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Möglichkeitsroulette : : eine Annäherung

Autor(en): Feldvoss, Marli

Objekttyp: Article

Zeitschrift: Filmbulletin : Zeitschrift für Film und Kino

Band (Jahr): 55 (2013)

Heft 332

PDF erstellt am: 09.10.2021

Persistenter Link: http://doi.org/10.5169/seals-864145

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Alain Resnais- eine Annäherung Möglichkeitsroulette

Die verrückten Gräser, die Alain Resnais überall möglich. Deleuze hat nur anschaulich mit dem Filmtitel les herbes folles geadelt in Worte gefasst, was wir als Zuschauer in hat, sind von Anfang an da. Sie verschandeln einem Alain-Resnais-Film immer wieder erleben den Asphalt, weil sie sich den Weg ins kurze, dürfen. dafür blühende Gräserleben erzwungen haben Dieses «cinéma de cerveau» ist aber oder - nach Höherem strebend - zum Rasenstück nicht nur im absurden Theater des Alltags zu formieren. Es wäre kein Film von Alain Hause, sondern ist/war ebenso an Erkenntnissen Resnais, wenn nicht noch eine kurze Schnittfolge von politischer, ja weltgeschichtlicher durch das Beingewirr auf den Pariser Tragweite interessiert. So verhält es sich mit Boulevards zum Zentrum des Geschehens den frühen Resnais-Filmen nuit et brouillard lenken würde: zum feuerroten wilden und mon amour, die Haarschopf von Sabine Azéma. Noch ehe der Film zu den wichtigsten Zeugnissen über Trauma so richtig begonnen hat, ist der Kopf des und Schrecken des Zweiten Weltkriegs zählen. Zuschauers bereits heiss gelaufen und spuckt Auch sie verdanken ihre Wirkung einer ein Ergebnis aus. Haarsträubende Verwicklungen! hoch beweglichen neuen Bildgestaltung, die nicht nur die Gattungen Dokumentär- und Spielfilm zu einem neuen Seherlebnis verbindet, «Die Filme von Resnais, das ist Gehirnkino, sondern auch Anekdote (die es bei Resnais auch wenn es eines der amüsantesten eben auch noch geben muss), Sprache und und bewegendsten ist. Die Bahnen, auf Musik zu einem spannungsgeladenen neuartigen die Resnais dieTeilnehmenden bringt, Erzählexperiment zusammenfügt. Mit die Wellen, aufdenen siesich fortbewegen, dem expressiven Einsatz von Schnitttechnik, sind Gehirnbahnen, Gehirnwellen. ausgiebigen Kamerafahrten und Parallelmontagen Der Film als ganzer ist nur etwas wert wird das Auge des Zuschauers stimuliert durch die zerebralen Bahnungen, die er und zu neuen Erkenntnissen angeregt. schafft, und zwar gerade, weil das Deleuze geht sogar so weit zu behaupten, dass Bild sich in Bewegung befindet. Zerebral es in einem Resnais-Film nur eine einzige Person heisst nicht intellektuell: es gibt ein gebe: das Denken. emotionales leidenschaftliches Gehirn...» Gilles Deleuze «Für Resnais ist der Film nicht ein Instrument zur Repräsentation derWirklichkeit, «Wir sind alle verrückte Gräser, die sondern das geeignetste Mittel zurAnnäherung zwischen den grauen Pflastersteinen der Städte an die psychische Funktionsweise.» spriessen.» (Resnais) Wenn das nicht an den Youssef Ishaghpour bekannten Spruch aus dem Mai 68 «Unter dem Pflaster liegt der Strand» erinnern soll! Wie Godard hat Alain Resnais von Doch der Mai 68 ist fern, aber eine vertrackte Anfang an weder das klassische Erzählkino noch Liebesgeschichte, die sich hauptsächlich im die Abbildfunktion des Bildes geschätzt, Kopf des Verliebten abspielt, ist jederzeit und sondern das Bild stets als hergestelltes, als ein Produkt von Montage und Kameraarbeit vorgeführt. Heute liegen um die fünfzig Filme, davon neunzehn Spielfilme, des Regisseurs vor, in denen er sich von Film zu Film mit neuen Erzählformen auseinandersetzt, von denen jede ein neues, der Thematik abgerungenes Stilexperiment darstellt - kein Film gleicht dem andern. Stets geht es um die Erarbeitung von mentalen, subjektiven Bildern, die mehr als eine Bedeutungsebene im Blick haben. In on connaît la chanson (1997), dem vielleicht gewagtesten, auch komischsten, Filmoper genannten Werk des Regisseurs, das auf den ersten Blick die Geschichte des französischen Chansons zu erzählen scheint, ver- lässt Resnais unangekündigt die realistische Erzählebene, um sie mit einer lippensynchronen Chansoneinlage der Protagonisten zu verfremden. Das sieht dann so aus, dass die Darsteller mitten im Dialog anfangen, ihr Anliegen in gesungener Form und in der Originalfassung des Chansons mit der Stimme des jeweiligen Sängers oder der Sängerin vorzutragen. Alle späteren Filme, die, wie dieser, einen entspannteren, leichteren Tonfall pflegen, setzen sich auch mit grossen Themen wie Tod, Schuld, Glück und der Instanz des Zweifels auseinander und vertrauen auf die Fähigkeit des Kinos, innerste Regungen sichtbar zu machen und nicht zu vertuschen. Die 1958 begonnene Trilogie Hiroshima mon amour, l'année DERNIÈRE À MARIENBAD und MURIEL ou le temps d'un retour ist jedoch bis heute Resnais' Hauptwerk geblieben - die Speerspitze der Kino-Avantgarde. Hiroshima mon amour war der erste Avantgardefilm, der ausdrücklich für den kommerziellen Markt gedreht und ein Riesenerfolg wurde, weltweit.

«Ich bin kein Autor, sondern ich realisiere Aufträge, ich bin Regisseur.» Alain Resnais

Alain Resnais hat heute die längste Karriere der Nouvelle-Vague-Regisseure zu verbuchen. Obwohl er, streng genommen, gar nicht zur Nouvelle Vague gehört, sondern zur Gruppe Rive Gauche, zu der sich auch Freund , , Alain Rob- be-Grillet und Agnès Varda bekannten, einer linken Gruppierung, die sich von der bürgerlichen Nouvelle Vague abhob. Das blieb nicht ohne Folgen für die spätere Entwicklung des Apothekersohns aus der Bretagne, den es, der Schauspielerei wegen, zu Beginn des Zweiten Weltkriegs nach zog, der dann zum Filmstudium an die neu gegründete Filmhochschule I.D.H.E.C. wechselte, diese vorzeitig verliess, um (im Nachkriegsdeutschland) seinen Militärdienst abzuleisten und sich in die Kinopraxis zu stürzen - als angehender Regisseur, vor allem aber als Cutter. Ob Alain Resnais vor allem anderen doch ein Handwerker ist? «Techniker» hat er sich früher gern genannt, einer, der nicht das Zeug zum Autor habe - das ist nicht einmal ein Understatement. Der Filmkünstler verstand es indes von 2M.m' im mwijiiriiiiii mît - FB 5.13 AVANTGARDE-KINO m

Anfang an, tonangebende Autoren aus dem gang vorzieht und auf den allwissenden Umfeld des um sich zu scharen, Erzähler verzichtet, hat Resnais wesentlich be- Marguerite Duras, Alain Robbe-Grillet, später einflusst. kamen noch Jorge Semprun, Jean Gruault, So fing es einmal an. In seinem das Drehbuchautoren- und Schauspielerpaar Oscargekrönten Kurzfilm van gogh (1948) - zwei Agnès Jaoui und Jean-Pierre Bacri hinzu. Später Jahre später folgte guernica - lässt Resnais (wie heute wieder) adaptierte er Theaterstücke fünfundzwanzig Minuten lang Kamerafahrten von vergessenen Autoren, eine Operette, über die Gemälde des Künstlers drehte ein Musical, verfilmte zuletzt sogar hinwegrasen, verdichtet Schattierungen durch einen Roman. Aber auch der "leichte" Resnais unterschiedlich schnelle Schnittfolgen ist nicht zu unterschätzen, wie schon Deleuze und eine zerstückelnde Montagetechnik zu einräumte, der mit seiner Wertschätzung für Farbabstufungen, die bis ins tiefste Schwarz den Künstler noch weiter geht und ihm (des Schwarzweissfilms) führen. Der Soundtrack bescheinigt, dass er das «Kino des Denkens und hat keine untermalende Funktion, der Philosophie» erst erfunden habe, ein sondern hat, wie Resnais betont, für das eigentliche Novum in der Filmgeschichte, und dass auch für Skelett des Films zu sorgen. Antrieb ihn gelte, dass das Denken in unserer Zeit für seine Künstlerfilme ist nicht kunsthistorisches immer etwas mit Auschwitz und Hiroshima zu Interesse, sondern der Versuch, ins tun habe. Innere der Bilder einzudringen, einen Zugang zum Prozess der Wahrnehmung und zur Er: «Tu n'as rien vu à Hiroshima. Rien.» Umsetzung der Vision des Künstlers herzustellen. Sie: «J'ai tout vu. Tout.» Es sei weniger ein Film über van Gogh, wie Resnais selbst sagt, sondern der Versuch, das Der unvergessene Dialog aus Hiroshima Bewusstsein eines Künstlers mit den Mitteln mon amour, eine Redefigur, die den seiner Malerei zu erforschen. Film wie ein Echo durchwandert und zwei Resnais' filmische Signatur ist hier einander fremde Gedächtnisse gegenüberstellt, bereits deutlich sichtbar: der expressive Einsatz scheint auch raunend im Hintergrund der Schnitttechnik, mit der er die Wirklichkeit des neuen Films vous n'avez encore rien in Collagen zerlegt, und die ausgiebige vu zu stehen. Obwohl dieser, ungleich Verwendung von Kamerafahrten, die sich, heiterer, das Thema Sehen, die Seh(n)sucht, am etwa in van gogh, aus allen Richtungen auf Beispiel der Liebe von Orpheus und Eurydi- die Gemäldeoberflächen stürzen, eine ke variiert. Das «Noch-nie-Gesehene» mag in konstante Mobilität mit dennoch stets variablen diesem todessüchtigen Film zwar auch auf das Geschwindigkeiten erzeugen und dabei den unausweichliche Ende, die Überschreitung Zuschauerblick fest im Griff haben. Jean-Luc der Grenze zum Tode anspielen, ist aber auch Godard sollte Alain Resnais schon bald zum ein Fingerzeig auf das Unerhörte, auf die grössten Montagekünstler nach Sergej Eisenstein innovative Versuchsanordnung, die dreifache ausrufen, so unterschiedlich deren Gegenüberstellung von unterschiedlichen Philosophie aussehen mag. Denn für Eisenstein Erinnerungsinhalten. ist die Montage, vereinfacht gesagt, nur Mittel Das Telefon klingelt. Dreizehn Schauspieler zum pädagogischen Zweck mit dem Ziel, eine nehmen den Telefonhörer ab. Einer neue Realität zu schaffen. Auf Eisenstein geht nach dem andern. Alle melden sich mit ihrem aber auch die Erkenntnis zurück, dass «die echten Namen. Alle werden zu einer Totenwache Montageform eine Wiederherstellung der in die Villa des Theaterregisseurs Antoine Gesetze des Denkvorgangs ist, der seinerseits die d'Anthac bestellt. Dort erfahren sie, dass sie zu veränderliche Wirklichkeit wiedergibt». seiner neuen Inszenierung von Jean Anouilhs Resnais' Filme hingegen zielen mit ihrem vieldeutigen «Eurydice» geladen sind. Der Vorhang geht Referenzsystem auf Unsicherheit, Ambi- auf, aber nicht vor einer Bühne, sondern vor guität, sie sollen den Zuschauer in kritische einer Kinoleinwand. Wie sich herausstellt, soll Aufmerksamkeit versetzen und auf sich selbst die aufgezeichnete Aufführung als Aufforderung zurückwerfen, sie schüren den subjektiven zu einer Art interaktiver Vorstellung Blick. dienen. Die geladenen Schauspieler sind aufgerufen, In dem in Schwarzweiss und Farbe sich noch einmal in die Rolle zu versetzen, gedrehten Dokumentarfilm nuit et brouillard die sie früher einmal gespielt haben. Das Spiel (1955), dem offiziellen Auftragsfilm beginnt. zum zehnten Jahrestag der Befreiung der Mit der Rückkehr zum Theater mit vous Konzentrationslager, konfrontiert Resnais zum n'avez encore rien vu und zu einem ersten Mal Archivmaterial, Stills aus den Lagern, weiteren Stück von Alan Ayckbourn, das bereits mit neuem Farbfilmmaterial aus Auschwitz abgedreht ist, unterstreicht Resnais sein und mit einer eindringlichen Erzählerstimme, ungebrochenes Interesse am Kunstcharakter von die dem Horror der Bilder eine lyrische, beinahe

Sprache im Film im Unterschied zur gesprochenen zärtliche Stimme leiht und zu einem Ton Sprache. Marguerite Duras hatte er gelangt, der das Vertrauen in eine menschlichere eigens wegen des psalmodierenden Tonfalls Welt wiederherzustellen versucht. Der ihrer Romane als Drehbuchautorin für Autor, der Holocaust-ÜberlebendeJean Cayrol, Hiroshima mon amour engagiert. Auch die wird auch das Buch zu Resnais' drittem Spielfilm Bewegung des Nouveau Roman, der sich auf die MURIEL OU LE TEMPS D'UN RETOUR Oberflächenbeschreibung der Dinge bezieht, schreiben. die Beobachtung dem psychologischen Tief¬ I VOUS N'AVEZ ENCORE RIEN VU (2012); 2 LES HERBES FOLLES (2010); 3 HIROSHIMA MON AMOUR (1958); 4 NUIT ET __ BROUILLARD (1955); 5 SMOKING / NO SMOKING (1993); 6 D'AM ÉRIQJJE (1980); 7 L'ANNÉE DERNIÈRE À MA- FB 5:13 AVAIMTGARDE-KING RIENBAD (1961); 8 VAN GOGH jl948); 9 MURIEL OU LE TEMPS D'UN RETOUR (1963); 10 ON CONNAÎT LA CHANSON (1997); II la guerre est finie (1966); i2 (1974); 13 Alain Resnais bei den Dreharbeiten zu vous n'avez encore rien vu

Mit seiner Trilogie Hiroshima mon Wie Resnais freilich von einem politisch «Ich spreche lieber vom Imaginären oder vom AMOUR, l'ANNÉE DERNIÈRE À MARIENBAD, so engagierten Film wie Hiroshima mon ßewusstsein (statt von Erinnerung). MURIEL OU LE TEMPS D'UN RETOUR ist Alain amour nahtlos zur geschlossenen Welt eines Im Gehirn interessiert mich unserVermögen, Resnais endgültig als Regisseur der Avantgarde Barockschlosses übergehen konnte, wirft Fragen uns in unserem Kopf vorstellen zu können, etabliert. Alle drei erkunden die Funktion auf. Er selbst weicht aus, gibt sich - wenig was geschehen wird, odersich daran zu von Zeit und Erinnerung im Handlungsaufbau überzeugend - als «elektronischer Roboter» erinnern, was geschehen ist.» und führen die Vorstudien aus den in den Fängen eines Anderen, der das Drehbuch Alain Resnais Dokumentarfilmen in sehr unterschiedlichen verfasst habe. Gleichzeitig schliesst sich Erzählansätzen weiter. Mit der verlangsamten Resnais den Unterzeichnern des von Jean-Paul Der Sprung zum Alterswerk des Regisseurs, Überblendung der Körper, der ineinander Sartre initiierten Manifests zur Befreiung zu den Filmen ab den frühen verschlungenen Arme, die in Asche, Regen, dann Algeriens (Manifest der 121) an, weshalb sein Neunzigern, zeitigt einen entspannten, nach in Schweiss getaucht sind, kündigt Resnais in Film in Cannes abgelehnt wurde (stattdessen neuen Herausforderungen suchenden Regisseur, die Komödie der Exposition den Weg an, den er in in Venedig den Goldenen Löwen errang). der seine Vorliebe für soziale Anders als bei oder entdeckt. Filmen wie Hiroshima mon amour zurücklegen wird: von Hiroshima mon amour Mit smoking /no Vernichtung und Tod zur Liebe, vom Trauma l'année dernière à marienbad kündigt SMOKING (1993), ON CONNAÎT LA CHANSON zum Versuch, sich zu erinnern und in sich bei muriel ou le temps d'un (1997), pas sur la bouche (2003) - mit eine Anleihen bei Theater, und nicht einer flüchtigen sexuellen Begegnung zu vergessen. retour Handlung mit komplexen Operette, Oper - Das Neue an Hiroshima mon amour Wechselbeziehungen und richtigen Dialogen an, zuletzt dem späten Meisterwerk les herbes war das Wagnis eines Spielfilms, der aus die für Resnais aber nur eine Vorlage war, um folles (2010) erobert sich Resnais neues alternierenden Erzählsträngen aus Dokument und sie gleichsam «gegen den Strich» zu schneiden. Terrain, das unvereinbar mit den Dokumentarfilmen Fiktion mit zwei Spielhandlungen montiert Blicke kreuzen sich nie. Fragen laufen ins oder traumatischen Themen der frühen wurde, die entlang eines Widerspruchs Leere. Jeder geht für sich allein, muriel ou Jahre zu sein scheint. Doch der Künstler gibt geführt werden: Er: «Du hast nichts gesehen in le temps d'un retour ist ein Film über die seine lückenhafte, fragmentarische Erzählweise die dem dieses der Hiroshima. Nichts.» Sie : «Ich habe alles gesehen. Nachwehen, über Heimkehr (aus nie auf, Merkmal Moderne, Alles.» Algerienkrieg), über die Schuld, die nicht das seine Figuren auf schwankenden Boden vergeht, über die Möglichkeit, durch die Erinnerung stellt und ihnen verlässliche Identitäten «Dieser Text ist für mich kein wirklicher Dialog in die Vergangenheit einzutauchen oder abspricht. Wenn Resnais das verrückte englische zwischen dem Mann und der Frau, durch Vergessen zur Gegenwart zurückzufinden. Theaterstück «Intimate Exchanges» von Alan sondern eineArtTraum, eine Art Stimme aus muriel ou le temps d'un retour gilt Ayckbourn verfilmt und daraus den dem Unbewussten, die gleichzeitig die mit seinen waghalsigen Ellipsen als das Doppelfilm smoking /no smoking entwickelt, der Autorin und die der Zuschauer ist und Meisterwerk des modernen Kinos schlechthin; von einen, in dem geraucht wird, und einen, in erst später die der Hauptperson wird. den wurde muriel ou le dem nicht geraucht wird, dann versteckt sich Es ist so etwas wie eine lange Kamerafahrt tem ps d'un retour zusammen mit Godards hinter dem alternierenden Erzählen in zwei in den Wolken des Unbewussten, um zu le mépris mit der Auszeichnung, die beiden Filmen auch das Angebot, sein Leben zweimal, den zwei Personen zu gelangen: ein Mittel, Pole der Moderne zu sein, bedacht. mit verschiedenen Lebensläufen, zu ein sensorielles Klima zu schaffen, das Dennoch hat er in Susan Sontag, die den Film leben. Aber damit nicht genug. Jedes Stück besteht sechs möglicherweise dann erlaubt, dieser Liebesgeschichte einen «ehrenwerten Fehlschlag» nannte, seine aus einer Folge von Stücken, davon einen neuen Akzent, eine andere schärfste Kritikerin gefunden. Ihr sei der Film hat jedes zwei Schlüsse, ein Zahlenrätsel, dem Resonanzzu geben.» zu deprimierend, zu niederdrückend, auch zu mit dem neunköpfigen Personal, das von zwei Alain Resnais sehr ein Durcheinander. Ihre Hauptkritik gilt Schauspielern zu bewältigen ist, nur mit einer jedoch seinem «literarischen Formalismus» richtigen Genealogie beizukommen ist, die Resnais feilte in jener Zeit an einem und seiner inhaltlichen Leere - die Frage kam wiederum der Cartoonist Floc'h beigesteuert Filmstil, mit dem er die Stilprinzipien des auf, ob sich das resnaissche Kino in Wahrheit hat - auch der Comic gehört zum Nouveau Roman auf die Leinwand übertragen in formalistischen Fragen erschöpfe. Doch Stilinventar von Resnais. Die Herausforderung konnte. Er traf nicht zufällig auf Alain das Problem ist womöglich ein anderes, wie liegt auf der Hand. Zerstückeln ohne Ende, Robbe-Grillet, den Papst des Nouveau Roman, nämlich formales Experimentieren mit einer Déjà-vus, Verdopplungen, Wiederholungen, der ihm mit l'année dernière à marien- Anekdote oder Botschaft im Erzählkino immer wieder neue Stilfiguren, ein formales bad ein komplettes Drehbuch inklusive überhaupt in Einklang zu bringen ist. und inhaltliches Möglichkeitsroulette, das dass die Regieanweisungen vorlegte. Resnais war begeistert, Ganz allgemein lässt sich sagen, sich schon in l'année dernière à marienbad eine Geschichte zu erzählen, ohne auf die Filme von Alain Resnais schon mit l'année kräftig gedreht hat. Chronologie Rücksicht zu nehmen. Es gibt dernière à marienbad indirekter, Für den amerikanischen Filmwissenschaftler Kamerafahrten ohne Ende, durch ein Hotel, verschlüsselter werden, was ihre politische David Bordwell ist die Karriere von einen barocken Palast, prunkvolle Säle, die Botschaft anbelangt. In la guerre est finie Alain Resnais - vor allem, was seine frühen Inszenierung einer unerhört schönen Frau (1966) und STAVISKY (1974) wird der Regisseur Jahre anbelangt - ein gutes Beispiel dafür, wie im Chanel-Look. Das Ereignis des Films sind noch einmal klassische politische Themen das Kunstkino als Institution einen Filmemacher die Fahrten mit den kaum wahrnehmbaren aufgreifen, seine Untersuchungen zum «Kino dabei unterstützen kann, ein genau des Gehirns» Resnais weitertreiben. formuliertes Resnais die Überblendungen. Sie erzeugen mit ihrer wird jedoch «Projekt» (bei Zeit) von aufreizenden Langsamkeit einen schwebenden Wie ernst - geradezu mit wissenschaftlichem einem Film zum andern zu verfolgen. Wie Raum, durch den ein ständiges Raunen geht, Furor - er diese Studien betreibt, lässt zum andern aber auch die Erfindung eines Sätze, die nicht zu Ende gesprochen werden, sich anhand von mon oncle d'amérique «formalen Projekts» einen Künstler dazu führen die sich wiederholen, variieren, nie wirkliche (1980) nachvollziehen, für den Resnais die kann, von Film zu Film neue Erzählregeln Mitarbeit des Verhaltensforschers Henri aufzustellen. Inhalte, sondern Allgemeinplätze transportieren. Laborit Sprachfetzen, die nur mit der Musik gewinnen konnte. Aus dem ursprünglich Alain Resnais hat diese Projekte bis heute im Dialog, wenn nicht im "Duell" zu stehen geplanten Dokumentarfilm wurde ein Spielfilm weitergeführt. Er ist inzwischen scheinen. Durch seine schwebende Eleganz mit mehreren Fallstudien, die von der Kritik einundneunzig Jahre alt. und Schönheit avancierte l'année dernière durchaus als Kommentar zur französischen massiven Umwälzungen À marienbad zu einer allseits akklamierten Gegenwart als einem sich in Marli Feldvoss Filmmode. befindlichen Land gedeutet wurden.