Deichrückverlegung Lenzen-Wustrow – Geschichte Und Umsetzung Im
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Deichrückverlegung Lenzen-Wustrow – Geschichte und Umsetzung im Rahmen eines Naturschutzgroßprojektes History and Implementation of the Lenzen-Wustrow Dike Relocation Dr. rer. nat. Christian Damm, KIT-WWF Auen-Institut, Rastatt Die Deichrückverlegung Lenzen-Wustrow hat eine a few individual regional actors, and was continuously längere Vorgeschichte, die zum einen auf die hydrau- extended, receiving support from various funding and lischen Probleme an der Elbe-Engstelle und der be- research projects. Over the years it met with increasing nachbarten engen Flussbiegung zurückgeht, später auf approval and finally brought about the implementation die regionalen Bestrebungen von Landwirtschaft und of the federally funded large-scale conservation pro- Naturschutz, nach der politischen Wende die Potenzi- ject in the Elbe valley floodplains near Lenzen. The dike ale der Auenlandschaft im Biosphärenreservat Fluss- relocation became the central measure of the project. landschaft Elbe-Brandenburg einvernehmlich zu ent- It was by this measure only that the desired restora- wickeln. Dieser von einigen wenigen begonnene und tion of the floodplain to its original state and function kontinuierlich ausgebaute Prozess verlief über diverse could be achieved.Special attention was given to the Förder- und Forschungsvorhaben, gewann über die re-establishment of alluvial forest. This project was ex- Jahre immer mehr Zustimmung und führte letztlich auch emplary in that it was a joint effort to realize the aims zur Realisierung des bundesgeförderten Naturschutz- of nature conservation, flood protection and agriculture großprojektes Lenzener Elbtalaue, welches die Deich- as well as other objectives. This paper gives a detailed rückverlegung bei Lenzen als zentrale Maßnahme be- description of the project history and its implementation inhaltete. Nur durch diese Rückverlegung des Deiches as part of the large-scale conservation project. konnte die angestrebte flächenhafte Wiederherstellung von Ausgangsbedingungen für eine naturnahe, funktio- nal weitgehend intakte Auenlandschaft gelingen, in der 1 Projektgeschichte dem Auwald besonderes Augenmerk geschenkt wur- Project history de. Damit konnten in diesem Projekt Ziele von Natur- schutz, Hochwasserschutz, Landwirtschaft und weitere Die Geschichte der Deichrückverlegung bei Lenzen be- in beispielhafter Weise gemeinsam verwirklicht werden. ginnt im weitesten Sinne schon im Jahr 1898 mit der Der vorliegende Artikel beschreibt die Geschichte des mahnenden Feststellung der königlichen Elbstromver- Projektes und seine Umsetzung im Rahmen und aus waltung, dass eine Deichengstelle zwischen der ehe- der Perspektive des Naturschutzgroßprojektes. maligen Lenzener Fähre (El-km 479,5) und dem Garto- wer Elbholz (El-km 483,5) besteht (Elbstromwerk, 1898). The relocation of the Lenzen-Wustrow dike has a long Die problematische flussnahe linksseitige Deichfüh- history. Originally, the hydraulic problems occurring rung wurde in den 1950er-Jahren durch das Land Nie- at the Elbe bottleneck and the adjacent narrow river dersachsen im Rahmen der Deichsanierung beseitigt. bend were the reasons for first considerations on the Zu weiteren Überlegungen einer Deichrückverlegung case. Subsequently, the political turnaround triggered kam es erst viel später im Rahmen von Betrachtungen regional activities in the field of agriculture and nature zur Kompensation von Wasserspiegelerhöhungen in- conservation with the aim to utilize and promote the folge des geplanten Abschlusses von Nebenflussmün- development potential of the floodplains in the Bio- dungen. So wurden in den 1960er-Jahren in der For- sphere Reserve “River Landscape Elbe-Brandenburg”. schungsanstalt für Schifffahrt, Wasser- und Grundbau The process of the relocation project was initiated by (FAS) in Potsdam-Marquardt Überlegungen zu Deich- BAWMitteilungen Nr. 97 2013 23 Damm: Deichrückverlegung Lenzen-Wustrow – Geschichte und Umsetzung im Rahmen eines Naturschutzgroßprojektes rückverlegungen an der Elbe angestellt, in denen u. a. damals noch zu Mecklenburg gehörende Naturpark für den „Bösen Ort“ bei Lenzen eine ca. 70 Hektar Mecklenburgische Elbtalaue (heute: Biosphärenreser- große Rückverlegung des Deiches um ca. 200 m bis vat Flusslandschaft Elbe-Brandenburg). In enger Zu- 250 m enthalten war (siehe Bild 1). Eine Realisierung ist sammenarbeit entwickelten dessen damaliger Leiter Dr. aber vor allem aus finanziellen Gesichtspunkten nicht Frank Neuschulz (†) und der Landwirt und Vorsitzende weiter verfolgt worden. des landwirtschaftlichen Großbetriebes, Horst Möhring, die genannten Ideen weiter. Auch der Präsident des Erst knapp 30 Jahre später wurde das Thema, dies- brandenburgischen Landesumweltamtes (heute: LUGV mal allerdings von anderer Seite, wieder aufgegriffen. – Landesamt für Umwelt, Gesundheit und Verbrau- In den turbulenten Zeiten nach dem Fall der Mauer cherschutz), Prof. Matthias Freude, konnte ebenfalls konnten und mussten in vielen Regionen neue Wege schnell für das Vorhaben gewonnen werden. beschritten werden. In Lenzen trafen frühzeitig Ver- Dabei wurde von vornherein die Entwicklung einer treter aus Naturschutz und Landwirtschaft zusammen. naturnahen Auenlandschaft als Integration von Kultur- Der örtliche landwirtschaftliche Großbetrieb (bewirt- landschaft und Naturlandschaft verstanden, was mit schaftete Fläche heute knapp 3.600 Hektar) ergriff die der Ausweisung von Naturpark und Biosphärenreser- Chance, mit einer ökologischen Ausrichtung lokales vat konsequent fortgesetzt wurde. Der überregional wirtschaftliches Handeln und die naturschutzorien- weitgehend verloren gegangene Auenwald gehörte tierten Bestrebungen der Regionalentwicklung in der an zentraler Stelle zu den Überlegungen. Vor dem Hin- Elbtalaue zu verbinden und dieses mit fachkompe- tergrund der sehr begrenzten Flächen an rezenter Aue tenten Experten aus Wissenschaft, Verwaltung sowie war damit von Beginn an die Idee einer Deichrückverle- Landes- und Bundesbehörden zu diskutieren. Auch gung verbunden. erste Ideen zur Entwicklung der Flusslandschaft wur- den erörtert, wobei die Möglichkeiten zur Auwaldwie- Das so ungewöhnliche wie für das Projekt bedeutsame derherstellung und Deichverlegung unter anderem Er- Engagement der Landwirtschaft für die Sache ging auch wähnung fanden. Es entstand in dieser Zeit auch der auf die lokale Erfahrung von 14.000 Hektar umfassender Bild 1: Varianten der rückverlegten Deichlinien im Verlauf der Projektgeschichte Figure 1: Dike route variants considered in the project's history 24 BAWMitteilungen Nr. 97 2013 Damm: Deichrückverlegung Lenzen-Wustrow – Geschichte und Umsetzung im Rahmen eines Naturschutzgroßprojektes und bei Weitem nicht nur erfolgreicher Meliorations- wertet, während einer Deichrückverlegung anfangs maßnahmen in den frühen 1970er Jahren v. a. in der fast die Hälfte der Befragten eher skeptisch oder ab- benachbarten Lenzener Wische zurück. Diese staatlich lehnend gegenüberstand (Stelzig, 1999). Die geleiste- angeordnete Maßnahme brachte eine strukturarme, te Überzeugungsarbeit einiger weniger kann deshalb von Grünlandnutzung geprägte Agrarlandschaft hervor, nicht hoch genug eingeschätzt werden. Sie wurde ab blieb aber trotz erheblichen Aufwandes weit hinter den 2003 in der ersten Phase des Naturschutzgroßpro- angestrebten Zielen einer weitgehenden ackerbau- jektes mit einem Moderationsverfahren und Öffentlich- lichen Erschließung der Auenflächen zurück. Der Lenze- keitsarbeit fortgeführt. Dass sich die Akzeptanzsituation ner Großbetrieb erkannte nach der politischen Wende, im Projektverlauf grundlegend verändert hat, wurde in dass mit der landwirtschaftlichen Nutzung allein unter der Evaluation des Projektes eindeutig nachgewiesen den Bedingungen der Marktwirtschaft in dieser struk- (Luley und Peters, 2010). Die Entwicklung vom Zünden turarmen Region die bisherige Beschäftigungsintensität einer damals ungewöhnlichen Idee in einer ablehnen- langfristig nicht aufrechtzuerhalten war. Die folgende den Umgebung über viele Jahre zu einem erfolgreich Diversifizierung des Betriebskonzeptes beinhaltete des- vollendeten Projekt, dem inzwischen selbst viele ehe- halb auch landschaftspflegerische und regionaltouris- malige Gegner Respekt zollen, ist eine der großen Leis- tische Zweige, welche mit der Idee einer Deichrückver- tungen des Gesamtprojektes. legung und der Entwicklung einer naturschutzgeprägten Auenlandschaft gut zu ergänzen waren. Hieraus ging Die inhaltliche Ausgestaltung der Projektidee und ihre das langjährige und letztlich erfolgreiche Engagement kontinuierliche Weiterentwicklung in den 1990er-Jah- des Betriebes für das Deichrückverlegungsprojekt her- ren wurden vor allem durch die Verwaltung des Natur- vor, welches für die Durchsetzung des Projektes in der parkes und späteren Biosphärenreservates betrieben. Region unverzichtbar war. Erste Projektideen wurden in einer Antragsskizze für ein vom Flächen- und Finanzvolumen sehr umfangreiches Die Realisierung des Projektes ist vor allem dem kon- EU-LIFE-Projekt bereits Ende 1992 niedergeschrie- tinuierlichen Engagement der genannten Akteure ben. Auf Anraten der EU-Gutachter wurde daraus ein über fast ein Jahrzehnt – von ersten Projektskizzen kleinerer, auf den Raum Lenzen (und ein Teilgebiet im bis zum Beginn des Naturschutzgroßprojektes im Ok- Rühstädter Vorland/Gnevsdorfer Werder) beschränkter tober 2002 – zu verdanken. Auch die als strategisch überarbeiteter Antrag erstellt, der 1994 zur Bewilligung zu bewertende Initiierung der im Folgenden genann- des LIFE-Projektes „Renaturierung der