Macca Ließ Nicht Locker
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INTER-TOPICS Popband The Beatles (1965): „Mit dieser lauten Musik haben wir unseren Ohren über all die Jahre keinen Gefallen getan“ Pop Macca ließ nicht locker Die erfolgreichste Band der Popgeschichte startet ein Comeback: 25 Jahre nach ihrer Trennung, 15 Jahre nach John Lennons Tod haben sich die Beatles wiedervereinigt – mit 2 neuen Singles, 125 Archivaufnahmen und einer sechs- stündigen TV-Dokumentation wollen die Bandmitglieder eine zweite Beatlemania auslösen. ls ein Irrer ihn erschoß, war John sich noch einmal trauten, eine Band zu Darauf werden zu finden sein: Variatio- Lennon gerade so etwas wie ein sein. Letztes Jahr war es soweit: Sie nen ihrer alten Hits und verschollene Afriedlicher Mensch geworden. Er sperrten sich in ein Studio ein mit zwei Lieder; vor allem aber jede Menge Ma- knetete zu Hause Brotteig, er kümmerte Songs, die Lennon gegen Ende seines terial, von dem damals angenommen sich um das Kind, und wenn er noch ab Lebens in seiner Wohnung mit einem wurde, es sei zu schlecht für diese Welt. und zu einen Song schrieb, dann über Mono-Kassettenrecorder aufgenommen Ein unter ihrer Oberaufsicht produ- die Räder, die sich jetzt auch ohne ihn hatte. Die Titel: „Free As A Bird“ und zierter sechsstündiger Dokumentarfilm drehten und darüber, wie sehr er diese „Real Love“. Nun spielen im Hinter- soll im Dezember weltweit in die Fern- Frau liebte, die vom Rest der Welt ge- grund wieder die, vor denen er einmal sehnetze eingespeist werden. Aufnah- haßt wurde. Reißaus genommen hatte. men früherer Konzerte sind verspro- Alles war bestens, solange keiner ei- „Ich war nicht sicher, ob die Welt auf chen, Interviewausschnitte, Schnipsel nen Fehler machte. Und die Fehler wa- eine Dreiviertel-Beatles-Platte warten aus Urlaubsfilmen und Kuriositäten. ren: ein Comeback der Beatles planen. würde“, sagt Paul McCartney zu dieser Zum Beispiel, wie die Beatles rätseln, Und mit 40 noch in einer Band spielen. Art Geisterbeschwörung. „Wir haben was Priscilla Presley anhatte, als sie El- Das taten schon die Stones. uns vorgestellt, John wäre nur im Ur- vis zum erstenmal traf. „Warum sind diese Stones noch im- laub und hätte noch schnell angerufen Dazu werden haufenweise T-Shirts, mer zusammen?“ fragte Lennon, und gesagt: Macht den Song fertig. Ich Mützen und andere Andenken angebo- „können die alleine nicht mit der Welt vertraue euch.“ ten. Allein das Standard-Souvenir der fertig werden? Warum müssen die im- In den nächsten Monaten werden sechziger Jahre, die Beatles-Perücke, mer von einer Bande umgeben sein? Paul McCartney, George Harrison und fehlt. Dafür, scherzt Paul McCartney, Hat der kleine Führer Jagger vielleicht Ringo Starr, die drei Beatles, die nicht gebe es ein Kochbuch. Angst, daß ihm einer ein Messer in den erschossen wurden, verkaufen, was die Die Medien stehen bei Fuß. „Meet Rücken rammt?“ große alte Zeit noch hergibt. the Beatles (again)“ titelte vergangene Auch die drei Ex-Beatles fürchteten Etwa 125 Aufnahmen, die in den Ab- Woche Newsweek. „They’re back“ ju- sich – vor John Lennon. Der mußte erst bey-Road-Archiven herumlagen, sollen belte das englische Musikmagazin Mojo. 14 Jahre tot sein, ehe die drei Kollegen in Form von 3 Doppel-CDs erscheinen. „The Beatles Come Back“ lahmte der 262 DER SPIEGEL 43/1995 deutsche Musikexpress hinterher. Auf den Covers stets: alle vier Beatles. „Was hätten wir von Titelbildern ohne John?“ fragte Mojo-Redakteur Mat Snow. „Ich habe nichts gegen Ringo. Aber die Hefte würden stapelweise liegenbleiben.“ Doch nun, da John als Toter zur Band zurückgekehrt ist, wird sich das Unter- nehmen lohnen. Die geplante Beatlema- nia zwei dürfte der Band mindestens 100 Millionen Pfund allein an Fernsehrech- ten einbringen, schätzen Experten. Alles andere wäre ein Flop. Damit rechnet niemand. Die Beatles sind noch immer die erfolgreichste Band der Welt. In den letzten eineinhalb Jah- ren, so errechnete das US-Magazin Forbes, spielten ihre ewigen Konkurren- ten, die Rolling Stones, allein in Amerika 121 Millionen Dollar ein. Die Beatles übertrafen sie um 9 Millionen, ohne ein Studio, eine Bühne betreten zu haben. Das macht selbstbewußt. „Ich glaube, die Leute wird das interessieren“, sagt Paul McCartney über die Archivaufnah- men aus der Abbey Road. „Niemand hat diese Sachen je gehört. Wenn du einen ägyptischen Topf findest, muß es auch nicht der beste sein. Es reicht, wenn du weißt, er kommt aus Ägypten.“ Für die Bearbeitungen wurde das alte Equipment wieder ausgepackt. Sogar Details wie vergipste Abflußrohre aus den Abbey-Road-Studios wurden rekon- struiert. Das geschah nach Anweisungen des legendären Beatles-Produzenten George Martin. Bei den beiden Neueinspielungen „Free As A Bird“ und „Real Love“ im Privatstudio von McCartney mußte Mar- tin draußen bleiben. Er hört nicht mehr besonders gut. „Mit dieser ganzen lauten Musik haben wiralle unseren Ohren über all die Jahre keinen Gefallen getan“, kommentiert McCartney. „Und er ist so viel älter. Er bat mich, jemand anderen zu suchen.“ Der andere hieß Jeff Lynne, ein treuer Weggefährte von Harrison, der sich von Martin stets gegängelt fühlte. „Harri- son“, so Martin, „ist immer noch nicht so brillant wie die anderen. Das sag’ ich ihm auch ins Gesicht.“ Aneinander zu leiden ist für Mitglieder der berühmtesten Popband der Welt nichts wirklich Neues. Nach jahrelangen Streitereien war die Gruppe im Frühjahr 1970 auseinandergebrochen, als McCart- ney erklärte, er habe sich von der Band „wegen persönlicher, geschäftlicher und musikalischer Differenzen getrennt“ – er könne sichnichtvorstellen, mitJohn Len- non noch einmaleinen Songzuschreiben. Lennon konterte, er habe seinen Ab- gang bereits sieben Monate zuvor ver- kündet. George und Ringo hätten auch keine Lust mehr. Der Ausstieg aus einer Band, die es nicht mehr gebe, spottete Lennon, sei mehr als lächerlich. Dazu McCartney: „Ich hätte es gern gehabt, 264 DER SPIEGEL 43/1995 KULTUR wenn die Beatles in einer kleinen Tournee ist. Eine Wiedervereinigung „George war nicht besonders scharf auf Rauchwolke verschwunden wären. Wir der Beatles wird es niemals geben. Je- ,Free As A Bird‘“, erzählt McCartney. hätten alle Zauberkleider angehabt und denfalls nicht, solange einer von uns tot „Er war der Meinung, John hätte am jeder eine Tüte mit seinen Sachen.“ ist.“ Ende ein wenig die Kontrolle über sein Amerikanische Konzertveranstalter Aber Macca ließ nicht locker. Von ei- Songwriting verloren.“ Auch als die boten den Beatles in den siebziger Jah- ner Silvesterparty in Liverpool rief er TV-Dokumentation „The Long And ren bis zu 30 Millionen Dollar für ein Yoko Ono, die verhaßte Lennon-Wit- Winding Road“ heißen sollte, spielte einziges Konzert. Aber weder Lennon we, an. Und weil sie nicht gleich wieder Harrison, von dem Nachbarn erzählen, noch McCartney wollten sich darauf ein- auflegte, tat er es danach immer wieder. daß er gelegentlich in Nazi-Uniformen lassen. Und die anderen beiden hatten Bevor sie ihm die Lennon-Songs vor seinem Schloß herumspaziere, den nichts zu melden. Sauer waren sie ohne- schenkte, mußte er noch ein wenig Buße Beleidigten. Vor langer Zeit hatte ein- hin. Als George Harrison in den siebzi- tun. Erst wurde er genötigt, die Lauda- mal McCartney einen Song geschrie- ger Jahren seine Biographie schrieb, ben, der so hieß – und er nicht. kam John Lennon darin kaum vor. Ringo Starr geht die Sache wie im- Während der achtziger Jahre stritten „Als ich 18 war, glaubte mer lässig an. Seine Devise: „Als ich 18 sich die drei Übriggebliebenen vor Ge- ich, jeder über war, glaubte ich, jeder über 60 gehöre richt um Geld und Rechte; und erst zum erschossen. Als ich 40 wurde, hat mei- Ende der Dekade hin, bald ein Jahr- 60 gehöre erschossen“ ne Mutter mich beiseite genommen und zehnt nach Lennons Tod, begann gesagt: Mein Sohn, heute denkst du McCartney auf die Rest-Beatles zurück- tio für John Lennon zu halten, der in die nicht mehr so – oder? Ich werde auf zugreifen. Er kam erst mal nicht Rock’n’Roll Hall of Fame aufgenom- der Bühne keinen Breakdance ma- weit. men worden war – und er nicht. Dann chen.“ Selbst Ringo Starr, der sich erst ohne mußte er mit Frau und Kindern und Was ja auch nicht sein muß. Nicht, Erfolg als Schauspieler versucht hatte, Ono und deren Sohn im McCartney- wenn die Weihnachtsglocken läuten. dann mit kaum mehr Erfolg als Musi- schen Tonstudio den Ono-Song singen: Und auch sonst nicht. „Die Beatles ker, aber mit ziemlich großem Erfolg als „Der Himmel über Hiroschima ist im- sind so vermarktbar wie niemand Trinker („Ich war 20 Jahre betrunken mer blau.“ sonst“, sagt Robert Iger, Präsident der wie ein Fisch. Ich wagte kaum das Haus Als Ono die Lieder schließlich freigab Fernsehgesellschaft ABC. Und Steve zu verlassen: Es konnte ja passieren, („Ich habe die Beatles nicht auseinan- Chamberlain von der Beatles-Firma daß man eine halbe Stunde lang keinen dergebracht, aber jetzt bin ich in der Po- EMI weiß auch schon, wie: „Wir mana- Drink bekam“), lehnte ab: „Macca re- sition, sie wieder zusammenzubrin- gen die Beatles so wie Coca-Cola Diet det immer so ein Zeug, wenn er auf gen“), begann Harrison zu nörgeln. Coke managt.“ DER SPIEGEL 43/1995 265.