Rheinland Der Regenmeister im Geschwindigkeits rausch Ruhmeiche Sportler Teil 15: Der Remagener hat der Geschichte des Motorsports seinen Stempel aufgedrückt / Historische Rennen auf dem Nürburgring

RUHMREICHE SPORTLER

Eifelrennen, Nürburgring, 16. Juni 1935: Rudolf Caracciola gewann das Rennen mit einem Mercedes-Benz Rennwagen W 25. Fotos: Mercedes-Benz Classic

er Name Rudolf Caracciola ist Und das, obwohl der „Regenmeis- liert. Die Strecke in der zieht jedes D untrennbar mit drei Mythen des ter“ einer der besten Piloten seiner Jahr Tausende Automobilenthusiasten Motorsports verbunden. Trotzdem Zeit war. an. Rudolf Caracciola ist ein untrenn- ist der aus Remagen stammende barer Bestandteil dieser Historie. Der Rennfahrer außerhalb des fachkundi- Der Nürburgring hat sich im Laufe der Remagener gewann im Jahr 1927 das gen Publikums kaum noch bekannt. Zeit als Tempel des Motorsports etab- erste Rennen auf dem neu errichteten Ring. „Als wir 1927 zum neu eröffneten Nürburgring kamen, rissen wir die Au- gen auf. So etwas hatten wir noch nicht erlebt. Da lag mitten in den Eifelbergen eine Straße, eine geschlossene Schleife mit fast 180 Kurven, die auf 22 Kilome- ter verteilt waren. Eine Strecke mit Stei- gungen, die dem Motor scharf an die Lungen griffen, aber auch mit unsag- bar schönen Ausblicken weit über das Land, auf Täler und Dörfer“, zitiert der Nürburgring einen begeisterten Carac- ciola auf seiner Website.

Der Regenmeister und die Silberpfeile Die Vorfahren Caracciolas kamen im Zuge des dreißigjährigen Krieges von Italien nach Deutschland und wurden in der Region ansässig. Als Sohn eines Hoteliers 1901 in Remagen geboren, kristallisierte sich in der Jugend rela- tiv schnell die Berufung Caracciolas Großer Preis von Deutschland auf dem Nürburgring, 25. Juli 1937: Kurz nach dem Start in der heraus: Er wollte Rennfahrer werden. Südkehre liegen mit der Startnummer 16 und der spätere Sieger Rudolf Caracci- Dazu verließ „Karratsch“, wie er auch ola mit Startnummer 12 beide mit Mercedes-Benz Formel-Rennwagen W 125 an der Spitze des genannt wurde, nach dem Abitur seine Feldes. Dahinter und Hans Peter Müller, beide auf , gefolgt von Heimatstadt, um zunächst in Köln und (2. Platz) auf Mercedes-Benz W 125. danach in Autos zu verkaufen.

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Seine dadurch aufgebauten Beziehun- Im Herbst 1937 legte gen ermöglichten es ihm, Anfang der Auto Union mit ihrem 1920er Jahre erstmals in ein Rennau- Fahrer Bernd Rosen- to zu steigen. Caracciola zeigte Talent, meyer eine neue Re- fuhr gute Ergebnisse ein und konnte kordmarke vor. Als 1923 seinen ersten Sieg erringen. 143 erster Mensch der weitere Siege, davon zwölf bei den Welt durchbrach er die prestigeträchtigen Grand Prix-Rennen, Mauer von 400 Kilome- sollten folgen. tern pro Stunde. Mer- cedes-Benz erlebte Sein Stern ging jedoch erst mit dem ein Fiasko und musste Wechsel zu Daimler-Benz im Jahre das Rekordauto inner- 1926 so richtig auf. In Zusammenar- halb weniger Monate beit mit dem legendären Rennmeister komplett überarbeiten. prägte er die erste er- Am 28. Januar 1938 folgreiche Ära der Silberpfeile. In den kam es zur Revanche Jahren 1935, 1937 und 1938 gewann auf der damaligen Caracciola in einem Mercedes die Eu- Reichsautobahn zwi- ropameisterschaft, welche als Vorläufer schen und der Formel 1 gilt. Sein Name steht in . An einem der Siegerliste des „Großen Preis von windigen Tag legte Monte Carlo“ sowie des legendären Caracciola vor und 1000 Meilen-Rennens „“. schraubte den Welt- Neubauer hatte eine hohe Meinung von rekord auf unglaubli- Caracciola: „Ich bin mir sicher, dass Ru- che 432,7 km/h. Der dolf Caracciola von all den großen Fah- Rekord sollte bis zum rern, die ich kannte, Rosemeyer, Lang, Jahr 2017 bestehen Nuvolari, Moss oder Fangio, der größ- bleiben. Rosenmeyer te war.“ Im Laufe der Jahre erarbeitete wollte unbedingt kon- sich Caracciola den Ruf, ein geniales tern und ging nach Fahrgefühl zu besitzen, insbesonde- einem misslungenen re bei widrigen Bedingungen. Durch Versuch am Nachmit- seinen Sieg beim verregneten Großen tag noch einmal auf Preis von Deutschland im Jahr 1926 die Strecke. Dabei ig- wurde Caracciola deswegen „Regen- norierte er Warnungen meister“ getauft. von Caracciola, der ei- nen weiteren Versuch Großer Preis von Deutschland auf dem Nürburgring, 15.07.1934. Der Geschwindigkeitsrekord wegen des Windes als In der dritten Startreihe mit der Startnummer 6: Rudolf Caracciola Eines der verwegensten Unterfangen zu gefährlich erachte- am Mercedes-Benz 750-kg-Formel-Rennwagen W 25. Caracciola im Motorsport war die Jagd nach dem te. Zwischen Kilometer musste in der 14. Runde aufgeben (Motor). Geschwindigkeitsweltrekord. Dabei tra- acht und neun kam ten die Fahrer in speziell konstruierten Rosenmeyer von der Straße ab. Sein nen, wie die Berliner Zeitung berichte- Wagen auf abgesperrten Autobahnab- Wagen überschlug sich mehrmals bei te. Doch all seine Anstrengungen für schnitten an, um nach einem mehrere einer Geschwindigkeit von knapp unter ein gelungenes Comeback nach dem Kilometer langen Anlauf eine möglichst 430 Km/h und Rosenmeyer starb auf der Krieg wurden durch einen schweren hohe Durchschnittsgeschwindigkeit Stelle. Unfall im Jahre 1952 zunichte gemacht. über einen Kilometer hinweg zu erzie- Caracciola hatte auch schon vorher vie- len. Für die Medien und das Publikum Karrierende nach dem Krieg le Verletzungen davongetragen, doch war es ein willkommenes Spektakel, Als der zweite Weltkrieg ausbrach, dieses Mal sollte es das endgültige dass live im Radio übertragen wurde. flüchtete sich Caracciola in seine Wahl- Karriereende bedeuten. Sieben Jahre Und für die Autohersteller war es die heimat . Der Remagener war später verstarb er im Alter von nur 58 perfekte Werbung für ihre Marken. nie sonderlich am Nationalsozialismus Jahren. Im Vergleich zu vielen seiner So entwickelte sich eine Rivalität zwi- interessiert. Um jedoch Rennen fah- Rennfahrerkollegen war dies ein eher schen Mercedes-Benz und Auto-Uni- ren zu können, absolvierte er die von langes Leben. Dass Caracciola nach on, heute als bekannt, darum, wer der Propaganda vorgegebenen Pflicht- seinem Tod nicht so sehr mythologi- das schnellste Auto der Welt bauen übungen, denn die meisten deutschen siert wurde wie beispielsweise Ro- konnte. Die Geschwindigkeitshatz war Autohersteller kooperierten mit dem senmeyer, kann daran gelegen haben, der perfekte Wettbewerb für eine Ge- Regime. Dies sorgte für Kontroversen, dass er nicht bei der Ausübung seines sellschaft, die gerade eine neue Phase als er nach dem Krieg die Schweizer Sportes starb. Trotzdem hat er der Ge- technologischer Entwicklung und Mo- Staatsbürgerschaft annehmen wollte, schichte des Motorsports seinen Stem- dernisierung erlebte. um wieder Rennen bestreiten zu kön- pel aufgedrückt. Felix Schönbach

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