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SWR 2 Musikstunde mit Christian Schruff Donnerstag, 27.10.2011 „Brüderlein und Schwesterlein" Musikalische Geschwisterpaare (4): Die Rombergs

Heute sind die Kinder von Geschwistern dran – zwei Neffen. Aufgewachsen wie Brüder im selben Haus. Gleichalt. Musikersöhne, die auch Musiker geworden sind und es im 19. Jahrhundert zu beträchtlichem Ruhm gebracht haben. Sie hießen Romberg – Bernhard war Cellist, Andreas war Geiger. Beide haben sie komponiert. Willkommen bei den Rombergs!

*Musik 1: Track 1+2 6:09 Andreas Romberg: Das Lied von der Glocke 1. Solo 2. Chor Peter Lika, Baß Chorus Musicus Köln Das neue Orchester Ltg: Christoph Spering OPUS 111, OPS 30-67, LC

Diese Verse kennen Sie. Die vielleicht bekanntesten Verse deutscher Dichtung: Schillers „Lied von der Glocke“. Ihre Vertonung von Andreas Romberg war im 19. Jahrhundert ungemein populär, vergleichbar nur mit Haydns „Schöpfung“.

Hier haben Sie die beiden ersten Sätze gehört aus einer Einspielung mit dem Bass Peter Lika als Meister, dem Chorus Musicus Köln und dem Neuen Orchester unter Leitung von Christoph Spering.

Die Rombergs waren eine Musikerfamilie, die im 18. Jahrhundert und bis weit ins 19. Jahrhundert das Musikleben im westfälischen Münster geprägt hat. Sie waren Dirigenten und Orchestermusiker. Sie spielten in Militärkapellen Fagott und Klarinette, aber sie musizierten auch in den bischöflichen Kapellen von Münster bis .

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Der Gothaer Theaterkalender von 1792 hat die Musikerfamilie Romberg mit ihren „Tonsetzern und Virtuosen“ sogar mit dem großen Thüringer Musikergeschlecht der Bachs verglichen. Ein Vergleich, der uns heute kurios vorkommt, denn die Bachs kennt man, die Rombergs aber sind so gut wie vergessen.

Allenfalls Cellisten dürften Bernhard Romberg kennen. Er hat nicht nur eine wichtige und in ganz Europa verbreite -Schule geschrieben, sondern auch als Virtuose etliche Werke für sein Instrument komponiert.

Musik 2 Track 9 6:09 Bernhard Romberg: Sonate Nr. 1 Es-Dur III: Rondo Anner Bylsma, Violoncello Stanley Hoogland, Hammerflügel SONY, SK 63360, LC6868

Andreas und Bernhard Romberg waren Vettern, im selben Jahr geboren, 1767. Andreas in Vechta, Bernhard ein gutes halbes Jahr später in Dinklage. Ländliche Gegenden in Norddeutschland, in denen eher Ackerfrüchte als gute Musiker gedeihen. Die Väter waren gebildete Militärmusiker, die beide nach Münster versetzt wurden, wo es ein vergleichsweise blühendes Musikleben gab. Da war Kirchenmusik im Dom und den großen Stadtkirchen, da waren Konzerte und sogar ein Komödienhaus, in dem auch Opern gespielt wurden. Mozart, Dittersdorf, Paisiello waren bei Münsters Publikum beliebt.

Der Bischof von Münster war in Personalunion auch der Erzbischof von Köln und Bonner Kurfürst und hieß Maximilian Franz. Er war der jüngste Sohn Kaiserin Maria Theresias und er liebte die Musik.

So kann man 1790 lesen: „Se. Kurf. Durchlaucht spielen jetzt selten die Bratsche zu Köln, wohl aber amüsieren sie sich mit Opern am Klavier und bei einer schwachen Violinbegleitung. Die meisten Arien singt der Kurfürst 4 selbst, und überhaupt ist er ein fertiger Partiturleser und genauer Beurteiler.“

Wenn der Bonner Kurfürst in Münster weilte, hatte er seine Bonner Kapelle bei sich, und die Bonner Musiker spielten gemeinsam mit den Kollegen aus Münster. So ergab sich zwangsläufig ein enger Kontakt. Die Romberg-Brüder – der eine leitete inzwischen die Münstersche Kapelle! – nutzen das und gewannen den Bonner Leiter des Theaterorchesters als Lehrer für ihre Söhne. Wir kennen diesen Lehrer, denn er hat auch unterrichtet: Christian Gottlob Neefe.

Von Neefe ist ein anschaulicher Bericht aus Münster überliefert: „Sonntags war kleine Musik bei Hofe, welche aus sechs Rombergen, den 2 Demoisellen Willmann und ihrem jüngeren Bruder, aus dem Tenoristen Simonetti und mir bestand. Die Rombergsche Familie ist eine liebenswerte Künstlerfamilie, die ganz ineinander gewebt ist. Die Eltern, zwei Brüder, bewohnen ein Haus, welches im Mittel eine Scheidemauer hat. Jeder hat drei musikalische Kinder, eine Tochter und zwei Söhne. Die Väter tragen einerlei Kleidung, so auch die Kinder.“

*Musik 3 Track 6 5:14 Bernhard Romberg: Trio für Cello, Viola & Kontrabaß op. 38, 1 III. Rondo Ines Wein, Viola Andreas Heinig, Cello Felix F. J. Maiwald, Kontrabass hANDm records, Keine Bestellnummer, LC15090

Schon als Kinder sind die Neffen Andreas und Bernhard Romberg gemeinsam aufgetreten und wurden dabei oft für Brüder gehalten. Die Wunderkinder Romberg konzertierten z.B. in Amsterdam und beim „Concert spirituel“ in Paris. Mit 15 Jahren bereits traten sie in die fürstbischöfliche Kapelle in Münster ein.

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Der Fürstbischof merkte schnell, wie gut diese beiden Musiker waren und holte sie in seine Bonner Kapelle, wo sie gemeinsam mit Ludwig van Beethoven spielten, der dort Bratscher war. Sie lernten auch Haydn kennen. Und sie komponierten Kammermusik, Sinfonien und auch Vokalmusik. Sie waren ja mit solcher Musik groß geworden und hatten offenbar schnell ihr Handwerkszeug als Komponisten gelernt.

Ostern 1793 wurde in Bonn ein Oratorium des 26jährigen Andreas Romberg uraufgeführt. Als Textvorlage hatte er sich die Dichtung „Der Messias“ von Friedrich Gottlieb Klopstock gewählt.

+Musik 4: Track 12 4:22 Andreas Romberg: Der Messias Arioso & Recitativo: „Bey dem furchtbaren Namen...“ (3. Teil) Markus Schäfer, Tenor Ekkehard Abele, Bass Das Kleine Konzert Ltg.: Hermann Max CPO, 777 328-2, LC8492

Ein Jahrzehnt nach der Uraufführung des „Messias“, hat Romberg das Oratorium überarbeitet und dem Hamburger Verleger Simrock zum Druck angeboten. Der bescheinigte dem Werk, es sei „etwas Rares, was nur von Kennern und echten Liebhabern solcher ernsthaften Produktion, deren es überall nur wenige gibt, gekauft wird.“ Was Simrock damit auch gesagt hat: Er werde den „Messias“ nicht drucken, eben weil er schwer verkäuflich sei.

So ist dieser – nach Telemann – zweite Versuch einer Vertonung von Klopstocks „Messias“-Dichtung nicht bekannt geworden. Dabei hat Andreas Romberg hier ein Werk geschaffen, das eine einzigartige Musiksprache spricht. Es finden sich sowohl barocke Elemente als auch eine Ahnung romantischer Instrumentierung in einer überwiegend klassischen Anmutung, die durchaus manchmal an Haydn erinnert.

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+Musik 5: Tracks 14 +15 4:04 Andreas Romberg: Der Messias Arie „Heil mir“ Chor „Sie ist, der erhabendsten Leiden zweyte Stunde“ (3. Teil) Markus Schäfer, Tenor Rheinische Kantorei Das Kleine Konzert Ltg.: Hermann Max CPO, 777 328-2, LC8492

Die Vettern Andreas und Bernhard Romberg lebten mittlerweile in und hatten zwei Schwestern geheiratet. Andreas war einige Zeit als Geigenvirtuose durch Italien und Österreich gereist, wo er ein guter Freund von Haydn geworden ist. Danach konzentrierte sich er mehr aufs Komponieren.

Sein Hauptwerk in diesen Jahren wurde Schillers „Lied von der Glocke“. Von der Universität Kiel erhielt sogar einen Ehrendoktor für dieses Werk! Schon vor ihm hatten sich Komponisten an Schillers Ballade versucht und damit durchaus Schillers Missfallen erregt. Dabei war Schiller gar nicht gegen eine Vertonung. Er schrieb:

„Ich glaube ..., daß sich die Glocke recht gut zu einer musikalischen Darstellung qualifizierte, aber dann müsste man auch wissen, was man will... Dem Meister Glockengießer muß ein kräftiger biederer Charakter gegeben werden, der das Ganze trägt und zusammenhält.“

Als hätte Andreas Romberg diesen Brief Schillers gelesen, hat er die Verse des Meisters wie ein Leitmotiv als „Glockengießerlied“ vertont, aber immer wieder anders harmonisch gefärbt und instrumentiert.

Hier als Beispiel drei dieser Verse des Meisters und danach ein Chorsatz: „Dem dunklen Schoß der heilgen Erde“, an dessen Ende das Glockengießer-Leitmotiv noch einmal erscheint.

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*Musik 6: Track 1, 9, 13+14 6:51 Andreas Romberg: Das Lied von der Glocke Solo 1/9/13 & Chor „Dem dunklen Schoß der heilgen Erde“ Peter Lika, Baß Chorus Musicus Köln Das neue Orchester Ltg: Christoph Spering OPUS 111, OPS 30-67, LC

Während sich Andreas Romberg mehr und mehr dem Komponieren zuwandte, verfolgte sein Vetter Bernhard eine Karriere als Cello-Virtuose. Die beiden waren noch einmal gemeinsam nach Paris auf Konzertreise gegangen, aber nur Bernhard blieb danach in Paris.

Sein Ruhm als Cellist ist vergleichbar mit dem eines oder Jean-Louis Duport. Dessen berühmte Cello-Schule hat Romberg erweitert. Er hat die Grifftechnik auf dem Cello revolutioniert durch die Haltung der linken Hand und durch den Einsatz der Daumenlage. Mit ihrer Hilfe konnte man geschmeidiger und sicher in die Höhe gelangen.

Bernhard Romberg hat – ähnlich den Virtuosen Paganini und Liszt – viele Werke für seine eigenen Auftritte geschrieben. Er konnte diese ungemein schwierigen Stücke sogar erfolgreich verlegen und musste keine materielle Not leiden – anders als sein Vetter Andreas.

Musik 7: Track 7 8:00 Bernhard Romberg: Concertino für 2 Violoncelli, op. 72 III. Rondo, con Allegrezza Antonio Meneses, Werner Thomas-Mifune, Cello Bamberger Symphoniker Ltg: Georg Schmöhe KOCH/SCHWANN, 311 106 H1, LC1083

Vetter Andreas hatte nicht so viel Erfolg wie Bernhard. Zwar war es ihm für einige Zeit gelungen, als freier Komponist in Hamburg zu überleben. Aber politischen Wirren zwangen ihn in eine feste Anstellung, denn 8

Andreas Romberg hatte eine große Familie zu versorgen. So trat er 1815 die Nachfolge Louis Spohrs als Hofkapellmeister in Gotha an.

Er verdiente dort jedoch nicht genug und musste immer noch durch Veröffentlichungen seiner Werke für ein Zubrot sorgen. Diese Arbeitslast schadete seiner Gesundheit. So hat er für Gotha nur eine Oper komponiert: „Die Großmut des Scipio“.

1821 starb Andreas Romberg, der sehr gute Komponist, und geriet in Vergessenheit. Sein gleichaltrige Vetter Bernhard, der ihm immer wie ein Bruder nahe gestanden hatte, überlebte ihn um 20 Jahre – und sorgte auch für die Familie von Andreas Romberg.

*Musik 8: 9916172 Track 6 (5:32) 1:42 Andreas Romberg: Ouvertüre zur Oper „Die Großmut des Scipio“ Göttinger Symphonie Orchester Ltg: Marc Andreae THOROFON, CTH 2414, LC 1958