Lichen APY Lands
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Kultur Kultur Eine © Barbara Moore, Tjala Arts Obgleich ich mit einem Notebook und einem Kassetten- Reise rekorder ausgestattet war, wurde mir schnell klar, dass schon der Gedanke allein, einen Künstler beiseite neh- men zu können, um ein persönliches Gespräch mit ihm zu in die führen, grotesk war. Abgesehen von unseren Verständi- gungsschwierigkeiten – die meisten Anangu sprechen Pit- jantjatjara – und gewissen, die Interaktion zwischen Män- nern und Frauen betreffenden Benimmregeln, schienen west- es die Künstler vorzuziehen, sich mit mir auf indirektem Ray Ken © Stephen Oxenbury Wege zu unterhalten, indem sie meine vorsichtigen Fra- gen zu ihrer Arbeit mit „uwa" (ja) or „palya" (o.k.) beant- © Ray Ken worteten – begleitet von viel Gelächter, wenn ich mich lichen gelegentlich in ihrer Sprache versuchte. mich wie ein loser Stein in der Felswand aussah. Schon bald begann Wasser aus dem Fels zu fl ießen, und als es Einer, der bei Tjungu Palya jedoch immer die Stellung APY Lands dann in ein Becken zu unseren Füßen strömte, wiesen mich hielt, war Tiger Palpatja, ein bedeutender Ältester und die Künstler voller Freude darauf hin. Umgeben von tro- ngankari (traditioneller Heiler). Die kräftige Farbgebung ckenem Buschland im glühenden Sonnenlicht diesen Was- und sein freier, skizzenhafter Stil, die Bewegung und Wie viele weiße Australier bin ich eine Küsten bewohnerin serstrom aus der Erde hervorkommen zu sehen, war ein- Freude zum Ausdruck bringen, machen sein Werk, das und habe den Großteil meines Lebens am Rande des Kon- fach verblüffend, fast wie ein Zauber. äußerst nachgefragt ist, unverwechselbar. tinents verbracht. Wie viele andere auch war ich auf aus- gedehnten Reisen im Ausland unterwegs, bin aber nie Die Leinwände des Künstlers Keith Stevens hingegen weiter ins Landesinnere von Australien vorgedrungen. Tjungu Palya, Nyapari sind im topographischen Stil gemalt mit abgeteilten Trotzdem war es ein langgehegter Wunsch von mir, die gepunkteten Flächen, die Karten des Landstrichs aus der entlegeneren Gebiete Australiens landeinwärts zu erkunden Nach einigen geschäftigen Tagen in Amata machten wir Vogelperspektive gleichen. Keith stand an einem Tisch im – ein Wunsch, der größtenteils durch die Kunst unserer uns auf den Weg Richtung Westen nach Nyapari und zum Malraum der Männer und sang – mit Unterbrechungen – Ureinwohner geweckt wurde. Tjungu Palya Kunstzentrum. Nyapari hat weniger als 100 bei der Arbeit und war anscheinend glücklich darüber, Einwohner und ist ein ruhiger und friedlicher Ort, dessen dass ich still im Hintergrund saß und ihm zuschaute. Lebensmittelgeschäft und Schule sich in Kanpi, 15 Kilo- aher nahm ich im Oktober 2010 mit Begeisterung meter weiter westlich, befi nden. Unser Führer bei dem Tagesausfl ug, den wir nach Piltati – und zugegebenermaßen einem etwas mulmigen unternahmen – einem heiligen Wasserloch in der Nähe DGefühl – eine Einladung zum Besuch dreier Kunst- Tjungu Palya (was „zusammen gut" bedeutet) wurde von Nyapari, das von zentraler Bedeutung für die „Wan- zentren im Nordwesten von South Australia an: Tjala Arts 2006 gegründet. Die Zahl der Künstler, die im Kunst- ampi Tjurkurpa“ (Schöpfungsgeschichte der Wasser- in Amata, Tjungu Palya in Nyapari und Ninuku Arts in zentrum arbeiten, schwankt ständig, und es ist oft sehr schlange) ist – war dann auch kein anderer als Keith. Kalka. Ich würde nicht nur Künstler treffen und ihnen schwierig, überhaupt jemanden ausfi ndig zu machen. Wir fuhren so nah an das Wasserloch heran, wie wir bei der Arbeit zusehen, sondern auch aus erster Hand Anangu sind zeitweise oft tage- oder wochenlang aus konnten, bis das Gelände zu unbeständig wurde, wir erfahren, wie man in einer der abgeschiedensten Regi- ihren Gemeinden fort, da sie ihre Familien in anderen die Autos zurücklassen mussten und zu Fuß weiterlie- onen Australiens lebt – den Anangu Pitjantjatjara Yanku- Gegenden besuchen oder – was trauriger ist – dem (allzu fen. Wir begrüßten die Stätte, indem wir eine Reihe nytjatjara (APY) Lands. Ich wurde von Stephen Oxenbury häufi gen) „Sorry business" (Trauerpfl ichten) beim Tod von Felsen, die sich am Anfang des Pfades befanden, begleitet, einem der führenden Portraitfotografen Austra- eines Familienmitglieds nachkommen. berührten. Außerdem zündete einer der Jungen eine liens. Von Yulara aus machten wir uns im Geländewagen Handvoll Gras an, das er über seinem Kopf empor- zuerst auf den Weg Richtung Amata. hob, während Keith die Geister anrief und für uns um Malara, Gemeinschaftswerk von Ninuku Arts Künstlern Erlaubnis bat, die Stätte zu Tiger Palpatja © Stephen Oxenbury betreten. Das Wasser- Tjala Arts, Amata loch selbst ist spektaku- lär – ein großes Becken Mit mehr als 350 Bewohnern ist Amata die größte der in jedem der von uns besuchten Kunstzentren eine Band- mit unbewegtem Was- drei Gemeinden, die wir besuchen sollten. In Pitjantjat- breite unterschiedlicher Arbeiten: angefangen bei freier ser, das auf beiden Seiten jara bedeutet „tjala“ Honigameise. Sie ist eine wertvolle Abstraktion über strenger komponierte topographische mit hoch aufragenden, Nahrungsquelle und mit der Schöpfungsgeschichte der Arbeiten bis hin zu fi gürlichen Darstellungen von Tieren glatten Felsen umgeben Region verbunden. Wie die meisten anderen Kunstzen- und Pfl anzen. ist. Wir warfen Steine ins tren hat Tjala Arts, das 1999 gegründet wurde, getrennte Wasser, um die Schlan- Malbereiche für Männer und Frauen, ein Büro und ein Es überrascht nicht, dass in einer derart trockenen Region gen zu verscheuchen. Ein Lager. Um die 65 Personen arbeiten hier, wobei sich die Wasser eine zentrale Bedeutung zukommt und in der Male- höher gelegenes Was- Künstlergemeinschaft sowohl aus bedeutenden älteren rei der Anangu daher häufi g Wasserlöcher zu fi nden sind. serloch, das von unserem Persönlichkeiten wie Hector Burton und Ray Ken als Nicht weit von Amata befi ndet sich ein solches, Malara. Standort aus nicht zu sehen auch aus jüngeren Künstlern zusammensetzt. Zu den Wir reisten von Amata aus mit einer Gruppe dorthin. Das war, ist nur für Anangu- vielversprechenden jungen Talenten gehören zum Bei- Wasserloch liegt abseits der Hauptstraße, an einem holp- Männer zugänglich. Es spiel Tjungkara und Sylvia Ken. rigen Buschpfad. Es gibt getrennte Gebiete für Männer ist unfassbar, wenn man und Frauen, und die Frauen riefen laut nach mir, als ich, bedenkt, dass wir zu den ganz Wo manch einer angesichts der Tjukurpa, die den Künst- ohne es zu wissen, vom Kurs abkam. Bevor wir wieder wenigen nicht-indigenen Per- lern gemein ist, eine einheitliche stilistische Annähe- abfuhren, stiegen die Künstler zu einer niedrigen Stelle sonen gehören, die diesen Ort rung an die Malerei erwartet hätte, gab es stattdessen am Wasserloch hinunter und stießen etwas weg, das für © Tiger Palpatja, Tjungu Palya besuchen durften. 66 02 | 2014 © 360° Australien © 360° Australien 02 | 2014 67 Kultur Kultur Es ist genau hier, an diesem Ort, mit den Geräuschen des 360° Info Buschs, dem Klang des Gelächters und dem Stimmengewirr der Unterhaltungen der Künstler, dass ich glaube zu verste- Übersetzung ARTKELCH. hen, wie überaus wichtig diese Region für Anangu ist. Die Keith Stevens | Piltati (Ausschnitt) © Stephen Oxenbury Landschaft scheint beinahe zu vibrieren, voller Leben zu ARTKELCH ist spezialisiert auf die zeitgenössische Kunst der pulsieren und ich kann nachvollziehen, dass es für Anangu australischen Ureinwohner, der Kunst mit der weltweit längsten um der jüngeren Generationen willen unabdingbar ist, den Tradition (www.artkelch.de). Geschichten über ihr Land Ausdruck zu verleihen. Ninuku Arts, Kalka ihn, woran deut- lich wird, dass die Wenn eine der Freuden des Reisens ist, dass es uns ermög- Der letzte Aufenthaltsort unserer Reise war Kalka, wo Ninuku Rolle eines Art licht, unsere eigene Umgebung in einem neuen Licht Sandy Brumby © Stephen Oxenbury Arts seinen Sitz hat. Kalka liegt nahe bei Pipalyatjara, wo Centre Managers zu sehen, so machte mir meine Reise in die APY Lands viele der Künstler von Ninuku leben. Von dort werden sie über das eigent- bewusst, dass Tjukurpa nicht nur zu einem entlegenen Teil jeden Morgen abgeholt und zum Kunstzentrum gebracht. liche Führen des Harry Tjutjuna © Stephen Oxenbury Australiens gehört, sondern um uns alle herum existiert Ninuku ist von ninu abgeleitet, einem Pitjantjatjara-Wort für Kunstzentrums und die Länge und Breite des ganzen Kontinents umspannt. den Kaninchennasenbeutler, der mit einer bedeutenden weit hinausgeht. Und um es mit den Worten David Millers von Tjungu Palya Schöpfungsgeschichte der Region in Verbindung steht. Er ist alles in einer zu sagen: „Tjukurpa – das Gesetz, das Land, die Menschen Person: Angestellter, Chef, Kunsthändler, Kurator, Berater, sind eins. Die Wege der Tjukurpa durchkreuzen dieses Das Kunstzentrum wurde 2006 gegründet. Es ist zwar Mediator, Psychologe sowie Sozialarbeiter und spielt daher Land. Es ist ein Ort vieler machtvoller Geschichten.“ das kleinste der drei Zentren, hat aber zwei Malräume, in indigenen Gemeinden eine zentrale Rolle. ein Büro und ein Lager aufzuweisen. Zudem gibt es einen Diese imposante Schöpfungsgeschichte ist es, die von der alten Silver-Bullet-Wohnwagen als weiteren Malplatz, auf Eine wichtige Aufgabe des Managers eines Kunstzentrums Kunst der APY Lands ausstrahlt. Die Tjukurpa verleiht der dessen großer Veranda einige Künstler gerne in der Mor- ist es, Anangu zu ermutigen, ins Kunstzentrum zu kommen Kunst Leben und Energie, Dynamik und Freude und vermit- gensonne malen. und dort künstlerisch tätig zu sein. Mr. Brumby zum Bei- telt nicht