Zur PDF-Ansicht
Total Page:16
File Type:pdf, Size:1020Kb
SONDERAUSGABE 03/2020 Herausgeber: Kreisvorstand DIE LINKE.Burgenlandkreis Liebe Genossinnen und Genossen, liebe Freunde, Der Corona-Virus hat nun auch Sachsen-Anhalt erreicht. Schulen und Kindertageseinrichtungen werden geschlossen. Viele unserer Mitglieder und Freunde gehören zu Risikogruppen und es ist mehr als vernünftig, sie und uns durch geeignete Maßnahmen zu schützen. Unser Vorhaben, uns an die Ereignisse vor 100 Jahren zu erinnern und die Opfer des Kapp-Putsches in unserer Region anlässlich des 100. Jahrestages würdig zu ehren, werden wir mit dieser Sonderausgabe tun und zu einem späteren Zeitpunkt gemeinsam die Gräber und Gedenkstätten in Naumburg, Weißenfels, Bad Kösen, Hohenmölsen… aufsuchen. Bitte verteilt diese Sonderausgabe unseres Kuriers, besonders auch an Menschen, die verantwor- tungsbewusst diese Geschehnisse der jungen Generation nahe bringen können und wollen. Waren doch nicht wenige der damaligen Opfer genau in dem Alter unserer heutigen Schüler*innen oberer Klassen, Berufsschüler*innen, jungen Arbeiter*innen und Studierenden. Heutige demokratiefeindliche Parteien zu unterstützen und —sei es durch die eigene prekäre Lage aus Protest -zu wählen, ist keine „Alternative für Deutschland“, sondern ein gefährlicher Irrweg, gegen Humanität, Mitmenschlichkeit, Solidarität und Frieden gerichtet—heute wie damals! nd- Bundesausgabe vom Samstag, 14. März 2020 , S. 20-21: Hauptstadt gebliebene Unterstaatssekretär Heinrich Albert als Vertreter der eben geflo- Wir ergreifen die Staatsgewalt henen Regierung der Weimarer Koalition die in die Reichskanzlei eindringenden Putschis- Der Kapp-Putsch vor 100 Jahren löste die ten am 13. März 1920. Die Antwort des kurz größte deutsche Aufstandsbewegung seit den Hut lüftenden Wolfgang Kapp, einem den Bauernkriegen aus. Doch es profitier- erzreaktionären, antisemitischen Großagrari- ten vor allem rechte Kräfte. er und Aufsichtsrat der Deutschen Bank lau- tete: »Wir ergreifen die Staatsgewalt!« »Mit Von Klaus Gietinger welcher Legitimation?« konterte Albert, und Kapp tat den entscheidenden Ausspruch: Die Herren wünschen?«, fragte der in der »Mit dem Recht des 9. November 1918!« SAALE-UNSTRUT-ELSTER KURIER SEITE 2 Genau diesen 9. November 1918, das Trau- schieren, um unseren gemeinsamen Feind, den ma der Rechten, wollten die Putschisten un- ›Spartakismus‹, abzuwürgen. War dies ge- ter dem Oberbefehl von General Walther von glückt, dann wollten wir unseren bisherigen Lüttwitz und mit der geballten militärischen Verbündeten die Rechnung vom November Macht der Marinebrigade Ehrhardt, einem 1918 vorlegen und von ihnen begleichen las- schon Hakenkreuz tragenden präfaschisti- sen.« Sie lösten das Zweckbündnis mit Reichs- schen Freikorps im Rücken, ungeschehen präsident Friedrich Ebert, Reichswehrminister machen. Ihnen waren die Errungenschaften Gustav Noske und Reichskanzler Gustav Bauer der Novemberrevolution von 1918 ein Dorn (alle SPD) auf. Und zwar in dem Moment, in im Auge, sie wollten kein Frauenwahlrecht, dem sie alles, was links von dieser sozialdemo- keinen Achtstundentag und auch keine kratischen Führung stand, liquidiert oder zur »Schwatzbude«, wie sie das Parlament nann- Raison gebracht hatten. Ihre ausufernden mili- ten. Sie wollten die Militärdiktatur und die tärischen Pläne waren zuvor von der Entente, Revision des Versailler Vertrages, der unter den Siegermächten des Ersten Weltkrieges, anderem dem deutschen Militarismus den mittels Versailler Vertrag durchkreuzt worden, Garaus machen wollte. denn die Regierung aus SPD, DDP und Zent- rum, die Weimarer Koalition, konnte nicht an- Wider die Novemberrevolution ders als deren Forderungen zu erfüllen. Damit wandten sich Lüttwitz, Kapp, im Hinter- Pabst und Lüttwitz liebäugelten jedoch gleich- grund der ehemalige Chef der kaiserlichen zeitig mit dem Plan, Ebert und Noske zu Dikta- Obersten Heeresleitung Erich Ludendorff und toren zu machen und sie als Galionsfiguren als Drahtzieher der Organisator des Doppel- ihrer Militärherrschaft zu installieren. Weil sich mordes an Karl Liebknecht und Rosa Luxem- die Spitze der Sozialdemokratie vor ihren Wäh- burg, Hauptmann Waldemar Pabst, gegen lern ein solches Unterfangen nicht leisten konn- jene, mit denen sie im November 1918 einen te, lehnte diese ab und musste zusammen mit Pakt geschlossen, seit eineinhalb Jahren dem Rest der Regierung, den Bürgerlichen, bestens zusammengearbeitet, trotz verlore- fliehen. Doch vorher hatte sie noch einen flam- nem Weltkrieg einen gigantischen militäri- menden revolutionären Aufruf zum General- schen Apparat, aus Reichswehr, Freikorps, streik herausgegeben: »Wir haben die Revoluti- Sicherheitspolizei (Sipo), Zeitfreiwilligen, on nicht gemacht [!], um uns heute wieder ei- Einwohnerwehren und Technischer Nothilfe nem blutigen Landsknechtregiment zu unter- aufgebaut, Generalstreiks niedergeschlagen, werfen.« Arbeiter, Angestellte und sogar Beam- Räterepubliken und Arbeitererhebungen mas- te folgten dem Aufruf, hatten teils schon selbst sakriert und den Terror in die deutsche Politik spontan gestreikt, und fast alle Gewerkschaften eingeführt hatten: Die Führung der Sozialde- riefen zum Generalstreik auf. Dem folgten zwölf mokratie. Millionen Menschen, der größte Streik, den es je in Deutschland gegeben hat. Schon am 13. März, dem ersten Tag des Putsches, hatten die Pabst, der technische Organisator des Put- Militärs, egal ob Reichswehr, Freikorps oder sches, drückte das später so aus: »Wir woll- Sipo, wahllos in allen Städten in denen de- ten und mussten zunächst einmal ein Stück mit den Sozialdemokraten zusammen mar- monstriert wurde, in die Menge geschossen. SAALE-UNSTRUT-ELSTER KURIER SEITE 3 Und die Regierung, die auf dem Umweg über eine später so genannte Rote Ruhrarmee spon- Dresden, wo sie ihr früherer Kompagnon, der tan aus der Basis von SPD, USPD, KPD, einigen Städte- und Arbeiterbezwinger Freikorps- Bürgerlichen und vielen Syndikalisten gebildet General Georg Maercker nicht beschützen hatte, konnte erfolgreich die putschistischen wollte, in Stuttgart landete, wurde auch dort Freikorps und die Reichswehr vertreiben. Zwei nur von den Militärs nicht in Haft genommen, Wochen lang beherrschten Vollzugs- und Berie- weil sie den Generalstreikaufruf schlicht leug- bsräte das Rheinisch-Westfälische Industriege- neten. Genau dieser Streik und der bewaffnete biet und versuchten ein sozialeres, friedlicheres Widerstand führten dazu, dass die Putschisten basisdemokratisches Deutschland aufzubauen. nach fünf Tagen aufgeben mussten und aus der Hauptstadt flohen. Doch die Freikorps, die Zurück zum »normalen Geschäft« putschistischen Truppen, blieben und erklärten sich jetzt – Hakenkreuz am Stahlhelm – für Während die Regierung noch in Stuttgart weilte, regierungstreu. hatte der rechte Gewerkschafter Carl Legien (SPD) die Idee, nicht nur den Gewerkschaften, Kurzer Erfolg der Arbeiter sondern auch den Arbeitern mehr Macht zu ver- schaffen, den Militarismus zu zerschlagen und Überall im Land jedoch vergaßen die Arbeiter eine Arbeiterregierung zu installieren, mindes- aus SPD, USPD und KPD ihren Zwist, bildeten tens mit der USPD. Doch diese wollte nicht, Vollzugsräte, praktizierten die Arbeitereinheit genauso wenig wie die heimgekehrte Regierung. und bewaffneten sich, um die Putschisten zu Einige wenige, wie etwa Gustav Noske, wurden vertreiben. Sogar Bürgerliche beteiligten sich. ausgetauscht, ansonsten folgte business as So kam es zur größten Aufstandsbewegung usual. seit den Bauernkriegen 1525, ob in den In- dustriegebieten Sachsens, Thüringens, ob im Und der Roten Ruhrarmee konnte man jetzt den Ruhrgebiet oder in Norddeutschland, ja sogar Hals zuschnüren. Zuerst wurde aber noch in im agrarischen Mecklenburg und Pommern, Bielefeld durch Staatskommissar Carl Severing wo sich die Landarbeiter erhoben, die Put- (SPD), gleichzeitig preußischer Innenminister, schisten wurden angegriffen, teils sogar ent- ein Abkommen mit Teilen der Aufständischen im scheidend geschlagen, am entschiedensten Ruhrgebiet geschlossen; Severing beabsichtigte im Ruhrgebiet. Die Forderungen lauteten jetzt: damit, die Bewegung zu spalten. Und es gelang. Wiederbelebung der Räte, Volksarmee von Die Rote Armee zerfiel, genauso wie die Arbei- unten mit Waffen in Arbeiterhand, Zerschla- tereinheit. Die jetzt regierungstreuen Freikorps, gung der Reichswehr, der Freikorps und Sozi- zu 85 Prozent ehemalige Putschisten, fielen ins alisierung. Derweil sorgten örtliche Funktionä- Ruhrgebiet ein und massakrierten Kämpfer wie re aus SPD, aber auch aus der USPD in Mittel Nichtkämpfer, Männer wie Frauen. 2500 bis - und Ostdeutschland dafür, dass mit den Mili- 3000 Menschen kostete der Kapp-Putsch das tärs faule Kompromisse geschlossen und die Leben, die Arbeiterbewegung war traumatisiert. Waffen der Arbeiter abgegeben, der General- Die USPD bekam Zulauf, und die SPD ver- streik beendet wurde. schwand aus der Macht. Vorteile hatten schließ- lich nur die Rechten: Der Militarismus lebte wie- Die Arbeiter im Ruhrgebiet jedoch, in dem sich der auf, die rechten Parteien wurden erfolgrei- SAALE-UNSTRUT-ELSTER KURIER SEITE 4 cher, der Antisemitismus nahm rapi- de zu, und in Bayern bereitete ein Diktatorentriumvirat den Boden für Hitlers Aufstieg. »Tod den Juden«, hatten die Frei- korps neben das Hakenkreuz auf ihre Eisenbahnwaggons geschmiert. Die- ser Tag rückte ab jetzt näher. Noch hätte man ihn verhindern können, noch war die Entwicklung nicht mo- nokausal, aber die Basis war gelegt. Und fast alle Nazis und SS-Generäle des deutschen Faschismus hatten sich bei den Morden der Freikorps ihre Sporen verdient.