STRASSENMAGAZIN UND SOZIALE INITIATIVE JUBILÄUMSJAHR #293 – AUGUST 2020

PENDELN INS GLÜCK Warum Anthony fürs Megaphon jeden Tag zwei Stunden im Zug verbringt

50% für die Verkäufer_innen EDITORIAL MEGAPHON / 3

Zeiten der Veränderung?

Anthony wartet nicht nur täglich in Graz und Bruck auf den Zug. Er musste sich auch etwas gedulden, bis wir das Porträt über ihn im Megaphon ver- öffentlichen konnten. Die Coronapandemie führte zu vielen inhaltlichen Verschiebungen und Adaptierungen. Eigentlich verbrachte unsere freie Mitarbeiterin Martina schon Anfang März einen ganzen Tag mit Anthony und konnte selbst erleben, was es bedeutet, hart für den sozialen Aufstieg zu arbeiten.

Auch die Reportage über die Hospizarbeit in der Grazer Albert-Schweitzer-

SABINE GOLLMANN Klinik war bereits geschrieben, als wir die April-Ausgabe des Megaphons z o t t e r (LEITUNG), PETER K. WAGNER aufgrund von Corona absagen mussten. Der Einblick in die Begleitung (CHEFREDAKTEUR) von Menschen auf ihrem letzten Lebensabschnitt ist aber gerade in diesen COVER-FOTO: Zeiten aktueller als je zuvor. SCHOKO-ERLEBNISWELT PETER PATAKI AUTOR_INNEN- DAS SÜSSE AUSFLUGSZIEL FÜR GROSS UND KLEIN ILLUSTRATIONEN: In diesen Zeiten ist nicht nur die Beschäftigung mit dem Tod omnipräsent LENA WURM – auch die Herausforderungen für sozialbenachteiligte Menschen sind größer als in Zeiten des Aufschwungs. Die neue Rubrik „Lautsprecher” nimmt darauf Bezug. Und bezieht Stellung. Laut und deutlich. Wie es sich für eine Straßenzeitung und soziale Initiative gehört.

12 20 24 GLOBAL REGIONAL URBAN

Von der Zukunft in Österreich Nächster Halt: Besseres Leben Kommen und Gehen In einer Porträtreihe von SOS Anthony wohnt in Graz. Er will Christine Westreicher begleitet Mitmensch erzählen junge die Arbeit beim Megaphon zum Menschen auf ihrem letzten Frauen mit Fluchthintergrund sozialen Aufstieg nutzen. Daher Lebensabschnitt – ein Abschnitt INFOS ZUM TAGESAUSFLUG & ONLINE- über Ankommen in einer neuen sitzt er jeden Tag im Zug – und abschließender Wünsche, aber RESERVIERUNG AUF: WWW.ZOTTER.AT Heimat. pendelt nach Bruck. auch voller Leben. z o t t e r SCHOKOLADE GMBH, BERGL 56, 8333 RIEGERSBURG Fotos von links nach rechts: Lena Prehal, Peter Ptaki, Geiregger 4 / MEGAPHON STRASSENBILD MEGAPROMI MEGAPHON / 5

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25 Jahre Megaphon

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25 Briefe an mich #megapromi O Titus Probst kennt mensch als Schauspieler, Sän- ger und Gesamtkunstwerk. Der gebürtige Grazer wohnt mittlerweile meist in Wien, #GEWINNSPIEL Wo in Graz sind diese Tauben zu finden? wo er in seinem Studio viel Schicke uns die Antwort per Mail an [email protected], Zeit verbringt. Auch zum Betreff: „Tauben“ und gewinne eines von drei „Briefe an mich“-Notizbücher. Schlafen. Oder zum Mega- AUFLÖSUNG VOM JULI Der kleine Elefant ist in der Neue-Welt- phon-Lesen. Das macht ihn Gasse 3 in Graz zu finden. Es war das Hauszeichen für das Wein- und Bierhaus zu unserem #megapromi des „Zum kleinen Elefanten” und ist seit 1852 Teil des Hauses. Monats August.

FOTO: TITUS PROBST

Straßenbild Vier Tau- ben, die auf einem Brunnen ihren Platz gefunden haben, suchen wir diesen Monat. Wieder ist es ein Ort in Graz – mehr wird nicht verraten,

25 PROMINENTE SCHREIBEN IHREM JÜNGEREN SELBST UND LASSEN GENÜGEND RAUM FÜR EIGENE NOTIZEN die Straßenbahn im Hinter-

Mit Briefen von Konstantin Wecker ∙ Josef Hader ∙ Barbara Stöckl ∙ Jamie Oliver grund sollte genug Hinweis Thomas Brezina ∙ David Hasselhoff ∙ Gregor Seberg ∙ Elfriede Ott ∙ Johannes sein. Wer weiß, wo diese Silberschneider ∙ Alfons Haider ∙ Conchita Wurst ∙ Gerda Rogers ∙ Alfred Komarek Bischof Krautwaschl ∙ Chris Lohner ∙ Pia Hierzegger ∙ Erika Pluhar ∙ Timna Zeichnung entstanden ist, Brauer ∙ Eva Rossmann ∙ Barbara Frischmuth ∙ Nikolaus Habjan ∙ Karl Markovics Dirk Stermann ∙ Alf Poier ∙ Christoph Strasser hat die Chance, eines von

ERHÄLTLICH BEI UNSEREN VEKRÄUFER_INNEN drei Notizbüchern zum Selbst- sketchen zu gewinnen. 50% für die Verkäufer_innen ZEICHNUNG UND FOTO: SARAH LÖCKER ZU DEN ZAHLEN, BITTE 6 / MEGAPHON MEGAPHON / 7

Zeit für Zahlen ERLESENES URLAUBS-

Gefängnis-Insass_ VERGNÜGEN innen pro 100.000 4 655Einwohner_innen verzeichnet Monate dauert die 30 die USA. Damit sind sie das Corona-bedingte Millionen Euro soll Land mit den meisten inhaf- Ausgangssperre im die „Unterführung tierten Menschen weltweit. Camp Moria bereits. 83 Josef-Huber-Gasse” Die Geflüchteten Millionäre aus kosten. Kritik gibt Schwarze und People of Color rufen online um Hilfe. sieben Ländern es u.a. an der zu- sind darunter überproportio- setzen sich während nehmenden Lärm- nal vertreten. Diese Unver- der Corona-Pande- belästigung. Flüster- hältnismäßigkeit wird u.a. auf mie für eine höhere asphalt” soll das eine rassistische und klassisti- Besteuerung von Projekt nun retten. Superreichen ein. sche Drogenpolitik zurückge- „Die Millionäre der führt. Billiges Crack, welches Menschlichkeit” wollen damit den als Droge der Schwarzen Be- gesellschaftlichen 88.000 völkerung und der Armuts- Summer Flüchtende31 wurden Wiederaufbau Frauen haben in Österreich zwischen klasse gilt, wird weit härter in einem Kühllaster Mitte und Ende März 2020 ihre Arbeit unterstützen. Ein verloren. Sie sind somit besonders in Sachsen entdeckt. bestraft als teures Kokain, das achtzigzehn | Foto: Lex Karelly | BEZAHLTE ANZEIGE in the City Prozent der Öster- stark von den wirtschaftlichen und i Dieser gängige gesellschaftlichen Auswirkungen der vor allem von (weißen) Eliten reicher_innen besitzt Corona-Krise betroffen und sollen So liest es sich im Urlaub: Fluchtweg hat oft gleichzeitig – wie bereits in der Wirt- konsumiert wird. Der „Kampf rund 40 Prozent des schaftskrise 2008 – weniger von den Die Grazer Buchhandlungen und Antiquariate tödliche Folgen. Vermögens. Hilfsmaßnahmen profitieren. gegen Drogen” wird daher laden mit reichlich Lesestoff zum entspannten Schmökern, Entdecken und Einkaufen ein. oft zum Kampf gegen Arme – INSP-LIVETICKER auch außerhalb der USA. Der #SummerInTheCityGraz graz.at/summerinthecity Homeless World Cup (HWC) – Australien Real Change – USA Die heurige Obdachlosen-WM Mit Woolworths verkauft ab sofort Seit Ende Juni verkaufen die Konsum wird dadurch nicht Megaphon ist stolzer Teil musste abgesagt werden – aber am der größte Lebensmittelhändler Kolleg_innen aus wieder. des internationalen Netzwerks 5. Juli fand dafür der „HWC Day” des Landes das Big Issue. Die 90% der US-Straßenzeitungen verhindert. 600.000 Menschen der Straßenzeitungen: statt. Online wurden legendäre Spie- Einnahmen gehen direkt an den Ver- sind wieder am Markt – trotz weiter www.insp.ngo le und eine Diskussion gezeigt. käufer_innen-Hilfsfonds schwieriger Coronalage im Land. sind 2017 daran verstorben.

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ANZEIGE GLO 12 / MEGAPHON EINE PORTRÄTREIHE VON SOS MITMENSCH MEGAPHON / 13 BAL

RAGHAD flüchtete mit ihrer Mutter und den fünf Geschwistern aus Syrien nach Österreich. „Meine Mutter ist stärker als zehn Männer“

FOTO: LENA PREHAL

Auf die Frauen in ihrer Familie ist Raghad hatten, dass sie einen Platz in diesem Boot ergatter- besonders stolz. Nach der Matura will sie wie ihre ten. Das Gefühl, das ich dann hatte, kann ich nicht Großmutter, die sie in Syrien verlassen musste, beschreiben. Ärztin werden, um anderen Menschen zu helfen. Die 16-Jährige, die vor vier Jahren nach Österreich Nach einer langen Nacht kam am nächsten flüchtete, besucht heute die HLW in Graz. Morgen ein zweites Boot, mit dem wir in Richtung Griechenland aufgebrochen sind. Wir Kinder sind in „Es ist immer stressig mit vielen Geschwis- der Mitte des Bootes gesessen und ich habe mit dem tern. Wir streiten oft, sei es wegen der Schminke, Koran laut für uns alle gebetet, dass unser Boot nicht die ich mit meiner älteren Schwester teile, oder wenn auch kippt. Nach zwei Stunden und vierzig Minuten mich mein kleiner, nerviger Bruder bei den Haaren Fahrt sind wir endlich in Griechenland angekommen. zieht, weil er Aufmerksamkeit braucht. Aber wir ha- ben schon viel gemeinsam durchgestanden und wenn Mit dieser Überfahrt war unsere Flucht aber es darauf ankommt, halten wir zusammen. Meine noch lange nicht vorbei. Es wurde noch öfter brenzlig. Meine Zukunft Mutter ist mit uns Kindern allein von Jordanien nach Zum Beispiel als mein kleiner Bruder krank wurde Österreich geflüchtet, wo mein Vater schon ein Jahr und medizinische Hilfe brauchte. Oder an der Gren- lang ohne uns lebte. Bei unserer Flucht war ich zwölf ze zu Serbien, als wir stundenlang durch einen ge- in Österreich Jahre alt und damit die zweitälteste von uns sechs fährlichen Wald gehen mussten, in dem wir beinahe Kindern. bestohlen worden wären. Im Wald hat meine Mama In der Porträtreihe „Meine Zukunft in gemeinsam mit anderen geflüchteten Männern einen Das erste Boot kippte am offenen Meer um Kreis um uns Kinder gemacht, um uns zu beschüt- Österreich” holt SOS Mitmensch Wir sind zuerst in die Türkei geflogen und dann mit zen. Während all dem habe ich gemerkt: Meine Mut- junge Frauen, die nach Österreich einem Bus neun Stunden lang zum Meer gefahren. ter ist stärker als zehn Männer. flüchten mussten, vor den Vorhang. Dort wartete ein einziges kleines Boot und mehr als 100 Leute wollten damit fahren. Wir haben uns alle Langersehntes Wiedersehen Ihre Geschichten geben Einblick gestritten, wer zuerst ins Boot darf. Schließlich sind Als wir endlich in Österreich ankamen, war mein Vater in die Herausforderungen, die sie mit dem Boot nur Menschen aus dem Irak und dem nicht am Bahnhof. Er wartete versehentlich an einem meistern müssen, und verraten, was Iran gefahren. Wir anderen mussten enttäuscht auf falschen Grenzübergang. Meine Mutter war stink- ein weiteres warten. Ein paar Stunden später haben sauer. Sie hat ihn angerufen und gefragt: ‚Spinnst du? ihnen beim Ankommen geholfen hat. wir erfahren, dass eine große Welle das erste Boot Wir sind bis nach Österreich gekommen und trotzdem Damit sollen Perspektiven geflüch- am offenen Meer umgekippt hat. Alle Menschen da- müssen wir jetzt auf dich warten?‘ Sobald wir ihn ge- teter Mädchen und junger Frauen rin sind ins Wasser gefallen und gestorben. Darunter sehen haben, hat sie ihm natürlich verziehen. Wir sind viele Kinder, die wir ja gerade noch darum beneidet uns alle nur noch in die Arme gefallen.“ öffentlich gemacht werden. Das Megaphon veröffentlicht zwei Port- räts der Serie in dieser Ausgabe. GLOBAL MEGAPHON / 14 EINE PORTRÄTREIHE VON SOS MITMENSCH MEGAPHON / 15

DALAA hat nach ihrer Flucht aus Syrien viele Freund_innen in „Ich habe eine Österreich gefunden. Zukunft“

FOTO: LENA PREHAL

Der Krieg zwang Dalaa und ihre Familie Mit meinen Freund_innen in Syrien habe ich 2016 dazu, aus Syrien zu flüchten und ihre Freund_ auch noch immer viel Kontakt. Ich wünsche mir sehr, innen zu verlassen. Heute lebt die 17-Jährige in dass es ihnen gut geht, weil ich die meisten seit mei- ihrer Lieblingsstadt Graz, besucht die HLW Schrö- ner Kindheit gut kenne. Der Abschied von ihnen war dinger und schätzt die vielen Möglichkeiten, die schwer. Aber der Wunsch, aus Syrien wegzukommen, sie in Österreich hat. war stärker. Ich wollte nicht mehr im Krieg leben, sondern einfach nur weg – egal wohin. In Damaskus „Die Schule in Österreich ist so komplett an- hatten wir selten Strom und Wasser in unserer Woh- ders als in Syrien. Wenn ich hier in der Schule bin, nung. Das war jeden Tag ein Hin und Her, plötzlich fühle ich mich wie zu Hause. Hier kann man bequem war der Strom weg. die Hausschuhe anziehen, die Jacke ausziehen, es gibt eine Heizung, es ist nicht kalt. In Damaskus hat das Bauchkribbeln im Flugzeug alles nicht so funktioniert. Wahrscheinlich wegen Während des Krieges war es kompliziert, zur Schule Geldproblemen und natürlich wegen dem Krieg. Ich zu gehen, aber wir mussten weiterleben, weil wir ja musste immer die normalen Straßenschuhe anha- nicht gewusst haben, ob und wann wir nach Europa ben und gegen Ende musste ich auch in der Klasse kommen. Irgendwann war klar: Wir können im Rah- immer mit Winterjacke sitzen, weil es so schrecklich men eines Familiennachzugs meinem Vater nach Ös- kalt war. Zehn Stunden Unterricht in Straßenschu- terreich folgen. Also sind wir mit dem Auto in den Li- hen und Jacke – ich glaube, das würde ich jetzt nicht banon und von dort mit dem Flugzeug nach Wien. Es mehr aushalten. war das erste Mal, dass ich geflogen bin, und ich war so schrecklich aufgeregt. Zugleich war ich im Flug- Alte und neue Freund_innen zeug aber auch überglücklich. Das Wichtigste beim Ankommen in Österreich war für mich, Freund_innen zu finden. Erst als ich 2017 Meine gleichaltrigen Freundinnen und mit meiner Familie nach Graz gezogen bin, lernte ich Freunde in Syrien sind jetzt in der Maturaklasse. Ich so richtig Deutsch. Auf einmal ging es schnell. Ich bin in der ersten Oberstufe und mache erst in vier kam in eine neue Schule mit einer super Lehrerin und Jahren meine Matura. Aber das ist okay. Heute weiß MEINE ZUKUNFT fand viele Freundinnen, die mich unterstützten. Das ich, ich werde eine gute Ausbildung machen, und ich IN ÖSTERREICH sind nicht alles Österreicher_innen, obwohl sie hier weiß auch, ich habe eine Zukunft und viele Möglich- geboren sind, aber sie sprechen perfekt Deutsch. keiten hier in Österreich.“ Alle neun Porträts sind auf der Website von SOS Mitmensch nachzulesen: www.sosmitmensch.at

LUST AUF KULTUR? 16 / MEGAPHON LUST AUF KULTUR? MEGAPHON / 17

9 Tage Afrika Im Training PoetrySlam Mehrsprachiger Schatz

21.–23. AUGUST Immer dienstags um 5. AUGUST 2020, Oeverseepark, Graz, 17 Uhr zeigt uns Katharina 19.30 UHR Das Projekt Linguisti freier Eintritt per Teletreff, wie Pilates Vorplatz der Herz-Jesu Kirche, Eintritt frei Afrika Festival 2020 unseren Körper und Geist stärkt Kinder in ihrer Schon zum 17. Mal kommt stärkt. Mittwochs um Grazer Sommerslam 2020 Afrika zu uns nach Graz 8 Uhr ruft Kirsche Kristin Zwei Poetry-Slam-Meister mehrsprachigen Identität –beim Afrika Festival des zum gschmeidigen Morgen- als Organisatoren: Christoph Vereins Chiala. Wer sich auf turnen, bevor es um 18 Uhr Steiner und Yannick Stein- und hilft, ihre Deutsch- das Fest einstimmen möch- zum Yoga in den Volksgar- kellner. Wortakrobatinnen te, geht am besten ins KIZ ten geht. Keine Müdigkeit Precious Nnebedum, Agnes kenntnisse über Spiele, Royal. Von 14. bis 20. August vortäuschen, denn donners- Maier, Janea Hansen auf der zeigt das Kino jeweils um 20 tags geht’s rund beim Bühne. Nichtsdestotrotz Tanz, etc. zu verbessern. Uhr ausgewählte Filme zum Tischtennis-Rundgangerl. bietet der Etepetete Poetry Thema mit anschließender Details und mehr zum kos- Slam wortgewaltige Reden. FÜR KINDER VON 6 BIS 10 JAHREN Publikumsdiskussion. tenlosen Programm unter Lachen, weinen, applaudieren 10. BIS 21. AUGUST 2020

Foto: Guenter Floeck annenviertel.at Foto: Roland Renner inklusive. NÄHERE INFOS: SPRACHSCHATZ.AT

Theater

Was spielt sich am Ortweinplatz um 7 Uhr früh, nachmittags oder mitten in der Nacht ab? Zwischen Community Art und Theaterarbeit hat das TaO! eine dreiteilige Soap entwickelt.

5.–15. AUGUST 2020, JE 20 UHR THEATER AM ORTWEINPLATZ INFOS ZUR THEATERSOAP: TAO-GRAZ.AT Tipps Foto: C. Nestroy – TaO!

kostenlose Konzertreihe Unterwegs Adoptiert Schlagergarten am Land

24. AUGUST BIS A M D I E N S T A G , Konzertstimmung auf 6. SEPTEMBER 2020 25. AUGUST 2020, VON GLORIA ALL STARS: Märchen- und 18 BIS 20 UHR Balkonien. Einfach gut. Naturerlebnistage in der Lauzilgasse 25, 8020 Seit 2010 treffen sich Mit Blick auf den Windhof- im 3. Stock bei Jugend am Das Klangforum Wien gibt in kogel lässt es sich besonders Werk findet das nächste die Schlagergarten-Old- gut zuhören, wenn Frederik Treffen der Selbsthilfe- 21 Grazer Innenhöfen 30- Mellak von besonderen gruppe statt. Bei den regel- Stars am Finzgut in Bergen erzählt, vom Sieg der mäßigen Treffen können sich minütige Konzerte. Fenster Kleinen über die Großen. Die Menschen aus der ganzen Söding. Es darf getanzt Wanderung begleiten Maul- Steiermark über ihre Erfah- auf! Erlebnis rein! trommel-Flöten-Klänge. Es rung, adoptiert worden zu und gecampt werden. ist der Auftakt der Erzähl- sein, austauschen.

HAPPINESS – SERIOUSNESS/A COUNTERPOINT wanderungen im Schöckel- 7.AUGSUT, 17 UHR BIS 8. AUGUST, 13 UHR 6. BIS 8. AUGUST 2020 IN GANZ GRAZ land für die ganze Familie. Nähere Infos findet ihr unter FINZGUT, PICHLINGDORF 1, SÖDING INFOS: KLANGFORUM.AT www.freudeanmaerchen.at www.herzens-kind.at INFOS: FINZGUT.AT/SCHLAGERGUTGLORIA Foto: Klangforum Wien; Tina Herzl KOO PERA BUCHTIPP VOM BÜCHERSEGLER MEGAPHON / 18 SELBER MACHEN MEGAPHON / 19 TION Valerie Fritsch „Im Hinterzimmer- universum der Zeit“ Herz- klappen Roman Ein Familienroman. Vater. Mutter. Kind. von Suhrkamp Selber Johnson & Großeltern. Das Kind, das keinen Schmerz Johnson fühlen kann. Die andere Generation, die sehr viel Schmerz angehäuft hat. machen Sommerliches Deodorant „Alma war ein ungeduldiges Kind, das nicht verlieren konnte, bei Brettspielen HERZKLAPPEN VON betrog, lieber schrie als schwieg, die Hände oft zu Fäusten ballte, die auch im Schlaf JOHNSON & JOHNSON selten aufgingen.” So beginnt Valerie Fritschs neuer Roman, ein Familienroman. Das ein Roman von Valerie Fritsch Paar Alma und Friedrich bekommen ein Kind, das keinen Schmerz empfinden kann. ISBN 978-3-518-42917-4 Die Mutter untersucht das Kind akribisch jeden Abend auf Verletzungen. Am meisten Erhältlich beim Büchersegler fürchtet sie Verletzungen, die sie nicht sehen kann. Innerliches. Alma hat eine sehr betagte Mariahilferplatz 5, 8020 Graz Großmutter, bei der sie Halt findet. Nach lebenslangem Schweigen beginnt sie nun zu www.buechersegler.at erzählen, aus ihrem „Hinterzimmeruniversum der Zeit”. Um dem familiären Schmerz auf die Spur zu kommen, reist die Familie nach Kasachstan. Zu den Ursprüngen, als der Großvater im Krieg war. Das Zuviel und Zuwenig 6 an Schmerz ist Thema dieses nicht epischen Familienromans, ohne jedoch gezwungen im In den Topf einfüllen und Vordergrund abgehandelt zu werden. über Nacht im Kühlschrank aufbewahren. 1 FOTO: DOGDAYSOFSUMMER Wenn das Basenpulver körnig 7

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Nächster Halt: besseres Leben

FOTOS: PETER PATAKI Anthony Osemeke aus Nigeria ist Megaphon-Verkäufer unter dem Uhrturm – aber nicht unter jenem, an den Sie wohl zuallererst denken. Der 42-Jährige fährt (fast) täglich nach Bruck und ist somit einer von vielen pendelnden Mitarbeiter_innen des ANTHONY Straßenmagazins. Wie er dabei seinem Ziel, Deutsch zu lernen, ist nicht der einzige stets drei Wörter entgegenrattert, warum das Wochenende für Megaphon-Verkäufer, der tagtäglich eine ihn oft stürmisch ist und weshalb eine Schwierigkeit auch ein lange Fahrt auf sich Geschenk sein kann. nimmt, um den sozialen Aufstieg zu schaffen. REGIONAL 22 / MEGAPHON REGIONAL MEGAPHON / 23

schon immer wissen, wie sich Schnee an- ten alles zu Fuß, und am Sonntag gehe ich fühlt.“ In seiner Heimat Umunede im süd- sehr oft auf den Schloßberg.“ Beim Weiter- lichen Teil Nigerias hat es gerade an die gehen erzählt Anthony von zwei weiteren 30 Grad. Die Frage, ob ihm hier nicht kalt Dingen, die er sehr mag und die für ihn zu sei, weist er dennoch entschieden und mit seinem freien Tag einfach dazugehören: einem strahlenden Lächeln von der Hand: Kochen und Fußball. Bei Erstgenanntem „Nein, warum? Wir haben ja schließlich sind seine Frau und er ein eingespieltes warme Jacken und heißen Kaffee!“ Unter Küchen-Team: „Ich mache meist etwas den venezianisch anmutenden Arkaden Nigerianisches zur Hauptspeise, mit Yams des gotischen Kornmesserhauses zieht oder Reis, und meine Frau eine ungarische er für das weitere Stück des Weges dann Nachspeise. Sie backt großartige Kuchen aber doch eine schwarze Haube aus dem und Torten. Aber ich mag natürlich auch dunkelgrauen Leoparden-Rucksack mit österreichisches Essen, zum Beispiel Le- pinken Bändern. Mit kalten Ohren ließe berkäse.“ Und für welches Rasen-Team es sich auch bestimmt nicht so gut über schlägt sein Herz? „International für Bay- Themen plaudern, bei denen es einem ern München und in Österreich selbstver- warm ums Herz wird, zum Beispiel über ständlich für Sturm Graz. Für wen auch seine ungarische Frau, mit der er erst im sonst? Wann immer es geht, bin ich mit MASKENFREI? vergangenen Herbst eine neue Wohnung meiner Frau bei den Heimspielen im Sta- Die Reportage mit bezog. Das Paar lebte schon gemeinsam dion. Wir wohnen ja gleich bei der Merkur Anthony entstand An- in Italien und in Sylvias Heimat Budapest, Arena ums Eck.“ „Guten Morgen“ auf den Lippen umge- fang März – in Zügen ihre Zukunft sehen die beiden dennoch in hend zu Hilfe. Man kennt und mag einan- gab es damals noch Graz: „Wir möchten unbedingt bleiben, es Gleich ums Eck müsste bald der der. Das merkt man auch an dem Brucker keine Maskenpflicht. gefällt uns hier einfach. Und meine Frau, Verkaufsplatz von Anthony auftauchen. Ehepaar, das seine Wochenendeinkäufe die natürlich viel, viel besser Deutsch Denn: Viele Menschen sind nicht auf der schon in der Tasche hat und an dem nicht spricht als ich, hat in Raaba auch einen Straße unterwegs – aber immer mehr be- unbemerkt vorübergegangen ist, dass der Job in einem Büro gefunden.“ Anthony ginnen, den Nigerianer zu grüßen. Und Megaphon-Verkäufer an diesem Tag etwas selbst lernt erst seit Juli 2019 Deutsch – der grüßt natürlich zurück. Soeben erst später dran war als üblich. „Beim Hinein- „Nächster Halt: Bruck an der oder eine Ausbildung zu machen. Ich Megaphon-Verkäufer zu arbeiten. Seinen aber dafür mit unbändigem Willen. „Es bei dem kleinen Supermarkt im Dürrn- gehen haben wir uns schon gefragt, was Mur. Next stop: Bruck an der Mur.“ Und musste immer von kleinen Gelegenheits- Verkaufsplatz hatte er von Anfang an in heißt zwar oft, dass Deutsch schwierig sei, bergweg angekommen, beginnt er, alles los ist“, meint der ältere Herr. Es fällt auf, täglich grüßt das Durchsagetier. Zumin- jobs leben. Hier in Österreich will ich jener Stadt, wo Mürz und Mur aufeinan- ich sehe den Deutschkurs aber nicht als für den heutigen Verkaufstag vorzuberei- wenn Anthony fehlt. Und es fällt auch auf, dest fast: Montags bis samstags rollt An- alles dafür tun, endlich einen richtigen derstoßen. Und das Aufeinanderstoßen Schwierigkeit, sondern als Geschenk, weil ten, der ungefähr bis 17 Uhr dauern wird: wenn etwas anders ist als sonst. Eine an- thony Osemeke per Bahn in die Stadt mit Beruf zu haben oder sogar zu studieren. mit der Brucker Bevölkerung erlebte er ich die Sprache unbedingt lernen will.“ flugs die zehn Exemplare der aktuellen dere Supermarkt-Kundin will sofort wis- dem etwas kleineren Uhrturm-Pendant, Alles mit Technik würde mich sehr inter- von Beginn an ganz und gar positiv: „Ich Ausgabe platzieren, ratzfatz das Kinder- sen, was hier gerade passiert. Und ist er- während sich in Graz das geschäftige Trei- essieren.“ mag die Leute in Bruck – und sie mögen Bis zur coronabedingten Pause und Kochbuch in die Hand nehmen, ei- leichtert, als sich herausstellt, dass „nur“ ben erst anschickt, so richtig Fahrt aufzu- mich. Wenn ich einmal einen Tag nicht da der Einheiten war Anthony begeisterter lends den Megaphon-Ausweis richten. Fotos gemacht werden: „Gott sei Dank, nehmen und zu erwachen. Apropos er- Nahe Vergangenheit, Gegen- war, werde ich am nächsten gefragt, wo ich Teilnehmer beim Megaphon-Deutsch- ich war schon besorgt, dass es etwas an- wachen, da hat der Nigerianer seine ganz wart, Zukunft: die eigene Hochzeit 2017 gewesen bin. Ich würde gar nicht in Graz kurs. Was wurde dort so gelernt? „Wir wa- Als eine der Supermarkt-Ange- deres ist.“ Hier fragt man nach. Und man eigene Regel: „Meistens stehe ich um 5 in der Nähe von Florenz, Deutsch lernen, verkaufen wollen.“ Dass sich Anthony in ren gerade bei den Verben und nehmen die stellten aus dem Gebäude kommt, um sich beginnt, sich selbst zu fragen, wie rele- Uhr auf. Aber nur, wenn ich richtig müde der Traum von der Ausbildung – das al- der rund 15.000-Einwohner-Stadt hei- ganz genau durch.“ Das Verb der Stunde? auf ihren eigenen Verkaufstag vorzube- vant weiter zurückliegende Vergangenheit bin – normalerweise um einiges früher.“ les sind Dinge, bei denen der 42-Jährige misch fühlt, spürt man, sobald er nach Gehen – gerade weiter stadtauswärts an reiten, und die Einkaufswagen mit ziem- in manchen Situationen und für manche Auch bei den ersten Schritten, welche die ins Schwelgen und Schwärmen gerät. Bei Einfahren des Zuges seine Sneaker-Soh- der Arbeiterkammer vorbei. Gehen liebe licher Kraftanstrengung verschieben will, Menschen überhaupt ist. Nahe Vergan- Weichen für seinen Arbeitstag stellen, hat Fragen über seine weiter zurückliegende len auf Brucker Boden setzt. Man merkt er sowieso: „In Graz mache ich am liebs- eilt ihr Anthony mit einem strahlenden genheit, Gegenwart, Zukunft: das par- er einen fixen Rhythmus, von dem er nicht Vergangenheit wird er aber still und zu- ihm an, wie sehr ihm die Wege hier ver- lierend-flanierende Miterleben einer Le- mehr abweichen mag: Um 6 Uhr lässt er rückhaltend. Er überlässt dem Tüten der traut sind: die Stufen im Bahnhofsgebäude bensgeschichte, das Mitbekommen eines die Haustür seiner Wohnung in Liebenau sich öffnenden und schließenden Wag- mit der Leichtigkeit des katzenartigen Tie- wohltuend empahtisch-symbiotischen ins Schloss fallen, danach geht es für ihn gontüren die akustische Hauptrolle, um res, das seinem Rucksack das Muster gibt, Minimoments vor einem kleinen Super- zu Fuß zum Ostbahnhof, um 6.44 Uhr dann doch kurz und bündig zu antwor- hinunter und wieder hinauf, den Uhrturm markt, das Mithoffen auf die Verwirkli- nimmt er den Zug gen Hauptbahnhof, ehe ten: „Warum ich meine Heimat verlassen rechts liegen lassen, weiter durch die einst chung eines großen Traumes. Nächster er um 7.08 Uhr oder 7.26 Uhr in die S- habe? Sagen wir einmal so, ich habe mich so geschäftige Mittergasse mit ihren jetzt Halt: Ausbildung. Bahn oder den Railjet nach Bruck steigt. dort nicht mehr sicher gefühlt, da gab es so vielen verwaisten Geschäftslokalen. Die rollende Dreiviertelstunde nutzt der immer wieder Probleme. Und außerdem 42-Jährige stets für ein weiteres Ritual: hatte ich schon immer die Hoffnung auf Auf dem Weg zum Hauptplatz „Da lerne ich immer Deutsch, vor allem ein besseres Leben in mir.“ bleibt an diesem so strahlend sonnigen, mit Youtube-Videos. Ich will jeden Tag aber auch so wenig frühlingshaften Tag ungefähr drei Wörter mehr auf Deutsch Dieses erhoffte bessere Leben sein Blick auf den zuckrig weißen Berg- kennen, das ist mein Ziel“, meint er und begann der Nigerianer 2015 in Öster- spitzen des Murtales hängen. „Das erin- spricht noch im Zug in einem Atemzug reich. Nach einem ersten Stopp in Graz nert mich immer daran, dass ich in Graz MARTINA STIX auch gleich ein weiteres, weitaus größeres und Phasen in Italien sowie Ungarn ist das erste Mal Schnee gesehen und gespürt hat bereits Reportagen über an. „Ich hatte bei mir zu Hause nie die er 2018 in die steirische Landeshaupt- habe, ich musste ihn damals einfach so soziale Initiativen in Burkina Chance, eine richtige Schule zu besuchen stadt gekommen, um zu bleiben – und als schnell wie möglich angreifen. Ich wollte Faso und Äthiopien verfasst. GLOBALUR 24 / MEGAPHON URBAN MEGAPHON / 25 BAN

Kommen und *Namen geändert Gehen

TEXT: EVA SAPPL ILLUSTRATIONEN: LENA GEIREGGER

Christine Westreicher begleitet Menschen auf ihrem letzten Lebensabschnitt – ein Abschnitt voll tiefgründiger Gespräche, letzter Wünsche, aber auch voller Leben.

Ein letztes Mal betreten sie die rin des Hospizes in der Albert-Schweit- selben Tag, denn wer weiß, was morgen Wohnung. Frau Wurz hält inne, hier war zer-Klinik in Graz. Sie betreut und unter- ist. Sei es, einen Strudel am Griesplatz zu 30 Jahre ihr Zuhause, hier kennt sie sich stützt Menschen auf ihrem letzten Halt essen, zum Citypark Weihnachtsgeschen- aus. Sie wolle nur noch einmal nachse- vor dem Tod. Im Hospiz-Haus der Klinik ke für die Enkel kaufen zu gehen oder ein- hen, ob alles an seinem Platz ist. Penibel stehen zwölf Betten für jene bereit, die fach ein Spaziergang mit dem Rollstuhl im schweift ihr Blick durch die kleinen Räu- „austherapiert” sind - für Menschen, bei anliegenden Oeverseepark. Christine ist me ihrer Zwei-Zimmer-Wohnung. Lang- denen keine ärztliche Behandlung mehr da, geht mit und gibt den Sterbenden da- sam tritt sie ein. Bilder werden gerade anschlägt, die aber auch nicht mehr allei- durch ein Stück weit ihre Eigenständigkeit gerückt, Leintücher glatt gestrichen. Die ne zu Hause leben können oder wollen. zurück. kleine hölzerne Schmuckschatulle in der Sterbebegleiter_innen sind, wie Christine möchte ihre Schützlinge letzten Schublade der Kommode kontrol- Christine erklärt, die „kleinen Wunsch- in einen „Wohlfühlmodus” bringen, ihnen liert sie auf Vollständigkeit. Ein letztes erfüller”. Kleine Wünsche, wie der von Wertschätzung vermitteln und Mitgefühl Mal versperrt Frau Wurz ihre Tür. Sie hat Frau Wurz, noch einmal in ihre Woh- zeigen. Dabei ist sie vor allem für jene da, jetzt ein neues Zuhause, ein neues Bett. nung zu können. Beiläufig dahergesagte die den größten Bedarf haben. Das sind Das letzte Bett, in dem sie schlafen wird. Kleinigkeiten schnappt Christine in Ge- meist Personen ohne Angehörige, die we- sprächen mit den Bewohner_innen des nig Besuch bekommen. CHRISTINE Erfüllte letzte Wünsche Hospizes auf und setzt sie um. Spontan WESTREICHER Christine Westreicher hat Frau Wurz* sind sie an diesem Tag ins Auto gestiegen Begleitung in den letzten Tagen arbeitet seit 10 Jahren beim Abschiednehmen begleitet. Die und zu der Wohnung gefahren. Solche Sterbebegleitung ist nicht zu verwech- als Sterbebegleiterin. 55-Jährige ist ehrenamtliche Mitarbeite- Aktionen sind meistens spontan und am seln mit Sterbehilfe. Aktive Sterbehilfe URBAN MEGAPHON / 26 URBAN MEGAPHON / 27

ist in Österreich derzeit noch verboten. Kein Krankenzimmer, sondern hören.” Christine sagt nie „auf Wieder- STATIONÄRE HOSPIZE Sterbebegleitung ist die Unterstützung ein Zuhause CHRISTINE sehen” zu ihren Schützlingen, denn die sind Einrichtungen mit einer und Betreuung Sterbender während ih- Im hinteren Teil des Klinikgeländes be- WESTREICHER meisten Menschen dort sind sehr gute eigenen Organisationsstruktur. res natürlichen Sterbeprozesses, egal wie findet sich das Hospiz-Haus. Im ersten arbeitet seit 10 Jahren Realisten, wie sie sagt. Sie wünscht lieber *Namen geändert Sie sind nicht von einem lange dieser dauert. In Österreich werden und zweiten Stock sind zwölf Zimmer als Sterbebegleiterin. "eine gute Woche" und verabschiedet sich Krankenhaus oder Senioren- unterschiedlichste Formen der Sterbe- und das Tageshospiz: ein großer Gemein- jedes Mal innerlich von der Person. Die heim abhängig. Es werden begleitung angeboten. Neben der statio- schaftsraum, der durch Bürotrennwände Chance, dass es kein Wiedersehen gibt, Patient_innen in der letzten nären Betreuung im Hospiz gibt es auch aus hellem Holz geteilt ist. Im hinteren ist groß. Der Hospizverein bietet den Lebensphase betreut, bei Betreuer_innen auf Palliativstationen in Bereich wird jemand massiert, vorne an MitarbeiterInnen immer wieder Super- denen kein Aufenthalt in einem Krankenhäusern und Pflegeheimen sowie einem langen Tisch plaudern zwei Eh- visionen an. In diesen kann man in der Krankenhaus erforderlich ist mobile Teams, die zu Hause helfen. Teil renamtliche mit zwei Damen bei Tee und Gruppe belastende Themen austauschen bzw. Betreuung zu Hause oder der stationären Hospize sind manchmal Keksen. Offene Räume, helle Möbel, und besprechen. im Pflegeheim nicht möglich ist. auch sogenannte Tageshospize. Diese bie- Wandgemälde und wuchernde Pflanzen Für Christine Westreicher ist in ten einen Wohlfühltag” für Sterbende, die verdecken geschickt die Krankenhaus- Würde sterben das Erlauben, Zeit zum zu Hause gepflegt werden, und zugleich Atmosphäre. In jedem Stock gleich neben Sterben zu haben. Es sei wichtig, dass Entlastung für die Angehörigen. Als eine der Treppe hängt ein Plakat mit allen der Mensch bis zum Schluss Mensch Mischung aus Therapien, Pflege und Un- Schwestern, Pfleger_innen, Ärzt_innen, bleibt, indem man all seine Bedürfnisse PALLIATIV-STATIONEN terhaltung, beschreibt es Christine. Therapeut_innen und Ehrenamtlichen erfüllt. Viele BewohnerInnen des Hospi- sind eigenständige Stationen Österreichweit gibt es insgesamt und wünscht „Herzlich willkommen”. zes sehen sich oft nur noch als Belastung innerhalb eines Kranken- 348 Hospiz- und Palliativeinrichtungen In Zimmer 207 wohnt seit drei für Angehörige oder Personal. Christine hauses. Hier werden Sterbende und 3.591 ehrenamtliche Mitarbeiter_in- Wochen Frau Lutter*. Bei der 79-Jährigen setzt genau hier an und zeigt den Ster- betreut, die spezielle ärztliche nen. Die meisten Ehrenamtlichen fasst wurde Anfang November überraschend benden, dass ihre Geschichte und ihr Behandlung benötigen, die in die Steiermark, mit fast einem Viertel fortgeschrittener Magenkrebs diagnos- Dasein wichtig ist: "Wir versuchen, den einem Hospiz nicht möglich wäre. (857). Um die 80.000 Menschen ster- tiziert. Nüchtern erzählt sie von ihrer Menschen bis zum Schluss als wertvollen ben jährlich in Österreich, mehr als die Krankheitsgeschichte: „Jammern nützt Menschen zu wahren." Hälfte erreichte dabei mindestens das 80. niemandem etwas, mir nicht und meiner neben dem Bett hängt ein Gemälde vom spirituellen Kurs, in dem sich die Teil- Lebensjahr. Dieser Schnitt spiegelt sich Familie nicht.” Die Krankheit will sie sich Meer, stürmisch in Wellen. Die bunte nehmer_innen in eigene Sterbeprozesse auch im Albert-Schweitzer-Haus wider. nicht anmerken lassen. Die Haare sind Patchworkdecke am Krankenbett lässt hineinversetzten – „Was würdest du tun, MOBILE TEAMS beraten eingeföhnt und mit einer kleinen Spange das grobe Gestell einladend wirken. Am wenn das deine letzten zwei Stunden wä- HOSPIZ UND CORONA und begleiten Patient_innen zu einer schönen Welle gesteckt, ihre Fri- Haltegriff des Bettes hängt das Thera- ren?” – und viel meditierten. Ihre zwei- Der Artikel entstand vor der und Betreuende (Pflege- seurin lässt sie ins Hospiz kommen. Die band für Frau Lutters Fitnessübungen. te Ausbildung in der Steiermark bei den Coronakrise und wurde von uns personen, Angehörige etc.) zu enge schwarze Hose sitzt. Nur ihre zer- Ein gebundener Kranz mit einer Kerze, Comboni Missionare in Messendorf war aus aktuellem Anlass verschoben. Hause oder im Heim. brechliche Statur lässt den Zustand von Engelsskulpturen und Fotos ihrer Fami- eine Grundausbildung, um dann wirklich Von Mitte März bis Ende April Frau Lutter vermuten. Ansonsten wirkt lie, all das brachte Frau Lutter mit. Denn als Sterbebegleiterin arbeiten zu dürfen. herrschte im Hospiz-Haus der sie fit, holt Fotos aus einer Schublade der Raum ist kein Krankenzimmer, son- Anschließend fing Christine in einem Albert-Schweizer-Klinik für ihres Beistelltisches, Kekse vom obersten dern ihr Zuhause. Pflegeheim an. „Ich wollte nicht gleich am ehrenamtliche Begleiter_innen Regal, zeigt ihren Trainingsplan mit Fit- Anfang mit zu viel Tod konfrontiert sein.” und auch die meisten Angehörigen nessübungen. „Da muss doch etwas sein.” Sie bekam einen Herrn ohne Familie als absolutes Besuchsverbot. Zutritt Bis auf die Möbel ist der Raum Seit zehn Jahren arbeitet Christine als Schützling übertragen. Dort erfuhr sie aus journalistischen Gründen persönlich eingerichtet. An der Wand Sterbebegleiterin. Nachdem sie bei Mag- das erste Mal, was es heißt Sterbebeglei- zu erlangen, war in dieser na Steyr ihre Anstellung als Assistentin terin zu sein. „Wir haben Gemeinschaft Zeit ebenfalls nicht möglich. verloren hatte, dachte sich die damals gepflegt.” Um Christine herum entstand Christine Westreicher kann nur 45-Jährige, was könnte sinnvoller sein als immer eine große Gesprächsrunde, es mutmaßen, wie die Situation Sterbebegleiterin? Die Gelegenheit für wurde gelacht und gefeiert und so baute während der Ausgangs- und eine Ausbildung war gegeben und Inter- sie auch zu anderen Heimbewohner_in- Besuchsbeschränkungen esse am Tod hatte Christine, seit sie zwölf nen Beziehungen auf. Es ist wichtig, zu aufgrund von COVID-19 vor Ort Jahre alt war. Damals war ihr Vater, für seinen Schützlingen, wie Christine sie war. „In Würde sterben, heißt sie völlig unerwartet, gestorben. Er hat- nennt, eine Beziehung aufzubauen, bevor auch Selbstbestimmtheit bis zum te über seine Krankheit geschwiegen, die man über die Themen, die die Sterben- Schluss“, sagt sie. „Das war nicht Krankenhausbesuche als Routine her- den beschäftigen, sprechen kann. Bezie- mehr allen möglich. Niemand hat untergespielt, bis plötzlich mitten in der hung kommt vor Inhalt. die Patient_innen gefragt, was sie Nacht der Anruf kam, er sei verstorben. Christines Hospiz-Tag ist der wirklich brauchen oder wollen.“ Christine begann sich mit dem Tod zu be- Mittwoch. Neben Teilzeitanstellung als schäftigen und sich zu fragen, wo wir hin- Ordinationsassistentin und Familie, ist gehen, wenn wir sterben. „Da muss doch das der Tag, der dem Hospiz gehört. Aus etwas sein.” Selbstschutz ist ihr eine bewusste Tren- In Deutschland wie auch in nung von Privatleben und Hospiz wich- EVA SAPPL Österreich absolvierte Christine unter- tig. „Am Ende wasche ich immer meine hat als Freiwillige in Kran- schiedlichen Ausbildungen. In der Nähe Hände und lasse alle Geschichten, die im kenhäusern und Flücht- von Nürnberg begann sie einen sehr Hospiz sind, bei demjenigen, dem sie ge- lingsheimen ausgeholfen. VERKÄUFER DES MONATS 28 / MEGAPHON VERKÄUFER DES MONATS MEGAPHON / 29

Ghazi Ahmazai

TEXT: ANNA MARIA STEINER FOTOS: ARNO FRIEBES

mir und nimmt mich mit zu wenn man als Kellner arbeitet. ihren Freund_innen und ihrer Im Gastgewerbe muss man Familie in Kärnten. Bei ihrem auch mutig sein und auf die Großvater in Oberkärnten Gäste zugehen, und man muss fühle ich mich so wohl – nur es sogar verboten. Burschen sportlich sein. Beides ist für den Dialekt verstehe ich nicht wie ich werden oft von den Ta- mich kein Problem – ich spiele immer. Dann muss Veronika liban verschleppt. Die drücken Handball und bin beweglich. übersetzen. Mit ihrem Opa den Jugendlichen Waffen in Meine Läuferfigur ist eine spreche ich über Peggau und die Hand und zwingen sie, auf gute Voraussetzung für einen R DES FE M mein Dorf in Afghanistan, andere zu schießen. Wenn ich Beruf im Gastgewerbe, und in U O

Ä N über den kleinen Garten erfahre, wie viele Menschen Afghanistan habe ich sogar K A

R meiner Eltern und über das, täglich sterben, bin ich ein- Cricket im Verein gespielt. T

E S

V was darin wächst: Melanzani, fach nur dankbar, hier sein zu Im Frühjahr hatte ich die Zu- Ghazi mit dem vierbei-

Zucchini, Chilis, Knoblauch, dürfen. sage für eine Lehrstelle, aber nigen Freund Dylan. „In

Afghanistan hatte ich A Zwiebeln und Kartoffeln; dann kam die Coronakrise. U 0 Angst vor Hunden – in DAHEIM BIN ICH IN… in G 0 2 Früchte wie Marillen, Äpfel, MEIN GRÖSSTER WUNSCH Jetzt hoffe ich, dass ich eine U S T 2 Österreich sind sie mir Peggau. Hier fühle ich mich Birnen und Trauben. Wenn … sind ein positiver Asylbe- Lehrstelle bekomme oder eine zu Freunden geworden.“ wohl – vielleicht auch deshalb, es in meinem Heimatdorf in scheid und eine Lehrstelle. Ich Einstellungszusage, denn das Ghazi kann nur in Öster- (Bild rechts unten) Ghazi weil ich in einem kleinen Dorf Afghanistan so wäre wie in kann nur hier bleiben, wenn wäre meine Chance auf einen reich bleiben, wenn er mit seiner Patin Veronika. geboren bin. Die Kindheit in Peggau, dann könnten sich ich eine Lehrstelle finde. Das Aufenthalt in Österreich, auf eine Lehrstelle findet. Sie meinem Heimatland Afgha- nach Traiskirchen gebracht, meine Eltern und Geschwister ist aber schwierig, da ich erst Arbeit und auf ein eigenstän- können ihn dabei unter- nistan war schön: Meine habe Kleidung bekommen und und meine Freunde in Öster- arbeiten darf, wenn ich einen diges Leben. Und wenn ich stützen? Schreiben sie Eltern haben uns drei Kinder wurde von Ärzten untersucht. reich übers Handy kennen- Aufenthaltstitel bekomme. all das habe, werde ich nachts uns unter megaphon@ ICH HEISSE… Ghazi und mit viel Liebe aufgezogen, wir Gott sei Dank war ich gesund! lernen – aber in unserem Dorf Ich glaube, man nennt es auf wieder gut schlafen können … caritas-steiermark.at komme aus Afghanistan. Mein hatten einen Bauernhof mit gibt es kein Internet. Deutsch „Henne-Ei-Problem“. Name wird „Raasi“ ausgespro- Tieren und einem kleinen AM MEISTEN VERMISSE Ich will nicht arbeitslos sein. chen und bedeutet „Sieger“ Gemüsegarten. Bildung war ICH … meine Familie: meine ÖSTERREICH UND AFGHA- Nur schlafen gehen, aufstehen – und ein paar Siege habe ich für meine Eltern wichtig. Ich Schwester, meinen Bruder, NISTAN … sind so verschie- und nichts zu tun zu haben – tatsächlich schon errungen in konnte zur Schule gehen, bis meinen Vater und vor allem den wie Tag und Nacht: Hier das erscheint mir schlimmer meinem Leben. Etwa, dass ich die Taliban gekommen sind meine Mutter. Eine Mutter haben Kinder und Jugendliche als zu sterben. Mein Traum vor zwei Wochen die Schule und ich geflohen bin. Als ich zu haben, ist etwas ganz Be- Möglichkeiten, können zur ist, Restaurant-Fachmann abgeschlossen habe. Mein im Herbst 2016 nach Öster- sonderes – sie fehlt mir sehr. Schule gehen, eine Mechani- zu werden und eine Lehre größter Sieg aber wird sein, reich kam, war ich fast noch Hier in Österreich unterstützt ker-Lehre machen oder den als Kellner zu beginnen. Ich wenn ich eine Arbeit habe. ein Kind. 40 Tage hat die mich meine Patin Veroni- Führerschein und werden, möchte Kontakt haben mit an- Das Zeitungsverkaufen ist Flucht gedauert – bei meiner ka. Wir haben uns über den wenn sie etwas brauchen, deren Menschen, möchte sie schön. Ich lerne Menschen Ankunft war ich unendlich Verein Zebra kennengelernt, meistens von Eltern oder Staat bewirten – ich denke, die Gäs- kennen und kann anderen müde und hatte furchtbar gro- der geflüchtete Menschen wie bei ihrer Zukunftsplanung te würden sich freuen, wenn behilflich sein – wenn sie Hilfe ßen Durst. Nie werde ich den mich mit Österreicher_innen unterstützt. In Afghanistan ist ich ihnen Speisen und Geträn- brauchen beim Tragen ihrer ersten Schluck Wasser ver- zusammenbringt. Meine Patin das Leben anders. Für Buben ke bringe! In Österreich habe Einkaufstaschen oder beim gessen, den ich in Österreich hilft mir, mich in Österreich ist es schwer, die Schule zu be- ich auch Saubermachen und Verladen ihrer Einkäufe. getrunken habe! Ich wurde zurechtzufinden. Sie lernt mit suchen, und den Mädchen ist Putzen gelernt, was wichtig ist, MEGAPHON BEWIRKT ... DAS MEGAPHON

IST EINE

INITIATIVE DER gional. Das Megaphon bietet e Ein Bauwerksabdich- R Menschen Chancen ! ter (auch Schwarz- is decker genannt) stellt für den sozialen Auf- E g. schützende Abdich- Kti stieg. Die Initiative l tungen für Bauwerke elfä aller Art fachgerecht verteilt keine Almosen, Vi her und führt Instand- . sondern setzt auf Ar- o haltungsarbeiten an Bi der Abdichtung durch. beit als Schlüssel zur Integration. Die Hälf- „QUALITÄT UND UNSER ÖKOLOGISCHER FUSSABDRUCK SIND UNS WICHTIG, DAHER VERWENDEN te des Verkaufspreises WIR FÜR UNSERE PRODUKTE, SOFERN MÖGLICH, von 3,– Euro bleibt AUSSCHLIESSLICH ZUTATEN AUS DER REGION.“

den Verkäufer_innen. Petra Großschädl Foto : böhringer friedrich, wikimedia Eigentümerin SAX Eis www.megaphon.at

Regionale Produkte Das Megaphon bewirkt, dass Chukwue- Unser Straßenmagazin erscheint Zutaten direkt aus der Region und beste seit Oktober 1995 monatlich und Auch BIO-Milch von Mantscha werden für die täg- meka Igwe Bauwerksabdichter wird. ist Ausdruck eines Lebensgefühls: lich frisch produzierten Eissorten verwendet. in Zeiten der Krise gibt es positive Nach- sozial engagiert, nah am Men- schen, aber auch umweltbewusst Was das Herz begehrt sowie politisch interessiert. Das richten. Unser ehemaliger Verkäufersprecher Von den klassischen Sorten wie Erdbeere, Megaphon ist ein urbanes Grazer Vanille, Schokolade oder Stracciatella bis Magazin mit regionaler Veran- Chukwuemeka hat über das Caritas-Projekt hin zu unseren Neuheiten Toblerone oder kerung und globaler Denkweise, Dragee Keksis. Bei uns ist für jeden etwas das kulturelle Vielfalt als Chance „Arbeit stiften” die Möglichkeit erhalten, in dabei! In unseren Eisvitrinen befi ndet sich und Bereicherung einer Gesell- auch eine große Auswahl an veganen, lak- schaft sieht. ein eineinhalbjähriges AMS-Projekt einzu- tosefreien und glutenfreien Eissorten. Bei SAX Eis sind alle Fruchteissorten vegan steigen. Dank der persönlichen Betreuung und glutenfrei. Ebenso auch unsere dunkle von Heimo Ulz hat er die Aufnahmeprüfung Schoko, Nero genannt. geschafft und wird nun zum Bauwerksab- www.saxeis.at dichter ausgebildet.

Das nächste Medieninhaber, Herausgeber, Verleger: Caritas der Diözese Graz-Seckau, Grabenstraße 39, 8010 Graz; Redaktionsadresse Megaphon: Marianum, Mariengasse 24, 8020 Graz, Telefon: 0316 8015 650, Fax: 0316 81 23 99, E-Mail: [email protected], megaphon.at; Leiterin: Sabine Gollmann. Chefredakteur: Peter K. Wagner. Redaktion: Julia Reiter, Natalie Resch. Die in Gastbeiträgen geäußerte Mei- Megaphon nung muss nicht mit der Meinung der Redaktion übereinstimmen. Kulturtipps an: [email protected]; Marketing und Anzeigen: Tülin Hasewend-Tuna, [email protected]; Sekretariat und Abo-Verwaltung: Dagmar Haßler, Telefon: 0316 erscheint am 8015 650, [email protected]; Verkauf und Vertrieb: David Stampfer (Koordination), [email protected], Telefon: 0676 88 01 56 55; Mahaboobullah Torabi; Layout und Gestaltung: Kristina Kurre – MitKa; Illustrationen: Lena Wurm (Autor_innen) Repro und Druck: Druck Styria GmbH & Co KG 01.09.2020 KUNST im SOMMER MUSEUM AM ABEND DI–SO 16–20 UHR

KÜNSTLERGESPRÄCHE SO, 26. 7. 2020, 18–19.30 Uhr Das Paradies macht Mist. SO, 9. 8. 2020, 18–19.30 Uhr Die Hölle macht Müll. Am Ende des irdischen Lebens, SO, 6. 9. 2020, 18–19.30 Uhr der letzten Ausfahrt... Gezeichnet von den Wund- kerben und Schmerz- scherben dieser Welt. PARADIESWERKSTATT AM MORGEN für Kinder ab 6 MI, 5. 8.; MI, 12. 8.; MI, 19. 8. 2020 jeweils 9.30–11.30 Uhr

ALOIS NEUHOLD Innergärten und Trotzdemblüten. Verstreute Blütenblätter aus dem Gartenbuch eines verlorenen Paradieses AUSSTELLUNG .at ZENTRUM FÜR GEGENWART KUNST& RELIGION IN GRAZ

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