verbunden: Seine speziellen Wissensgebiete liegen im Bereich des philosophischen und spirituellen Wissens sowie der Anthropologie (s. bes. die Episoden „Basics, Part II“, 3/01; „Distant Origin“, 3/2372 sowie „Blink of an Eye“, 6/12). Die Charaktere B’Elanna Torres und Tom Paris repräsentieren vornehmlich technisches Wissen. Für B’Elanna wird dieses Wissen vor allem in den Episoden „Prototype“ (2/13) und „Dreadnought“ (2/17) diskutiert, wobei diese Episoden auch explizit die Verantwortung des Ingenieurs für seine ‚Kreation‘ thematisieren (vgl. S. 139-140). Tom Paris ist als erfahrener Pilot ähnlich wie ein Ingenieur mit der Tech- nologie von Raumschiffen vertraut. Bei ihm werden aber vor allem auch Freizeit- interessen und -aktivitäten beleuchtet, etwa seine Geschichtsbegeisterung; er wird besonders als aficionado des 20. Jahrhunderts ausgewiesen. In diesem Zusammenhang betreibt er zum Beispiel ‚Kulturstudien‘ mit dem Holoprogamm „The Adventures of Captain Proton“, wobei ihn hierbei interessiert, wie sich vergangene Generationen die Zukunft ausgemalt haben (vgl. „Bride of Chaotica!“, 5/12). Der junge Fähnrich Harry Kim zeichnet sich auch durch technisches und naturwissenschaftliches Wissen aus. Aufgrund seiner Unerfahrenheit bedeutet dieses Wissen für ihn eine Form der Sicherheit während der ungewissen Reise zurück zur Erde. Die Figur der Kes ist zunächst sehr kindlich in ihrer Weltwahrnehmung und verfügt über einen entsprechenden Wissensstand. Vor allem ihre Beziehung zu Janeway fungiert als Motivation zur Erforschung ihrer Umwelt. Neelix hingegen kann als ‚weltgewandt‘ bezeichnet werden. Sein Wissen ist nicht akademischer Natur, sondern lebensnah und adaptiv. Seine Hauptaufgabe besteht anfangs in der Versorgung und Unterhaltung der Crew. In Hinblick auf das Thema Wissen sind von Seiten der Voyager-Crew besonders Seven sowie der holografische Doktor hervorzuheben. Beide Figuren haben eine stark 71 Die Angaben in Klammern nach dem Episodentitel beziehen sich auf Staffel/Episode, sprich 2/16 entspricht Staffel 2, Episode 16. Dies wird bei der ersten Nennung der Episode angegeben. Aus Gründen der Darstellung wird das Datum der Erstausstrahlung nur bei ausführlich besprochenen Episoden zusätzlich genannt. 72 Die Episode wird auf den Seiten 112-115 ausführlicher besprochen.

50 ausgeprägte nicht-menschliche Dimension: Seven als Mensch, der in einen Cyborg verwandelt wurde, und der Doktor als Hologramm. Aufgrund der technologischen Seite ihrer Existenz haben beide Figuren einen fast unbegrenzten Zugang zu Wissen und damit eine individuelle ‚Wissenskultur‘, die ständig zu denen der ‚nur‘ biologischen Figuren in Bezug gesetzt wird.

1.2 „Is There Anything You Don’t Know?“ – ‚Allwissende‘ in Voyager

Die Borg,73 als halb organische, halb technologische Lebensform, können durch ihre technologischen Implantate und ihre Vernetzung zu einem übergeordneten Bewusstsein ebenfalls Unmengen an Wissen speichern und synchron im Kollektiv Wissen in Echtzeit erneuern und erweitern. Zudem können die Borg als ‚Wissensjäger‘ charakterisiert werden; die forcierte Wissensakkumulation ist begründet in ihrem Streben nach Per- fektion, nach ‚Allwissen‘. Dies verdeutlicht, dass die Borg nicht einfach auf der Suche nach technologischem Know-How sind, welches sie bereits in hohem Maße besitzen. Auf ihrer ‚Jagd‘ nach Wissen akkumulieren sie vielmehr einen unvergleichlichen Wissensschatz: Die unethische Komponente dieser Wissenssammlung liegt in der Zerstörung anderer Völker, die bei der Integration in das Borg-Kollektiv ausgelöscht werden. Gemäß dem Streben nach Perfektion, werden die zu assimilierenden Völker aufgrund ihres Wissensstandes ausgewählt, d.h. unterentwickelte Zivilisationen werden stringent ignoriert. Das einmal von den Borg assimilierte Wissen ist sicher ‚gespeichert‘ und kann nicht zerstört werden, so lange noch ein Borg am Leben ist. In der Serie fungieren die Borg hinsichtlich der Wissensakkumulation und -verwendung als Ver- gleichsfolie zur Sternenflotte. Dabei haben sie einen technologischen Vorsprung durch ihre kollektive Wissensvernetzung: „Das ist auch verständlich, wenn man bedenkt, daß technologische Weiterentwicklung auf der Grundlage von Wissenszuwachs der Gemein- schaft geschieht, der durch den kollektiven Charakter des Bewußtseins der Borg als rasant zu bezeichnen ist.“ (Berreth/Witte 1997, 73) Der Widerstand der Menschen gegen eine Assimilierung in ihr Kollektiv löst bei den Borg Unverständnis aus, denn bei der Assimilierung „bringt jeder Neuankömmling sein ganzes Wissen ins Kollektiv mit ein und erfährt das Wissen aller anderen Kollektivmitglieder“ (Bausch 2003, 32).74 Nach Bausch ist die Assimilierung eine „faszinierende wie erschreckende Dimension der Idee

73 Der Name ‚Borg‘ ist offensichtlich abgeleitet von dem Wort Cyborg. 74 Durch diesen kollektiven Charakter der Nutzung des Wissens des Einzelnen sehen Berreth/Witte eine Abwandlung des Begriffs „Allgemeinwissen“ (vgl. 1997, 73).

51 einer Nivellierung aller Unterschiede: de[r] Januskopf einer starken Verbesserung der kognitiven, kommunikativen und interaktiven Fähigkeiten – auf Kosten der Indivi- dualität“ (ibid., 32).75 Durch diese Form der Akkumulation und Speicherung von Wissen können die Borg als Datenbank charakterisiert werden (vgl. ibid.). Seven of Nines perfektes Gedächtnis ist durch ihre Zeit im Borgkollektiv geprägt. Nachdem sie vom Kollektiv getrennt ist, bleibt sowohl der Wissensschatz, den sie als Borg angesammelt hat, erhalten als auch ihr Vermögen, viel (neues) Wissen zu erinnern. In der Episode „The Omega Directive“ (4/21) wird Sevens extensives Wissen explizit von Harry angesprochen:

Harry: Is there anything you don’t know? […] You have the knowledge of 10,000 species in your head? Seven: Not exactly. Each drone’s experiences are processed by the collective. Only useful information is retained. Harry: Still, that probably makes you the most intelligent being alive. (02:02)76

In Voyager erscheint Seven erstmals am Ende der dritten Staffel. Janeway geht mit den Borg einen Pakt ein, um sich gegen die Bedrohung durch eine andere Spezies zu verbünden („Scorpion, Part I“, 3/26).77 In diesem Zusammenhang kommt Seven of Nine an Bord der Voyager, um für das Kollektiv zu sprechen. Als die Borg das Bündnis mit Voyager für nichtig erklären und die Voyager-Crew assimilieren wollen, flieht diese und nimmt Seven mit. Nach einiger Zeit werden Sevens Borgimplantate weitgehend entfernt und sie erhält wieder ein menschliches Aussehen. Ihr Wissen bleibt jedoch erhalten und ist von hohem Wert für die Voyager-Crew. Ihre zentrale Funktion als Figur ist das ständige Hinterfragen von Entscheidungen und Handlungsmotiven der Crew. Im Zuge ihrer Rückentwicklung zum menschlichen Wesen muss Seven u.a. lernen, dass Wissens- erwerb ethischen Richtlinien unterliegt und nicht jedes Wissen einfach angeeignet werden kann, wie unten bei der Besprechung der Episode „The Omega Directive“ gezeigt werden wird. Neben diesen ‚halb-organischen Datenbanken‘ gibt es in Voyager die computer- basierten Wissensspeicher, zu denen auch das medizinische Hologramm gehört.78

75 Die Borg assimilieren nicht nur das Wissen einer Bevölkerung, sondern auch deren Aussehen; Körper- teile sowie Organe können durch technologische Implantate ersetzt werden. 76 Alle Zitate aus der Serie wurden unter Zuhilfenahme der Untertitelfunktion transkribiert. Aus Darstellungsgründen wird bei Zitaten aus den Episoden stets nur die Anfangszeit genannt. 77 Der Episodentitel verweist auf die Parabel vom Skorpion. Mit diesem vergleicht Chakotay die Borg: es liegt nicht in ihrer Natur, nicht zu assimilieren. 78 Ähnlich wie die Gedächtnis-Speicherkarte des Androiden Data aus der Next Generation-Serie, die jegliche Informationen speichert.

52 Anfangs ist das Programm des Doktors nur mit medizinischem Wissen ausgestattet; er entwickelt im Laufe der Serie allerdings den Wunsch, ‚menschlicher‘ zu werden.79 Da es sich um ein adaptives Computerprogramm handelt, können weitere Programme implementiert werden. Das Wissen, das der Doktor zur Ausbildung einer Persönlichkeit und Konstitution von Identität anhäuft, verursacht allerdings gelegentlich Probleme in seiner Matrix und er muss so, ähnlich wie Seven, den verantwortungsvollen Umgang mit Wissen erlernen. Im Prinzip ist er jedoch mit den anderen Computern an Bord der Voyager gleichzusetzen, da er unendlich viel Wissen speichern kann, zusätzlich ist es ihm aber möglich, ähnlich wie einem Menschen, mit vorhandenem Wissen neues Wissen zu generieren. Die Charaktereigenschaften der zentralen Serienfiguren bieten zusammen mit dem Motiv der Reise viel Spielraum für die Thematisierung von Wissen und Wissensdiskursen. Da sich die spätere Analyse auf die Themengebiete Wissenschafts- ethos und Geschichtsrepräsentationen konzentrieren wird, soll hier im Folgenden ein Überblick über das in Star Trek: Voyager verhandelte Wissen vorangestellt werden.

2. Ein Überblick über Wissensthemen und -diskurse in Voyager

Die Form der Aufnahme und Verarbeitung von Themen aus den modernen Wissenschaften in allen Star Trek-Produkten lässt Wulff die These aufstellen, dass Star Trek „als ein Laboratorium zeitgenössischen Denkens“ genutzt wird (2003, 22). Die behandelten Wissenschaftsthemen werden in der Serie „spielerisch erprobt“, wobei die Episoden anhand von „Konzepte[n] und Modellvorstellungen diverser Wissenschaften [...] fundamentale Annahmen oder Problemstellungen dieser Disziplinen durchspielen und reflektieren“ (ibid.). Wie Wulff bemerkt, setzt dies bereits einen gewissen Wissens- stand des Zuschauer voraus, allerdings wird der Zuschauer ebenso „informiert“, was Wulff mit dem Konzept Star Trek als „Diskursivierungsagentur“ fasst, die „in bestän- digem Austausch mit den ‚äußeren‘ Wissenschaften steht und deren Fragen reflektiert und exemplifiziert“ (ibid., 23). Die Reflexion zeitgenössischer Wissensthemen, wie sie für die Science Fiction generell üblich ist, lässt sich bei Star Trek:Voyager an verschieden Episoden festmachen. Es handelt sich durchweg um Themen, die in den

79 Diese Bemühungen sowie die Unterschiede zum Verhalten von anderen künstlichen Intelligenzen werden in III.2.2 sowie III.2.4 besprochen.

53 1990er Jahren breit diskutiert wurden. Neben den Bereichen die in den Abschnitten III und IV diskutiert werden, waren dies ‚zeitaktuelle‘ Themen aus den Bereichen Sozio- logie, Ökologie und Literatur. Ein Aspekt, der aus dem Bereich des Gesellschaftswissens aufgegriffen wird, ist die Veränderung traditioneller Familienzusammenschlüsse in den 1990er Jahren und dem damit aufkommenden „myth of the family as happy unit“ (Hartigan 2002, 140). In der Episode „Real Life“ (3/22) wird das amerikanische Familienideal der 1960er und 1970er Jahre dem der modernen Familie gegenübergestellt. Der Doktor hat sich auf dem zur Erweiterung seiner Persönlichkeit durch soziales Wissen eine Bilderbuch- familie programmiert. B’Elanna ist der Meinung, dass dies nicht der Realität entspricht und nimmt Veränderungen an dem Programm vor: die ‚adrette‘ Hausfrau wird zur Karrierefrau, der Sohn zum Rebellen, der klingonischen Heavy Metal hört. Auch eine Katastrophe wird programmiert: Die Tochter stirbt in einer Szene, die an in den 1990er Jahren populäre Krankenhausserien erinnert. Es wird hier hervorgehoben – und dies wird als Lektion für das medizinische Hologramm präsentiert –, dass man innerhalb einer Familie Verantwortung füreinander übernimmt, und dass Krisensituationen den Zusammenhalt einer Familie stärken können. Auch soziopolitisches Wissen wird in Voyager verhandelt. Auffallend häufig wird etwa die ethische Vertretbarkeit der Todesstrafe thematisiert. In den 1990er Jahren war die Debatte um die Todesstrafe aufgrund der angestiegenen Anzahl durchgeführter Hinrichtungen vermehrt in den Medien präsent:80 „In many states, executions – there have been 34 of them since the beginning of 1996 – have become workday affairs, so routine they barely make the papers or draw protesters to the prisons.“ (Pooley 1997, n.pag.) Die Ausgabe des Time Magazine vom 16. Juni 1997 beschäftigt sich sowohl im Leitartikel als auch in weiteren Artikeln mit dem Für und Wider der Todesstrafe. Eine von Pooley angeführte Umfrage zeigt, dass eine Zweidrittel-Mehrheit der US-Bürger für die Ausübung der Todesstrafe ist, jedoch die Effektivität des Strafmaßes bezweifelt:

A 52% majority don’t think the death penalty deters people from committing crimes, and 60% don’t think vengeance is a legitimate reason to execute someone. Then what is America’s honest rationale for putting this man, or any other human being, to death? (Ibid.)

Voyager zeigt in den entsprechenden Folgen, wie andere Spezies mit der Bestrafung von Kapitalverbrechen umgehen: In „Ex Post Facto“ (1/7) werden einem Mörder die letzten

80 Vgl. (Zugriff 17.02.2015).

54 Sekunden des Lebens seines Opfers ins Gehirn eingepflanzt und in einer Art Wiederho- lungsschleife alle 14 Stunden ‚gesendet‘.81 In der Episode „Random Thoughts“ (4/10) sind in einer Gesellschaft von Telepathen gewalttätige Gedanken verboten. Wer hier aufgrund eines ‚bösen‘ Gedankens schuldig gesprochen wird, wird einer Lobotomie unterzogen. Eine höchst fragwürdige Strafmaßnahme, die der Verbreitung bösen Gedankenguts allerdings keinen Einhalt gebietet, denn es hat sich ein florierender Schwarzmarkt für diese Art von Gedanken etabliert. In „Repentance“ (7/13) begegnet die Voyager einem Gefangenentransport; die Häftlinge sind auf dem Weg zu ihrer Exekution. Bei einem der Häftlinge wird festgestellt, dass er unter einer Störung des Gehirns leidet, die verhindert, dass er Schuldgefühle und Mitleid empfindet. Mit Hilfe von Sevens Nanosonden wird die entsprechende Stelle im Gehirn geheilt, woraufhin der Täter nun unter seiner Tat leidet. Aber auch diese Reue rettet ihn letztlich nicht vor der Todesstrafe. Eine indirekte Todesstrafe ist die Inhaftierung in einem Gefängnis im Weltall, das in der Episode „“ (3/03) gezeigt wird, die zudem einen Kom- mentar zu unmenschlichen Haftsituationen enthält. Nahrung und andere Güter werden durch eine Andockstation geliefert; es gibt keine Wärter. Die Häftlinge tragen ein Implantat, das sie langsam wahnsinnig werden lässt und dazu führt, dass die Insassen untereinander Kämpfe austragen, bei denen sie sich gegenseitig töten. Es wird erwähnt, dass diese Art von Gefängnis kostengünstig ist, die Häftlinge jedoch schnell an Hunger oder durch Gewalt sterben. Diesen Episoden ist gemein, dass das jeweilige Strafmaß von der Voyager-Crew als ethisch nicht vertretbar angesehen wird. Die Frage, wie mit einem Mörder aus den eigenen Reihen umzugehen ist, thematisiert die Episode „Meld“ (2/16). Ein Crewmitglied hat einen Mord begangen. Die Optionen für das angemessene Strafmaß sind: ihn ins All zu schießen oder lebenslange Haft in einer Arrestzelle des Raumschiffes. Letztlich wird beschlossen, ihn für den Rest der Reise in seinem Quartier unter Arrest zu setzen sowie sein Aggressionsverhalten mit Meditationsübungen zu therapieren. Ein weiteres Thema, das in mehreren Episoden angesprochen wird, ist das Wissen über die Umwelt und die Notwendigkeit ökologischer Verantwortlichkeit, welches seit den späten 1990er Jahren breit in den Medien verhandelt wird. Vor allem das im Jahre 1997 beschlossene Kyoto-Protokoll zum Klimaschutz ist in diesem Zusam- menhang bedeutend, denn die USA unterzeichneten das Protokoll zwar 1998, haben es

81 Vor der Einführung dieser Strafmaßnahme wurden Mörder mittels tödlicher Injektion hingerichtet. Auch was die Beweisführung und Urteilsfindung angeht, werden diese letzten Minuten aus dem Leben des Opfers herangezogen.

55 aber bis heute nicht ratifiziert. In diesem Zusammenhang wird die mahnende Funktion von Science Fiction evident, indem sie ökologisches Fehlverhalten anprangert. Zwar gab es bereits seit den 1970er Jahren eine ökologische Bewegung in den USA, aber erst die liberale Clinton-Regierung brachte ökologisch verantwortliches Handeln erneut auf die Tagesordnung.82 In Voyager wird der Bereich Ökologie anhand zweier Themen verhandelt: Umweltverschmutzung und die Vernichtung des Regenwaldes. Die Verschmutzung durch illegale Giftmüllentsorgung wird in den Episoden „Night“ (5/01) und „Juggernaut“ (5/21) angesprochen. In beiden Episoden ist es die Spezies der Malon, die ihren radioaktiven Müll über ein Wurmloch in einem anderen Bereich des Weltraums entsorgen.83 Die Voyager-Crew will den Malon eine Technologie zur Verfügung stellen, mit der sie den Müll reinigen können. Diese lehnen jedoch aus Profitgründen ab, woraufhin die Voyager eingreift und das Wurmloch verschließt. Die Vernichtung von Regenwald und das damit verbundene Problem des Erhalts indigener Kulturen, wie sie bspw. im Amazonasgebiet noch vorhanden sind, wird in „Natural Law“ (7/22) thematisiert. Hier stößt die Voyager auf einen Planeten, auf dem eine durch ein Kraftfeld geschützte Urbevölkerung ihre Lebensweise isoliert von ‚fortschritt- licheren‘ Bewohnern bewahrt hat. Die Voyager kann dazu beitragen, dass diese Lebensweise auch weiterhin von einem zu schnellen Vordringen einer technologisierten Welt geschützt sein wird. Neben ökologischem Wissen wird in dieser Folge auch anthropologisches Wissen aufgerufen, das in der Voyager-Serie generell mit der Figur des indianischstämmigen Chakotay verbunden wird. Das Schicksal ‚seiner‘ Vorfahren auf der Erde und Chakotays persönlichen Entdeckung des Wertes indianischer Traditionen sind Thema der Episode „Tattoo“ (2/09). Aber auch in anderen Kontexten ist es besonders Chakotay, der die Bedeutung des Wissens über andere Kulturen vermittelt und Respekt vor den Bräuchen anderer Kulturen einfordert. Brandt/ Schindel/Wellhöner heben hervor, wie Chakotay in der Folge „Emanations“ (1/9) bei einem archäologischen Fund für einen „pietätvolle[n] Umgang mit den Leichnamen und gegen eine wissenschaftliche Untersuchung plädiert“ (2003, 155). Ebenso kom- mentieren Brandt/Schindel/Wellhöner die prägnante Thematisierung von „Missbrauch archäologischen Materials“ zu politischen Zwecken in „Distant Origin“ (3/23) oder die

82 Vgl. „Clinton Presidency“. Clintons damaliger Vizepräsident Al Gore erhielt im Jahr 2007 den Frie- densnobelpreis für sein Engagement im Bereich des Klimaschutzes (vgl. „Nobel Peace Price 2007“). 83 Wie die Föderation mit der Beseitigung von radioaktivem Müll umgeht – und zwar ebenfalls in ethisch nicht einwandfreier Form – wird in der Episode „Life Line“ (6/24) angesprochen. Hier werden veraltete Modelle des medizinischen Hologramms (d.h. das Programm des holografischen Doktors der Voyager) zur Beseitigung von radioaktiven Müll ausgebeutet.

56 Manipulation von Geschichte in „“ (4/23) auf (ibid., 155f).84 Dies zeugt von einer in der Serie propagierten Sensibilisierung für den respektvollen Umgang mit historischem Wissen und Artefakten.85 Zudem deutet dies auch auf einen Wandel in der Wissenskultur hin, die zunehmend mit ethischen Reflektionen angereichert wird. Eine weitere Wissenskategorie, die thematisch besonders vielfältig in Star Trek: Voyager verarbeitet wird, ist literarisches Wissen. Halbohm bemerkt, dass die Produ- zenten von Star Trek generell vielfach auf andere populäre Medienprodukte zurück- greifen, so das kulturelle Wissen der Zuschauer abrufen und intertextuelle Referenzen zu Unterhaltungszwecken einsetzen.86 Mit seinen Anleihen an Mary Shelleys Frankenstein zitiert Voyager nicht nur den Ursprung des Science Fiction-Genres (vgl. S. 40), sondern spricht mit diesem Genre-Prototyp vor allem auch das ‚ethische Dilemma‘ in den Wissenschaften an (vgl. III.2.4).87 Ein weiterer ‚Klassiker‘, dessen Autor als Mitbegründer des Science Fiction-Genres angesehen wird, ist Jules Vernes Roman 20.000 Meilen unter dem Meer (Vingt mille lieues sous les mers, 1869). Der Roman wird in der Doppelfolge „“ (4/08, 09, s. S. 105-107) und ein weiteres Mal in der Folge „Thirty Days“ (5/9) erwähnt. Hier trifft die Voyager auf einen Wasserplaneten, auf dem sich alles Leben unter Wasser abspielt. Im Gespräch mit Janeway erzählt Tom Paris von seiner Liebe zur Abenteuerliteratur88 und erinnert sich, wie er als Junge Vernes 20.000 Meilen unter dem Meer gelesen hat. Bei einer Außen- mission unter Wasser ruft der von Harry ausgegebene Statusbericht – „20,000 kilometers to the surface“ (15:54) – Vernes Roman nochmals als Zitation in Erinnerung. Ein Topos der Science Fiction ist auch die in gut und böse gespaltene Persönlichkeit, wie sie Robert Louis Stevenson in dem Klassiker Dr. Jekyll and Mr. Hyde (1886) darstellt.89 Lediglich angedeutet wird die literarische Verbindung in der Episode „Darkling“ (3/18). Der holografische Doktor hat eine Bewusstseinstörung, die bei ihm unter bestimmten Umständen ein böses Alter Ego zum Vorschein bringt. Die Referenz zu Stevenson wird hier nicht explizit erwähnt, die Parallele ist jedoch

84 Vgl. zur Besprechung von „Distant Origin“ S. 112-115 und „Living Witness“ S. 205-208. 85 Dieser Aspekt wird in Abschnitt IV, Kapitel 3.3 noch weiter ausgelotet. 86 Halbohm (2003) analysiert in seinem Aufsatz, wie Star Trek mit Zitaten und Anspielungen aus anderen populären Kulturprodukten umgeht und welchen Zweck die jeweilige Darstellungsform für die entsprechenden Episoden erfüllt, vgl dazu auch S. 31. 87 Zur Verarbeitung von Shelley in der Original Series vgl. Kreitzer (1996, 17), zu Voyager liegen hierfür keine Studien vor. 88 Außer Verne werden hier Moby Dick und der Comic-Superheld Captain Courageous aus den 1940er Jahren (der von Rudyard Kiplings Captains Courageous (1897) inspiriert ist) genannt. 89 Bereits in der Episode „The Enemy Within“ (Original Series, 1/04; 06.10.1966; Regie: Leo Penn) wurde Jekylls Roman adaptiert (vgl. Kreitzer 1996, 17).

57 eindeutig. Anders verhält sich dies in der Folge „Equinox, Part II“ (6/01), in der der Doktor beunruhigt feststellt, dass man ihn durch das Umlegen eines Schalters, d.h. durch das Ausschalten seines ethischen Unterprogramms, in den bösen Mr. Hyde ‚verwandeln‘ kann. Um dies in Zukunft zu verhindern, wird ein Sicherheitsprotokoll eingespeist.90 Auch in einer frühen Episode der Serie, „Faces“ (1/14), wird der Topos zweier Persönlichkeiten einer Figur thematisiert. Ein außerirdischer Wissenschaftler trennt B’Elannas Erbgut, d.h. er erschafft aus einer Person zwei, einen Erdenmenschen und eine Klingonin. Somit sind auch ihre Temperamente getrennt: der Erdenmensch ist scheu und zurückhaltend, die Klingonin hat die Charakterzüge einer Kriegerin. Als Hommage an das Genre der Science Fiction kann Tom Paris’ Holo-Serie „The Adventures of Captain Proton“ angesehen werden, die in mehreren Episoden gespielt wird (vgl. bes. „Bride of Chaotica!“). Der Superheld Captain Proton ist an die frühen Comic-Helden der 1930er bis 1950er Jahre, wie Buck Rogers, Captain Courageous und Flash Gordon, angelehnt. Die Captain Proton-Episoden werden dabei auch genutzt, um eine Geschichte des Science Fiction-Genres zu evozieren, in die sich Voyager einreiht. Abgesehen von solchen für das Science Fiction-Genre bedeutenden Texten werden weitere literarische ‚Klassiker‘ der englischsprachigen Literatur für einzelne Episoden herangezogen. Eine vielleicht ungewöhnliche Wahl ist die Verarbeitung des altenglischen Heldenepos Beowulf, das in der Episode „“ (1/12) auf dem Holodeck nachgespielt wird. Harry ‚spielt‘, in historischer, skandinavisch an- mutender Kleidung, Beowulf. Tuvok und Chakotay diskutieren aus diesem Anlass den Epos als Beispiel für das Bedürfnis nach Mythologien.91 Ein speziell für die amerikanische Literatur- und Kulturgeschichte bedeutender Text ist Hermann Melvilles Moby Dick (1851). In der Folge „Bliss“ (5/14) trifft die Crew auf eine Lebensform, die näherkommenden Raumschiffen suggeriert, ein Wurmloch zu sein, das sie direkt an den Ort ihrer Wünsche bringt – im Fall von Voyager ist dies die Rückkehr zur Erde. Tatsächlich aber verschlingt das Alien seine Beute. Dabei trifft die Crew auf Qatai, einen alten ‚Haudegen‘, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, die Lebensform unschädlich zu machen. Qatai ist ähnlich wie Ahab besessen von der Lebensform und hat sein Leben deren Vernichtung verschrieben.92 Die Analogie zu Melville wird explizit

90 Das ethische Verhalten des Doktors wird auf den S. 152-160 näher beleuchtet. 91 Weitere Episoden, die sich mit Mythologie beschäftigen sind „Dragon’s Teeth“ (6/07) und „Endgame“ (7/25,26), beide beziehen Elemente der griechischen Sagenwelt mit ein. 92 Halbohm merkt an, dass Moby Dick in Star Trek mehrfach als Symbol der Rache verwendet wird, so z.B. auch in den beiden Spielfilmen Star Trek II: The Wrath of Khan (1982, Regie: Nichoals Meyer) und Star Trek VIII: First Contact (1996, Regie: Jonathan Frakes) vgl. Halbohm (2003, 168). Zu

58 ausgesprochen in einer Unterhaltung zwischen Qatai und dem Doktor, der ‚immun‘ gegen die Suggestionen ist und den Qatai deshalb anheuern möchte. Der Doktor jedoch erwidert: „An Ishmael to your Ahab? I’m a doctor not a dragon slayer.“ (37:07) Eine Vermischung von zwei Romanen aus dem 19. Jahrhundert findet sich schließlich in einem Holo-Roman, den Captain Janeway zur Unterhaltung spielt (in „Cathexis“, 1/13; „Learning Curve“, 1/16 und „Persistence of Vision“, 2/08). Hier werden Elemente aus den Romanen Jane Eyre (1847) von Charlotte Brontë und The Turn of the Screw (1898) von Henry James eingebaut. In diesem Holo-Roman spielt Janeway eine Gouvernante, die zwei Kinder beaufsichtigt und unterrichtet. Der Hausherr hütet ein dunkles Geheimnis, sie darf z.B. das oberste Stockwerk des Hauses nicht betreten. Die Atmosphäre ist dem Genre der gothic romance angepasst: Unter anderem werden Räume nur mit Kerzen beleuchtet und bei dramatischen Sentenzen blitzt es, und ein Donnergrollen ist zu hören. Solche literarischen Anspielungen geben den entsprech- enden Episoden einen ‚Trivial-Pursuit-Effekt‘ (vgl. S. 31 oben) und bringen zudem Abwechslung in die Serien-Routine. Hierbei wird mit Bildungs- und Kulturwissen gespielt und es wird herangezogen, um Situationen oder Figuren indirekt zu charakte- risieren. Dabei wird nicht nur auf das Science Fiction-Genre als Fundus zurück- gegriffen, sondern auch als Hochkultur etablierte Texte (wie Beowulf oder Moby Dick) werden verarbeitet und ‚popularisiert‘. Werden also, wie diese Beispiele zeigen, in Voyager diverse Wissensbereiche und -diskurse angesprochen, so dominiert doch der Bereich des naturwissenschaftlichen Wissens (s. Teil III),93 wie bei einer Science Fiction-Serie auch zu erwarten ist. Vor allem Themen aus dem Bereich des biologischen Wissens werden in der Voyager-Serie häufig aufgegriffen, denn sie werfen offensichtlich Fragen auf, die die Lebenswelt der Zuschauer tangieren. Zudem sind Ängste angesichts sich global verbreitender Infek- tionen in Betracht zu ziehen. Tödliche Vireninfektionen und Pandemien sind aufgrund von Globalisierung und Migrationsbewegungen eine präsente Gefahr, wie auch der mögliche Einsatz von Viren als Waffe bei Terrorakten.94 In der Serie bergen jeglicher

Analogien von Moby Dick und The Wrath of Kahn vgl. auch Kreitzer (1996, 23). 93 Zu naturwissenschaftlichem Wissen in Star Trek vgl. bspw. Athena Andreadis To Seek Out New Life: The Biology of Star Trek (1999), Robert und Susan Jenkins’ The Biology of Star Trek (1999), Laurence Krauss, The Physics of Star Trek (1995, Vorwort von Stephen Hawking) sowie Tolan (2003); zum Warpantrieb vgl. Müller (2003) und zu Wissenschaft allgemein vgl. Stefan Thiesens Trek Science: Mit Warp-Geschwindigkeit in die Zukunft? (2001). 94 Diese Thematik wurde auch in einigen populären Kinofilmen der späten 1990er Jahre behandelt: bspw. in Outbreak (1995, Regie: Wolfgang Petersen), 12 Monkeys (1995, Regie: Terry Gilliam), The Patriot (1998, Regie: Dean Semler), X-Files (1998, Regie: Rob Bowman) oder Virus (1999, Regie: John Bruno).

59 Kontakt mit fremden Spezies und Außenmissionen auf unbekannten Planeten biologische Risiken, wobei vor allem Vireninfektionen ein beliebtes Sujet sind. In der Episode „Macrocosm“ (3/12) zum Beispiel haben mutierte Makroviren ‒ visualisiert als riesige Quallen, die durch die Korridore der Voyager schweben ‒ die Crew außer Gefecht gesetzt. Der holografische Doktor kann in letzter Minute ein Gegenmittel entwickeln. In „Prophecy“ (7/14) wird ein Retrovirus mittels Stammzellen-Therapie bekämpft. Wissen aus dem Bereich der Biologie wird in den Episoden zudem oft mit medizinischem Wissen verknüpft. In „Phage“ (1/05) trifft die Voyager auf eine Spezies, die Vidiianer, die aufgrund einer Krankheit gezwungen sind, Organraub zu begehen. Die ‚Fresszellen‘, die für die Krankheit der Vidiianer verantwortlich sind, erinnern an das Ebola-Virus, das Mitte der 1990er Jahre für Schlagzeilen sorgte. Neelix wird das Opfer eines solchen Organraubs – ihm werden seine Lungen aus dem Körper herausgebeamt. Das medizinische Novum, das die Vidiianer errungen haben, ist die Manipulation ihres Immunsystems, damit die fremden Organe nicht von ihren Körpern abgestoßen werden. Dieses Novum hat bei ihnen dazu geführt, alle ethischen Bedenken gegen Organraub abzubauen. Wie dieser Überblick über die Breite der in Voyager verhandelten Wissens- themen zeigt, wird Wissen nicht nur aufgerufen sondern fast immer auch bewertet bzw. mit Wertfragen verknüpft. Wissen bedeutet für die Voyager-Crew Überleben in einem fremden Territorium und stellt zudem ein Gut dar, mit dem gehandelt werden kann, zum Beispiel im Tausch für benötigte Vorräte. Gleichzeitig bedeutet ein umfangreiches Wissen aber auch ein Risiko. Thematisiert wird dies in der Serie immer wieder anhand der Darstellung eines verantwortungslosen Umgangs mit Wissen.

3. „Boundaries That Shouldn’t Be Crossed“ ‒ Von der Gefahr des unbändigen Strebens nach neuem Wissen

Fortschritt ist mit Wissensgenerierung und Neugier des Forschens verbunden: Dies wird im Star Trek-Universum verdeutlicht durch den Ausspruch „to boldly go“. Bei der Einweihung eines neuen astrometrischen Labors der Voyager greift Janeway in ihrer Rede den Beginn des Prologs aus der Original Series verändert auf: „Space, the great unknown. Only now we’re going to know it a little better.“ („Year of Hell“, Teil I, 03:05). Die Überquerung der final frontier und die Erforschung des Unbekannten sind

60 prominente Motive der Star Trek-Philosophie, und hier deckt sich die Serie mit Aussagen von Wissenschaftlern, die die Suche nach dem Unbekannten als Antrieb für ihre eigene Forschertätigkeit benennen, wie etwa der Meeresbiologe Robert D. Ballard in einem Artikel im National Geographic: „Exploration is still the epic journey […]. To pass the test, be given the truth, and then come back and share the new wisdom.“ (in Vesilind 1998, 41) Diese Aussage lässt sich auf alle Bestrebungen zur Wissenser- weiterung anwenden, denn stets sind Wissenschaftler ‚auf der Suche‘ – nicht zwingend auf der Suche nach Wahrheit – aber nach Lösungen für die Probleme der Gegenwart sowie die antizipierten Probleme der Zukunft. Wissenserzeugung kann aber auch Risiken bergen, wobei sich dabei nicht nur der Wissenschaftler selbst in Gefahr bringt, sondern unter Umständen die ganze Menschheit. In Star Trek wird Wissen nicht nur als Faszinosum und Wissenserweitung als Herausforderung dargestellt. Unverantwortliches Verhalten von Seiten der Forscher wie auch rücksichtsloser Einsatz von Technologie werden immer auch ethisch bewertet und moralisch hinterfragt. Ein Gesetz, das in allen Star Trek-Serien ethischen Grenzüberschreitungen hinsichtlich der Weitergabe von Wissen entgegenwirken soll, ist die Oberste Direktive der Sternenflotte: „The Prime Directive prohibits Starfleet personnel and spacecraft from interfering in the normal development of any society.“ (Okuda/Okuda 1999, 385) Ein Beispiel für die Folgen unbedachter Weitergabe von Wissen wird in „Friendship One“ (7/21, Erstausstrahlung 25.04.2001) aufgezeigt. Hier stößt die Voyager auf eine Sonde, die im 21. Jahrhundert von der Menschheit mit viel Information über menschliches Wissen und Kultur („[…] information, translation matrixes, scientific and cultural databases. […] Computer chip designs, constructions to build receivers. It’s practically a how-to manual“, 03:44) ins All geschossen wurde und die um Freundschaft bei Außerirdischen werben sollte: „We, the people of Earth, greet you in a spirit of peace and humility. As we venture out of our solar system, we hope to earn the trust and friendship of other worlds.“ (00:05)95 Der Kontakt zu dieser Sonde war vor mehr als 130 Jahren abgebrochen. Janeway ist über die Möglichkeit der Bergung begeistert: „we’ll be retrieving a little piece of history“ (04:23). Jedoch wird diese Freude getrübt als die Crew einen Planeten erreicht, auf dem das in ‚Friendship One‘ enthaltene Wissen eine

95 Die Entsendung der Kapsel scheint an die zwei Voyager-Sonden der NASA angelehnt zu sein (vgl. ,Zugriff 17.02.2015), die seit 1977 im Weltraum auf Mission unterwegs sind. Beide Sonden transportieren eine sogenannte Golden Record mit vielfältigen Informationen zur Erde (vgl. ; Zugriff 17.02.2015).

61 nukleare Katastrophe ausgelöst hat, weil die Sonde u.a. Informationen über die Verwendung von Antimaterie enthielt. Der Crew der Voyager wird von Überlebenden der Katastrophe vorgeworfen, die Menschheit habe die Sonde absichtlich gesendet, um die Bevölkerung zu töten: „Your people sent us technology that they knew would destroy us.“ (17:24) Die Schlussfol- gerung, die Voyager-Crew sei nun gekommen, um den Planeten einzunehmen, wird dadurch unterstützt, dass die Crew die Ausrüstung besitzt, um sich vor der radioaktiven Strahlung zu schützen. Auch nachdem Janeway beteuert, dass sie nichts zerstören würden, was sie erobern wollten, bleiben die Bewohner des Planeten skeptisch. Die Wende setzt ein, als zwei der Einwohner, der Wissenschaftler Otrin und ein Neuge- borenes, von der Verstrahlung geheilt werden können, die Technologie der Voyager also humanitär eingesetzt wird. Letztlich gelingt es Otrin mit Hilfe der Voyager-Crew, eine Technologie zu entwickeln, die die Atmosphäre auf dem Planeten reinigt. Nach diesen Erfahrungen wird unter den Figuren der Voyager explizit über die Bedeutung und die Risiken von Forschung reflektiert:

Janeway: You can’t blame [our ancestors] for wanting to reach out. [...] Chakotay: The urge to explore is pretty powerful. Janeway: But it can’t justify the loss of lives, whether it’s millions ... or just one. (40:52)

In der Episode wird erwähnt, dass die Kapsel zu einem Zeitpunkt abgeschickt wurde, zu dem die Sternenflotte noch nicht existierte und es somit auch noch keine Oberste Direktive gab, deren Einhaltung oberstes Gebot während Außenmissionen ist. Die Oberste Direktive verbietet den Eingriff in jegliche Angelegenheiten einer Kultur, besonderes deren natürlichen Ordnung und Fortschritt. In diesem Sinne darf kein Kontakt mit Kulturen zustande kommen, die auf einem technologisch niedrigeren Stand sind als die Sternenflotte. In der Episode „Friendship One“ wird verdeutlicht, wie wichtig diese Direktive ist. Der nukleare Winter wurde durch Wissen über eine Technologie ausgelöst, die den Bewohnern fremd war und die sie deshalb nicht beherrschen konnten. Mit neuem Wissen zu experimentieren liegt jedoch in der Natur des Menschen. Die Begriffe, mit denen wissenschaftlicher Fortschritt diskutiert wird, sind Wissens- durst, Forschungsdrang und Neugier. In der gegenwärtigen Zeit erscheint nichts mehr unerreichbar, nichts mehr unmöglich. Dies ist auch ein Grund für die Wissenschaften, Forschung stets weiter voran zu treiben. Dennoch gibt es (öffentliche) Stimmen, die

62 fordern, dass einige Wissensbereiche verschlossen bleiben sollten. Star Trek: Voyager nimmt diese Dilemmas auf und diskutiert prominent auch ein dezidiertes Forschungs- verbot aufgrund möglicher unkalkulierbarer Risiken in der Folge „The Omega Directive“ (4/21, Erstausstrahlung 15.04.1998). Das Element Omega steht hier für ein unerreichbares Ziel von Wissensdrang, welches selbst die Borg noch nicht erreicht haben. Für sie, und damit auch für Seven an Bord der Voyager, steht Omega für absolute Perfektion. Allerdings ist das Omega-Molekül extrem gefährlich, weshalb das Wissen um dieses Molekül in der Sternenflotte streng reglementiert ist. Zudem gibt es einen Befehl, nämlich die Omega Direktive, dem jeder Raumschiffcaptain zu folgen hat: die sofortige Vernichtung des Moleküls, wenn die Scanner es ausfindig gemacht haben. Ausgehend von dieser Situation kommt es zu einer Konfrontation zwischen Janeway und Seven, als die Voyager auf das Element stößt. Die Gefährlichkeit von Omega wird in der Folge ausdrücklich erklärt:

[Omega, t]he most powerful substance known to exist. A single Omega molecule contains the same energy as a warp core. , a small chain of them could sustain a civilization. The molecule was first synthesized over 100 years ago by a Starfleet physicist named Ketteract. I think he was hoping to develop an inexhaustible power source […] Ketteract managed to synthesize a single molecule particle of Omega. But it only existed for a fraction of a second before it destabilized. (17:12)

Aufgrund seiner Instabilität ist Omega unberechenbar, bei der erwähnten Explosion starben die Wissenschaftler und weitere 126 Menschen. Allein der Verlust von Leben ist ein Grund, die Relationsfrage von Risiko und Nutzen zu stellen. Jedoch gefährdet eine Gesellschaft, die mit Omega experimentiert, nicht nur die eigene Existenz, sondern auch alle umliegenden Regionen in der Galaxis, denn eine weitere Auswirkung der verhee- renden Explosion waren Subraumrisse, die sich auf mehrere Lichtjahre hin ausdehnten. Dies bedeutet, dass in dieser Region Warpgeschwindigkeit nicht mehr möglich ist. Somit bestünde bei einer größeren Explosion die Gefahr, dass in der gesamten Galaxis die Raumfahrt um Jahrhunderte zurückgeworfen würde, quasi auf den Stand des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Als die Voyager-Crew einen Planeten entdeckt, auf dem mit Omega expe- rimentiert wird, trifft Captain Janeway, stellvertretend für die gesamte Galaxis, die weitreichende Entscheidung, das von der fremden Spezies synthetisierte Omega zu zerstören: „Omega is too dangerous. I won’t risk half the quadrant to satisfy our curiosity. It’s arrogant and it’s irresponsible. [Pause] The final frontier has some boundaries that shouldn’t be crossed.” (31:23) Das Raumschiff Voyager übernimmt

63 damit die Rolle der Weltraumpolizei, der sich die fremde Spezies in diesem Fall zu fügen hat. Das wissenschaftlich unethische Verhalten der Aliens wird mit der Zerstörung ihrer zivilen Forschungsarbeit bestraft, sie dürfen ihre Forschung nicht verteidigen oder rechtfertigen. Parallelen zu Situationen, in denen die USA immer wieder versucht haben Schwellenländer an der Entwicklung von Atomwaffen zu hindern, sind offensichtlich. Eine Verteidigung der Erforschung von Omega kommt allerdings von Seven, die der Meinung ist, dass der Befehl zur Zerstörung nur das Resultat der Angst und Ignoranz der Sternenflotte sei. Der Einschätzung des Risikos wird Wissensdrang gegenübergestellt und zwar in einer Weise, bei der die sonst immer rationale Seven stark emotional wird.96 Die Borg haben bereits mit Omega experimentiert und sind trotz der Opfer – „29 vessels, 600.000 drones. But that is irrelevant.“ (09:08) – nicht gewillt, die Erforschung des Omega-Moleküls aufzugeben, weil es für sie ein Ideal darstellt. Durch Sevens Trauer über den Verlust von Omega am Schluss der Episode wird auch Sympathie für Wissensdrang geweckt. Dies wird durch den Einsatz filmischer Strategien erreicht, die beim Zuschauer Empathie auslösen sollen: Zum einen zoomt die Kamera auf Sevens Gesicht und endet in einem close-up, und zum anderen wird die Szene durch Streichmusik musikalisch untermalt. Damit wird zumindest indirekt deutlich, dass der Position der Sternenflotte andere Sehweisen gegenübergestellt werden können. Es wird allerdings nicht thematisiert, welche Auswirkungen die Vernichtung des Forschungsmaterials einer anderen Spezies auf deren Gesellschaft hat. Auch von einer Kompensation für diese Spezies wird nicht gesprochen. Die dadurch entstehende Ambivalenz über die Diskussion von Forschungsethik wird in dieser Episode nicht aufgelöst. In „Friendship One“ und „The Omega Directive“ wird ethisches Verhalten explizit in Verbindung mit Wissenserzeugung, -verwendung und -weitergabe gesetzt. Wissen wird dabei aber auch als Faszinosum dargestellt, dem sich die menschliche Neugier nicht entziehen kann. Das ‚ethische Dilemma‘ beim verantwortungsvollem Umgang mit potentiell gefährlichem Wissen ist ein dominanter Topos in der Science Fiction und wird auch in Star Trek: Voyager häufig aufgegriffen. Aufgrund der zentralen Position dieses Themas wird es im folgenden Teil im Detail analysiert.

96 In dieser Episode ist das Verhalten von Janeway und Seven ins Gegenteil zum üblichen Verhalten ver- kehrt, denn Janeway entscheidet hier rational und nach Protokoll, wohingegen Seven aufgrund ihrer Emotionen eine andere Vorgehensweise favorisiert.

64 III. Wissenschaftsethos und Grauzonen ethischen Handelns

Wissenschaft und Technik hatten versagt. Die Natur hat die Menschheit gerettet!97

Der Fortschrittsgedanke ist seit der Aufklärung und der industriellen Revolution stark in den Vordergrund getreten.98 Über die Zeit haben Forschung und Entwicklung einen prominenten Status in jeder modernen Gesellschaft errungen und sind aus wirt- schaftlicher Sicht unabdingbar, wie z.B. Nida-Rümelin feststellt: „Da moderne Industriegesellschaften eine wissenschaftlich-technisch gestützte Zivilisation aufgebaut haben, ist der Wirkungskreis wissenschaftlicher Forschung und ihrer Anwendung heute immens.“ (2005c, 843) Die Abstände zwischen Berichten über bahnbrechende Erken- ntnisse und Erfindungen werden stetig geringer. Jedoch liegt dies nicht allein an der Verbesserung der Forschungsbedingungen durch technologischen Fortschritt, sondern ist auch der veränderten Wissenskultur (vgl. S. 5f) sowie der Präsenz der Medien in der Lebenswelt geschuldet. Im 20. Jahrhundert wurden weitreichende Errungenschaften erzielt: bspw. die erste Mondlandung und folgende Forschungsmissionen ins All; immense Fortschritte in der Entwicklung von künstlicher Intelligenz; die Entwicklung des Internets sowie dessen rapides Wachstum und auch die rasante Entwicklung im Bereich der Computerhersteller. Eine große Medienaufmerksamkeit erhält auch die Gentechnik, durch den Start des Human Genome Project im Jahr 1990 und das erste erfolgreiche Klonen eines Säugetiers, des Schafes Dolly, im Jahr 1997.99 Als zeitliche Zäsur wurde der Millenniumswechsel von den Medien als Anlass genutzt, um über wissenschaftliche und technologische Themen zu reflektieren sowie Fortschritt und dessen Nutzen zu diskutieren. „The great discoveries of the century are justly celebrated in the mass media – in a host of popular books, TV documentaries and magazine and newspaper articles.“ (Turney 1998, 2) Das Time Magazine veröffentlichte

97 Voice-over Zitat am Ende der deutsch-synchronisierten Fassung von Byron Haskins Verfilmung von H.G. Wells’ War of the Worlds aus dem Jahre 1953; das englische Original lautet: „After all that man could do had failed, the Martians were destroyed and humanity was saved by the littlest things which God, in his wisdom, had put upon this earth.“ (1:24:49) Der religiöse Kontext der Rettung wird durch Läuten der Kirchenglocken und das Singen eines Kirchenlieds unterstrichen – die englische Version endet mit einem gesungenem „Amen“. 98 „The period of ascendency of scientific materialism – an ideology justifying scientific research as intrinsic to the meaning and purpose of human existence – began with the technological triumphs of erosion of traditional religious beliefs caused by the Industrial Revolution“ (Parrinder 1995, 128). 99 Das Schaf wurde zwar bereits 1996 geboren, die Öffentlichkeit wurde aber erst im Februar 1997 darüber informiert vgl. S. 86.

65 fünf Spezialausgaben mit einer Sektion „Visions 21“, die sich mit dem Fortschritt in mehreren Bereichen auseinandersetzte: darunter bspw. eine Spezialausgabe zu „The Future of Technology“ (19. Juni 2000), in der mehrere Zukunftstechnologien kritisch diskutiert wurden (vgl. 1.4 unten), sowie eine Spezialausgabe zum Thema „Science and Space“ (10. April 2000), in der es primär um Fragen über die Zukunft von Forschung ging.100 Einige Artikel des letztgenannten Extrateils beschäftigten sich mit möglichen Entdeckungen, die im 21. Jahrhundert bevorstehen könnten: Werden wir auf dem Mars leben? Werden wir E.T. treffen? Werden wir einen Dinosaurier klonen? Werden wir das Wetter kontrollieren? Werden wir durch die Zeit reisen können – vorwärts oder rück- wärts? Ebenso veröffentlichte Scientific American im Dezember 1999 eine Spezial- ausgabe, ein End of the Millennium Special, die der Frage gewidmet war, welches Wissen im Jahr 2050 erschlossen sein wird. Die Artikel beschäftigen sich mit den Themen „The Human Impact on Climate“, „Deciphering the Code of Life“ (über den Stand des Human Genome Project), oder – ähnlich wie in Time – mit populär-wissen- schaftlicheren Fragestellungen wie „Can Human Aging Be Postponed“ oder „Is there Life Elsewhere in the Universe“. Diese Auflistung verdeutlicht bereits, dass im öffent- lichen Diskurs Entstehung, Umgang und Verwendung von Wissen und Technologie erörtert, diskutiert und bewertet werden. Dabei erhalten mögliche ethische und moralische Grenzüberschreitungen innerhalb der Forschung viel Beachtung; das aktuellste Beispiel ist auch hierfür u.a. die Gentechnik. Die Aktualität dieses Themas lässt sich anhand des Anstiegs seiner Verar- beitung in der Science Fiction-Literatur des ausgehenden 20. Jahrhunderts festmachen. Eine kurze statistische Auswertung von Science Fiction-Romanen, die Gentechnologie als Thema diskutieren zeigt, dass für das Jahr 1997 ein kleiner Anstieg zu den Vorjahren an Erscheinungen zu verzeichnen war (42 Titel).101 Eine signifikant höhere Anzahl an Science Fiction-Romanen mit Fokus auf Gentechnologie lässt sich im Jahr 1999 (58 Titel) beobachten. In den folgenden Jahren verstärkte sich der Trend noch: 2000 – 67 Titel; 2001 – 74 Titel; 2002 – 81 Titel.102 Auch in populären Kinofilmen werden die Manipulation von DNA und die dadurch entstehenden, meist negativen Folgen verstärkt

100 Die anderen Themengebiete waren „Our Health, Our Planet“ (8. November 1999), „How We’ll Live in the Future“ (21. Februar 2000) und „Our Work, Our World“ (22. Mai 2000). 101 Durchgeführt wurde die Stichprobe auf der Intenetseite www.scifan.com mit dem Schlagwort ‚genetic engineering‘ – 1994 waren es noch 33 Titel, 1995 waren es 32 Titel und im Jahr 1996 27 Titel. Insgesamt listet die Seite 1.055 Bücher unter diesem Stichwort (Stand 2011). 102 1998 war sogar ein leichter Rückgang zu verzeichnen mit nur 34 Titeln. Im Jahr 2009 war die Titelmenge mit 32 Titeln wieder etwas niedriger.

66 aufgegriffen.103 Ein Film, der stets im Zusammenhang mit Gentechnologie und Selektion genannt wird, ist Gattaca (1997). In diesem Film wird Eugenik praktiziert: Mittels Prä-Implantations-Diagnostik werden Eizellen vor der Einpflanzung in den Uterus selektiert, um zu gewährleisten, dass die Kinder, sogenannte ‚valids‘, nur die besten Anlagen der Eltern erben. Diejenigen, die auf natürlichem Wege gezeugt werden, sind sogenannte ‚in-valids‘.104 Entsprechend der Erbanlagen wird die Gesellschaft hierarchisiert, ‚in-valids‘ werden diskriminiert. Die Diskriminierung des durch Klonen, Genmanipulation oder natürliche Mutation ‚Anderen‘ wird in diesen populären Aufbereitungen von Gentechnologie als ethischer Kommentar herangezogen.105 Das Science Fiction-Genre bietet gerade für Überlegungen zur Verantwortung von Forschung ein breites Feld an Möglichkeiten, wie bereits die Besprechung der Star Trek: Voyager-Episode „The Omega Directive“ im vorangegangenen Kapitel verdeut- licht. Im Prinzip ist fast jeder Episode von Star Trek ein ethischer Unterton inhärent und somit ständig präsent, wie auch Andrea zur Nieden festgestellt hat: „Jede Folge liefert eine kleine Unterrichtseinheit in praktischer Ethik.“ (2003, 8)106 Im Folgenden werden zumeist grundlegende Kategorien aus dem Spezialdiskurs der Angewandten Ethik und deren Korrelation mit Darstellungen von Wissenschaft und Technologie im öffentlichen Diskurs (anhand der ausgewerteten Zeitschriften) vorgestellt. Dabei wird ein Fokus auf drei Themenbereiche gelegt: die Person des Wissenschaftlers, die Gentechnologie sowie die Rechte von künstlichen Intelligenzen, auf die sich anschließend ebenfalls die Analyse der Voyager-Episoden konzentriert.

103 So z.B. in Jurassic Park (1993, Regie: Steven Spielberg; Roman 1990), der Komödie Multiplicity (1996, Regie: Harold Ramis) oder den Science Fiction-Thrillern Species (1995, Regie: Roger Donaldson) und Species II (1998, Regie: Peter Medak). 104 Ein doppeltes Wortspiel, da ‚in-valids‘ nicht nur ‚ungültig‘ durch die Art und Weise ihrer Zeugung sind, sondern auch als Invalide im Sinne einer Behinderung angesehen werden können. Der ethische Kommentar zu dieser Haltung ist in der Umkehrung des Wortspiels enthalten – der genetisch ‚valide‘ Eugene Morrow ist seit einem Unfall behindert – also ein Invalide –, steht im hierarchischen System aber über dem ‚invalid‘ Vincent Freeman, der die DNA von Eugene mit dessen Einverständnis nutzt, um Astronaut zu werden. Mit seiner wahren genetischen Identität wäre es Vincent unmöglich, in der Gesellschaft anerkannt zu werden. 105 Helden wider Willen, die durch Veränderung ihrer DNA Superkräfte erlangen und gezwungen sind, anonym zu bleiben, sind bspw. die Comichelden Spider-Man und Hulk. Die Helden der Comicserie X- Men sind Menschen mit natürlicher Mutation, hervorgerufen durch einen Evolutionssprung, die getrennt von den ‚normalen‘ Menschen leben und von diesen nur als ‚Freaks‘ angesehen werden, die dringend Heilung benötigen. 106 Zur Nieden untersucht in ihrer Studie primär Episoden aus TNG, die Aussage trifft jedoch auch auf die Voyager-Episoden zu.

67 1. Wissenschaftsethisches Verhalten in der öffentlichen Wahrnehmung

Ethics is the systematic and analytic treatment of human actions and their consequences, including considerations of character and motive. (Easterbrook 2009, 382)

Die Wissenskultur des ausgehenden 20. Jahrhunderts zeichnet sich u.a. durch die breite Verhandlung von ethischen Debatten in der Öffentlichkeit aus. Die Medien bilden dabei ein Kommunikationsforum für die Parteien der Wissenserzeuger ebenso wie für die Bevölkerung. Aufgrund der stetigen Zunahme von Wissen ist ein Aushandlungsprozess unabdingbar:

Aufgrund der Komplexität und Unsicherheit des Handelns in technischen Zivilisationen kommt es zu einem Anwachsen der vermittelten Informationen und des Wissens, zu einer anwachsenden Laieninkompetenz und zu einem größeren Bedarf an Expertenkompetenz als spezifischer Form der Komplexitäts- und Unsicherheitsbewältigung. (Irrgang 2005, 664)

Die hier erwähnte „Laieninkompetenz“ kann zu einer generellen Skepsis gegenüber Wissenschaft und Forschung führen, die auf die Forscherinnen und Forscher zurück- wirken kann (vgl. Nida-Rümelin 2005c, 843). Um dieser Skepsis entgegenzuwirken, öffnen sich die Wissenschaften nach außen und informieren die Öffentlichkeit über laufende und geplante Forschungsprojekte. Nida-Rümelin fordert aufgrund des wechsel- seitigen Einflusses von Wissenschaft und Gesellschaft eine „Stützung durch Ethos- normen“, zu denen er die Informationspflicht zählt, um eine Basis für Aushand- lungsprozesse zu schaffen (ibid., 846). Die Öffentlichkeit hat ein Recht auf Information und auch auf Mitsprache, welches ebenfalls in der monetären Abhängigkeit der Wis- senschaft begründet liegt,107 somit müssen Forschungsvorhaben und -ergebnisse öffent- lich mitgeteilt werden:

Da sich Wissenschaft nur zu einem geringen Teil über den Markt finanziert und im übrigen den Charakter eines kollektiven, d.h. unteilbaren und öffentlichen Gutes hat, ist sie ein Produkt, das von der Gesamtheit der Bürgerschaft finanziert und produziert wird und daher legitimer Gegenstand öffentlicher Beurteilung ist. (Ibid.)

Nida-Rümelin erachtet den öffentlichen Diskurs, vor allem aufgrund der rasanten Weiterentwickelung der Technologien, als ein bedeutendes Forum der Wissenschafts- kommunikation.

107 „‚Gute‘ Ethik muss […] die ökonomische und ebenso naturwissenschaftliche Dimension in die Argumentation mit einbeziehen“ (Nida-Rümelin 2005d, 180).

68 In einer aufgeklärten Gesellschaft werden diese Veränderungsprozesse durch einen öffentlichen Diskurs begleitet, der nicht nur von reflektierten Argumenten, sondern auch von Interessensstandpunkten – der Politik, der Ökonomie etwa – durchzogen ist. (2005d, 182)

Als eine Form des öffentlichen Diskurses führt Ott bspw. die Bemühungen der Arbeiter- bewegungen an. Diese etablierten sich bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als mahnende Fraktion der Öffentlichkeit, die angesichts des großen sowie schnellen technologischen und wissenschaftlichen Fortschritts ihre Arbeitsplätze gefährdet sah (vgl. Ott 2005, 574). Dennoch war die Mehrheit der Bevölkerung vom positiven Wert des technischen Fortschritts überzeugt. So brachten neue Technologien und Errungen- schaften den Fortschrittsoptimismus in Schwung, wie bspw. die Erfindung des Automobils zu Beginn des 20. Jahrhunderts oder der Einzug des Fernsehens in private Haushalte in den 1940er und 1950er Jahren. Diese Einstellung veränderte sich, so Ott, mit dem Beginn des Ersten Weltkriegs und dem erstmaligen Einsatz von Giftgas, das zwar nach dem Krieg verboten, aber dennoch, getarnt als Schädlingsmittelbekämpfung, weiterentwickelt und später in den Konzentrationslagern der Nazis und im Vietnamkrieg erneut verwendet wurde (vgl. ibid., 576). Die Häufung negativer Auswirkungen von wissenschaftlichem und techno- logischem Fortschritt, zu denen auch die Entwicklung der Atombombe und deren Abwurf auf Hiroshima und Nagasaki zählt, brachte den Fortschrittsoptimismus in der öffentlichen Meinung immer wieder zum Stocken. So lässt sich ab 1945 eine Zäsur hinsichtlich des Empfindens über verantwortungsvollen Umgang mit wissenschaft- lichem Wissen feststellen. Roslynn Haynes beschreibt stellvertretend dafür z.B. die Bemühungen von Albert Einstein und J. Robert Oppenheimer, die Öffentlichkeit über die Gefahren von nicht kontrollierter Forschung, vor allem der Atomforschung, aufzuklären.108 Diese Warnungen wurden zunächst jedoch nicht ernst genommen, erst mit Beginn des Kalten Krieges wurde das Thema wieder aktuell:

To the popular mind [international control of atomic energy] seemed either naïve or, in the face of growing fears about the spread of communism, irresponsible and dangerous. When, in 1949, the Soviet Union exploded its first nuclear weapon, the American reaction was one of panic. Having ignored the scientists’ warnings that the knowledge gap was not fixed but an ever-diminishing variable, the public immediately assumed that scientists 108 Vgl. dazu auch Resnik (1998, 146) und Schweidler (2006b, 307). Parrinder kommentiert den Einfluss auf das Science Fiction-Genre folgendermaßen: „Disillusionment spread very swiftly after the atomic bombs were dropped on Hiroshima and Nagasaki in 1945. Not only did scientists in the early Cold War years respond to the growth of the military-industrial complex with a campaign to enlighten the public about dangers of nuclear energy, but so many ‚atomic doom‘ stories appeared in the science fiction magazines that by 1948 John W. Campbell felt obliged to tell his writers that such stories were no longer wanted“ (1995, 145).

69 were not to be trusted with their own discovery, since they might be harboring treacherous internationalist thoughts. (Haynes 1994, 256)

Infolgedessen stellte sich eine neue Herausforderung für die Gesellschaft nicht nur hinsichtlich des Umgangs mit sondern auch der Überwachung von Wissen.109 In diesem Zusammenhang ist die Disziplin der Wissenschaftsethik als eine Aufforderung zur „wissenschaftlichen Reflexion“, vor allem in Reaktion auf die Geschehnisse im Zweiten Weltkrieg, zu deuten; weiter spezifiziert wurde das Gebiet in den 1970er Jahren (Schweidler 2006b, 307). Die Wissenschaftsethik beschäftigt sich mit Fragen 1) hinsichtlich der moralischen Verantwortung von Forschung und 2) Fragen in Bezug auf Besitz, Kontrolle und Nutzung von Wissen, sowie 3) über Konsequenzen wissenschaft- licher Schnittstellen von Politik und Militär als auch 4) Fragen bezüglich der Angst vor Degeneration der Spezies Mensch durch Mutationen (vgl. Haynes 2003, 252). Mitte des 20. Jahrhunderts wurde der Bereich der Angewandten Ethik einge- führt, der den komplexeren Fragestellungen zu ethischem Verhalten und dem Bedürfnis nach mehr Forschungsnähe Rechnung tragen sollte (vgl. Nida-Rümelin 2005b, 66 sowie Thurnherr 2000, 16f). Der Bereich der Angewandten Ethik ist aufgeteilt in spezielle Bereichsethiken für die verschiedenen Wissenschaftsgebiete wie z.B. Tierethik, Um- weltethik, Medizinethik, Wissenschaftsethik, Genethik und Technikethik.110 Letztere erörtert „[d]ie apokalyptischen Potentiale der atomaren Hochrüstung und die groteske Allokation von Ressourcen in den militärisch-industriellen Komplexen der sog. Supermächte“ (Ott 2005, 588). Dabei wird vor allem das Paradoxon diskurtiert, „daß die Menschheit mit den atomaren Waffen über technische Machtmittel verfügt, deren Einsatz das Überleben des Spezies ernsthaft bedrohen würde“ (ibid., 589). Im Folgenden sollen Grundlagen aus dem Bereich der Wissenschaftsethik angesprochen werden, die für die spätere Analyse der Voyager-Episoden von Bedeutung sind.

109 „Es entspricht dem Ethos der Aufklärung, Wissen allgemein zugänglich zu machen und die Verant- wortung für den richtigen Umgang mit diesem Wissen nicht in toto bei denen zu belassen, die dieses Wissen erarbeitet und zur Verfügung gestellt haben“ (Nida-Rümelin 2005c, 850). 110 Vgl. Höffe (2008, 19), Nutzinger (2006, 9) und Vieth (2006, 55). Generelle Einführungen zum Thema Angewandte Ethik bieten z.B. Knoepffler/Schipanski/Sorgner (2005), Nida-Rümelin (2005a), Thurnherr (2000) sowie Vieth (2006). Zur Begriffserklärung Technikkritik und Technikethik vgl. bspw. Kunzmann (2006, 249).

70 1.1 Grundgedanken der Wissenschaftsethik

Die Wissenschaftsethik gewinnt im Zuge der immer weiter zunehmenden Technisierung der Lebenswelt stetig an Bedeutung.111 Die zentrale Frage wissenschaftsethischer Dis- kussion ist die Nutzen-Risiko-Abwägung: In welchem Maße sind Risiken bei der Verfolgung einer vielversprechenden, neuen Technologie gerechtfertigt? Der Bereich der Wissenschaftsethik thematisiert

die spezifische ethische Verantwortung der Forschung, und zwar sowohl unter dem Blickwinkel der Forschenden und der Forschergemeinschaften wie auch unter dem der gesamten Bedingungen, unter denen in modernen gesellschaftlichen Systeme wissen- schaftliche Forschung handlungsleitende Bedeutung gewinnt. (Schweidler 2006b, 307)

Dabei kann die Wissenschaftsethik aber nicht direkt auf Gesetze o.ä. einwirken, sondern Theoretiker des Bereiches können lediglich durch Mitwirkung in Ethik-Kommissionen und anderen Gremien beratend tätig sein oder in den Medien auf Sachverhalte aufmerksam machen. Das in diesem Bereich propagierte Ethos der Wissenschaften „ergibt sich aus der Natur des wissenschaftlichen Denkens und Handelns als der methodischen Suche nach allgemein verbindlicher, allgemein überprüfbarer und daher notwendigerweise auch allgemein zugänglicher Wahrheit“ (ibid., 311). Dabei wird nicht nur der Weg zur Erlangung von neuem Wissen ethischen Normen unterworfen, sondern auch die Anwendung des neuen Wissens. Wer trägt für die Anwendung und Verbreitung von Forschungsergebnissen die Verantwortung: der Wissenserzeuger, der Distributor des Wissens oder der Endverbraucher? Die Gründe dafür, dass „das gesellschaftliche Subsystem Wissenschaft“ nicht die Alleinverantwortung übernehmen kann, sieht Nida- Rümelin in der zunehmenden Spezialisierung der einzelnen Fachbereiche und der Komplexität der vorhandenen Methoden und Technologien, so dass ein Wissenschaftler allein kaum noch Forschung betreiben und noch weniger die Verbreitung und Nutzung der Forschungsergebnisse überprüfen kann (2005c, 843).112 Einen anderen Standpunkt vertritt Schweidler, der die Verantwortung deutlich auf Seiten der Wissenserzeuger sieht:

Trotzdem gehört es zu den strukturellen Rationalitätsbedingungen wissenschaftsethischer Reflexion, dass die wissenschaftlich tätige Person der unrelativierbare Träger der Verant- wortung für die Gewinnung und Verwendung der Forschungsergebnisse ist und bleibt. (2006b, 308)113

111 Gotthard Bechmann verweist allerdings darauf, dass bereits seit der Erfindung des Buchdrucks ein nahender Jahrhundertwechsel stets eine „Ethikwelle“ ausgelöst hat (1993, 213). 112 Vgl. dazu auch Nutzinger (2006, 8). Für Patzig begründet sich hierin ein Dilemma für die Bewertung von Forschungsergebnissen (vgl. 1993, 35).

71 Schweidler setzt auf das Gewissen der „wissenschaftlich tätigen Person“ als restriktives ‚Instrument‘ wissenschaftlichen Handelns und betont, dass diesbezüglich nicht nur auf die Gesetzgebung und soziale Konventionen vertraut werden sollte:

Gerade die Betonung des Gewissens als letzter Instanz der wissenschaftlichen Verantwortung begrenzt nicht nur mögliche Ansprüche des soziokulturellen Umfeldes an die wissenschaftlich tätige Person, sondern auch umgekehrt den Umfang, in dem diese aufgrund der Ergebnisse ihrer Forschung legitimer Weise Orientierungs- und Ge- staltungsmacht gegenüber den Lebensformen ihrer Mitmenschen beanspruchen können. (Ibid., 309)

Die Wissenschaft kann nur dann auf ihre Autonomie pochen, wenn sie auch bereit ist, die Gesamtverantwortung für die Verwendung der Forschungsergebnisse zu über- nehmen. Dies nennt Nida-Rümelin das „Ethos wissenschaftlicher Verantwortung“, d.h. der Forscher ist nicht mehr nur für seine Forschung direkt ethisch verantwortlich („Ethos epistemischer Rationalität“), sondern auch für die Folgen (2005c, 845).114 Dem stimmt Schweidler zu und sieht ein ‚Ethos wissenschaftlicher Verantwortung‘ im Sinne Nida-Rümelins „als Basis des vernünftigen Zusammenlebens und der Berechenbarkeit der Lebensverhältnisse“ (Schweidler 2006b, 305). Die Folgenabschätzung von neuen Forschungsergebnissen und technischen Neuerungen wird allerdings durch das Zusammenspiel mehrerer Faktoren erschwert.

Die Umsetzung wissenschaftlicher Forschungsergebnisse in technische, ökonomische und gesellschaftliche Praxis ist Ergebnis kollektiven, korporativen und institutionellen Handelns, zu dem die einzelne Wissenschaftlerin und der einzelne Wissenschaftler einen minimalen, in vielen Fällen kausal irrelevanten, jedenfalls in der Regel in keiner Weise abschätzbaren Beitrag leisten. (Nida-Rümelin 2005c, 855)

Die kollektive Verantwortung wird zum größten Teil durch Gesetze und Gebote gewahrt (z.B. Unantastbarkeit der Menschenwürde oder das Tierschutzgesetz);115 ein weiterer Teil wird abgedeckt durch Ethikkommissionen, die bestenfalls „nicht nur prohibitiv, sondern auch initiativ wirken können“ (ibid., 855f). Ethikkommissionen sind in der westlichen Welt heute etabliert und weitest- gehend institutionalisiert.116 Deren Gründung trifft laut Schöne-Seifert zeitlich

113 Auch Nutzinger sieht die Notwendigkeit einer „Sensibilisierung“ der Wissenschaftler und Wissen- schaftlerinnen im Hinblick auf die mögliche Verwendung ihrer Forschungsergebnisse (2006, 9). Zur Verantwortung des Wissenschaftlers vgl. auch Spinner (1985, vor allem Kapitel V). 114 Nida-Rümelin fordert diese erweiterte Ethik aufgrund der Involvierung von Wissenschaftlern in der Herstellung von Massenvernichtungswaffen als auch deren Beteiligung an der Zerstörung des ökologischen Gleichgewichts, das den menschlichen Lebensraum bedroht (vgl. 2005c, 844f, ebenso Kunzmann 2006, 253). 115 Vgl. hierzu auch Schweidler (2006b, 312f). 116 Bechmann deutet dies als Zeichen, dass die „ethische Reflexion nicht ganz brotlos bleibt“ (1993, 213). Die erste Ethikkommission wurde in den USA im Zuge der Modernisierung der Medizinethik

72 zusammen mit der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung sowie einer Häufung von Medienberichten zu unethischen Humanexperimenten, auf die die Öffentlichkeit schockiert reagierte (vgl. 2005, 694). Die Aufgabe von Ethikkommissionen ist u.a. die „Vorabbeurteilung von Humanexperimenten“, wobei sie

die „objektiv“ akzeptable Nutzen-Risiko-Bilanz der von ihnen befürworteten Forschungs- vorhaben gewährleisten und andererseits begutachten, ob eine hinreichende Aufklärung des Probanden über Zweck und Methode, Chancen, Risiken und Versicherungsschutz vorgesehen ist. (Ibid., 747)

Des Weiteren haben Ethikkommissionen Standards für die medizinische Versorgung aufgestellt und an der Stärkung der Patientenautonomie mitgewirkt. Ebenso hat die Medizinethik – deren Tradition die bis in die Antike zurückreicht – im Zuge der Moder- nisierung eine Erweiterung erfahren: Es ist mittlerweile üblich, von biomedizinischer, bzw. Bioethik zu sprechen, „die überhaupt mit menschlichen Eingriffen oder Eingriffs- möglichkeiten in Zeugungs-, Lebens- und Sterbeprozesse zu tun ha[t].“ (Ibid., 692) Die Bioethik deckt somit diejenigen Forschungs- und Therapiebereiche ab, die bspw. mit Gentechnologie, Sterbehilfe und der Bestimmung des Todeszeitpunkts zu tun haben.

1.2 Fiktionale Wissenschaftler-Stereotype – ein kurzer Überblick

In der Debatte um ethische Verantwortung steht, wie auch die oben angeführten Zitate zeigen, die Figur des Wissenschaftlers im Vordergrund – ohne den Erfinder/Entdecker gibt es keine Neuerungen, ohne Forschung und Fortschritt keine neuen potentiellen Risiken. Dabei wird sowohl in den wissenschaftlichen als auch in den öffentlichen Ver- handlungen häufig auf Wissenschaftlertypen verwiesen. Zur Genese solcher ‚typischen‘ Bilder haben fiktionale Darstellungen in Literatur und Film wesentlich beigetragen. Diese fiktionalen Wissenschaftler haben sich zu stereotypen Charakteren verdichtet, auf die häufig zurückgegriffen wird, um Positionen gegenüber der Forschung zu ver- deutlichen.117 So wird, wie oben bereits erwähnt, der Frankenstein-Mythos oft bemüht, um mögliche Gefahren von Forschung und vor allem ungebremsten Forscherdrang prägnant hervorzuheben.118 Das Gefährliche in der Figur des Viktor Frankenstein sehen

gegründet. Weitere Fortschritte daraus waren die Einführung der Medizinethik als Unterrichtsfach sowie die Gründung des Hastings Centers im Jahr 1969 und des Kennedy Institute of Ethics im Jahr 1971, der „beiden bis heute einflußreichsten Institutionen auf diesem Gebiet“ (Schöne-Seifert 2005, 696). 117 Vgl. Kapitel I.3.3. 118 Die Gier nach neuem Wissen wird allerdings bereits in weitaus älteren Mythen illustriert, wie bspw. dem Mythos über die Büchse der Pandora, dem Prometheus-Mythos oder der Legende des Dr. Faust (vgl. Haynes 1994, 93).

73 Junge/Ohlhoff vor allem in seinem Idealismus, der ihn antreibt, das Unmögliche zu schaffen (vgl. 2004, 12). Frankenstein will aber nicht nur sein Wissen erweitern, sondern er will, ähnlich wie Faust, durch das neue Wissen Macht erlangen (vgl. Haynes 1994, 96). Viktor Frankenstein befindet sich nach der Erschaffung seiner Kreatur in einem ethischen Dilemma, wobei schon die Erschaffung selbst ethisch und moralisch frag- würdig ist. Dementsprechend wird das Stereotyp meist in Zusammenhang mit naturwis- senschaftlicher Forschung gebracht, sobald eine neue Entdeckung das soziale Gleich- gewicht zu bedrohen scheint:

Just when scientists were beginning to redeem their image by reinventing themselves as ‚green,‘ delivering the planet from the poisons developed by industrial chemistry, biologists have fallen into the moral depths – again. According to the media, Victor Frankenstein is alive and well, preparing polio viruses for germ warfare, delivering genetically engineered vegetables, cloning sheep, cows, human babies, and anything you care to nominate. (Haynes 2003, 243)

Durch die Verbindung der ‚realen‘ Wissenschaftler mit dem ‚fiktiven‘ Wissenschaftler Viktor Frankenstein soll vor allem der „blasphemische Eingriff in die Schöpfungsge- schichte“ („Wissenschaft als Metapher“) hervorgehoben werden.119 Seine Einmischung in göttliche Gesetze, sprich die Erschaffung von Leben, ist letztlich der Grund für Viktor Frankensteins Unglück und Untergang.

Science, in this Gothic melodrama, stands accused of perverting the awesome power of natural forces to ungodly ends. Frankenstein’s researches do irreparable damage to himself and his family, and his last words are a warning against the ambition of distinguishing oneself in science and discoveries. (Parrinder 1995, 129)

Seine Hybris lässt Frankenstein zum Außenseiter werden, er vernachlässigt Freunde und Familie, und seine Isolation von der Gesellschaft lässt Haynes zu der Schlussfolgerung kommen, dass Frankenstein und seiner Kreatur moralisches Wertgefühl fehlen, weil sie eben nicht in die Gesellschaft integriert sind (vgl. 1994, 97f). Die Analogie zum Frankenstein-Stereotyp wird also herangezogen, wenn die Hingabe zum Forschen auf Kosten von humanistischen Werten erfolgt (vgl. Tudor 1989a, 137). Die andauernde Konjunktur des Frankenstein-Stereotyps liegt darin begründet, dass Wissenschaftler sich immer noch weitestgehend ‚isolieren‘ und die heutige Gesellschaft dem Streben nach neuem Wissen eher ambivalent gegenübersteht. Die generelle Charakterisierung des Wissenschaftlers als ‚Sonderling‘ wird begünstigt durch

119 Dies zeigt sich auch bei den Zeitschriftenartikeln, die für diese Untersuchung analysiert worden sind vgl. dazu S. 86.

74 den Ort des (naturwissenschaftlichen) Forschens, das Laboratorium. Es schottet den Wissenschaftler von der Außenwelt ab, damit dieser einerseits in Ruhe forschen, aber andererseits auch seine Ergebnisse unter Verschluss halten kann. Diese ‚Geheimnis- krämerei‘ und eine für Laien oft schwer verständliche Fachsprache tragen dazu bei, die (angebliche) Andersartigkeit von Wissenschaftlern hervorzuheben. Dabei ist die Präsen- tation von Wissenschaft nicht zwangsläufig auf die negative Sichtweise beschränkt: „Die Reflexion der Populärkultur über Wissenschaft und ihre Akteure umfassen die gesamte Spannbreite von radikaler Ablehnung bis zur verbeugenden Affirmation.“ (Junge/Ohlhoff 2004, 17) Vor allem in populären Kulturprodukten wird das Stereotyp des Mad Scientist herangezogen, um Unbehagen und/oder Ängste vor einer Wissenschaft hervorzuheben, die sich dem allgemeinen Verständnis entzieht.120 Wie bereits angemerkt, spiegelt die Figur des Wissenschaftlers in populären Fiktionen die in der Öffentlichkeit gegenüber den Wissenschaften allgemein vorherr- schende ambivalente Wahrnehmung wider (vgl. Tudor 1989a, 155-157 sowie Mulkay 1996, 159; vgl. auch Kap. I.3.4 oben). Vor allem Befürchtungen, dass Forscher und Forscherinnen durch ungezügelten Forschungsdrang und Neugier ethische Grenzen überschreiten, sind weit verbreitet (vgl. Mulkay 1996, 159). Speziell die Darstellung der Wissensgenerierung, d.h. „wie Wissenschaftler zu ihrem Wissen gelangen, kann Auf- schluss darüber geben, wo das Laienpublikum Grenzüberschreitungen, Wertverletz- ungen oder gar Verbrechen sieht“ (Weingart 2003, 15). Dass das Wissenschaftlerbild als Indikator für gesellschaftliche Ängste einer bestimmten Zeit stehen kann, zeigt eine Studie der Universität Bielefeld, die Wissenschaftlertypen in Hollywoodfilmen unter- sucht: „Sieht man sich an, welche Filmthemen zu welchen Zeiten dominierten, so kann man unzweifelhaft einen Zusammenhang mit den angstbesetzten Themen der jeweiligen Zeit ausmachen.“ („Wissenschaft als Metapher“) So wird der Mad Scientist „[n]ach dem 2. Weltkrieg [zum] Dämon der Urbanisierung und Modernisierung“ und tritt in den

120 Wie beliebt die Figur des unethischen oder gar bösen Wissenschaftlers in populären Filmgenres ist, verdeutlicht eine Recherche in der International Movie Database (IMDB) mit dem Stichwort ‚mad scientist‘, die insgesamt 540 Treffer für die Jahre von 1916-2013 auflistet (durchgeführt am 08.09.2010). Aufgeschlüsselt in einzelne Medienarten ergibt sich folgende Aufteilung: 334 Treffer für Kinofilme, 111 Treffer für Fernsehen, 51 Kurzfilme und 15 Videospiele. Aufgeschlüsselt nach Genres – die allerdings überlappen können – bedeutet dies 257 Treffer für Science Fiction, 159 Treffer für Comedy und 261 Treffer für Horror. Somit ergibt sich ein Durchschnitt von drei Kinofilmen pro Jahr mit einem Mad Scientist-Sujet, von denen die Mehrheit zum Mischgenre Science Fiction/Horror gehört. Hierzu hat Andrew Tudor die Studie Monsters and Mad Scientists (1989) vorgelegt, die zeigt, dass in knapp einem Viertel der Horrorfilme – 264 von insgesamt 990 untersuchten – die Bedrohung von der Wissenschaft ausgeht, und dass davon wiederum bei 169 Filmen der Mad Scientist die Ursache der Katastrophe ist. In den verbleibenden 95 Filmen resultiert die Katastrophe direkt aus der Forschung bzw. einem Forschungsergebnis (vgl. Tudor 1989a, 133).

75 1980er Jahren in den Bereichen der Computerkriminalität und Erschaffung von künstlichen Intelligenzen erneut prominent in Erscheinung (ibid.). Dabei haben reale Wissenschaftler das populäre Wissenschaftlerbild nur gering- fügig beeinflusst, wie Haynes in ihrer grundlegenden Studie zu Wissenschaftlerfiguren, From Faust to Strangelove: Representations of the Scientist in Western Literature (1994), darlegt. Wie bereits erwähnt, sind es vor allem die fiktionalen Repräsentationen, wie Dr. Faust, Dr. Moreau, Dr. Jekyll, Dr. Strangelove, Rotwang und allen voran Dr. Frankenstein, die noch immer zur negativen Konnotierung heutiger, moderner Wissen- schaften beitragen (vgl. Haynes 1994, 1 sowie Millhauser 1973, 287f.). Die Darstel- lungen von Wissenschaftlern in populären Kulturprodukten ist jedoch nicht auf die Extrempole ‚Gut‘ und ‚Böse‘ beschränkt, sondern es stehen eine Reihe von Stereotypen zur Auswahl, um verschiedene Aspekte der Forschung und Anwendung von Forschungsergebnissen zu illustrieren. Roslynn Haynes macht sieben solcher Stereotype aus: auf der positiv konnotierten Seite den ‚noble scientist‘, der die Gesellschaft heldenhaft vor einer Bedrohung rettet, den ‚helpless scientist‘, der seine Schöpfung nicht kontrollieren kann und den ‚scientist as adventurer‘, der auf Forschungsreisen Abenteuer besteht. Eine Art Zwischentyp ist der ‚foolish scientist‘ – er ist kein ausge- bildeter Wissenschaftler, sondern ein Laie –, der aufgrund seiner karikaturhaften Darstellung nicht ernst genommen werden kann. Die deutlich negativ konnotierten Typen sind der ‚evil alchemist‘, der ‚inhuman researcher‘ und der ‚mad, bad, dangerous scientist‘ (Haynes 2003, 244). Vor allem der letztere Typ wird oft als Größenwahn- sinniger dargestellt, der prototypisch folgende Attribute aufweist: „paranoia, delusions of grandeur, obsessive behavior resulting from failure to understand what is happening in the real world, and belief that he is the instrument of God.“ (Haynes 1994, 200)121 Anhand dieser kurzen Skizze lässt sich bereits die Vielfältigkeit des Themas erahnen, daher wird aus Darstellungsgründen eine Beschränkung auf die für die Analyse relevanten Stereotypen vorgenommen. ‚Böse‘ Wissenschaftler zeichnen sich durch ihr kompromissloses Streben nach neuem Wissen aus. Der ‚wahrhaft böse‘ Wissenschaftler (mad, bad and dangerous) hin- gegen strebt nicht nur nach dem Möglichen, sondern versetzt seine Umgebung mit seinen Erfindungen in Angst und Schrecken.122 „Not surprisingly, the rise of evil 121 Zu fiktionalen Stereotypen von Wissenschaftlern vgl. auch „Wissenschaftler Typen“. Zum Bild des Wissenschaftlers wie Kinder ihn darstellen vgl. Frayling (2005, 14) und Haynes (1994, 1f). 122 Eine ausführliche Definition des ‚wahrhaft bösen‘ Wissenschaftler-Typus findet sich bei Brigitte Frizzoni: „Er hat einen totalitären Anspruch auf (wissenschaftliche) Macht und Anerkennung und hütet seine Erfindung eifersüchtig; sein Forschungsinteresse richtet sich auf dubiose, eigennützige

76 scientists in fiction is directly contingent on some new technology, usually a source of physical power, over which they hold a monopoly.“ (Haynes 1994, 189) Dieser Typus steht dezidiert im Zusammenhang mit den im 20. Jahrhundert entwickelten Massenver- nichtungswaffen. „Hier findet man […] die Warnung vor der Apokalypse wissenschaft- lichen Forschungsdrangs.“ (Junge/Ohlhoff 2004, 13) Auffällig ist, dass negativ kon- notierte Wissenschaftler-Typen die Folgen von und Verantwortung für Forschung als unbedeutend erachten. Für sie ist allein die Erweiterung des Wissens Grund und Antrieb zur Forschung, sowie die Annahme, dass Neuentdeckungen und -entwicklungen unausweichlich sind (vgl. Haynes 1994, 237). Für den Typus des ‚unmoralischen‘ Wissenschaftlers ist Ruhm und Macht erstre- benswert, für ihn heiligt der Zweck die Mittel und er vertritt die Einstellung, dass Wissenschaft per se wertfrei sei (vgl. ibid., 240).123 In der Literatur wird dieser Wissen- schaftler bewusst zur Reflexion von Forschungshaltungen eingesetzt, sein Verhalten wird dabei durch einen anderen, positiv belegten Charakter bzw. Erzähler kommentiert und kritisiert (vgl. ibid., 267). Wiederkehrende Fragen, die mit Hilfe des ‚un- moralischen‘ Wissenschaftlers in fiktionaler Darstellung erörtert werden sollen, sind:

ethical considerations of particular research projects and whether they are appropriate, given the traditional belief that science is value-free; questions about the degree to which scientists can be held responsible for the use to which their discoveries are put by others; the control they can hope to assume; and the certainty with which possible harmful ramifications can be predicted. (Ibid., 240f)

Dennoch zieht Haynes eine Grenze zwischen den Wissenschaftlern, die nur das Gelingen des Experiments im Sinn haben und jenen Wissenschaftlern, die mit hohen moralischen Ansprüchen an ihre Arbeit gehen und dann die Kontrolle über ihre Forschung verlieren (vgl. Haynes 1994, Kapitel 15 sowie Weingart 2003, 14). Diese ‚ambivalenten‘ Typen werden allerdings eher zur Gruppe der positiv konnotierten Wissenschaftler gezählt. Andrew Tudor kontextualisiert das Aufkommen des Wissenschaftlertyps, der Gutes im Sinn hat und schließlich Opfer seiner Forschung wird, mit Entwicklungen in der Realwelt der 1950er Jahre – dem erneuten Erwachen des Fortschrittsdenkens. Der

Projekte ohne erkennbaren gesellschaftlichen Nutzen […] Fortschritt und wissenschaftlicher Erfolg sind ihm oberstes Gebot, und er setzt dabei ganz bewusst das Leben anderer aufs Spiel“ (2004, 27). 123 In der Realwelt sind speziell beim Typus des unmoralischen Wissenschaftlers, so Haynes, Konzes- sionen der Gesellschaft gegenüber dessen Forschungstreiben erkennbar. Da er seine Forschung hoch- motiviert betreibt und seine Forschungsergebnisse der Bevölkerung zugute kommen, wird er unter Kollegen und auch in den Medien nicht diskreditiert (vgl. 1994, 236). Durch den Einsatz von Ethikkommissionen und die Durchsetzung von Forschungsrichtlinien wird versucht, unethisches Forschungsverhalten zu unterbinden (vgl. ibid., 237).

77 Typus des ‚hilflosen‘ Wissenschaftlers betreibt „Forschung nach bestem Wissen und Gewissen“ und stellt sich in den „(vermeintlichen) Dienst der Menschheit“. Diese Wissenschaftler „setzen sich selbst als Versuchskaninchen ein, um andere Menschen nicht zu gefährden. […] sie [werden] unwillentlich zu Tätern und gehen letztlich als Opfer ihres eigenen Experiments zugrunde“124 (Frizzoni 2004, 28, meine Hervor- hebung). Die Öffentlichkeit in den 1950er Jahren akzeptierte, dass Wissenschaftler Teil des Fortschritts waren und es Fortschritt ohne Forschung nicht geben konnte. Trotzdem herrschte eine generelle Angst, dass der Fortschritt zu schnell zu viele Veränderungen mit sich bringen und somit außer Kontrolle geraten könnte (vgl. Tudor 1989a, 143). Ebenfalls thematisiert wird, inwiefern Wissenschaftler für das Ergebnis als auch den anschließenden Einsatz ihrer Forschung verantwortlich gemacht werden können. So werden Wissenschaftler nicht mehr nur als mad, bad and dangerous karikiert, sondern auch als Opfer des modernen Zeitalters stilisiert (vgl. Tudor 1989b, 591). Auch Haynes verortet diesen Typus im 20. Jahrhundert, zu einer Zeit in der Militär und Regierungen Forschungsergebnisse zunehmend für ihre eigenen Zwecke nutzten,125 wobei gerade diese Situation, so Haynes, den Wissenschaftler dazu zwingt, seine Ethik zu vertreten und sich ‚unpatriotisch‘ zu verhalten:

His own moral imperative may even drive him to subvert government authorities, thereby risking the label of traitor. This theme of what could be called „ethical treason“ emerged during the Second World War, when scientists in defense work suddenly found themselves involved in escalated research on atomic weapons. (Haynes 1994, 269)126

Der hilflose Wissenschaftler kann somit auch ambivalent gesehen werden, einerseits kann ihm vorgeworfen werden, dass er die Konsequenzen seiner Forschungen hätte vorhersehen müssen, andererseits versucht er, seinen Fehltritt wieder gut zu machen und kann dadurch zum Helden aufsteigen, der gegen das Militär oder die Regierung und deren unlauteren Absichten ankämpft (vgl. ibid., 292). Hier wird die Debatte um die Verantwortung der Forschung wieder aufgegriffen. Wer ist letztlich haftbar für den Missbrauch des gewonnenen Wissens: der Wissenserzeuger oder der Endnutzer?

124 Tudor erwähnt in diesem Zusammenhang den Film The Fly (1958, Regie: Kurt Neumann), in dem der Wissenschaftler zwar als obsessiv dargestellt, dann aber Opfer eines Unfalls wird, d.h. die Fliege sich durch Zufall in der Transformationsmaschine befindet. 125 Clute/Nicholls kommentieren, dass Science Fiction-Autoren die vorherrschende populäre öffentliche Meinung aufgriffen, „claiming that it was not mad scientists but mad generals and mad politicians who were the problem; nuclear scientists were often represented as isolated paragons of sanity locked into a political and military matrix that threatened the destruction of the world“ (1995, „Scientists“). 126 Haynes verweist in diesem Zusammenhang auf Einstein und Rutherford, die in aller Unschuld an scheinbar obskuren Theorien arbeiteten und glaubten, dass diese kein bedrohliches Potential dar- stellten (vgl. 1994, 283).

78 Der ‚Wissenschaftler als Held‘ ist seit den großen Erfindungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etabliert:127

The US public made a hero of Thomas Alva Edison (1847-1931), and this admiration for the clever inventor is reflected in much popular fiction. […] Other scientists who attracted hero-worship included Louis Pasteur (1822-1895) and Albert Einstein (1879- 1955). (Clute/Nicholls 1993, „Scientists“)

Dieser Typus zeichnet sich, laut Frizzoni, besonders durch ein „starkes moralisch- ethisch-religiöses Empfinden, Empathie und Altruismus“ aus (2004, 31). Die Prota- gonisten mit wissenschaftlichem Hintergrund werden heroisiert, romantisiert und idealisiert: „[T]he successors of Verne’s heroes, voyaging through the galaxy, where no man had gone before, doing battle with the forces of evil therein and breaking through spatial, temporal, and psychological barriers.“ (Haynes 1994, 167) Diese positiv belegten Charaktere werden in der Science Fiction speziell im Format der space opera dargestellt und „gefeiert“ (Frizzoni 2004, 32).

Their latter-day equivalents are Dr. Who and his assistants and the crew of the Starship Enterprise, among whom the scientists are indistinguishable from the rest. In theses stories, science is both the metaphor and the rationale for adventure. (Haynes 1994, 167f)

Der Forscher wird quasi als Personifizierung der Wissenschaften eingesetzt. Auch in nicht-fiktionalen Medien werden oft fiktionale Wissenschaftlerfiguren herangezogen, um Haltungen gegenüber Forschung prägnant zu illustrieren. Wie aber bereits angedeutet wurde, ist nicht nur das Forschen an sich problematisch, sondern auch die Nutzung bzw. der Einsatz der Forschungsergebnisse und Technologien. In der Ver- handlung von ethischen Aspekten zu Forschung und Forschungsanwendung beein- flussen sich der Spezial- und der populäre Mediendiskurs gegenseitig, wie im Folgenden exemplarisch für die Diskursformationen Gentechnologie und Forschung zu künstlichen Intelligenzen der 1990er Jahre gezeigt wird.

127 Dieser Typus kann, nach Haynes, in die Subkategorien Erfinder, Weltenretter, Detektiv und Herrscher einer utopischen Welt unterteilt werden (vgl. 1994, 162-186).

79 1.3 Ethische Aspekte der Gentechnologie im Spezialdiskurs der Ethik und dem öffentlichen Mediendiskurs

The progress has been steady – both in science and in science fiction. (Begley 1997a, n.pag.)

Zum Bereich der Gentechnologie besteht ein ausführlicher Ethik-Diskurs, weshalb im folgenden Abschnitt lediglich für die Voyager-Analyse relevante Diskussionen zur Technik der Genmanipulation und des Klonens sowie deren ethische Dimensionen skizziert werden. Der Schwerpunkt wird daher vornehmlich auf der Diskussion um Manipulationen menschlicher DNA liegen. Die Befürworter des Einsatzes von Gentechnologie am Menschen erhoffen sich Verbesserungen für die Lebensumstände und Heilungsmöglichkeiten von Schwerkranken. Letzteres würde eine medizinische Indikation darstellen und die Untersuchung des Genoms rechtfertigen. Besonders die Hoffnung, lebensbedrohende Erbkrankheiten zu eliminieren wird stets betont, wenn es um die Rechtfertigung der Forschung geht (vgl. Nida-Rümelin 2005d, 181). Die Gen- technik wird zugleich als faszinierend wie auch als beängstigend dargestellt; Zukunfts- visionen werden geäußert und eine neue technologische Ära antizipiert: „[W]e will fashion other living things, and ultimately ourselves, to suit our own designs.“ (Turney 1998, 1) Neben den Möglichkeiten des Machbaren steht aber auch der verant- wortungsvolle Umgang mit dem Wissen um das menschliche Genom im Fokus der Diskussionen:

The rapid advancement of molecular genetics in the last quarter of the twentieth century introduced a new acuity to ethical questions connected with the human reproductive process, requiring the establishment of legal principles specifically geared to deal with the exploitation of new technological opportunities. (Stableford 2006, „Ethics“)

Es wird befürchtet, dass bei Kenntnis von etwaigen Gendefekten bzw. potentiellen Risiken durch genetische Veranlagung Nachteile auf dem Arbeitsmarkt (vgl. Yesley 2002) oder Benachteiligungen durch Versicherer (vgl. Sorrel 2002) entstehen. Aus diesem Grund gibt es „ein Recht auf Nichtwissen um das eigene Genom gerade zur Erhaltung des Selbstbestimmungsrechtes im Hinblick auf die Gestaltung des eigenen Lebens“ (Irrgang 2005, 670). Trotz dieser Befürchtungen sind Gentests heute weit- gehend etabliert und vor allem hinsichtlich der Vermarktung von Gendatenbanken und Patenten zu einem Wirtschaftsfaktor geworden.128 Dabei muss allerdings bedacht

128 In den USA werden Gentests bereits seit fast 30 Jahren eingesetzt vgl. Annas (2002, 131). Zu Gentests und -datenbanken als Wirtschaftszweig vgl. z.B. Chadwick/Hedgecoe (2002).

80 werden, dass die Ergebnisse eines Gentests kein medizinisches Faktenwissen darstellen, sondern Wahrscheinlichkeiten und Veranlagungen abbilden, die einer anschließenden fachlichen Interpretation bedürfen.129 Prominent diskutiert wird der Eingriff in das ‚göttliche Handwerk‘130 – die DNA – im Bereich der Reproduktionsmedizin:

Creating life by cloning and other assisted reproduction technologies still seems to many to usurp and mock the role of God, devalue and diminish our essential humanity, and produce opportunities for totalitarian mischief. (Klotzko 2004, xxxii)

Die bekannteste Option in der Reproduktionsmedizin ist die seit Jahrzehnten etablierte Methode der Invitro-Befruchtung. Hier wurde vor allem die Möglichkeit, sich in Befruchtungskliniken einen Samenspender nach Kriterien wie Aussehen und IQ aus einem Katalog auszusuchen, kritisch hinterfragt: „In America […] people choose eggs and sperm from ‚prize‘ donors advertising on the Internet, and surrogate wombs are offered for rent.“ (Gosden 1999, 6) Bei einer Bestimmung des Genoms einer IV- befruchteten Eizelle, oder auch eines Fötus im Mutterleib, kann die Information über Leben und Tod entscheiden, was als ethisch problematisch eingestuft wird. Selektive Abtreibung bzw. selektive Einpflanzung von IV-befruchteten Embryonen, welche den Beigeschmack der Eugenik tragen, sind damit ein hochsensibles Thema.131 Die Technologien, die hier im Verdacht stehen, eugenische Selektion zu befördern, sind die Prä-Implantations-Diagnostik (PID, engl. PGD [Premimplanataion Genetic Diagnosis]) und die Prä-Natal-Diagnostik (PND).132

[D]iese Methode [könnte] aus der Perspektive von Eltern mit schweren Erbkrankheiten ethisch auch positiv bewertet werden. Im Hinblick auf die Zumutbarkeit für die Eltern werden aus sozialen wie aus genetischen Gründen Ausnahmen von der Respektierung des Lebensrechts des Embryos bzw. Fötus geduldet. (Irrgang 2005, 678)133

Generell wird die Feststellung des Genoms eines Fötus negativ bewertet, da die Kenntnis der genetischen Veranlagung eventuell zu einer Abtreibung führen kann und

129 Zur Notwendigkeit der Interpretation von Gentests vgl. Irrgang (2005, 670). 130 Dorothy Nelkin und M. Susan Lindee untersuchten die kulturelle Wahrnehmung des Genoms und fanden heraus, dass die DNA oft mit dem göttlichen Funken assoziiert wird: „DNA appears to be immortal, sacred, soul-like, and even at times divine itself“ (2004, xix). 131 Vgl. dazu Irrgang (2005, 671) sowie Schöne-Seifert (2005, 742f). 132 Zu ethischen Implikationen von Selektion vgl. Irrgang (2005, 677) sowie Stableford (2006, „Ethics“). In Deutschland ist die PID bei medizinischer Indikation erlaubt (vgl. „Entscheidung über PID“ 2011, n.pag.). In den USA wird die PID landesrechtlich reguliert. Die meisten US-Staaten erlauben bspw. das Geschlecht durch PID bestimmen zu lassen (vgl. „PGD: Legal Aspects“). Zu weiteren Ausfüh- rungen und Erklärung der Technik von Prä-Natal- und Prä-Implantations-Diagnostik vgl. z.B. Irrgang (2005, 676-681), Schöne-Seifert (2005, 779-782), Steinbock (2002) sowie Zude (2006, 119-122). 133 Vgl. dazu auch Schöne-Seifert (2005, 782).

81 somit das Recht auf Leben wie auch das Selbstbestimmungsrecht des ungeborenen Kindes verletzt (vgl. ibid., 676). Der Wunsch nach Perfektion, ein Ideal, das auch in den Medien als erstrebenswert propagiert wird, scheint mittels Genmanipulation erfüllbar, „research will switch to producing a baby that is free of defects and attractive and arrives with perfect timing“ (Gosden 1999, 5).134 Dabei sind die Implikationen für das Kind und sein späteres Leben durchaus „bedenklich, wenn die Perfektion des geborenen Kindes Vorraussetzung dafür wäre, dass es geliebt wird“ (Irrgang 2005, 679). Die Debatte um ‚manipulierte Wunschkinder‘ machte in den öffentlichen Medien unter dem Schlagwort „Designer Babies“ von sich reden.135 Irrgang mahnt, dass „[h]inter der Vorstellung, Wunschkinder zu fabrizieren, Fortpflanzung zu managen und auch das Sterben souverän beherrschen zu können, sich Extremvisionen persönlicher Autonomie [verbergen]“ (ibid., 683). Die scheinbare Unantastbarkeit des Genoms wird in den Debatten zum Klonen fortgeführt.136 Damit verbunden sind Diskussionen um Individualität und Identität eines jeden Lebewesens. Das ‚reproduktive‘ Klonen stellt dabei eine weitere Möglichkeit dar, ein ‚Wunschkind‘ zu gebären. Dabei muss es nicht zwingend um gewünschte genetische Eigenschaften gehen, die das Kind haben soll, sondern die Technik kann als Hilfe- stellung für unfruchtbare Paare angewandt werden, die ein biologisch verwandtes Kind aufziehen möchten. Dies wird jedoch als ethisch fragwürdig erachtet, da auch dies einen Eingriff in das Recht auf Selbstbestimmung und auf Individualität darstellt.137 Als gänzlich inakzeptabel wird das Klonen eines verstorbenen Kindes angesehen, wenn Eltern sich durch eine Kopie über den Schmerz des Verlustes hinweg trösten wollen. Das ‚therapeutische‘ Klonen hingegen wird weniger vehement diskutiert. Ein Beispiel hierfür wäre das Klonen eines Organs aus Stammzellen, um ein krankes Organ ersetzen zu können.138 Einen Zusammenhang zwischen Genom und Charakter versuchten klinische Stu- dien zu Charaktereigenschaften von identischen Zwillingen herzustellen (vgl. Klotzko

134 Diese Tendenz erinnert stark an die Thematik des oben erwähnten Films Gattaca. 135 Vgl. dazu 1.3 unten sowie Kap. III.2.2. 136 Zur Technik des Klonens allgemein vgl. Wilmut (2002, 33f). 137 Vgl. dazu bspw. Klotzko (2004, 116), Macklin (2002, 213f), Wachbroit/Wassermann (2003, 147) und Wilmut (2002, 36). Siehe auch die Zusammenfassung der Diskussion in den öffentlichen Medien weiter unten. 138 Allerdings würde hierunter auch gezählt, wenn ein Klon eines kranken Kindes diesem eine Organ- oder Knochenmarkspende ermöglichen soll. Dies wird in den Zeitschriftenartikeln negativer bewertet als der Wunsch von unfruchtbaren Paaren, durch Klonen ein leibliches Kind zu bekommen.

82 2004, 137). Das Wissen um das Genom und dessen jeweils spezifische Kodierung ent- fachte somit erneut die sogenannte Anlage-Umwelt-Debatte (nature vs. nurture debate),139 die von den öffentlichen Medien auch in diesem Zusammenhang häufig aufgegriffen wird. Wissenschaftler betonen, dass die Technik des Klonens in der Zukunft vielfältig einsetzbar und aus diesem Grund von Bedeutung sei, wie auch Ian Wilmut, der Erschaffer des Klonschafs Dolly, propagiert: „Cloning technology is in its infancy, and it would be naive to pretend that future approaches can all be envisaged already or that it is possible to predict when more effective procedures will become established.“ (2002, 35) Dennoch haben viele Regierungen nach dem Bekanntwerden von Dollys Existenz Maßnahmen ergriffen, das Klonen von Menschen zu verbieten (vgl. Macklin 2002, 206-208).140 Als Grundlage für das Verbot diente das Recht auf Individualität und damit auf einen individuellen genetischen Code: „But it is not at all clear why the deliberate creation of an individual who is genetically identical to another living being (but separated in time) would violate anyone’s rights.“ (Ibid., 213) Wenn ein Mensch der Klonung seiner DNA zustimmt, so Macklin, hat er wissentlich auf das Recht genetischer Einzigartigkeit verzichtet (vgl. ibid.). Die Diskussion um ethische Normen und Grenzen in der Gentechnologie findet nicht nur in ethischen und wissenschaftlichen Abhandlungen statt, sondern wird auch breit in den öffentlichen Medien verhandelt, als eine Zukunftstechnologie, welche die Menschen direkt betrifft. In den untersuchten Zeitschriften Scientific American, Time Magazine, Popular Science und Newsweek ist eine Häufung von Artikeln zum Thema Gentechnologie für die Jahre 1997 bis 2000 zu verzeichnen.141 Die Diskussion um das Thema setzte aber bereits Anfang der 1990er Jahre ein. Im Jahr 1990 wurde das Human Genome Project (HGP) zur Entschlüsselung der menschlichen DNA gestartet. Die Artikel vor 1997 erörtern meist, welche Möglichkeiten die Entschlüsselung des Genoms bietet und welche Gefahren dadurch entstehen könnten. In Popular Science schreibt Fred 139 Die Anlage-Umwelt-Debatte thematisiert, ob die Entwicklung eines Menschen bereits in seinen Genen vorgegeben ist oder ob die Umwelt auf seine soziale und psychische Verfassung als Erwachsener Einfluss hat vgl. hierzu z.B. Steven Pinker, The Bland Slate: The Modern Denial of Human Nature (2002) und Matt Ridley, Nature via Nurture: Genes, Experiences and What Makes Us Human (2003). 140 Eine weltweit gültige Richtlinie und legale Grundlage zur Forschung am Genom stellt die Declaration on the Human Genome and Human Rights dar, ein von der UNESCO im Jahre 1998 ratifiziertes Dokument (vgl. Schweidler 2006a, 42), einzusehen unter (Zugriff 17.02.2015). In den USA steht dem Präsidenten in Fragen zur Bioethik eine beratende Kommission zur Seite, die National Bioethics Advisory Com- mission, die Vorschläge zur Gesetzgebung unterbreiten kann (vgl. , Zu- griff 17.02.2015). 141 Aus Darstellungsgründen kann hier nur ein kurzer Überblick über Themen und Kontroversen der Gentechnik gegeben werden. Zur Vervollständigung und Veranschaulichung wurde eine quantitative Artikelanalyse vorgenommen und grafisch aufbereitet vgl. Abb. 1, S. 232.

83 Abetemarco in der Ausgabe vom Juli 1991 in der Sektion „From the Editor“ über das HGP:

Its aim: to produce an encyclopedia of life – a data base of the human genetic code in its billions of sequences. Its promise: a greater understanding of the genetic underpinnings of chronic diseases, including diabetes, heart disease, cancer, arthritis, cystic fibrosis, muscular dystrophy, and more. Its scope: $3 billion over a decade and a half, involving hundreds of scientists from dozens of countries. (1991, 4)

In Scientific American wird der Beginn des HGP in einer kurzen Meldung im Jahr 1991 erwähnt und ein Sonderbericht im Jahr 1992 mit dem Titel „Hacking the Genes“ befasst sich mit der Speicherung und Aufbereitung der im Projekt gesammelten Daten (vgl. D. Erickson 1991 und 1992).142 Der Artikel „Hacking the Genes“ reflektiert zudem die mögliche Problematik, wie das entschlüsselte Genom letztlich ‚zu lesen‘ sei (vgl. D. Erickson 1992, 128). Das Time Magazine publizierte im Jahr 1994 eine Reportage- Reihe zum Thema: „Genetics: The Future is Now“, in dem sich der Leitartikel von Philip Elmer-DeWitt, „The Genetic Revolution“, mit dem HGP befasst (vgl. 1994, n.pag.). Elmer-DeWitt erklärt die möglichen Ausmaße der DNA-Entschlüsselung: „[T]he ability to manipulate genes – in animals and plants, as well as humans – could eventually change everything: what we eat, what we wear, how we live, how we die and how we see ourselves in relation to our fate.“ (Ibid.) Elmer-DeWitt bewertet das genetische Screening als eine positive Möglichkeit der Anwendung der aus dem HGP gewonnenen Erkenntnisse. Diese Technologie durchsucht die DNA nach bestimmten, bspw. fehlerhaften, Genen, um aufgrund dieser Informationen entsprechende Gegen- maßnahmen ergreifen zu können. Es wird aber noch längere Zeit dauern, bis solche Gene gezielt ausgeschaltet werden können (vgl. ibid.). Eine Umfrage, die im Artikel „The Genetic Revolution“ erwähnt wird, verdeutlicht die ambivalente Haltung der US- Bevölkerung: „Most people strongly oppose human genetic engineering for any purpose except to cure disease or grow more food. A substantial majority (58%) think altering human genes is against the will of God.“ (Ibid.) Nur drei Jahre später dreht sich die Diskussion nicht mehr um das ‚Ob‘ sondern das ‚Wann‘: Kurz nach der Bekanntgabe des erfolgreichen Klonens eines Schafes im Jahr 1997, ergab eine Umfrage von CNN/Time, dass 69% der Befragten Angst vor der Möglichkeit Menschen zu klonen haben, 89% Klonen als moralisch inakzeptabel empfinden und lediglich 7% sich selbst

142 Zu Forschungsmöglichkeiten, die durch die Entschlüsselung der DNA ermöglicht werden vgl. Collins/Jegalian (1999). Das HGP wurde 2003, zwei Jahre früher als erwartet, erfolgreich abgeschlos- sen (vgl. , Zugriff 17.02.2015).

84 klonen lassen würden.143 Wiederum drei Jahre später haben sich die Ängste der Menschen nicht verflüchtigt, wie eine Umfrage, veröffentlicht in Popular Science im Januar 2000, zeigt: 63% der US-Bevölkerung glauben, dass ein Mensch innerhalb der nächsten 25 Jahre geklont werden wird. 71% der Befragten finden Klonen unethisch, allerdings meinen 40%, dass Klonen zur Fortpflanzung bei unfruchtbaren Paaren vertretbar sei (vgl. „Popular Science Poll Flash“). Dies verdeutlicht die Vorbehalte, die in der Öffentlichkeit gegenüber dem Klonen gehegt werden. Der Hauptforschungszweck des HGP wie erwähnt liegt in der Möglichkeit zur Erstellung eines genetischen Fingerabdrucks für jeden Menschen. In Diskussionen um genetische Screenings werden Befürchtungen laut, dass aufgrund der Testresultate Eugenik betrieben werden könnte und zwar rein aus Kostengründen.144 Zudem wird gemutmaßt, dass das Wissen um das Genom Benachteiligungen im Arbeitsleben oder auch erhöhte Abgaben für die Krankenversicherung nach sich zieht,145 die allein auf einer an den Genen abgelesenen Wahrscheinlichkeit beruhen.146 Die Forschergruppe des HGP ist sich offenbar dieser Implikationen bewusst. Edward Edelson berichtet in seinem Popular Science-Artikel „Genome“, dass Teile der Fördergelder genutzt werden, um soziale Konsequenzen der Forschungsergebnisse auszuloten: „[T]he genome project is allocating two percent of its budget for studies of ethical, legal, and social con- siderations. An advisory committee already has laid out a coordinated program of study and education to deal with those problems.“ (1991, 83)147 Ängste vor Eugenik und Selektion kommen auch in den Artikeln zum Thema Klonen zur Sprache.

143 Befragt wurden insgesamt 1.500 US-Amerikaner. Weitere Resultate waren, dass fast die Hälfte der Befragten geklonte Früchte und Gemüse essen würde, 56% allerdings kein Fleisch von geklonten Tieren verzehren würde (vgl. „CNN/Time Poll“; auch erwähnt bei Rollin (2002)). 144 „Those who doubt that a eugenics movement reminiscent of the Nazi era could get started in this day and age have only to look at the example in China, which last month announced a program of abortions, forced sterilization and marriage bans to avoid new births of inferior quality and heighten the standards of the country“ (Elmer-DeWitt 1994, n.pag.). 145 Elmer-DeWitt (1994, n.pag.) führt ein Beispiel an, bei dem bei einem ungeborenen Kind mittels Screening das Gen für Mukoviszidose nachgewiesen wurde, woraufhin die HMO (Health Mainten- ance Organization) der Mutter eine Abtreibung nahegelegt hatte und die Kosten dafür sogar über- nommen hätte. Die Frau entschied sich aber, das Kind auszutragen. Weil die HMO das Kind aufgrund des Mukoviszidose-Risikos nicht versichern wollte, ging der Fall vor Gericht; die Mutter gewann den Rechtsstreit. 146 Diese Befürchtungen werden in mehreren Zeitschriftenartikeln gleichermaßen geäußert vgl. z.B. Bjerklie/Park (1999), Elmer-DeWitt (1994) und Rennie (1994). Auch im Spezialdiskurs werden diese Befürchtungen verhandelt (s.o.). 147 In späteren Artikeln des untersuchten Zeitraums wird das Komitee allerdings nicht mehr erwähnt, noch wird auf Richtlinien o.ä. hingewiesen, die in diesem Zusammenhang eventuell erarbeitet wurden.

85 Der Forschungsbericht über das erste erfolgreiche Klonen eines Säugetieres148 aus einer nicht-embryonalen Zelle,149 wurde im Februar 1997 in der renommierten Fachzeitschrift Nature publiziert. Die untersuchten Zeitschriften reagierten hier zügig auf die Nachricht über die Existenz des Klonschafs Dolly und verschärften in ihren Leitartikeln die Diskussionen um das Für und Wider von Gentechnologie. Der Bericht von Tim Beardsley, „The Start of Something Big? Dolly Has Become a New Icon for Science“ (Scientific American Mai, 1997) definiert – wie der Untertitel schon andeutet – die Errungenschaft von Wilmut als Meilenstein der Wissenschaft,150 erkennt aber auch die ethischen Bedenken an: „Dolly’s birth […] represents an ethical and scientific watershed“ (1997, 15). Die Technologie des Klonens sowie die ‚heimliche‘ Vorgehens- weise – wie sich herausstellte arbeiteten Dollys ‚Erzeuger‘ seit Jahren im Stillen und mit mehreren Fehlversuchen an dem Projekt151 – rückten auch die Figur des Wissen- schaftlers verstärkt in den Fokus. Entsprechend wurde Wilmut mit dem Frankenstein- Stereotyp in Verbindung gebracht: „One doesn’t expect Dr. Frankenstein to show up in wool sweater, baggy parka, soft British accent and the face of a bank clerk. […] Dr. Ian Wilmut, the first man to create fully formed life from adult body parts since Mary Shelley’s mad scientist.“ (Krauthammer 1997, n.pag.) Die Artikel schüren zum Teil Ängste über das Klonen von Menschen und die Frage welcher Fluch (oder Segen) daraus folgen könnte. Nash, zum Beispiel, evoziert Missbrauchsszenarien wie: „the possibilty of virgin births, resurrecting the dead and women giving birth to themselves“ (1997, n.pag.). Ein bedeutender Aspekt, den Nash in ihrem Time-Leitartikel „The Age of Cloning“ (10. März 1997, n.pag.) zur Sprache bringt, sind Fragen bezüglich der Lebens- erwartung eines Klons. Dolly wurde aus einer Zelle eines sechs Jahre alten Schafs ge-

148 Das Time Magazine (Nash, „The Age of Cloning“) und Newsweek (Begley, „Little Lamb, Who Made Thee?“) veröffentlichten zwei Wochen später entsprechende Spezialausgaben. Die populärwissen- schaftlichen Zeitschriften Scientific American (Beardsley, „The Start of Something Big?“) und Popular Science (Uehling, „Couting 6LL3: Ian Wilmut Clones a Sheep, But He Isn’t Losing Any Sleep“) hingegen veröffentlichten entsprechende Artikel erst im Mai. 149 Das Klonen mit embryonalen Zellen (undifferentiated cells) war vorher bereits mehrfach geglückt, wie z.B. bei Fröschen und Affen. Dolly aber ist mit einer ‚erwachsenen‘ Zelle (genauer: 6 Jahre alt), einer sogenannten differentiated cell, geklont, d.h. die Zelle hat sich bereits mehrfach geteilt und eine ‚Funktion‘ (Haut, Muskeln oder Haare) übernommen (vgl. Nash 1997, n.pag. und Uehling 1997, 74). 150 Allerdings dauerte es nicht lange, bis Wissenschaftler die Technik des schottischen Teams um Ian Wilmut kopierten und Tiere, wie Mäuse und Schweine, aus ‚erwachsenen‘ Einzelzellen erfolgreich klonten (vgl. z.B. Begley 1997b, Lemonick 1998 und Rogers 1998). 151 Sharon Begley berichtet in ihrem Artikel, dass Keith Campbell bereits 1995 die entscheidende Idee gekommen sei, wie man eine ‚erwachsene‘ Zelle nutzen kann (vgl. 1997a, n.pag.). Das Team um Campbell und Wilmut benötigte 277 Anläufe, bis schließlich Dolly geboren wurde vgl. z.B. Nash (1997, n.pag.).

86 schaffen: Sind ihre Zellen und somit ihr Körper auch bereits sechs Jahre alt?152 Beardsleys Artikel in Scientific American geht ebenfalls darauf ein, jedoch ist der Ton weniger kritisch als bei Nash, sondern zeugt vielmehr von wissenschaftlicher Neugier: „It will be scientifically fascinating if Dolly develops strange and fatal afflictions in midlife. It will be even more fascinating if she does not.“ (1997, 16) Sharon Begley formuliert in ihrem Newsweek Leitartikel „Little Lamb, Who Made Thee?“ (10. März) folgende Schlüsse, die aus der Erschaffung von Dolly gezogen werden können:

First, that which is not absolutely prohibited by the laws of nature is possible. Second, science, for better or worse, almost always wins; ethical qualms may throw some roadblocks in its path, or affect how widespread a technique becomes, but rarely is moral queasiness a match for the onslaught of science. (1997a, n.pag.)

Hier wird die Erschaffung von Dolly auf einer abgelegenen, schottischen Farm betont und verdeutlicht, dass die Befürchtungen der Öffentlichkeit bezüglich heimlich betrie- bener Forschung begründet sind und Forschungsdrang ethische Grenzen scheinbar verwischen lässt.153 Zudem greift Begley in ihrer Wortwahl auf stark emotionalisierende Topoi zurück: ethische Bedenken werden als ledigliche ‚Hürden‘ (roadblocks) auf dem Weg zum fast unaufhaltsamen ‚Siegeszug‘ (almost always wins) der Wissenschaften beschrieben, der ‚Forschungsdrang‘ (onslaught of science) ist unaufhaltsam. So werden beispielsweise von einigen Hoffnungen gehegt, dass es bald möglich sei, durch Klonen einen Verstorbenen wiedererwecken zu können, oder durch Klonen ein ‚Wunschkind‘ in Hinblick auf Äußerlichkeiten und Charakter zu bekommen.154 Eine Frage – die sich in den meisten Artikeln über das Klonen von Menschen findet –, ist, ob der geklonte Mensch in Hinblick auf seine Persönlichkeit exakt dem Original entspricht (vgl. bspw. Wright 1999 oder Gibbs 2001).

152 Dolly wurde 2003 im Alter von sieben Jahre eingeschläfert. Die übliche Lebenserwartung bei Schafen liegt bei 12 Jahren. Dolly litt an einer für Schafe nicht unüblichen Lungenkrankheit und zudem an fortgeschrittener Arthritis. Dies fachte die Befürchtungen bezüglich der vorzeitigen Zellalterung bei Klonen erneut an (vgl. dazu „Dolly the Sheep“ und auch „Cloning Dolly“). 153 Jeffrey Kluger vermutet in seinem Time-Artikel „Will We Follow the Sheep?“, dass aufgrund der Ablehnungshaltung der Bevölkerung gegenüber dem Klonen weitere Forschung wohl nur heimlich stattfinden wird (vgl. 1997, n.pag.). 154 Zu diesem Thema äußert sich auch Ian Wilmut, Dollys Erschaffer, in kritischer Weise in zwei von ihm verfassten Artikeln: „Cloning for Medicine“, Scientific American (1998) und „Cloning: Dolly’s False Legacy“, Time (1999). Besonders der Idee, ein Kind zu bekommen, das ein Klon eines berühmten Fimstars oder Sportlers ist, erteilt Wilmut eine Absage: „Every child should be wanted for itself, as an individual. In making a copy of oneself or some famous person, a parent is deliberately specifying the way he or she wishes that child to develop. In recent years, particularly in the U.S., much importance has been placed on the right of individuals to reproduce in ways that they wish. I suggest that there is a greater need to consider the interests of the child and to reject these proposed uses of cloning“ (1999, n.pag.).

87 ‚Wunschkinder‘ oder ‚Designer Babies‘ können Eltern bereits mittels Auswahl- verfahren von potentiellen Samenspendern bei einer IV-Befruchtung bekommen: „Sperm bank customers can flip through catalogs listing the height, hair color, eye color, ancestry – sometimes even the IQ – of potential donors.“ (Hagar et al. 1994, n.pag.) Die Technologie entwickelt sich rasant weiter und bereits fünf Jahre später stehen weitere Optionen zur Verfügung: „Novel approaches to babymaking seem to be coming at us so fast we hardly have time to digest one before the next one hits – test-tube babies, egg donation, surrogacy, cloning, and now sex selection.“ (Silver 1998, n.pag.)155 Sharon Begley mutmaßt in ihrem Newsweek-Artikel „Designer Babies“, dass Paare nicht wegen Kinderlosigkeit zur künstlichen Befruchtung gehen, sondern um bestimmte genetische Defekte mittels PID von vorneherein ausschalten zu lassen. Der befruchteten Eizelle könnte in so einem Fall ein künstliches, menschliches Chromosom beigefügt werden, das den ‚bösen‘ Zellen befiehlt sich selbst zu eliminieren (vgl. 1998, n.pag.). Fraglich hierbei bleibt, ob die Technologie lediglich zur Bekämpfung von Erbkrankheiten einge- setzt wird: „Presumably few people would object to being spared a fatal disease. But what about genes for personality traits, like risk-taking or being neurotic?“ (Ibid.)156 Begley weist zudem auf die Problematik hin, dass eine Genveränderung an weitere Generationen vererbt werden könnte (vgl. ibid.). Lee Silver, Professor für Genetik an der Princeton University, evoziert das zukünftige Szenario einer gespaltenen Gesell- schaft in „gen-rich [and] gen-poor […] those with and those without a designer genome“ (in Lemonick 1999, n.pag.).157 Wer es sich leisten kann, wird in einigen Jahren die Möglichkeit haben, sich ein Kind ‚zusammenzustellen‘:

Before the new millennium is many years old, parents may be going to fertility clinics and picking from a list of options the way car buyers order air conditioning and chrome- alloy wheels. „It’s the ultimate shopping experience: designing your baby,“ says biotechnology critic Jeremy Rifkin, who is appalled by the prospect. „In a society used to cosmetic surgery and psychopharmacology, this is not a big step.“ (Ibid.)

Lemonick schreibt, dass die Technologie durchaus hilfreich ist, um Krankheiten zu eliminieren, die Entscheidung für genetische Manipulation aber nicht immer aus rein

155 In Scientific American und Popular Science finden sich für den Zeitraum keine Artikel, die das Thema „Designer Babies“ oder germline engineering aufgreifen. Lediglich John Rennies (1994) Scientific American-Artikel, der Gentests diskutiert, geht kurz auf PID ein. 156 Isaacson propagiert die Nutzung der Gentechnologie zur Heilung schwerer Erbkrankeiten, wie Mukoviszidose und Muskeldystrophie, aber nicht zur Manipulation von Charaktereigenschaften oder Persönlichkeitsmerkmalen (vgl. 1999, n.pag.). 157 Begley verweist diesbezüglich auf den bereits erwähnten Film Gattaca: „[W]ith germline engineering only society’s ‚haves‘ will control their genetic traits. […] only the wealthy can afford to genetically engineer their children with such ‚killer applications‘ as intelligence, beauty, long life or health“ (1998, n.pag.).

88 medizinischen Gründen gefällt wird (vgl. ibid.). Robert Wright stellt in seinem Time- Artikel „Who Gets the Good Genes?“ die Frage, ob Regierungen regulieren müssen, welche Eingriffe durchgeführt werden dürfen, oder ob sich der Einsatz der Technologie über den Nachfragemarkt selbst regelt (vgl. 1999, n.pag.). Die Wissenschaftler selbst führen als Motor für die Forschung den Wunsch der Eltern an: „none of us, says USC’s Anderson, wants to pass on to our children lethal genes if we can prevent it – that’s what’s going to drive this“ (Begley 1998, n.pag.).158 Der öffentliche Mediendiskurs greift, wie sich gezeigt hat, die Debatten des wissenschaftlichen Spezialdiskurses auf, allerdings zeichnet sich der Medien-Diskurs, in dieser Arbeit limitiert auf bestimmte Zeitschriften, dadurch aus, dass er die Gentech- nologie prägnant mit der Lebenswelt verknüpft. Es kommen Personen zu Wort, die direkt mit der Technologie arbeiten oder sich von der Technologie Heilung erhoffen, d.h. es werden Popularisierungsstrategien wie Personalisierung und Narrativierung eingesetzt, um die Relevanz für die Lebenswelt eines jeden Lesers herauszustellen. Auch findet in den Zeitschriften eine starke Wertung der Gentechnologie hinsichtlich der ethischen Vertretbarkeit in den einzelnen Anwendungsgebieten statt. Die ethischen Grenzen werden in den wissenschaftlichen und den gesellschaftspolitischen Zeit- schriften gleich stark herausgearbeitet und vertreten, wobei die Autoren des Scientific American einen ‚nüchternen‘ und wissenschaftlicheren Ton anschlagen als bspw. die Autoren von Time. Daraus resultiert, dass die Diskussion um die Genforschung nicht nur auf spekulativer Ebene geführt wird, d.h. als Science Fiction, sondern realitätsnah und als bereits genutzte Technologie.

1.4 Künstliche Intelligenzen im Spezialdiskurs der Ethik und dem öffentlichen Mediendiskurs

Machines making machines? How perverse!159

Menschen schaffen Maschinen u.a. zur Arbeitserleichterung. Damit der Mensch noch mehr entlastet werden kann, sollte die Maschine idealerweise auch selbstständig denken

158 Begley zitiert hier Dr. W. French Anderson von der University of Southern California, einen der führenden Forscher im Bereich der Gentherapie. 159 C-3POs Ausruf, als er die vollautomatische Herstellung einer Armee von Kampfdroiden sieht (vgl. Star Wars II (2002), 1:32:31).

89 und Entscheidungen treffen können.160 Der Begriff ‚Roboter‘ wurde von Karel Čapek geprägt. In seinem Theaterstück R.U.R. (1921)161 treiben Stolz und Materialismus den technologischen Fortschritt voran, jedoch führt dies letztlich zur Katastrophe (vgl. Haynes 1994, 243 und 272).

As presented in fiction, robots are essentially hybrids, combining the intelligence of human beings with the unquestioning functionality and programmed pragmatism of machines. They epitomize the criteria of efficiency, rationality, amorality, objectivity, and the pursuit of a predetermined end regardless of the consequences. (Ibid., 242)

In den Roboter-Fiktionen kann auch der Frankenstein-Mythos effektvoll eingesetzt werden:

Die Kontinuität und die Modernisierung des Mythos, die auf die Ersetzung der Angst vor den bedauernswerten, monströsen Kreaturen des Dr. Frankenstein durch eine ambivalente Sorge um die menschliche Identität verweist, kann jedoch in den verschiedenen Dar- stellungen von Robotern, Androiden und Cyborgs gesehen werden. (Weingart 2003, 11)

Aufgrund der Faszination, die vom Sujet der künstlichen Intelligenz ausgeht, gibt es eine Vielzahl an Science Fiction-Literatur und Filmen, die sich damit beschäftigen. Roslynn Haynes konstatiert, dass Roboter in populären Fiktionen mit den ethischen Einstellungen ausgestattet sind, die die Autoren mit Wissenschaftlern, Ingenieuren oder generell der technologisierten Gesellschaft assoziieren (vgl. 1994, 242).162 Somit bestätigt sich auch hier, dass die Science Fiction die zeitgenössischen Tendenzen der Wissenschaften widerspiegelt. Zwanzig Jahre nach Čapek entwarf Isaac Asimov in seinen Roboter-Fiktionen, erschienen in der Kurzgeschichtensammlung I, Robot (1950), drei Gesetze, die Roboter hindern sollen, Menschen zu verletzen oder sogar zu töten. Seine „Drei Gesetze der Robotik‟ werden erstmals vollständig in der Kurzgeschichte „Runaround“ (1942) aufgezählt.

One, a robot may not injure a human being, or, through inaction, allow a human being to come to harm. […] Two, […] a robot must obey the orders given it by human beings except where such orders would conflict with the First Law. […] And three, a robot must

160 Bereits die Alchimisten träumten von der Erschaffung eines künstlichen Menschen und auch Leonardo da Vinci hat laut seinen Notizbüchern 1495 und 1497 einen mechanischen Ritter entworfen – es ist allerdings nicht bekannt, ob dieser je gebaut worden ist (vgl. Fisher 1997, 85). 161 Die Abkürzung steht für: Rossumovi univerzální robotoí, auf deutsch Rossums Universale Roboter. Das Wort ist abgeleitet aus dem tschechischen ‚robota‘ und bedeutet ‚Fronarbeit‘ (vgl. Haynes 1994, 243). 162 In Star Trek: The Next Generation bspw. wird dies in der Figur des Androiden Data deutlich, der Situationen ‚emotionslos‘ und rational bewertet, aber gleichzeitig einem strengen Ethikprogramm unterworfen ist.

90 protect its own existence as long as such protection does not conflict with the First or Second Law. (Asimov 1950, 51)

In I, Robot sind Asimovs erste Roboter-Fiktionen derart angeordnet, dass sie sich als fiktive Historie der Entwicklung positronischer Roboter lesen lassen. In allen Kurz- geschichten wird stets das ethische Verhalten der Roboter kommentiert und beschrieben, und meist sind es die menschlichen Charaktere, die Fehler begehen: „The robots are the real heroes of these stories; where problems in their functioning occur, it is nearly always because of a failure in perception or logic on the part of the humans.“ (Haynes 1994, 230) Die tatsächliche Roboterentwicklung war in den 1940er Jahren, als Asimovs Kurzgeschichten zum ersten Mal publiziert wurden, allerdings noch in den Anfängen.163 Ein für das Genre bedeutender Film, in dem eine künstliche Intelligenz, der Computer HAL, sich gegen den Menschen wendet, ist Stanley Kubricks 2001: A Space Odyssey (1968).164 Die Handlung erörtert die Gefahren einer Maschine, die beginnt selbstständig zu denken und die Argumente ihres ‚Erschaffers/Programmierers‘ in Frage zu stellen. HALs Motivation, die Kontrolle des Raumschiffs zu übernehmen und die Crew zu töten, wird in der Romanversion als erwachendes Bewusstsein beschrieben:

Since consciousness had first dawned, in that laboratory so many millions of miles sun- ward, all Hal’s powers and skills had been directed towards one end. The fulfilment of his assigned programme was more than an obsession; it was the only reason for existence. Undistracted by the lusts and passions of organic life, he had pursued that goal with absolute single-mindedness of purpose. […] For like his makers, Hal had been created innocent; but all too soon, the snake had entered his electronic Eden. (Clarke 1983, 149)

Die Bedrohung wird hier mit der Vertreibung von Adam und Eva aus dem Paradies gleichgesetzt. Jedoch ist dies eine doppeldeutige Analogie, da sie nicht nur den Gewinn von Erkenntnis durch das erwachende Bewusstsein verdeutlicht, sondern auch den Verlust von Unschuld. Es wird die starre Verhaftung eines Computergehirns in seiner Programmierung dargestellt, in der kein Ethikprogramm implementiert wurde. Insofern könnte ein Ethikprogramm als ‚Bewahrer der Unschuld‘ charakterisiert werden. HAL ist – ähnlich dem auf sein Forschungsziel fixierten ‚unmoralischen‘ Wissenschaftler (s.u.) – auf sein programmiertes Endziel fokussiert; Konsequenzen aus diesem Verhalten kann

163 Die Entwicklung der ersten realen Roboter fand in den 1930er und 1940er Jahren statt. Diese waren für Ausstellungen konzipiert und wurden als Wunderwerke angepriesen, vom wirklichen Gebrauch zur Alltagserleichterung, wie Asimov seine Roboter beschreibt, war die Technologie noch zwei Jahrzehnte entfernt (vgl. Stableford, 2006, „Robot“). 164 Der Roman erschien im gleichen Jahr wie der Film und wurde verfasst von Arthur C. Clarke, der zuvor auch am Drehbuch des Films mitgearbeitet hatte. Eine Variante der ins Böse verkehrten Technologie sind intelligente Waffen, die programmiert sind, ihr Ziel unter allen Umständen zu erreichen.

91 die künstliche Intelligenz nicht ziehen. Das ethische Dilemma künstlicher Intelligenzen, denen ein moralisches Bewusstsein fehlt, ist in der Science Fiction immer wieder dort behandelt worden, wo Maschinen wie Menschen sein wollen oder Menschen und Maschinen zu einem Wesen verschmelzen.165 Sie streben danach, wie Menschen zu fühlen und handeln ethisch oder lernen, nach ethischen Maßstäben zu handeln. Die Schnittstelle Mensch-Maschine ist dabei nicht nur ein prominentes Thema der Science Fiction, sondern wird sowohl in der Technikkritik als auch im Mediendiskurs zum technologischen Fortschritt verhandelt. Die Technikkritik beschäftigt sich dabei nicht nur mit künstlichen Intelligenzen, sondern mit allen Aspekten der technologischen Durchdringung der Lebenswelt. Die Bedeutung von Technologie gegenüber den Naturwissenschaften betonen Collins/Pinch: „Technologien [verbinden sich] direkter als die Naturwissenschaften mit der Welt der politischen, militärischen und wirtschaftlichen Macht.“ (2000, 12) Somit ist Technologie ein globaler Faktor, dessen Vor- und Nachteile entsprechend globale Aus- maße erlangen können. Die Ambivalenz der Öffentlichkeit darüber spiegelt sich, wie bereits im vorherigen Kapitel erwähnt, im Stereotyp des ‚hilflosen Wissenschaftlers‘, dessen Aufkommen in den 1950er und 1960er Jahren verortet wird (s.o.). Die öffentliche Diskussion über Nutzen versus Risiko von Technologie wurde erneut entfacht anlässlich des Störfalls von Harrisburg im Jahre 1979 und der Katastrophe in Tschernobyl im Jahre 1986:

Zwar wurde die Bevölkerung in dieser Zeit keineswegs technikfeindlich, aber die Technisierung sollte einer bewußten Steuerung bzw. Gestaltung auf wünschenswerte Ziele hin unterliegen. Risiken sollten verhindert oder wenigstens minimiert werden. Hieraus entsprangen die Ideen einer diskursiven Technikbewertung und einer demokratischen Technologiepolitik. (Ott 2005, 590)166

Dabei wird Technologie, die den Alltag erleichtert und angenehmer macht, gemeinhin als unschädlich empfunden.167 „Technik erscheint zunächst als wert-neutral, eigentlich

165 Maschinen in menschlicher Gestalt, Androiden und Cyborgs, gehören zum Personal vieler populärer Science Fiction-Produkte, so auch in Star Wars (C-3PO und R2D2) und Star Trek (der Androide Data in TNG oder in Voyager die (Cy)Borg 7of9 und das medizinische Hologramm), wo sie positiv kon- notierte Figuren sind. Zu 7of9 und dem medizinischen Hologramm der Voyager vgl. Kap. II.1.2. 166 Gemeint sind hier Richtlinien, die u.a. Ingenieure bei ihrer Arbeit beachten müssen. Der Schlüssel- begriff in diesem Bereich ist „Technikfolgenabschätzung“. Hierunter fällt eine Bewertung der Technik in Hinblick auf Wert und Ziel einer neuen Technologie. In diesem Zusammenhang gibt es auch den Begriff der „Technikfolgenforschung“, die neue Entwicklungen genauestens verfolgt und bewertet (vgl. Ott 2005, 624f). 167 Dabei kann man dies als subjektives Empfinden bewerten, man denke hierbei an die Warnungen über die Strahlungen von Telefonen, die krebserregend sein sollen: „People have long been concerned about the cancer-causing potential of microwaves, which at a distance are harmless, but when close to the head could be more worrisome. That’s why the FCC regulates the amount that phones are allowed

92 als ambivalent, denn was mit ihren Produkten geschieht, liegt in der Hand des Benutzers.“ (Kunzmann 2006, 250) Es scheint, dass die Öffentlichkeit eine Erwartungs- haltung bezüglich des Endzwecks von Forschung aufgebaut hat:

Die Verbesserung der Lebensqualität oder sogar der leiblichen oder seelischen Konsti- tution „der Menschheit“ ist keine positive ethische Vorgabe an die Wissenschaft, sondern kann sich allenfalls als in die Forschung zurückwirkender abstrakter Reflex konkret hilfs- und heilungsbezogener Anwendungen ihrer Erkenntnisse ergeben. (Schweidler 2006b, 310)

Hier wird im Prinzip analog zu den Wissenschaftler-Stereotypen die Dichotomie von guter vs. böser Technologie aufgebaut. Dies wird auch evident hinsichtlich der allgegen- wärtigen technologischen Hilfsmittel (vgl. Russell/Norvig 2003, 961f). Jedoch bringt

[j]eder neue wissenschaftliche Schub [...] auch einen Angstschub in der populären Kultur mit sich. Nachdem der Computer zum unerläßlichen wissenschaftlichen Instrument ge- worden war, eroberten sich Computerkriminelle und künstliche Intelligenz rasch wieder die vakante Stellung des Mad scientist (Seeßlen 1993, 47f).168

Auch zur Heilung des menschlichen Körpers wird Technologie prominent eingesetzt. Die Transplantation von künstlichen Herzen und Gelenken ist zur Routine geworden. Ängste, die sich daraus wie auch durch die zunehmende Computerisierung der Gesellschaft ergaben, finden sich amalgamiert in den Darstellungen von Cyborgs. Andrea zur Nieden konstatiert, dass heute eine „zunehmende Biotechnologisierung des Menschen“ vorherrscht, durch „[d]ie Entwicklung von künstlicher Reproduktion, von technischen und ‚Fremd‘-Implantaten, die zunehmende Informatisierung des Körpers (im genetischen Code) und des Denkens (in der Gehirnforschung)“ (2003, 13). Die fiktive Föderation des 24. Jahrunderts in Star Trek bezeichnet zur Nieden dement- sprechend als Gesellschaft mit „fortgeschrittene[r] Cyborgisierung“ (ibid., 14). Damit werden Überlegungen dazu, wie sehr der Mensch schon Maschine ist und wie viel Mensch bereits in modernen Robotern steckt, akut.

Jüngere technische Entwicklungen wie Nanotechnologie, Transplantationsmedizin oder Computertechnologie stellen nicht nur die Fragen nach der „Natürlichkeit‟ der Körper bzw. nach deren Veränderbarkeit in ein neues Licht. Zusätzlich wird die Grenze zwischen „normalen‟ und „anormalen‟ Körpern durch diese Entwicklung auch in der Populärkultur thematisiert. Selbstverständlich kann man diese Plots als Warnung vor einem skrupel- losen, desaströsen wissenschaftlichen Fanatismus auffassen, auf der anderen Seite ist der

to emit, and why some exceeding those standards have been recalled.“ (Smith 1999, n.pag.) 168 Ein Beispiel für eine populäre Verhandlung dieses Themas ist der Film The Net (1995, Regie: Irwin Winkler), in dem die Existenz einer Person dadurch ‚gelöscht‘ wird, dass ihre Daten (Sozialver- sicherungsnummer, Geburtsurkunde etc.) in diversen Computerarchiven entfernt werden. Des Weiteren lassen sich als Beispiele zu Ängsten über die Maschinenherrschaft die Endzeitvisionen der Matrix-Reihe und der Terminator-Filme anführen.

93 Mensch durch die medizintechnische Entwicklung längst schon zum „Bausatzkasten‟ geworden. (Junge/Ohlhoff 2004, 15)

Eine Technolgie, die hierbei verstärkt zum Einsatz kommen könnte, ist die Nano- technolgie: „In nanotechnology, we find an entire range of speculative possibilites, from limitless life to the end of day.“ (Allhoff/Lin/Moore 2010, viii) Ängste bezüglich der Nanotechnologie können in der Wissenslücke begründet liegen, die im Frühstadium einer jeden neuen Technologie vorhanden ist: „We may cause our own undoing by un- leashing a powerful technology that we do not yet fully understand and thus may not be able to control.“ (Ibid.) Allhoff/Lin/Moore nutzen statt des bedrohlich klingenden Be- griffs ‚Cyborgisierung‘ die euphemistischere Bezeichnung human enhancement und evozieren eine Welt ähnlich der fiktiven Borg: „[W]e can expect neural implants […] that effectively put computer chips into our brains or allow devices to be plugged directly into our heads, giving us always-on access to information as well as unprecedented information-processing powers.“ (Ibid., 241)169 Dies verdeutlicht erneut den scheinbaren Widerspruch Natur vs. Künstlichkeit, wobei letztere sich schleichend in der modernen Gesellschaft verbreitet hat. Bei Diskussionen über diese zunehmende Technologisierung ist stets von Bedeutung, bei welchem Akteur die Verantwortung liegt, beim Entwickler oder beim Nutzer.170 Russell/Norvig rufen die Forscher dazu auf, Verantwortung für ihre ‚Kreaturen‘ zu übernehmen und ethische Implikationen in ihre Überlegungen einzubeziehen:

Most AI researchers take the weak AI hypothesis [machines could possibly act intelligently] for granted, and don’t care about the strong AI hypothesis [intelligently acting machines are actually thinking] – as long as their program works, they don’t care whether you call it a simulation of intelligence or real intelligence. All AI researchers should be concerned with the ethical implications of their work. (2003, 947)

Ebenso weisen Russell/Norvig darauf hin, dass Technologie in den falschen Händen generell gefährlich ist. Allerdings geht durch die Implementierung selbstdenkender, adaptiver Systeme die Gefahr nicht mehr zwangsläufig von den Anwendern aus, sondern auch von der Technologie selbst (vgl. ibid., 962). Deshalb sollten künstliche Intelligenzen lernen, selbst moralisch zu handeln: „[W]e would need to program them with a theory of what is right and wrong.“ (Ibid., 964) Dies ist ein komplexes Unterfangen, das bisher nur in der Science Fiction ‚realisiert‘ wurde und die realen

169 Donna Haraway macht dies in ihrem einflussreichen Essay „A Cyborg Manifesto“ bspw. an der Dichotomie Bewusstsein vs. künstliche Intelligenz fest (vgl. 1991, 161). 170 Vgl. hierzu bspw. Bechmann (1993, 218-220).

94 Entwickler vor große Herausforderungen stellt. Der Blick in die Zukunft hinsichtlich der Bewertung des zukünftig technisch Möglichen ist ein Schwerpunkt im Spezial- diskurs der Ethik, weitere Schwerpunkte sind die Nutzen-Risiko-Analyse sowie die Klärung der Frage, wer für künstliche Intelligenzen die Verantwortung trägt. Dieser Fragenkatalog wird aufgrund der Präsenz von Technologie in der Lebenswelt auch im Mediendiskurs breit verhandelt. Für die 1990er Jahre ist festzustellen, dass es in den untersuchten Zeitschriften keine auffallende Häufung von Artikeln zu einem bestimmten Zeitpunkt gab.171 Die Themen Roboter und künstliche Intelligenzen werden aber immer wieder in den Zeit- schriften aufgegriffen. Der Medien-Diskurs beschäftigt sich ähnlich wie der Spezial- diskurs der Ethik mit der Nutzen-Risiko-Analyse, besonders bei neuen und als ‚unsicher‘ erachteten Technologien, wie bspw. der Nanotechnologie. Die Verhandlung dieser Diskurse weist in den Zeitschriften unterschiedliche Schwerpunkte auf. Bei der Nanotechnologie zum Beispiel wird in den populärwissenschaftlichen Zeitschriften der Forschungsstand erläutert und erwartbare Entwicklungen aufgezeigt, während Artikel in den Nachrichtenmagazinen teilweise Schreckensvisionen einer ‚Cyborg-Gesellschaft‘ entwerfen. Technische Neuerungen bei Gebrauchsgegenständen sowie gadgets, über die in Kurzmeldungen in beiden Formaten berichtet wird, werden hingegen positiv besprochen und konnotiert. Zur letzten Kategorie zählen Roboter, die als Haushaltshelfer einsetzbar oder als Spielzeug ‚nützlich‘ sind, welche in der Öffentlichkeit großen Anklang finden. So wurde in Japan einer der ersten Helfer-Roboter (human helper) vorgestellt, der der Idee von Asimov sehr nahe kommt (vgl. „When Robots Lend a Hand“ 2000, n.pag.). Um den Millenniumswechsel wurden auch Roboter für den praktischen Hausgebrauch (Staub- saugen, Rasenmähen) z.B. im Time Magazine präsentiert (vgl. „Sucking Up”, 1999, n.pag., sowie „Sooner: The End of Chores”, 2000, n.pag.). In diesen Berichten wird vor allem deutlich, dass Technologie weithin ein Faszinosum für viele Menschen ist und diese mit neuen technischen Geräten zu beeindrucken sind, wie Nana Naisbitt in ihrem Time-Artikel „Will Low Tech Replace High Tech?“ darstellt: „We are intoxicated by technology. We are seduced by its power, its speed, its gadgetry and its promise to solve the problems of human suffering.“ (2000, n.pag.) Im Diskurs zu künstlichen Intelligenzen ist ebenfalls ein Unterschied in der Verhandlung zu verzeichnen. Die populärwissenschaftlichen Zeitschriften fokussieren

171 Vgl. dazu die Grafik zur quantitativen Artikelauswertung im Anhang, Abb. 2, S. 233.

95 hier die Technik an sich, d.h. Aspekte der Programmierung sowie Beschreibungen von Testläufen. Die Nachrichtenmagazine hingegen setzen sich dezidiert mit ethischen Aspekten, wie der Verantwortung für und den Rechten von künstlichen Intelligenzen auseinander. Zu Beginn der 1990er Jahre waren die Möglichkeiten künstlicher Intelligenzen noch begrenzt (vgl. Yeaple 1992, 97). Der technologische Forschungs- stand sowie das zukünftig Mögliche wurden anlässlich des Jahrtausendwechsels vermehrt in Spezialausgaben thematisiert. In der „End of the Millennium“-Ausgabe des Scientific American im Dezember 1999 zieht Hans Moravec, Forscher am Robotics Institute der Carnegie Mellon University in Pittsburgh, in seinem Artikel „Rise of the Robots“ Bilanz über den Forschungsstand der Robotik. Er konstatiert, dass die Entwicklung nicht in dem Maße stattgefunden hat, wie noch Mitte des 20. Jahrhunderts erwartet worden war: „[T]he entire endeavour of robotics has failed rather completely to live up to the predictions of the 1950s. […] waves of researchers have grown disheartened and scores of start-up companies have gone out of business.“ (1999, 124)172 Eine „Visions 21“-Spezialausgabe des Time Magazine zum Thema „The Future of Technology” erschien im Juni 2000. In dieser Spezialsektion finden sich Artikel wie: „Will Cyber Criminals Run the World?“, „Will Everything be Digital?“, „Will My PC Be Smarter Than I Am?“ oder „Will Frankenfood Feed the World?“ Rodney Brooks, Professor am renommierten MIT, diskutiert in seinem Artikel „Will Robots Rise Up and Demand Their Rights?“ der Spezialausgabe, ob Robotern auch Rechte zustehen. Dies bedeutet, dass von künstlichen Intelligenzen nicht nur ethisches Verhalten erwartet wird, sondern es sollen ihnen auch ethische Standards gewährt werden, wobei die Frage aufkommt, wie weitreichend solche ethischen Rechte sein sollten:

[R]obots are becoming more humanlike. Barring a complete failure of the mechanistic view of life, these endeavors will eventually lead to robots to which we will want to extend the same inalienable rights that humans enjoy. We should not forget, however, that we will also want robots to man the factories and do our chores. We do not have ethical concerns about our refrigerators working seven days a week without a break or even a kind word. As we develop robots for the home, hospitals and just about everywhere else, we will want them to be similarly free of ethical issues. (2000, n.pag.)173

172 Vor allem das Jahr 2001 war für Forscher der Robotik aufgrund von Kubricks 2001: A Space Odyssey mit großen Erwartungen verbunden gewesen, da es Ende der 1960er Jahre möglich erschien, bis zum Jahrtausendwechsel einen echten HAL zu kreieren. Doch die tatsächliche Forschung war im Jahr 2001 noch weit von dieser Form der künstlichen Intelligenz entfernt (vgl. Brooks 2000 und Stix 2001). Moravec geht davon aus, dass künstliche Intelligenzen, wie sie in Science Fiction dargestellt werden, im Jahr 2040 realisiert sein werden (vgl. 1999, 126 und 135). 173 Ähnlich sehen das auch Russell/Norvig in ihrem Fachbuch zur künstlichen Intelligenz, das an Universitäten zu Lehrzwecken eingesetzt wird: „If robots become conscious, then to treat them as

96 Eine baldige Realisierung dieser Forderungen nach eigenen Rechten für hochent- wickelte künstliche Intelligenzen, wie in der Science Fiction oft suggeriert, wird in den Zeitschriften als noch unwahrscheinlich dargestellt, denn „the biggest challenge is giving machines common sense“ (Wright 1996, n.pag.).174 Von der Intelligenz abge- sehen gehen die Bestrebungen der Entwickler vorerst dahin, Robotern ein menschen- ähnlicheres Aussehen und Mimik zu geben und somit zu einem „appealing social actor“ zu machen (Cohen 2000, n.pag.).175 Der bereits erwähnte Artikel von Moravec hingegen thematisiert weder Bestrebungen, den Robotern ein menschenähnliches Äußeres zu geben, noch geht er darauf ein, ob den Robotern Rechte zustehen (vgl. 1999, 126f). Dabei führt gerade das Thema der ‚Androidisierung‘ dazu, dass Grenzen zwischen Mensch und Maschine weiter verwischen und sich auch die Frage ethischer Rechte für ‚Maschinenmenschen‘ noch prägnanter stellt. Die Befürchtungen um menschenähnliche Roboter sind in einigen Argumen- tationen der Befürchtung um roboterähnliche Menschen, einer ‚Cyborgisierung‘ ge- wichen. Ray Kurzweil zum Beispiel imaginiert in seinem Time-Artikel „The Virtual Thomas Edison“ die Menschheit als real gewordene ‚Borg‘. Er spielt dabei nicht zwangsläufig auf die äußerliche Erscheinung an – Menschen in Kurzweils Vision würden im Jahr 2030 keine künstlichen Schläuche etc. tragen wie die fiktionale Spezies –, sondern in der Form von durch den Körper schwirrenden Nanobots (noninvasive implants), die direkt alles ‚reparieren‘ was im menschlichen Körper nicht mehr funk- tioniert, und nebenbei die Intelligenz steigern: „These prospects will bring enormous benefits, such as vastly expanded wealth, longevity and knowledge. We will have the ability to overcome most diseases, clean up the environment and alleviate illiteracy and poverty.“ (Kurzweil 2000, n.pag.) Jedoch sieht Kurzweil auch die darin verborgene Problematik der Kontrolle: wie und mit wem kommunzieren die Nanobots? Ist es möglich, dass Nanobots von außen programmiert werden oder von sich aus die Gedanken und Taten von Menschen kontrollieren und diesen ihre Autonomie nehmen

mere ‚machines‘ (e.g., to take them apart) might be immoral.“ (2003, 964) 174 Dabei erweist sich als das größere Problem die Messbarkeit von Intelligenz sowie ‚natürlichem‘ Ver- halten einer künstlichen Intelligenz. Hierfür gibt es z.B. den sogenannten Turing Test, der 1950 von Alan Turing entwickelt worden ist. Mittels einer Konversation, durchgeführt in Echtzeit am Com- puterbildschirm soll die Testperson entscheiden, ob sie sich mit einem Menschen oder einer künstlichen Intelligenz unterhält. Mehr über den Test und auch seine Problematik z.B. bei Yeaple (1992), Wright (1996) und Ford/Hayes (1998). 175 Dabei ist auch ein Ziel, dass Roboter die Mimik des menschlichen Gegenüber lesen und interpretieren können, um dann entsprechend darauf zu reagieren (vgl. Cohen 2000, n.pag. sowie Langreth 1995, 88).

97 (vgl. ibid.)? „Technology has always been a double-edged sword“, und ihr Fortschritt kann nicht aufgehalten werden – auch aus ökonomischen Gründen:

[W]e will have no choice but to address the threats emerging from technology through a combination of ethical standards, technological „immune systems‟ and law enforcement. […] The merger of humanity and its technology is the inevitable next step in the evolutionary progress of intelligence on our planet. (Ibid.)

Die Dynamik des Fortschritts von Biotech und Nanotech diskutiert auch Stewart Brand in seinem Time-„Visions 21“-Artikel „Is Technology Moving Too Fast?“ Brand be- zeichnet diese Technologien als „self-accelerating“, da die neue Technologie direkt ein- gesetzt wird, um wiederum neue Technologie zu entwickeln (2000, n.pag.). Dies – quasi der im Motto zitierte Alptraum C-3POs – gelang erstmals im Jahr 2000, als die Brandeis University berichtet, dass einer ihrer Roboter einen neuen, kleinen Roboter kreiert habe (vgl. Golden 2000, n.pag). Die Kurzmeldung im Scientific American zu diesem Ereignis formulierte eine Zukunftsvision mit einem humoristischen Unterton: „So will humans soon share the world with cyborgs? If that sounds silly, consider that the researchers felt compelled to say in their paper that ‚robotic lifeforms‘ are not dangerous, yet.“ (Musser 2000, 26) Im Gegensatz dazu imaginiert ein Artikel in Newsweek, versehen mit dem Hinweis: „This isn’t science fiction“, ein Schreckensszenario: „That leads to the possi- bility of true horror, that an organism accidentally created could simply obliterate all other life on the planet.“ („After Sheep and Pigs, Goo“ 2000, n.pag.) Generell ist in den Artikeln über Möglichkeiten und Gefahren der Nanotech- nologie ein Unterschied zwischen Scientific American und den Nachrichtenmagazinen zu verzeichnen. Ein Artikel aus dem Jahr 1996, veröffentlicht im Scientific American mit dem Titel „Waiting for Breakthroughs“, beschreibt die Anwendungsmöglichkeiten der Nanotechnologie in überwiegend positiven Zukunftsvisionen: „[N]anotechnology could alleviate world hunger, clean the environment, cure cancer, guarantee biblical life spans or concoct superweapons of untold horror.“ (Stix 1996, 94) Die Forscher der Nanotechnologie werden in diesem Artikel auch nicht mit dem Mad Scientist-Stereotyp behaftet sondern als Helden deklariert: „Computer mavens and molecular biologists have replaced rocket scientists as the heroes that will help transcend the limits imposed by economics and mortality.“ (Ibid.) Im Gegensatz dazu werden GNR-Technologien (Genetik, Nanotechnologie und Robotik) im Newsweek-Artikel „After Sheep and Pigs, Goo“ als Ursprung allen Übels identifiziert, diese seien „so powerful that they can spawn whole new classes of accidents and abuses“ (2000, n.pag.). Allerdings wird in

98 den verschiedenen Artikel auch deutlich, dass die Entwickler von neuen GNR- Technologien offensichtlich Zeit und Geld in die Folgenabschätzung investieren.

*** Ethisches Verhalten in der Forschung und in der Forschungsanwendung wird nicht nur in den Spezialdiskursen der Ethik propagiert, sondern auch deutlich in den Mediendis- kursen hervorgehoben. Dies kann nach Keller als eine Diskursformation zum Thema Wissenschaftsethos identifiziert werden. Innerhalb dieser Diskursformation wird sowohl in den wissenschaftlichen Abhandlungen als auch in den Zeitschriftenartikeln wiederholt der Wunsch der Bevölkerung nach Kontrollen hervorgehoben: einerseits wird die Selbstregulierung von Seiten der Wissenschaftler gefordert, andererseits wird erwartet, dass der Staat regulierend eingreift durch Festsetzung allgemein gültiger Richtlinien, bspw. durch den Einsatz von Ethikkommissionen. Dennoch ist vieles, das in den öffentlichen Medien im Bezug auf Gentechnologie und künstliche Intelligenzen diskutiert wird, noch ‚Science Fiction‘.

Human cloning and designer babies are probably not imminent. Even assuming that the procedures are judged safe and efficient in farm animals, still a long way off, they will be heavily discouraged, if not banned, by many governments for human beings. (Ridley 1999, n.pag.)

In den Zeitschriftenartikeln zur Gentechnologie zeigt sich außerdem, dass die Erwartungen bzw. Hoffnungen an die Technologie als ethisch problematisch aufgezeigt werden, wie bspw. das Klonen eines verstorbenen Kindes. Fragestellungen, die sich hieraus für die folgende Analyse ergeben, sind: Wie wird der verantwortliche Umgang mit Wissen dargestellt und wie wird bspw. Forschungsdrang gewertet? Die genannten Themenbereiche sind den Konzepten der hard Science Fiction (vgl. S. 44) zuzuordnen, d.h. dass hier meist nicht die Auswirkungen auf die Gesellschaft im Vordergrund stehen, sondern die Forschung bzw. Technologie in den Fokus der Episode gerückt wird. Der Schwerpunkt der folgenden Ausführungen zu Star Trek: Voyager liegt auf der ethischen Bewertung von Wissenschaftlern und den prominent verhandelten Wissenschaftsthemen: Gentechnologie und künstliche Intelligenzen. Bei den Wissen- schaftlerfiguren werden die Haltungen von Forschern, die nicht der Sternenflotte angehören, sowie das medizinische Hologramm der Voyager fokussiert. Der Abschnitt zur Gentechnologie bezieht sich vor allem auf die Darstellung von Klonen und auf die Diskussion um ‚Designer Babies‘. Bei den Episoden, die künstliche Intelligenzen

99 thematisieren, konzentriert sich die Betrachtung auf die Darstellung ‚zerstörerischer‘ Technologie, da in diesem Zusammenhang die ethische Wertung besonders deutlich ausfällt. Außerdem wird untersucht, inwiefern künstlichen Intelligenzen Individualität und Identität zugesprochen wird und inwiefern hierbei Rechte für sie eingefordert werden.

2. „We’ll Wrestle with the Morality of the Situation Later“ – Ethisches Handeln in Star Trek: Voyager

Ethisches Verhalten ist im Star Trek-Universum, wie bereits erwähnt, prominent in der Obersten Direktive der Sternenflotte manifestiert. In der Voyager-Serie ist das Festhalten an den ethischen Grundsätzen der Sternenflotte aufgrund der isolierten Situation der Crew im Delta-Quadranten von identitätsstiftender Bedeutung. Gerade zu Beginn der Serie wird wiederholt die zwingende Einhaltung der Obersten Direktive diskutiert und die Notwendigkeit betont, an humanitären Grundsätzen festzuhalten, um nicht in diesem fremden Territorium des Delta-Quadranten zu ‚verrohen‘. So sagt Janeway: „I told the crew when we started this journey that we’d be a Starfleet crew, behaving as Starfleet would expect us to. That means there’s a certain standard […] Principles, principles.“ (26:13 „Prime Factors“, 1/19). Zudem sieht sich die Voyager- Crew als Botschafter der Föderation der Planeten, die für ethische Prinzipien im Umgang mit anderen Nationen steht. Allerdings wird in der Serie deutlich, dass es nicht immer möglich ist, den höchsten ethischen Ansprüchen gerecht zu werden.

2.1 Grauzonen ethischen Handelns in Voyager

In Debatten um ethisches Verhalten wird suggeriert, dass es stets eine dezidiert ethische und eine dezidiert unethische Haltung gibt. Jedoch sind ethische Handlungen nicht immer reduzierbar auf richtig und falsch. Es gibt eine ‚Grauzone‘, in der verschiedene Grade ethischen Verhaltens möglich sind, und solche Grauzonen werden in der Voyager- Serie häufig pointiert ausgelotet. Eine Episode mit einem komplexen ethischen Dilemma ist „Tuvix“ (2/24; Erstausstrahlung 06.05.1996). Ein Unfall beim ‚Beamen‘ ist hier der Auslöser des Problems, das in einem ethischen Dilemma resultiert. Tuvok und Neelix sind auf einem Planeten gelandet, um Pflanzenproben zu sammeln, vornehmlich

100 von Orchideenarten. Als die beiden zurück auf die Voyager gebeamt werden, kommt nur ein Lebewesen dort an – eine genetische Mischung aus Tuvok und Neelix. Die Crew denkt zuerst, dass Tuvix – diesen Namen sucht er sich später selbst aus – ein Betrüger ist, der versucht, sich auf der Voyager einzuschleichen. Nachdem Tuvix jedoch alle Anwesenden namentlich benennen kann und offensichtlich wird, dass er das Wissen und auch die Erinnerungen von Tuvok und Neelix besitzt, ist die Bestürzung groß. Der Doktor bestätigt, dass Tuvix die DNA von Tuvok und Neelix sowie pflanzliche DNA in sich trägt. Letztere gibt schließlich den Hinweis auf des Rätsels Lösung. In einer Sitzung der Führungsoffiziere – auch Tuvix ist anwesend – wird versucht, dem Transporterunfall auf die Spur zu kommen. Die Treffen der Senior- offiziere im Besprechungszimmer stellen ein dramaturgisches Grundmuster der Serie dar: Hier werden in der Gruppe Probleme dialogisch aufgearbeitet und verschiedene Lösungswege ausgelotet. Des Weiteren dienen diese Treffen dazu, den Zuschauern Hintergrundinformationen zum Thema zu geben. Bei diesen Besprechungen werden, je nach diskutiertem Thema, aber auch unterschiedliche Haltungen der Charaktere deutlich, d.h. hier können auch verschiedene ethische Positionen artikuliert werden. Im vorliegenden Fall ist es Tuvix, der die Lösung findet, da er auf Tuvoks Wissen zugreifen kann. Tuvok züchtet Orchideen und ist vertraut mit dem Vorgang der Symbiogenese. Genau dieses Symbiogenese fördernde Enzym wurde in Tuvix’ Scans gefunden. Während des Beamens wird die molekulare Struktur eines Objekts zerlegt und auf der empfangenden Plattform wieder zusammengesetzt. Während dieses Vorgangs ver- schmolzen die Moleküle der Orchideenproben mit denen von Tuvok und Neelix und schufen dabei Tuvix, einen Hybriden. Allerdings ist die DNA von Tuvix eine sehr komplexe Verschmelzung der ‚Originale‘, so dass die Auseinanderdifferenzierung un- möglich erscheint. Tuvix kommentiert dies mit Tuvok’scher Logik und Neelix’schem Humor: „I suppose it would be like trying to extract the flour, eggs and water after you’ve baked the cake.“ (19:37) Dies scheint bereits das Todesurteil für Tuvok und Neelix zu sein. Sowohl die Crew als auch Tuvix müssen mit dieser Situation zurecht kommen, wobei Tuvix das Wissen der beiden ‚Originale‘ hilft, sich schnell einzuge- wöhnen und zu einem, wie Janeway findet, wertvollen Crewmitglied zu werden:

I find him to be an able advisor, who skilfully uses humor to make his points. And although I feel guilty saying it, his cooking is better than Neelix’s. My taste buds are definitely happy to have him around. (27:58)

101 Auch auf der zwischenmenschlichen Ebene wird er akzeptiert. Dies ist ihm vor allem wichtig bei Kes, die eine Liebesbeziehung mit Neelix hatte. Diese Liebe von Neelix zu Kes wurde ebenso in Tuvix übertragen. Kes hat zuerst Schwierigkeiten mit der Situation, da sie nicht akzeptieren möchte, dass Neelix ‚tot‘ ist. Da Tuvix viele von Neelix’ liebenswerten Charaktereigenschaften ‚geerbt‘ hat, wird sie durch ihn schmerzhaft an das ‚Original‘ erinnert. Jedoch sind diese Eigenschaften auch der Grund, warum sie eine Freundschaft aufbauen möchte und letztlich nicht ausschließt, Tuvix lieben zu lernen. Während dieser Geschehnisse hat das medizinische Hologramm weiter an einer Lösung geforscht, um Tuvok und Neelix als separate Individuen wiederherzustellen. Fündig wurde er in der Voyager-Datenbank: Er hat die Idee, die DNA mit Barium zu markieren, um sie somit sichtbar zu machen und dann herausbeamen zu können. Eine Technik, die, wie er erklärt, im 21. Jahrhundert praktiziert wurde – in der Gegenwart der Zuschauer also – und bei der mittels eines radioaktiven Kontrastmittels ein Organ sichtbar gemacht werden kann, mit einer „primitive imaging technology called X-rays“ (31:17). Janeway, Harry und Kes sind begeistert von der Neuigkeit, nur Tuvix ist betroffen. Der Doktor schreibt dies Ängsten bezüglich des Eingriffs zu: „There’s nothing to worry about. We’ve accounted for every variable.“ (31:57) Tuvix antwortet: „Except one. I don’t want to die.“ (32:02) Auf diese Aussage hin wird Janeways Gesicht eingeblendet, es ist erkennbar, dass ihr die Implikation des Verfahrens schlagartig bewusst wird. Sie sucht daraufhin das Gespräch mit ihrem ersten Offizier, um heraus- zufinden, was die richtige Entscheidung ist. Wie die Besprechung aller Senioroffiziere werden auch solche Dialogszenen in Voyager häufig eingesetzt, um gegensätzliche Positionen in präkeren Situationen für die Zuschauer besonders deutlich zu machen. In diesem Fall stellt Janeway zunächst fest, dass Tuvix durchaus Rechte beanspruchen kann, weiter existieren zu dürfen: „[I]n the past few weeks, he’s begun to make a life for himself on this ship. He’s taken on responsibilities, made friends. […] So at what point did he become an individual and not a accident?“ (32:40) Sie deutet hier an, dass direkt nach dem ‚Unfall‘ keiner gezögert hätte, Tuvix zu opfern, um Tuvok und Neelix zurückzubringen. Janeway sucht auch das Gespräch mit Tuvix, bei dem das ethische Dilemma auf beiden Seiten hervorbricht. Tuvix ist nicht der Meinung, dass die Entscheidung über Leben und Tod bei Janeway liegen sollte: „It’s my life, isn’t it my decision?“ (33:35) Daraufhin argumentiert Janeway, dass sie als Captain für Tuvok und Neelix sprechen müsse, die nicht selbst gehört werden könnten. Sie glaubt, dass die

102 beiden leben möchten. Auch wenn die ‚Originale‘ in einer hybriden Form in Tuvix weiter leben, so Janeway, ist das nicht gleichzusetzen mit der tatsächlichen Lebenser- fahrung. Tuvix hält dagegen:

But restoring their lives means sacrificing mine. Captain, what you’re considering is an execution. An execution, like they used to do to murderers centuries ago. And I’ve com- mitted no crime at all. (34:12)

Tuvix plädiert weiter, dass er Tuvok und Neelix als eine Art Eltern betrachtet und ihnen dankbar ist, woraufhin Janeway erwidert, dass die beiden nicht gezögert hätten, sich für ihn zu opfern, wenn es sein Leben retten würde. Tuvix ist sich dessen bewusst: „That’s the Starfleet way.“ (35:07) Ebenso weiß er, dass manche ihn als Feigling bezeichnen werden, da er nicht Willens ist, dieses Opfer zu bringen, denn „I have the will to live of two men” (35:22). Er appelliert an Janeway:

When I’m happy, I laugh. When I’m sad, I cry. When I stub my toe, I yell out in pain. I’m flesh and blood, and I have the right to live. (35:30)

Diese Worte sind eine intertextuelle Referenz an die berühmte Rede Shylocks aus Shakespeares The Merchant of Venice. Auch dieser appelliert an die Menschlichkeit der Bewohner von Venedig und betont seine Gleichwertigkeit in der Gesellschaft:

Hath not a Jew eyes? hath not a Jew hands, organs, dimensions, senses, affections, passions? […] if you prick us do we not bleed? if you tickle us do we not laugh? if you poison us do we not die? (III.i.52-60)

Diese sprachliche Verknüpfung von Shylock und Tuvix unterstreicht, dass Tuvix eine Ungerechtigkeit widerfahren soll und lädt die Situation zusätzlich emotional auf. Nach dieser Unterhaltung mit Tuvix findet sich Janeway somit noch stärker im Zwiespalt. Als jedoch Kes bei ihr erscheint und berichtet, Tuvix hätte sie gebeten, ihm beizustehen, was sie sichtlich verstört hat, plädiert sie gegenüber Janeway: „Tuvix doesn’t deserve to die [Pause] but I want Neelix back.“ (37:18) Dies bestärkt Janeway offensichtlich in ihrer Entscheidung. Als sie Tuvix über ihren Entschluss informiert, ist er der Verzweif- lung nahe – die umstehenden Crewmitglieder schweigen betreten, weil sie sich offen- sichtlich der bevorstehenden ‚Opferung‘ von Tuvix bewusst sind. Dann versucht er von der Brücke zu fliehen, wird jedoch aufgehalten. Bevor er abgeführt wird spricht er ver- söhnliche Worte:

Each of you is going to have to live with this and I’m sorry for that, for you are all good … good people. My colleagues, my friends. I forgive you. (39:52)

103 Diese Abschiedsworte wie auch der mit Trommelmusik hinterlegte Gang zur Kranken- station evozieren die Situation einer Exekution. Dort angekommen verweigert der Doktor jedoch den Eingriff mit Berufung auf den hippokratischen Eid – Tuvix stimmt der Prozedur nicht zu. Mit versteinertem Gesicht nimmt Janeway daraufhin den Eingriff selbst vor. Als Tuvok und Neelix wieder hergestellt sind, sagt Janeway lediglich: „It’s good to have you back” (42:47) und verlässt sofort die Krankenstation mit Tränen in den Augen. Draußen bleibt sie kurz stehen, fasst sich und läuft aus dem Bild. Es fallen keine weiteren Worte, die die Auslöschung von Tuvix im Nachhinein noch rechtfertigen könnten. Hier wird der Zuschauer mit dem ethischen Dilemma also allein gelassen: War es ethisch richtig, Tuvix zu töten? Da der Doktor den Eingriff verweigert, ist die Antwort aus medizinisch-ethischer Sicht recht eindeutig: der Patient stimmt dem Eingriff nicht zu, somit wir dieser nicht durchgeführt. Janeway, als Captain, übernimmt die Entscheidungshoheit und legt fest, wer leben darf und wer sterben muss. Bei Episoden dieser Art wird die Wahrnehmung der Zuschauer für ethische Fragestellungen geschärft. Es wird verdeutlicht, dass Handeln nicht immer eindeutig als ethisch oder unethisch kategorisiert werden kann, sondern es eine ‚Grauzone‘ gibt. Diese ‚Grauzone‘ der ethischen Dilemmas wird auch in den anderen Episoden zum Thema Wissenschaft und Ethik evident, nicht zuletzt in Hinblick auf die Darstellung von Wissenschaftlerfiguren in der Serie.

2.2 „Modern Heirs of Frankenstein“? – Wissenschaftlerfiguren in Voyager

Wiederholt wird in der Serie das Verhalten von Wissenschaftlerfiguren, die nicht der Sternenflotte angehören, den moralischen Standards der Voyager-Crew und ihrem Moralkodex gegenübergestellt. Die in Star Trek: Voyager gezeigten ‚fremden‘ Wissen- schaftler bilden dabei das gesamte Spektrum der Wissenschaftlerstereotypen ab und bleiben nicht einer eindimensionalen Darstellungsweise verhaftet. In Star Trek: Voyager gibt es zwei Wissenschaftler, die eindeutig der mad, bad and dangerous-Kategorie zugeordnet werden können. Henry Starling, ein Computer-Mogul in der Doppelfolge „Future’s End“ (3/08; 3/09), entspricht dem Stereotyp des gefährlichen und wahn- sinnigen Wissenschaftlers, bei dem der Doktor eine bipolare Störung diagnostiziert.176 Aufgrund eines Zeitunfalls kommt er in Besitz futuristischer Technologie, die er

176 „A paranoid response indicative of a bipolar personality disorder“ (Teil II, 10:02).

104 rücksichtslos für seinen eigenen Profit einsetzt. Aus egoistischen Motiven würde er sogar die Auslöschung der Erde in Kauf nehmen.177 Weitaus komplexer angelegt ist der ebenfalls gefährliche Kommandant Annorax aus der der Doppelfolge „Year of Hell, Teil I/II“ (4/08 4/09; Erstausstrahlung 05./12.11.1997). In dieser Folge befindet sich die Voyager in einer Auseinandersetzung mit den Krenim und ihrem Kommandanten Annorax. Hier erschließt sich Kennern von Vernes Roman 20.000 Meilen unter dem Meeresspiegel über ihr literarisches Wissen eine über die Episodenhandlung hinausgehende Interpretationsebene.178 Kommandant Annorax trägt zwar den Namen der Erzählerfigur aus Vernes Roman, jedoch ist er eine Variation der Kapitän Nemo-Figur. Die Funktion von Annorax aus Vernes Roman – Bewunderung des Kapitäns, die beim Leser Kritik weckt – wird in der Voyager-Folge von Chakotay erfüllt (s.u.). Kommandant Annorax, von der Spezies der Krenim, hat ein Zeitschiff entwickelt. Dieses Zeitschiff kann Zeitlinien – auch zu Kriegszwecken – manipulieren: Durch die Veränderung einzelner Ereignisse werden alternative Zeitlinien geschaffen. Die Technologie kann sogar berechnen, welche Folgen das Resultat auf die verschiedenen Zeitlinien und die davon betroffenen Völker hat. Annorax erklärt Chakotay die Technologie anhand des Beispiels eines Kometen. Wenn der Komet mit den Torpedos des Zeitschiffes (‚Chronotontorpedos‘) zerstört würde, wäre es, als hätte es ihn nie gegeben, wodurch das Leben von 8000 Spezies ausgelöscht wäre. Der Komet hat nämlich vor Milliarden von Jahren durch seinen Aufprall auf einem Planeten Kohlenwasserstoff freigesetzt, der die Entstehung all dieser Spezies und deren Umwelt erst ermöglichte; durch die Auslöschung des Kometen ist dieses Leben nicht möglich. Das Zeitschiff wurde ursprünglich gebaut, um das Imperium von Annorax’ Volk wiederherzustellen, genauer, eine Zeitlinie zu schaffen, in der sie über das Gebiet, in dem sie leben, herrschen. Dabei hat Annorax in seiner Kalkulation allerdings ein wichtiges Detail übersehen: Als die größten Feinde der Krenim, die Rilnar, aus der Zeitlinie gelöscht wurden, wurde damit auch eine bedeutende biologische Verbindung zwischen den beiden Völkern vernichtet. Die Rilnar setzten durch Kontakt mit den Krenim einen Antikörper frei, der die Krenim gegen eine tödliche Krankheit schützte. Nach dem Auslöschen der Rilnar verschwand der Antikörper aus der genetischen Struktur der Krenim, woraufhin mehr als 50 Millionen Krenim in dieser alternativen

177 Die Doppelfolge „Future’s End“ wird in einem anderen Zusammenhang auf den Seiten 180-182 näher besprochen. 178 Zum Einsatz von literarischen Klassikern als Dekodierungshilfe vgl. S. 31 und S. 57f dieser Unter- suchung.

105 Zeitlinie an der Seuche starben. Auch Annorax’ Frau wurde ausgelöscht, und damit seine Zukunft: „My wife. And with her my future. My children, grandchildren. All erased because of me.“ (Teil II, 28:51). Seither ist Annorax verzweifelt auf der Suche nach der richtigen Zeitlinie, in der seine Familie wieder existiert: „Time itself is trying to punish me for my arrogance.“ (Teil II, 29:41) Diese Suche unternimmt er verbissen und ohne Rücksicht auf andere Völker, die er dabei auslöscht. Die Schuld, die er durch seine wissenschaftliche Tätigkeit auf sich geladen hat, einschließlich der unvorher- gesehenen Folgen für Generationen und ganze Zivilisationen, haben ihn an den Rand des Wahnsinns gebracht. Annorax wird einerseits als Wissenschaftler von hoher Genialität dargestellt und andererseits als Mann, der seine Handlungen nicht mehr abschätzen kann und größenwahnsinnig agiert. Die Bewertung seiner Handlungen wird durch das dialogische Prinzip der Serie dramatisch umgesetzt: Chakotay und Tom Paris, die beide Gefangene auf Annorax’ Zeitschiff sind, beurteilen sein Verhalten zunächst unterschiedlich.179 Während Chakotay sich die Technologie erklären lässt und in gewissem Maße auch Verständnis für die Situation von Annorax zeigt, will Tom Pariseine Meuterei anstiften („Does the Name ‚Captain Bligh‘ mean anything to you?“,180 Teil II, 24:39) und charakterisiert Annorax als Wahnsinnigen („paranoia […] with a hint of megalomania“, Teil II, 30:58). Er ist entsetzt, als Chakotay von Annorax als ‚aufgeklärt‘ spricht:

Chakotay: Annorax is an enlightened man. Misguided. But I think he wants this to end as much as anyone. Tom: I guess I don’t have the instinct for Time or whatever it is Captain Nemo181 out there calls it. Chakotay, he’s been flattering you and it’s gone to your head. (Teil II, 25:27)

Als Annorax jedoch wieder ein ganzes Volk auslöschen will, weil es ihn seinem Ziel näher zu bringen scheint, wenden sich neben Paris auch Chakotay und Obrist, Annorax’ Erster Offizier, gegen ihn. Annorax’ Wahn kommt letztlich ganz zum Vorschein: „I’m altering history on a massive scale. The destinies of countless star systems are in my hands. The fate of one species is insignificant.“ (Teil II, 27:48) Chakotay antwortet hierauf: „You’re trying to rationalize genocide. One species is significant, a single life is significant.“ (Teil II, 27:57) Dennoch will Chakotay immer noch nicht einsehen, dass Annorax längst den Bezug zur Realität verloren hat:

179 Tom Paris nimmt die Position von Ned Land aus Vernes Roman ein. 180 Eine Anspielung auf die berühmte Meuterei auf der Bounty. 181 Ein weiterer expliziter Verweis auf Vernes Roman, der Annorax indirekt charakterisiert.

106 Tom: He’s insane Chakotay: No he’s not. Wounded maybe. Even tortured. (II, 30:44)

Die ‚richtige‘ Zeitlinie wird letztlich hergestellt, indem Janeway die schwer beschädigte Voyager auf das Zeitschiff der Krenim zusteuert und eine Kollision verursacht. Die Vernichtung des Zeitschiffs macht alle Zeitmanipulationen rückgängig. Am Ende der Episode sieht man Annorax am Schreibtisch sitzen und Berechnungen über Zeitmani- pulationen vornehmen. Seine Frau fordert ihn auf, den Tag mit ihr zu verbringen und er folgt ihrem Anliegen und lässt die Arbeit liegen. Somit wird suggeriert, dass dieser Annorax nicht die Fehler des Annorax der alternativen Zeitlinie begehen wird, da er nicht verbissen an seiner Forschung arbeitet. Die Episode enthält einige ambivalente Aspekte. Die Technologie zur Zeitmanipulation ist, für sich genommen, nicht unethisch. Jedoch der rücksichtslose Einsatz der Technik, zuerst durch das Militär der Krenim zur Auslöschung der Rilnar, wie auch der anschließende Gebrauch durch Annorax, sind klar unethisch. Die beiden Seiten dieser Argumentation werden auch durch die literarische Anspielung an Vernes Roman verdeutlicht. Professor Pierre Annorax ist in Vernes Roman der ‚gute‘ Wissenschaftler, somit suggeriert die Namensgleichheit, dass Kommandant Annorax in der Voyager-Folge nicht von Grund auf böse ist. Dies wird durch die finale Szene von Annorax mit seiner Frau gestützt. Jedoch hat sich Kommandant Annorax durch die Geschehnisse hin zum wahnsinnigen Kapitän Nemo gewandelt. Zusätzlich wird durch Chakotays Interesse an Annorax’ faszinierender Technologie und seiner Empathie für Annorax eine Ambivalenz aufgebaut. Ambivalent ist auch Janeways Entscheidung, das Zeitschiff zu zerstören, da sie nicht weiß, welche Konsequenzen folgen. Zudem tötet sie unschuldiges Leben, sowohl an Bord des Zeitschiffes als auch in den durch Annorax’ Manipulation neu entstandenen Zeitlinien. Eine klarere ethische Grenze wird in der Episode „Scientific Method“ (4/07; Erstausstrahlung 29.10.1997) aufgezeigt. Hier geht die gesamte Crew vehement gegen das Vorgehen von unmoralischen Wissenschaftlern vor. Ein Team fremder Wissen- schaftler von der Spezies der Srivani hat die Voyager heimlich infiltriert und führt, für die Crew unsichtbar, medizinische Experimente an der Besatzung durch, die Schmerzen verursachen und sogar deren Genmaterial manipulieren. So hat Captain Janeway bereits seit geraumer Zeit unerträgliche Kopfschmerzen: „They’re like hot needles driving into my skull.“ (06:12) Es wird erst deutlich, dass jemand der Crew Schaden zufügt, als

107 offensichtlichere Anzeichen zu Tage treten: Chakotay beginnt um Dekaden zu altern und Neelix’ Äußeres verändert sich auf eine evolutionäre Vorstufe seines Volkes. Nachdem die Wissenschaftler der Srivani und ihre Praktiken enttarnt sind, müssen sie sich für ihre Forschungsmethoden rechtfertigen. Die Leiterin der Forschergruppe erklärt, dass sie die heimlichen Experimente durchführen, um Krankheiten auf ihrem Heimatplaneten heilen zu können: „Please understand that there is a purpose to our actions. The data we gather from you may help us to cure physical and psychological disorders that afflict millions. Isn’t that worth some discomfort?“ (32:33) Janeway setzt dem entgegen: „It’s the exploitation of another species for your own benefit. My people decided a long time ago that that was unacceptable. Even in the name of scientific progress.“ (33:26) Hierauf drohen die Forscher, die Crew zu töten, wenn sie ihre Experimente nicht ordentlich beenden können. Janeway jedoch will dieses ethisch verwerfliche Verhalten der Srivani nicht kampflos hinnehmen: „Sorry, these lab rats are fighting back.“ (34:15) Das Verhalten der Srivani wird durch solche Verweise auf Tierexperimente für die Zuschauer extrem negativ konnotiert. Mit einem noch drastischeren Bezug auf Experimente ‚am lebenden Objekt‘ argumentiert die Folge „Nothing Human“ (5/08; Erstausstrahlung 02.12.1998). Hier erfolgt ein klarer Bezug zum Missbrauch von KZ-Insassen für grausame Experimente. Die Voyager reagiert auf den Hilferuf einer fremden nicht-humanoiden Lebensform. Da deren Raumschiff schwer beschädigt ist, wird diese auf die Krankenstation der Voyager gebeamt. Als man sie behandeln will, greift die Lebensform B’Elanna Torres an und geht mit ihr eine Symbiose ein. Dies bedeutet, dass sie sich mit den lebenswichtigen Organen der humanoiden Frau verbunden hat, welche eine Trennung nicht überleben würde. Da der holografische Doktor nicht über das nötige Wissen verfügt, entsteht die Idee, ein ebenfalls holografisches ‚Medical Consultant‘-Programm einzurichten und die Informationen aus der Voyager-Datenbank bezüglich der Exobiologie dorthin zu trans- ferieren. Als Berater wählt der Doktor den kardassianischen Spezialisten Crell Moset.182 Die virtuelle ‚Wiedererweckung‘ dieses Wissenschaftlers führt allerdings zu Span- nungen in der Crew, speziell unter dem Teil der Besatzung, die im kardassianischen Krieg gekämpft haben. Sie beschuldigen Moset, Gefangene in den kardassianischen Todeslagern misshandelt zu haben. Er wird als unmoralischer Wissenschaftler dargestellt, der anderen Leid zufügt, um Medikamente und Behandlungsmethoden zu

182 Die Kardassianer sind in mehreren Star Trek-Serien als Feinde der Föderation etabliert und speziell als rücksichtslose Besatzer des Planeten Bajor eingeführt.

108 testen. Der Doktor ist daraufhin erschüttert, weil er Moset stets als genialen Wissenschaftler angesehen hatte und Moset in der Datenbank der Föderation als Koryphäe gelistet ist. Nach diesen Anschuldigungen wird die Person Crell Moset genauer durchleuchtet und es bestätigt sich, dass Moset während des kardassianischen Krieges tatsächlich in Todeslagern Impfstoffe an Insassen getestet hat. In für die Serie typischen Besprechungsszenen wird die problematische Situation dialogisch erörtert. Die Crew äußert Bedenken, die durch unethische Forschung er- langten Ergebnisse zu nutzen: „Crell Moset killed thousands of people at his hospitals. As long as we’re willing to benefit from his research, we’re not better than he is.“ (31:29) Janeway hingegen sieht nur die Gefahr für ihr Besatzungsmitglied: „The only issue I’m concerned about is the well-being of that crew member lying in sickbay. We’ll wrestle with the morality of the situation later, after B’Elanna is back on her feet.“ (32:44) Letzendlich nutzt Janeway ihre Stellung als Captain und trifft die finale Entscheidung, dass B’Elanna gerettet werden muss. Janeway widersetzt sich dabei mit ihrem Machtwort nicht nur dem Bedenken ihrer Offiziersriege, sondern auch dem ausdrücklichen Willen der Patientin. Nach der erfolgreichen Trennung von Alien und Besatzungsmitglied überlässt Janeway dem Doktor die Entscheidung über das Löschen oder Beibehalten sowohl des Programms als auch aller Erkenntnisse aus Mosets Forschung. Sein ‚Urteil‘ lautet: „In light of recent evidence, I cannot in good conscience utilise research that was derived from such inhuman practices.“ (41:48) Dennoch bleibt letztlich unbeantwortet, was geschieht, wenn wieder die Frage eintritt, ob ethische Grenzen eingehalten oder über- schritten werden sollten. Crell Moset kommentiert seine Abschaltung mit Zynismus: „Ethics, morality, conscience? Funny how they all go out the airlock when we need something.“ (42:40) Die Crew steckt wiederum in einem ethischen Dilemma, das sich nicht einfach mit der Deaktivierung des Hologramms in Luft auflöst, sondern für sie und das Publikum bestehen bleibt. Die Verwerflichkeit der Experimente Mosets werden in der Episode keineswegs in Frage gestellt. Durch die Analogie zum KZ-Arzt Josef Mengele wird Mosets Forschungsweise als eindeutig unethisch markiert. Crell Moset lässt sich in den Typus des unmoralischen Wissenschaftlers einordnen, da er seiner Umwelt unemotional gegenübersteht.

Such a character looks back to the Romantic stereotype of the scientist as emotionally deficient and prefigures one of the most common twentieth-century images of the

109 scientist, as arrogant, unfeeling, and indifferent to the sufferings that may result from his research. (Haynes 1994, 127)

Dabei ist er aber nicht auf Weltherrschaft und Reichtum aus, ihm geht es vor allem um professionelles Prestige. So möchte er über den an B’Elanna und der Lebensform durchgeführten Eingriff zusammen mit dem Doktor einen Artikel verfassen und diesen bei einer medizinischen Zeitschrift einreichen. In der Episode geht es aber auch um die weitreichendere Frage, inwiefern unethisch erworbenes Wissen genutzt werden darf. Die Episode bietet hierbei Denkanstöße im Hinblick auf die Bereitschaft zur Überschreitung bzw. Nichtbeachtung von ethischen und moralischen Grenzen, wenn das Leben eines nahestehenden Menschen in Gefahr ist. Allerdings hält Moset der Voyager- Crew hier den Spiegel vor, denn Janeway dehnt ethische Grenzen, indem sie das Leben eines Crewmitglieds als höchste Priorität setzt und sich der wie eine Ethikkommission agierenden Crew widersetzt. Janeway betritt damit die Grauzone ethischen Handelns, sie erkennt die Problematik der Verwertung von unethisch erlangtem Wissen. Ein Crewmitglied aber wissentlich sterben zu lassen, empfindet sie in diesem Fall als die ‚unethischere‘ Handlung. Somit entschwinden Moral und Gewissen nicht wirklich durch die Luftschleuse, wie Moset dies zynisch kommentiert, sondern Janeway handelt begründet und würde in einer ähnlichen Situation vermutlich erneut so handeln. Ein Beispiel für den Wissenschaftler, der wie Moset unmoralisch handelt, aber durch die Folgen seiner Erfindung geläutert wird, findet sich in der Episode „“ (1/15; Erstausstrahlung 15.05.1995). Der Wissenschaftler Dr. Jetrel hat vor Jahren eine Metreonkaskade – ähnlich einer atomaren Explosion – entwickelt, die auf Neelix’ Heimatplaneten während des Krieges ‚getestet‘ wurde. Reminiszenzen an die Ent- wickler der Atombomben sowie die Ausmaße der Katastrophe werden in dieser Episode überdeutlich hervorgehoben.183 Diejenigen, die nicht durch die Explosion starben, wurden lebensgefährlich verstrahlt. Unter den mehr als 300.000 Opfern war auch die Familie von Neelix. Jetrel kommt unter dem Vorwand auf die Voyager, dass Neelix verstrahlt sein könnte, da er an der Evakuierung Überlebender beteiligt war. Jetrel behauptet, dass die Heilung von Metrimia – so der Name der Strahlenkrankheit – sein neues Anliegen sei. Neelix reagiert mit Skepsis und Widerwillen: „Captain, please tell doctor Jetrel that I am touched by his tender concern for my state of health but that I’d rather be immersed in a pit of Krallinian eels than be examined by him.“ (09:25) Neelix

183 Die Episode greift diesbezüglich einen zeitaktuellen Erinnerungsdiskurs der 1990er Jahre auf (vgl. IV.3.1).

110 stellt die Absichten von Jetrel in Frage: „Don’t either of you find it the slightest bit strange that a man who has made it his life’s work to make a weapon to destroy as many Talaxians as possible should suddenly be concerned for this Talaxian’s health?“ (09:51) Janeway jedoch hält es für möglich, dass Jetrel seinen Fehler wiedergutmachen will: „Maybe he’s trying to undo some of the damage his weapon caused.“ (10:10) Beim ersten Gespräch befragt Neelix Jetrel direkt über seine Absichten:

Neelix: Why are you doing this. […] Is it all just scientific curiosity […] or do you feel guilty about what you did? Jetrel: Guilty? I do not regret it. I did what had to be done. Neelix: Really? It was necessary to vaporise more than a quarter of a million people and to leave thousands of others to be eaten away by metrion poisoning? Jetrel: Would it make any difference if I told you we never thought there would be any radiation poisoning, that anyone close enough would be killed by the initial blast? It was unfortunate we were wrong. (11:17)

Jetrel rechtfertigt sein Verhalten, indem er die Verantwortung auf andere abwälzt, denn nicht er hat die Kaskade ausgelöst, sondern die Regierung und das Militär, sprich die Nutzer seiner Forschung, waren verantwortlich für die Zerstörung. Somit weist er der Gruppe der Technologieanwender die Schuld zu und negiert den Bezug zwischen For- schungsanwendung und Wissenserzeugung:

Jetrels: I’m simply a scientist. Yes, I developed the weapon. But it was the government and the military leaders who decided to use it, not I. Neelix: That must be a very convenient distinction for you. (12:15)

Bei einem späteren Gespräch der beiden erklärt Jetrel, dass Neelix’ Heimatplanet ausgesucht wurde, weil die Militärstrategen die Massenvernichtungswaffen in all ihrer Schrecklichkeit demonstrieren wollten. Neelix wirft Jetrel vor, dass er sie nicht aufgehalten hat. Auf die Frage, ob er nachts noch schlafen könne, antwortet Jetrel, dass er die letzte Nacht so schlecht wie in den letzten 15 Jahren geschlafen habe – „I must live with my conscience“ – und entgegnet Neelix, der im Krieg Soldat war: „As you must live with yours. How many did you kill during the war?“ (12:44) Neelix verweigert sich dennoch der Untersuchung: „I would rather die than help you ease your conscience.“ (13:16) Darauf erwidert Jetrel, dass es aber durchaus von Wert sei, anderen Talaxianern mit der Krankheit zu helfen, was Vorrang vor Jetrels Abstrafung haben sollte. Am Ende stellt sich heraus, dass er nicht beabsichtigt, ein Heilmittel zu finden, sondern versuchen wollte, die Moleküle in der Giftwolke wieder zusammenzusetzen,

111 d.h. die biomolekulare Desintegration umzukehren und die Körper aller getöteten Talaxianer wieder herzustellen. Er fühlt sich im Stich gelassen, da auch seine Regierung diese Forschung nicht unterstützen will und selbst Janeway denkt, dass eine solche Wiederherstellung unmöglich ist. Dabei will Jetrel in erster Linie verdeutlichen, dass er nicht unmoralisch ist und ihm die Opfer nicht egal sind, „because I wanted the world to know, I’m not a monster“ (38:21). Dr. Jetrel ist eine ambivalente Figur. Er trägt die Charakteristika eines Wissen- schaftlers, der sich nicht um die Konsequenzen seiner Forschungsergebnisse kümmert. Jetrel erklärt, dass es keinen Unterschied gemacht hätte, wer die Entdeckung machte, wenn nicht er, dann wäre sie einem anderen Forscher gelungen – eine „scientific in- evitability“ (20:37).

Jetrel: Something so enormous as science will not stop for something as small as man […]. Neelix: So you did it for science? Jetrel: For my planet. And, yes, for science. To know whether or not it could be done. It’s good to know how the world works. It is not possible to be a scientist unless you believe that all the knowledge of the universe and all the power that it bestows is of intrinsic value to everyone. And one must share that knowledge and allow it to be applied. And then be willing to live with the consequences. (21:13)

Jedoch lebt Jetrel als Konsequenz seiner Wissenschaft mit großer Schuld. Seine Forschung hatte auch einschneidende persönliche Konsequenzen, denn seine Frau hat sich von ihm abgewandt, weil sie ihn für ein Monster hielt, und ihn zusammen mit den gemeinsamen Kindern verlassen. Als Neelix ergreifend von den Opfern erzählt, die er bei der Suche nach Überlebenden gesehen hat, fließen Jetrel Tränen über die Wangen.184 Jetrel gesteht, dass er sich seit dem Tag der Metreonenkaskade sehr wohl als Monster gefühlt hat und sich in dem Moment auch über seine Verantwortung daran bewusst wurde. Janeway sympathisiert mit Jetrels Versuch, seine Erfindung rückgängig zu machen. Der Versuch glückt jedoch nicht. Trotzdem sieht Neelix Jetrel nun mit anderen Augen und er vergibt ihm auf dessen Totenbett. Jetrel stirbt an der von ihm verursachten Strahlenkrankheit und wird dadurch selbst zum Opfer seiner Forschung. Ebenfalls zum ‚Opfer‘ seiner Forschung wird der Wissenschaftler Forra Gegen von der Spezies der Voth aus der Episode „Distant Origin“ (3/23; Erstausstrahlung 30.04.1997). Er ist ein ‚hilfloser‘ Wissenschaftler, allerdings nicht weil seine Regierung

184 Die Beschreibung ähnelt den Bildern, die es von den verbrannten und entstellten Körpern der Opfer der Atombomben in Hiroshima und Nagasaki gibt.

112 seine Forschung ausnutzt, wie das bei Jetrel der Fall ist, sondern weil sie Gegens Forschungsergebnisse nicht anerkennen will, da diese das Weltbild der Voth verkehren würde. Gegen muss sich schließlich den Vorstellungen seiner Regierung beugen und seine Ergebnisse widerrufen, womit die Figur Assoziationen an den berühmten Fall des Galileo Galilei (1564-1642) weckt. So wie dieser für seine Behauptung, die Erde drehe sich um die Sonne, wegen Ketzerei angeklagt wurde, so unterliegt auch Gegen letztlich den Machthabern seiner Gesellschaft.185 Der Anthropologe Gegen findet Beweise, dass seine Spezies nicht in der Region entstanden ist, in der sie lebt, sondern ursprünglich von der Erde stammt. Diese Theorie widerspricht allerdings der Doktrin seines Volkes. Gegen hat bereits mehrere Knochen- teile eines Skeletts gesammelt (es handelt sich um ein verstorbenes Mitglied der Voyager-Crew) und auch Fragmente von Kleidung, die seine Theorie stützen. Er nimmt den Schädel in seine Hände und spricht zu ihm: „Did your eyes see the planet of our origin, the true home of our race? Was it beautiful? Was it covered by oceans, by sand? Were there nine moons above your head? Were there none?“ (04:30) Das Skelett ist der Schlüssel zu seiner Beweisführung auf der Suche nach wissenschaftlicher Wahrheit. Gegens gewagte ‚Distant Origin‘-Theorie propagiert, dass die Voth – eine Saurierspezies – von einem anderen Planeten stammen, sich auch dort entwickelt haben und später zu ihrem heutigen Planeten gereist sind:

For millions of years, our people have believed that we were the first intelligent beings to evolve in this region of space. The first race. This assumption underlies everything that we hold dear. But that belief has been questioned in recent years, not only by the circles of science and philosophy, but by common people as well. Lying before you is proof of the Distant Origin Theory. These remains demonstrate beyond doubt that we arose elsewhere in this galaxy, that we evolved on a far away planet and traveled to this space millions of years ago, our true history lost. (05:52)

Gegens Fund weist 47 gemeinsame genetische Marker des menschlichen Skeletts mit den Voth auf, was für eine Herkunft von der Erde und eine entfernte Verwandtschaft mit den Menschen spricht. Damit macht er sich Feinde in seiner Regierung:

Professor Gegen, have you considered the wider implications of your theory? […] Because, by challenging Doctrine, you’re suggesting that everything we believe about ourselves, our history, our ancient and rightful claim over this region of space, the authority of this Ministry itself, is a lie. (07:53)

Gegen räumt ein, dass seine Theorie das Weltverständnis der Voth verändern würde: „In the light of my discovery, some beliefs might have to be re-evaluated.“ (08:21) Gegen

185 Galilei wurde im Jahr 1992 von Papst Johannes Paul II rehabilitiert (vgl. Ostling 1992).

113 versucht auch, seiner Tochter die Konsequenzen zu erklären, wenn er seine Forschung aufgeben müsste: „To your children, to all of Voth? You’ll continue to live in ignorance, progress held back by ancient myth. The truth must be known.“ (10:11) Da Gegen seine Theorie nicht widerruft, soll er wegen Ketzerei verhaftet werden, er flieht aber und macht sich auf die Suche nach den entfernten ‚Verwandten‘, die er auf der Voyager findet. Er wird letztlich eingeholt, und die Voth nehmen die Voyager gefangen und zwingen Gegen somit, zu ihnen zurückzukehren, um sich der Anklage zu stellen, ansonsten würden sie seine Beweisstücke vernichten und die Voyager-Crew töten. Bei der Anhörung zeigt sich noch einmal, warum die Regierung sich so vehement gegen die ‚Distant Origin‘-Theorie wehrt – es geht um die Aufrechterhaltung ihrer Identität als intelligente und hochentwickelte Kultur:

We are not immigrants. I will not deny 20 million years of history and Doctrine just because one insignificant saurian has a theory. (36:03) [...] [W]hat I see appalls me. I see my race fleeing your wretched planet, a group of pathetic refugees, crawling and scratching their way across the galaxy, stumbling into this domain. I see a race with no birthright, no legacy. That is unacceptable. (37:37)

Chakotay versucht sich als Anwalt für Gegens Theorie, indem er die Bewertungs- kategorie der Regierung hinterfragt. Statt eines Herrschaftsanspruchs über Abstammung verweist Chakotay auf die Leistungen der Spezies, aus denen sich ihr Machtanspruch legitimiere.186 Er argumentiert außerdem, dass nur Veränderung Fortschritt ermöglichen könne, auch wenn Veränderung schwierig sei: „I know from the history of my own planet that change is difficult.“ (37:12) Er stellt die Leistung der Voth, dem Desaster auf der Erde zu entfliehen und an einem fremden Ort diese hoch entwickelte Kultur aufzubauen, in ein positives Licht: „Deny that past, and you deny the struggles and achievements of your ancestors. Deny your origins on Earth and you deny your true heritage.“ (38:41) Das Ministerium will von dieser Sicht aber nichts wissen. Gegen wird letztlich zum Opfer seines Idealismus, denn er hat nicht mit dem extremen Festhalten an der Doktrin gerechnet:

This inquiry isn’t about truth. It’s about keeping you in that chair. It’s about maintaining a myth that keeps the Ministry in power. You’d do anything to silence me. Well, it won’t work. I’ll never retract my claims, I’d rather go to prison than help you perpetuate ignorance. (35:30)

186 Dieses Legitimationsmodell, Herrschaftsanspruch aufgrund von Leistung statt eines Geburtsrechts, entspricht auch dem ‚American dream‘: durch harte Arbeit vom Tellerwäscher zum Millionär.

114 Um seine Freunde auf der Voyager zu retten, willigt Gegen schließlich ein, seine Theorie öffentlich zu widerrufen. Gegen wird außerdem von der ideologisch ‚gefährlichen‘ Wissenschaftssparte Paläontologie in die Metallurgie strafversetzt. Wie auch Galilei im Nachhinein als Vorreiter der wissenschaftlichen Revolution angesehen wurde, so könnte auch Gegen bei den Voth zu einer solchen Figur aufsteigen. Jedenfalls äußert er am Ende der Episode die Hoffnung, dass irgendwann in der Zukunft die Erde als der Abstammungsplanet der Voth anerkannt wird. Die Entscheidungen, die aufgrund des Festhaltens an der Doktrin gefällt werden, – die Bestrafung des Forschers Gegen sowie diesen zur Widerrufung seiner Theorie durch Erpressung zu zwingen –, werden in der Folge als unethisch dargestellt. Gegen selbst verhält sich ethisch, sowohl in seiner Forschung als auch der Entscheidung, seine Theorie zu widerrufen, da er dadurch die Crew der Voyager rettet. Mit dem Thema ‚Herkunft‘ ist die Episode natürlich in sehr offensichtlicher Weise auch an die Evolutionstheorie angeschlossen, die in den USA noch immer Kontroversen auslösen kann. Im Jahr 1996, ein Jahr vor Erstausstrahlung der Episode, gab es Meldungen in den Massenmedien, dass der Vatikan die wissenschaftliche Evolutionsgeschichte für möglich halte. Im Kommentar des Papstes, über den in Time berichtet wird, heißt es: „Today … new knowledge leads us to recognize that the theory of evolution is more than a hypothesis.“ (Collins 1996, n.pag.) Diese Äußerung des Vatikans beinhaltete außerdem die Aussage, dass es grundsätzlich keinen Konflikt zwischen wissenschaftlicher Theorie und religiöser Auslegung gebe (vgl. ibid. und Marklein 1996, 03.A). Aus Sicht der gerade in den USA sehr aktiven Gruppe der Kreationisten ist dies jedoch keine vertretbare Position. Sie lehnen die Evolutionslehre weiterhin ab und wollen durchsetzen, dass an US-amerikanischen Schulen die biblische Schöpfungsgeschichte gelehrt wird. Wie die Voth empfinden es auch die Kreationisten als ‚unwürdig‘, von einer primitiven Rasse abzustammen. Erste Erfolge in ihrem Kampf gegen die Evolutionstheorie konnten die Kreationisten im Jahr 1996 verzeichnen, wie im März in USA Today berichtet wurde (vgl. Curley 1996, 03.A): Im US-Bundesstaat Alabama wurde erreicht, dass neue Schulbücher für den Biologieunterricht eingeführt wurden, in denen die Evolutionstheorie als reine Theorie ausgewiesen wird und nicht als belegte Tatsache. Im Staat Tennessee wurde überlegt, ein Gesetz einzuführen, das es erlaubt, Biologielehrer aus dem Schuldienst zu entlassen, wenn sie die Evolutionslehre als Fakt darstellen. Dass die Nation in dieser Ansicht gespalten ist, verdeutlicht eine Umfrage des National Science Board der US-Regierung, die feststellte, dass nur 44

115 Prozent der US-Amerikaner die Evolutionstheorie anerkennen (SEI 1996, Kapitel 7, S. 8). Es liegt nahe, die Episode „Distant Origin“ auch als Kommentar auf diese Vorgänge in den USA zu lesen. Neben ‚fremden‘ Wissenschaftlerfiguren werden Fragen der Wissenschaftsethik in Voyager immer wieder auch in Bezug auf das medizinische Hologramm thematisiert. Da es sich hier um ein Computerprogramm handelt, kann mit der Darstellung eines Wissenschaftlers ‚gespielt‘ werden, d.h. durch die Implementierung einer neuen Sub- routine kann das medizinische Hologramm bspw. eine neue Charaktereigenschaft an- nehmen und dadurch verschiedene Aspekte der Wissenschaftlerfigur ausloten. Zudem ist in seinem Programm eine ethische Subroutine (einschließlich des hippokratischen Eids) integriert, die es ihm verbietet, unethisch zu handeln: Dieses Programm wird jedoch wiederholt herausgefordert oder gar manipuliert und bietet dann ebenfalls Anlass, wissenschaftsethische Fragen zu überdenken. Eine Darstellungsvariante ist der holografische Doktor als Held. Seine extensive Datenbank sowie das Vermögen, neues Wissen leicht einzuspeichern, helfen in einer Vielzahl gefährlicher Situationen. So ist er z.B. der entscheidende Faktor, um die Hirogen in „The Killing Game“ zu besiegen (vgl. S. 195-197). Der Doktor kann in diesem Handlungsgeschehen als heldenhafter Wissenschaftler im Sinne von Frizzoni klassifiziert werden:

Mit ihrem profunden Wissen fungieren die Wissenschaftler als Retter in der Not. Wissenschaftliche und technologische Errungenschaften werden also nicht per se dämonisiert, sondern durchaus gefeiert, nicht zuletzt auch in den sogenannten Space Operas mit ihren grandiosen Inszenierungen von künftigem Leben im All und ihren mit allen erdenklichen Technologien ausgestatten Raumschiffen (Star Trek). (Frizzoni 2004, 32)

Allerdings birgt genau die Technologie eine große Gefahr. Da der Doktor eine künstliche Intelligenz ist, sollte er sich gemäß seiner Programmierung verhalten. Aber diese Programmierung kann von Dritten manipuliert werden, wie in „Equinox“ (s.u.) oder in „Lineage“ (s.u.) gezeigt wird. Auch das Bedürfnis des Doktors zur Persön- lichkeitserweiterung sorgt immer wieder für Konflikte in seiner Matrix. Durch das Einspeisen weiterer Subroutinen und Persönlichkeitsprogramme, d.h. Persönlichkeits- strukturen berühmter Menschen, denen der Doktor gerne nacheifern möchte, werden andere Subroutinen gelöscht oder angegriffen. In solchen Fällen wird auch er zum Mad Scientist.

116 In „Darkling“ (3/18; Erstausstrahlung 19.02.1997) hat der Doktor sein Pro- gramm ‚verbessert‘ und weitere Subroutinen aufgespielt. Jedoch weisen die Charakter- züge und Temperamente der Persönlichkeiten, die der Doktor seinem Programm hinzugefügt hat, alle einen ‚dunklen‘ Aspekt in ihrer Psyche auf. In ihrer Kumulation verursachen diese nun beim Doktor eine Persönlichkeitsstörung, die er selbst nicht wahrnimmt. Auch dem Zuschauer wird das Problem erst bewusst, als ein Aufflackern seiner Matrix den anderen, bösen Charakter dezidiert ankündigt und dieses böse Alter Ego sogar einen Mord begehen will. Am Ende der Folge sagt der geheilte und geläuterte Doktor den für Mediziner verpflichtenden Eid des Hippokrates auf. Wie bereits erwähnt (vgl. S. 57f), wird hier die Analogie zu Stevensons Dr. Jekyll and Mr. Hyde evoziert, welche in der Doppelfolge „Equinox“ (5/26, 6/01; Erstausstrahlung 26.05./22.09.1999) explizit geäußert wird. Hier stößt die Voyager auf ein anderes Sternenflottenraumschiff, das es in den Delta-Quadranten verschlagen hat. Im Gegensatz zur Voyager-Crew, die an den Richtlinien der Sternenflotte während ihrer Zeit im Delta-Quadranten festhält, hat die Equinox-Crew diese Richtlinien über Bord geworfen, um dadurch schneller zurück zur Erde zu gelangen. Für dieses Ziel sind sie auch bereit, unethisch zu handeln und eine fremde Spezies zu missbrauchen und zu quälen. Die Crew der Equinox hat zu diesem Zweck ihr medizinisches Hologramm manipuliert und dessen ethische Subroutine gelöscht. Auf diese Weise konnte ihr Doktor dazu gebracht werden, unethische Experimente an einer außerirdischen Lebensform durchzuführen.187 Als der Voyager-Doktor dies entdeckt, fragt er seinen ‚Zwilling‘ entsetzt: „You? That’s a violation of your programming.“ Der Equinox-Doktor entgegnet: „They deleted my ethical subroutines.“ (Teil I, 37:41)188 Daraufhin schaltet der Equinox-Doktor den Voyager-Doktor aus und begibt sich auf die Voyager, um dort Crewmitglieder der Equinox zu befreien, die nach Entdeckung ihres ethischen Fehlverhaltens inhaftiert wurden. Am Ende der Doppelfolge schlussfolgert der Voyager-Doktor: „It is disconcerting to know that all someone has to do is flick a switch to turn me into Mr. Hyde.“ (Teil II, 37:52) Seven schlägt daraufhin vor, ein Sicherheitsprotokoll zu installieren, um zukünftige Manipulation zu vermeiden. Ähnlich wie Dr. Jekyll in Stevensons Roman keine Kontrolle über sein böses Alter-Ego Mr. Hyde ausüben kann, wird auch der holografische Doktor nicht verantwortlich gemacht für die Taten seiner

187 Deren Körper enthält eine hohe Konzentration an Antimaterie, die von der Equinox-Crew genutzt wird, um den Warpantrieb zu verbessern. 188 Die ethische Subroutine des Doktors entspricht den „Drei Gesetzen der Robotik“ von Asimov (vgl. S. 90).

117 Hyde-Persona. Das Verhalten des Doktors wird durch einen Fehler in der Program- mierung seiner Matrix begründet: im ersten Fall (in „Darkling“) kann sie die neuen Einspielungen nicht ordentlich verarbeiten und im zweiten Fall (in „Equinox“) wird ein Programm schlicht ausgeschaltet. In der Episode „Critical Care“ (7/05; Erstausstrahlung 01.11.2000) dagegen handelt das medizinische Hologramm eigenständig, und es liegt kein Fehler der Pro- grammierung vor. Dabei werden zwei ethische Aspekte in der Episode angesprochen: zum einen der Ethik-Code des Arztes und zum anderen sozial ungerechte Behandlungs- methoden. Des Weiteren beinhaltet die Episode Anleihen an die Diskussion um das amerikanische Gesundheitswesen und kommentiert somit die öffentlichen Debatten um dessen Reform, die in den 1990 Jahren von Bill Clinton angestoßen wurde, ebenso wie die Praktiken der HMOs (Health Maintenance Organisation). In der Folge wird der Doktor von der Voyager gestohlen und auf dem Planeten der Dinaal an ein Krankenhaus verkauft. Die Eingangsszene ist eine generische Darstellung bekannt aus Kranken- hausserien – wenn nicht aus der eigenen Lebenswelt – und zeigt eine völlig überfüllte Notaufnahme mit wartenden Patienten, einige werden auf Rollbetten transportiert. In einer späteren Szene wird die Situation noch drastischer dargestellt: Der Eindruck eines Kriegslazaretts wird evoziert, im Hintergrund ist unablässiges Stöhnen zu hören. Das Krankenhaus ist in verschiedene Klassen bzw. Ebenen aufgeteilt, wobei sich die gezeigten Patienten alle auf der niedrigsten Ebene befinden, wo sie nur geringfügig versorgt werden. Der Allocator, ein Computer der die Patienten verwaltet, ist das Novum in diesem Krankenhaus. Mittels Scanner erkennt dieser Computer die Patienten anhand ihres Blutes und bestimmt deren ‚Behandlungs-Koeffizienten‘. Er legt fest, auf welche Ebene der Patient stationiert und wie er behandelt wird. Die Methode wird vom Doktor der Voyager sofort hinterfragt:

Doktor: How is this coefficient derived? Chellick: Through a complex formula that involves profession, skills, accomplishments. Doktor: How is any of that relevant to medical treatment? Chellick: An agricultural engineer is obviously more important than a waste processor. Doktor: Important to whom? Chellick: Society. When your resources are limited, then you have to prioritise. The Allocator assesses the entire individual. Doktor: And reduces his life to a number. (10:36)

118 Es wird deutlich, dass der Patient nach seiner Bedeutung für die Gesellschaft und deren Fortschritt eingestuft wird. Chellick ist der administrative Leiter des Krankenhauses und soll dessen Effizienz steigern und gleichzeitig Ausgaben mindern. Der Allocator, von Chellick programmiert, legt nicht nur den Behandlungsstatus fest, sondern verwaltet alle Patienten und überwacht die gesamte Behandlung. Er kann z.B. die Verabreichung eines Medikaments verweigern, wenn die gesellschaftliche Nützlichkeit eines Patienten nicht der zugeordneten Behandlungsweise entspricht. So werden einfachen Arbeitern teil- weise lebenserhaltende Maßnahmen verweigert, während die Patienten auf einer hohen Ebene sogar präventiv Medikamente erhalten – eine tägliche Injektion, welche die Alterung der Arterien verzögert und die Lebenserwartung somit um 40 Prozent erhöht. Der Doktor findet diese ungerechten Behandlungsmethoden inakzeptabel, besonders hinsichtlich der Situation auf der untersten Ebene: „Are we here to help these people or kill them?“ (15:52). Auch ein Arzt, Dr. Voje, ist mit dem Allocator unzufrieden, hat sich aber mit dem System abgefunden. Der holografische Doktor erinnert ihn an seine ethische Verpflichtung als Arzt, bei der er sich immer fragen muss, was er tun kann, um dem Individuum zu helfen. Als der Junge Tebbis, infiziert mit einem tödlichen Virus, eingeliefert wird, versucht der Doktor zuerst, dessen Behandlungs-Koeffizienten zu erhöhen, indem er weitere Daten eingibt, um die Statistik zu Tebbis’ Gunsten zu manipulieren. Der Computer verweigert jedoch den Zugang zur Akte. Daraufhin stiehlt der Doktor eine Spritze und verabreicht sie Tebbis. Hier wird mit der Kameraführung die Erleichterung und Zufriedenheit über seine Handlung eingefangen: Eine Nahaufnahme des Gesichts zeigt das Lächeln des Doktors, und ein Aufatmen ist zu hören. Tebbis’ Zustand verbessert sich rapide; mit mehreren Injektionen könnte er ganz vom Virus geheilt werden. Nach diesem ersten Erfolg stiehlt der Doktor, er nennt es ‚Umverteilung‘, weitere Spritzen. Als Dr. Voje Bedenken äußert, das Medikament ohne Autorisierung zu verabreichen, antwortet der Doktor ihm: „I certainly wouldn’t want you to do anything to compromise your ethics.“ (22:14) Als der behandelnde Arzt der höchsten Ebene, Dr. Dysek, den Diebstahl bemerkt, stellt der den Doktor zur Rede, dieser erklärt ihm das System:

Doktor: I was simply trying to increase our allocation of resources. Dysek: What are you talking about? Doktor: […] Last month, level blue’s total medication requests were down by 6 per cent.

119 Dysek: Because our cure rate was higher. Doktor: Exactly. Because you performed so efficiently last month, the Allocator will determine you’re able to do with less next month. If we don’t order more medication now, we may not get it when we need it. (23:12)

Danach ist auch Dr. Dysek mit dieser Form der ‚Umverteilung‘ einverstanden. Der Krankenhausverwalter Chellick jedoch durchschaut die Situation. Kurz darauf stirbt Tebbis, laut Chellick, an einer zweiten Infektion, die rasch zum Tod führe. Es wird hier impliziert, dass diese zweite Infektion nicht auf natürlichem Weg entstanden und Chellick verantwortlich ist.

Doktor: Don’t you have any ethical standards? Chellick: You are hardly in a position to speak to me of ethics. Lying. Stealing. Any other crimes you wish to confess? Doktor: I was trying to save lives. Chellick: And I am trying to save a society. Do you really think Patient R12 was going to help me do that? Doktor: His name was Tebbis. Chellick: He wasn’t contributing. He was a drain on resources. Doktor: You’re not just rationing health care here, you’re getting rid of the sick and the weak. Chellick: If the boy had been fit, he would’ve survived. Doktor: Why don’t you just put a phaser to their heads? Chellick: We’re healers, not killers. (28:16)

Als Reaktion darauf infiziert der Doktor Chellick mit dem Virus und manipuliert seine Blutwerte dahingehend, dass der Allocator ihn als Tebbis registriert und ihm die lebensrettende Injektion verwehrt. Er handelt damit gegen den hippokratischen Eid. Dadurch will er erreichen, dass Chellick den Allocator umprogrammiert und somit alle Patienten behandelt werden können. Dr. Voje findet dieses Verhalten des Doktors unethisch: „We don’t make people sick“ (36:20), selbst wenn dies einem höheren Endzweck diente. Besonders diese Aussage von Voje lässt den Doktor später, als er wieder auf der Voyager ist, über sein Verhalten nachdenken. Er bittet Seven seine Matrix zu untersuchen, besonders das Ethikprotokoll. Er hat Gewissensbisse, weil er Chellicks Leben bewusst in Gefahr gebracht hat. Seven fasst zusammen: „You were prepared to sacrifice an individual to benefit a collective. […] You were hoping your behavior was the result of a malfunction.“ (40:41) Die Folge endet mit einer

120 Nahaufnahme des Doktors, dessen Gesicht Ernüchterung und Enttäuschung zeigt. Dieses finale Bild kontrastiert die Zufriedenheit, gezeigt in der Nahaufnahme nachdem er Tebbis die Injektion verabreicht hatte. Hier ist es nicht die Voyager-Crew, die durch dialogische Diskussion eine Lösung findet, sondern der Doktor ist auf sich allein gestellt. Er muss selbst die Entscheidung treffen und hat nur zwei Personen, die ihm behilflich sein können: Dr. Dysek, der durchaus bereit ist, das System für sich arbeiten zu lassen, und Dr. Voje, der das System annimmt, aber zu einem gewissen Grad auch gewillt ist, es zu umgehen. Ein Leben aber bewusst in Gefahr zu bringen, lehnt Voje dezidiert ab. Es wird hinterfragt, ob unethisches Verhalten gerechtfertigt ist, um das Gemeinwohl zu fördern, vor allem wenn Ressourcenknappheit herrscht, bzw. auch, ob unethisches Verhalten gerechtfertigt ist, um anderes unethisches Verhalten zu unterbinden. Wie bereits erwähnt, kann das Thema der Episode als Kommentar zu öffent- lichen Debatten der 1990er Jahr zum US-Krankenversicherungssystem interpretiert werden, so kann sie als Anspielung auf die fehlende Grundversorgung von US-Bürgern gelesen werden.189 Jedoch wird in der Episode nicht nur eine Reform des gesamten Gesundheitswesens als notwendig empfunden, auch die gängigen Praktiken des existierenden Systems werden in Frage gestellt. In dem Time-Artikel „Playing the HMO Game“ wird erwähnt, dass die Mehrheit der US-Bevölkerung mit dem Versiche- rungssystem zufrieden ist, jedoch Befürchtungen hat, falls ein medizinischer Ernstfall eintreten sollte, denn allem voran sind die HMOs an Kostenreduzierung interessiert (vgl. Gorman 1998, n.pag).190 In der Episode bestimmt der Allocator nach dem Kosten- Nutzen-Prinzip, welche Behandlung ein Patient erhält. Wie bereits oben erwähnt, ist die Befürchtung groß, dass Gentests in Zukunft dazu genutzt werden, Risikopatienten von der Versorgung auszuschließen.191 In diesem Sinne kann die in der Episode „Critical Care“ dargestellte Auswahl der Behandlung anhand der Bedeutung des Individuums für die Gesellschaft als Extrapolation der Ängsten über den Einsatz von Gentests gelesen werden. Des Weiteren verdeutlicht die Episode den Sinn von Ethikkommissionen in Krankenhäusern. Generell wird der Doktor jedoch, abgesehen von vereinzelt auftretendem Fehl- verhalten, stets positiv konnotiert. Fehler werden ihm verziehen und auf seine Program- 189 Eine detaillierte Analyse des US-Krankenversicherungssystems findet sich in Kruse (1997). 190 Howley (2006) berichtet über Menschen, die durch Krankheitsfälle in finanzielle Not gerieten. Gorman (1998) nennt einige Beispielfälle, in denen eine HMO aus Kostengründen Behandlungen verweigerten, vgl. dazu auch S. 85 dieser Studie. 191 Vgl. Hallowel (1999) sowie S. 80.

121 mierung, den Einfluss anderer, oder aber seinen eigenen Lernprozess zurückgeführt. Da er auch daran arbeitet, menschlicher zu werden, wird es ihm zugestanden, Fehler zu begehen, da dies zum Lernprozess eines Individuums dazugehört. Ein solcher Prozess wird in der Episode „Latent Image“ (5/11) gezeigt. Hier werden zwei Crewmitglieder, darunter Harry, schwerverletzt auf die Krankenstation gebracht und der Doktor entscheidet sich, zuerst Harry zu helfen. Das andere Crewmitglied stirbt, woraufhin der Doktor in eine Art gedankliche Wiederholungsschleife gerät, in der er nicht aufhören kann sich zu fragen, ob er Harry in der Behandlung bevorzugt hat, weil er ihn besser kannte und das andere Crewmitglied aufgrund dieser Favorisierung sterben musste. Die Erinnerung an dieses Ereignis wird aus seinem Programm gelöscht, da sie ihn dienstuntauglich macht. Der Doktor bemerkt diese Manipulierung und verlangt nach Aufklärung. Am Ende wird ihm erlaubt, diesen inneren Konflikt selbst zu verarbeiten. Am medizinischen Hologramm der Voyager wird somit auch die Anlage- Umwelt-Debatte illustriert. Dem Hologramm ist es gestattet, seine Anlagen zu ‚bearbeiten‘, wie auch seine Umwelt, die Crew, sozialisierend auf seine Persönlichkeit einwirkt. Andrea Andreadis merkt an, dass die Anlage-Umwelt-Debatte in Star Trek oft ausgelotet wird, die Aussage allerdings häufig ambivalent bleibt: „Star Trek has played it safe, in the manner of people who cannot decide which god to appease.“ (1998, 120) Ambivalenz zeichnet fast alle Episoden, die Wissenschaftlerfiguren thematisieren, aus. Star Trek: Voyager bemüht sich dabei, die Motivationen der Wissenschaftler auszu- leuchten: was treibt sie an, was wollen sie erreichen und warum? Die Voyager-Crew muss dabei feststellen, dass es verschiedene Grade ethischen Handelns gibt. Das Nicht- Auflösen ethischer Dilemmas bewährt sich dabei als eine geeignete Strategie, da sich dadurch vielfach Denkanstöße für die Zuschauer ergeben. Eine tatsächliche Auflösung des ethischen Dilemmas durch eine Katharsis am Ende der Episode würde dem Zuschauer kaum Anreize geben, weiter über das Problem zu reflektieren. Denkanstöße erhält der Zuschauer auch in der Verhandlung des Themas Genmanipulation. In den entsprechenden Episoden steht prominent die Anlage-Umwelt-Debatte im Vordergrund, die hinterfragt, ob die Ausgestaltung der Persönlichkeit eines Individuums in dessen Anlagen liegt oder von der Umwelt beeinflusst wird, in der das Individuum aufwächst und lebt. Dabei wird Sinn und Zweck der DNA-Manipulation, i.e. der Anlagen eines Individuums, ethisch hinterfragt.

122 2.3 Die Darstellung von Klonen und ‚Designer Babies‘ in Voyager

In der Star Trek-Lebenswelt des 24. Jahrhunderts ist die Gentechnologie eine aner- kannte, vielfach eingesetzte und beherrschte Wissenschaft. Dies wird durch die fast beiläufige Erwähnung des Einsatzes von Gentechnologie in verschiedenen Episoden suggeriert. Dabei erfährt die Technik der Genmanipulation selbst keine ethische Bewertung, aber die Zwecke, für die sie eingesetzt wird, werden ethisch hinterfragt. In der Folge „Maneuvers“ (2/11) erfährt Chakotay, dass er angeblich Vater wird. Seine DNA wurde gestohlen und die Diebin hat sich damit selbst befruchtet. In der Episode „Lifesigns“ (2/19) wird klingonische DNA genutzt, um die vidiianische Krankheit ‚Phage‘ zu heilen. In beiden Episoden wird die DNA auf unethische Weise extrahiert, nämlich gegen den Willen der ‚Spender‘. Episoden, in denen sowohl der Effekt als auch der genetische Eingriff positiv konnotiert werden, sind dagegen „The Fight“ (5/19) – hier erfährt der Zuschauer, dass bei Chakotay noch vor der Geburt ein Gen ausgeschaltet wurde, das Halluzinationen begünstigt, an denen bereits sein Großvater gelitten hatte – und „Prophecy“ (7/14) – hier stellt der holographische Doktor einen heilenden Antivirus aus embryonalen Stammzellen her. Gentechnologie ist in den Voyager-Episoden also keine ‚verteufelte‘ Technologie; ihr Einsatz unterliegt allerdings ethischen Richtlinien. Somit werden in der Extrapolation heutiger Möglichkeiten in der Serie bereits Anwendungsmöglichkeiten und mögliche Restriktionen für Gentech- nologie angedacht. Die folgende Analyse wird sich auf einige issue-episodes konzentrieren, in denen Gentechnologie als Hauptthema eingesetzt wird. Dabei wird das Thema ähnlich wie im öffentlichen Diskurs zur Entstehungszeit der Serie an zwei Schwerpunkten verdeutlicht: dem Klonen und der Manipulation von Erbgut am unge- borenen Leben. In den Episoden werden vor allem Gefahren hinsichtlich des unbedachten Umgangs mit der Technologie erörtert. Im Bezug auf die Technik des Klonens greift Star Trek: Voyager die öffentliche Diskussion um vorzeitige Zellalterung und die dadurch womöglich zu erwartende reduzierte Lebenserwartung von Klonen auf (vgl. S. 86f).192 In der Episode „Demon“ (4/24) landet die Voyager auf einem Planeten, auf dem aufgrund seiner toxischen Atmosphäre und der extremen Hitze auf der Oberfläche kein Leben existieren kann.193 Die Crew will dort eine Flüssigkeit untersuchen, die als Energiequelle genutzt werden

192 Ein Thema das der Star Trek-Film Nemesis (2002, Regie: Stuart Baird) ebenfalls aufgreift. 193 Diese Planeten werden aufgrund ihrer atmosphärischen Analogie zur Hölle im Star Trek-Universum der „demon-class“ zugeordnet.

123 könnte. Wie sich herausstellt, kann die Flüssigkeit bei Kontakt DNA duplizieren. Diese Episode begründet die Vorgeschichte für das Geschehen in der späteren Episode „Course: Oblivion“ (5/18; Erstausstrahlung 03.03.1999). Der Zuschauer, wie auch die Charaktere in der Episode, wissen anfangs nicht, dass es sich bei ihnen um Duplikate aus der Folge „Demon“ handelt und nicht um die ‚Originale‘. Die Duplikate handeln und denken jedoch wie ihre Originale, zudem sind die Erinnerungen der Originale dupliziert worden. Die Crew stellt fest, dass alle an Bord unter Verstrahlung leiden und eine akute Zelldegenerierung aufweisen. Bei den Nachforschungen zu dieser Zelldegenerierung stößt die Crew auf das Vorkommnis auf dem Demon-Planeten und erkennt so, dass sie Klone sind und deswegen ihre Zellstruktur der Strahlung des Warpkerns nicht standhalten kann. Aufgrund ihrer prekären Situation fragen sich die duplizierten Janeway und Chakotay, inwiefern sie die Sternenflotten-Direktiven aufrechterhalten können. Sind sie als Kopien überhaupt dazu verpflichtet? Für Janeway ist dies klar, Chakotay jedoch deutet an, dass eine Meuterei bevorstehen könnte, denn Janeways Autorität wird in Frage gestellt, da sie nur eine Kopie des Voyager-Captains ist. Janeway erinnert an ihr Versprechen gegenüber der Crew und ihr Ziel: „I promised the crew I’d get them home.“ (31:42) Chakotay hält dagegen, dass ihr zu Hause eben nicht die Erde, sondern der Demon-Planet sei. Bevor sich die Situation klären kann, zerfällt die Voyager-Kopie samt duplizierter Mannschaft. Die ‚originale‘ Voyager-Crew sieht die Explosion, nachdem sie, auf ein Notrufsignal hin, zu Hilfe eilen wollten. Es bleiben weder Hinweise auf die Existenz noch auf das Schicksal der Duplikate zurück. In diesem Fall von Klonen wurden Erinnerungen und Erlebnisse der ‚Originale‘ mitkopiert. Die Voyager-Folge greift also die Frage auf, inwieweit Klone sich tatsächlich wie ihre ‚Originale‘ verhalten können und müssen und ob sie das Recht auf eine eigenständige Identität haben. Diese Fragen können rückgekoppelt werden an die Diskussion um die Rechte von Klonen, die einen verstorbenen Menschen ‚ersetzen‘ sollen. Denn diese hätten durchaus das Recht, sich eigenständig zu entwickeln und eine eigene Persönlichkeit zu formen, wie auch in den Zeitschriftenartikeln argumentiert wird (vgl. S. 87). Eine Lösung des Problems bietet die Episode nicht an, die Fragen werden nur angerissen und stellen ein Angebot an den Zuschauer zur Reflexion dar. Während das Klonen ganzer Menschen noch eine Zukunftsvision ist, sind andere Möglichkeiten der Genmanipulation bereits heute Wirklichkeit. Voyager greift eine dieser Möglichkeiten, nämlich die Schaffung von ‚Designer-Babies‘, in der Episode „Lineage“ (7/12; Erstausstrahlung 24.01.2001) auf. Der Eingriff in die DNA eines

124 Kindes ohne medizinische Indikation wird hier deutlich als unethisch markiert. B’Elanna Torres ist schwanger und der Doktor stellt mittels einer fortgeschrittenen Prä- Natal-Diagnostik fest, dass das Kind eine Wirbelsäulendeformierung hat, welche er aber mittels genetischer Modifikation beheben kann. Dieser Eingriff wird nicht ethisch hinterfragt, sondern stellt im 24. Jahrhundert einen sanktionierten Routineeingriff dar. Bei dieser Gelegenheit lassen sich die zukünftigen Eltern das Kind in einer extra- polierten, holografischen Darstellung im Alter von etwa zehn Monaten zeigen. B’Elanna stellt erschrocken fest, dass das Kind die prägnante klingonische Stirn haben wird und sie erinnert sich an ihre eigene Kindheit und daran, wie ihre Klingonenstirn sie stets zur Außenseiterin machte. Auf dem Holodeck lässt sie den Computer für ihr ungeborenes Kind verschiedene DNA-Kombinationen durchspielen, bis letztlich ein blondes Kind mit glatter Stirn vor ihr steht. Danach will B’Elanna unbedingt das Erbgut ihres Kindes modifizieren lassen. Der holografische Doktor ist dazu aber nicht bereit, da er den Einriff für medizinisch nicht indiziert hält und er weitreichende Folgen befürchtet: „If I make these changes, it’ll affect her appearance. […] Are you also aware that some of these genes influence behavior, personality?“ (19:50) B’Elannas Sorge, dass ihre Tochter wegen ihrer gemischten Herkunft ausgegrenzt werden könnte, lässt sie die Gefahren eine solchen Eingriffs nicht erkennen, obwohl der Doktor erklärt: „Those redundancies are there for a reason.“ (19:00) Die Erinnerung an ihre eigene Situation als Kind führt sie auch in der Diskussion mit ihrem Ehemann Tom Paris an:

Tom: You wanna change who she is. Her individuality [Pause] You don’t want her to be Klingon. […] B’Elanna: I was treated like a monster. [...] Gene resequencing isn’t a weapon. It’s a tool. Like a hyperspanner. Tom: She’s not a machine. She’s our daughter (20:35).

Nach dieser Diskussion spricht B’Elanna bei Captain Janeway vor und verlangt: „I want you to order the Doctor to genetically alter my child.“ (22:00) Janeway jedoch erwidert: „What you’re asking for is ethically questionable. The Doctor has reservations. Your husband is against it.“ (22:04) B’Elanna argumentiert, dass Janeway selbst mit Seven nichts anderes gemacht habe, denn auch bei ihr waren ‚Veränderungen‘ nötig, nachdem sie vom Borg-Kollektiv getrennt worden war. Nachdem B’Elanna für ihren Wunsch keine Unterstützung erhält, handelt sie selbst unethisch: Sie manipuliert das Programm des Doktors, damit er die von ihr gewünschten genetischen Veränderungen durchführt. Der Eingriff wird jedoch in letzter Minute von Tom und Janeway gestoppt. Am Ende

125 der Folge wird B’Elanna vom Doktor von ihrer Schuld freigesprochen, indem er ihr Verhalten mit Hormonschwankungen erklärt: „Not guilty by reason of biochemistry.“ (39:24) B’Elanna jedoch will Verantwortung für ihr Verhalten übernehmen: „But biochemistry isn’t an excuse. I knew exactly what I was doing.“ (39:32) Die Episode endet mit ihrer Bitte, die holografische Projektion nochmals zu sehen, und dieses Mal ist B’Elanna glücklich: „She is cute, isn’t she?“ (41:08) Trotz des Happy Ends, das den Konventionen der Serie entspricht, werden hier die ethischen Implikationen von Genmanipulation zur Veränderung der äußeren Er- scheinung deutlich angesprochen und abgelehnt. Ein Eingriff in das genetische Material zur Behebung der Wirbelsäulendeformierung hingegen stellt eine medizinische Indi- kation dar und erfährt deswegen keine ethische Wertung. Dies entspricht der Haltung, die in den ausgewerteten Zeitschriften vertreten wird: Bei medizinischer Indikation ist die Manipulation der DNA gerechtfertigt, jedoch nicht aufgrund egoistischer Motive, wie zum Beispiel der Veränderung der Augenfarbe. Wie drastisch Eltern durch Genmanipulation gegen das Interesse ihres Kindes handeln können wird in „Child’s Play“ (6/19; Erstausstrahlung 08.03.2000) erörtert. Hier wird ein Kind zur biologischen Waffe gemacht. Die Voyager landet auf dem Planeten der Brunali, einer Agrargesellschaft, die Pflanzen mit genetischer Manipu- lation züchtet, da diese ansonsten auf dem Planeten nicht wachsen würden. Der Planet befindet sich in gefährlicher Nähe zum Lebensraum der Borg, die Bewohner wollen den Planeten deshalb jedoch nicht aufgeben. Hier leben die Eltern von Icheb, der von den Borg gefangen genommen und zur Drohne gemacht wurde. Die Voyager-Crew hat ihn in einer früheren Episode gerettet und er soll nun seinen Eltern zurückgegeben werden. Seven, die als seine Erzieherin an Bord fungiert hat, ist skeptisch, dass er dort gut aufgehoben ist. Ein Grund ist die aus ihrer Sicht wissenschaftliche Rückständigkeit des Volkes, die Ichebs Weiterbildung einschränken würde. Leucon, Ichebs Vater, versucht diese Bedenken auszuräumen – schließlich hat sich seine Spezies auf Genetik spezia- lisiert:194 „We’ve developed sophisticated techniques in agricultural genetics which allow us to grow crops in an inhospitable environment.“ (13:39) Angeblich wurde Icheb bei einem Angriff der Borg entführt. Wie sich jedoch im Verlauf der Episode herausstellt, war die Assimilierung von Icheb durch das Kollektiv

194 Interessanterweise wird nicht kommentiert – weder positiv noch negativ –, dass die Brunali nur von genetisch manipulierten Erzeugnissen leben. Zum Thema ‚Genfood‘ gibt es für den untersuchten Zeitraum nur eine geringfügige Anzahl von Artikeln wie bspw. Golden (1999), Klee (1998) und Springer/Shapiro (1994).

126 von seinen Eltern geplant: Er wurde den Borg als ein trojanisches Pferd angeboten, denn in seiner DNA wurde ein Virus eingepflanzt, das die Borg nach der Assimilation unschädlich gemacht hätte. Die Perversität der leiblichen Eltern erweist sich, als sie den wiedergewonnen Sohn erneut zu den Borg schicken wollen, was die Voyager-Crew in letzter Minute vereiteln kann. Ichebs Eltern versuchen ihre Tat zu rechtfertigen:

Leucon: We don’t have particle weapons or powerful starships at our disposal. We are forced to use the only resource we have. Seven: Your children? Yifay: No, our genetic expertise. (35:08)

Icheb fühlt sich schuldig, dass er seinen Zweck nicht erfüllt hat. Seven versucht, ihm klar zu machen, dass Eltern die Zukunft ihrer Kinder nicht bestimmen dürfen. Dennoch fragt er sich: „Maybe it was my destiny?“ (40:20) Seven jedoch entgegnet: „In the future, you may choose to fight the Borg, but you’ll do it in your own way. You’re an individual. And you have a right to determine your own destiny.“ (40:29) Die Kritik der Episode an der genetischen Manipulation von Kindern betont den freien Willen des Individuums und das Recht auf Selbstbestimmung. Dabei wird gezeigt, wie eine potentiell nützliche Technologie und das entsprechende Wissen für unethische Zwecke missbraucht werden können. Vor allem die Eltern-Kind-Konstel- lation macht den Missbrauch dramatisch, denn die Eltern haben im vollen Bewusstsein der Folgen ein Kind gezeugt und für die Zukunft ihres Volkes ‚geopfert‘. Seven stellt diesen Punkt am Anfang von „Child’s Play“ heraus: „Anyone who values their own goals over the safety of their children is irresponsible.“ (15:57) Während allerdings Icheb die Möglichkeit hat, seine Wünsche und Interessen zu äußern, muss in „Lineage“ das ungeborene Leben geschützt werden. Sowohl im Ethik- als auch im Medien-Diskurs wird die Meinung vertreten, dass Designer-Babies, deren genetisches Material den Wünschen der Eltern entsprechen, ethisch nicht vertretbar sind, wenn es um äußere Schönheitsmerkmale geht (vgl. S. 82 und 87). Die Auswahlmöglichkeit von potentiellen Samenspendern in Befruchtungskliniken schlug Anfang der 1990er Jahre noch große Wellen und es gab warnende Stimmen: „selecting racial and genetic characteristics is a dangerous step towards eugenics“ (Hagar et al. 1994, n.pag.). In „Child’s Play“ wird das Thema des Wunschkindes ins Extreme geführt, hier zeigt sich besonders das Vermögen der Science Fiction, mittels Extrapolation einen ethischen Kommentar abzugeben. In diesem Falle wird die Frage aufgeworfen, welche Ausmaße die

127 Beherrschung der Gentechnologie haben kann, denn die Eltern von Icheb haben nicht gezögert, ihr Wissen zum Wohle der Siedlung einzusetzen, auch wenn sie dafür ihr Kind opfern müssen. Hier hat offensichtlich eine Werteverschiebung eingesetzt, denn die Gentechnologie repräsentiert keine potentielle Gefahr für ihre Lebenswelt, sondern stellt im Gegenteil ein Heilmittel dar: erstens durch die Fruchtbarmachung des Planeten mittels genmodifizierter Pflanzen und zweitens als Möglichkeit zur Bekämpfung der Borg. Die Episode verdeutlicht, dass auch der Umgang mit einer beherrschten Technologie stets der ethischen Reflexion über ihren Einsatz bedarf. Diese Aussage trifft auch für den Umgang mit künstlichen Intelligenzen zu.

2.4 Korrelationen zwischen der Konstitution von Identität und ethischem Verhalten bei künstlichen Intelligenzen in Voyager

Die Science Fiction ist für das Thema künstliche Intelligenzen ein zentrales Verhandlungsfeld. Auch Voyager greift diesen Diskurs auf, wobei sich die folgende Analyse vor allem auf zwei ‚aktuelle‘ Diskurse der späten 1990er Jahre und des Millenniumswechsels (s.o. Kap 1.4) konzentrieren wird: die Frage nach Rechten für künstliche Intelligenzen und die Verantwortung des Ingenieurs. Da die Erschaffung eines Roboters, der tatsächlich ähnlich wie ein Mensch agiert, denkt und handelt, um den Millenniumswechsel noch in weiter Ferne scheint, wird die Verhandlung des Themas in Voyager interessanterweise auch nicht an ‚Robotern‘ festgemacht, sondern pointiert an den Maschinen-Menschen – den Borg – und an photonischen (i.e. holografischen) Lebensformen erörtert. Bei letzteren fungiert vor allem das medi- zinische Hologramm der Voyager als Vergleichsfolie für andere Hologramme. Der Diskurs über die Verantwortung des Ingenieurs für seine Kreation, welcher analog zum Mad Scientist-Diskurs verläuft, ist eine Konvention der Science Fiction. Hier wird vor allem vor Technologie gewarnt, die sich gegen ihren Erschaffer und die Menschheit wendet. In Voyager wird dabei eine Differenzierung zwischen einer starren Program- mierung und der Implementierung ‚wahrhaft‘ künstlicher Intelligenz vorgenommen. Die Debatte um Rechte und ethisches Verhalten von künstlichen Intelligenzen wird generell bei Star Trek stets mit Individualität korreliert. Aus dem eigenständigen Agieren des künstlichen Individuums leiten sich Rechte und Pflichten ab. Für das medizinische Hologramm ist bereits etabliert worden, dass er ‚menschlich‘ behandelt wird und Individualität entwickeln darf. Holografische Programme wie das des Doktors

128 sind auf den ersten Blick nicht von Menschen zu unterscheiden. Sie bewegen sich ‚natürlich‘ und auch ihre Sprache klingt nicht mechanisch, nur bei Energieschwan- kungen ist ein Flackern der Matrix ersichtlich. Gerade die äußere Ähnlichkeit von Hologramm und Mensch, im Gegensatz zur offensichtlichen Künstlichkeit eines Roboters, eröffnet Fragen der Egalität und danach, ob ein Hologramm die gleichen Rechte wie ein Mensch hat oder ob es sich nur um eine Maschine handelt. In der Doppelfolge „Flesh and Blood“ (7/9, 7/10; Erstausstrahlung 29.11.2000) wird die Voyager-Crew mit den Folgen der unautorisierten Weitergabe von Technologie konfrontiert. Die Episode greift den Diskurs um die Verantwortung für Techniknutzung auf: Ist der Entwickler oder der Anwender für Folgen der Nutzung haftbar? In einer Raumstation der Hirogen – einer Jägerrasse des Delta-Quadranten – wurde eine ‚Trainingsstation‘ mit Hilfe der holografischen Technologie der Voyager erbaut.195 Hier können die Hirogen holografische Projektionen ‚jagen‘. Die Programmierung lässt es zu, dass die Hologramme lernen und sich anpassen können, um somit eine reizvollere Beute für die ‚Jäger‘ darzustellen. Dies führt allerdings unvorhergesehen dazu, dass die Hologramme sich an alle Tötungen erinnern können und Schmerzen fühlen. Eines der holografischen Opfer beklagt sich: „Apparently there’s no satisfaction in hunting something that doesn’t suffer when you kill it.“ (26:06) Der Doktor ist entsetzt und argumentiert, dass hier eine neue Spezies entstanden sei, denn die Hologramme seien empfindungsfähig und sollten somit das Recht auf humane Lebensbedingungen haben. Da diese Spezies sich aus der Technologie der Voyager entwickelt hat, hätte diese den verantwortungsvollen Umgang mit dieser gewährleisten müssen. Es stellt sich die Frage, ob sie nun auch verantwortlich für die Situation der Hologramme ist. In seiner Empörung schließt sich der Doktor sogar der Freiheitsbewegung der Hirogen- Hologramme an und stellt sich zeitweise gegen seine eigene Crew. Am Ende wird allerdings wieder die Ausnahmestellung des Doktors betont: Trotz seines Desertierens von der Voyager wird er von Janeway nicht bestraft – „How can I punish you for being who you are?“ (1:19:27) Er darf als Individuum genauso fehlbar sein wie jedes Crew- Mitglied aus Fleisch und Blut – denn auch Janeway erkennt am Ende, dass durch die unrestriktierte Weitergabe von Technologie an die Hirogen einer Lebensform Leid angetan wurde – zudem war das Verhalten des Doktors ‚ethischer‘ als das der anderen holografischen Mitglieder der Freiheitsbewegung. Vor allem deren Anführer wird als

195 Am Ende der Doppelfolge „The Killing Game“ (vgl. S. 195-197 dieser Arbeit) übergibt Janeway den Hirogen die Technologie für holografische Projektionen, damit sie nicht weiter an organischen Kreaturen ihre Jagdtechnik üben.

129 Wahnsinniger porträtiert, der die Menschen vernichten will, damit die Hologramme über das Universum herrschen können. Als der Doktor dies erkennt, wendet er sich gegen die Bewegung und hilft, den Anführer für seine Taten zur Rechenschaft zu ziehen. Die verbleibenden Hologramme dürfen anschließend, dank dem Doktor und der Voyager-Crew, ein freies Leben führen, ohne weiterhin von den Hirogen als Beute gejagt zu werden. Im Verlauf der Serie erhält der Doktor immer mehr Rechte, wodurch jedoch auch entsprechend Pflichten entstehen, wie bereits in einzelnen Episodenanalysen dargestellt worden ist. Für ihn, wie für Seven of Nine, stellt der Serienverlauf eine Bildungsreise dar, bei der die Figur von der Maschine zunehmend zum vollwertigen ‚Menschen‘ wird. In einer der letzten Folgen der Voyager-Serie, „Author, Author“ (7/20), erzielt der holografische Doktor sogar einen juristischen Erfolg und wird als Künstler rechtlich anerkannt. Ein von ihm verfasster Holo-Roman will auf die Missstände im Verhalten gegenüber photonischen Lebensformen hinweisen, wie dessen Epilog erläutert:

What you’ve experienced, dear protagonist, is a work of fiction. But like all fiction it has elements of truth. I hope you now have a better understanding of the struggles holograms must endure in a world controlled by organics. (16:54)

Die Episode schließt mit einer Szene in einer Mine, in der Hologramme desselben Bautyps wie der Doktor für den Abbau giftiger Substanzen eingesetzt werden. Die gezeigte Unterhaltung suggeriert, dass die Hologramme, offensichtlich durch den Roman des Doktors angeregt, für ihre Rechte eintreten werden. Exemplarisch für den Diskurs über Rechte künstlicher Intelligenzen soll die Folge „Revulsion“ (4/05; Erstausstrahlung 01.10.1997) näher beleuchtet werden. Hier hat sich eine künstliche Intelligenz, die als Arbeitssklave ausgebeutet wird, gegen ihre Erschaffer gewandt und hinterfragt im Laufe des Geschehens die Loyalität des Doktors zu seiner Crew. Die Voyager reagiert auf ein Hilfesignal und findet ein Raumschiff, auf dem nur noch ein Überlebender ist – Dejaren, ein Hologramm. Dejaren ist zuständig für Instandhaltungsarbeiten, hauptsächlich in verstrahlter Umgebung, in der Humanoide nicht überlebensfähig wären. Er reinigt den Reaktorkern und entsorgt den Anti- materiemüll. Es werden Parallelen zur Sklavenhaltung gezogen, vor allem in Hinblick auf das Zusammenleben von organischen und künstlichen Lebensformen. Dejaren beschreibt, dass er nie den Lagerraum – seinen Arbeitsplatz – verlassen durfte und beneidet den Doktor um seine Bewegungsfreiheit. Das Hologramm behauptet, die

130 restliche Crew seines Schiffes sei an einer Virusinfektion gestorben. Dies stellt sich jedoch als Lüge heraus, als B’Elanna die blutverschmierten Leichen im unteren Teil des Raumschiffes entdeckt und Dejaran daraufhin auch versucht, B’Elanna zu töten. Seine Feindseligkeit gegenüber organischem Leben kommt während einer Unterhaltung mit B’Elanna deutlich zum Vorschein: „You think that you are the height of intellect in the universe, but you are no better than any filthy animal and I am ashamed to be made in your image.“ (21:12) Dejaren begreift sich als die höher entwickelte Lebensform: „[W]e don’t need nourishment, we don’t suffer disease. We are the higher form of life.“ (31:29) Der Doktor fühlt sich als akzeptiertes Crewmitglied, erkennt jedoch in der Gegenwart Dejarens die Einschränkung seiner Existenz: „[W]e’re still projections of energy and light. We have limitations.“ (31:23) Nach der Begegnung mit dem gewalttätigen und hasserfüllten Dejaren äußert sich B’Elanna positiv über das Verhalten und die Fortschritte in der Persönlichkeits- entwicklung des Doktors. In der Episode wird suggeriert, dass der Doktor die ‚bessere‘ künstliche Intelligenz ist, weil er gefördert und ‚gut‘ behandelt wird.196 Dejarens un- ethisches Verhalten resultiert nicht aus einem Programmierfehler, sondern daraus, dass er trotz seines hochentwickelten Programms durch seinen begrenzten Lebensraum in seiner Entwicklung zurückgehalten wurde. Anknüpfend an die Anlage-Umwelt-Debatte wird verdeutlicht, dass sich eine gefestigte Persönlichkeit mit moralisch korrektem Verhalten nur in einer ‚passenden‘ Umgebung entwickeln kann. Ebenso wird hier angedeutet, dass Gewährung von Autonomie für künstliche Intelligenzen die Bildung einer eigenen Identität fördert. Dejaren durfte weder selbstständig denken noch handeln, noch durfte er sich frei bewegen, was zur Missbildung seiner Persönlichkeit führte. Dem Doktor hingegen wird die Möglichkeit gegeben, sich Privilegien zu ‚erarbeiten‘, indem er seine Persönlichkeit mit Hilfe von Subroutinen erweitert und durch zwischen- menschliche Interaktion mit den Crew-Mitgliedern ‚lernt‘. Wie diese Darstellungen zeigen, wird ethisches Verhalten in Korrelation zu der Ausbildung von Individualität gesetzt. Das Recht auf individuelles, unabhängiges Agieren beinhaltet die Übernahme von Pflichten, darunter humanes, bzw. ethisches Verhalten. Auf dieser Grundlage ist auch eine Untersuchung der Bestrebungen einzelner Borg nach Individualität von Interesse. Die Borg bilden aufgrund ihrer organisch- technischen Symbiose eine Sonderform von künstlicher Intelligenz. Die Mensch-

196 In den vorhergehenden Staffeln gibt es mehrere Situation, in denen er sich beschwert, nicht gleichbe- rechtigt behandelt zu werden. Ein erster Schritt in die Autonomie für ihn ist, dass er sich selbst an- und ausschalten kann (vgl. „Eye of the Needle“ 1/7).

131 Maschine wird in verschiedenen Zeitschriftenartikeln als Alptraum der Menschheit unter dem Begriff ‚Cyborgisierung‘ dargestellt (vgl. S. 97). Die Technologie, die von den Borg zur Assimilierung anderer Spezies genutzt wird, kommt aus dem Bereich der Nanotechnologie. Sogenannte Nanosonden, mikroskopisch kleine Roboter, die den Borg durch die Adern fließen, repräsentieren den Verlust von selbstbestimmter Individualität, Identität und Menschlichkeit und somit auch von ethischem Handeln.197 Im Folgenden werden drei Episoden exemplarisch herangezogen, die markant das ethische Verhalten des Borgkollektivs und das Verhalten vom Kollektiv getrennter Borgdrohnen einander gegenüberstellt.198 In der Episode „Drone“ (5/02; Erstaustrahlung 21.10.1998) wird eine Borg- drohne außerhalb des Kollektivs geschaffen. Wie bereits bei Tuvix verursacht hier eine Störung beim Beamen, dass Sevens Nanosonden den mobilen Emitter des Doktors ‚infizieren‘. Der dadurch entstehende ‚technologische Hybrid‘ assimiliert daraufhin eine Computerkonsole im Wissenschaftslabor und greift einen Fähnrich an, dem er DNA entnimmt. Aus diesen ‚Einzelteilen‘ kreiert die Technologie einen futuristischen ‚Super- borg‘.199 Die Verschmelzung von Nanosonden und mobilem Emitter steht für den Zeugungsakt zur Erschaffung neuer Technologie. Diese Technologie erbaut sich darauf- hin eine Reifungskammer, einen weiterentwickelten Brutkasten, und nutzt die Infor- mation aus der DNA des Fähnrichs, um einen Fötus zu ‚erschaffen‘. Dieser wächst in nur einem Tag zu einem erwachsenen Cyborg heran, der bis zu einem Drittel aus Borg- implantaten besteht und dessen Körper ein Klon des Fähnrich ist. Obwohl ungewiss ist, wie der ‚Superborg‘ sich verhalten wird, sind es Janeways Forscherdrang und Neugier, die sie daran hindern, das neue Leben zu vernichten, denn im Anfangsstadium hätte sie die Möglichkeit gehabt, die Reifungskammer abzuschalten. Seven erklärt, dass neue Borg nach Verlassen der Reifungskammer ihre Designation und somit ihre ‚Bestimmung‘ erhalten, woraufhin Janeway folgende Idee hat: „If we can keep him from interfacing with the collective, maybe we can give him a purpose. […] We could teach him our values, Seven, we could show him what it means to be an individual.“ (16:00) Seven erachtet diesen Vorschlag als leichtsinnig und weist auf die

197 Dennoch kann die Technologie auch für positive Zwecke genutzt werden, z.B. kann Neelix’ Leben durch die Nanosonden gerettet werden (vgl. „Mortal Coil“, 4/12). Die Thematisierung von Nanotech- nologie in Star Trek verdeutlicht somit die Antizipation von öffentlichen Kontroversen, die aber tatsächlich erst zu Beginn des neuen Millenniums einsetzen (vgl. Abb. Nr. 3 im Anhang S. 234). 198 Individualität ehemaliger Borgdrohnen wird ebenfalls thematisiert in den Episoden „Unity“ (3/17) und „Survival Instinct“ (6/02). 199 Gefahren durch Roboter, die sich selbst replizieren, werden auch in den ausgewerteten Zeitschriften diskutiert vgl. S. 98.

132 Gefahr hin, dass die Borg mit der neuen, hochentwickelten Drohne noch viel mächtiger werden könnten. Janeway jedoch sieht darin eine Chance, die Borg zu bekämpfen. Die Ausbildung von Individualität soll verhindern, dass der neue Borg sich dem Kollektiv anschließt: „What I’m proposing is the only defence we have against that possibility, short of murder, and that’s an order I’d prefer not to give.“ (16:30) Janeway führt als Beispiel Sevens erfolgreiche Resozialisierung an, worauf diese beordert wird, den neuen Borg zu sozialisieren und ihn Individualität, Ethik und Moral zu lehren. Auch andere Crewmitglieder äußern, ähnlich wie Seven, ihre Besorgnis, wie zum Beispiel B’Elanna. Neelix widerspricht ihr jedoch: „It will become what we help it to become“, woraufhin B’Elanna trocken antwortet: „How starfleet of you.“ (20:20) Hier wird erneut der humanistische Gedanke des Star Trek-Universums evident, dass Anlagen nur bedingt für die Konstitution des Individuums verantwortlich sind und die Umwelt ein Individuum sozialisiert. Der ironische Unterton von B’Elanna nimmt allerdings eine Wertung des Gedankens vor: Der in Star Trek vertretene Humanismus ist ethisch wünschenswert, jedoch nicht immer zwangsläufig die beste Handlungsweise. Der Erfolg von Sevens Unterweisung manifestiert sich in der Namenswahl der Drohne. Neelix unterstützt ihn in dem Wunsch nach einer ‚Designation‘: „You should choose a name for yourself. Something that defines who you are. After all there’s only one of you.“ (24:35). Darauf wählt der Borg den sprechenden Namen ‚One‘. Dies entspricht zwar dem Prinzip einer Borgdesignation durch Nummerierung, hebt aller- dings auch prominent seine Einzigartigkeit hervor. Wie jedes Individuum will auch One mehr über seine Herkunft, seine ‚Anlage‘ wissen. Der Doktor erzählt ihm von dem Transporterunfall, woraufhin One beunruhigt reagiert:

One: I was an accident. Doktor: Call it a random convergence of technologies. One: Am I unwelcome here? Doktor: On the contrary. Our primary mission is to explore new forms of life. (25:58)

Allerdings stellt dies One nicht zufrieden. Er möchte mehr über die Borg wissen, vor allem möchte er das Kollektiv-Bewusstsein erfahren, wovor er allerdings gewarnt wird:

Janeway: The Borg will destroy your individuality. One: And that is … undesirable? Janeway: Very. The Borg are the most destructive force we’ve ever encountered. They’ve assimilated billions of individuals against their will. (34:00)

133 Kurz darauf greifen die Borg die Voyager an. One, durch die Technologie der Nano- sonden mit dem Kollektiv verbunden, muss den Stimmen und dem Drang, zum Kollektiv gehören zu wollen, widerstehen. Seven erinnert ihn an seine Loyalitäten: „We must resist that voice. The crew of Voyager will be destroyed if we don’t.“ (37:32) Aufgrund seiner den Borg überlegenen Technologie und vor allem seines durch Seven erlernten ethischen Verhaltens rettet er die Voyager vor den Borg, wird dabei aber schwer verletzt. Er verweigert jegliche medizinische Hilfe: „As long as I exist, you are in danger. All life on Voyager is in danger.“ (41:20) Die Borg würden nicht ruhen, bis One in das Kollektiv integriert worden wäre. Somit opfert sich One zum Wohle der Voyager-Gemeinschaft und beweist damit ein hohes individuelles und ethisches Verhalten. In der Doppelfolge „“ (5/15, 5/16; Erstausstrahlung 17.02.1999) wird Sevens re-etablierte Individualität als wertvolle Ergänzung für das Borg-Kollektiv angesehen. Die Voyager entdeckt ein beschädigtes Borg-Schiff und die Crew entwickelt den Plan, dessen Transwarpspule zu stehlen. Diese Spule würde eine schnellere Ge- schwindigkeit ermöglichen als die Voyager maximal erreichen kann und das erfolg- reiche Einbauen der Spule würde die Reisezeit zurück zur Erde erheblich verkürzen. Seven wird indessen vom Kollektiv über ein Interface kontaktiert und zur Rückkehr aufgefordert. Sollte Seven sich weigern, wird der Plan der Crew, von dem die Borg Kenntnis haben, scheitern und alle an Bord der Voyager werden assimiliert. Seven ist daraufhin sehr verstört, was den anderen nicht verborgen bleibt. Janeway will sie sogar von der Mission abziehen, woraufhin Seven plädiert, dass ihr nichts wichtiger sei als die Voyager-Crew und dass die Mission ohne sie scheitern würde. Die Mission gelingt, Seven jedoch wird auf dem Borg-Schiff gefangen genommen und zur Borg-Königin200 gebracht. Hier stellt sich heraus, dass Sevens Resozialisierung auf der Voyager geplant war. Die Königin fragt erstaunt: „You believe that Voyager liberated you from the collective. Did you really think we would surrender you so easily?“ (44:05) Seven befürchtet erneut assimiliert zu werden, die Königin verneint dies jedoch: „You’re much too valuable to us with your individuality intact. But you’ve left humanity behind. Try to abandon their petty emotions as well.“ (51:11) Sevens Individualität ist insofern für die Borg von Bedeutung, als diese verstehen wollen, worin sich der Widerstand der Menschen gegen die Assimilierung begründet, wie die Borg-Königin erklärt:

200 Die Borg-Königin ist kein ‚Individuum‘, sondern die Personifikation des Kollektivs, sie ist das Sprachrohr und das zentrale Verbindungsglied, bei dem alle Schaltkreise zusammenlaufen. Den Titel ‚Königin‘ hat sie von den Menschen erhalten in Anlehnung an das Oberhaupt eines Bienenschwarms.

134 You’re going to help us assimilate humanity. We failed in our first attempt to assimilate Earth, and we won’t succeed the next time unless we understand the nature of their resistance. We want you to be our eyes. Let us see humanity. (51:45)

Seven wird kurz darauf gezwungen, bei der Assimilation eines Planeten zu helfen. Die Borg-Königin ‚erinnert‘ sie an den angeblichen ‚Moment der Erlösung‘, wenn ein Borg entsteht: „They’ve left their trivial, selfish lives and they’ve been reborn with a greater purpose. We’ve delivered them from chaos into order.“ (1:04:33) Als die Borg-Königin Sevens Resozialisierung auf Voyager kommentiert: „They’ve taken you apart and they’ve recreated you in their own image. Hair, garments [Pause] but at the core you are still mine.“ (43:06) Sie erkennt nicht, dass dies umgekehrt ebenso auf die von den Borg assimilierten Spezies zutrifft: Sie erschaffen eine humanoide Spezies nach dem Vorbild der Borg; allerdings bleiben die Assimilierten in ihrem Kern menschlich, auch wenn dies im Kollektiv-Bewusstsein unterdrückt wird. Seven empfindet die Praxis der Assimilierung als unethisch und hilft einer kleinen Gruppe zu fliehen. Die Königin entdeckt das Schiff mit den Flüchtigen und stellt Seven vor die Wahl: zerstören oder assimilieren. Seven jedoch plädiert dafür, die Gruppe frei zu lassen und die Königin lässt das Shuttle tatsächlich ziehen. Der Grund für dieses Einlenken war jedoch nicht Mitgefühl von Seiten der Königin, sondern vielmehr das Kalkül, Seven auf ihre Seite zu ziehen. Dies gelingt jedoch nur bedingt, denn als Seven die Aufgabe erteilt wird, einen Nanovirus zur graduellen Assimilierung der Erde zu entwickeln, weigert sie sich.

Seven: I am an individual. Borg-Königin: You’re only repeating their words. You sound like a mindless automaton. (1:13:23)

Erneut wird hier die Haltung der Menschen gegenüber den Borg in den Worten der Borg-Königin über die Menschen gespiegelt. Obwohl die Borg vom Konzept der Individualität der Menschen fasziniert sind, ist Individualität im Kollektiv nur in dem Maße erwünscht, in dem es für die Zwecke der Borg von Nutzen ist. Seven wird hier zum Forschungsobjekt, dessen ethische Handlungs- und Denkweise jedoch für die Borg ein Mysterium bleibt und als nicht erstrebenswert erachtet wird. Bestrebungen nach Individualität von Borgdrohnen, die stets mit dem Satz „my thoughts are my own“ in den entsprechenden Episoden ausgedrückt werden, thema- tisiert die Doppelfolge „“ (6/26, 7/01; Erstausstrahlung 24.05./ 04.10.2000). Hier wird der oben erwähnte, nach der Assimilerung verbleibende

135 ‚menschliche Kern‘ einer Drohne betont: „They may have turned us into drones, but they can’t change the essence of who we are.“ (Teil I, 14:16) Unimatrix Zero ist die Designation einer abstrakten, virtuellen Welt, die nur in den Gedanken bzw. den Träumen der Borgdrohnen exisitert. Borgdrohnen mit einer rezessiven Mutation, die eine Vernetzung über eine Interlink-Frequenz ermöglicht, können sich hier während ihrer Regenerationsphasen aufhalten. Die Drohnen existieren in dieser (Traum-)Welt in der Erscheinung ihrer ursprünglichen Spezies, d.h. sie haben ein humanoides Äußeres und tragen keine Borgimplantate. Zudem können sie eigenständig handeln, Bezie- hungen eingehen und Emotionen empfinden: „to try and regain a fragment of the lives we lost when we were assimilated“ (Teil I, 14:18). An diesem eskapistischen Zufluchtsort führen die Drohnen ein ‚normales‘ Leben, an das sie sich während ihrer Wachphase allerdings nicht erinnern können. Die Borg-Königin hat die Frequenz bereits isoliert, kann diese jedoch nicht ausschalten. Aus diesem Grund schickt sie nicht- betroffene Borgdrohnen in die imaginäre Welt, um die ‚Dissidenten‘ zu identifizieren. Die Königin geht dabei letztlich so weit, dass sie ganze Borgschiffe vernichtet, wenn auch nur ein einziger Borg der Crew Zugang zu Unimatrix Zero hat, denn jeder Funke von Individualität wird als gefährlich für das Kollektiv erachtet.201 Captain Janeway hingegen erfährt von Seven, die Zugang zu Unimatrix Zero hat, von den Plänen und will die Bestrebungen nach Individualität unterstützen. Die Borgdrohnen mit Verlinkung zu Unimatrix Zero haben einen Nanovirus entwickelt, der die Signatur der Verbindungsfrequenz versteckt und somit das Auffinden der betroffenen Drohnen verhindert. Janeway jedoch denkt einen Schritt weiter und möchte im Borgkollektiv einen Virus einschleusen, der die Erinnerung an Unimtarix Zero bei Erwachen aus der Regenerationsphase erhält: „[W]ith your memories intact, you could begin to undermine the Borg’s control over you.“ (Teil I, 21:38) Dieser Coup gelingt, und tausende Drohnen werden der Kontrolle durch das Kollektiv entzogen. Es bildet sich eine Art Widerstandsbewegung, die aus Unimatrix Zero heraus koordiniert wird. Als die Voyager aufgrund ihrer Involvierung in die Freiheitsbestrebungen unter Beschuss gerät, eilt ein Borgschiff zu Hilfe, das von Dissidenten kontrolliert wird. Hier wird wieder postuliert, dass Individualität zu ethischem Verhalten führt. Da die

201 Zur Nieden (2003, 109-115) diskutiert dies anhand von Episoden aus der Next Generation-Reihe: „I Borg“ (5/23, 11.05.1992, Regie: Robert Lederman) handelt von einer auf der Enterprise resoziali- sierten Borgdrohne mit Namen Hugh, der ins Kollektiv zurückkehrt, woraufhin sein ins Kollektiv ein- gebrachtes Wissen um seine Individualität zu einer Krise führt, welche dann in den Folgen „Descent“ und „Descent, Part II“ (respektive 6/26, 21.06.1993 und 7/01, 20.09.1993, Regie: Alexander Singer) aufgegriffen wird.

136 Voyager-Crew die Bestrebungen unterstützt, muss diese nun vor den Angriffen der Borg-Königin geschützt werden. Unimatrix Zero jedoch muss zerstört werden, da die Borg-Königin dadurch noch Zugang zu den betroffenen Borgdrohnen gehabt hätte. Somit wird auch hier Individualität als hohes Gut erachtet, das geschützt werden muss. Die betroffenen Borgdrohen sind sogar bereit, ihre Traumwelt für das höhere Ziel – der Verbreitung von Individualität im Borgkollektiv – zu opfern und dafür auch zu sterben. Über die Borg werden in der Voyager-Serie Ängste bezüglich des Mensch- Maschine-Verhältnisses artikuliert. Die Borg als Kollektiv verhalten sich unethisch, nicht nur hinsichtlich ihrer Wissensakquirierung, sondern auch weil sie stets auf ihren Vorteil und ihr Bestreben nach Perfektion bedacht sind. Dafür sind sie gewillt, alles zu tun. Die Borg-Königin wird dabei als Individuum mit allmächtiger Kontrolle über das Kollektiv dargestellt. Die Maschinisierung des Menschen bedeutet einen Verlust an Humanität und Individualität, dem entgegengewirkt werden muss. Ängste vor einer Technologie, die übermächtig wird und sich verselbstständigt, werden aber auch anhand anderer Thematiken zum Ausdruck gebracht. Das Problem der Kontrolle künstlicher Intelligenzen sowie das Verhältnis von Programmierer und Technologie wird prominent in verschiedenen Episoden an Hand der Frankenstein-Analogie verhandelt: Die Kreatur, i.e. die künstliche Intelligenz, wendet sich gegen den Schöpfer, i.e. den Ingenieur. Die Episode „Prototype“ (2/13; Erstausstrahlung 15.01.1996) ist eine klassische Robotergeschichte, mit Anklängen an Mary Shelleys Frankenstein. Die Voyager findet einen im All schwebenden Roboter und bringt ihn an Bord. Tuvok warnt, dass nicht abzuschätzen sei, welche Risiken dieser Kontakt birgt. B’Elanna jedoch antwortet Tuvok: „we’ll have lost a chance to study a new technology“ (01:05). Der Roboter ist aus Silber, sein Gesicht ist ein Abdruck im Metall, er hat keine Augen oder Mundöffnung, seine Bewegungen sind leicht abgehackt und nicht ‚flüssig‘. Der Roboter ist schwer beschädigt und benötigt ein neues Energiemodul, ohne das er nicht weiter funktionsfähig ist. Da die Energiequelle, die das Modul betreibt, mit keinem Material an Bord der Voyager kompatibel ist, entwickelt B’Elanna als Chefingenieurin des Schiffes ein neues Energiemodul. Nachdem B’Elanna den Roboter wiederhergestellt hat, ist er fähig zu kommunizieren. Er fragt B’Elanna, ob sie ein ‚Erbauer‘ ist (14:50), denn seine humanoiden Erbauer sind während eines Krieges getötet worden. Die Roboter sind seitdem sich selbst überlassen, haben aber gelernt, gegenseitig Reparaturen an ihren Körpern vorzunehmen. Sie können replizieren was sie sehen, aber keine eigenständige innovative Ingenieursleistung hervorbringen. Aus diesem Grund soll B’Elanna einen

137 Prototypen mit einem Energiemodul erschaffen, das die Roboter dann nachbauen können. Dies weckt B’Elannas Forschungsdrang und sie bittet Janeway um Erlaubnis, den Prototypen zu entwickeln: „It’s an incredible challenge, Captain.“ (16:12) Janeway verbietet ihr jedoch die Einmischung, da dies gegen die Oberste Direktive verstößt: Die Roboter würden durch den neuen Prototypen eine höhere Evolutionsstufe erreichen.

Janeway: What you’re talking about is giving them new abilities. Which is the equivalent of altering their genetic structure. B’Elanna: To correct a flaw. Janeway: You can’t call it a flaw. This is the way they were designed. B’Elanna: I’m trying to save them from extinction. Janeway: Unfortunately, extinction is often the natural end of evolution. B’Elanna: So you’re just willing to let their entire society die off? Janeway: We don’t know that’s going to happen. If they’re adaptable as you say and capable of educating themselves, they might very well learn to build a power module themselves some day. B’Elanna: Some day could be too late. (17:00)

Janeway macht ihren Standpunkt hier sehr deutlich, denn eine Einmischung könnte ungeahnte Ausmaße für die Region haben: „Who are we to swoop in, play God, and then continue on our way without the slightest consideration of the long-term effects of our actions.“ (17:45) Auch wenn Janeway B’Elannas wissenschaftliche Neugier teilt, beharrt sie dennoch darauf, das Anliegen des Roboters abzulehnen, woraufhin dieser B’Elanna auf sein Raumschiff entführt, das die Voyager inzwischen kontaktiert hatte, um den Roboter zu seiner Crew zurück zu bringen. Auf dem Schiff zwingen die Roboter B’Elanna, den Prototyp zu bauen, ansonsten würden sie die Voyager zerstören, was sie auch für den Fall androhen, dass B’Elanna an der Aufgabe scheitert. B’Elanna befindet sich somit in einem Dilemma und muss, um die Voyager-Crew zu schützen, gegen die Oberste Direktive verstoßen. Als B’Elanna sich mit ihrer Aufgabe näher befasst, erkennt sie das Problem: Die Roboter sind ‚Gefangene‘ ihrer Programmierung. Diese starre Verhaftung in der Pro- grammierung wurde, wie sich am Ende herausstellt, von den Erbauern mit Absicht im- plementiert. Die Roboter wurden geschaffen, um im Krieg zu kämpfen und sie wurden mit einem absoluten Willen zum Sieg programmiert, ebenso wie die Roboter, die die Gegenseite geschaffen hat. Dies wurde ihren menschlichen Erbauern zum Verhängnis als sie einen Waffenstillstand ausriefen, denn nun wendeten sich die Robotereinheiten

138 gegen die Erbauer und töteten sie. Seither kämpfen die Roboter der beiden Welten weiter um den Sieg, wie es ihre Programmierung vorsieht. Ein neuer Prototyp würde dabei einer Seite einen strategischen Vorteil verschaffen, denn diese könnte neue Robotereinheiten herstellen, was zuvor an der mangelnden Fähigkeit, Neues zu schaffen, gescheitert war. Als B’Elanna realisiert, dass die Erbauer ihren Robotern absichtlich kreatives Denken verweigert haben, um nicht die Kontrolle über die Roboter zu verlieren, ruft sie aus: „My God what have I done?“ (40:06) und zerstört den Prototyp. B’Elanna realisiert in diesem Moment die Bedeutung der Obersten Direktive und erkennt Janeways Weitsicht, den Bau des Prototyps nicht zu genehmigen. Zurück auf der Voyager spricht Janeway B’Elanna, die vom Schiff der Roboter gerettet werden konnte, ihr Mitgefühl aus, dass sie die von ihr erschaffene Kreatur töten musste. Sie bestätigt aber auch, dass B’Elannas Zustimmung zum Bau des Prototyps richtig war, um die Voyager-Crew zu retten. B’Elanna erinnert sich an den Moment, als der Prototyp sie anblickte und ihre Erzählung gleicht der einer Mutter, die vom ersten Anblick ihres Neugeborenen schwärmt: „I installed that module and the prototype looked up at me and asked me for programming.“ (42:24) Jedoch kommt sie zu dem Schluss, dass die Vernichtung des Prototyp richtig war: „It was necessary.“ (42:43) B’Elanna hat ihre Lektion gelernt: Ihr Forscherdrang hat die Voyager-Crew in Lebensgefahr gebracht. Nur wenige Folgen später wird die Ingenieurin erneut mit den Folgen eines unbedachten technischen Eingriffs konfrontiert: In „Dreadnought“ (2/17; Erstaus- strahlung 12.02.1996) ist es eine intelligente Waffe, die zur Gefahr wird. Als sie noch bei den Maquis gegen die Sternenflotte und die Kardassianer kämpfte, hat B’Elanna eine Waffe der Kardassianer umprogrammiert. Diese sollte zu den Kardassianern zurückgeschossen werden, verschwand aber spurlos und ist nun im Delta-Quadranten, wo sie ein ‚neues‘ Ziel anvisiert, einen dicht besiedelten Planeten. Die Rakete mit Namen ‚Dreadnought‘ ist auf technisch hohem Niveau, wie B’Elanna erklärt: „They made this missile adaptable, evasive, armed with its own defensive weaponry. In other words, unstoppable.“ (05:47) Es stellt sich heraus, dass B’Elanna die Waffe damals eigenmächtig auf Mission geschickt hat, nun fühlt sie sich von ihrem Fehler verfolgt: „[I]f anything happens here because of Dreadnought, [Pause] it’s my fault.“ (09:04) Sie geht an Bord der Dreadnought und versucht zuerst, ein neues Ziel zu programmieren. Der Computer erlaubt diesen Zugriff jedoch nicht. Die Rakete ist der Überzeugung, dass sie sich im Alpha-Quadranten auf Kurs befindet. B’Elanna versucht daraufhin durch

139 logische Argumentation, Dreadnought über dessen Irrtum aufzuklären. Dies scheint zu funktionieren, Dreadnought stoppt. Jedoch gehört auch dies zur von B’Elanna selbst programmierten Taktik bei einem Manipulationsversuch. Sobald B’Elanna zurück auf der Voyager ist, nimmt Dreadnought den Kurs wieder auf. In einer Art Mantra äußert sich Dreadnoughts starre Verhaftung in der Programmierung: „This vessel is program- med to respond with all necessary force to prevent any disruption to its mission.“ (20:05) Aller Widerstand, den Dreadnought aufbringt, um den erfolgreichen Abschluss der Mission zu sichern, wurde von B’Elanna selbst programmiert. Erst in letzter Minute gelingt ihr unter Einsatz des eigenen Lebens die Abschaltung der Waffe. B’Elanna hat die ethische Verantwortung für die Folgen ihrer unbedachten Programmierung der intelligenten Waffe übernommen: Auch hier wird wieder eine Warnung vor unreflek- tiertem Umgang mit vermeintlich beherrschter Technologie ausgesprochen. Dies steht im Kontrast zu einer scheinbar ähnlichen Situation in der Episode „Warhead“ (5/25; Erstausstrahlung 19.05.1999). Die Voyager folgt einem Notruf und findet eine gestrandete Rakete – eine künstliche Intelligenz mit bio-neuralem Schalt- kreis. Diese denkt, dass sie ein Lebewesen mit Körper und Gefühlen sei. Sie kommuni- ziert mit dem Doktor, der für sie übersetzt: „It says it’s injured. It needs our help. It’s asking why it can’t see, or feel its arms and legs. It’s terrified.“ (04:57) Der Doktor plädiert dafür, die Intelligenz an Bord zu holen und sie zu reparieren: „Morality dictates that we help. It may not be flesh and blood but it’s clearly in distress.“ (07:32) Er entwickelt Sympathien für die ihm ähnliche künstliche Intelligenz und beruhigt diese auch, als sie erfährt, dass sie nur Technologie ist: „Just because we’re not organic beings doesn’t mean we’re in any way inferior.“ (10:00) Währenddessen wurde die Oberfläche des Planeten gescannt und ein Einschlagkrater entdeckt. Eine weitere Rakete des gleichen Typs ist dort eingeschlagen und detoniert. Die Strahlung um den Krater und dessen Größe geben Aufschluss über den Bestimmungszweck: es handelt sich um eine Massenvernichtungswaffe. Die Voyager-Crew hat hier abermals vorschnell und unvorsichtig gehandelt, als sie die Technologie ohne größere Untersuchungen an Bord transportiert hat. Das oben angeführte Plädoyer des Doktors „Morality dictates that we help. [Etc.]“, wog stärker als die Mahnung zur Vorsicht durch Harry Kim „Not until we know what we’re dealing with.“ (07:25) Aufgrund der Entdeckung, dass es sich um eine Massenvernichtungswaffe handelt, votieren nun einige Crewmitglieder für deren sofortige Zerstörung. Die Diskussion über das weitere Vorgehen wird im dialogischen

140 Prinzip der Serie geführt. Bei der Besprechung erweist sich der Doktor abermals als Advokat der künstlichen Intelligenz:

Janeway: We have to neutralize the threat now. Suggestions? Seven: Transport the device off the ship and destroy it before it harms anyone. Doktor: Seven, this is a sentient being we’re talking about. Seven: Very well, return it to the surface and deploy a warning buoy to alert other vessels. Doktor: I refuse to believe our only options are to kill it or abandon it. [...] Seven: The device is extremely complex. One error and we’d risk detonation. Doktor: Saving a life often entails risks. Janeway: Harry, B’Elanna, assist the Doctor! […] At first sign of danger we transport it off the ship. (11:30)

Wieder liegt die Entscheidungshoheit bei Captain Janeway. Das vom Doktor als ethisch propagierte Verhalten, i.e. die Intelligenz nicht zu ‚töten‘, sondern ihr zu helfen, resultiert in einer lebensbedrohlichen Situation für die Besatzung. Als versucht wird auf das System zuzugreifen, löst die Waffe die Detonationssequenz aus. Bevor diese ausgeschaltet werden kann, hat sich das Bewusstsein der Waffe in die Matrix des holografischen Doktors transferiert und die Krankenstation mit Kraftfeldern vom Rest des Schiffes isoliert. Hier zeigt sich, welche Maßnahmen auch diese künstliche Intelligenz zur erfolgreichen Kompletierung der programmierten Mission ergreift. Janeway weigert sich jedoch, den Forderungen der Waffe nachzukommen:

Janeway: We won’t help you wage war. This crew has a Prime Directive that forbids us to interfere in the affairs of other species. Warhead: You’ve already interfered. Janway: We were trying to help you. Warhead: Until you discovered my true nature, then you tried to deactivate me. Janeway: Just your explosive components, not you. Warhead: There’s no distinction. I am what I am. (17:17)

Ähnlich wie Dreadnought hat auch diese Waffe ein Mantra, das sie befolgt: „I am programmed to take whatever measures are necessary to obtain my objective. Failing that, I’m to consider anyone who tries to stop me an enemy.“ (17:27) Harry Kim versucht argumentativ einzugreifen: „You don’t have to do this, you know. […] You’re a sentient being, you don’t have to be a slave to your programming. Look at the Doctor.“

141 (20:00) Harry führt den Doktor, der sich weiterbildet und entwickelt, als Vorbild an. Das einzige, was die Waffe jedoch beschäftigt, sind ihre durch den Missionsabbruch zerstörten Speicherdaten. Harry und B’Elanna werden beordert, diese wiederherzu- stellen. Beim Sichten der Daten entdecken sie, dass der Waffe der Einschlag auf dem Planeten befohlen wurde. Auch hier schlussfolgert die Intelligenz, dass der Feind den Befehl in die Programmierung eingeschleust hat: „My own people wouldn’t try to stop me. […] The enemy is ruthless. My target is a threat. Why would my people call off the assault?“ (29:56) Als Beweis für diese Hypothese führt die Waffe an, dass der Bestätigungs-Code fehle. Harry und B’Elanna können jedoch erfolgreich auf die Waffe einwirken, den Rest der Nachricht zu sichten. Dabei stellt sich heraus, dass der Krieg zwischen den beiden Parteien bereits seit Jahren beendet ist. „My launch was a mistake. There was a malfunction in one of the command sensors, it activated a series of launch sequences. My people managed to shut most of them down, but 34 weapons were fired. Including me.“ (30:54) Diese restlichen Raketen, die bisher scheinbar ziellos in der Galaxis umherirrten, haben die Voyager geortet und befinden sich auf Abfangkurs, um die Waffe an ihr Bestimmungsziel zu geleiten. Als diese die Herausgabe des „warheads“ ver- langen, appelliert Harry erneut an die künstliche Intelligenz: „You’re a sentient being. […] You’ve been programmed with intelligence so you can make decisions on your own. Well, it’s time to make one. Countless lives are at stake.“ (37:20) Im Gegensatz zu Dreadnought gelingt es dem „warhead“, diesen neuen Parameter in seiner Kalkulation zu berücksichtigen: „I am simply completing my mission. Only the target has changed.“ (39:35) Die Waffe detoniert zwischen den anderen Raketen, d.h. sie opfert sich selbst, bevor das Ziel erreicht ist. Hier ist die künstliche Intelligenz tatsächlich so weit ausgereift, dass sie eigenständig von der Programmierung unabhängige Entscheidungen treffen kann und dadurch letztendlich ethisch handelt. Auch hier wird wieder der Doktor als Vorbild hervorgehoben, als Harry später zu ihm sagt: „I held you up as an example of how an artificial intelligence could exceed its programming. I didn’t realise how true that was until today.“ (41:45) Das Übel liegt bei den besprochenen Episoden jeweils in der Programmierung. Die künstlichen Intelligenzen können selbstständig denken, die Situationen bewerten und haben vollständige Kontrolle über ihr Programm. Weder Programmierer noch sonst eine außenstehende Person kann in das einmal gestartete Programm eingreifen. Im Gegensatz zu HAL aus Space Odyssey lassen sich diese künstlichen Intelligenzen

142 jedoch nicht einfach durch das Entfernen von Speichermodulen ausschalten (vgl. Clarke 1983, 157), sondern sie haben technisch ausgefeilte Abwehrmechanismen. Dass der Mensch letztlich doch über die Maschine siegt, ist natürlich auch in den Genrekonventionen verankert. Dennoch wird deutlich, dass in sich geschlossene Programme eine Gefahr darstellen können und die Kontrolle zu jeder Zeit beim Menschen liegen sollte, bzw. dass zumindest ein ‚Schlupfloch‘ in der Programmierung vorhanden sein sollte, das eine Abschaltung ermöglicht. Die Frankenstein-Analogie wird hier vor allem in „Prototype“ und „Dreadnought“ eingesetzt, um auf die Gefahren aufmerksam zu machen. Nur die Programmierung des „warhead“ stellt eine erfolgreich implementierte freie Entscheidungsfindung dar.

3. Fazit

In allen besprochenen Themenbereichen werden die Grauzonen ethischen Handelns evident, die Charaktere werden ambivalent präsentiert, und es bleiben ethische Dilem- mas bestehen. Die in Voyager dargestellten Wissenschaftler bilden die gesamte Spann- breite der etablierten Stereotype ab und dienen als Folie für das Verhalten der Voyager- Crew. Der Gebrauch von Stereotypen bietet hier vor allem die Möglichkeit indirekter Charakterisierung und ermöglichen somit eine schnelle Dekodierung durch den Zuschauer. Der Anschluss an einen zeitaktuellen, öffentlichen Diskurs verdeutlicht dabei die Aktualität der Thematik.

Es ist diese zentrale Funktion als Bündler von Ängsten, als Erkunder der dunklen Seiten von Wissenschaft und Wissenschaftlern, als Erinnerung an die Macht des Unbewussten auch im Reich der Ratio, welche die Figur des Mad Scientist so langlebig macht. (Frizzoni 2004, 37)

Ambivalente Wissenschaftlerfiguren wie Annorax und Jetrel heben dabei die Bedeutung der Einhaltung von ethischen Grundsätzen hervor. Beide bringen Unglück über sich, weil sie unethisch handeln. Eine ambivalente Figur ist auch das medizinische Hologramm, das aufgrund seiner Programmierung zwar ethischen Prinzipien verhaftet ist, dessen Matrix jedoch leicht manipuliert werden kann, wie bspw. in „Equinox“. Dennoch wird sein Fehlverhalten meist positiv konnotiert und in Verbindung zu seinem Streben nach Individualität gesetzt. Auch ethisch fragwürdiges Verhalten anderer Mitglieder der Voyager-Crew wird nicht dezidiert verurteilt. In manchen Fällen wird

143 sogar eine Minderung der Schuldfähigkeit artikuliert, wie bspw. in „Lineage“. In einigen Episoden bleiben ethische Dilemmas für den Zuschauer letztlich bestehen, wie bspw. in „Nothing Human“ und „Tuvix“. Die Nicht-Auflösung kann dabei als Anreiz für den Zuschauer dienen, über die Episode hinaus das Thema zu reflektieren. Vielfach werden in den Voyager-Folgen Themen des öffentlichen Diskurses aufgegriffen und spiegeln die zeitgenössischen Debatten in futuristischem Gewand. Bei der Gentechnologie präsentiert Voyager das bereits Mögliche wie auch eine extrapolierte Erweiterung des Möglichen. Im Themenbereich der künstlichen Intelligenzen ist die Science Fiction der Forschung und dem öffentlichen Diskurs voraus. Diskussionen um Rechte für künstliche Intelligenzen wie auch um die Nanotechnologie treten vereinzelt erst zum und vermehrt nach dem Jahrtausendwechsel auf. Der Forschungsdrang des Ingenieurs wird hier mittels der Frankenstein-Analogie negativ konnotiert. Ihm obliegt die Verantwortung über die von ihm geschaffene Technologie. Verstößt diese gegen ethische Prinzipien, liegt dies an der fehlerhaften Programmierung durch den Ingenieur, wie in „Prototype“ und „Dreadnought“. Wahrhaft intelligente ‚Kunstwesen‘ müssen aber scheinbar biologische ‚Komponenten‘ auf- weisen, wie der bio-neurale Schaltkreis des „warhead“ und die Borg. In diesen Episoden wird stets Individualität propagiert, und die Auffassung vertreten, dass nur ein ge- formtes Individuum tatsächlich ethisch handeln kann. Wie die Diskurse in öffentlichen Medien, tendiert auch die Voyager-Serie dazu negative Aspekte hervorzuheben. Mit ihrer Ausrichtung auf ethische Probleme kann Star Trek: Voyager zum Nachdenken anregen. Die untersuchten Episoden spiegeln den gängigen Wissenschaftsdiskurs und insbesondere Entwicklungen im Bereich der GNR- Technologien. Die Befürchtungen, die in den ausgewerteten Zeitschriftenartikeln artiku- liert werden, finden durch ihre Verhandlung in der TV-Serie Eingang in die populäre Unterhaltungskultur. Die Grundaussage ist, dass unsachgemäßer oder gar leichtfertiger Umgang mit Forschung und Technologie großen Schaden anrichten kann, besonders wenn diese in unwissende oder verantwortungslose Hände gelangt. Analog zur ethischen Wertung von Wissenschaft, Forschung und Technologie werden auch andere Wissensbereiche in ihren ethischen Implikationen aufbereitet. Besonders prägnant ist dies in Star Trek: Voyager im Bereich des historischen Wissens.

144 IV. Geschichte als Entertainment und ethische Lektion

Nicht die Vermittlung historischer Atavismen, sondern die Darstellung der Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen sind die Signatur der Moderne. (Grütter 1994, 55)

Geschichtskulturen entstehen im Zusammenwirken von unterschiedlichen Geschichts- repräsentationen in vielen Medien, so z.B. in persönlichen Erinnerungen wie (Auto-)Biographien oder auch ‚offiziellen‘ Geschichtsdarstellungen, wie sie in der Schule vermittelt werden. Für ein breites Publikum wird Geschichte heute jedoch vor allem durch Medienprodukte wie Film und Fernsehen vermittelt. Im Fernsehen kann die Repräsentation in speziellen Dokumentarformaten aber auch in fiktionalen TV-Filmen und TV-Serien verbreitet werden. Solche Serien befassen sich oft nicht primär mit dem Thema Geschichte, können aber trotzdem Geschichtsbilder kommentieren oder selbst fortschreiben.202 Star Trek: Voyager beschäftigt sich in der Diskurskonfiguration „Geschichte“ auf vielfältige Weise mit historischen Figuren und Themen sowie mit Fragen des Umgangs mit Geschichte und steht damit ganz im Trend der Entstehungszeit der Serie. Eine Tendenz, die sich bereits seit Mitte des 20. Jahrhunderts abzeichnete, kulminierte in den 1990er Jahren: ein vermehrtes öffentliches Interesse an Diskursen um Vergangenheit, an historischem Wissen und kollektivem Erinnern. Geschichte hat für die moderne, sich immer schneller entwickelnde Gesellschaft an Bedeutung gewonnen: Sie wird zelebriert, aber auch in ihren traumatischen Dimensionen erinnert; sie erfüllt öffentliche wie individuelle Funktionen.

Wie nie zuvor ist Geschichte in den Alltag eingedrungen und scheint dabei verschiedenste Bedürfnisse zu befriedigen: nach historischer Bildung und Unterhaltung, nach Ent- spannung und Zerstreuung, nach Identität und Orientierung, nach Abenteuer und Exotismus, nach neuen Erfahrungen und Erlebniswelten oder auch nach einer Flucht aus dem Alltag in eine Vergangenheit, die überschaubarer und weniger komplex erscheint als die Gegenwart. (Korte/Paletschek 2009, 9)

Jay Winters Annahme eines ‚Erinnerungsbooms‘ im späten 20. Jahrhundert liegt darin begründet, dass Vorstellungen von der Vergangenheit die Grundlage für ein Verständnis der Gegenwart legen: „[T]he memory boom is a broad and eclectic set of signifying

202 Die Erfolgsserien The Tudors (2007-2010, Regierungszeit von Heinrich VIII), Mad Men (2007-2015, 1960er Jahre der USA), Pan Am (2011-2012, ebenfalls 1960er der USA) sowie Boardwalk Empire (2010-2014, 1920er Jahre der USA) sind weitere Beispiele dafür, wie TV-Serien geschichtliche Themen verarbeiten.

145 practices, ways of understanding the violent world in which we live and the past out of which it has emerged.“ (2006, 8) Aleida Assmann konstatiert die „Anerkennung bestim- mter Episoden der Vergangenheit als eine ethische Pflicht“ (2007, 26). Für Individuen erfüllt Erinnerung unter anderem diffuse Bedürfnisse nach Ordnung und Sicherheit und bildet ein identitätsstiftendes Merkmal. Mit öffentlicher Erinnerung kann auch Identitätspolitik betrieben werden, wenn Vergangenheit explizit funktionalisiert wird.

State-sponsored commemoration is a politically sanctioned and politically funded rite of remembering in public, adjusted to a publicly or politically approved narrative. Remembering the Holocaust at this level is an extension of earlier twentieth-century commemorative forms. It locates the narrative of war crimes and victimhood within the framework of national catastrophe and rebirth. (Winter 2000, 71)

An dieser Stelle muss bereits zwischen der Funktionalisierung von Geschichte für das Individuum und für die Gemeinschaft differenziert werden – der Mikro- und Makroebene der Diskurskonfiguration „Geschichte“. Der Erinnerungsboom fokussiert im engen Sinne das Individuum: „[O]nly individuals remember, though they may do so alone or together, and any publicly available commemorative symbols are interpretable only to the degree to which they elicit a reaction in some group of individuals.“ (Olick 1999, 338). Erinnerung ist somit immer (auch) ein aktiver Akt des Individuums, das für seine Lebenswelt relevante Aspekte aus dem Erinnerungsdiskurs herausfiltert. Umge- kehrt wirkt die Auswahl der Ereignisse und Praktiken des Individuums zurück auf den öffentlichen Diskurs um Geschichte. Unter dem Geschichtsboom, der Teil der Erinnerungskonjunktur ist, ist u.a. die Aufarbeitung der Vergangenheit von Gemein- schaft(en) zu verstehen.203 Geschichte, bzw. das Wissen über die Vergangenheit, kann durch kollektive Erinnerung im Gedächtnis einer Gesellschaft gehalten werden. In diesem Sinne wird das Wissen kollektiv in einem relevanten Gegenwartsbezug für die Gemeinschaft funktionalisiert, hier werden auch Wissenspolitiken und Wissensregime eingesetzt, um die Diskurskonfiguration zu stabilisieren und zu kontrollieren.204 Die Aktualität des Themas lässt sich gerade an den Verhandlungen von Geschichte, Vergangenheit und Erinnerung in populären Medien festmachen, etwa zu Anlässen wie Jahrestagen.205 Im ausgehenden 20. Jahrhundert war der 50. Jahrestag des

203 Vgl. dazu bspw. Korte/Paletschek (2009, 10f). 204 Zu Wissenspolitiken und Wissensregimen sowie zur Struktur von Diskurskonfigurationen vgl. S. 20f dieser Studie. 205 Das aktuellste Beispiel für das Bedürfnis nach Kommemoration und die Ausweitung des Ge- dächtnisdiskurses in das Medium Internet ist die Verarbeitung von 9/11, das oft als das bisher ein- schneidenste Ereignis des neuen Jahrtausends bezeichnet wird (vgl. hierzu z.B. Meyer/Leggewie 2004). Die Studie von Uwe Meyer (2008) reflektiert die politisch-ideologische Verarbeitung des Kalten Krieges bis hin zum war on terror in der Serie Star Trek: Enterprise (2001-2005).

146 Endes des Zweiten Weltkriegs ein entsprechend bedeutendes Datum, aber auch das allmähliche Sterben der letzten Kriegsveteranen und Überlebenden des Holocaust spielte in dieser Hinsicht eine wichtige Rolle:

Old soldiers may just fade away, but old wars emphatically do not. Not, in particular, during big anniversary years, when the chain that links past to present snaps taut – as it has now, in anticipation of the 50th anniversary of the end of World War II. (Powell/ Sparkmann 1994, n.pag.)

In Zusammenhang mit Kommemorationen können oft ‚alte Wunden‘ aufgerissen werden: In den USA ist der Atombombenabwurf auf Hiroshima und Nagasaki beispiels- weise ein solcher Fall (vgl. ibid.) ebenso wie der Angriff auf Pearl Harbor.206 An bedeu- tenden Jahrestagen wird nicht nur der Opfer und/oder der Helden gedacht, sondern auch oft das Für und Wider von Kriegen abgewogen. Zum Beispiel wird in der Ausgabe vom 24. Juli 1995 des Magazins Newsweek der Atombombenabwurf und dessen Sinn diskutiert. Dabei werden beide Seiten beleuchtet, d.h. die Folgen für die USA wie auch für Japan. Das Titelblatt zeigt das Foto einer Atomwolke, darüber in großen roten Lettern „Why America Dropped the Bomb“. Das Time Magazine hingegen erinnerte 1995 nicht explizit an diesen Tag der Geschichte,207 sondern gedachte in den 1990er Jahren dem 50. Jahrestag des Angriffs auf Pearl Harbor (7. Dezember 1941) in der Ausgabe vom 2. Dezember 1991.208 Das Titelblatt zeigt ein zerstörtes Kriegsschiff im Wolkenrauch, das Kleingedruckte erklärt, dass es sich dabei um „The sinking of the U.S.S. Arizona“209 handelt und titelte in großen Lettern „Day of Infamy“. Die Ausgabe enthält mehrere Artikel, die sich speziell mit Pearl Harbor und der Erinnerung an den Angriff auseinandersetzen. In diesen kommemorativen Zeitschriftenartikeln werden nicht nur Fakten von Kriegsereignissen diskutiert, sondern auch, wie Veteranen, Kriegsopfer und Angehörige

206 Zu Pearl Harbor und nationalem Trauma vgl. Neal (2005, Kapitel 4). 207 Time hatte bereits in der Ausgabe vom 29. Juli 1985 den Atombombenabwurf diskutiert; das farbige Titelblatt zeigt die Rauchwolke einer Explosion, die allerdings nur schwer als ein Atompilz iden- tifiziert werden kann, und zitiert den Co-Piloten der Enola Gay, Robert Lewis, mit den Worten: „My God, what have we done?“. Dieser Ausspruch von Lewis ist in der Newsweek-Ausgabe vom 24.07. 1995 die Überschrift eines Artikel in der Spezialsektion (vgl. „My God … What Have We Done?“ 1995). 208 Newsweek veröffentlichte in der Ausgabe der Folgewoche (16. Dezember) ein Editorial, verfasst von McGeorge Bundy, einem ehemaligen nationalen Sicherheitsberater, in dem der Angriff auf Pearl Har- bor als positives Ereignis für die Zukunft gedeutet wird: „Looking back across decades in which Japan and the United States have shared one of the most rewarding political and economic connections in history, what we most need to remember about Pearl Harbor today is that this later history could never have worked out so well without that terrible event“ (1991, 8). 209 Die U.S.S. Arizona ist eines von mehreren gesunkenen Kriegsschiffen in Pearl Harbor, das zu einem Mahnmal umfunktioniert worden ist. Zum Mahnmal vgl. (Zu- griff 17.02.2015) sowie Rosenberg (2003, Kapitel 4).

147 mit ihren Erinnerungen leben. Dabei wird nicht nur geschildert, wie die Erinnerung im privaten Raum stattfindet, sondern auch, wie eine Nation mit Erinnerungen von einzelnen Gruppen umgeht und Opfer würdigt. Eine Spezialausgabe des Time Magazine – das „Memorial Day Special“ –, die sich dezidiert mit diesem Thema auseinandersetzt, erschien am 29. Mai 2000, zum ersten „Memorial Day“ des neuen Jahrtausends. Der Leitartikel „How We Remember“ nutzt dabei die Eröffnung des Oklahoma City National Memorial, das der Opfer des dortigen Terroranschlags vom 19. April 1995 gedenkt, um die Funktion von Denkmälern zu erörtern und beschreibt, wie diese sich im Laufe der Zeit in ihrer Ausarbeitung verändert haben. Diese beiden Beispiele deuten bereits an, dass populäre Medien Anlässe wie Jahres- oder Gedenktage nutzen, um ‚Bilanz‘ über das Verhältnis von Vergangenheit und Gegenwart zu ziehen – die 1990er Jahre wiesen eine besondere Dichte solcher Tage auf. Generell haben sich die populären Medien als bedeutendes Zirkulationsmedium für Wissen über die Vergangenheit und deren Relevanz für die Gegenwart etabliert: „Americans, alas, now absorb historical information less from books than from popular entertainment.“ (Alter 1997, n.pag.) Dies stellt auch Astrid Erll fest:

Die Erinnerung an eine fundierende Vergangenheit und kollektive Sinnkonstruktionen normativer und formativer Art sind offensichtlich gesamtgesellschaftlich mehr durch populäre Zirkulationsmedien bestimmt als durch institutionell vermittelte Speichermedien, die im Rahmen der Enkulturation, etwa in der Schule oder bei der religiösen Unterweisung, aktualisiert werden. (2005, 158)

Auch Star Trek kann als ein solches ‚populäres Zirkulationsmedium‘ angesehen werden. In Star Trek werden häufig, so Bernardi, Ereignisse aus der Geschichte als ethische Folie für die Gegenwart und Mahnung für die Zukunft etabliert (vgl. 1998, 98). Ge- schichte wird demnach nicht nur als ‚Entertainment‘ in verschiedene Episoden eingebaut, sondern wichtige Geschichts- und Erinnerungsdiskurse der 1990er Jahre werden aufgriffen sowie Darstellung und Nutzen von Geschichte für die Gemeinschaft und das Individuum verhandelt. Vor der Analyse der Serie stellen die Kapitel 1 und 2 als Kontext zunächst Analysekategorien für Geschichtskultur, sprich dem Spezialdiskurs, sowie Akzente des öffentlichen Geschichtsdiskurses zur Entstehungszeit der Serie vor.

148 1. Die Geschichts- und Erinnerungskonjunktur der 1990er Jahre

Der Begriff des memory boom wurde vor allem durch Jay Winter geprägt (vgl. dazu Winter/Sivan, 1999 und Winter, 2000). Laut Winter herrschte vor dem Millenniums- wechsel eine ‚Obsession‘ der Erinnerung, die auf vielfache, sich überschneidende zeit- genössische Trends und Entwicklungen zurückzuführen sei (vgl. 2000, 70). Bedeutende Ereignisse, die als Epocheneinschnitte verstärkt Anlass zur Erinnerung boten, waren etwa die Öffnung des Eisernen Vorhangs und der Fall der Berliner Mauer im Jahr 1989. Dies sind diskursive Ereignisse im Sinne Kellers,210 die eine Veränderung der Diskurs- struktur über Geschichte nach sich zogen. Für Astrid Erll sind die „Flut von Gedenk- feiern“ sowie „Gedächtnis-Kontroversen“ weitere Indikatoren für die Präsenz des „Ge- dächtnis-Themas“ (2005, 2).211 Dabei befriedigt der Geschichts- und Erinnerungsboom u.a. zentrale Orientierungs- und Identitätsbedürfnisse (vgl. bspw. Meyen/Pfaff 2006).

1.1 Die identitätsstiftende Bedeutung von Geschichte

Für die Identitätsbildung sind kommemorative Anlässe, also Erinnerungsleistungen, die Gruppenzugehörigkeit stiften, ein bedeutender Bestandteil. Aber auch Wissen um die eigene Geschichte, also eine individuelle Aneignungsleistung, ist ein wichtiger Schritt zur Identitätsfindung des Individuums.

Kulturelles Identitätswissen bleibt unentbehrlich für eine historische Selbstaufklärung, die eigene Lebensfragen in historischer Tiefe zu deuten erlaubt und die Voraussetzungen der eigenen Existenz bloßlegt. In diesem Sinne ist bewusste Teilhabe an kultureller Überlieferung auch eine wichtige Voraussetzung für die Öffnung gegenüber anderen Kulturen, da sich das Interesse für das Fremde mit der Reflexion über das Eigene vertieft. (A. Assmann 2004a, 33)

Grütter merkt an, dass Vergangenheit dabei zum Konstrukt wird: Geschichte wird „symbolisch auf den Kern der jeweilig intendierten Aussage [verdichtet]“, um den „Orientierungsbedürfnissen“ der modernen Gesellschaft gerecht zu werden (1994, 55). Der Orientierungsbedarf wächst u.a. durch die zunehmende berufliche Mobilität, aber auch durch das Reiseverhalten (vgl. Meyen/Pfaff 2006, 102), da immer mehr Touristen Museen und historische Stätten besuchen. In diesem Rahmen wurde Geschichte auch als

210 Vgl. S. 19 dieser Untersuchung. 211 Das Feld der Geschichts- und Erinnerungskonjunktur wurde in den letzten Jahren in der Kultur- und Geschichtswissenschaft ausführlich bearbeitet. Astrid Erlls Monographie Kollektives Gedächtnis und Erinnerungskulturen (2005) bietet einen ausführlichen Überblick über die Gedächtnisforschung und ihre Strömungen.

149 Konsumgut ‚entdeckt‘. Laut Winter verdeutlicht die Vermarktung des Phänomens Geschichte/Erinnerung in Museumsausstellungen, Fernsehsendungen und Computer- spielen den ‚Durst‘ der Öffentlichkeit nach Erinnerungsartefakten (vgl. 2000, 86).212 Gemäß der Devise: „[h]istory sells“ (ibid., 79),213 hat sich eine regelrechte Industrie um das Thema entwickelt, in der Geschichte nicht nur gezielt in Konsumgütern wie histo- rischen Filmen und Büchern vermarktet wird, sondern auch in sogenannten heritage- Stätten.214 Identitäts- und Orientierungsbedürfnisse können individuell oder kollektiv sein, bis hin zu einer expliziten, staatlich gesteuerten Erinnerungspolitik. Ein historisches Ereignis kann dabei zu verschiedenen Zeiten entsprechend der Bedürfnisse und Lebens- umstände des Individuums unterschiedlich interpretiert werden. Die Vergangenheit wird an die Gegenwart angeschlossen und macht Geschichte dadurch relevant für die Lebenswelt (vgl. Grütter 1994, 55). Geschichte zu Identitätszwecken wird von Meyen/ Pfaff als „Vergleichsobjekt“ für die eigenen Lebensumstände definiert: Mittels fiktionaler und auch nicht-fiktionaler (bspw. dokumentarischer) Repräsentationen von Geschichte „können wir uns mit Dingen auseinandersetzen, die uns schrecken, können überlegen, wir wir uns selbst verhalten würden, und so zugleich eigene Anpassungs- leistungen legitimieren“ (2006, 103). Für die Konstitution einer kollektiven Identität sind diese Merkmale in gleichem Maße gültig. Die kollektive Identität

beruht auf der Teilhabe an einem gemeinsamen Wissen und einem gemeinsamen Gedächtnis, die durch das Sprechen einer gemeinsamen Sprache oder allgemeiner formuliert: die Verwendung eines gemeinsamen Symbolsystems vermittelt wird. (J. Assmann 2000, 139)

Im Bereich der kollektiven Identitätskonstruktion kann durch die Art und Weise der Selektion und Tradierung eines historischen Ereignisses gezielt Erinnerungspolitik betrieben werden.215 Jay Winter führt hierfür als Beispiel die Situation in Frankreich nach dem Zweiten Weltkrieg an. Hier wurden Narrative des Widerstands kultiviert, um eine Stabilisierung der Nation zu erreichen. Erst später setzte man sich in Frankreich auch mit den Nazi-Kollaborateuren und der Deportation auseinander (vgl. Winter 2000,

212 Vgl. S. 22 dieser Studie zu popularisiertem Wissen im Bezug auf gesellschaftliche Orientierungsbe- dürfnisse. 213 Vgl. dazu bspw. auch de Groot (2009) und Hardtwig/Schug (2009). 214 In den USA werden diese Stätten (vor allem Parks, sowie bspw. auch die Freiheitsstatue) durch den National Park Service verwaltet vgl. dazu auch Kap. 2.1 unten. 215 Aleida Assman betont, dass gerade bei medial gestützten Gedächtnissen – Denkmälern, Museen, Archiven etc. – Erinnerungsprozesse „auf kollektiver und institutioneller Ebene […] durch eine ge- zielte Erinnerungs- und Vergessenspolitik gesteuert [werden]“ (2009, 15).

150 76). Aber auch antagonistische Narrative können gebildet werden und zur Veränderung von kollektiver Erinnerung führen. Ein Beispiel für eine solche Veränderung ergab sich aus dem Fall des Eisernen Vorhangs, denn aufgrund nun zugänglicher Zeitdokumente und Zeitzeugen, die bisherige Narrative in Frage stellten, musste der Erinnerungsdiskurs auf beiden Seiten revidiert werden (vgl. ibid., sowie Grütter 1994, 45f). Jede Nation hat dominante Vergangenheitsnarrative, die erwünscht und unterstützt werden. Dominante Narrative können entstehen, wenn z.B. bestimmte Narrative in den populären Medien zirkulieren.216 Wissen um die Geschichte kann in diesem Sinne genutzt werden, um eine kollektive nationale Identität zu konstituieren: „A ‚common‘ identity is one sharing a set of narratives about the past. Many of these take the form of bricks and mortar – fixed cultural capital.“ (Winter 2000, 79) Zu den globalen Veränderungen, die den Bedeutungsanstieg von Gedächtnis und Erinnerung beeinflussen, zählt Erll z.B. gesellschaftliche Transformationsprozesse, wie das Schwinden der Zweiten Weltkriegs-Generation (vgl. 2005, 3). Dies betrifft nicht nur den Verlust von Zeitzeugen als Informationsquelle für Historiker, auch im Familienkreis kann Geschichte durch das Erzählen von selbst Erlebtem zum verbindenden Element zwischen Generationen werden: „[F]amily stories – are now imbedded in history, fiction, exhibitions, museums, and pilgrimage, in all the stuff of ritual that deepen the memory boom.“ (Winter 2000, 80)217 Neben nationalen Erinnerungsdiskursen können sich auch regionale oder ethnische Narrative bilden, die im kleineren Kreis eine kollektive Identität stiften (vgl. ibid., 73).218 Dekolonialisierung und Migrations- bewegungen verändern und vergrößern das Spektrum an Geschichtsversionen und machen das Erinnern zu einem „hochgradig politische[n] Phänomen mit stark ethischen Implikationen“ (Erll 2005, 3). Besonders der anglo-amerikanische Erinnerungsdiskurs ist, laut Aleida Assmann, beeinflusst durch Bemühungen von Minoritäten:

Hier kam der Anstoß von verdrängten, unabgegoltenen, traumatischen Geschichtser- fahrungen. Das Paradigma ist der Holocaust, in dessen Folge auch andere kollektive Lebensgeschichten auf soziale Anerkennung drängen wie die ausgebeuteter Sklaven, verdrängter Ureinwohner verschiedener Kontinente, sowie von Menschen, die durch Kolonialisierung physisch unterdrückt und kulturell enteignet wurden. (2004b, 45f)

216 „[A]ccounts of the collective memory of any group or society are usually accounts of the memories of some subset of the group, particularly of those with access to the means of cultural production or whose opinions are more highly valued.“ (Olick 1999, 338f) Olick schlägt deshalb vor, von mehreren kollektiven Gedächtnissen auszugehen, statt von einer großen Gedächtnisnarration (vgl. ibid., 339). 217 Vgl. hierzu auch Assmann (2006, 184) und Scholz (2008, 231). 218 Auch Olick unterscheidet zwischen dominantem Diskurs „official/public/historical memory“ und Ne- bendiskurs „vernacular/private/folk memory“ (1999, 339).

151 Kollektive Erinnerungsinszenierungen können dazu beitragen, Erinnerungsgemein- schaften vom Rande des dominanten Geschichtsdiskurses zentral miteinzubeziehen, was sich laut Jay Winter in der Schreibweise der ‚Bindestrich-Nationalitäten‘ – Jewish- American, African-American oder Asian-American – in den USA versinnbildlicht, „the hyphen of identity is strengthened by commemoration“ (2000, 74).219 Gerade dieser Aspekt der persönlichen und auch nationalen Identität im Zusammenhang mit histori- schem Wissen um die eigene Geschichte und der damit verbunden Kultur und Gesellschaft soll in der späteren Voyager-Analyse näher untersucht werden.

1.2 Ausgewählte Ansätze der Gedächtnistheorie

In Weiterführung des Ansatzes von Maurice Halbwachs zum ‚kollektiven Gedächtnis‘220 haben Aleida und Jan Assmann eine grundlegende Unterscheidung von ‚kollektivem‘, ‚kommunikativem‘ und ‚kulturellem‘ Gedächtnis etabliert.221 Ein kollektives Gedächtnis enthält Ereignisse, die durch „symbolische Aufwertung“ und „symbolische Repräsen- tationen und Riten“ zu einem „bleibenden Bezugspunkt [des] historischen Selbst- verständnis“ einer Gruppe oder Gemeinschaft werden (A. Assmann 2004a, 5). Das An- schlusspotential durch Relevanz für die Lebenswelt ist hier besonders hoch. Das Wissen um die historischen Ereignisse wird durch wiederholtes und regelmäßiges Erinnern im Umlauf gehalten. Das kollektive Gedächtnis kann des Weiteren in kommunikatives und kulturelles Gedächtnis unterschieden werden. Das kommunikative Gedächtnis ist allgegenwärtig; es wird im Alltag tradiert, somit hat jeder in gleicher Weise an diesem Gedächtnis teil und es gibt hier keine Spezialisten (vgl. J. Assmann 2000, 53). Zudem weist es eine begrenzte Zeitstruktur von 80-100 Jahren auf und schließt somit eine Zeitspanne von drei bis vier Generationen ein (vgl. ibid., 56). Es handelt sich also um ein Generationengedächtnis, das auch im Kreis der Familie deren Geschichte weitergibt. Im Gegensatz zur eher informellen Verbreitung des kommunikativen Gedächtnisses wird das kulturelle Gedächtnis institutionalisiert und von ‚Spezialisten‘ – oder nach Jan Assmann „Wissensbevollmächtigten“ – tradiert, die es pflegen und interpretieren (ibid.,

219 Vgl. hierzu auch Kammen (1991, 537). 220 Der Begriff stammt ursprünglich aus dem Bereich der Wissenssoziologie (vgl. Knoblauch 2005, 303). Eine Anbindung von Wissenskultur an das kollektive Gedächtnis diskutieren Fried/Kailer (2003, 11-13). 221 Jan Assmanns grundlegende Monographie hierzu erschien 1992 unter dem Titel Das kulturelle Gedächtnis: Schrift, Erinnerung und politische Identität in frühen Hochkulturen. Zur Unterscheidung zwischen kommunikativem und kulturellem Gedächtnis vgl. J. Assmann (2000, 50-56) sowie Erll (2005; Kapitel II.4, 27-33).

152 53f).222 Dies deutet darauf hin, dass ein Ereignis in abstrahierter Form erinnert wird, meist durch Symbole, die für ein bestimmtes Ereignis stehen (vgl. ibid., 52). Jan Assmann listet als Merkmale des kulturellen Gedächtnisses: „gestiftet, hoher Grad an Geformtheit, zeremonielle Kommunikation, Fest“ (ibid., 56). Bezugspunkte für das ‚kulturelle‘ Gedächtnis sind Artefakte und Erinnerungsorte (im Sinne Noras223), wie Gebäude, Denkmäler, aber auch Kunstwerke. Der tradierte Inhalt des kulturellen Ge- dächtnisses sind gefestigte Vergangenheitsversionen und auch (nationale) Entstehungs- mythen (vgl. ibid.). Bei all diesen Aspekten ist von Bedeutung, dass das tradierte Wissen eine Relevanz für die Lebenswelt des Individuums und ebenso für das Kollektiv der Gruppe aufweisen muss (vgl. Echterhoff 2004, 79). Diese Bedeutung der Relevanz des his- torischen Ereignisses, das zur Sinnzuschreibung für die Lebenswelt genutzt wird, hat Aleida Assmann in weiteren zentralen Begriffen der Gedächtnisforschung festgehalten. Sie unterscheidet zwei Modi des kulturellen Gedächtnisses: das Speichergedächtnis und das Funktionsgedächtnis.224

Der Modus des Speichergedächtnisses ist das schiere Aufheben, Konservieren und Katalogisieren, der Modus des Funktionsgedächtnisses ist demgegenüber die Auswahl, die Verengung und Wertzuschreibung, die Aneignung und Rückvermittlung an individuelle Gedächtnisse durch Institutionen und Kanonisierung, Erziehung und Bildung sowie öffentlicher Inszenierungen von Kultur. (A. Assmann 2004a, 24)

Der Unterschied zwischen Speicher und Funktion manifestiert sich in der Relevanz des Artefakts für die gegenwärtige Lebenswelt (vgl. ibid.). Ein Artefakt ohne Funktionalität für die Lebenswelt wird im günstigsten Fall als ‚historisches Dokument‘ archiviert.225 Dementsprechend sind es Institutionen, die Artefakte des Speichergedächtnisses aufbewahren: „Archive, Bibliotheken und die Magazine von Museen“ (A. Assmann

222 Knoblauch spricht bezüglich des kommunikativen Gedächtnisses von einem sozialen „Kurzzeitge- dächtnis“ und beim kulturellen Gedächtnis von einem sozialen „Langzeitgedächtnis“ (2005, 305). 223 Vgl. Pierre Noras vielzitierte Studie Les lieux de mémoire (1993). 224 Ausführlich diskutiert werden diese beiden Begriffe in Aleida Assmanns Monographie Erinnerungs- räume: Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnis ([1999] 2000, 28f). 225 „Historische Dokumente sind materielle Überreste einer Gesellschaft, die als Zeugnisse einer be- stimmten Vergangenheit gelesen werden, aber von den lebendigen Gedächtnissen der Gegenwart voll- ständig abgetrennt sind“ (A. Assmann 2004a, 24).

153 2004b, 49).226 Das Funktionsgedächtnis ist charakterisiert durch die Funktionalisierung von Artefakten, wodurch Relevanz für die Lebenswelt etabliert wird.

Was im Funktionsgedächtnis einer Gesellschaft gespeichert wird, hat Anspruch auf immer neue Aufführung, Ausstellung, Lektüre, Deutung, Auseinandersetzung. Solche beständige Pflege und Auseinandersetzung führt dazu, dass bestimmte kulturelle Artefakte nicht gänzlich verstummen, sondern über Generationen hinweg immer wieder neu aufge- nommen werden können. (A. Assmann 2004a, 25)

Das Wissen innerhalb des Funktionsgedächtnisses zirkuliert also breit in der Öffent- lichkeit und bleibt dazu über lange Zeit gültig. Die Zirkulation der Inhalte des Funk- tionsgedächtnis übernehmen „Erziehungs- und Bildungsorte wie Familien und Schule, aber auch Theater, Konzertsaal und die Ausstellungsräume von Museen, sowie Denk- mäler und Jahrestage.“ (A. Assmann 2004b, 49) Die Bedeutung einer regen Zirkulation beschreibt Echterhoff:

Rezipienten [müssen] die entsprechenden Informationen nicht nur oberflächlich auf- nehmen, sondern tief enkodieren und vielfältig an bestehendes Wissen anknüpfen, um ihnen eine Bedeutung zu verleihen und sie bei verschiedenen Anlässen abrufen zu können. [...] Auf externer, also etwa gesellschaftlicher Seite muss dafür gesorgt werden, dass Abruf- bzw. Erinnerungsanlässe auch vielfältig und häufig präsent sind, beispielsweise in der Form von Denkmälern, Gedenkfeiern oder auch öffentlichen Erinnerungsdebatten. (2004, 81)

Je regelmäßiger eines historischen Ereignisses gedacht wird, desto bedeutsamer ist es für die Gruppe bzw. die Gesellschaft. Ein solches Ereignis kann somit ein wichtiger Bestandteil der kollektiven Identität einer Gruppe sein. Zeitzeugen können in diesem Sinne als die Personifikation des historischen Ereignisses und auch als Bindeglied von Vergangenheit und Gegenwart erachtet werden.

1.3 Zeitzeugen und ihre mahnende Funktion

Die Relevanz des Funktionsgedächtnisses für die Gegenwart ist dort besonders offensichtlich, wo für die Aktualisierung an ein kommunikatives Gedächtnis – in diesem Fall die Erinnerung von Zeitzeugen – angeschlossen werden kann. Es ist daher nicht überraschend, dass der Erinnerungs-/Geschichtsboom der letzten Jahrzehnte durch ein

226 Die ansteigende „Speicherkapazität der Kultur“ mittels der fortschreitenden Technologisierung der Gesellschaft zählt Assmann als weiteren Eckpunkt des Gedächtnisdiskurses (vgl. 2004a, 13). Zur Beschaffenheit und schnellen Überholung der technischen Datenspeicher und den daraus entstehenden Problemen für das Speichergedächtnis (vgl. ibid., 13-15). Einen weiteren Einfluss der neuen Medien und Archive auf das soziale Gedächtnis macht Elena Esposito (2002) aus. Die neuen Speicher erlauben zu vergessen, ermöglichen aber Vergessenes leichter wieder zu erinnern.

154 starkes Bemühen um Zeitzeugen und oral history charakterisiert ist.227 Individuelles Erinnern und somit die Aussagen von Zeitzeugen über ihre Erinnerungen an vergangen Ereignisse gewannen einen neuen Stellenwert (vgl. A. Assmann 2006, 47). So werden Aussagen von Zeitzeugen in Geschichtsdokumentationen und Museumsausstellungen eingeflochten, ebenso werden sie bei Gedenkfeiern und Gedenkstätten, z.B. als Sprecher, aktiv eingesetzt.228

Thus a new form of collective remembrance was born, that of the witness, understood in both senses of the term. The witness was a survivor, a truth-teller, sworn under oath to tell the whole truth, but he was also a visitor from another planet. (Winter 2006, 30)

Oft werden Zeitzeugenberichte als authentische Dokumente historischer Ereignisse empfunden:229 Durch das Erzählen ihrer eigenen Geschichte, gerade weil diese eine subjektive Erfahrung ist, liefern Augenzeugenberichte unterschiedliche Perspektiven des gleichen Ereignisses und ermöglichen dadurch der Öffentlichkeit, die Berichte zu vergleichen und sich selbst eine Meinung zu bilden (vgl. Meyen/Pfaff 2006, 105). In der Zeitzeugenforschung hat sich im Zusammenhang mit der Erinnerung von Gräueltaten der Begriff des ‚moralischen Zeugen‘ gebildet, dieser muss „beides bezeugen, das Böse und das Leid, das es verursacht; eines von beiden allein genügt nicht“ (Margalit 2000, 60).230 Auch Aleida Assmann hebt den moralischen Zeugen als authentische Quelle für vergangenes Unrecht hervor, denn als Personifikation der Gräueltat erbringt ihr Sein sowie ihr Zeugnis den Beweis für das Verbrechen (vgl. 2006, 91).231 Viele Zeitzeugen empfinden es dementsprechend auch als ihre Pflicht, von vergangenen Ereignissen und besonders von Gräueltaten zu berichten und aufzuklären, denn „Vergessen schützt die Täter und schwächt die Opfer“. Somit ist das Ablegen des Zeugnisses über eine Gräueltat eine ethische Pflicht und auch eine „Form des nach- träglichen Widerstands“ (ibid.). Eine Institution, die sich der Sammlung von Zeitzeugenberichten zum Holocaust verschrieben hat, in der diese archiviert und für jeden zugänglich gemacht werden, ist

227 Zur Figur des Zeugen vgl. bspw. A. Assmann (2006, 85-92), Margalit (2000, 59-88) oder auch Wischermann (1996). 228 Zu Zeitzeugenaussagen in Geschichtssendungen vgl. z.B. Meyen/Pfaff (2006, 104). Wie Zeitzeugen- berichte in Museumsausstellungen einbezogen werden können, um somit eine ‚Personalisierung‘ der Erfahrung zu evozieren, wird auf S. 168f näher ausgeführt. 229 Vgl. dazu die Studie von Rosenzweig/Thelen (1997, 21), die zeigt, dass die Befragten Augenzeugen- berichte als authentischste Quelle für ein historisches Ereignis empfanden. Vgl. dazu auch S. 161f. 230 Auch Jay Winter spricht von der moralischen Signifikanz von Zeitzeugenberichten (2006, 49f). 231 Dies wird immer wieder evident, wenn Holocaust-Opfer in ihrer Person und mit ihrem Zeugnis Holo- caust-Leugnern entgegentreten müssen. Ebenso war es erst Ende der 1960er Jahre möglich, den Zweiten Weltkrieg und die verübten Taten kritisch zu diskutieren. Dies war auch die Zeit, in der überlebende Juden mit ihren Erinnerungen an die Öffentlichkeit gingen (vgl.Winter 2006, 27).

155 die Gedenkstätte cum Museum Yad Vashem in Jerusalem. Der Zugang zu Zeit- zeugenberichten wird aufgrund der elektronischen Archivierung medial erleichtert und dadurch für zukünftige Generationen nicht verloren.232 Elektronische Speicher haben somit die Zeitzeugenforschung selbst verändert:

Since the 1960s and 1970s, audiovisual and now computer-based data banks can preserve and protect the „voice‟ of the victims. Their stories can be captured, and through listening to them or viewing them, we can come into contact with their lives and their tragedies. (Winter 2000, 75)

Aufgrund dieser Aufbereitung von Erinnerungen in elektronischer Form wird auch Massenmedien den Zugang zu diesem Wissen erleichtert. In Zusammenhang mit dem gestiegenen Interesse der Öffentlichkeit an Geschichte begünstigt dies die breite Zirkulation von Geschichtswissen in Massenmedien.

1.4 Mediale Zirkulation von Vergangenheitswissen in Massenmedien

Medien konstituieren die Welt, wie Krämer in Anlehnung an Niklas Luhmann formuliert: „Alles was wir über die Welt sagen, erkennen und wissen können, das wird mit Hilfe von Medien gesagt, erkannt und gewußt.“ (Krämer 1998, 73) Dies gilt auch für das heutige Wissen über die Vergangenheit. Wie bereits erwähnt wurde, sprechen Konsumgüter wie historische Filme und Fernsehsendungen eine breite Öffentlichkeit an und sind dabei auch profitabel (vgl. dazu auch Erll/Wodianka 2008, 1f). Wenn ein Text nun innerhalb einer Gemeinschaft zirkuliert, kann von einem ‚kollektiven Text‘ gesprochen werden, der breit mit allgemein bekanntem Wissen enkodiert ist.

Medien [müssen] als Vermittlungsinstanzen und Transformatoren zwischen individueller und kollektiver Dimension des Erinnerns gedacht werden. So können persönliche Erinnerungen erst durch mediale Repräsentation und Distribution zu kollektiver Relevanz gelangen. (Erll 2005, 123)

Somit ist ein kollektiver Text ein „Vehikel der kollektiven medialen Konstruktion und Vermittlung von Wirklichkeits- und Vergangenheitsversionen. Kollektive Texte er- zeugen, perspektivieren und zirkulieren Inhalte des kollektiven Gedächtnisses“ (ibid., 158).233 Dabei sind manche Texte, so Erll, zu bestimmten Zeiten von besonderer Bedeutung und können dann wieder ‚verschwinden‘. Die aktive Verhandlung eines

232 In der Sammlung von Yad Vashem befinden sich u.a. Video-Interviews von mehr als 50.000 Holocaust-Überlebenden. Das Material ist in weiteren Museen zugänglich, wie bspw. dem Holocaust Museum im Washington (vgl. Shapiro 1994, n.pag). 233 Zur Vermittlungsfunktion von Medien siehe Schmidt (1994, bes. 614-616) sowie Hall (1973). Erll baut in ihrer Definition von kollektiven Texten auf diese beiden Texte auf.

156 Textes in der Gesellschaft zeugt demnach von direkter Relevanz für den jeweiligen Zeitbezug und zeichnet einen kollektiven Text aus (vgl. ibid., 159f sowie Erll/Wodianka 2008, 7). Allgemein formuliert sind Medien bedeutende Stützen des Gedächtnisses einer Kultur.

Die Konstitution und Zirkulation von Wissen und Versionen einer gemeinsamen Vergangenheit in sozialen und kulturellen Kontexten […] werden überhaupt erst durch Medien ermöglicht: durch Mündlichkeit und Schriftlichkeit als uralte Basismedien zur Speicherung fundierender Mythen für nachfolgende Generationen, durch Buchdruck, Radio, Fernsehen und Internet zur Transmission von Versionen gemeinschaftlicher Vergangenheit in weiten Kreisen der Gesellschaft, schließlich durch symbolträchtige Medien wie Denkmäler, als Anlässe des kollektiven, oft ritualisierten Erinnerns. (Erll 2005, 123)234

Erll unterscheidet dabei zwischen zwei Möglichkeiten der Gedächtnisbildung/- reflexion: die Affirmation und die Revision von bestimmten Vergangenheitsversionen (vgl. ibid., 165). Medien können in diesem Kontext „Speicherfunktion, Zirkulations- funktion und Abruffunktion“ übernehmen (ibid., 137). Auch Aleida Assmann attributiert den Massenmedien eine besondere Bedeutung für das kulturelle Gedächtnis: „Die Massenmedien schaffen wichtige Impulse und Auslösereize für das kulturelle Gedächtnis, ohne selbst eines zu produzieren.“ (2006, 242) Populären Texten kommt also vor allem die Zirkulationsfunktion zu. Allerdings muss bedacht werden, dass es sich bei den Medieninhalten um Konstrukte handelt und diese unter Umständen zur Stützung von Machtdiskursen beitragen können. „Medien sind keine neutralen Träger von vorgängigen, gedächtnis- relevanten Informationen. Was sie zu enkodieren scheinen – bestehende Wirklichkeits- und Vergangenheitsversionen, Werte und Normen, Identitätskonzepte – konstruieren sie vielmals erst.“ (Erll 2004, 5) Dieser Aspekt ist im Hinblick auf die Wissensvermittlung durch die Massenmedien von Bedeutung. Meyen/Pfaff erklären das Fernsehen hierbei zum „Leitmedium unserer Tage“, das aufgrund seiner Vermittlungspraktiken für den Rezipienten am attraktivsten ist: „Es unterhält besser als alle Alternativen und ist den anderen Medienangeboten in Sachen Überblickswissen mindestens ebenbürtig.“ (2006, 105) Bei der Präsentation von historischem Wissen in Film- und Fernsehdoku- mentationen sind zwei Aspekte für die vorliegende Untersuchung von Interesse: inwiefern können Medien Authentizität suggerieren, und können sie Vergangenheits- bilder beeinflussen? Arthur G. Neal weist darauf hin, dass Vergangenheitsreprä- sentationen nicht zwangsläufig auf historische Genauigkeit abzielen, sondern oft der

234 Vgl. dazu bspw. Aleida Assmann (2004a, 24).

157 Reiz und der Unterhaltungswert der Repräsentation im Vordergrund stehen (vgl. 2005, 209f).235 Die Auswahl der präsentierten und erinnerten historischen Ereignisse in den Massenmedien empfindet Grütter als willkürlich und kommt zu dem Schluss, dass das enorme Interesse an Geschichte nicht mehr nur allein einem „Orientierungsbedürfnis“ geschuldet ist, sondern durch „unspezifische Freude und Neugier“ am vorhandenen kulturellen Spektrum beeinflusst wird (1994, 49).236 Diese Fokusverlegung an Geschichtsinteresse im Zusammenhang mit der Bedeutung für die eigene Lebenswelt und Identität manifestiert sich für Grütter auch in

Buchtitel[n] wie „Geschichte entdecken“ oder Sendereihen wie „Die eigene Geschichte“. [Diese] sind kennzeichnend für einen neuen Blick auf die Vergangenheit, in der weniger die großen historisch-politischen Zusammenhänge, als die eigene biographische Erfahrung und die Innenansicht der Geschichte, das subjektive Erleben der historischen Ereignisse und Prozesse wichtig werden. (Ibid.)

Zudem zeigt die durch Globalisierung und Migration zugängliche Vielfalt an Geschichte verschiedener Kulturen, dass es keine einheitliche, für alle geltende Geschichte, sprich keine ‚große Erzählung‘ gibt.237 Die Geschichtswissenschaft, so Grütter, „beschreibt immer weniger die sozialen und gesellschaftlichen Strukturen der Vergangenheit, sondern deren kulturelle Manifestationen“ (ibid.). In populären Geschichtsrepräsentationen, wie z.B. im Film, werden Rezipienten vor allem mittels der Personalisierungsstrategie angesprochen.238 Hinzu kommt in filmischen Darstellungen das Moment der Vergegenwärtigung:

Geschichte im Film [wird] […] präsentisch dargeboten, was den Eindruck des Miterlebens noch verstärkt. [...] eine Besetzung mit bekannten Schauspielern und Schauspielerinnen [kann] eine Identifikation mit den dargestellten Figuren ggf. noch verstärk[en]. Geschichte wird personalisiert und emotionalisiert dargeboten, und die nonverbale Gestaltung des Films, etwa die Musik, kann eine gefühlsmäßige Involvierung der Zuschauer noch weiter steigern. (Korte/Paletschek 2009, 33)

Der Erfolg von filmischen Geschichtsrepräsentationen manifestiert sich auch in der Zunahme der auf Geschichte spezialisierten TV-Sender in den USA.239 Dies zeigt, dass

235 Hier geht es also, wie bereits bei der Wissenschaftsdarstellung, primär um Plausibilität und nicht zwangsläufig um Faktizität (vgl. S. 39 oben). 236 „Die Vergangenheit wird nicht mehr als Erklärung der Gegenwart und zur Gestaltung der Zukunft herangezogen, sondern sie bietet nun das Formarsenal für eine buntere Welt, die ansonsten aber als äußerst ernüchternd und perspektivenlos empfunden wird“ (Grütter 1994, 48). 237 Dies schlägt sich auch in der Geschichtsdarstellung und -vermittlung nieder. Grütter macht dies am verändertem Aufbau und Fokus von Museumsausstellungen fest (vgl. 1994, 50). 238 Vgl. Kap. I.3.3 dieser Arbeit. 239 Im Jahr 1995 ging der History Channel auf Sendung. Bereits vier Jahre später wurde der Ableger Military History Channel gegründet (31. März 1999). Dass die persönliche Familiengeschichte in einer multikulturellen Gesellschaft für das Individuum immer mehr an Bedeutung gewinnt, zeigt z.B. die Gründung des Biography Channel (1. Januar 1999).

158 ein beträchtlicher Markt für Geschichtswissen in den 1990er Jahren vorhanden war. Das Modewort für das Heranziehen von Geschichte zu Unterhaltungszwecken in Fernseh- sendungen ist Historytainment:

Inhaltlich wählen die Produzenten von ‚Historytainment‘ Stoffe danach aus, ob sich die bereits bekannten Strategien der Personalisierung, Emotionalisierung und Dramatisierung sowie das Kriterium der Darstellbarkeit in 45 bis 60 Minuten (maximal verdoppelt in der Form eines Zweiteilers) darauf anwenden lassen. (Scholz 2008, 291)

Historytainment ist also Unterhaltung, die meist keine Um- oder Neudeutungen von Geschichte anstrebt, sondern popularisiert aufbereitetes, gängiges Wissen präsentiert. Im Genre der Science Fiction wird zur Geschichtstradierung zum einen die Einbettung von Geschichtswissen und zum anderen Geschichte als Unterhaltung eingesetzt. Erll/Wodianka messen Science Fiction-Texten dann eine erinnerungs- kulturelle Bedeutung bei, „wenn sie in einer Gemeinschaft als Repräsentation von Herkunft, Identität und spezifischen Werten verstanden werden.“ (2008, 8) Hinsichtlich ihrer Bedeutung für den Erinnerungsdiskurs müssen sie somit in einen größeren gesellschaftlichen Kontext situiert werden. „[Sie] müssen aus einer generalisierenden, a- historischen Betrachtungsweise herausgelöst und in Relation zu ganz bestimmten erinnerungskulturellen Prozessen gesetzt werden.“ (Erll 2004, 18) Dieser zeitge- nössische gesellschaftliche Diskurs wird für die Voyager-Serie im folgenden Kapitel aufgearbeitet.

2. Spezifische Geschichts- und Erinnerungskontexte der Voyager-Serie

Presidential aides note that boomers are into nostalgia and that editors are suckers for anniversaries. (McAllister 1997, n.pag.)

Die Voyager-Serie wurde in den 1990er Jahren einschließlich des Millenniumswechsels produziert und ausgestrahlt. Diese Zeitspanne fällt in die Amtszeit von Präsident Bill Clinton, den seine Mitarbeiter als „anniversary crazy“ bezeichneten (McAllister 1997, n.pag.). Wie oben gezeigt, kann das Begehen historischer Ereignisse in großem Rahmen in Zeiten von Unsicherheit und großen globalen Umwälzungen als verbindendes Element einer Gesellschaft fungieren. Ein Sinn für Geschichte, so David Glassberg,

159 fördert einen Sinn für Heimat und konstitutiert somit Identität gerade in multiethnischen Einwanderungsländern wie den USA:

Especially in a nation of immigrants on the move, where the pasts of one’s family and one’s current place of residence seldom coincide, histories that reinforce our sense of particular places, that help us to understand the succession of places in our past, remain important anchors for personal and group identity. (2001, 208)

In den USA besteht die Tendenz, Kriege als identitätsstiftende historische Ereignisse zu markieren. Dies wird auch in einer noch laufenden Ausstellung des National Museum of American History in Washington evident: „The Price of Freedom: Americans at War“, deren Intention auf der Startseite der Onlineversion folgendermaßen beschrieben wird: „Americans have gone to war to win their independence, expand their national boun- daries, define their freedoms, and defend their interests around the globe. This exhibition examines how wars have shaped the nation’s history and transformed American society.“ („Price of Freedom – Online“)240 Dabei bilden vor allem die Amerikanische Revolution (1775-1783), der Bürgerkrieg (1861-1865) sowie der Zweite Weltkrieg Eckpfeiler amerikanischer nationaler Identität.241 Die Amerikanische Revolution stellt im amerikanischen Nationalnarrativ nicht nur einen Gründungsmythos aufgrund der Ablösung von Europa dar, sondern ist das erste Ereignis, das eine Welle von Erinnerungsartefakten hervorbrachte (vgl. Piehler 2004, 3). Im Amerikanischen Bürgerkrieg erfuhr die Nation eine Spaltung, die von einigen noch heute als ‚nicht geheilt‘ empfunden wird: „More than any other conflict in American history, the Civil War arouses deep passions, and as long as racial divisions rend this society, it can be expected to remain a vivid conflict for most Americans.“ (Ibid., 5) Der Civil War wird als „the worst trauma in the country’s history“ (Hughes 1997, n.pag.), oder auch als „most divisive and tragic experience“ (Blight 2001, 1) charakterisiert.242 Er war und ist immer noch ein für die Nation definierendes Ereignis, das auch eine Flut von

240 Mehr Informationen zur Ausstellung unter dem Link (Zugriff 17.02.2015). Die textuelle Beschreibung z.B. des Vietnam Krieges in der Onlineversion bleibt allerdings relativ neutral und geht kaum auf die Anti-Kriegsbewegung ein und erwähnt bspw. auch nicht das My Lai-Massaker (s.u.). 241 Vgl. Neal (2005, 21) und Piehler (2004, 3), zur Erinnerungskultur in den USA vgl. auch Hebel (2003). 242 Die immer noch große Bedeutung des Amerikanischen Bürgerkriegs für die USA kann auch am Erfolg der Dokumentarserie The Civil War von Ken Burns festgemacht werden. Die Serie wird seit ihrer Erstausstrahlung im Jahr 1990 regelmäßig wiederholt und auch für den Schulunterricht sowie Universitätskurse herangezogen (vgl. Glassberg 2001, Kapitel 4).

160 Gedenkorten und -praktiken mit sich brachte.243 Ein positives Geschichtsnarrativ der USA ist hingegen aus dem Erfolg der Alliierten über Nazi-Deutschland entstanden:

Der Zweite Weltkrieg besitzt aus amerikanischer Sicht das Potential einer außerordentlich „guten“ Erzählung. Nicht zuletzt durch die positiven Erfahrungen der Nachkriegs- Boomzeit gilt er retrospektiv als historische Erfolgs- und Heilsgeschichte. (Scholz 2008, 22)

Durch zahlreiche Gedenkfeiern war der Zweite Weltkrieg „[i]m gesellschaftlichen Gedächtnis der USA [...] seit 1990 lebendig wie nie zuvor“ (ibid., 295) und auch die Medien griffen dieses historische Ereignis vielfach auf. Im Jahr 1994 versuchten Roy Rosenzweig und David Thelen mit Hilfe einer Umfrage zu klären, welche Bedeutung Geschichte bzw. ‚die Vergangenheit‘ für den einzelnen US-Bürger hat, wie Geschichte angeeignet und sinnstiftend in die persönliche Lebenswelt integriert wird.244 Die Auswertung ergab, dass die US-Bürger sich aktiv mit der Vergangenheit auseinandersetzen (vgl. Rosenzweig/Thelen 1998, 18). Es zeigte sich aber auch, dass für viele Befragte v.a. die Familiengeschichte dezidiert im Vordergrund stand.245 (Wie sich später noch zeigen wird, spielt Familiengeschichte auch in der Voyager-Serie eine wichtige Rolle.) Bei der Einordnung ihres Lebens in die Nationalge- schichte der USA erachteten die Befragten die Geschichte der Nation zwar als wichtig, sahen für die eigene Lebensgestaltung die Familiengeschichte aber als bedeutender an (vgl. ibid., 93 und 124). Vergangenes wird dabei genutzt, um Sinn für die persönliche Gegenwart und Zukunft zu generieren: „They turned to the past to build relationships and communities, to make themselves at home in the present tense. And they turned to the past to envision tomorrow, to gather legacies they wanted to leave behind.“ (Ibid., 63) Interessant ist ebenfalls, dass die Befragten sich durchaus bewusst waren, dass bestimmte Geschichtsnarrative zu Zwecken von Identitätspolitik bevorzugt werden. Aus diesem Grund empfanden die Befragten Augen-/Zeitzeugenberichte als eine vertrauenswürdige Quelle (vgl. ibid., 90).246 Darstellungen in medialen Massenpro- 243 Nach dem Sieg der Nordstaaten im amerikanischen Bürgerkrieg herrschte dort, so Gabor, sogar eine wahre ‚Gedenkwut‘: „[I]n the aftermath of the war, scores of towns and cities throughout the North, enjoying the fruits of victory and prosperity, rushed to erect sculptures that would commemorate their local heros“ (Gabor 1997, n.pag.). 244 Für die Umfrage wurde nicht das Wort history benutzt sondern the past, da die Assoziation mit history zu abstrakt erschien und zudem eng mit Bildungsinstitutionen assoziiert wurde (vgl. Rosenzweig/ Thelen 1998, 6). 245 Die beiden häufigsten Aktivitäten im Bezug auf die Beschäftigung mit Vergangenheit waren das Betrachten von Fotografien mit der Familie oder Freunden (97%) und selbst fotografieren bzw. Videos drehen, um eine Erinnerung zu fixieren (83%) (vgl. Rosenzweig/Thelen 1998, 19). 246 Als die vertrauenswürdigste Quelle wurden Museen angegeben, gefolgt von persönlichen Berichten von den Großeltern oder anderen Verwandten und danach folgten Konversationen mit Augenzeugen (vgl. Rosenzweig/Thelen 1998, 21). Aber auch mit letzteren setzten sich die Befragten kritisch ausein-

161 duktionen (darunter auch Dokumentationen) wurden als Entertainment abgetan, als Vergangenheitsrepräsentation mit dem kleinsten gemeinsamen Nenner (vgl. ibid., 98). Die Konnektivität, die die Befragten mit der Familie oder einem Zeugen des Ereignisses empfanden, war bei Produktionen von Massenmedien nicht gegeben: „Respondents felt most unconnected to the past when they encountered it in books, movies, or classrooms. They felt most connected when they encountered the past with people who mattered the most to them.“ (Ibid., 21; meine Hervorhebung) Entsprechend empfanden die Befragten Filme und TV-Programme am wenigsten vertrauenswürdig bezüglich der authentischen Darstellung eines vergangenen Ereignisses (vgl. ibid.). Die Beliebtheit von Filmen und Fernsehproduktionen über populäre historische Ereignisse ist jedoch unbestreitbar. So waren in den 1990er Jahren Kinofilme mit historischen Themen kommerziell wie auch bei den Oscar-Verleihungen sehr erfolg- reich. Filme mit dem Zweiten Weltkrieg als thematischem Hintergrund waren u.a. Schindler’s List (1993, Regie: Steven Spielberg; Oscar u.a. für Beste Regie und Bester Film), The English Patient (1996, Regie: Anthony Minghella; insgesamt neun Oscar u.a. für Beste Regie und Bester Film) oder Saving Private Ryan (1998, Regie: Steven Spielberg; insgesamt fünf Oscars u.a. Beste Regie).247 Ein sehr erfolgreicher Film in den 1990er Jahren, der u.a. auch den Vietnamkrieg thematisierte, war Forrest Gump (1994, Regie: Robert Zemeckis; insgesamt sechs Oscars u.a. Tom Hanks als Bester Hauptdarsteller sowie Beste Regie und Bester Film).248 Gerade durch ihre weite Verbreitung tragen solche populären Darstellungen zur Bildung und Tradierung von Geschichtsbildern bei. Diesen populären Geschichtsmedien steht die traditionellere Vermittlung von Geschichte in Museen und Gedenkstätten gegenüber, die einen unmittelbaren Zugang zur Geschichte suggerieren. Hier hat sich in den letzten Dekaden eine Veränderung bezüglich der Präsentation vollzogen, die sich primär am neuen ‚Bedürfnis nach Geschichte‘ orientiert. So wünschen sich die Besucher bspw. einen persönlichen Zugang zu den präsentierten Artefakten und der vergangenen Zeit. Diese Veränderung von

ander, d.h. sie waren sich durchaus bewusst, dass manche in der Rückschau ihre eigene Rolle als wichtiger darstellen oder diese ‚schönen‘ (vgl. ibid., 94f). 247 Als Grund für den Boom von Filmen über den Zweiten Weltkrieg und die Motivation für deren Produzenten nennt Scholz „kommerzielle Interessen, das Verarbeiten eigener Erinnerungen bzw. die Hommage an die (Generation der) eigenen Väter sowie die Assoziationen der eigenen Person mit dem ‚guten Krieg‘“ (2008, 220). 248 Die Internetseite Inside Kino listet Forrest Gump auf Platz 21 der „erfolgreichsten Filme aller Zeiten in den USA“ (Stand 01.01.2012 vgl. „Inside Kino – Forrest Gumpp“; Zugriff 08.02.2012).

162 Geschichts(re)präsentation und dadurch entstandene Kontroversen sollen in den folgenden Abschnitten betrachtet werden.

2.1 Geschichte erinnern – erleben – entdecken: Modi der Geschichtskultur

Geschichtsvermittlung durch Gedenkstätten und Museen ist ein integraler Bestandteil des Kulturationsprozesses und dient zur Etablierung von Werten.

Memorials have always been useful to societies to establish and confirm common values, to send messages to posterity about what is significant and worth preserving. Statues, tombs, arches, pyramids, obelisks: all have stood for abstractions such as heroism, sacrifice and valor. (Rosenblatt 2000, n.pag.)

Die Aneignung dieses Wissens ist allerdings nicht mehr der einzige Anspruch, den Besucher heute haben. ‚Entertainment‘ ist zu einem wichtigen Faktor geworden, wie die Besucherströme von historischen Freilichtmuseen oder Living History-Stätten erkennen lassen. Aus ähnlichem Grund erfreuen sich Reenactments historischer Gefechtsszenen oder anderer Ereignisse gerade in den USA großer Beliebtheit. In den Vereinigten Staaten von Amerika gibt es viele Anlässe zur Kommemoration, welches nicht zuletzt der multikulturellen Zusammensetzung einer Bevölkerung geschuldet ist, in der jede Kultur ihre eigenen Feiertage begeht (vgl. bspw. Kammen 1995, 248). Auch dezidiert ‚amerikanische‘ Feiertage, die als Nation gefeiert werden, stehen prominent im Kalender.249 Diese Feierlichkeiten werden, sofern möglich, an dem geschichtsträchtigen Ort selbst begangen. Dies ist aber bspw. für Ereignisse des Zweiten Weltkriegs proble- matisch, da der Krieg außer dem Angriff auf Pearl Harbor in Europa und Asien aus- getragen wurde. Aus diesem Grund sind künstlich erzeugte Erinnerungsorte, wie Denkmäler, von zentraler Bedeutung: „[T]he locus classicus of remembrance in the interwar years and beyond are war memorials.“ (Winter 2006, 135) Kriegsdenkmäler sind dabei nicht unbedingt national ausgerichtet, wie Winter erklärt, sondern tragen oftmals ‚Lokalkolorit‘ und erinnern spezifisch an Opfer einer bestimmten Region oder Gruppe (vgl. ibid., 139). Andrea Gabor stellt für die USA eine Diskussionskultur über den Bau von Denkmälern und Widmungen von Gedenkstätten fest.250 Ihr Smithsonian-Artikel „Even

249 Die US-amerikanische Nation hatte in den letzten Dekaden des 20. Jahrhunderts mehrfach Grund zum Feiern: Mitte der 1970er Jahre das Bicentennial der amerikanischen Revolution, 1986 wurde die Frei- heitsstatue 100 Jahre alt, 1987 wurde die 200-jährige Existenz der Verfassung und 1989 die 200- jährige Existenz der Bill of Rights zelebriert und 1992 konnte der fünfhundertjährigen Entdeckung des amerikanischen Kontinents durch Columbus gedacht werden (vgl. Kammen 1995, 247). 250 Vgl. dazu auch Kohn (1995, 1061).

163 Our Most Beloved Monuments Had a Trial by Fire“ diskutiert die Kontroversen, die regelmäßig bei Planungen und Errichtungen kommemorativer Monumente in der amerikanischen Öffentlichkeit entstehen:

Controversy has been as integral to public art in the United States as bronze and marble. […] In fact, trial by fire has been almost a rite of passage for even America’s most beloved monuments and memorials. […] One reason for this long history of acrimony is that, in many respects, monument building runs against America’s democratic and puritanical grain. (1997, n.pag.)

In den Diskussionen geht es stets um Werte und Identität, „the effort to build a national monument in [George] Washington’s memory became ‚the most problematic under- taking in the campaign’ to develop a national identity“ (ibid.). Groß angelegte, aus Stein gemeißelte Denkmäler sind mittlerweile nicht mehr die Norm. Rosenblatt vermutet, dass dies mit einer Veränderung des Geschichtsverständnis zusammenhängen könnte:251

In the past, memorials in America, like those of prior civilizations, tended to be stone- made celebrations with simple purposes – to inspire, consecrate and glorify in the name of national stability and grand prospects. History was portrayed as success. […] With the recent changes […] comes a willingness to see history as a problem. (2000, n.pag.)252

Heute ist es vielen Bürgern wichtiger, ein Denkmal oder eine Gedenkstätte zu besuchen, das an die ‚einfachen‘ Menschen erinnert und das allgemein verständlich ist. „Me- morials are more democratic these days as well, created in the name of and for the uses of ordinary people.“ (Ibid.) Als Beispiele für gelungene Gedenkstätten, die die Bevöl- kerung ansprechen und die massenhaft besucht werden, nennt Rosenblatt das Vietnam Veterans Memorial und das United States Holocaust Memorial Museum in Washington (s.u.). Gabor bezeichnet das Vietnam Veterans Memorial als das „most passionately contested monument“, trotzdem ist es eines der am zügigsten realisierten Projekte, denn bei anderen Denkmälern wurde durch die Kontroversen der tatsächliche Bau hinaus- gezögert.

It was a vicious debate, an argument that seemed to unleash years of pent-up rage and battling perceptions over the legacy of the Vietnam War. […] Today, the Vietnam Veterans Memorial is the most visited monument in the country. According to Bert Kubli

251 Rosenblatt macht dies am Umgang mit der Erinnerung an den Amoklauf an der Columbine Highschool fest: „Not long ago, Americans wanted to tear down evidence of mass horrors; the initial thought with Columbine High School was to obliterate the school and start anew – America’s old, insistent, forward-looking impulse. Now there are plans to create a permanent memorial in a park alongside the school“ (2000, n.pag.). 252 Unter ‚recent changes‘ fasst Rosenblatt Terroranschläge wie z.B. in Oklahoma City oder auch den Amoklauf in Columbine – Ereignisse, die US-Bürger unmittelbar betreffen und den Alltag stark beein- flussen können.

164 and other public-art experts, the memorial benefited from the debate that engulfed it. No other monument in America, says Kubli, is so clearly „the end product of a long, exciting, very democratic, and very American process.“ (Gabor 1997, n.pag.)

Auch Robert Hughes erachtet das Vietnam-Denkmal als „the one completely successful U.S. Memorial in the past quarter-century“ (1997, n.pag.). Trotz seiner Schlichtheit – eine Wand aus schwarzem Granit, in der die Namen der Toten eingraviert sind – erfreut es sich großen Zuspruchs:

[I]t has proved to be the most respected, the most socially used war memorial in America, where people come to leave flowers, kiss the names of the dead, make rubbings of the names: an almost purely conceptual sculpture, transcending the bitterness over the most divisive conflict in U.S. history since the Civil War, a century earlier. (Ibid.)

Ein Grund ist sicherlich, dass der Vietnamkrieg im kulturellen Gedächtnis der USA besonders stark verankert ist, wenn auch als Trauma negativ konnotiert.253 Es scheint, dass dieser im Sinne einer Trauma-Bewältigung als etwas nicht Abgeschlossenes empfunden wird und ein befriedigender Abschluss noch aussteht. Ein Besuch des Vietnam-Denkmals scheint für einige genau dies zu erfüllen: die Berührung der Wand als heilende Wirkung für ein öffentliches Trauma.254 Das Erinnern an ein vergangenes Ereignis ist für spätere Generationen ein abstrakter Vorgang. Eine Möglichkeit, Geschichte selbst zu ‚erleben‘ ist in themed environments gegeben, die eine „imaginierte Identifikation“ mit einer historischen Epoche oder einem Ereignis ermöglichen (Hochbruck/Schlehe 2010, 8). Zwei Formen solchen Geschichtserlebens sind das Reenactment und der Besuch von Living History- Stätten – etwa mit Bezug auf den Bürgerkrieg.255 Besucher möchten ihr Wissen über ein geschichtliches Ereignis vertiefen (oder etwas ganz Neues entdecken), sie möchten erleben, ‚wie es damals wirklich war‘. Beim Reenactment begibt sich das Individuum quasi in die historische Situation und ‚erlebt‘ die damaligen Zustände erster Hand. Dabei steht nicht die Vermittlung von Fakten im Vordergrund, sondern das hautnahe

253 Die meisten Studien befassen sich mit dem Trauma der Veteranen und dem Posttraumatischen Stress- Syndrom vgl. hierzu bspw. Egendorf (1985), Kulka (1990), Scurfield (2004) und Turner (2001). Zum Vietnamkrieg im amerikanischen Gedächtnis allgemein siehe bspw. Hagopian (2009) sowie Neal (2005, Kapitel 6). 254 Die Idee der ‚Heilung‘ wurde in der Erstellung einer Miniatur des Denkmals – signifikanterweise bezeichnet als ‚The Wall That Heals‘ – im Jahre 1996 umgesetzt. Diese ist seitdem als Wanderaus- stellung in die USA unterwegs (vgl. „The Wall that Heals“). Ebenso wurde der Aspekt der Heilung in eine Ausstellung des National Museum of American History integriert: „Personal Legacy: The Healing of a Nation“ (1992-2003) stellte die von Besuchern des VVM hinterlassenen Memorabilia aus, wie bpsw. gebrauchte Armeestiefel (vgl. Moser 1995 sowie „Combat Boots Left at the VVM“). 255 Vgl. Hochbruck (1996, 93).

165 selbst Erfahren wie es gewesen sein könnte.256 Hochbruck/Schlehe betonen, dass das Reenactment zu einem Simulacrum des tatsächlichen historischen Ereignisses wird:

[T]he reenactment turns the original event that is being conjured up into an enactment, implying a mise-en-scène quality few of the original events that have become subject to reenactments ever had. Secondly, the varying degrees to which the reenactors have attempted to come close to the real thing, subsumed under the heading of „authenticity‟, have usually obscured both the insurmountable ironic distance between the events and their reenactments, and the essentially theatrical nature of the reenactment itself. (Ibid., 14)

Die Authentizität des Ortes bei Nachstellungen etwa diverser Bürgerkriegs-Schlachten ist insofern nicht möglich, da diese seit 1961 nicht mehr auf den ‚Originalschauplätzen‘ stattfinden dürfen (vgl. ibid. Sowie Jones 2010, 220). In Fragen der Authentizität geht es den Civil War-Reenactors vor allem aber auch darum, dass die damalige Zeit mit allen Unannehmlichkeiten ‚durchlebt‘ wird: „Part of the appeal of Civil War reenacting is its collective insistence on ‚real‘ experience – such as the duty of suffering through rain, cold, heat, and dust.“ (Jones 2010, 224) Living History-Stätten bieten dem Besucher die Möglichkeit, als ‚Zeuge‘ einer Vergangenheitsrepräsentation durch die historische Zeit ‚zu wandeln‘ (vgl. Oesterle 2010, 163) oder selbst mitzumachen: „In hands-on activities and cultural performances […] they appropriate the past in an experimental, predominantly physical and sensorial way from a contemporary non-historical-role-playing perspective.“ (Ibid.) Auch hier halten sich realistische Darstellung und die Nachahmung die Waage, bei der eine imaginierte Authenitzität der Vergangenheitsrepräsentation evoziert wird (vgl. ibid., 169).257 Dabei stellt jede Interaktion mit den darstellenden Angestellten eine Sinn- produktion des historischen Ereignisses dar, „visitors are considered integral parts and active producers in the production of historical meaning who influence and negotiate the performance by their physical presence, their perceptions, reactions, and interactions“ (ibid., 170). Wie bei den Reenactments besteht auch hier die Möglichkeit, dass die Repräsentation zum Simulacrum des tatsächlichen Ereignisses wird.258 Die Möglichkeit zum Mitmachen oder sich ‚innerhalb‘ eines historischen Geschehens wähnen, macht die Living History-Stätten für Besucher attraktiv. Immer 256 Hochbruck bezeichnet dies als „action entertainment historiography“ (1996, 102). 257 „Authenticity is a priority, but Living History museums must needs keep an eye on their attractiveness for tourist trade“ (Hochbruck 1996, 95). 258 „Given the surpassing credibility of museums, people tend to believe that what they see and experience is ‚authentic‘ and close to what they conceive of as ‚historical truth‘. The danger then consists in an uncritical absorption and internalization of sanitized versions of history that may be based on privileged knowledge, prevalent stereotypes, or worse, outright propaganda.“ (Oesterle 2010, 171) Vgl. dazu auch Hochbruck (1996, 94).

166 mehr Museen bemühen sich daher, interaktive Ausstellungen anzubieten.259 „An awareness of the audience’s expectations and a desire to meet them have had a profound influence on museum exhibition practices in the later twentieth century.“ (Crane 1997, 47) Primär sind Museen Vermittler, die „ihren Besuchern traditionell einen Kontakt mit Überresten der Vergangenheit“ ermöglichen (Korte/Paletschek 2009, 41). Der Status von Museen zeigt sich auch in der bereits erwähnten repräsentativen Umfrage von Rosenzweig/Thelen; diese werden als die vertrauenswürdigste und authentischste Quelle für Informationen über die Vergangenheit erachtet (vgl. 1998, 21f.). Für viele der Befragten ermöglicht ein Museum eine Verbindung zwischen Gegenwart und Ver- gangenheit, welche mit dem Bedürfnis nach Kontinuität korreliert: „[I]t comes as a surprise to learn that visits to museums and historic sites made respondents feel extremely connected to the past. Part of the reason, it seems, is that Americans believe they uncover ‚real‘ or ‚true‘ history at museums and historic sites.“ (Ibid., 32) Dabei nehmen die Befragten eine qualitative Differenzierung zwischen einer ‚seriösen‘ Ausstellung und etwas, das sie als pures Entertainment empfinden vor (vgl. ibid., 108). Die Umfrage suggeriert, dass edutainment nicht in allen Bereichen der Museums- landschaft erwünscht ist. Dabei vermittelt ein Museum nicht nur Wissen um Geschichte sondern auch gesellschaftliche Werte und fördert zudem Kulturverständnis: „Our museum experiences instruct us in social codes of behavior, condition a sense of cultural literacy, and instill the value of art, the past, and science.“ (Crane 1997, 46) Allerdings lässt sich die Geschichtsrepräsentation nicht zwangsläufig an die Erwartungshaltungen der Besucher anpassen. Auf diese Weise können Erinnerungs- kontroversen entstehen, die aufzeigen, inwiefern ein historisches Ereignis eine erin- nerungspolitisch gefärbte Interpretation erhalten hat.260

Public controversy over museum collections, displays, and the role of museums was not and is not confined within the discourse of intellectuals. People who otherwise might not worry about the content or purpose of a museum may come to care quite passionately when their expectations, based on their own experience and memory are thwarted, and they will express those passions publicly. […] Personal feelings and memories, whether accurate or appropriate or not, indeed are always a factor in the contexts in which historical consciousness is made, because they shape how an experience is remembered. (Ibid., 48)

259 Michael Heymann spricht davon, dass in den Smithsonian Museen die Darstellungspraxis der „interpretive exhibition“ favorisiert wird (Heymann 1995, 8); vgl. dazu auch die Besprechung der Episode „Living Witness“ S. 205-208. 260 Dieser Aspekt der ‚gefühlten‘ Erinnerungsverzerrung wird unten in Kap. 2.2 anhand des Beispiels der geplanten „Enola Gay“-Ausstellung des National Air and Space Museums erläutert und wird deshalb an dieser Stelle nicht weiter ausgeführt.

167 Um einer Ausstellung mehr Aussagekraft und ‚Authentizität‘ zu geben, können die gezeigten Objekte durch Augen-/Zeitzeugenberichte erklärt oder ergänzt werden. David Thelen propagiert dies nicht nur im Zusammenhang mit Geschichtsrepräsentationen, sondern auch bei akademischen Arbeiten von Historikern:

Public conversation about the past should engage both the voice of firsthand experience and the voice of criticism, both authenticity and „scholarly detachment.“ […] Surely what war veterans experienced enables them to contribute crucial perspectives on the „last days“ of World War II. Now, when exploration of how and what Americans „remember“ have become central concerns of scholarship, we should be seeking out, not dismissing, what veterans remember. (1995, 1033)

Sehr prominent werden Zeitzeugenberichte z.B. als Strategie zur Personalierierung des Ausstellungserlebnis in der permanenten Ausstellung des United States Holocaust Memorial Museum (USHMM)261 eingesetzt. Die Besucher des USHMM erhalten beim Eintritt in die Ausstellung eine identity card ausgehändigt, die anhand von Interviews mit Zeitzeugen sowie von anderen mündlich und schriftlich tradierten Erinnerungen angefertigt wurde:262 „telling the true story of a person who lived during the Holocaust. Using these individual profiles, show[s] […] that behind the massive statstics are real people – children and parents, neighbors and families – and a diversity of personal experience.“ („ID-Cards“; vgl. auch Woodward 1993, n.pag.) Dadurch soll eine Einbeziehung des Besuchers in die dargestellte Geschichte erreicht werden.263

The design team was determined to personalize the Holocaust, since it wanted visitors to eschew forever the role of bystander, and this, it was felt, could be accomplished effectively through a painful link with the faces of the Holocaust victims. (Linenthal 1995, 171)

In den aufbereiteten Augenzeugenberichten der Ausstellung ist ein weiteres Element zur Etablierung von Relevanz für die amerikanische Gesellschaft enthalten. Diese Augen- zeugen erzählen nicht nur über ihre Verfolgung in Europa, sondern „am Ende fließen […] häufig Bemerkungen über ihre Ankunft in den USA und ihr weiteres Leben ein.

261 Das USHMM wurde am 22. April 1993 in Washington, DC eröffnet. Auch der Internetauftritt des Museums zieht zahlreiche Besucher an: „our Web site, the world’s leading online authority on the Holocaust, had 25 million visits in 2008 from an average of 100 different countries daily“ („About USHMM“). 262 Das USHMM hat mehrere Projekte, in denen Zeitzeugen ihre Berichte für die Nachwelt erhalten können, wie z.B. das „Memory Project“, dessen Dokumente können online eingesehen werden unter (Zugriff 17.02.2015). Weitere Projekte des Museums finden sich in der Sektion „Resources for Professionals and Student Leaders“ (Zugriff 17.02.2015). 263 Zu Personalisierungsstrategien in der permanenten Ausstellung des USHMM siehe bspw. Linenthal (1995, 171-192).

168 Die Zeitzeugenberichte bilden die Verbindung zwischen europäischer Geschichte und amerikanischem Leben“ (Hass 2002, 334). Somit bringt die Ausstellung die Verfolgung und Vernichtung der Juden durch die Nazis zu einer Zeit in das amerikanische Gedächtnis, in der der Holocaust verstärkt auch geleugnet wurde.264 Insofern erscheint es erstaunlich, dass bereits während der Planungsphase des Museums immer wieder diskutiert wurde, wieso ein Holocaust Museum in den USA gebaut werden sollte. Diese und andere erinnerungspolitsche Kontroversen sind das Thema des nächsten Kapitels. Denn die Voyager-Serie geht dezidiert auf die Ethik des Erinnerns ein, und verdeutlicht deren Bedeutung auch an Geschichtskontroversen.

2.2 Ausgewählte Erinnerungskontroversen in den USA der 1990er Jahre

Memory is made of a weird elastic. (Morrow 2000, n.pag.)

Besonders in einer ethnisch diversen Gesellschaft wie in den USA ist es schwierig, alle Gruppen in Vergangenheitsrepräsentationen zu integrieren. So entstehen Kontroversen darüber, wer und was und vor allem auch in welcher Form erinnert werden soll. Allgemein betrachtet lässt sich daher fragen: Welche Vergangenheitsrepräsentationen bevorzugt das nationale Narrativ und welche ‚unangenehmen‘ Vorkommnisse werden ausgespart? Dies soll an einigen Beispielen aktiver Erinnerungspolitik für die USA in den 1990er Jahren im Folgenden aufgearbeitet werden. Wie bereits erwähnt, gab es bereits während der Planungsphase des Holocaust Memorial Museums heftige Kontroversen über Sinn und Zweck eines solchen Museums in den USA. Für viele der Holocaust-Überlebenden ist die Erinnerung/das Gedenken problematisch, so Kenneth Woodward, da sie das Geschehene für eine Aufbereitung unantastbar empfinden: „[S]ome camp survivors still regard [the memories] as too sacred for words or images, too transcendently evil to be displayed in another time, another place.“ (1993, n.pag.) Ähnlich beschreibt es auch Michael Kernan: „The dilemma is that this event must be spoken of – yet must remain unspeakable.“ (1993,

264 Vgl. hierzu beispielsweise Linenthal (1995, 65). Ebenso berichtet Jaroff (1993, n.pag.) in seinem Time-Artikel über eine Anzeigenkampagne in Universitätszeitungen, die von einer Gruppe Holocaust- Leugner geschaltet wurde und heftige Diskussionen auslöste. Die Zahl der Leugner schien sich zu vermehren, so eine Meldung auf Basis einer Umfrage im Time Magazine: „Most shockingly, one in five American adults said […] they were unconvinced that the Holocaust had ever occurred.“ („Most Remember“) Ebenso führt Jaroff eine Umfrage an, die 1992 aufdeckte, dass 39% der Highschool Schüler und 28% der Erwachsenen nicht wussten, was der Holocaust ist (vgl. 1993, n.pag.).

169 51) Das USHMM ist nicht nur „monument to remembering“ (ibid.) sondern auch eine Bildungsstätte, deren gesellschaftliche Bedeutung über den Holocaust hinaus gehen soll:

Located among our national monuments of freedom on the National Mall, the Museum provides a powerful lesson in the fragility of freedom, the myth of progress, the need for vigilance in preserving democratic values. With unique power and authenticity, the Museum teaches millions of people each year about the dangers of unchecked hatred and the need to prevent genocide. („About USHMM“)

Trotzdem wurden der Standort des Museums, die National Mall in der Hauptstadt der USA, und die damit verbundene Verortung des Ereignisses im nationalen Erinnerungs- diskurs heftigst diskutiert.

Der Holocaust wurde nicht als Teil [der amerikanischen] Geschichte verstanden, sondern als partikulare jüdische Erinnerung. Das Museum sei die Institution einer einzelnen ethnischen Gruppe und passe daher nicht zu den anderen nationalen Museen und Monumenten an der Mall. (Pieper 2006, 111)

Lance Morrow diskutiert in seinem Time-Artikel „Never Forget“ die Ansicht, dass auf US-Boden nur Ereignisse erinnert werden sollten, die auch dort stattfanden: „The premise is that America’s sacred statuary memory belongs to things that happened on native grounds.“ (1993, n.pag.) In diesem Zusammenhang kam die Frage auf: „And why would Americans build a memorial and museum to the European Holocaust before installing a remembrance, say of slavery and the black American struggle, or of the devastation of American Indian life?“ (Ibid.)265 Die Ortswahl wurde von vielen als politisches Statement verstanden, als „Ausdruck einer jüdischen Machtpolitik in den USA“ (Pieper 2006, 113). Die Befürworter des Standorts lieferten folgende Gegen- argumente: „die ‚Out-of-Placeness‘ als Essenz der Mall, den Pluralismus der ameri- kanischen Kultur sowie die universalen Implikationen des Holocaust, die ein nationales Gedenken an den Holocaust ermöglichten und begründeten“ (ibid., 114). Auch Werbemittel des Museums nutzen eine positive Integration der Erinnerung in das amerikanische Nationalnarrativ:

[Die Befürworter] stellten die amerikanische Demokratie der nationalsozialistischen Diktatur als leuchtendes Beispiel gegenüber, was in der patriotischen Glorifizierung der amerikanischen Nation als Hüterin der Freiheit, Demokratie und Menschenrechte mün- dete. (Ibid., 115)

265 Vgl. dazu auch Pieper (2006, 111). Der Bau des National Museum of African American History and Culture wurde 2003 per Gesetz beschlossen; die Eröffnung soll im Jahr 2016 stattfinden (vgl. „NMAAHC“). Einen Onlineauftritt des Museums gibt es bereits unter (Zugriff 17.02.2015).

170 Des Weiteren kann, so Matthias Hass, aus der Begründung der Regierung für den Bau und Standort eines Holocaust Museums ein „Anspruch, weltweit Hüter der Menschen- rechte zu sein“, abgeleitet werden (2002, 243). Hass bestätigt, dass das Museum selbst Geschichte instrumentalisiert und als „moralische Institution“ fungiert, wie er beispielhaft an der Berichterstattung zur Eröffnung ausmacht:

Der Bezug auf die Gegenwart fand sich 1993 in fast allen Eröffnungsberichten durch den Verweis auf den Bürgerkrieg in Bosnien. [Dies] zeigt, dass dem Museum die Aufgabe zugewiesen wurde, durch Veranstaltungen und wechselnde Ausstellungen Position zu aktuellen politischen Problemen zu beziehen. (Ibid., 379)

Die empfundene Distanz des Museums zur amerikanischen Geschichte und Identität wird allerdings in dem Anspruch weitergetragen, dass vom USHMM erwartet wird, Stellung zu politischen Themen zu nehmen. Dies erscheint als eine problematische Situation, da die Öffentlichkeit eine Trennung von Politik und Erinnerung bevorzugt, Ausstellungen oder Denkmäler mit politischem Tenor gemeinhin eher unerwünscht sind, wie die Akzeptanz der als ‚unpolitisch‘ interpretierten Denkmäler zeigt (s.o.). Das nächste Beispiel in der Reihe der Erinnerungskontroversen zeigt hingegen, wie die Öffentlichkeit auf den Versuch reagiert, ein bereits manifestiert positives Erinnerungsnarrativ in einen größeren und kritischeren Zusammenhang einzubetten. Der Zweite Weltkrieg wird generell, wie oben erwähnt, als positives Geschichtsnarrativ funktionalisiert. Jedoch bezieht sich dies stets auf die Aktivitäten im Westen, die Geschehnisse im Osten werden dabei eher ausgeblendet, da hiermit ‚schmerzliche‘ Erinnerungen verbunden sind. Zum 50. Jahrestag des Abwurfs der Atombombe auf Hiroshima plante das National Air und Space Museum (NASM) eine Ausstellung um das Flugzeug Enola Gay, das im Zweiten Weltkrieg die Atombomben transportierte und auf japanische Städte abwarf.266 Es gab bereits im Planungsstadium, besonders von Seiten der Air Force-Veteranen, heftige Einwände gegen das Vorhaben, wie Hugh Sidey in seinem Time-Artikel „War and Remembrance“ berichtet:

The display, say the vets, is tilted against the U.S., portraying it as an unfeeling aggressor, while paying an inordinate amount of attention to Japanese suffering. Too little is made of Tokyo’s atrocities, the sneak attack of Pearl Harbor or the recalcitrance of Japan’s military leaders in the late stages of war – the catalyst for the deployment of atomic weapons. (1994, n.pag.)

Vor allem die Gewichtung der Darstellung wurde kritisiert: 49 Fotos von japanischen Kriegstoten gegenüber 3 Fotos von amerikanischen, sowie 4 Texte zu japanischen 266 Der Titel der ursprünglich geplanten Ausstellung lautete: „The Crossroads: The End of World War II, the Atomic Bomb, and the Origins of the Cold War“.

171 Gräueltaten, denen 79 Texte über das Leiden der japanischen Bevölkerung nach dem Atombombenabwurf gegenüber gestellt wurden (vgl. ibid.).267 Kritiker sahen darin vor allem ein emotional aufgeladenes Szenario und keine auf Fakten beruhende Darstellung, die die Ereignisse korrekt in den historischen Zusammenhang einordnete, wie der Newsweek-Artikel, „The New Battle of Hiroshima“ veranschaulicht: „[T]he proposal was little more than a testament to the bombing’s victims, all emotion and little historical context, full of language that read like Japanase wartime propaganda.“ (Powell/Glick 1994, n.pag.)268 In dem Artikel kommt auch ein Historiker zu Wort, der den Inhalt des Ausstellungsplans und die geplante Darstellung wie folgt bewertete:

The imbalance is almost palpable […]. If I didn’t know better … I would leave the exhibit with the strong feeling that Americans are bloodthirsty, racist killers who after beer parties and softball go out and kill as many women and children as possible. (Zitiert in ibid.)

Am Ende hatte die Kontroverse derartige Wellen geschlagen, dass die Leitung der Smithsonian Institution beschloss, die Ausstellung radikal zu verändern. Dies bedeutete, dass alle Verweise auf die Folgen des Bombenabwurfs sowie sonstige Hinweise auf das Kriegsgeschehen gestrichen wurden. Somit verblieb nur das Flugzeug Enola Gay als zentrales Ausstellungsstück, das der ‚neuen‘ Ausstellung seinen Titel verlieh, „Enola Gay“. Charles Krauthammer, der die geplante Ausstellung in seinem Time-Artikel „History Hijacked“ als „tendentious anti-Americanis[t]“ bezeichnet erwähnt, dass bereits vier Jahre zuvor im National Museum of American Art bei einer Ausstellung zur Expansion nach Westen die Darstellung verzerrt gewesen sei und jedes Artefakt als „evidence for white racism and rapacity“ (1995, n.pag.) interpretiert werden konnte. Krauthammer richtet sich dezidiert gegen diese ‚neue‘ Art von Museumspraxis der interpretive exhibtion: „These exhibits are not accidents. They reflect the extent to which the forces of political correctness and historical revisionism, having captured the universities, have now moved out to dominate our museums and other insitutions of national culture.“ (Ibid.) Krauthammer fordert das Eingreifen des US-Kongress, um der

267 Die Verankerung des Atombombenabwurfs in der japanischen Erinnerung wird in Powell/Sparkman beschrieben: „The bombings became a kind of psychic salve for the nation; in the Japanese eye they were acts so barbaric that they effectively canceled out, on the Great Moral Scale, whatever atrocities Japan had committed during the war.“ (1994, n.pag.) Ein weiterer Newsweek-Artikel beschäftigt sich ebenfalls damit, wie in Japan der Ausgang des Zweiten Weltkriegs quasi nicht in der Öffentlichkeit verhandelt wird: „The desire for social harmony has circumscribed the debate about the war in Japan for decades“ („Who’s Sorry Now.“ 1995, n.pag.). 268 Die Planung beinhaltete auch den Einbezug drastischer Darstellungen von verkohlten Leichen und Ruinen, die als „‚Ground Zero‘ section“ ein ‚emotionales Zentrum‘ der Ausstellung sein sollten (vgl. Sidey 1994, n.pag.).

172 „cultural corruption“, die er vom linken Flügel unterstützt wähnt, durch Streichungen von Subventionen Einhalt zu gebieten (ibid.). Angeblich verunsicherte die Kontroverse die Museen der Smithsonian Institution derart, dass in einigen Ausstellungen ‚Korrekturen‘ vorgenommen worden seien, wie der Newsweek-Artikel „Smithsonian Altered States“ berichtet.269 Ebenso wurde die Debatte im akademischen Bereich aufgegriffen.270 Historiker waren über die Absage der Ausstellung entsetzt und befanden: „[the museum] forfeited an opportunity to educate a worldwide audience in the millions about one of this century’s defining experiences. […] [The exhibition] might have been the most important museum presentation of the decade and perhaps of the era.“ (Kohn 1995, 1036) Es wurde befürchtet, dass diese Absage unter politischem Druck die Museumslandschaft verändern und kritische Darstellungen in Zukunft erschweren könnte. Bei der Debatte um die Enola Gay-Ausstellung wird des Weiteren dem Besucher die Fähigkeit zur Reflexion abgesprochen. Die geplante „Enola Gay“-Ausstellung wäre, so Kohn, auf- grund ihrer örtlichen Nähe zum National Holocaust Memorial Museum und zum National Museum of American History mit seiner Ausstellung über die Internierung der Japano-Amerikaner271 eine Bereicherung gewesen und hätte den Sinn des Zweiten Weltkriegs verdeutlicht: „Those who saw all three might have reflected on the folly of racism and concluded that some wars are worth fighting, World War II being one of them.“ (Ibid., 1063) David Thelen resümiert, dass die Kontroverse einen fundamentalen Punkt in der Erinnerungsdebatte angestoßen habe: „What is or ought to be the relationship between what happened in the past and how we interpret and present history in the present?“ (1995, 1033) Dieser Punkt wird bei ‚unangenehmen‘ Vergan- genheitsrepräsentationen besonders evident. Auch andere Kontroversen verdeutlichen

269 Laut des Artikels von Koehl/Howard wurden sowohl die Ausstellung zum Luftkrieg in Vietnam als auch die Ausstellung mit dem Titel „Altered States“ zum Thema Alkohol, Drogen und Tabak- Missbrauch komplett aus dem Programm genommen. Die letztgenannte Ausstellung wurde allerdings nach Angaben des Pressesprechers der Smithsonian Institution aufgrund mangelnder Zuschüsse gestrichen und nicht wegen befürchteter Kontroversen (vgl. 1995, 6). 270 Zentrale Publikationen zur Kontroverse sind u.a. verschiedene Aufsätze in Edward T. Linenthal und Tom Engelhardt (Hrsg.), History Wars: The Enola Gay and Other Battles for the American Past (1996); Martin Harwit, An Exhibit Denied: Lobbying the History of Enola Gay (1996) und Philip Nobile (Hrsg.), Judgment at the Smithsonian: The Bombing of Hiroshima and Nagasaki (1995). Das Journal of American History beschäftigt sich in dem Themenheft „History and the Public: What Can We Handle?“ (82.3 (1995)) mit der Enola Gay-Kontroverse, darin ist die ausführliche Diskussion von Kohn (1995) enthalten. 271 Die Ausstellung, auf die Kohn hier verweist, trägt den Titel „A More Perfect Union: Japanese Americans & the U.S. Constitution“ und ist eine permanente Ausstellung im National Museum of American History. Die Onlineversion ist zugänglich unter (Zugriff 17.02.2015).

173 die Tendenz der Verdrängung von unrühmlichen Aspekten in der Vergangenheit, die das dominante nationale Narrativ und Selbstbild der USA nicht unterstützen, wie bei den Themen Sklaverei sowie den Kriegsverbrechen amerikanischer Soldaten in Vietnam. Ein Diskurs, der sich in den 1990er Jahre formierte, und als ein Versuch zur Vergangenheitsbewältigung interpretiert werden kann, war die Diskussion um eine offizielle Entschuldigung von Seiten der US-Regierung für die Sklaverei sowie even- tuelle Reparationszahlungen an Nachfahren.272 Im Jahr 1997 entschuldigte sich Präsident Bill Clinton bei afro-amerikanischen Männern, die ohne ihr Wissen und Einverständnis für eine Syphillis-Studie missbraucht worden waren, ebenso wie bei afro-amerikanischen Veteranen, denen die Ehrenmedallie für den Dienst im Zweiten Weltkrieg verwehrt worden war (vgl. Nichols 1997, 01.A). Die Befürworter einer Entschuldigung für die Sklaverei bewerteten die Geste als überfällig und hofften auf das Schließen der Kluft, welche damals den Bürgerkrieg ausgelöst hatte. Gegner aus beiden Lagern hingegen sahen die Entschuldigung als leere Symbolik, als beleidigend und unnötig (vgl. ibid.). Die Gegner argumentierten, dass es unfair sei, die jetzige weiße Generation für die Sünden der Vorfahren bezahlen zu lassen (vgl. DeWayne 1997, 15.A) bzw. dass die Nachfahren der getöteten Unionssoldaten bereits ihren Teil geleistet hätten (vgl. „Americans Didn’t Invent Slavery“ 2000, 16.A).273 Die Notwendigkeit einer Entschuldigung wird in den Zusammenhang mit offiziellen Entschuldigungen anderer Nationen für ihre Involvierung im Holocaust oder der Apartheid gerückt.274 Es scheint, dass die Mehrheit hofft, durch eine Entschuldigung diesen Aspekt der Geschichte abschließen zu können. Eine moralisch richtige Entscheidung in diesem Zusammenhang wäre für Coretta Scott King der Schuldenerlass für die afrikanischen Staaten, als „partial reparation for the tragic history of slavery, colonialism and exploitation“, bei der sie aber auch Europa mit in der Pflicht sieht (2000, 25.A).275 Analog zur Notwendig-

272 Zu diesem Thema vgl. bpsw. Horowitz (2002), Munford (1996), Robinson (2000) oder Winbush (2003). 273 Derweil werden immer neue Fakten über den Wert der Arbeit von damaligen Sklaven zu Tage befördert. So beschreibt der Artikel von Kathy Kiely, dass Sklaven nicht nur die Bronze Statue „Freedom“ auf dem US- Kapitol in Washington, D.C. gegossen und aufgestellt haben, sondern auch das Kapitol selbst mit erbaut haben (vgl. Kiely 2000, 12.A). 274 „Chirac apologized for the help France’s Vichy government gave the Nazis in deporting 320,000 French Jews to death camps during World War II. Yeltsin said he’s sorry for the Soviet army’s massacre of 15,000 Polish officers in that same conflict. De Klerk apologized for apartheid, the system of racial separation used to oppress South Africa’s black majority for nearly half a century.“ (DeWayne, 1997, 15.A) Dass sich hingegen weder Japan (für den Angriff auf Pearl Harbor) noch die Amerikaner (für den Abwurf der Atombomben auf Hiroshima und Nagasiki) entschuldigt haben, wird an dieser Stelle nicht erwähnt. Das Bedürfnis in beiden Bevölkerungen und die generelle Problematik von Entschuldigungen dieser Größenordnung diskutiert Auchincloss (1995).

174 keit einer Entschuldigung wird die Forderung nach einer Entschädigungszahlung ebenfalls aus Gründen der Fairness verlangt. Eine unbequeme historische Erinnerung in den USA ist auch der Vietnamkrieg und hier besonders die Erinnerung an Gräueltaten, die vom amerikanischen Militär begangen wurden, wie bspw. das sogenannte My Lai-Massaker im Jahr 1968.276 Als es im darauffolgendem Jahr öffentlich bekannt wurde, zeigten Umfragen, dass viele nicht an die Schuld der Soldaten glaubten, sondern der Meinung waren, die Meldung sei Vietkong-Propaganda, denn US-Soldaten seien zu solchen Taten nicht fähig (vgl. Oliver 2006, 53f). Am dreißigsten Jahrestag des Massakers im Jahre 1998 wurden die drei Luftwaffenoffiziere geehrt, die sich gegen die eigene Truppe gestellt und vietna- mesische Zivilisten vor der Tötung gerettet hatten. Obwohl das Massaker selten thematisiert wird und wurde – Philip D. Beidler geht sogar so weit diesbezüglich von einer „amnesiac nation“ (1998, 6) zu sprechen – ist in einem USA Today-Artikel anlässlich der Ehrung zu lesen, dass dieser Tag sich in das amerikanische Gedächtnis eingeprägt hat: „That day – March 16, 1968 – represents to many of us, especially those of us who wear the Army uniform, the day our Army failed the nation. While we had lost battles in previous wars, our heritage was one of personal courage, honor and respect for others“ („Three who risked their lives to stop My Lai honored“ 1998, 10.A) Die Zeitschriften, die für die vorliegende Arbeit untersucht wurden, thematisieren My Lai eher zurückhaltend. In Newsweek konnten keine Artikel gefunden werden, die sich auf My Lai bezogen.277 Der gerade erwähnte USA Today-Artikel über die Ehrung der Luftwaffenoffiziere war auch hier die einzige Meldung, die sich direkt auf My Lai bezog.278 Das Magazin Smithsonian wie auch National Geographic hatten 1998 keine Artikel mit Vietnam-Bezug. Nur das Geschichtsmagazin American Heritage brachte in seiner Februar/März Ausgabe einen Artikel über den Besuch der Autorin des Artikels

275 Bei Berechnungen über die Höhe dieser Zahlung kommt bspw. Jack E. White in seinem Time-Artikel „Sorry Isn’t Good Enough“ auf eine Summe von 24 Trillionen US-Dollar (1997, n.pag.). 276 Eine detaillierte Studie zum My Lai-Massaker und wie die US-Öffentlichkeit damit umging sowie eine ausführliche Dokumentation des Gerichtsprozess findet sich in Oliver (2006) und Anderson (1998). Das My Lai-Massaker als symbolisches Event diskutiert Neal (2005, 95). Bleakney (2006) untersucht den Vietnamkrieg anhand von Erinnerungspraktiken. 277 Im Juni wurde Vietnam in Newsweek allerdings mehrfach thematisiert, ein Bericht über den angeblichen Einsatz des Nervengases Sarin in Vietnam sorgte für Schlagzeilen, stellte sich aber später als Falschmeldung heraus (vgl. Thomas/Vistica 1998a und 1998b). Im Juni beschäftigte sich ein Artikel mit dem Trauma von rückkehrenden Kriegsgefangenen und äußerte Kritik am damaligen anti- war movement (vgl. Brudno 1998). 278 Lediglich am 12. März 1998 gab es noch zwei Meldungen, die Vietnam zum Thema hatten, allerdings ging es hier um ein politisches (die Erleichterung der Ausreisebestimmungen in Vietnam) und ein wirtschaftliches (Handelsbeziehungen zwischen den USA und Vietnam) Thema (vgl. „Clinton Rewards Vietnam for Easing Emigration“ 1998, 08.A und Belton 1998, 03.B).

175 „My Lai, Thirty Years After“ in dem Dorf und beschreibt, wie das Massaker dort erinnert wird (vgl. Snyder 1998).279 Die US-Ausgabe des Time Magazine veröffentlichte nur in seiner Sparte für Kurzmeldungen („Milestones“) eine Notiz über die Verleihung der Ehrenmedaillen (Adams et al. 1998, n.pag.). Die Asien-Ausgabe des Time Magazine hingegen publizierte am 16. März 1998 einen Artikel von Tim Larimer, „Echoes of My Lai“, der sich mit den Folgen des Massakers für das vietnamesische Dorf auseinandersetzt.

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Aus den hier präsentierten Beispielen wird deutlich, dass die Erinnerungs- und Geschichtskultur der USA in den 1990er Jahren ein umkämpftes Feld war. Die Debatten betrafen in besonderem Maße den Aspekt des kulturellen Gedächtnisses, den man als Funktionsgedächtnis bezeichnet. In der Öffentlichkeit wurde diskutiert, inwiefern es nötig und wichtig ist, sich an Ereignisse, die für das nationale Gedächtnis problematisch, traumatisch oder gar schandvoll sind, zu erinnern und diese bewusst öffentlich zu kommemorieren. Wie anhand der Gegner des Holocaust Museums oder auch bei der „Enola Gay“-Ausstellung gezeigt wurde, ist der Wille zur Selbstreflexion nicht immer vorhanden. Zeitzeugenberichte werden vermehrt bei Ausstellungen und historischen Stätten herangezogen, um einerseits das Gezeigte zu ‚verifizieren‘, und andererseits den Besucher mittels Personalisierungsstrategien direkter einzubeziehen und ihm das Gefühl zu geben, die Geschichte ‚eines Bekannten‘ zu erleben. Dass für die US-Bürger solch ein persönlicher Bezug zu einem geschichtlichen Ereignis von Bedeutung ist, konnte die Studie von Rosenzweig/Thelen etablieren. In der folgenden Analyse wird gezeigt, dass Geschichtsinszenierungen in Star Trek: Voyager nicht nur aktuelle Trends in der Geschichtsdarstellung aufgreifen, sondern auch diskursive Ereignisse wie die vorgestellten Erinnerungskontroversen der 1990er Jahre aus dem öffentlichen Diskurs integrieren und kritisch verhandeln. Der

279 Eine Stichwortsuche im Onlineauftritt (durchgeführt am 18.02.2011) des Geschichtsmagazins American Heritage zu Vietnam ergab eine Fülle von Treffern (351), die vermuten lassen, dass der Vietnamkrieg hier aktiver verhandelt wurde. Unter den ersten 20 Treffern finden sich bspw. Überschriften wie „What Should We Tell our Children About Vietnam?“ (Mai/Juni 1988), „Would JFK Have Pulled Us Out of Vietnam?“ (Sept 1999), „Present at the Apokalypse“ [Flucht aus Da Nang in 1975] (Jul/Aug 1991), „First Blood in Vietnam“ [über die ersten getöteten amerikanischen Soldaten] (Winter 2010), „1965 Twenty-five Years Ago“ (Feb 1990). In weiteren Artikeln wird bei Berichten über den Golfkrieg Vietnam als Vergleichsfolie genutzt, bspw. „A War Against History“ [10. Jahrestag zum Ende des Golfkrieges und Lehren, die sich daraus ziehen lassen] (Feb/Mrz 2001) oder „The Quietest War: We’ve Kept Fallujah, But Have We Lost Our Souls“ (Okt 2006).

176 Fokus wird daher besonders auf Episoden gesetzt, die sich dezidiert mit dem Diskurs der Erinnerung auseinandersetzen. Dabei wird auch gefragt, zu welchen Zwecken Geschichte in der Serie eingesetzt wird: Ist sie vor allem ‚historische Kulisse‘ und spielt dabei mit Stereotypen, oder wird ein historisches Geschehen mit seinen Folgen kritisch reflektiert?

3. „Nazis – The Borg of their Day“: Historische Repräsentationen in Star Trek: Voyager

Kulturelle Massenprodukte haben die Tendenz, vor allem popularisierte Geschichts- und etablierte Vergangenheitsversionen darzustellen. Gerade Hollywood-Filme und US- Fernsehserien, die für den Vertrieb auf dem Weltmarkt konzipiert werden, bedienen sich hierbei international dekodierbarer Sujets: „Simply put: Hollywood, the industry responsible for most popular television and film texts, reaches deep into the collective consciousness of most citizens, and throughout the world.“ (Bernardi 1998, 20) Star Trek, als ein Hollywood Produkt, ist in diesem Sinne keine Ausnahme. Dabei haben die Produzenten der Star Trek-Serien, laut Bernardi, eine Strategie entwickelt, zwei Zeitlinien zu kumulieren: die fiktionale Geschichte des Star Trek-Universums und die für die Zuschauer ‚tatsächliche‘ Geschichte:

[O]ne way Trek links the two universes is by having characters make direct reference to artifacts and events from our shared history. […] Basing the fictional universe in the real universe’s past is fundamental to Trek’s ongoing commitment to a humanist project, making the space-time of home a clear form of didacticism. (Ibid, 98)

In Voyager werden immer wieder reale historische Ereignisse und Persönlichkeiten erwähnt und diskutiert, wie auch fiktionale Geschichte und Persönlichkeiten, die die Gegenwart der Zuschauer – aus Sicht der Serie also die Vergangenheit – fortschreiben. So wird zum Beispiel in der Episode „Threshold“ (2/15) die Geschichte der Luftfahrt um den ersten Flug mit Warpantrieb erweitert, der im Jahre 2063 stattgefunden haben soll. Ähnlich verhält es sich in der Folge „One Small Step“ (6/08) – der Titel assoziiert die berühmten Worte Neil Armstrongs bei der ersten Mondlandung –, in der die Menschheitsgeschichte um die erste bemannte Marsmission im Jahre 2032 erweitert wird. In der oben erwähnten Episode „Friendship One“ (7/21) erhält die Voyager den Auftrag, eine Sonde aus dem Jahr 2067 zu bergen. Diese soll als ein „Stück Geschichte“

177 auf der Erde ausgestellt werden.280 In der letzten Episode der Serie „Endgame“ (7/25, 7/26) ist die Voyager bereits selbst ein Teil der Geschichte geworden. Nach der erfolgreichen Rückkehr der Crew zur Erde wird das Raumschiff im Museum ausgestellt. Somit schreibt sich Star Trek: Voyager mit seiner fiktionalen Welt selbst in die Geschichte ein. Dabei propagiert die Serie ein Fortschrittsmodell von Geschichte, wie es bspw. in der Episode „Blink of an Eye“ (6/12) sehr deutlich wird. Diese lässt die großen Epochen der Menschheitsgeschichte nochmals Revue passieren. Die Voyager wird sozusagen im Zeitraffer Zeuge der gesellschaftlichen Entwicklung auf einem fremden Planeten, die der auf der Erde exakt gleicht: zuerst sieht man eine an die Inka oder Maya angelehnte Kultur, woraufhin die Renaissance folgt, danach industrielle Revolution und ein Raumfahrtzeitalter. Anschließend folgt eine Fortschreibung analog zum fiktionalen Star Trek-Universum – die Entwicklung von Warptechnologie und Antimaterie-Waffen. Von der tatsächlichen Erdenhistorie wird in der Voyager-Serie vieles nur in Anspielungen erwähnt und nicht näher ausgeführt. So enthält z.B. die Episode „Resistance“ (2/12) Reminiszenzen an Widerstandsbewegungen im Zweiten Weltkrieg. In zwei Episoden finden sich Anklänge an die Zeiten des Kalten Krieges: in „Extreme Risk“ (5/03) wird das space race zwischen den USA und der Sowjetunion angedeutet; in „In the Flesh“ (5/04) erklärt Tom Paris, wie in den 1960er Jahren in der Sowjetunion amerikanische Städte nachgebaut wurden, um Spione für das Leben im Westen zu schulen. Speziell Tom Paris ist das Crewmitglied, das mit der Geschichte des 20. Jahr- hunderts vertraut ist, wodurch ihm die Rolle eines Vermittlers zwischen Vergangenheit und Zukunft zukommt. Aber auch die Gegenwart, d.h. die Zeit der Serienproduktion, wird aufgegriffen und als Geschichte rückblickend thematisiert, wie bspw. die Computerrevolution der 1990er Jahre („Future’s End“) und der Millenniumswechsel („11.59“).281 Der Gegenstand des historischen Wissen ist teilweise durch persönliches Interesse der Seriencharaktere bedingt. Wie erwähnt ist Tom Paris ‚Spezialist‘282 für das

280 Vgl. S. 60f. 281 Vgl. Kap. 3.1 unten. Im Science Fiction-Genre gibt es oft derartige Auseinandersetzungen mit Ge- schichte, in denen die Charaktere in die Vergangenheit reisen, die die Produktionszeit der Serie oder des Films repräsentiert. Star Trek selbst hat diese Form der populären Zeitreise in dem Film Star Trek IV: The Voyage Home (1986; Regie: Leonard Nimoy) angewandt. 282 Es ist Teil von Tom Paris’ Charakter, Fan einer vergangenen Zeit und deren kultureller Produkte zu sein. Er erklärt z.B. was „Fort Knox“ ist, als Janeway einen Borg-Schiff damit vergleicht („Dark Frontier“). In „The Killing Game, Part II“ spricht er den ‚Slang‘ des 20. Jahrhunderts und erklärt den anderen, wer die Nazis waren (s.u.). Er verbreitet ‚Artefakte‘ auf dem Schiff, wie z.B. ein Jojo oder eine Art Rubik-Würfel, der in den 80ern beliebt war (beide erwähnt in „Think Tank“ 5/20).

178 Wissen über das 20. Jahrhundert; Janeway kennt sich in der Geschichte Irlands aus, da ihre Vorfahren von dort stammten („Fair Haven“, s.u.). Seven of Nine hat als Ex-Borg immer noch Zugriff auf das Wissen von Millionen von Spezies, kann jedoch aus diesem umfassenden Wissensschatz keine Sinnstiftung für ihre eigene Lebenswelt generieren. In „The Raven“ (4/06) versucht sie, ihre familiären Wurzeln zu ergründen, um die Etablierung einer eigenen Identität, die von den Borg aktiv unterdrückt wird, voran- zubringen. Gerade die Borg versinnbildlichen das ultimative Speichergedächtnis, in dem aktives und passives Wissen bewahrt wird, allerdings als simple Akkumulation. Ebenso ist der Bordcomputer der Voyager ein enormes Speichergedächtnis, das die Geschichte der ganzen Spezies des Alpha-Quadranten und mehr beherbergt. Dieses ‚tote‘ Archiv- Wissen wartet auf Wiederentdeckung oder Reinterpretation. Speziell für die Voyager- Crew wird gezeigt, dass Geschichte wichtige Funktionen für die Gegenwart, für die Einzelnen und die Gemeinschaft erfüllt. Generell setzt sich die Crew im 24. Jahrhundert mit Geschichte in Formen auseinander, wie sie der Serienzuschauer der 1990er Jahre kennt: Sie sind neugierig auf Geschichte, betreiben Ahnenforschung (bspw. zu Janeways Vorfahrin Shannon O’Donnel in „11:59“), ‚spielen‘ Geschichte auf dem Holodeck – als ultimativer Reen- actment-Bühne – nach (bspw. den Zweiten Weltkrieg in „The Killing Game“ vgl. S. 195-197, oder auch das 19. Jahrhundert in Janeways ‚Jane Eyre‘-Holodeck Simulation in „Cathexis“), und Museen werden als Vermittlungsinstanz für Geschichte dargestellt (in „Living Witness“ vgl. S. 205-208). Im Folgenden stehen historische Ereignisse aus der Realität der Zuschauer, die in dieser fiktionalen Welt noch Relevanz haben, im Mittelpunkt. Besondere Beachtung wird dabei der Wertzuschreibung der Ereignisse für die Gesellschaft des ausgehenden 20. Jahrhunderts geschenkt, welche diese durch die Spiegelung in der Zukunft erfahren. Dabei oszilliert der Modus der Darstellung zwischen dem ‚Spiel‘ mit Geschichte, das als Entertainment präsentiert und als Abwechslung zum Episodenablauf auf dem Raumschiff genutzt wird sowie der ernsthaften Auseinandersetzung mit wichtigen geschichtsethischen Fragen.

3.1 Das Spiel mit Fakt und Fiktion in Voyager

Die in diesem Kapitel präsentierten Episoden gehen spielerisch mit Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft um. Zum einen wird die Gegenwart der Serienproduktion thematisiert: Die Episode „11.59“ diskutiert neben dem Thema Ahnenforschung auch

179 den ‚Millennium-Hype‘. In „Future’s End“ wird die Voyager in die ‚Vergangenheit‘ katapultiert, genauer, in das Jahr 1996, welches das Jahr der Produktion dieser Episode ist. Dies bietet somit Anlass, das Leben auf der Erde aus der Sicht der Zeitreisenden humoristisch und ironisch zu kommentieren. Die beiden Episoden betrachten die Gegenwart der Zuschauer in einer fiktionalen Rückschau, d.h. als Vergangenheit der Voyager-Crew. Eine weitere Variante, mit der Vergangenheit in Kontakt zu kommen, wird in der Episode „The 37s“ gezeigt. Auf einem fremden Planeten wird Flugpionierin Amelia Earhart aus einem kryostatischen ‚Dornröschenschlaf‘ erweckt. Ihr tatsächliches, bis heute ungeklärtes Verschwinden im Jahr 1937 wird in der Episode genretypisch ‚erklärt‘: Earhart wurde von Aliens entführt (vgl. S. 186-189). Die Faszination für Geschichte und der Traum einer Zeitreise, um historische Ereignisse aus nächster Nähe mitzuerleben, ist nicht nur ein Wunsch von Historikern. „Einmal eine Predigt von Jesus miterleben, einige Tage an einem mittelalterlichen Hof zubringen oder mit Karl Marx über die historische Rolle des Proletariats debattieren – das ist eine faszinierende Vorstellung“ (Marsiske 1992, 7). Die Voyager-Crew kann sich diesen Traum durch Zeitreisen, aber auch mit Hilfe des verwirklichen. Janeway zum Beispiel kreiert ein Leonardo da Vinci-Programm, um so Zeit mit ihrem Idol verbringen zu können (vgl. S. 189-191). Die tatsächliche Zeitreise der Voyager in „Future’s End“ (3/08, 3/09; Erstaustrahlung 06./13.11.1996) in die Gegenwart der Produktionszeit der Episode, bietet viel Raum für das ‚Spiel‘ mit vergangenen Zeiten. So stellt sich anfangs die Frage, wie die äußere Erscheinung angepasst werden muss, um im Jahr 1996 nicht aufzufallen. Janeway fragt Tom, was vonnöten ist um als local betrachtet zu werden und er antwortet: „That’s simple, nice clothes, fast car and lots of money.“ (8:28) Wie bei einem Reenactment kostümiert sich das Team der Außenmission mit zeitgenössischer Kleidung der 1990er Jahre. Chakotay trägt einen Sommeranzug, Janeway einen Hosenanzug, wie sie für die 90er Jahre typisch waren, Tuvok ist wie ein Hip-Hop- Musiker in Jogging-Anzug und Durag, einer Art Kopftuch gekleidet, und Tom trägt Jeans und ein bedrucktes Hemd. Auf der Erde, genauer dem jahrmarktähnlichen Venice Beach in angekommen ist Chakotays erster Kommentar: „We could’ve worn our Starfleet uniforms“, dem Tuvok zustimmt: „I doubt that anyone would have noticed.“ (8:58) Der Punk-Look eines vorbeilaufendes Paares wird von Chakotay, mit den Worten „interesting species“ (10:08) humoristisch kommentiert.

180 Auch die fiktionale Zeitlinie des Star Trek-Universums wird fortgeschrieben, denn man erfährt, dass ein verheerendes Erdbeben im Jahr 2047 Venice Beach zerstören wird. Zudem wird die Voyager in dieser Episode Teil der UFO-Hysterie. Sie empfangen eine Willkommens-Nachricht in verschiedenen Sprachen, u.a. Englisch, Spanisch und Russisch. Aus diesem Grund werden Neelix und Kes beordert, die Fernsehsender zu kontrollieren, ob dort Nachrichten über eine UFO-Sichtung gesendet werden. Allerdings entdecken die beiden dabei ein für sie ‚neues‘ und faszinierendes Programm:

Neelix: [W]e’ve come across some very intriguing televised broadcasts. Take a look at this. It’s a form of entertainment called a soap opera. The exploration of human relationships is fascinating. Harry: I can’t imagine just watching the story and not being a part of it. Kes: That’s because you’ve been spoiled by the holodeck. There is something to be said for non-interactive stories like this, being swept away in the narrative. Neelix: Oh, I can’t wait to see if Blaine’s twin-brother is the father of Jessica’s baby. (30:49)

Hier wird das ‚Spiel‘ mit der Gegenwart der Zuschauer sehr deutlich. In den 1990er Jahren waren die klassischen TV-Seifenopern hohe Quotengaranten. Im 24. Jahrhundert hingegen hat das ‚altmodische‘ Medium Fernsehen ausgedient, vor allem aufgrund der Attraktivität der interaktiven Medien, allen voran dem Holodeck. Dennoch ‚erliegen‘ Kes und Neelix dem Reiz der Erzählweise der Seifenoper und messen ihr sogar eine realistische Darstellung zwischenmenschlicher Beziehungen bei. Hier kommentiert Star Trek seine ‚Verwandschaft‘ zum populären Fernsehgenre der Seifenoper.283 Der Hauptstrang der Geschichte dreht sich jedoch um die vom Schurken und Mad Scientist Starling gestohlene Technologie, über den in der Episode die Com- puterrevolution der 1990er Jahre thematisiert wird – die aus Sicht der Serienfiguren natürlich antiquiert erscheint: Beim Versuch, Starlings Computer zu hacken, zeigt sich, als Janeway ein Passwort eingeben muss, dass sie nie gelernt hat, eine Tastatur zu benutzen: „turn-of-the-millennium technology wasn’t a required course at the academy. This is like stone knives and bearskins.“ (32:56) Chakotay kommentiert die Computer- icons für die verschiedenen Programme: „Looks like a series of pictographs. They must have used symbols to represent the different functions of the computer.“ (33:25) Das Narrativ der Serie erklärt die Computerrevolution in den 1990er Jahren damit, dass

283 Zur sogenannten space opera vgl. bspw. Erickson (2005, 179-183), Pringle (2000), Sawyer (2009) sowie Westfahl (2003). Jenkins verweißt auf die intendierte Verbindung von Star Trek und der space opera: „Roddenberry specifically cites space opera as one of the science fiction traditions which Star Trek can evoke“ (1995, 182).

181 Starling Material aus der Zukunft, einem gestrandeten Raumschiff des 29. Jahrhunderts, genutzt hat. Seit 1969 hat Starling stetig Elemente auf den Markt gebracht, die er aus dem Zeitschiff gestohlen hatte. Chakotay bemerkt: „And every few years there’s been an equally revolutionary advance in computers, all from Chronowerx Industries, all based on Starling’s crude understanding of 29th century technology.“ Daraufhin schlussfolgert Janeway: „The computer age of the late 20th century ...“ – Chakotay beendet den Satz: „… shouldn’t have happened.“ (35:44) Der ‚Stolz‘ der Gesellschaft des späten 20. Jahrhunderts auf ihre Errungenschaften wird hier ironisch kommentiert. Die Episode „11:59“ (5/23; Erstausstrahlung 05.05.1999) ist für den Zuschauer interessant, da sie mit dem bevorstehenden Millenniumswechsel die Gegenwart der Erstausstrahlung der Episode thematisiert. Der Hype um ‚Y2K‘ und die Diskussion, ob das neue Millennium im Jahr 2000 oder 2001 beginnt, wird in der Folge explizit von Janeways Vorfahrin Shannon O’Donnel angesprochen:

Last year, when 2000 arrived, everyone was convinced it was the dawn of a new era. But when the world didn’t end and the flying saucers didn’t land and the Y2K-bug didn’t turn on a single lightbulb, you’d think everybody would have realised it was a number on the calender. But oh no, they had to listen to all those hucksters who told them the real millennium was 2001. So this year’s New Year’s Eve will be as boring as last year. (11:51)

Der Millenniumswechsel war, wie im vorangegangen Teil III erwähnt, Anlass für diverse Bestandsaufnahmen. Das Magazin National Geographic etwa widmete dem neuen Jahrtausend eine spezielle Artikelreihe zu den Themen, die in Zukunft vermeintlich eine große Rolle spielen würden. Diese Reihe begann mit der Januar- Ausgabe 1998 und beinhaltet die Themengebiete: Forschung/Entdeckung, die Erde, Bevölkerung, Artenvielfalt, Globale Kultur, Wissenschaft, Geographie und wurde mit einer Foto-Serie „Celebrations of Earth“ in der Januar-Ausgabe 2000 abgeschlossen. Bereits in der Einleitung dieser Reihe im Januar 1998 machte sich der „Millennium Hype“ bemerkbar:.

[M]illennium mania, which already includes millennium websites, a Millennium TV series, a „Millennia‟ car, and a „Millennia‟ perfume. Kiribati, a nation of islands in the South Pacific, has moved the International Date Line and will claim the first dawn of the year 2000. Walt Disney World Resorts and Seattle’s Space Needle are sold out for New Year’s Eve 1999. (Swerdlow 1998, 2)

In London wurde der Millennium Dome 1999 fertiggestellt und am 1. Januar 2000 eröffnete die darin enthaltene Ausstellung. Der Millennium Dome könnte eine Inspi- ration für die Idee zum Millennium Gate der Episode (s.u.) sein. Dies wird allerdings

182 nicht explizit gemacht. Die Bedeutung des fiktionalen Millennium Gates wird eher mit der der Chinesischen Mauer gleichgesetzt, als Errungenschaft der Ingenieurskunst. Der Fokus der Episode liegt allerdings auf Janeways Suche nach Shannon O’Donnel, ihrer Vorfahrin, „[t]he first of a long line of Janeway explorers“ (01:45). Auslöser für Janeways Ahnenforschung ist Neelix, der mit Tom Paris ein cross-cultural trivia spielt, dafür die Sieben Weltwunder lernt und vor Janeway über die Chinesische Mauer referiert, woraufhin diese ihn über das Millennium Gate befragt, an dessen Bau ihre Vorfahrin Shannon angeblich beteiligt war. Hier greift wieder die fiktionale Zeitlinie des Star Trek-Universums, denn ein Millennium Gate wurde in den USA nicht gebaut. In der Realität der Episode kann dieses Millennium Gate aus dem Weltall mit bloßem Auge gesehen werden. Das ‚Gate‘ ist eine kleine Stadt mit experimenteller Biosphäre, d.h. ein in sich geschlossenes, selbst-regulierendes System. Janeway erzählt, wie in ihrer Familie stets über Shannon gesprochen wurde: „Shannon O’Donnel, one of the first woman astronauts. She was the driving force behind the project. […] We were always told stories about her at family gatherings.“ (01:35) Sie sei damals vom Gouverneur des Staates Indiana als Expertin eingeladen worden und wurde, laut Janeways Tante Martha, mit einem Privatjet eingeflogen. Nach dieser Äußerung wird in der Folge in die Vergangenheit geschnitten. Ein bereits im Jahr 2000 altmodischer Kassettenrecorder wird angeschaltet, die Kamera zieht auf und zeigt eine Szene im Auto. Der Kassettenrecorder wird besprochen wie ein Tagebuch – ähnlich dem Logbuch, das Janeway auf der Voyager führt –, das Datum gibt den Hinweis, dass man nun in der Vergangenheit bzw. der unmittelbaren Zukunft der Zuschauer ist: „5am, December 27th, 2000. I’m in the great state of Indiana, I think.“ (02:18) Dies ist Shannon O’Donnel, die offensichtlich nicht mit einem Privatjet nach Indiana reist, sondern in einem alten Auto, das auch kurz darauf eine dringende Reparatur benötigt, für die Shannon jedoch kein Geld aufbringen kann, da sie ihre Arbeit verloren hat. Dargestellt wird Shannon von Kate Mulgrew, die auch Captain Janeway spielt. Die Schreibung der Janeway Familiengeschichte wird somit verstärkt, aber auch die Schreibung der Geschichte von Frauen in der Luftfahrt. Auch wenn, wie sich später herausstellt, Shannon nicht eine der ersten weiblichen Astronauten war, reiht sich Janeway dennoch als eine der ersten weiblichen Sternenflotten-Captains in diese Emanzipationsgeschichte der Raumfahrt ein. Hier wird schnell deutlich, dass die in der Familie weitergetragene Geschichte über Shannon über die Jahrhunderte verfälscht wurde. Dass die Daten von vor über 300

183 Jahren kaum oder nur fragmentarisch vorhanden sind, frustriert Janeway: „I’ve been digging through the historical database. But a lot of the information from that era’s been lost or damaged.“ (17:06) Dies ist zugleich ein Kommentar über das Problem von Datenspeichern, selbst ein sehr effizientes Speichergedächtnis wie der Bordcomputer kann nur vollständige und gut erhaltene Daten bewahren. Aus dem Speichergedächtnis gelöschte Daten sind irreversibel verloren. Janeway bittet daher Seven um Hilfe, die den Nutzen eines Wissens über Familiengeschichte bzw. Generationengeschichte jedoch in Frage stellt:

Seven: This ancestor of yours is 15 generations removed. You only possess a small fraction of her genetic material. Insignificant! Janeway: This isn’t about chromosomes, Seven. It’s about character. Seven: Explain. Janeway: Shannon O’Donnel inspired me when I was a girl. She had an influence on my imagination, on my goals. Seven: I never realised genealogy could have such an impact. Janeway: I wouldn’t have become a starfleet captain if it wasn’t for her. (17:21)

Aber auch Seven und Neelix werden auf ihrer Suche nach Shannon nur über Umwege fündig.284 In einer Datenbank der finden sie ein Foto von Shannon mit ihren Kindern und Enkelkindern. Die Ferengi haben offensichtlich ein paar Jahre zuvor bereits erkannt, dass Profit mit der Vermarktung von Vergangenheit erzielt werden kann.

Neelix: Eleven years ago one of their historians collected massive amounts of data about the origin of space travel in the Federation. They wanted to market it as a nostalgic gift item. Janeway: I would’ve been their first customer. (20:06)

Hier wird bereits humoristisch auf das Geschäft mit Geschichte eingegangen. Die Ferengi sind im Star Trek-Universum als Spezies bekannt, deren Leben auf die Erwirt- schaftung von Profit ausgerichtet ist. Die Ferengi haben also, ähnlich wie die (Kultur-) Industrie am Ende des 20. Jahrhunderts, erkannt: history sells (vgl. S. 150). Der wahre Grund jedoch, weshalb über Shannon O’Donnel keine Daten vorliegen, ist, wie der Zuschauer bereits weiß, dass sie nicht diejenige war, zu der die Familienmythologie sie gemacht hat. Tom Paris, der mit allen Marsprojekten seit den 1970ern Jahren vertraut ist, hat noch nie von ihr gehört, woraufhin Janeway erneut in

284 Nebenher recherchiert Seven auch eigene Vorfahren und stößt dabei auf Sven ‚Buttercup‘ Hansen, einen Preisboxer aus dem 22. Jahrhundert, und fühlt sich dadurch bestätigt, dass eine solche entfernte Verwandtschaft irrelevant ist.

184 verschiedenen Archiven forscht. Dabei kommt sie zur Erkenntnis, dass jede Geschichts- schreibung gefärbt ist von der Kultur und Zeit, in der sie entstanden ist. Sie reflektiert, wie die Voyager-Crew später aufgrund unvollständiger Daten repräsentiert werden könnte:

Janeway: [T]he holographic engineer is having problems with her program. Neelix, the cook, is low on supplies. Seven of Twelve is regenerating and Captain Chakotay is doing just fine. Just wondering how they will piece together our lives a few hundred years from now. Chakotay: It depends on how big the pieces are. Janeway: A PADD here, a captain’s log there, maybe a couple of holodeck programs. It won’t be as much to go on as we might think. (31:09)

Ihre Erkenntnis, dass Shannons Leben nicht der Familiengeschichte entspricht, enttäuscht Janeway: „She married him [Henry Janeway] and changed her name. But she certainly never changed history.“ (32:47) In einem ironischen Kommentar fragt sie sich, wie sie die Wahrheit über Shannon ihrer Tante Martha beibringen soll. Janeway fühlt sich ihrer Identität und eines Vorbildes beraubt und stellt ihren Lebensweg in Frage. Neelix ruft dagegen einen Feiertag aus, Ancestor’s Eve, und die Offiziersriege feiert diesen Tag in der Messe. Als Geschenk haben sie für Janeway das Foto von Shannon mit ihrer Familie gerahmt. Sie möchte es allerdings nicht annehmen, da die Vorfahrin auf dem Foto nicht mehr von Bedeutung für sie sei. Ihre Offiziere sind anderer Meinung und betonen, dass die Vergangenheit trotz ihres Mangels an Faktizität für Janeway Relevanz und eine Funktion hatte:

Seven: Her life captured your imagination. Historical details are irrelevant. Tuvok: I concur with that analysis. Chakotay: If it weren’t for Shannon O’Donnel you never would have joined starfleet. Janeway: Yeah and I never would have got you all stuck here in the Delta Quadrant. B’Elanna: It gave us all time to get to know each other. (42:17)

Die Episode endet damit, dass die Stammcharaktere der Serie ein eigenes ‚Familien‘- Foto machen und somit ein weiteres Memento ihrer Reise und ihres Lebens erschaffen. Auffällig in dieser Episode ist, wie Janeway sich nicht nur innerhalb der Familien- geschichte in eine historische Linie einordnet, mit Shannon O’Donnel als Ahnin, die das ‚Entdecker‘-Gen eingebracht hat, sondern auch in die Geschichte über Frauen in der Luftfahrt. Somit bedeutet die Entdeckung, dass Shannon keine Astronautin war, einen Verlust in der historischen Linie, in der Janeway sich stets eingeordnet hatte. Die

185 Grundlage für ihre Identität und somit auch die von ihr getroffenen Entscheidungen sind dadurch erschüttert. Wie die Crew allerdings verdeutlicht, sind historische Fakten ‚irrelevant‘ – Geschichte sollte das Leben inspirieren und nicht determinieren. Die Einordnung von Janeway in die weibliche Luftfahrtgeschichte wird auch in der Amelia Earhart-Episode vorgenommen. Historische Persönlichkeiten wie die Flugpionierin Earhart werden in Star Trek: Voyager oft im Zusammenhang mit ihrer Vorbildfunktion präsentiert, wobei auch hier die Strategie verfolgt wird, eine für den Zuschauer faktuale Geschiche mit der fiktionalen Geschichte der Star Trek-Welt zu vermischen.285 Die historischen Personen, denen jeweils eine Folge gewidmet wird, sind – passend für eine Serie über Raumschiffe – Pioniere des Flugwesens und damit auch der Raumfahrt, nämlich die bereits erwähnten Amelia Earhart und Leonardo da Vinci,286 die zudem dezidiert als Vorbilder für Captain Janeway ausgewiesen werden. Im Jahr 1997 wäre Amelia Earhart 100 Jahre alt geworden. Dies nahm das National Geographic zum Anlass, im Januar 1998 eine längeren Artikel über sie zu veröffentlichen. Die Autorin des Artikels, Virginia Morell, stilisiert Earhart darin als moderne Heldin der Lüfte und Vorreiterin der Emanzipationsbewegung. Im Jahr 1937 versuchte Amelia Earhart zusammen mit dem Navigator Fred Noonan die Welt entlang des Äquators zu umfliegen. Sie wurde 1939 für tot erklärt, nachdem extensive Suchaktionen nach ihrem Verschwinden am 2. Juli 1937 erfolglos blieben – damit war ein Mythos geschaffen: „Flying made her famous. Disappearing made her legendary.“ (Morell 1998, 112) Susan Butler vermutet, dass gerade in dem plötzlichen und mysteriösen Tod ein Grund liegt, warum Amelia Earhart immer noch verehrt wird: „Earhart remains an icon, revered by young women, remembered by many for her signal accomplishments, remembered by

285 So werden z.B. berühmte Ärzte oder Wissenschaftler als Namenspaten für den holographischen Doktor genannt, wie Albert Schweizer, Louis Pasteur und Robert Jarvik (Erfinder des künstlichen Herzens), aber auch ein Wissenschaftler aus dem Star Trek-Universum, nämlich Pyong Ko, der im 21. Jahrhundert mittels genetischer Manipulation eine Heilung für Krebs gefunden hat (erwähnt in „Fury“, 6/23). In der Episode „Darkling“ sind auf dem Holodeck Gandhi und Lord Byron zu sehen, der Doktor trifft sich hier mit bedeutenden Personen, um seine Persönlichkeits-Subroutine zu verbessern. Gandhi wird aufgrund seines bekannten Äußeren direkt vom Zuschauer erkannt werden; Lord Byron hingegen wird explizit namentlich genannt, da man anhand der Kleidung nur erahnen kann, dass es sich um eine Person aus dem frühen 19. Jahrhundert handeln muss. In der Episode „Death Wish“ (2/18) erscheinen Isaac Newton und Maury Ginsberg, der Organisator des Woodstock- Festivals, als Zeugen in einem Prozess. In der Episode „Nightingale“ (7/08) wird auf die berühmte ‚Lady with the Lamp‘ angespielt. Verweise dieser Art sind sporadisch, dienen allerdings einem Brückenschlag zwischen dem historischen Wissen der Gegenwart der Zuschauer und dem der dargestellten Zukunft. 286 Auch die Episode „One Small Step“ (6/8) diskutiert die Stellung von Flugpionieren als Vorbilder, in diesem Fall der fiktive Lt. John Kelly, Kommandant der ersten bemannten Marsmission. In „Threshold“ (2/15) wird angedeutet, dass Tom Paris selbst unter die Riege der Flugpioniere gezählt werden kann, da er den ersten Flug mit der Geschwindigkeit Warp 10 unternimmt.

186 all because of her dramatic end.“ (2007, 31) Earhart war in den 1930er Jahren sehr prominent, besonders nach ihrem Alleinflug über den Atlantik im Jahr 1932 wurde sie fulminant als „Lady Lindy“ gefeiert:287

Earhart was feted again in Europe and America for her bravery. In England she dined with George V and, because she never drank, toasted him with buttermilk. New York showered her with another ticker-tape parade, and in Washington, D.C., the House of Representatives and Senate awarded her the Distinguished Flying Cross, making her the first woman to receive it. (Morell 1998, 130)

Sie war zudem eine Werbe-Ikone und wurde wie ein Hollywood-Star verehrt (vgl. Ware 2007, 38f und 41).288 Susan Ware hält ihre Popularität in den USA heute allerdings für noch größer als zu Lebzeiten: „Ironically, this popular heroine who worked so hard at that role in the 1930s now effortlessly generates reams and reams of publicity more than seventy years after her death.“ (Ibid., 48) Des Weiteren setzte sich Earhart für die Emanzipation ein: „Earhart used her fame to promote air travel and equal opportunities for women aloft.“ (Morell 1998, 112) Somit wurde sie zum Vorbild für viele Frauen, besonders in den USA: „Very few American women then sought careers in such male- dominated professions, and Earhart’s success opened a window on a world that had been all but forbidden.“ (Ibid., 119) Die Purdue University hatte sie 1935 sogar als women’s career counselor angestellt (vgl. „Earhart Purdue“). Vor allem Verschwörungstheorien mystifizierten Earharts Verschwinden und hielten es dadurch präsent. Eine dieser Theorien war die Gefangennahme von Earhart und ihrem Navigator von Japanern (vgl. Butler 2007, 31). Auch Morell sieht die Mystifizierung des Verschwindens als Grund für Earharts andauernde Bekanntheit, führt jedoch zusätzlich an, dass sie vor allem eine ‚skandalfreie‘ Heldin war: „[M]uch of her durability as a legend comes from the fact that Earhart is one of the few American heroes whose reputation has remained virtually untarnished.“ (1998, 116) Populäre Mystery-TV-Serien beschäftigten sich in den 1990er Jahren mit Amelia Earhart ebenso

287 Eine Anspielung auf Charles Lindbergh, der 1927 als erster alleine den Atlantik von New York nach Paris überflog. 288 Auch heute wird noch mit ihrem Bild geworben: es gab eine Kampagne der Bekleidungsfirma Gap mit dem Slogan: „Amelia Earhart wore khakis“, und auch von Apple Inc. mit dem Slogan: „Think different“. Bilder der Kampagnen finden sich in dem Begleitband von Lubben/Barnett zur Ausstellung „Amelia Earhart: Image and Icon“ (11. Mai – 9. September 2007 in New York City) (vgl. 2007, 146f; vgl. dazu auch Ware 2007, 38f).

187 wie TV-Dokumentationen, z. B. The Mysteries of Amelia Earhart (1998, Regie: Robert Beemer).289 Ihr letzter Flug und ihr Leben sind mehrfach verfilmt worden.290 In Voyager erscheint Amelia Earhart in der Episode „The 37s“ (2/01; Erstausstrahlung 28.08.1995), hier werden Amelia Earhart und Fred Noonan auf einem fremden Planeten von der Voyager-Crew gefunden. Außer ihnen befinden sich noch sechs weitere Menschen aus der Vergangenheit der Erde – speziell dem Jahr 1937 – in Kryostase, d.h. sie wurden lebend eingefroren. Die Hervorhebung von Earhart und Noonan in der Episode wird dadurch verstärkt, dass die anderen ‚37er‘ für den Zuschauer anonym bleiben, d.h. keine identifizierbaren historischen Persönlichkeiten sind (auch wenn sie als Typen die Epoche repräsentieren). Bezeichnenderweise ist es Janeway, die Amelia Earhart identifizieren kann, und sie erklärt den anderen Crewmit- gliedern ihre Bedeutung:

She was one of the first female pilot’s in Earth history. In the mid-twentieth century she became quite famous for flying across the Atlantic ocean. In 1937 she attempted to fly around the world. According to the records of the time on July 2, 1937 Earhart and her navigator, Fred Noonan, took off from New Guinea and they were headed East around the equator. But somewhere in the South seas they vanished. And their disappearance became one of the most celebrated mysteries of the twentieth century. (13:58)

Auch die Theorien über den Hergang des Verschwindens werden von Janeway erläutert. Die Episode spricht u.a. den Mythos an, dass Amelia Earhart vor ihrem Verschwinden auf Spionagemission im Pazifik unterwegs gewesen sei und die US-Regierung ihren Flug finanziert habe. Als Janeway dies gegenüber Earhart erwähnt, ist deren Reaktion: „No one was supposed to know about that.“ (25:10)291 Tom will wissen, warum man nicht davon ausging, dass sie einfach abgestürzt sei. Janeway erklärt:

That was the most commonly held theory. However, numerous searches of the area failed to produce the wreckage of an aircraft. So people began to speculate. Some thought she’d been shot down and captured by the Japanese navy. Others thought that she and Noonan had flown off together on some sort of Romantic adventure. Of course, the most ridiculed notion was that she had been abducted by aliens. (14:29)

289 Unter anderem die Reihen Unsolved Mystries mit der Episode „Amelia Earhart“ (St. 3/ Ep. 8, 07.11.1990) und The American Experience mit der Episode „Amelia Earhart: The Price of Courage“ (Erstaustrahlung 27.10.1993, Regie: Nancy Porter). Weitere Sendereihen in denen Amelia Earhart diskutiert wurde sind In Search of … im Jahr 1977 (Moderator: Leonard Nimoy) und The Robert MacNeil Report im Jahr 1997 (28.05.1997). 290 Bspw. 1994 in Amelia Earhart: The Final Flight (Regie: Yves Simoneau; mit Diane Keaton in der Hauptrolle) sowie im 2009 erschienen Film Amelia (Regie: Mira Nair, mit Hilary Swank als Earhart). 291 Earharts angebliche Spionagetätigkeit diskutiert z.B. Carol Linn Dow, die verneint, dass Earhart eine Spionin war (vgl. 2009, 6f). Randall Brink hingegen kommt zu dem Schluss, dass sie eine Spionin war, da es eine Verschlussakte über die Vertuschung von Earharts Spionagemission gäbe (vgl. Mit- gang 1994, n.pag.). Die Internetseite der Stiftung Pacific Wrecks listet ebenfalls den Spionagemythos (vgl. „Amelia Earhart Myths“).

188 Gerade diesen letzten Satz spricht sie mit einem ungläubigen Lächeln angesichts ihrer Entdeckung auf dem Planten aus. Daraufhin rät sie ihrer Crew, sich mit der damaligen Zeit vertraut zu machen: „We’re about to meet a bit of our history.“ (16:13) Earharts Erwachen aus der Kryostase wird in einer Nahaufnahme gezeigt. Bei einem ersten Blick auf ihre Umgebung hat sie direkten Augenkontakt mit Janeway, die sofort auf sie zugeht. Hier wird bereits eine Verbindung der beiden Frauen suggeriert: die Flugpionierin und Janeway als ihre ‚Erbin‘. Janeway betont den Vorbildcharakter von Earhart für viele Frauen, und welche Inspiration sie für Janeway selbst war. Als die 37er hören, wo und in welcher Zeit sie sich befinden, herrscht Unglaube. Fred Noonan verlangt, dass Chakotay sofort Washington kontaktiert, da er persönlich mit J. Edgar Hoover, dem damaligen Leiter des FBI, sprechen will. Und auch Amelia Earhart kann sich nicht vorstellen, dass es möglich ist, durch das Weltall zu fliegen: „That isn’t possible. Only in books, H.G. Wells, Jules Verne.“ (23:52) Als sie später auf der Voyager ist, wird sofort ihre Abenteuerlust und Leidenschaft für das Fliegen geweckt, und sie fragt Tom Paris: „Think I could take her out for a spin?“ (33:08) Die Darstellung Earharts entspricht größtenteils dem Bild, das heute in der Öffentlichkeit, im Funktions- gedächtnis der USA, vorherrscht. Sie wird als neugierig, clever und abenteuerlustig dargestellt. Ebenso erscheint ihr Äußeres, wie man sie von vielen Bildern kennt: sie trägt eine Lederjacke und Khakis und hat einen Kurzhaarschnitt. Außerdem bestätigt und spielt die Episode zugleich mit den Spekulationen über ihr Verschwinden. Der Erklärungsvorschlag der Serie stellt sich damit in die Tradition von populären Ver- schwörungstheorien in den USA. Der Mythos um die Person ‚Amelia Earhart‘ wird in der Voyager-Folge gestützt und weiter tradiert, er wird aber auch für eine Aussage zur Bedeutung von Frauen in der Geschichte genutzt. Mythen ranken sich auch um den Wissenschaftler und Erfinder Leonardo da Vinci (1452-1519). Für die Raumfahrt ist Leonardo da Vinci ein Pionier der ersten Stunde, da er als erster eine Flugmaschine erdachte und mit dieser angeblich auch einen Flugversuch unternommen haben soll.292 So findet sich bei der NASA bspw. „Der

292 Auf der Webseite des Discovery Channel unter der Kategorie „Pioneers of Flight“ wird auch Leonardo da Vinci gelistet (vgl. „Flugpioniere“). Eine weitere Webseite, die da Vincis Schaffen gewidmet ist, zeigt alle seine Skizzen für Flugobjekte (vgl. „Leonardo-Flugskizzen“). Es ist bekannt, dass das Geheimnis des Fluges eine besondere Obsession in da Vincis wissenschaftlichem Wirken darstellte. Er studierte minutiös Vögel und Insekten aber auch Waffenprojektile (vgl. Atalay 2004, 194-196), angetrieben von dem Gedanken, „if birds could fly, then with some help so could humans“ (ibid., 200).

189 vitruvianische Mann“ auf Missions-Insignien von Skylab 3 und STS-40.293 Eine Vermischung von Fakten und Mythen um den berühmten Künstler der Renaissance wird in der Episode „“ (s.u.) präsentiert. Leonardo da Vinci eignet sich somit aus mehreren Gründen auch als Charakter in einer Science Fiction-Serie. Zum einen, weil er als bedeutender Erfinder und Wissenschaftler anerkannt und zum anderen, weil er dem breiten Massenpublikum bekannt ist. Die Holodeckdarstellung des Ateliers des italienischen Genies in Voyager kann als eine Hommage an den Künstler und Wissenschaftler interpretiert werden.294 Vo r allem Janeway wird als glühende Verehrerin des ‚Maestro‘ dargestellt. Sie erwähnt, dass sie in ihrer Jugend selbst versucht hat, seine Modelle nachzubauen (vgl. „The Raven“). Da Vincis bekanntes Selbstbildnis in Rötelzeichnung (ca. 1510-1515) hängt in Janeways Bereitschaftszimmer und ist in mehreren Folgen u.a. in „Virtuoso“ (6/12), „The Haunting of Deck Twelve“ (6/25) und „Unimatrix Zero“ (6/26) deutlich zu sehen. Eingeführt wird die Figur des Leonardo da Vinci in der Folge „Scorpion, Part I“ (3/26; Erstausstrahlung 21.05.1997). Direkt nach dem Vorspann sieht man eine Kamerafahrt über einen Tisch, der bedeckt ist mit Artefakten, die sich durchaus im Atelier des echten Leonardo da Vincis hätten befinden können. Zu sehen sind u.a. das Drahtgestell eines Vogels, Schriftrollen, das Modell einer Hand, anatomische Zeichnungen sowie eine Skizze seines wohl berühmtesten Bildes, der Mona Lisa. Bereits während dieser Kamerafahrt erscheint eine Einblendung mit der Information, dass der Gaststar John Rhys-Davies Leonardo da Vinci spielt. Auch hört man während dieser Kamerafahrt eine Männerstimme mit italienischen Akzent, die über das Patronage-System lamentiert. Sobald Leonardos Gesicht zu sehen ist, sagt er „I, the divine Leonardo da Vinci“ (02:34). Das Atelier ist bestückt mit zahlreichen Gemälden, die aus der gesamten Schaffenszeit des Künstlers stammen. Es wurde also kein bestimmter Zeitpunkt aus dem Leben des Leonardo gewählt, sondern der Künstler wird mit seinem Gesamtwerk in die Voyager-Welt eingebettet. Von besonderer Bedeutung für Star Trek sind jedoch da Vincis Pionierleistungen auf dem Gebiet des Fliegens. Einen Hinweis darauf geben u.a. zwei Requisiten: ein

293 Die Mission Skylab 3 startete am 28. Juli 1973 und wurde genutzt, um Reparaturen an der Skylab Space Station und auch Experimente durchzuführen (vgl. „Skylab 3“). Die Mission STS-40 mit dem Raumschiff Columbia startete am 5. Juni 1991 und führte biowissenschaftliche Experimente im All durch (vgl. „STS-40“). 294 Das holografisch rekonstruierte Atelier wird in den Episoden „The Raven“ (4/6), „Scientific Method“ (4/7) und „The Omega Directive“ (4/21) als Raum genutzt, bspw. für künstlerische Freizeitaktivitäten von Janeway.

190 einzelner, an die Wand gelehnter Flügel und ein kleines, an der Decke hängendes Flugmodell, die bei jeder Szene im Atelier deutlich zu sehen sind. Die Folge „Concerning Flight“ (4/11; Erstausstrahlung 26.11.1997) thematisiert zudem einem Flugversuch da Vincis. In der Eingangssequenz der Episode erscheinen Janeway und da Vinci durchnässt im Atelier, und man hört im Hintergrund eine Menschenmenge lachen. Der Zuschauer erfährt, dass die beiden einen missglückten Flugversuch über den Arno unternommen haben. Diese ‚Niederlage‘ wird am Ende der Episode – Janeway und da Vinci müssen vor Angreifern flüchten – dank eines veränderten Flugmodells, das mit ‚futuristischen‘ Materialien ähnlich der zeitgenössischen Sportdrachenflieger in die Lüfte schwebt in einen Erfolg verwandelt. Der in der Folge „Concerning Flight“ unternommene Flugversuch wird von den meisten Biografen nicht bestätigt, aber es wird spekuliert, dass da Vinci im Jahre 1496 einen Flugversuch unternommen hat.295 Diese Aktion hätte sich somit im Jahr 1996 (sprich der Produktionszeit der Episode) zum 500. Male gejährt. Die Darstellung da Vincis in der Episode bleibt allerdings gegenüber der Darstellung von Earhart eher eindimensional; seine Rolle in der Episode ist vor allem die eines humoristischen Partners für Janeway. Er ist der schrullige, liebenswert-verrückte Wissenschaftler, der sich in eine Welt versetzt sieht, die selbst er sich mit seinem Intellekt nicht vorstellen konnte. Er wird gleichzeitig aber als großes Genie weiter verehrt – als Mann, der in der Renaissance dazu beigetragen hat, eine Modernisierung einzuleiten, die die Voyager-Serie insgesamt als großes Narrativ der Menschheitsgeschichte darstellt. Wie im Fall der da Vinci-Folgen ist die futuristische Technologie der Holopro- jektion für die Geschichtskultur der Voyager von besondere Bedeutung, denn sie ermöglicht die perfekte Simulation historischer Lebenswelten. Die Voyager-Crew kann hier Geschichte mitspielen, und zwar mit einem Authentizitätseffekt, der die Möglich- keiten der Zuschauer für das Spielen und ‚Erleben‘ von Geschichte (in Reenactment oder Living History) wesentlich übersteigt. Damit greift die Voyager-Serie auch die Tendenz zur ‚Unterhaltung‘ durch Geschichte und Geschichte als ‚Freizeitangebot‘ am Ende des 20. Jahrhunderts auf.

295 Auf populären Internetseiten findet sich die Bemerkung, dass in seinen Notizbüchern ein solcher Flugversuch erwähnt wird (vgl. „1496“ und „Leonardo-Flug“). Der Biograf Charles Nicholl spekuliert, dass Leonardo auf jeden Fall Pläne für einen Flugversuch hatte, allerdings im Jahre 1505 (2006, 498f).

191 3.2 Geschichte als Szenerie in Voyager

Eine Episode, die eine historische Zeit dezidiert als Unterhaltungsszenario einsetzt ist „Fair Haven“ (6/11; Erstausstrahlung 12.01.2000). Es handelt sich hier um die nostalgische Nachbildung eines stereotypen irischen Dorfes aus dem 19. Jahrhundert auf dem Holodeck – einem pittoresken Szenario für den ‚Geschichtstouristen‘. Die Eingangssequenz der Episode beginnt mit einer Bahnhofsszene: eine Dampflok gibt Signal und Koffer werden abgestellt. Danach zieht die Kamera auf und zeigt u.a. ein Schild mit englisch und irischer Aufschrift „Fair Haven / Cuan Soineanta / Welcome Weary Traveller / Fáilte a Thaistealaí Thuirseach“. Mit der Einblendung des Ortschildes wird als Hintergrundmusik eine irische Weise eingespielt. Es folgt ein Schnitt zu einer Dorfszene: eine kleine Straße mit Kopfsteinpflaster und irisch anmutenden Häusern, im Hintergrund ist ein hoher, grüner Berg zu sehen und Schafe in den Straßen, die Dorfbewohner sprechen mit irischem Akzent. Der Doktor hat in diesem Szenario die Rolle des Gemeindepfarrers übernommen und fordert Tom und Harry auf, am Sonntag zur Messe zu kommen. Tom: „He’s kidding, right?“ / Harry: „You wanted authenticity.“ (02:40). Auch Janeway ist begeistert von der ‚Wirklichkeitstreue‘ von Toms Programm: „You have outdone yourself this time. Everything is authentic except for one tiny detail. The harp on the [pub] sign, it’s backwards.“ (06:01) Janeway, vom Doktor explizit als Kennerin der irischen Geschichte ausgewiesen, macht sich auf dem Holodeck per Simulation mit der Lebenswelt ihrer irischen Vorfahren bekannt und knüpft damit auch an die irischen Wurzeln vieler US-amerikanischer Zuschauer an.296 Sie wird vom Wirt des Pubs, Michael Sullivan, auf gälisch begrüßt: „Ceád mile fáilte! […] One hundred thousand welcomes. It’s an old Irish saying.“ (09:51) Daraufhin erinnert sich Janeway an ein Sprichwort ihrer Tante: „A stranger is a friend you just haven’t met yet.“ Michael Sullivan deklariert es sofort als „definitely Irish“ (10:06). Zuschauer dieser und anderer Folgen der Serie dürften in der Holo-Simulation historischer Welten eine Extrapolation ihrer eigenen Geschichtskultur erkennen. Durch das Holodeck wird eine virtuelle Living History-Erfahrung vorgestellt, wie der

296 Jedes Jahr zum St. Patrick’s Day (17. März) feiert eine Vielzahl von US-Amerikanern ihre irischen Wurzeln u.a. mit einer großen Parade in New York City und der Grünfärbung des Charles River in . Des Weiteren sind in Einwanderungskulturen wie den USA Reisen in die Herkunftsländer von Vorfahren populär. In diesem Zusammenhang spielt Irland angesichts der hohen Migrationsrate gerade von dort eine besondere Rolle. Vgl. hierzu bspw. Angela Wright (2009), die in ihrer Studie eine enge Verbundenheit zwischen den USA und Irland auf historischer und emotionaler Ebene sowie die Vorfahren betreffend konstatiert. McCain/Ray (2003) untersuchen die Motivation von US-Bürgern, das Land ihrer Vorfahren zu besuchen. Nuala Johnson (1999) zeigt auf, wie das Fremdenverkehrsamt in Irland seit den 1990ern strategisch heritage tourism propagiert.

192 Zuschauer sie z.B. von Freilichtmuseen her kennen. Der Besucher, in diesem Fall die Crew, wandelt aber nicht nur durch die Szenerie, sondern kann aktiv im Rollenspiel eine historische Erfahrung machen. Die Beliebtheit besonders von Kriegs-Reenactments, auch zur Entstehungszeit der Serie,297 wird in anderen Folgen aufgegriffen. Es ist nicht überraschend, dass Star Trek hierfür die beiden für die USA vielleicht bedeutendsten Kriege herangezogen hat. Sowohl der amerikanische Bürgerkrieg als auch der Zweite Weltkrieg sind im Funktionsgedächtnis der USA verankert, wie oben gezeigt wurde. Im Gegensatz zur irischen Idylle von „Fair Haven“ dienen die Kriegs-Reenactments in Voyager jedoch nicht als ‚reine‘ Spielflächen, sondern haben ernsthafte Hintergründe. In beiden Fällen dienen die historischen Szenarien zunächst als ‚Referenzgeschichte‘ für fremde Spezies. Die Episode „The and the Grey“ (3/11; Erstausstrahlung 27.11.1996) nutzt den amerikanischen Bürgerkrieg als Kulisse. Dies wird bereits im Titel suggeriert. Grau steht hierbei für die Farbe der Südstaaten-Uniform und ‚Q‘ reimt sich mit blue – der Farbe der Uniform der Nordstaaten. Die ‚Q‘ sind in der Star Trek-Welt eine allmächtige Spezies, die mit dem Schicksal der Menschen zur Unterhaltung gerne spielt. In „The Q and the Grey“ benötigt diese Spezies jedoch die Hilfe der Voyager-Crew, da sie sich in einem internen Konflikt befindet, der ihre Welt (das Q-Kontinuum) zu zerstören droht. Damit sie sich die Natur dieses Konflikts vorstellen können, versetzt einer der Q die Crew in das Szenario des amerikanischen Bürgerkriegs, der somit als Analogie dient. Die erste Szene des Reenactments – das dieses Mal nicht vom Holodeck er- möglicht wird, sondern durch Qs schöpferische Kraft – zeigt ein typisches Südstaaten- Herrenhaus, wie es den Zuschauern auch aus populären filmischen Darstellungen bekannt sein dürfte.298 Die nächste Szene zeigt Janeway im Salon des Hauses bei Kerzenlicht: sie trägt ein Kleid aus dem 19. Jahrhundert, und auch ihre Frisur ist der Zeitperiode entsprechend – Janeway verkörpert sozusagen das Stereotyp der Southern belle. Q erscheint in einer Unions-Uniform, und erklärt Janeway, dass sie sich im Q- Kontinuum befinden, in einer Repräsentation, die Janeway ‚verstehen‘ kann (Q: „I’m simply allowing you to perceive it in the context your human mind can comprehend.“ 17:29). Die Szene lässt Elemente eines stereotypen Südstaatenromans anklingen. Die Romantik der Situation zwischen einer Southern belle und einem Offizier der Union

297 Vgl. oben auf S. 165f dieser Arbeit. 298 Wie z.B. aus der Südstaaten-Romanze Gone with the Wind (1939, Regie: Victor Fleming), den Serien North and South (1985, Regie: Richard T. Heffron) und Queen (1993, Regie: John Erman) oder auch, aus einem andere Genre, dem Film Interview with the Vampire (1994, Regie: Neil Jordan).

193 wird aber gestört, als Q Janeway zeigt, was im Kontinuum geschieht. Er öffnet die Läden der Verandatür und man sieht mehrere Feuer brennen und hört Schüsse – ein Gefecht findet direkt vor dem Haus statt. Q erklärt: „The Continuum is burning. The Q are in the middle of a civil war.“ (18:38) Janeway ist bestürzt, dass eine so hochentwickelte Spezies wie die Q ihren Konflikt mit einem Krieg austragen und verweist darauf, dass die Menschheit solche Mittel hinter sich gelassen habe. Dass der amerikanische Bürgerkrieg auch aus Sicht der Zuschauer der Folge ‚Geschichte‘ ist, unterstreicht diese Aussage – die zudem wiederum das Fortschrittsnarrativ der Serie impliziert: „[O]ur civil war came at a time before mankind had learned to resolve disputes without bloodshed.“ (20:13) Q hingegen sieht den Krieg als Möglichkeit zum Neuanfang: „War can be an engine of change. War can transform a society for the better. Your own civil war brought about an end to slavery and oppression.“ (20:05) Neben den ernsthaften Tönen, die die Episode anschlägt, vermittelt sie aber auch etwas von der Atmosphäre typischer Bürgerkriegs-Reenactments. Dies wird besonders in der Darstellung der beiden Armee-Camps deutlich. Das Unions-Camp ist ein riesiges Lager mit weißen Zelten, in dem bei Nacht überall Lagerfeuer brennen. Man sieht, wie ein Soldat am Feuer sitzend sein Gewehr reinigt, während daneben das Essen zubereitet wird. Im Hintergrund hilft ein Soldat einem verwundeten Kameraden, etwas zu trinken. Man hört eine Mundharmonika spielen und die Grillen zirpen. Das Konföderierten- Lager wird bei Tag gezeigt: auch hier sieht man einen Soldaten, der an einem Baum lehnend sein Gewehr reinigt, im Hintergrund laufen andere Soldaten durch das Bild. Als die Kamera schwenkt, ist noch ein weiterer Soldat beim Essen zu sehen. Die ‚Camp- Romantik‘ des Unions-Lagers, evoziert durch die Lagerfeuer und die musikalische Untermalung der Szenerie, klingt bei der ‚nüchternen‘ Darstellung des Konföderations- Lager nicht an. Diese Darstellung dient der Lenkung von Sympathie mit dem Unterfangen der Unionsseite, die ebenso durch Qs Kampf als Anführer der „freedom faction“ (35:20) gegen die starre Gesellschaftsordnung innerhalb des Kontinuums, ähnlich wie die Nordstaaten für Freiheit im US-Bürgerkrieg gekämpft hatten, etabliert wird. In diesem Sinne überrascht es nicht, dass die Mitglieder der Voyager-Crew, die Janeway und Q zu Hilfe eilen, die Uniform der Nordstaaten tragen. Der amerikanische Bürgerkrieg wird hier als Verdeutlichung eines abstrakten Konflikts instrumentalisiert, ist aber gleichermaßen ‚Entertainment‘ für den Zuschauer, d.h. es wird eine Abwechs- lung von der sonst an Bord der Voyager stattfindenden ‚Gegenwarts‘-Handlung geboten.

194 Ein historisches Interesse am Bürgerkrieg per se besteht hier nicht; für die Zwecke der Folge sind klischeehafte Evozierungen einiger seiner Elemente ausreichend.299 Dies gilt auch für das Szenario des Zweiten Weltkriegs, das in der Serie in einer skurril an- mutenden Handlung evoziert wird. In der Doppelfolge „The Killing Game“ (4/18, 4/19; Erstausstrahlung 04.03.1998) wird die Crew auf dem eigenen Schiff von den Hirogen – einer Jäger- und Kriegerrasse – gefangen gehalten, die die Möglichkeiten des Holodecks zum Ausleben ihres immensen Jagdtriebes nutzen und die Mitglieder der Crew als ‚Beute‘ einsetzen, ohne auf deren Leib und Leben Rücksicht zu nehmen. Der Crew ist wegen eines durch die Hirogen verpflanzten Gehirnimplantats nicht bewusst, dass sie sich in einem ‚Spiel‘ befinden. Für sie als (unfreiwillige) ‚Reenactors‘ ist dadurch der Zweite Weltkrieg grausame ‚Wirklichkeit‘ geworden. Während die Hirogen Nazis verkörpern, ‚spielen‘ die Mitglieder der Crew einerseits französische Widerstandskämpfer (Janeway, Tuvok, Neelix, Seven und B’Elanna), andererseits Angehörige der amerikanischen Befreiungs- truppen (Tom und Chakotay). In dem kleinen, fiktiven französischen Dorf St. Claire ist Janeway die Betreiberin der Bar „Le Coeur de Lion“. Ganz in Weiß gekleidet präsentiert sie sich als Figur mit deutlichen Anklängen an den Clubbesitzer Rick, den Humphrey Bogart in Casablanca (1942, Regie: Michael Curtiz) darstellt. Seven ist Sängerin im Nachtclub. B’Elanna ist von einem deutschen Hauptmann, der dem Ort vorsteht, schwanger, weshalb sie von den französischen Dorfbewohnern geächtet wird. Für die Resistance dechiffriert sie Nachrichten, die über das britische Radio in den Wettermeldungen übermittelt werden. Neelix bleibt auch im Spiel seiner Funktion als Versorgungsoffizier treu und schmuggelt den Dechiffriercode mittels der Etiketten von Weinflaschen in Janeways Bar. Im Verlauf der Handlung gelingt es dem Doktor, der auf der Krankenstation der Voyager die durch die Hirogen schwer verwundeten Crew- Mitglieder versorgt, die Gehirnimplantate zu deaktivieren. Somit erlangen die Crewmit- glieder ihr Bewusstsein wieder, verlieren dadurch aber auch ihr Wissen als Reenactors und müssen von da an improvisieren. Lediglich Tom Paris verfügt über einiges Detailwissen, da er sich mit der Geschichte des 20. Jahrhunderts besser auskennt als die anderen Figuren:

Tuvok: I don’t recognise this program.

299 Vgl. dazu Halbohm (1999, 167), der diesen Aspekt an populären literarischen und filmischen Zitaten und Anspielungen festmacht. Diese Form der Exposition kann aber durchaus auf geschichtliches Wissen angewandt werden vgl. auch S. 30.

195 Tom: I do. He’s wearing a Nazi uniform. We’re on Earth during the Second World War. Seven: Nazis? Tom: Totalitarian fanatics bent on world conquest. The Borg of their day. (Teil II, 22:24)

Die klare Negativcharakterisierung der Nazis in der Episode erfolgt aber weniger durch ihre Parallele zu den Borg als mit der Jägerrasse der Hirogen, für die andere Spezies nur ‚Beute‘ sind. Jedoch ist die Herrenmenschenideologie der Nazis dem Alpha-Führer der Hirogen unverständlich, woraufhin er einen deutschen Holo-Hauptmann über den Superioritätsanspruch der ‚Herrenrasse‘ befragt, dessen Antworten jedoch für die Zuschauer deutlich verurteilt.

Hauptmann: Sir, you question our destiny? Alpha: Of course not, but I want to hear it in your own words. Tell me, why are we the master race? Hauptmann: Our blood is pure. Our people lived and hunted on this land for 1,000 years before the degnerate races brought their corruption. Europe must be purified. Alpha: You yourself, are you stronger than these degenerate races, or cunning? Hauptmannn: Yes, of course. Alpha: And if you were alone without an army supporting you, could you continue the hunt? If your prey were armed instead of defenceless, what then? Hauptmann: Colonel, I don’t know what you’re trying to... Alpha: You are superior to no one. Never underestimate your prey or disrespect its abilities. If you do, you will become the hunted. (Teil I, 17:31)

Diese Aussage des Hirogen wird im Verlauf der Handlung erwartungsgemäß bestätigt: Es gelingt der Voyager-Crew, Nazi-Hologramme und Hirogen zu besiegen und damit die historische Leistung der USA im Zweiten Weltkrieg noch einmal zu wiederholen. Die Haltung der Voyager-Crew (die hier ‚die Menschheit‘ repräsentiert), nötigt dem Hirogen-Führer Respekt ab. Ihn fasziniert bei den Konflikten der Menschheit deren Fähigkeit zur Veränderung, wie er Janeway erklärt und dabei ausdrücklich betont, aus der Geschichte der Menschheit gelernt zu haben:

Alpha: [Y]our holodecks allowed me to go further, to explore your culture, your history. I must admit I’ve learnt a great deal. Janeway: How so? Alpha: Your people have forced extinction many times, but you’ve always managed to avoid it. You seem to recognize the need for change. Janeway: Yes, you’ve got one of those moments running right now on the holodeck: We called it World War II.

196 Alpha: One of your most difficult eras. And yet you survived. Janeway: It wasn’t easy. Aalpha: You are a resilient species. I admire your cunning. (Teil II, 27:16)

Ähnlich wie in der Episode „The Q and the Grey“ wird auch hier Geschichte als ‚Lektion‘ präsentiert, aus der man lernen kann, um dann auf einem besseren Weg ‚fortzuschreiten‘. Die historische Situation, die er auf der Voyager im Rollenspiel erlebt, hat den Hirogen zur Einsicht über die verfahrene Situation seiner eigenen Gesellschaft gebracht. Er erkennt, dass die Hirogen aufgrund eines fehlgeleiteten Selbstver- ständnisses – nämlich das Verharren im Jäger-Beute-Schema – den Delta-Quadranten fast leer gejagt haben und in alle Richtungen der Galaxis verstreut sind: Es gibt keinen Heimatplaneten, keine gemeinschaftlichen Feste oder Rituale, sie sind allein oder in Rudeln unterwegs. Er hat verstanden, dass seine Spezies somit dem Untergang geweiht ist:

Species that don’t change [Pause] die. [Pause] We’ve lost our way. We’ve allowed our predatory instincts to dominate us. We disperse ourselves throughout the quadrant, sending ships in all directions. We’ve become a solitary race, isolated. We’ve spread ourselves too thin. We’re no longer a culture. We have no identity. In another 1,000 years, no one will remember the name Hirogen. Our people must come back together, combine forces, rebuild our civilization. (Teil I, 26:52)

Weder „The Q and the Grey“ noch „The Killing Game“ wollen per se Geschichtswissen vermitteln und verharren in stereotypen Bildern, die mit Bürgerkrieg und Zweiten Weltkrieg in der amerikanischen Gesellschaft verbunden und dabei auch für ein internationales Publikum anschlussfähig sind. Konfliktbehaftete Themen wie die Sklaverei und der Holocaust bleiben in diesen Folgen ausgespart. Dennoch betonen sie, wie relevant der Umgang mit Geschichte, und damit Geschichtskultur generell ist. Die Vergangenheit dient als Folie, aus der eine Lehre zu einem besseren Verständnis der Gegenwart gezogen werden kann. Die Relevanz von Geschichte wird für den Zuschauer vor allem anhand des Fortschrittsmodells von Geschichte verdeutlicht. Beide Beispiele verweisen auf einschneidende Episoden der US-amerikanischen Geschichte, aus deren krisenhaften Konflikten die Nation gestärkt hervorging und den ‚Fortschritt‘ vorantrieb. Die Welt der Voyager-Serie – eine fiktionale Fortschreibung der Gegenwart – ist der ‚Beweis‘ dafür, dass dieser Fortschritt erreicht wurde. Diese Lesart wird dadurch unterstützt, dass die Crew-Mitglieder im ‚Reenactment‘ nur die Rollen der ‚Sieger‘ und der ‚Guten‘ der jeweiligen Konflikte einnehmen. In beiden Fällen müssen ‚defizitäre‘ Spezies Schlussfolgerungen aus der Geschichte ziehen – die überheblichen Q und die

197 primitiv-brutalen Hirogen; beide profitieren letztendlich aus den Geschichtslektionen der Menschheit. Abgesehen von ihren konkreten historischen Themen und Inhalten sowie dem Verweis auf Geschichte als ‚Spiel‘ machen beide Beispiele Aussagen zur generellen Bedeutung von Geschichte und historischem Erinnern und ergänzen in dieser Hinsicht Episoden, in denen dieser Aspekt im Vordergrund steht.

3.3 „Not Just a Matter of History“ – Der Wert des (historischen) Erinnerns in Voyager

Wie in 2.2 gezeigt wurde, besteht eine Tendenz, Erinnerungen an problematische Vorkommnisse in der eigenen Geschichte auszublenden bzw. führt die Repräsentation solcher Vorkommnisse und damit der Zwang zum Erinnern zu Kontroversen. Umso signifikanter scheint es, dass Auseinandersetzungen mit traumatischem Erinnern wiederholt in der Voyager-Serie aufgegriffen werden. Die bisher angeführten Episoden mit Geschichtsthemen bestätigen dominante Narrative und Bilder. In den folgenden Beispielen wird dem historischen Erinnern eine ethische Dimension beigemessen und damit auch bestehende Erinnerungspolitik kritisiert. Diese Episoden tragen dabei bereits die vielsagenden Titel „Remember“, „Memorial“ und „Living Witness“, mit denen Schlagworte der Erinnerungskultur des ausgehenden 20. Jahrhunderts aufgegriffen werden. In der Episode „Remember“ (3/06; Erstausstrahlung 09.10.1996) befördert die Voyager eine Gruppe von Enaran zu ihrem Heimatplaneten. Diese Spezies kann Erinnerungen und Erfahrungen telepathisch übertragen. Als B’Elanna sehr real wirkende Träume hat, wird der Zusammenhang mit den telepathischen Fähigkeiten der Gäste bald vermutet und ausgesprochen, dass B’Elanna hier fremde Erinnerungen durchlebt. Als sie diesen Erinnerungen nachforscht, kommt sie einem historischen Trauma der Enaran auf die Spur, das die Gesellschaft scheinbar erfolgreich aus ihrem kollektiven Gedächtnis verdrängt hat. Ein Individuum unter den Gästen an Bord, die ältere Frau Korenna, leidet jedoch sehr unter ihren Erinnerungen und gibt diese an B’Elanna weiter, aus Angst, dass die Erinnerungen sonst verloren gehen. Von ihrem Volk will niemand die Wahrheit anerkennen oder zulassen, sie wird aktiv durch gesteuerte Erinnerungspolitik ausgeblendet. Aus den Traumsequenzen erfährt der Zuschauer zusammen mit B’Elanna jedoch, dass es bei den Enaran in der Vergangenheit die soziale Klasse der ‚Regressiven‘ gegeben hat. Diese wurde von der herrschenden Klasse, den ‚Progressiven‘, unterdrückt und musste in Ghettos leben. Korenna liebte in

198 ihrer Jugend Dathan, ein Mitglied der Regressiven. Naiv den Doktrinen ihrer eigenen sozialen Klasse folgend, die stellvertretend durch Korennas Vater dargestellt werden, trug sie jedoch selbst zur Auslöschung der Regressiven bei. Sie glaubte, ein Umsiedlungsprogramm zu organisieren, tatsächlich wurden die Menschen jedoch in den Tod geschickt. Während B’Elannas Träume zunächst nur den Geliebten erinnern und entsprechend positiv-erotisch sind, werden sie mit der Annäherung an die Wahrheit zunehmend traumatisch mit Schuldgefühlen und Verzweiflung aufgeladen. Für die Zuschauer der Folge werden die Anklänge an historische Verfolgungen, etwa der Juden oder Roma in einer Sequenz deutlich angesprochen, in der B’Elanna einen Dialog zwischen Korenna und ihrem Geliebten Dathan nacherlebt:

Dathan: What’s happening here is wrong, Korenna, don’t be a part of it anymore. Korenna: It’s just a resettlement. Dathan: It is more than that! My uncle and his family were resettled two months ago and we haven’t heard from them since. Nobody I know has had any contact with this new colony we’re supposed to be going to. Korenna: There could be a perfectly good reason for that. Dathan: There are stories. I have heard that the transports don’t really go anywhere, that the passengers get just vaporised in some kind of thermal sweep. Korenna, thousands of us have gone already, we are being slaughtered. Korenna: It’s ridiculous! No one is being killed! (27:47)

Die Unglaublichkeit von Dathans Version der Vorgänge und die Loyalität zu ihrem Vater machen es letzterem leicht, Korenna weiter zu verunsichern („Do you really believe that your family and friends are capable of that?“ 30:28). Korennas Vater beschuldigt Dathan, dass er ihre Sympathie nur für seine eigenen Zwecke erlangen möchte, denn die Regressiven, so Korennas Vater, wollten die Progressiven von weiterer Entwicklung abhalten. Sie seien hinterhältige Lügner, die Unruhe und Zweifel unter den Progressiven streuen wollen. Daraufhin denunziert Korenna Dathan, und er wird mit anderen Regressiven an den Pranger gestellt und exekutiert. Korenna steht unter den Zuschauern und bejubelt verblendet die Tötung, die als Exempel statuiert wird. In einer historischen Lüge wird die Auslöschung der Regressiven später unter den Enaran damit erklärt, dass sie sich in ihrer neuen Kolonie selbst durch Krankheit und Kämpfe vernichtet hätten. Das Tor zu ihrem ehemaligen Ghetto steht als Mahnmal: Rückständigkeit, verkörpert durch die Haltung der Regressiven, führt in den Tod. Das Mahnmal wird hier genutzt, um das Verhalten der Progressiven zu affirmieren; es trägt

199 zur Verschleierung von Unrecht bei und konnotiert die herrschende Ideologie als den richtigen Lebensweg. In einer weiteren Erinnerung, die auf B’Elanna projiziert wird, sieht man Korenna als Lehrerin, die ihren Schülern die angebliche Bedeutung des Mahnmals erklärt und die Geschichtslektion, die aus dem Schicksal der Regressiven gelernt werden könne:

Korenna: We can learn from their mistakes. That’s why we keep this gate here, to remind us never to be stubborn and backward like they were. Schülerin: We’ll remember. (34:19)

Korenna scheint hier die Geschichtslüge ihrer Gesellschaft vollständig absorbiert zu haben. Als alte Frau an Bord der Voyager kann sie die Wahrheit jedoch nicht mehr aus- blenden und das Geschehene unterdrücken oder verheimlichen und gibt ihre Erinner- ungen an B’Elanna weiter.

B’Elanna: Why give them to me? Korenna: You won’t deny the truth. We’ve been hiding it. I couldn’t anymore. They found out I was sharing it with you. B’Elanna: Who did? Korenna: Don’t let the memories die. Promise me! (26:34)

Korenna spricht die Worte im Sterben: sie ist, so kann man vermuten, getötet worden, um weitere Enthüllungen zu verhindern. B’Elanna konfrontiert im Beisein der restlichen Enaran den Anführer der Gruppe mit der wahren Historie. Dieser stellt Korennas Erinnerungen jedoch als Verwirrungen einer kranken Frau dar: „Nobody thinks you’re lying, Lieutenant. The poor woman has been ill for a long time. Her memories may be distorted, or, perhaps, your perception of them was colored by elements from your culture.“ (36:58) B’Elanna appelliert daraufhin an die Gruppe, nicht weiter die Augen zu verschließen, auch wenn die Wahrheit ‚unbequem‘ sein kann. Korenna – als ‚moralische Zeugin‘ im Sinne Margalits (vgl. S. 155) – habe ihre Erinnerungen ungeschönt und ohne Ausflüchte geteilt:

I was with her every step of the way as she convinced herself that what she did – betraying the man she loved, playing her part in the massacre – that it was all somehow for the good of Enaran society. She showed everything. No apologies. No request for forgiveness. Just the truth. At least she had the conscience to stand up and realise what she’d done wrong. (37:24)

Zu B’Elannas Enttäuschung weigern sich nicht nur die Enaran, Korennas Täter- Erinnerungen anzuerkennen, auch Janeway zeigt sich zurückhaltend, was die weitere

200 Ergründung der Wahrheit anbelangt, da man sich nicht in die Geschichte anderer Kulturen einmischen dürfe:

Janeway: Whatever the Enarans have done, it’s not our place to bring them to justice. If they’ve chosen to conceal part of their history from their own descendants that’s their decision, whether we approve of it or not. B’Elanna: It’s not just a matter of history. This could happen again if no one knows it happened before. Janeway: We simply have no right to get involved. (39:08)

Janeways Position ist insofern bemerkenswert, als sie sonst stets für die Verfolgung von Unrecht eintritt. Betrachtet man die Episode im Zusammenhang mit der Debatte etwa um das Holocaust-Museum in Washington (s.o.), erschließen sich interessante Bezüge: Janeway kann als Verfechterin der Seite interpretiert werden, die argumentiert, dass die Erinnerung an eine Geschichte, die angeblich nicht die eigene ist, keine Bedeutung für die Gemeinschaft habe. B’Elanna hingegen gehört zu den Anhängern, die argumentieren, dass jegliches Unrecht erinnert werden muss, als Mahnung nicht denselben Fehler zu begehen. Und sie scheint durch die Handlung Recht zu bekommen, denn sie erreicht letztendlich doch ein junge Frau der Enaran, die sich für Korennas Vergangenheitsversion interessiert. B’Elanna appelliert an die junge Frau, die Vertreterin einer ‚nachgeborenen‘ Generation, Fragen zu stellen, zur angeblichen Kolonie der Regressiven zu gehen und nach Beweisen zu suchen: „Learn the truth for yourself.“ (41:48) Dies ist ein Appell, sich eine eigene Meinung zu bilden und nicht eine Vergangenheitsversion unhinterfragt anzuerkennen, wenn Grund zu Zweifeln besteht. Die Episode endet damit, dass die junge Frau eine telepathische Verbindung zu B’Elanna aufbaut und so selbst Korennas Erinnerungen ‚abruft‘. Korennas Geschichte wird damit weiter erinnert werden. Ihr Zeugenbericht geht nicht verloren, sondern wird im Gedächtnis zumindest einer weiteren Person im Volk der Enaran lebendig gehalten. Der Gedanke, dass traumatische Erinnerungen nicht dem Vergessen anheim gegeben werden dürfen, ist zentral auch für eine andere Voyager-Episode, die ausdrücklich mit „Memorial“ betitelt ist. Auch hier werden Mitglieder der Voyager-Crew zu einem extrem realistischen Nacherleben bzw. Miterleben von Geschichte gezwungen. „Memorial“ (6/14; Erstausstrahlung 02.02.2000) thematisiert prominent die Bedeutung von Erinnerungsorten, d.h. Gedenkstätten in der Geschichtskultur. Hierbei wird die Erinnerung an die Toten als Mahnung für die Nachwelt hervorgehoben. Harry, Tom, Chakotay und Neelix kehren von einer Außenmission auf die Voyager zurück und

201 leiden an Symptomen von post-traumatischem Stress und damit einhergehenden Panik- attacken. Nachdem der Doktor herausfindet, dass es sich bei diesen traumatischen Erin- nerungsfetzen offenbar nicht um Halluzinationen, sondern um tatsächliche Erinne- rungen handelt, wird bei einem Treffen der Offiziere mit Janeway und dem Doktor versucht, das Erinnerte dialogisch in der Gruppe zu rekonstruieren und zu bewerten. Filmisch wird diese Besprechung alternierend mit erinnerten Gefechtsszenen auf einem fremden Planeten dargestellt. Auch der Zuschauer wird somit quasi zum Augenzeugen des Geschehens. Sehr offensichtlich sind die Gefechtsszenen an Bildern aus und über den Vietnamkrieg orientiert, d.h. sie evozieren ein für die USA traumatisches und kontroverses Erinnerungsereignis. Die Besprechung auf der Voyager verläuft ent- sprechend nicht in einem ruhigen Tonfall, sondern lässt die Stresssituation zu Tage treten; das Gespräch ist emotional hoch aufgeladen. Zum Erschrecken der Beteiligten ergibt die Rekonstruktion, dass sie anscheinend an einem Massaker – analog etwa zu My Lai im Vietnamkrieg – während einer Kriegssituation beteiligt waren:

Harry: We didn’t have any other choice. Chakotay: Like hell we didn’t. Harry: But they were wiping us out. Chakotay: That didn’t give us the right to murder civilians. Neelix: I tried to protect the children but I couldn’t stop them from running away. Harry: I ran too. Sounds of phaser fire. People shouting. I had to get out of there. (19:46)

Wie sich im Episodenverlauf herausstellt, sind die Crewmitglieder unschuldig, denn das Massaker ist vor über 300 Jahren geschehen. Die Erinnerung der damals wirklich Beteiligten wird elektronisch von einem ‚Memorial‘ auf dem Planeten an alle ‚über- tragen‘, die in dessen Reichweite kommen. Als sich die Voyager zu Zwecken der Aufklärung des Vorfalls dem Planeten nähert, ist entsprechend in kürzester Zeit die ganze Crew betroffen und stark traumatisiert. Das ‚Memorial‘ erweist sich als die ‚ultimative‘ Gedenkstätte, die das Vergangene als persönliche Erinnerung für Individuen späterer Generationen evoziert und bewahrt. Aleida Assmann etwa betont, dass Orte zwar „ein Gedächtnis auch über Phasen kollektiven Vergessens hinweg beglaubigen und bewahren [können]“ dazu allerdings nach dem Vergessen eine „Reanimation“ der Erinnerung stattfinden muss, denn „[w]o jegliche Überlieferung abgerissen ist, entstehen Geisterorte, die dem freien Spiel der Imagination oder der Wiederkehr des Verdrängten überlassen sind“ (2009, 21).

202 Allerdings stellt sich heraus, dass das Mahnmal seit zwei Jahrhunderten nicht mehr gewartet wurde und deshalb die Übertragung der Erinnerung nur noch fragmentarisch funktioniert. Die Spezies, die die Gedenkstätte erbaut hat, lebt nicht mehr oder ist weitergezogen, so dass keine ‚Denkmalpflege‘ mehr stattgefunden hat. Diese Pflege ist allerdings, so Erll, wichtiger Bestandteil der Erinnerungskultur, denn „Denkmäler, deren Symbolik nicht mehr dekodiert werden kann, sind erinnerungskulturell tote Materie“ (2005, 137 vgl. dazu auch Grütter 1994, 53), Janeway beschließt, im Fall des Obelisken, diese Pflege zu übernehmen, obwohl ihr bewusst ist, in welchem Maß die Erinnerung einer anderen Spezies ihre Besatzung und auch sie selbst verstört hat und sogar hat leiden lassen. Diese Entscheidung ist nicht unkontrovers und löst unter der Besatzung eine Diskussion um Notwendigkeit und Nutzen auch traumatischen Erinnerns aus, etwa zwischen Neelix und Seven:

Neelix: When you were a Borg, you were involved in some unpleasant activities. Seven: I helped to assimilate millions. Neelix: I don’t mean to be insensitive, but do you ever feel shame about what you did? Seven: Frequently. Neelix: How do you manage to keep going, knowing that you’ve done such horrible things? Seven: I have no choice. Neelix: Guilt is irrelevant? Seven: On the contrary. My feelings of remorse help me remember what I did, and prevent me from taking similar actions in the future. Guilt can be a difficult, but useful emotion. (29:31)

Neelix versteht nun, welchen Nutzen auch die Gedenkstätte und grausame Erinnerungen generell haben können, und bringt dies in die weitere Diskussion ein als Argument gegen eine völlige Abschaltung des Obelisken, die andere fordern:

Tuvok: But we’ll prevent this from happening to other passing ships? Neelix: If we do that all record of what happened here would be lost. Chakotay: But the monument will still be here. Neelix: But that doesn’t really tell the story. [Pause] Someone put a lot of time and care into building that transmitter. We can’t just deactivate it, we don’t have the right. Harry: Did they have the right to force us to relive all that? Neelix: They wanted others to know what it was like, in the hopes that nothing like it would happen again.

203 Chakotay: Why should anyone have to experience an atrocity they didn’t commit? Neelix: Because that’s how you learn not to make the same mistake. If we destroy the evidence, we’re no better than Saavdra. […] Neelix: This isn’t about logic, it’s about remembering. Chakotay: Some things are best forgotten. (38:05)

Auch hier wird wieder das dialogische Prinzip der Serie bei der Verhandlung wichtiger ethischer Fragen aufgegriffen und das Für und Wider der Abschaltung in der Gruppe diskutiert. Dennoch liegt die Entscheidungshoheit, gemäß der Hierarchie, bei Janeway. Diese ist mit Neelix einer Meinung und spricht das Machtwort zur Erhaltung der Übertragung, wobei sie auf die mahnende Bedeutung einer wichtigen Erinnerungs- stätte hinweist: „The fields of Gettysburg. Those were other people’s memories too but we don’t honor them the less. The 82 colonists who died here – they deserve their memorial.“ (39:04) Die Crew entschließt sich, den Oblisken zu warten, um eine lückenlose Übertragung und Erinnerung für die nächsten Jahrhunderte zu garantieren. Allerdings wird eine Boje ausgesetzt, die vorbeifliegende Raumschiffe davor warnt, mit welcher Erfahrung sie rechnen müssen. Die Erinnerung, die durch den Obelisken ausgelöst wird, stellt – wie die tele- pathische Erinnerung in „Remember“ – quasi ein ‚Reenactment‘ auf neuronaler Ebene dar. Die Person wird in den Verlauf des tatsächlichen Massakers auf Seiten der Täter mit einbezogen und ist auch emotional involviert. Die Erfahrung der Hilflosigkeit, das Verbrechen und deren Vertuschung zu verhindern, werden hier als problematische persönliche Erinnerung und damit besonders prägnant in ihrem Gegenwartsbezug thematisiert. Die Debatte um die Erinnerung und der Versuch der Ausblendung des My Lai-Massaker klingen hier an, wie auch die Kontroverse um die ethische Bewertung der Atombombenabwürfe auf Japan und die Enola Gay-Ausstellung. Ähnlich wie die US- Bürger nicht wahr haben wollten, dass US-Soldaten eine solche Greueltat begangen hatten, kann auch Janeway nicht glauben, dass ihre Offiziere an einem Massaker beteiligt waren. Dennoch verfolgt sie zielstrebig den Weg der vollständigen Aufklärung ohne Kompromisse. In dieser Folge wird zudem bestätigt, dass Mahnmale bedeutend sind, aber nur Zeitzeugen Geschichte ‚lebendig‘ erzählen können und das Mahnmal dadurch erst korrekt dekodierbar wird. Mahnmale überdauern zwar die Zeit, die tatsächliche Bedeutung ist nur mit Zeitwissen erschließbar:

204 [A]ll war memorials have a „shelf-life,‟ a bounded period of time in which their meaning relates to the concerns of a particular group of people who created them or who use or appropriate them as ceremonial or reflective sites of memory. (Winter 2006, 140)

Diesem Problem wird durch den Obelisken in „Memorial“ vorgebeugt, da er ‚lebendige‘ Erinnerungen speichert und sendet, wodurch der Empfänger der Erinnerung zum emotional involvierten Zeitzeugen wird. Die Episode „Living Witness“ (4/23; Erstausstrahlung 29.04.1998) beschäftigt sich dagegen mit ‚klassischer‘ Zeitzeugenschaft, speziell auch mit ihrer Bedeutung im Kontext der Verfälschung von Geschichte durch das Fehlen bzw. falsche Interpretieren von Artefakten. Die Folge diskutiert zudem, wie die Interpretation der Vergangenheit den Machtanspruch einer Bevölkerungsgruppe stützen kann, während neue Fakten ein dominantes Geschichtsbild ins Wanken bringen können. Die Episode spielt aus Sicht der Voyager-Gegenwart in der Zukunft: Die Crewmitglieder der Voyager werden hier als historische Figuren in einem Museum erinnert, und zwar höchst unrühmlich, was den Verdacht der Zuschauer auf eine ‚Geschichtslüge‘ sofort weckt. Die Crew wird beschuldigt, während eines Bürgerkriegs zwischen Kyrianern und Vaskianiern auf der Seite der Letztgenannten gekämpft zu haben, wofür sie – als ‚Söldnerlohn‘ – Daten zu Wurmlöchern erhielten. Durch den Einsatz einer Biowaffe, die angeblich von der Voyager stammte, sollen acht Millionen Kyrianer getötet worden sein. In der Sequenz wird die Voyager-Crew als faschistoide Truppe dargestellt, mit Captain Janeway als deren dominante Führerin.300 Erzählt wird diese Geschichtsversion 700 Jahre nachdem die Voyager an diesem Planeten vorbeigekommen ist und zwar aus Sicht der Kyrianer, die jetzt mit den Vaskianern in Frieden leben, sich aber als unterdrückte Bevölkerungsgruppe sehen. Der Voyager wird für diese Situation die Verantwortung zugeschrieben, da ein Crewmitglied den Anführer der Kyrianer angeblich getötet hat. Diese Geschichtsversion ist im Sinne der dominanten Vaskianer und darf daher offiziell auch im ‚Museum für Kyrianisches Kulturerbe‘ verbreitet werden. Eine Simulation in diesem Museum stellt die angeblichen Vorgänge der Voyager-Begegnung holographisch dar. Rekonstruiert wurde sie aufgrund archäologischer Funde, die allerdings teilweise zerstört waren. Es handelt sich um eine ‚interpretierende Ausstellung‘301 auf der Grundlage von höchst fragwür- 300 Die Prinzipien der Sternenflotte werden in der fehlerhaften Rekonstruktion ins Gegenteil verkehrt, wie dieser Ausspruch von Janeway zeigt: „When diplomacy fails, there is only one alternative, violence. Force must be applied without apology. It’s the Starfleet way“ (00:05). 301 Eine gängige Praxis, wie der Smithsonian Secretary Heyman erklärt: „[M]ore and more museums – of science, history and the arts – have tried to provide a framework for their exhibitions that gives context and interpretation.“ (1995, 8) Allerdings hat genau diese Ausstellungspraxis zur Enola Gay-

205 digem Material. Die verfälschte Darstellung wird erst aufgedeckt, nachdem eines der Relikte endlich aktiviert werden kann, nämlich der mobile Emitter des medizinischen Hologramms. Für den Kurator des Museums, Quarren, stellt dieser ‚Fund‘ eines Zeitzeugen den wahrgewordenen Traum eines jeden Historikers dar, wobei Quarren dem Doktor das Prinzip des Zeitzeugen jedoch zunächst erklären muss:

Doktor: And I’m some sort of fossil? Quarren: No, not a fossil. A witness. A living witness to history. There’s so much we don’t know about what happened. But you saw it, you lived through those times. You helped to shape them. Doctor, you could be the most important discovery of all time. (20:00)

Stolz zeigt Quarren, welche Schlussfolgerungen er aus dem vorhandenen Material gezogen hat – diese werden jedoch direkt vom Zeitzeugen widerlegt.

Quarren: We reconstructed it from a partial schematic found in the Cyrik ocean. Which was badly damaged by corrosion. We were bound to get a few details wrong. Doktor: Voyager wasn’t a warship. We were explorers! Quarren: Yes, I know. Trying to get home to Mars. Doktor: Earth! You see, you even couldn’t get that right! (21:30)

Der Doktor möchte daraufhin die gesamte Austellung sehen, auch um weitere Fehlinter- pretationen aufdecken zu können: „To you, this may be ancient history. To me, it’s yesterday. You called me a living witness. Well, at least, give me the chance to set the record straight. I want to see your version of what happened.“ (22:07) Quarren zeigt dem Doktor die Ausstellung zur Voyager, die auch audiovisuell aufbereitet ist. Wie wenig diese Rekonstruktion die historische Wirklichkeit trifft, haben die Zuschauer der Folge bereits gesehen. Alle Figuren der Crew sind in Aussehen und vor allem ihrem Charakter und Verhalten verfremdet. Entsprechend reagiert der Doktor auf die Darstellung:

Doktor: Pure fiction! This is absurd! […] Quarren: This is a reasonable extrapolation from historic record. But if you’d like to point out any inconsistencies… Doktor: Inconsistencies? I don’t know where to begin. (23:27)

Kontroverse geführt und zur Revision der Richtlinien für Ausstellungen der Smithsonian Museen (vgl. ibid.).

206 Jedoch sträubt sich der Kurator erwartungsgemäß zuerst gegen die Vergangenheits- version des Doktors, denn letztlich ist diese zu radikal abweichend gegenüber dem im Museum gepflegten offiziellen Geschichtsnarrativ:

Quarren: You’re lying! Doktor: I was there. Quarren: You’re trying to protect yourself.302 Doktor: And so are you! From the truth. Isn’t it a coincidence that the Kyrians are being portrayed in the best possible light? Martyrs, heroes, saviours. Obviously events have been reinterpreted to make your people feel better about themselves. Revisionist history. It’s such a comfort. Quarren: We were not the aggressors in the Great War. We were the victims. Proof can be found anywhere on this world. The Kyrian people are being oppressed to this day. (26:04)

Die Ausführungen des Kurators machen deutlich, in welch hohen Maß seine Gesell- schaft Geschichte zu politischen Zwecken instrumentalisiert hat. Ein Artefakt, das die Version des Doktors und somit die Wahrheit schließlich unterstützt, ist ein Tricorder, der ebenfalls Ausstellungstück im Museum ist. Mit diesem Tricorder hatte der Doktor vor Jahrhunderten den getöteten kyrianischen Anführer gescannt. Mit den Daten aus dem Tricorder kann jetzt bewiesen werden, dass er nicht, wie angenommen, von Janeway getötet wurde, sondern von einem Vaskianer. Aufgrund dieser Hinweise auf Geschichts- fälschung kommt es erneut zu Unruhen zwischen den beiden ethnischen Gruppen. Das Museum wird gestürmt und Ausstellungsstücke werden beschädigt und zerstört. Die Spannungen zwischen den vaskianischen Machthabern und den unterdrückten Kyrianern brechen erneut auf, woraufhin der Kurator den Zeitzeugen aus der Ver- gangenheit um Hilfe bittet: „History has been abused. We keep blaming each other for what happened in the past. If you don’t help us now, it could be another 700 years.“ (41:44) Der Doktor wird als offizieller Zeuge der Geschehnisse gehört und kann somit einen Dialog zwischen den Volksgruppen in Gang setzen, der schlussendlich zum Frieden führt. Die einseitige Darstellung der beiden Ethnien, die Kyrianer als durchgängig positiv und die Vaskianer als Aggressoren, ruft Debatten um Geschichstsdarstellungen im späten 20. Jahrhundert wach, etwa die Kontroverse um die geplante „Enola Gay“- Ausstellung. Hier sollten beide Seiten des Konflikts dargestellt werden, wobei die

302 Als künstliche Intelligenz wäre der Doktor auf dem Planeten der Kyrianer verantwortlich für seine Taten und könnte für seine mutmaßlichen Kriegsverbrechen vor 700 Jahren angeklagt werden.

207 Planer scheinbar nicht sensibel genug vorgingen, denn die Öffentlichkeit war noch nicht bereit zur Selbstreflektion über die Kriegshandlungen auf japanischem Boden. Die Voyager-Episode kritisiert einseitige Vergangenheitsversionen und aktive Erinnerungs- politik zur Machterhaltung. Sie suggeriert, dass Konflikte auch zur gesellschaftlichen Weiterentwicklung beitragen können. Am Ende der Episode stellt sich heraus, dass die gesamte Handlung der Episode einschließlich der Entdeckung des Zeitzeugen und des Ablegens seines Zeugnisses, eine Simulation im Museum war – und zwar eines jetzt geeinten nationalen Museums. Das Ereignis, das zum Frieden zwischen den Volksgruppen geführt hatte, liegt bereits mehrere Jahrzehnte zurück und wird museal als Neubeginn für die Gesellschaft erinnert. Die jetztige Kuratorin erklärt: „It was a pivotal moment in our history. As a result of the Doctor’s testimony, a dialogue was opened between our peoples. Eventually we found a new respect for our divergent cultures and traditions. The efforts of people like Quarren and the Doctor paved the way for unity.“ (42:12)

4. Fazit

Wie gezeigt wurde, wird Geschichte in Star Trek: Voyager zum Teil zu Zwecken der Unterhaltung und zur Abwechslung vom Serienalltag eingesetzt. Die Serie greift aber auch geschichtskulturelle Tendenzen ihrer Entstehungszeit auf. Für die jeweiligen Episoden werden wiederholt bekannte historische Persönlichkeiten und Ereignisse herangezogen, welche mit der fiktiven Star Trek-Geschichte vermischt werden. Die Gegenwart des Zuschauers wird als Geschichte in einer fiktiven Rückschau gespiegelt und fiktiv fortgeschrieben. Dabei werden bei den Zuschauern (populären) Modi der Geschichtskultur, wie Reenactment, Living History und Ahnenforschung aufgegriffen. Speziell Episoden, die mit Fakt und Fiktion spielen, bedienen sich vor allem aus dem Funktionsgedächtnis der US-Gesellschaft, wobei sie in der Regel jedoch für ein internationales Publikum ebenfalls anschlussfähig sind. Bei Kriegsrepräsentationen greift Voyager auf bestehende Interpretationen der Vergangenheit zurück und präsentiert keine Um- oder Neudeutungen dieser Ereignisse. Somit lässt sich verallgemeinern, dass es hierbei nicht primär um die Vermittlung von Geschichtswissen geht. Vielmehr wird auf ein Inventar von Geschichtsbildern zurückgegriffen, die bereits stark von anderen populären Arten der Geschichtsdarstellung formiert sind. Die Nutzung solcher Bilder

208 kann primär unterhaltender Natur sein, sie ist in der Voyager-Serie aber auch in ein deutliches Interesse am Umgang mit Geschichte eingebunden. Wiederholt befasst sich die Serie mit der Frage, warum Geschichte und das Erinnern an historische Ereignisse relevant sein könnte – für Individuen und ganze Gesellschaften. Sie greift damit eine Diskursformation über Geschichte auf, die den Geschichtsboom der 1990er Jahre wesentlich bestimmt hat – in den Geschichtswissenschaften, vor allem aber auch in der Öffentlichkeit. Wie in der Auseinandersetzung mit naturwissenschaftlichem Wissen hat auch die Darstellung von Geschichte in Voyager damit eine deutlich ausgeprägte ethische Dimension. Bei den drei Episoden, die sich dezidiert mit dem Wert des historischen Erinnerns auseinandersetzen, wird deutlich, dass eine Reflexion über Geschichte als wichtig erachtet wird und teilweise sogar dazu dient, sich über Vergehen in der eigenen Geschichte bewusst zu werden. Des Weiteren ist auffallend, dass sich diese Episoden mit unterdrückten Minoritäten befassen. In „Remember“ scheitert eine Liebe daran, dass eine Frau nicht den Mut aufgebracht hat, sich gegen die Ideologie der herrschenden Klasse zu erheben und Unrecht anzuprangern. Nicht ein Opfer der Unterdrückung, sondern eine Täterin will die unbequeme Erinnerung an Genozid und die dadurch ausgelöschte Volksgruppe bewahren. Ein Genozid an einer Minorität wird ebenfalls in „Memorial“ erinnert. Die Gedenkstätte bewahrt die letzte verfügbare Erinnerung daran. In „Living Witness“ wird die Geschichte verfälscht, um den Machtanspruch einer Ethnie aufrecht zu erhalten und die Unterdrückung einer Volksgruppe zu rechtfertigen. Die Aufarbeitung unrühmlicher Geschichte, wie bspw. die Sklaverei, ist in den USA ein wiederkehrendes Thema im ausgehenden 20. Jahrhundert, wie in Kap. 2.2 gezeigt wurde. In „Remember“ wird hervorgehoben, dass jede Geschichte, auch die anderer Gesellschaften, Gruppen oder Nationen, von Bedeutung sind, was die Debatte um den Bau des Holocaust Memorial Museums in Washington wachruft. Jegliches Unrecht sollte erinnert werden, da es als Mahnung für alle gilt, auch wenn die Erinnerung erzwungen wird wie in „Remember“ und „Memorial“. Im Bezug auf die eigene Geschichte einer Gesellschaft oder Nation wird in „Living Witness“ gezeigt, dass nur der verantwortliche Umgang mit Geschichte und deren möglichst wahrheitsgetreue Darstellung eine Nation einen können und ein kollektives Bewusstsein fördern. Macht- ansprüche aufgrund verfälschter Geschichtsdarstellungen werden dezidiert verurteilt. Besonders „Remember“ verdeutlicht die Bedeutung von Geschichtstradierung im kollektiven Gedächtnis. Die Weitergabe auch ‚traumatischer‘ Geschichte an Folgegen-

209 erationen wird als Verpflichtung dargestellt. Wie im Fall der Verhandlung naturwissen- schaftlichen Wissens haben zumindest einige der Geschichts-Episoden das Potenzial, aufgrund ihrer klaren Anbindung an die Lebenswelt der Zuschauer, dazu beizutragen, dass diese über den Umgang mit Geschichtswissen reflektieren.

210 Schlussbemerkungen

In Zeiten beschleunigter sozialer und globaler Umwälzungen, wie sie das ausgehende 20. Jahrhundert erlebte, kommen soziale Konstrukte wie Identität und Gemeinschafts- gefüge ins Wanken. Wissen macht die Welt dabei erfahrbar, stiftet Sinn in der Lebens- welt und konstituiert Identität. Populäres Wissen erfüllt hierbei Bedürfnisse nach Orien- tierung und auch nach Unterhaltung. Diese Bedürfnisse werden u.a. von Massenmedien befriedigt. Populäre Texte gehen dabei sowohl auf Zukunftsängste als auch Bedürfnisse nach Nostalgie ein. So wurde der Jahrtausendwechsel von populären Medien zum Anlass genommen, um in verschiedenen Themenbereichen die Vergangenheit, die Gegenwart und die Möglichkeiten der Zukunft zu reflektieren. Aus der breiten Verhandlung – auch hinsichtlich der dazu genutzten Medienarten – lässt sich auf die Relevanz von Wissen für die Lebenswelt schließen. Aufgrund ihrer Absatzorientierung greifen populäre Medien deshalb Themen auf, die viele Menschen interessieren und beschäftigen. Die vorliegende Untersuchung wollte anhand einer Fernsehserie im Genre Science Fiction zeigen, welche Arten von Wissen im ausgehenden 20. Jahrhundert als relevant für Zuschauer erachtet und in der Serie aufgearbeitet werden. Die Serienmacher von Star Trek: Voyager greifen aktuelle Themen auf, die im öffentlichen Diskurs breit zirkulieren, sezieren und adaptieren diese in ihrem ‚Laboratorium des zeitgenössischen Denkens‘ (vgl. S. 53), um sie anschließend im Science Fiction-Format zu diskutieren. Dabei wird im Hintergrund stets eine ethische Dimension von Wissen mitgeführt. Voyager kann dementsprechend als Akteur in der Wissenszirkulation nach Modus 2 (Gibbons et al.) charakterisiert werden: Wissensthemen aus Spezial- und öffentlichem Diskurs werden extrapoliert und gemäß ihrer gesellschaftlichen Relevanz ‚gespiegelt‘. Somit ist Star Trek: Voyager ein massenmediales Unterhaltungsprodukt, das der zeitgenössischen Gesellschaft hinsichtlich der Gewinnung, des Umgang und der Weitergabe von Wissen den Spiegel vorhält. Im Gegensatz oder ergänzend zum öffentlichen Diskurs, wie er sich etwa in den als Folie herangezogen Zeitschriften niederschlägt, ermöglicht es ein fiktionales Genre, die Wissensthemen anders aufzu- bereiten. Sie sind nicht nur in den Kontext ‚Unterhaltung‘ eingebunden, sondern schaffen auch eine engere emotionale Bindung des Zuschauer an die fiktionale

211 Handlung bzw. den fiktiven Charakter und können so die Bereitschaft zur Ausein- andersetzung gerade mit wissensethischen Fragen befördern. Voyager präsentiert Wissen aus den Bereichen Gesellschaftswissen, kulturelles Wissen sowie (Natur-)Wissenschaften. Medienkontroversen – ausgelöst durch diskursive Ereignisse – führen zu Aushandlungsprozessen verschiedener Akteure in verschiedenen Arenen. Die Kontroversen, die in Voyager besonders gehäuft präsentiert werden und somit Teil des Aushandlungsprozesses sind, sind Wissenschaftsethos in Hinblick auf naturwissenschaftliches und medizinisches Wissen und Geschichtskultur. Für den Diskurs ‚Wissenschaftsethik‘ steht prominent das Klonschaf Dolly als Auslöser für Neuverhandlungen im Bereich der Gentechnologie. So ermöglichen bspw. neue Erkenntnisse neue Behandlungsmethoden, welche den Menschen näher gebracht werden müssen; der öffentliche Diskurs reflektiert dabei das Für und Wider als auch die Verantwortung des Wissenschaftlers. Der öffentliche Diskurs zu den GNR-Technologien (Gentechnologie/Nanotechnologie/Robotik) verhandelt prägnant Befürchtungen über mögliche zukünftige Entwicklungen. Der Wissensbereich der künstlichen Intelligenzen kommentiert die zunehmende Technisierung der Lebenswelt; besondere Aufmerksam- keit kommt dabei Befürchtungen einer Cyborgisierung der Menschheit zu. Den Darstel- lungen zu Gentechnologie und Robotik in Voyager ist gemein, dass sie eine explizite und dezidierte ethische Wertung erfahren. Ein ethisches Dilemma wird dabei nicht immer aufgelöst, so z.B. in den Episoden „The Omega Directive“, „Nothing Human“ oder „Tuvix“, und erzielt genau aus diesem Grund seine Wirkmacht – die Anregung des Zuschauers zum Nachdenken. In der Mehrzahl der Fälle wird die Voyager-Crew als Folie gegenüber ethisch unverantwortlichem Handeln fremder Spezies positioniert und repräsentiert somit eine auf ethischen Grundlagen basierende Wissensgesellschaft. Die in der Serie aufgebauten Gesellschaftsparallelen zwischen der realen Gegen- wart des ausgehenden 20. Jahrhunderts und einer fiktiven Zukunft werden besonders deutlich im Diskurs ‚Geschichtskultur‘. Geschichte trägt hier sowohl für den Einzelnen als auch die Gruppe vornehmlich zur Konstitution von Identität bei. Dabei wird Geschichte in der Voyager-Serie auch als Unterhaltungselement eingesetzt und spiegelt zeitgenössische Modi der Geschichtskultur wie Reenactment und Living History. Die Bedeutung von historischem Wissen für das Verständnis der Gegenwart wird aufgezeigt, und die in den 1990er Jahre propagierte Ethik des Erinnerns als Mahnung an kommende Generationen wird mehrfach aufgegriffen. Dabei wird auch die Notwendigkeit von Akzeptanz und Relevanz ‚fremder‘ Geschichte für die eigene Lebenswelt thematisiert.

212 Besonders die Episoden, die den Wert eines historischen Erinnerns propagieren, bergen Reminiszenzen an zirkulierende Erinnerungskontroversen der 1990er Jahre zum Holo- caust, dem Abwurf der Atombomben über Japan oder dem My Lai-Massaker in Vietnam. Dabei wird jeweils dezidiert betont, dass auch ‚unangenehme‘ historische Ereignisse erinnert werden müssen. Populäre Medienprodukte sind kurzlebig. Da sie bestimmte Bedürfnisse zu einer bestimmten Zeit befriedigen, sind sie häufig obsolet, sobald eine Bedeutungsver- schiebung einsetzt oder andere Ereignisse als wichtiger erachtet werden. Die Nachfrage schwindet und die Medienindustrie sucht nach neuen populären Inhalten. Star Trek hat aufgrund seines Status als Kultur und Kult zwar einen relativ prominenten Platz im Funktionsgedächtnis, aber auch die Inhalte seiner Serien altern. Jedoch zeigt dies, dass Star Trek ein Seismograph für kulturelle Entwicklungen der jeweiligen Entstehungszeit und damit Teil der jeweiligen Wissenskultur ist. In diesem Sinne spiegelt Star Trek: Voyager als Speichergedächntis viele Anliegen und Ängste der Öffentlichkeit im ausge- henden 20. Jahrhundert und propagiert als Lösung eine ethische Wissenskultur.

213 Zitierte Werke

Primärquellen

Asimov, Isaac. 1950 [1942]. „Runaround.“ In: I, Robot. Garden City/NY: Doubleday. 40-58. Clarke, Arthur C. 1983 [1968]. 2001 A Space Odyssey. London: Arrow Books. Gattaca. 1997. Regie: Andrew Niccol. USA. Columbia Pictures. Shakespeare, William. 1955 The Merchant of Venice. Hg. von John Russell Brown. Arden Edition. London: Methuen. Shelly, Mary. 1831 [1811]. Frankenstein, or The Modern Prometheus. 2nd ed. London. Henry Colburn and Richard Bentley. Star Wars II: Attack of the Clones. 2002. Regie: George Lucas. USA. Lucasfilm. War of the Worlds. 1953. Regie: Byron Haskin. USA. .

VOYAGER EPISODEN – alphabetisch geordnet:

„11:59.“ 5/23. 05.05.1999. Drehbuch: Joen Menosky, Regie: David Livingston. „Author, Author.“ 7/20. 18.04.2001. Drehbuch: Phyllis Strong and Mike Sussman, Regie: David Livingston. „Basics, Part II“. 3/01. 04.09.1996. Drehbuch: , Regie: Winrich Kolbe. „Blink of an Eye“. 6/12. 19.01.2000. Drehbuch: Scott Miller und , Regie: Gabrielle Beaumont. „Bliss“. 5/14. 10.02.1999. Drehbuch: Robert J. Doherty, Regie: Cliff Bole. „Bride of Chaotica!“ 5/12. 27.01.1999. Drehbuch: Bryan Fuller und Michael Taylor, Regie: Allan Kroeker. „Cathexis“. 1/13. 01.05.1995. Drehbuch: , Regie: Kim Friedman. „Child’s Play‟. 6/19. 08.03.2000. Drehbuch: Raf Green, Regie: Mike Vejar. „Concerning Flight“. 4/11. 26.11.1997. Drehbuch: Joe Menosky, Regie: Jesús Salvador Treviño. „Course: Oblivion. 5/18. 03.03.1999. Drehbuch: Bryan Fuller and Nick Sagan. Regie Anson Williams. „Critical Care“. 7/05. 01.11.2000. Drehbuch: James Kahn, Regie: Terry Windell. „Dark Frontier“. 5/15, 5/16. 17.02.1999. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: Cliff Bole und Terry Windell. „Darkling“. 3/18. 19.02.1997. Drehbuch: Joe Menosky, Regie: Alexander Singer. „Death Wish“. 2/18. 19.02.1996. Drehbuch: Michael Piller, Regie: James L. Conway. „Demon“. 4/24. 06.05.1998. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Anson Williams. „Distant Origin“ 3/23. 30.04.1997. Drehbuch: Brannon Braga and Joe Menosky, Regie: David Livingston. „Dragons’s Teeth“. 6/07.10.11.1999. Drehbuch: Michael Taylor, Brannon Braga and Joe Menosky, Regie: Winrich Kolbe. „Dreadnought‟. 2/17. 12.02.1996. Drehbuch: Gary Holland, Regie: LeVar Burton. „Drone“. 5/02. 21.10.1998. Drehbuch: Bryan Fuller, Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: Les Landau. „Emanations“. 1/9. 13.03.1995. Drehbuch: Brannon Braga, Regie: David Livingston. „Endgame“. 7/25, 7/26. 23.05.2001. Drehbuch: Kenneth Biller and Robert Doherty, Regie: Allan Kroeker. „Equinox [Part I]‟ 5/26. 26.05.1999. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: David Livingston. „Equinox, Part II‟. 6/01.22.09.1999. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: Devid Livingston. „Ex post Facto“. 1/08. 27.02.1995. Drehbuch: Evan Carlos Somers und Michael Piller, Regie: LeVar Burton. „Extreme Risk“. 5/03. 28.10.1998. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Cliff Bole.

214 „Eye of the Needle“. 1/07. 20.02.1995. Drehbuch: Bill Dial und , Regie: Winrich Kolbe. „Faces“. 1/14. 08.05.1995. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Winrich Kolbe. „Fair Haven“. 6/11. 12.01.2000. Drehbuch: Robin Burger, Regie: Allan Kroeker. „Flashback“. 3/02. 11.09.1996. Drehbuch: Brannon Braga, Regie: David Livingston. „Flesh and Blood“. 7/09, 7/10. 29.11.2000. Part I: Drehbuch: Bryan Fuller Regie: Mike Vejar. Part II: Drehbuch: Raf Green and Kenneth Biller, Regie: David Livingston „Friendship One“. 7/21. 25.04.2001. Drehbuch: Michael Taylor und Bryan Fuller, Regie: Mike Vejar. „Fury“. 6/23. 03.05.2000. Drehbuch: Bryan Fuller und Michael Taylor, Regie: John Bruno. „Future’s End [Part I]‟. 3/08. 06.11.1996. Drehbuch: Brannon Braga and Joe Menosky, Regie: David Livingston. „Future’s End, Part II‟. 3/09. 13.11.1996. Drehbuch: Brannon Braga and Joe Menosky, Regie: Cliff Bole. „Heroes and Demons“. 1/12. 24.04.1995. Drehbuch: Naren Shankar, Regie: Les Landau. „In the Flesh“. 5/04. 04.11.1998. Drehbuch: Nick Sagan, Regie: David Livingston. „Jetrel“. 1/15. 15.05.1995. Drehbuch: Jack Klein, Karen Klein und Kenneth Biller, Regie: Kim Friedman. „Juggernaut“. 5/11. 26.04.1999. Drehbuch: Bryan Fuller, Nick Sagan and Kenneth Biller, Regie: Allan Kroeker. „Latent Image.“ 5/11. 20.01.1999. Drehbuch: Joe Menosky, Regie: Mike Vejar. „Learning Curve“ 1/16. 22.05.1995. Drehbuch: Ronald Wilkerson and Jean Louise Matthias, Regie: David Livingston. „Life Line“. 6/24. 10.05.2000. Drehbuch: Robert Doherty, Raf Green und Brannon Braga. Regie: Terry Windell. „Lifesigns“. 2/19. 26.02.1996. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Cliff Bole. „Lineage“. 7/12. 24.01.2001. Drehbuch: James Kahn, Regie: Peter Lauritson. „Living Witness“. 4/23. 29.04.1998. Drehbuch: Bryan Fuller, Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: Tim Russ. „Macrocosm“. 3/12. 11.12.1996. Drehbuch: Brannon Braga, Regie: Alexander Singer. „Maneuvers“. 2/11. 20.11.1995. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: David Livingston. „Meld“. 2/16. 05.02.1996. Drehbuch: Michael Piller, Regie: Cliff Bole. „Memorial“. 6/14. 02.02.2000. Drehbuch: Robin Burger, Regie: Allan Kroeker. „Mortal Coil“. 4/12. 17.12.1997. Drehbuch: Bryan Fuller, Regie: Allan Kroeker. „Natural Law“. 7/22. 02.05.2001. Drehbuch: James Kahn, Regie: Terry Windell. „Night“. 5/01. 14.10.1998. Drehbuch: Brannon Braga and Joe Menosky, Regie: David Livingston. „Nightingale“. 7/08. 22.11.2000. Drehbuch: André Bormanis, Regie: LeVar Burton. „Nothing Human“. 5/08. 02.12.1998. Drehbuch: Jeri Taylor, Regie: David Livingston. „One Small Step“. 6/08. 17.11.1999. Drehbuch: Mike Wollaeger et al., Regie: Robert Picardo. „Persistence of Vision“. 2/08, 30.10.1995. Drehbuch: Jeri Taylor, Regie: James L. Conway. „Phage.“ 1/05. 06.02.1995. Drehbuch: Skye Dent and Brannon Braga, Regie: Winrich Kolbe. „Prime Factors.“ 1/10. 20.03.1995. Drehbuch: Michael Perricone und Greg Elliot, Regie: Les Landau. „Prophecy“. 7/14. 07.02.2001. Drehbuch: Michael Sussman and Phyllis Strong, Regie: Terry Windell. „Prototype“. 2/13. 15.01.1996. Drehbuch: Nicholas Corea, Regie: Jonathan Fraser. „Random Thoughts“. 4/10. 09.11.1997. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Alexander Singer. „Real Life“. 3/22. 23.04.1997. Drehbuch: Jeri Taylor, Regie: Anson Williams. „Remember“. 3/06. 09.10.1996. Drehbuch: Lisa Klink, Regie: Winrich Kolbe. „Repentance“. 7/13. 31.01.2001. Drehbuch: Robert Doherty, Regie: Mike Vejar. „Resistance“. 2/12. 27.11.1995. Drehbuch: Lisa Klink, Regie: Winrich Kolbe. „Resolutions“. 2/25 13.05.1996. Drehbuch: Jeri Taylor, Regie: Alexander Singer. „Revulsion“. 4/05. 01.10.1997. Drehbuch: Lisa Klink, Regie: Kenneth Biller.

215 „Riddles“. 6/06. 13.11.1999. Drehbuch: Robert Doherty, Regie: Roxann Dawson. „Scientific Method. 4/07. 29.10.1997. Drehbuch: Lisa Klink, Regie: David Livingston. „Scorpion [Part I]‟. 3/26. 21.05.1997. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: David Livingston. „Survival Instinct“. 6/02. 29.09.1999. Drehbuch: Ronald D. Moore, Regie: Terry Windell. „Tattoo“. 2/09. 06.11.1995. Drehbuch: Michael Piller, Regie: Alexander Singer. „The 37’s“. 2/01. 28.08.1995. Drehbuch: Jeri Taylor und Brannon Braga, Regie: James L. Conway. „The Chute“. 3/03. 18.09.1996. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Les Landau. „The Fight“. 5/19. 24.03.1999. Drehbuch: Joe Menosky, Regie: Winrich Kolbe. „The Haunting of Deck Twelve“. 6/25. 17.05.2000. Drehbuch: Mike Sussman et al., Regie: David Livingston. „The Killing Game“ 4/18, 4/19. 04.03.1997. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: David Livingston. „The Omega Directive“. 4/21. 15.04.1998. Drehbuch: Lisa Klink, Regie: Victor Lobl. „The Q and the Grey“. 3/11. 27.11.1996. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Cliff Bole. „The Raven“. 4/06. 08.10.1997. Drehbuch: Bryan Fuller und Harry Doc Kloor, Regie: LeVar Burton. „Think Tank“. 5/20. 31.03.1999. Drehbuch: Michael Taylor, Regie: Terrence O'Hara. „Thirty Days“. 5/09. 09.12.1998. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Winrich Kolbe. „Threshold“. 2/15. 29.01.1996. Drehbuch: Brannon Braga, Regie: Alexander Singer. „Tuvix‟. 2/24. 06.05.1996. Drehbuch: Kenneth Biller Regie: Cliff Bole. „Unimatrix Zero [Part I]‟. 6/26. 24.05.2000. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: Allan Kroeker. „Unimatrix Zero, Part II‟. 7/01. 04.10.2000. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: Mike Vejar. „Unity“. 3/17. 12.02.1997. Drehbuch: Kenneth Biller, Regie: Robert Duncan McNeill. „Virtuoso“. 6/12. 26.01.2000. Drehbuch: Raf Green und Kenneth Biller, Regie: Les Landau. „Warhead‟. 5/25. 19.05.1999. Drehbuch: Michael Taylor and Kenneth Biller, Regie: John Kretchmer. „Year of Hell [Part I]‟. 4/08. 05.11.1997. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky , Regie: Allan Kroeker.. „Year of Hell, Part II‟. 4/09. 12.11.1997. Drehbuch: Brannon Braga und Joe Menosky, Regie: Mike Vejar.

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231 Anhang

Grafische Darstellung der quantitativen Artikelanalyse

Für die quantitative Artikelanalyse wurden die beiden Datenbanken Business Source Premier (Scientific American) und Academic Search Premier (Time Magazine, Newsweek und Popular Science) genutzt.

Abb. 1: Artikelanzahl kummuliert für die Suchbegriffe „genetic engineering‟ und „cloning‟

Artikelanzahl kummuliert für die Suchbegriffe "genetic engineering" und "cloning"

30

25

20 Scientific American 15 Popular Science Time 10 Newsweek Anzahl Artikel 5

0 19901991199219931994199519961997199819992000200120052010 Jahr

Wie hier deutlich erkennbar ist, nimmt die Anzahl der Artikel ab dem Jahr 1997 deutlich zu. Zuvor waren die beiden Themen nur vereinzelt aufgegriffen worden. Selbst der Start des Human Genome Projekt im Jahr 1990 hat zu keiner auffälligen Zunahme an Artikeln geführt. Interessant ist, dass das Nachrichtenmagazin Time in den Jahren 1999 und 2000 die meisten Artikel zu diesem Wissenschaftsthema veröffentlichte. Ein Grund hierfür ist sicherlich die Special Reports-Reihe „Visions-21“.

232 Abb. 2: Artikelanzahl kummuliert für die Suchbegriffe „robots“ und „artificial intelligence“

Artikelanzahl "Robots" und "artificial intelligence" kummuliert

25

20

15 Scientific American Popular Science 10 Time Newsweek Artikelanzahl 5

0 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 Jahr

Für das Thema ‚künstliche Intelligenzen‘ gibt es in dem untersuchten Zeitraum keine auffallende Häufung, wie das für die Gentechnologie im Jahr 1997 der Fall ist. Treffer für Artikel, die bspw. PC-Spiele und Automobiltechnik thematisierten, wurden nicht herausgefiltert. Dies verdeutlicht den bedeutenden Anteil von Technik an unserer Lebenswelt. Die leichten Ausschläge für die Jahre 1999 und 2000 sind auf die Spezial- ausgaben von Time und Scientific American zum Millenniumswechsel zurückzuführen. Erstaunlich ist, dass es nicht mehr Treffer für die Suchbegriffe in Popular Science gab, da die Zeitschrift sich in ihrer Selbstdarstellung als Magazin für den Konsumenten präsentiert.

233 Abb. 3: Artikelanzahl kummuliert für den Suchbegriff „nanotechnology“

Nanotechnology 14 12 10 8 Scientific American 6 Popular Science Time 4 Newsweek 2

Anzahl der Artikel der Anzahl 0 1996 1998 2000 2002 2004 2006 1995 1997 1999 2001 2003 2005 2007 Jahr

Bei diesem Schaubild ist deutlich zu erkennen, dass die Zeitschrift Scientific American eng mit Wissenschaftler zusammenarbeitet und somit beständig über neueste Forschung berichtet. Das Time Magazine dagegen verhandelt Nanotechnologie nur in den Spezial- ausgaben zum Millenniumswechel. Gegen Ende der ersten Dekade des 21. Jahrhunderts wird das Thema auch zunehmend in Artikeln von Popular Science aufgegriffen.

234