Die Kies AG Aaretal KAGA in Uttigen - Porträt einer vielseitigen Unternehmung

Autor(en): Trachsel, Jürg / Schwendimann, Reto

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Historischer Kalender, oder, Der hinkende Bot

Band (Jahr): 275 (2002)

PDF erstellt am: 24.09.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-654837

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http://www.e-periodica.ch JURG TRACHSEL, RETO SCHWENDIMANN Die Kies AG Aaretal KAGA in Uttigen - Porträt einer vielseitigen Unternehmung

Kies und Sand gehören zu den bedeutends- sich für die Verbreitung alternativer B auwei- ten Rohstoffen der Vergangenheit und der sen sowie die Verwendung von recyclierten Zukunft. Jeden Tag begegnen wir ihnen wahr- Stoffen zur Schonung der natürlichen Kiesvor- haftig auf «Schritt und Tritt». Kies und Sand kommen ein. Stark gewachsen ist in den letz- zählen zu den wichtigsten Baumaterialien der ten Jahren der Bereich Dienstleistungen mit von uns bewohnten Häuser; wir benutzen Strassenreinigung, Winterdienst, Führen von Strassen, deren Koffer aus Kies und deren Fremddeponien, Rekultivierungsarbeiten und Belag aus Splitt und Asphalt besteht; reisen Entwässerungen. In insgesamt siebzehn Voll- wir mit dem Zug, fahren wir auf einem Bahn- zeit- und vier Teilzeitstellen beschäftigt die trassee aus Hartschotter. Unternehmung grösstenteils Leute aus der Region.

D/e K/esVersorgung

Im Jahr 1967 gründeten die Strassenbau- Die Schweiz ist von Natur aus arm an Unternehmung Kästli AG sowie die Kieswerke Bodenschätzen. Die Gewinnung von Kies und Hofstetter AG und Messerli AG das Kieswerk Sand ist die wichtigste Abbautätigkeit in unse- Uttigen. Im Jahr 1970 entstand daraus die rem Land und entspricht einer Grundversor- Kies AG Aaretal KAGA, welche nun insge- gung wie Landwirtschaft und Energie. In der samt sieben Kieswerke und zwei Bauunter- Schweiz liegt der jährliche Gesamtverbrauch nehmungen vereinigte. Ihr Ziel ist es, die an Kies und Sand bei zirka dreissig Millionen langfristige Kiesversorgung im Raum Aaretal Kubikmetern. Das bedeutet, dass durchschnitt- zwischen und Bern sicherzustellen. Die lieh jeder Einwohner pro Jahr einen Lastwa- Haupttätigkeit der KAGA besteht im Kies- gen mit fünf Kubikmetern Kies verbraucht. abbau. Die KAGA betreibt vier Kiesabbaustel- Ein bedeutender Teil des im Aaretal des Kan- len sowie fünf Aushubdeponien im Raum tons Bern verwendeten Kieses und Sandes , Kirchdorf und Niederwichtrach. Die stammt aus den Abbaustellen der Kies AG Betriebsstätten wechseln je nach Abbautätig- Aaretal KAGA in Uttigen. keit zwischen den einzelnen Abbaustellen. Jährlich überprüft der Schweizerische Fach- verband für Sand und Kies FSK, ob alle K/esvor&owwe« behördlichen und internen Vorschriften und Richtlinien eingehalten werden. Das nutzbare Lockergestein mit einer Das Bekenntnis zum Naturschutz im Zu- Mächtigkeit von gegen dreissig Meter ist ein sammenhang mit dem Kiesabbau unterstreicht direktes geologisches Produkt von Vorstössen die KAGA mit ihrer Mitgliedschaft bei der der Oberlandgletscher ins Aaretal. Der Kies ist Stiftung für Landschaft und Kies. Sie enga- während vier Vergletscherungen in dieses giert sich zusätzlich in zahlreichen Kommis- Gebiet geschüttet worden. Es handelt sich sionen zur Ausarbeitung einheitlicher Richtli- dabei um so genannte Vorstossschotter, das nien für die Bauabfallentsorgung und setzt heisst um die Ablagerungen der vom Glet-

62 scher wegfliessenden Schmelzwasserflüsse Anschliessend an die Verhandlungen mit während des Gletscherwachstums. Diese den Grundeigentümern wird das umfangreiche Schotter wurden anschliessend von der Glet- und langwierige Planungs- und Bewilligungs- schergrundmoräne überlagert. Die ältesten verfahren eingeleitet, welches fünf bis zehn Kiesschüttungen liegen auf einer zum Aaretal Jahre in Anspruch nehmen kann. Dabei müs- hin abfallenden Seetonoberfläche. Diese See- sen von den kantonalen Behörden auch die ablagerungen sind gegen fünfhunderttausend unterschiedlichen Interessen im Bereich Land- Jahre alt und enthalten Versteinerungen von schafts- und Gewässerschutz abgewogen wer- Holz, Schnecken und Muscheln. Aus den den. Die definitive kantonale Abbaubewilli- zweitjüngsten Schottern stammt beispiels- gung erteilt schliesslich das Amt für Gemein- weise ein leider nicht mehr gut erhaltenes den und Raumplanung (AGR). Frühzeitig ist Stück eines Mammutstosszahns. insbesondere die Standortgemeinde zu infor- mieren, um zum gegebenen Zeitpunkt die kommunale Abbaubewilligung zu erwirken. Ver/tanci/imge« — F/a/7«/7g — Bevw/Z/gMnge« Auch die Standortgemeinden werden für die Kiesabbautätigkeit der KAGA auf ihrem Am Anfang eines möglichen Kiesabbaus Gemeindegebiet entschädigt. Zudem werden steht die Suche und Abklärung von Kiesvor- zur Verringerung des durch den Kiesabbau kommen, in der Fachsprache Kiesprospektion verursachten Strassen- und Grubenverkehrs genannt. Zusammen mit Geologen nimmt die Massnahmen ausgelöst, um die entstehenden KAGA die notwendigen Sondierbohrungen Lärm- und Staubbelastungen zu verringern. vor, welche häufig über dreissig Meter Tiefe So hat der Bau der Umfahrungsstrasse erreichen. Zeigt das Resultat, dass ein abbau- mit Autobahnanschluss 1976/1977 und des fähiges Kiesvolumen vorhanden ist, sind mit Jabergtunnels 1988/1989 den Anwohnern den Grundbesitzern die Abbaurechte vertrag- wesentliche Verbesserungen gebracht. Für lieh zu regeln. Die KAGA besitzt grössere Kirchdorf wird nächstens ein mit Bäumen und Liegenschaften, die hauptsächlich aus land- Sträuchern bepflanzter Sichtschutzdamm fer- wirtschaftlichen Flächen und Waldstücken tig erstellt, der die Einsicht in die kommenden bestehen. Die Unternehmung kann damit den Abbauetappen verwehren und zugleich Lärm- Grundeigentümern wäh- rend der Dauer des Kiesabbaus Realersatz zur Bewirtschaftung anbieten. Ist das nicht möglich, erhalten sie eine Ertragsausfallent- Schädigung. Zusätzlich zum Realersatz oder zur Ertragsausfallent- Schädigung bekommen die Grundeigentümer von der KAGA eine Kiesnutzungsentschä- digung pro Kubikmeter abgebauten Kies, was diesen betrieblich inte- ressante Möglichkeiten eröffnet. Kiesauflad mit dem Pneulader direkt auf Lastwagen

63 Verkauf in verschiedene Koragrössen sortiert. Etwa neunzig Prozent des Kieses wird in Kies- werke transportiert, dort aufbereitet und haupt- sächlich zu Beton sowie Asphalt weiterverarbei- tet. So sind im Verlauf der Jahre von der KAGA bis Ende 2000 zwölf Millionen Kubik- meter Kies abgebaut worden.

G/ezcAgevwc/zf zvw'äefe« K/tesör£>£>tfw Atozmsc/zMtz in fiten Ktesg/-«£>e« fiter KAGA

Deponie für Aushubmaterial der KA A Kiesgruben sind zwar vom Menschen und Staubschutz gewährleisten soll. Diese geschaffene Elemente der Landschaft. Sie sind Massnahmen fördern die Zufriedenheit und jedoch auch Ersatzlebensräume für eine Viel- das Verständnis der Standortgemeinden und zahl besonderer Naturbiotope, die Seltenheits- ihrer Anwohner für die Tätigkeiten der wert besitzen. Von Gewässern über extrem KAGA. nasse bis zu extrem trockenen Standorten steht speziellen Tier- und Pflanzenarten ein breites Spektrum von Lebensräumen zur Verfügung. KiesaöööM in der KAGA So können der Pflanzen- und Tierwelt die Kiesbänke jener Flüsse ersetzt werden, die in Vor dem eigentlichen Kiesabbau führt die den letzten hundert Jahren zwischen Dämmen KAGA bodenkundliche Aufnahmen durch. gezähmt worden sind und nicht mehr frei ver- Diese beschreiben den gewachsenen Boden laufen. In einem Flusstal, das vom Menschen bezüglich Bodentyp, Bodenstruktur, Steinge- unbeeinflusst ist, schüttet das Gewässer Kies- halt und Wasserhaushalt. Sorgfältig werden bänke auf und ändert immer wieder seinen dann Lage um Lage die Schichten Ober- und Lauf. Es entstehen kurzfristige Lebensräume Unterboden abgetragen und für die spätere für Pflanzen und Tiere, die den extremen Ver- Rekultivierung gelagert. Der Steingehalt des hältnissen im Flussbett angepasst sind. Die darunter liegenden Moränematerials mit bis zu gleiche Dynamik ist beim Kiesabbau anzutref- fünf Metern Stärke ist gering, es wird für fen. Es entstehen immer wieder trockene Kies- Dammschüttungen oder als Abdichtung auf flächen oder Nassstandorte, die von den Pio- der Grubensohle verwendet. Der Abbau des nieren im Pflanzen- und Tierreich in kurzer verkitteten Kieses erfolgt sodann durch Auf- Zeit besiedelt werden. reissen und Abstossen mit dem Bulldozer. Mit Die Mitarbeiter der KAGA sorgen unter dem Pneulader wird der Kies direkt ab Wand Beizug von Biologen und der Stiftung für auf die Lastwagen aufgeladen oder vor dem Landschaft und Kies dafür, dass in ihren Kies-

64 abbaustellen bei der Materialentnahme lau- Deponiematerial wird bei der Eingangskontroi- fend solche geeigneten Standorte geschaffen le überprüft und zur entsprechenden Ablade- werden. Sonnenexponierte Sand- und Stein- stelle gebracht. Dort wird es abgekippt, noch- häufen sind beispielsweise einzigartige mais kontrolliert und mit dem Trax eingebaut. Lebensräume für zahlreiche wärmebedürftige Einstoffmulden werden sortengerecht auf den Kleintiere. So finden Zauneidechsen in Stein- dafür speziell beschrifteten Depotplätzen häufen Unterschlupf und Sandlaufkäfer sowie abgekippt. Dadurch können geeignete Mate- Ameisenlöwen lauern in ihren selbst gegrabe- rialien ohne aufwändige Sortierarbeit wieder- nen Röhren oder Fangtrichtern auf vorbeikom- verwertet werden. Der aussortierte oder mende Beutetiere. In Tümpeln finden Molche, bereits auf den Baustellen separierte Beton- Kröten und Frösche ihre natürliche Umge- abbruch wird mit einer Brechanlage zerklei- bung. Solche selten gewordene Tierarten kön- nert und in verschiedene Grössen gesiebt. Die nen in diesen Ersatzlebensräumen nicht nur so gewonnenen Recyclingprodukte, die einer kurzfristig überleben, sondern finden hinter jährlichen Qualitätsprüfung unterzogen wer- dem Kiesabbau herwandernd immer wieder den, eignen sich gut für die Betonherstellung die mageren, trocken-warmen Böden oder die oder als rückgewonnener Kiesersatz im Stras- nassen und feuchten Standorte, an die sie so senbau. Beispielsweise im Flurwegbau ist die hervorragend angepasst sind. Stabilität auf Grund der rollhemmenden Der Kiesabbau bedeutet immer einen Ein- Eigenschaft sehr beliebt. Vermischte Bau- griff in die Natur. Ohne Kiesabbaustellen wäre abfalle müssen mit einer speziellen Bagger- aber die Existenz von Pflanzen- und Tierarten, greifzange sortiert werden. Um diese Entsor- welche nur an solch extremen Standorten gung und Wiederverwertung bewältigen zu überleben können, noch mehr gefährdet. Die können, gründete die KAGA die Sortiergesell- KAGA erachtet es des- halb als ihre Verpflich- tung, das Gleichge- wicht und die Vernet- zung von Kiesabbau und Naturschutz in ihren Kiesabbaustellen im Rahmen einer ganz- heitlichen Betrachtung laufend zu fördern.

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ühnr/i che KAGA

Der durch den Kies- abbau entstehende De- ponieraum dient wäh- rend zirka fünf Jahren als Entsorgungsort für Aushubmaterial wie Be- ton, Mörtel und Back- steine. Das angelieferte schaft SOGES AG. Als Gründerin ist die AUS URALTEN ZEITEN KAGA zudem an der AG für Abfallverwer- tung AVAG beteiligt, welche im südlichen Teil De;" c/e/" Se/i des Kantons Bern die Siedlungsabfälle ent- Ge;V sorgt und mit ihrer Deponie im Raum Jaberg/ Kirchdorf bis 1999 zum Auffüllen der Kiesab- In der Seli zu Röthenbach, wo es zu gewis- baustelle beitrug. sen Zeiten nicht ganz geheuer sein soll, erhebt sich eine berüchtigte Felswand, die der Weg in einer langen Kehre umgeht. Nur ungern betra- — ei« Spezia/ge/Vef üfer KAGA ten die einheimischen Bewohner des Tales nachts diese Gegend. Denn an diesem Felsen Seit Aufnahme ihrer Tätigkeit legt die sieht man zuzeiten den Geist eines Sennes, der KAGA grössten Wert darauf, die aufgefüllten für die zu seinen Lebzeiten begangene Untat Kiesabbaugebiete landschaftlich grossräumig büssen muss. zu gestalten und wieder einer landwirtschaft- Unter schrecklichem Ächzen und Stöhnen liehen Nutzung zuzuführen. Dabei hat sie sich ist er dann damit beschäftigt, einen Stier an von Anfang an nie mit der rein ästhetischen einem Hornseil über den Abgrund hinaufzu- Begrünung begnügt. Vielmehr ist es der ziehen. Ist er endlich mit seiner Last oben KAGA ein Anliegen, die Flächen nicht nur in angelangt, so versagen seine Kräfte, das Tier ihrem früheren Zustand zurückzugeben, son- entgleitet seinen Händen und stürzt wieder in dem im Vergleich zum Ausgangszustand sogar die Tiefe. Dazu jauchzt und schreit der Senn, eine vielfältigere Nutzung zu erreichen. So hat dass es dem heimlichen Beobachter durch der Bodenaufbau schrittweise zu erfolgen. Mark und Bein fährt. Das muss der Bösewicht Natürliche Entwässerungen werden eingebaut zur Strafe dafür tun, weil er einst halb im und der vor dem Kiesabbau schichtweise Zorn, halb im Ubermut den Stier an jener Stel- abgetragene Unter- und Oberboden muss wie- le über den Abgrund hinaus in den Tod gejagt der angelegt werden. Dazwischen lässt man hat. Er wird erst Ruhe finden, wenn er ihn dem Boden immer wieder genügend Zeit, wieder über die Wand hinauf auf die Weide damit sich die nötigen Pflanzenwurzeln bilden gehoben hat. und Kleinlebewesen ansiedeln können. Eine gute Rekultivierung nimmt deshalb rund fünf WETTBEWERB Jahre in Anspruch. Im Anschluss an diesen Volksbräuche Vorgang wird das Land dem Grundeigentümer zur erneuten landwirtschaftlichen Nutzung Silvesterkläuse zurückgegeben. Seit dem ersten Abbau von In vier Gemeinden eines hügeligen Hochlandes und Kies an dieser Stelle sind nun gut gerne im Osten des Landes gehen an Silvester Jahre verflossen! zwanzig «männliche» Schellenkläuse und «weibliche» Erfolgreiche Rekultivierungen vertiefen bei Roilenkläuse von Hof zu Hof, wo sie ihre Natur- allen Beteiligten - sei es beim Landwirt, der sein Land zur Verfügung stellt, sei es bei den jodel vorführen. Man unterscheidet zwischen zuständigen Behörden, die der KAGA die not- «wüsten», mit Tannreisig, Tannzapfen, Hobel- wendigen Bewilligungen erteilen - das Ver- spänen, Moos und Stechpalmen bekleideten, trauen in ihre Tätigkeit und fördern die allge- und «schönen» Kläusen mit aufwändigem meine Akzeptanz und das Verständnis für den Kopfputz. In einer Gemeinde treten die Kläuse Kiesabbau. erst am 13. Januar, dem Silvester des Juliani- sehen Kalenders, auf.

S/ebe M/effbewerbsfragen auf 5e/Ye 722.

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