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Zoologisch-Botanische Datenbank/Zoological-Botanical Database

Digitale Literatur/Digital Literature

Zeitschrift/Journal: Philippia. Abhandlungen und Berichte aus dem Naturkundemuseum im Ottoneum zu Kassel

Jahr/Year: 2003-2004

Band/Volume: 11

Autor(en)/Author(s): Diedrich Cajus G.

Artikel/Article: Ein bemerkenswerter Reptil-Pubisfund aus dem Oberen Wellenkalk (Unterer ) von Niederlistingen, Nordhessen 31-39 PHILIPPIA 11/1 S. 31-39 4 Abb. Kassel 2003

Cajus Diedrich Ein bemerkenswerter Reptil-Pubisfund aus dem Oberen Wellenkalk (Unterer Muschelkalk) von Niederlistingen, Nordhessen

Abstract Inhalt A pubis of an unidentified is described 1. Einleitung ...... 31 from the Upper Wellenkalk member of the 2. Geologie ...... 32 Lower Muschelkalk formation of Niederlistin- 3. Taphonomie ...... 34 gen (Northern Hessia, NW Germany). It is 4. Systematik ...... 34 compared to other European Middle 5. Schlußbetrachtung ...... 37 pubes. The sauropterygians , Danksagung ...... 37 , , , the Literatur ...... 38 placodonts , , Psepho- derma, Cyamodus and , the archo- sauromorphan Helveticosaurus, also the pro- 1. Einleitung lacertilian Macrocnemus, Tanystropheus, the Im Zuge der Prospektion von Fährten im Unte- thalattosaurian Askeptosaurus, the Ichthyo- ren und Mittleren Muschelkalk des gesamten sauria Mixosaurus or the terrestrial thecodon- Germanischen Beckens (DIEDRICH 2000) wur- tian Ticinosuchus have very different pubes. de zufällig auch ein Pubis eines Reptils aus den anstehenden Schichten des Unteren Muschelkalkes bei Niederlistingen geborgen. Zusammenfassung Die Fundstelle befindet sich am westlichen Ein Pubis-Fund eines Reptils aus dem Oberen Rande des Spielplatzes, an dem die Schich- Wellenkalk des Unteren Muschelkalkes von ten aufgeschlossen sind. Die Koordinaten auf Niederlistingen nördlich Wolfhagen (Nordhes- der TK 4521 Liebenau lauten R 3517,35 und sen, NW-Deutschland) wird beschrieben und H 5701,90. mit anderen europäischen mitteltriassischen Reptil-Pubes verglichen. Die Sauropterygier Neben diesem Neufund ist aus dem Unteren Nothosaurus, Lariosaurus, Simosaurus, Cy- Muschelkalk des Wolfhagener Landes bisher matosaurus, die Placodontier Placodus, Para- nur eine unbestimmte Rippe eines Sauriers placodus, , Cyamodus und He- erwähnt worden (HORN 1971). nodus, der archosauromorphe Helveticosau- rus, ebenso die Prolacertilier Macrocnemus Genau stratifizierte Wirbeltierfunde aus dem und Tanystropheus, der Thalattosaurier As- Unteren Muschelkalk sind bisher wenig be- keptosaurus, der Ichthyosaurier Mixosaurus kannt geworden. Auch sind die Taxa sehr oder der terrestrische Thecodontier Ticino- schlecht definiert und meist nur isolierte suchus besitzen ein anders gestalltetes Pubes. Knochen beschrieben, so daß jegliche Neu- 32 Cajus Diedrich ° ° 9 10 km 8 W IE H E N G Minden T E G E Enschede E B I R U Osnabrück T O B U NIEDERLANDE R W G ese E r DEUTSCHLAND R Borgholzhausen Bielefeld 52° W interswijk W Münster A L Detmold D Nordsee

Münsterländer Bucht Höxter

Bremen Paderborn E G r e s

e G s W m E E Hamm Niederlistingen

Münster Rheinische Masse Kassel Kassel

Abb. 1: Geographische Lage der Pubis-Fundstelle Niederlistingen in Nordhessen und aktuelle Wirbeltierfundstellen im Unteren Muschelkalk im westlichen Germanischen Becken. funde, insbesondere bestimmbare Schulter- horizont des Pubis-Fundes handelt es sich um und Beckengürtel- aber auch Schädelfunde eine Schillbank (Schill II), die sich innerhalb von Bedeutung sind. Jüngst wurde ein des Oberen Wellenkalkes kurz über der Pen- seltener Skelettrest eines Nothosauriden in tacrinus-Bank befindet (Abb. 2). Eine ausführ- Borgholzhausen (Teutoburger Wald, Abb. 1) liche Profilbeschreibung erfolgt gesondert in gefunden (DIEDRICH 1996, 1998). Aktuelle einer Arbeit über die Fährtenfunde des Unte- noch unbeschriebene Skelettreste und iso- ren Muschelkalkes im Germanischen Becken. lierte Knochenfunde aus dem obersten Röt Fährten sind auch in Niederlistingen erstmals von Winterswijk (Abb. 1) sind zur Zeit von an derselben Fundstelle prospektiert worden. OOSTERINK et al. in Bearbeitung und zeigen Dabei handelt es sich um Fährten des Typs eine diverse Reptilfauna mit Placodus, Tany- Rhynchosauroides tirolicus sp., der in dem stropheus, Anarosaurus, Cymatosaurus, Gelben Plattenkalk-Horizont am Top des Obe- Nothosaurus und Pachypleusosauriden (vgl. ren Wellenkalkes (Abb. 2), mit einem Pes-Ein- bereits OOSTERINK 1986). druck nachgewiesen werden konnte. Aktuelle Chirotherien-Fährtenfunde wurden auch kürz- lich von KUNZ & FICHTER (2000) aus dem 2. Geologie Mittleren Buntsandstein von Wolfhagen abge- Der Untere Muschelkalk ist im Blattgebiet bildet. Liebenau weit verbreitet und ca. 115 m mäch- tig (vgl. HORN 1974, KUNZ et al. 1992, BÖS & Da es sich bei den Sedimenten des Oberen KUNZ ohne Jahr). Wellenkalkes in Niederlistingen einerseits um graue bioturbate „Wellenkalke“ handelt, an- An der Fundlokalität Niederlistingen sind die derseits um teilweise intraklastenführende Schichten des Unteren Muschelkalkes mit ca. Schillbänke ist dieser Bereich dem Subtidal 30° steilgestellt und fallen nach Südosten ein. zuzurechnen. Die Schille deuten auf eine Bar- Es stehen zugänglich die Schichten des Obe- rensituation. Auch die Phacoide einer subma- ren Wellenkalkes an (Abb. 2). Bei dem Fund- rinen Gleitung (Abb. 2) sprechen für subtidale Ein bemerkenswerter Reptil-Pubisfund aus dem Oberen Wellenkalk von Niederlistingen 33

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c (= Gelber Plattenkalk-Horizont) n y h R Fährten- Horizonte N. orbicularis Legende

Vulkanit (Dyke)

Kristalliner Kalk N. orbicularis

1 Bruchschillkalk

Plattige Kalkmergel

Algenlaminit

m Schill IV Gelbkalk ) ) u 3 Mergel m W (

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l Calcit/Coelestin n h e e l c l Trockenrißpolygone s e P u W

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M Oszillationsrippeln

e r r e e Intraklasten m b r Schill III e O t Bivalven n

U Gastropoden Submarine Gleitung Crinoiden Schill II Terebratuliden

Rhizocorallium Pentacrinus- Thalassinoides Schill I Bank Planolites

DIEDRICH 2000

Abb. 2: Stratigraphie am Fundplatz Niederlistingen mit Fundhorizont des Sauropterygier-Pubis. 34 Cajus Diedrich marine Sedimente. Diese stehen im Gegen- 4. Systematik satz zu den fährtenführenden, trockenriß- Material: Ein komplettes linkes Pubis, Oberer durchzogenen Algenlaminiten und Gelbkalken Wellenkalk, Unterer Muschelkalk, Regional- des Gelben Plattenkalk-Horizontes, die im museum Wolfhagen. Inter- bis Supratidal des Karbonatwattes und der Sabkha gebildet wurden (vgl. HORN 1974, Beschreibung: Das sehr flache linke Pubis DIEDRICH 2000). (Abb. 3) ist vollständig und 8,2 cm lang. Die Breite beträgt am Caput 3,6 cm und am dis- talen Bereich 7,0 cm. Der Caput selbst mißt 3. Taphonomie 1,8 cm in der Breite. Die minimalste Breite des Bei dem vorliegenden Pubis-Fund handelt es Pubis findet sich im vorderen Drittel und be- sich um einen isolierten Knochenfund, der trägt 3,4 cm. Der Rand ist im Bereich der Pu- keine Abrollungserscheinungen aufweist und bissymphyse gerade. Die Pubissymphysen- aus einem bioklastischen Schill, bestehend breite beträgt 3,8 cm, der restliche Anteil aus fein zerriebenen Gastropoden und 4,1 cm. Das Foramen obturatum ist mit 0,5 x Lamellibranchiaten, stammt („Bioklasten- 1,0 cm oval und vollständig offen. Auffällig ist Rudstone“). Durch Imprägnationen des Kno- die vom Knochenzentrum radiierende Ober- chens mit Eisenmineralen erscheint die Farbe flächenfurchung (Abb. 3b). rostrot. Selten findet man im Unteren Mu- schelkalk isolierte Knochen von Sauroptery- Diskussion: Im folgenden wurde das Pubis giern in Schillbänken. In Winterswijk sind die mit denen anderer Skelettfunde der Sauropte- Knochen in einem dünnen Bonebed an der rygier Simosaurus, Nothosaurus, Lariosaurus Basis des Unteren Muschelkalkes (Untere Ba- und Cymatosaurus, der Cyamodontier Cya- siskonglomerat-Bank) angereichert. Oftmals modus, dem Archosauromorpha Helvetico- sind hier Rinnen gefüllt mit Knochenanreiche- saurus, der Placodontier Placodus, Henodus, rungen zu beobachten (mündliche Mitteilung aber auch der Prolacertilier Macrocnemus, OOSTERINK). Tanystropeus, dem Thalattosaurier Askepto-

Abb. 3: Sauropterygier-Pubis aus Niederlistingen; a. Foto, b. Zeichnung mit deutlich erkennbaren Ossifikationsstrahlen auf der Knochenoberfläche. Ein bemerkenswerter Reptil-Pubisfund aus dem Oberen Wellenkalk von Niederlistingen 35

Abb. 4: Vergleich der Pubes mitteltriassischer Sauropterygier: A. unbestimmter Sauropterygier, Niederlistingen, Oberer Wellenkalk, Unterer Muschelkalk; B. Placodus gigas AGASSIZ, Oberer Muschelkalk, Bayreuth (umgezeichnet nach DREVERMANN 1922); C. Henodus chelyops V. HUENE, Oberer Muschelkalk (umgezeichnet und gespiegelt nach V. HUENE 1936); D. Cymatosaurus latifrons (GÜRICH), basaler Unterer Muschelkalk, Schlesien, (umgezeichnet nach SCHRAMMEN 1899); E. Tanystropheus longibardicus (BASSANI), Grenzbitumenzone, Monte San Giorgio (umgezeichnet nach Wild 1973); F. Simosaurus gaillardoti MEYER, Oberer Muschelkalk, ohne Fundort (umgezeichnet und gespiegelt nach RIEPPEL 1994); G. Nothosaurus sp., Oberer Muschelkalk, ohne Fundort (umgezeichnet und gespiegelt nach RIEPPEL 1994); H. Nothosaurus marchicus KOKEN, orbicularis-Schichten, basaler Mittlerer Muschelkalk, Rüdersdorf (umgezeichnet nach eigenen Fotos und nach SCHROEDER 1914); I. Nothosaurus sp., Terebratel-Zone, Unterer Muschelkalk, Borgholzhausen (umgezeichnet nach DIEDRICH 1998); J. Nothosaurus giganteus (MÜNSTER), Grenz- bitumen-Zone, Monte San Giorgio (umgezeichnet nach PEYER 1939).

saurus sowie dem Ichthyosaurier Mixosaurus und „Proneusticosaurus madelungi VOLZ“ auf- oder dem Thecodontier Ticinosuchus der gestellt (VOLZ 1902). Es handelt sich hierbei europäischen Mitteltrias verglichen (Abb. 4). um schädellose Rumpfskelette, die Vorder- und Hinterextremitäten sowie Beckenreste Die älteren großen Sauropterygier treten mit umfassen (VOLZ 1902). Die isolierten Schädel Cymatosaurus am Ende des obersten Röt wurden schon früher von PHILIPPI (1903), (Buntsandstein) in den Myophorien-Schichten ARTHABER (1924) und SCHMIDT (1928) als im Germanischen Becken auf. Möglicherwei- verschiedene Cymatosaurus-Arten beschrie- se ist der von KUNISCH (1888) beschriebene ben und revidiert (RIEPPEL 1995, RIEPPEL & und unbestimmte schädellose Skelettrest ein WILD 1996). Cymatosaurus latifrons (GÜRICH Cymatosaurus aus dem untersten Unteren 1884) besitzt ein breites und kurzes Pubis, Muschelkalk Oberschlesiens. Zu dieser Gat- welches am distalen Rand konvex gewinkelt tung gehört vermutlich auch ein Rumpfskelett- ist (vgl. Abb. 4D, umgezeichnet nach VOLZ rest aus dem untersten Unteren Muschelkalk 1902). Dabei nimmt die Symphysenbreite des von Winterswijk (vgl. OOSTERINK 1986). Pro- Pubis mehr als die Hälfte des distalen Randes , der nur das jüngere Synonym ein. Das Foramen obturatum ist oval und ven- für Cymatosaurus darstellt (RIEPPEL 1994), tral geschlossen. wurde für schädellose Skelettfunde aus dem untersten Unteren Muschelkalk für die zwei Nothosaurus giganteus MÜNSTER ist mit ei- Arten „Proneusticosaurus silesiacus VOLZ“ nem fast vollständigen Skelett erstmals aus 36 Cajus Diedrich der Grenzbitumen-Zone des mittleren Oberen andere Pubis-Umrißform. Zwar ist der distale Muschelkalkes (Anis, Mitteltrias) aus der Rand ebenfalls gegabelt, wie bei einigen Nähe von Monte San Giorgio (Schweiz) Nothosaurus-Arten, der Gesamthabitus ist beschrieben worden (PEYER 1939). Aus dem aber einzigartig unter den Sauropterygiern Keuper wurde ein Skelett von „Nothosaurus (vgl. Abb. 4F, umgezeichnet und gespiegelt chelydrops FRAAS“ erwähnt (FRAAS 1896), nach RIEPPEL 1994). das nach RIEPPEL & WILD (1996) auch zu N. giganteus gerechnet wird. Bei dem länge- Placodus gigas (AGASSIZ) aus dem Oberen ren Pubis von N. giganteus (Abb. 4J, umge- Muschelkalk von Bayreuth besitzt ebenfalls zeichnet nach PEYER 1939) ist eine Verbreite- ein sehr eigentümliches Pubis (Abb. 4B, um- rung des distalen Bereiches festzustellen, gezeichnet nach DREVERMANN 1922, 1933) wobei der Rand sinusförmig ausgebildet ist. mit einem bogenförmigen distalen Rand. Das Die Symphysenbreite des Pubis umfaßt weni- Foramen ist halbkreisförmig, außerdem zum ger als die Hälfte des distalen Randes. Das Rand hin offen. schlitzförmige Foramen obturatum ist ge- schlossen. Ein isoliertes Pubis, welches dem Helveticosaurus zollingeri PEYER wurde mit von N. giganteus in Form und Größe stark einem Skelettfund in der Mitteltrias des Monte ähnelt, wurde von MEYER (1847-55, Taf. 41, San Giorgio beschrieben (vgl. PEYER 1955). Fig. 5) aus dem Oberen Muschelkalk von Auch dieser weist an den leider schlecht sicht- Bayreuth beschrieben. baren Pubii keine anatomischen Merkmale auf, die an den Niederlistinger Fund erinnern Das Pubis eines Skelettfundes von Notho- könnten. saurus sp. aus der Terebratel-Zone (Unterer Muschelkalk) von Borgholzhausen (Abb. 4I, Da von dem mitteltriassischen alpinen Cya- umgezeichnet nach DIEDRICH 1998) zeigt modus hildegardis PEYER aus dem Monte San ähnliche Merkmale des Pubis, wie N. gigan- Giorgio zwar ein artikulierter Skelettfund be- teus, wobei hier der distale Rand etwas gerin- kannt geworden ist (vgl. PEYER 1944), die Pu- ger verbreitert ist. Das Foramen obturatum ist bes aber nur fragmentarisch vorliegen, kann geschlossen und oval. kein detaillierter Vergleich erfolgen.

Alle anderen Species von Nothosaurus Paraplacodus broilii PEYER ist zwar ebenfalls (Nothosaurus sp., Abb. 4G, umgezeichnet mit einem Skelettfund aus dem mitteltrias- nach RIEPPEL 1994) besitzen ein Pubis mit sischen alpinen Monte San Giorgio bekannt, einem charakteristischen V-förmigen aufspal- die Pubes sind aber leider schlecht erhalten tenden distalen Rand. Eine artliche Zuwei- und nicht weiter von PEYER (1931c) oder sung isolierter Pubes ist noch nicht möglich. KUHN-SCHNYDER (1942) abgebildet worden. Die von MEYER (1847-55, Taf. 41, Fig. 1, 3) beschriebenen Pubes von Nothosaurus sp. Henodus chelyops HUENE besitzt ein fast aus dem Oberen Muschelkalk von Bayreuth rechteckiges Pubis mit einem großen halb- sind ebenfalls distal gegabelt; das Foramen kreisförmigen Foramen obturatum (Abb. 4C, obturatum schlitzförmig. Die Symphysenbrei- umgezeichnet und gespiegelt nach HUENE te des Pubis umfaßt weniger als die Hälfte des 1936). Vergleicht man dieses mit dem etwa distalen Randes. Bei Nothosaurus marchicus gleich großen neuen Pubisfund aus Nieder- KOKEN aus den orbicularis-Schichten (basaler listingen, so ist der Umriß deutlich different. Mittlerer Muschelkalk) von Rüdersdorf, (Abb. 4H, umgezeichnet nach SCHROEDER 1914) ist Lariosaurus buzzii TSCHANZ, ein kleiner Sau- eine geringe Gabelung, bzw. konkave Ein- ropterygier, als Skelettrest aus der Mitteltrias buchtung des distalen Randes zu erkennen. des Monte San Giorgio bekannt, besitzt ein halb so großes Pubis, das in keinster Weise Simosaurus gaillardoti (MEYER) aus dem Obe- dem des Fundes aus Niederlistingen ähnelt ren Muschelkalk zeigt wiederum eine deutlich (vgl. Pubis-Abbildung, TSCHANZ 1989, Textfig. Ein bemerkenswerter Reptil-Pubisfund aus dem Oberen Wellenkalk von Niederlistingen 37

6g). Beziehungen in der Pubis-Umrißform die nicht nur auf Gattungsniveau systematisch scheinen eher zu Nothosaurus zu bestehen. von Bedeutung sind.

Tanystropheus longibardicus BASSANI (PEY- Weder marine mitteltriassische Nothosaurier ER 1931a) ist aus der alpinen Mitteltrias des Nothosaurus, Lariosaurus, Simosaurus, noch Monte San Giorgio mit einigen Skelettfunden Placodus, Paraplacodus, Cyamo- gut bekannt, auch die Pubes in einer ontoge- dus, oder Psephoderma noch der netischen Reihe abgebildet worden (vgl. WILD Archosauromorphe Helveticosaurus zeigen 1973). Das sehr kleine Pubis von T. longibar- Übereinstimmungen mit dem Neufund. Eben- dicus (Abb. 4E, umgezeichnet nach WILD falls andere Formen des Pubis besitzen die 1973 und gespiegelt) ist sehr charakteristisch Prolacertilier Tanystropheus oder Macrocne- und scheint weit entfernt von jeglichen Über- mus sowie der Thalattosaurier Askeptosau- einstimmungen zu dem Fund von Niederlistin- rus. Der Vergleich mit völlig anderen Reptil- gen. gattungen, wie dem Ichthyosaurier Mixo- saurus oder dem Thecodontier Ticinosuchus Macrocnemus bassanii NOPCSA aus dem belegen, daß der Pubis-Fund weder von ei- Monte San Giorgio der alpinen Mitteltrias nem größeren terrestrischen Tetrapoden noch kommt aufgrund der Körpergröße schon nicht von einem größeren hoch marinen Reptil in Frage, auch das halb so große Pubis (vgl. stammen kann. PEYER 1931b) zeigt keinerlei Übereinstim- mungen zum Niederlistinger Pubis. Ob es sich bei dem Neufund aus Niederlistin- gen gar um einen Sauropterygier handelt, Auch der 1,7 m lange mitteltriassische Askep- wofür die Oberflächenstruktur des Knochens tosaurus italicus NOPCSA aus dem Monte San sprechen, der aufgrund des fehlenden Fossil- Giorgio (vgl. KUHN 1952) kommt nicht für den beleges von meist nur unvollständigen Ske- Pubisfund aus Niederlistingen in Frage. lettfunden im Moment keinem Reptil zugeord- net werden kann, oder gar um den Nachweis Die Ichthyosaurier Mixosaurus oder Shasta- eines neuen Reptils, muß zunächst offen blei- saurus besitzen fast halbkreisförmige Pubii ben. (vgl. z. B. SCHMIDT 1928, Fig. 1099), die kei- neswegs Übereinstimungen zum Niederlistin- Auf jeden Fall handelt es sich um einen Beleg ger Pubis-Fund erkennen lassen. eines größeren seltenen Reptils, das im Unte- ren Muschelkalk des Germanischen Beckens In einem letzten Vergleich zu dem terrest- bisher völlig unbekannt war. Die noch unzurei- rischen Thecodontier Ticinosuchus ferox chend studierten Reptilien des Unteren Mu- KUHN-SCHNYDER & PEYER (1963), ebenfalls schelkalkes im Germanischen Becken werden aus der mitteltriassischen Grenzbitumen- noch manches Rätsel in sich bergen, genau Zone des Monte San Giorgio, ließen sich auch wie dieser neue Pubis-Fund aus Niederlistin- keine Anhaltspunkte zur Bestimmung des gen. neuen Pubis-Fundes finden.

Danksagung 5. Schlußbetrachtung Die finanzielle Unterstützung zur Präparation Ein zu dem Fund von Niederlistingen iden- und Aufnahme des Fundes in die Daueraus- tisches Pubis eines europäischen mitteltrias- stellung erfolgte durch das Regionalmuseum sischen marinen oder terrestrischen Reptils Wolfhagen, wofür ich mich recht herzlich bei verschiedener Ordnungen konnte erstaun- Herrn Dr. R. KUNZ und Herrn Dr. A. LINDLOFF licherweise nicht ermittelt werden. bedanken möchte. Herrn H. OOSTERINK und seiner Arbeitsgruppe danke ich für eine Ein- Sehr deutliche Unterschiede zeigen die mittel- sicht in das beachtliche Knochenmaterial aus triassischen Reptilien in der Pubis-Umrißform, dem Unteren Muschelkalk von Winterswijk 38 Cajus Diedrich

(Niederlande). Herr Dr. W.-D. HEINRICH vom HORN, M. B. (1971): Erläuterungen zur Geologischen Museum für Naturkunde Berlin der Humboldt Karte von Hessen, Blatt 4721 Naumburg. Hessi- Universität ermöglichte mir die Einsicht in das sche Amt für Bodenforschung (Hrsg.): 285 S.; Wiesbaden Rüdersdorfer, Herr Dr. N. HAUSCHKE vom In- HORN, M. B. (1974): Trias. In: MEIBURG, P. Geologi- stitut für Paläontologie der Universität Halle sche Karte von Hessen und Erläuterungen, Blatt (Saale) in das Haller Knochenmaterial aus 4521 Liebenau. Hessische Amt für Bodenfor- dem Unteren Muschelkalk. Durch die Samm- schung (Hrsg.): 15-61; Wiesbaden lung aus dem Monte San Giorgio des Palä- HUENE, F. von (1936): Henodus Chelyops, ein neuer Placodontier. – Paläontographica, 84: 19-148; ontologischen Institutes und Museum der Stuttgart Universität Zürich führten mich freundlicher- KUHN, E. (1952): Askeptosaurus italicus NOPCSA. – weise Herr Dr. W. BRINCKMANN und Herr Abhandlungen der Schweizerischen Paläontolo- Prof. Dr. H. RIEBER. Weiterhin bedanke ich gischen Gesellschaft, 69 (2): 1-73; Basel mich für wertvolle Kritik und Diskussionen KUHN-SCHNYDER, E. (1942): Über einen weiteren Fund von Paraplacodus broilii PEYER aus der Trias des sowie Durchsicht des Manuskriptes insbeson- Monte San Giorgio. – Eclogae Geologicae Helve- dere bei Herrn Dr. R. WILD sowie Herrn H. tiae, 35: 174-183; Basel Oosterink, Herrn Dr. R. KUNZ und Herrn Dr. J. KUHN-SCHNYDER, E. & PEYER, B. (1965): Die Triasfau- FICHTER. na der Tessiner Kalkalpen. XIX. Ticinosuchus fe- rox nov. gen. nov. spec. – Abhandlungen der Schweizerischen Paläontologischen Gesellschaft, Literatur 81: 1-140; Basel ARTHABER, G. v. (1924): Die Phylogenie der Nothosau- KUNISCH, H. (1888): Ueber eine Saurierplatte aus dem rier. – Acta Zoologica 5: 40-516; Stockholm oberschlesischen Muschelkalk. – Zeitschrift der BÖS, W. & KUNZ, R. (ohne Jahr): Geologische Sehens- deutschen geologischen Gesellschaft, 40: 671- würdigkeiten im Wolfhager Land. – Wanderkarte, 693; Berlin Landkreis Kassel, Untere Naturschutzbehörde KUNZ, R., HALFAR, W., HOFFMANN, R. & SCHRÖDER, A. DIEDRICH, C. (1996): Paranothosaurus teutonicus n. (1992): Geologie des Wolfhager Landes. – Schrif- sp. Aus dem Unteren Muschelkalk (Terebratel- tenreihe des Vereins Kreisheimatmuseum Wolfha- Zone) von Borgholzhausen (NW-Deutschland) gen, Reihe Museumsführer, 10: 1-100; Wolfhagen und seine Bedeutung für die Phylogenie und Ta- KUNZ, R. & FICHTER, J. (2000): Die Wolfhagener Sauri- phonomie der Nothosauriden des germanischen erfährten. – Schriftenreihe des Vereins Kreishei- Beckens. – Terra Nostra ,96 (6): 36; Leipzig matmuseum Wolfhagen, 9: 1-17; Wolfhagen DIEDRICH, C. (1998): Saurier und Saurierfährten im MEYER, H. v. (1847-1855): Zur Fauna der Vorwelt. 2 „Triassic Park“ von Borgholzhausen. – Heimatjahr- Abt. 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Manuskript bei der Schriftleitung eingegangen am 15. April 2003

Anschrift des Verfassers Dr. Cajus Diedrich Krähenschmiede 25 49326 Melle-Neuenkirchen www.paleologic.de