Leseprobe · 1. Kapitel Elsa Osorio Im Himmel Roman

TangoInsel

Bitte keine Veröffentlichungen vor dem 19.3.2007 Erstes Kapitel

Nichts bleibt ihren Beinen ein Geheimnis, wenn Pascals kun- dige Hand ihre Taille fu¨ hrt. Jetzt will er, daß sie Schwung nimmt, und Ana hat selbst mit geschlossenen Augen absolute Kontrolle u¨ ber dieses schlanke, sinnliche Bein, das der Volant ihres schwarzen Kleids nun entblo¨ ßt, u¨ ber diesen Fuß in der Luft, der elegant einen Kreis zieht und im Nu wieder auf dem Holzboden zum Stehen kommt. Sie sieht auch Pascals Ober- ko¨ rper nicht an, aber sie spu¨ rt ihn, seine Spannung, seine Sicher- heit, mit der er sie perfekt im Gleichgewicht ha¨lt, damit sie auf nur einem Bein diese ganze Drehung ausfu¨ hren kann, die er ihr auf diesen Taktschlag vorgegeben hat. Welch ein Genuß! Ein willkommener Zufall, daß sie ihren Freund Pascal im Le Latina getroffen hat, mit niemandem genießt sie das Tangotan- zen so wie mit ihm. Zum Glu¨ ck ist sie doch noch hergekom- men, Schluß mit diesem albernen Tru¨ bsinn. Als ga¨be es nichts Aufregenderes, als den ganzen Abend vor dem Telefon und ihren E-Mails zu sitzen, in der Hoffnung, ihr vielbescha¨ftigter Freund wu¨ rde sich vielleicht melden. Da ist Ana, der Zufall hat es gewollt, eine CD von Piazzolla in die Ha¨nde gefallen. Schon bei den ersten Akkorden hat es ihr in den Fu¨ ßen gekribbelt, ihr ganzer Ko¨ rper hat nach Tango gerufen. Schnell unter die Du- sche, und das schwarze Kleid. Sie ist in ihre Sandalen geschlu¨ pft und hat die Tanzschuhe eingesteckt. Nur Tanzen kann sie aus dieser Stimmung holen.

Luis findet es seltsam, daß das Le Latina u¨ ber einem Kino liegt. Und jetzt, da das Ma¨dchen im Volantkleid sich hingesetzt hat und die Beine, von denen er seit seiner Ankunft nicht hat weg- sehen ko¨ nnen, seinen Blick nicht mehr bannen, vergleicht er diesen Raum in der Rue du Temple mit den Tangolokalen in , aber er findet keine A¨ hnlichkeiten. Das hier gleicht mehr einer Wohnung als einer Milonga, dem typischen Tangosalon. Unglaublich, wie die Franzosen tanzen! Auch 11

{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 11 wenn er Philippe erkla¨rt hat, er sei kein großer Tangota¨nzer (er tanzt erst seit drei Jahren, seit er sich von seiner Frau getrennt hat), hat er in Wirklichkeit gedacht, in wu¨ rde er als Argen- tinier alle in den Schatten stellen. Aber das Niveau im Le Latina hat ihn etwas kleinlaut werden lassen. Nicht einmal seine Tanz- schuhe hat er nach Paris mitgenommen, statt dessen die ange- zogen, die er bei seinen Terminen tra¨gt, die haben wenigstens keine Gummisohle. Wie ha¨tte er darauf kommen sollen, daß er die Schuhe braucht, wenn er Buenos Aires verla¨ßt! Doch dann hat er es lustig gefunden, daß sein neuer Freund ihn zu einem »bal« einla¨dt. Ein kleiner Tango in Paris, warum nicht? Und warum nicht u¨ berhaupt etwas mehr auf Tuchfu¨ hlung gehen, anstatt nur das Weite suchen, wie es sein Gedanke war, als er beschlossen hat, nach Paris zu reisen und seine Dokumen- tarfilme zu verkaufen; mit diesem letzten Einsatz wollte Luis endlich die Serie an Bruchlandungen beenden und, nachdem er sich drei Jahre immer wieder mu¨ hsam aufgerappelt hat, wieder an etwas glauben, leben, kreativ sein. Eine Woche raus aus der dru¨ ckenden Stimmung in Buenos Aires, und diese Brise Hoff- nung. Auch wenn sich noch nichts Konkretes ergeben hat (Phi- lippe hat ihm einen interessanten Kontakt vermittelt, aber nichts Sicheres), ist Luis u¨ berzeugt, daß er auf die eine oder andere Weise schon noch erreichen wird, was er will.

Ana ist von ihrem Tango noir geheilt, diesem Fieber, das sie monatelang gepackt hatte, diesem Nicht-aufho¨ ren-Ko¨ nnen, bis ihr nicht der exakte pivote, der vollendete voleo, die perfekte cadencia gelungen war. Nun einfach der Genuß an der Musik und Pascals Hand an ihrem Ru¨ cken, die sie zu den ochos ru¨ ck- wa¨rts und der anschließenden ganzen Drehung mit planeo an- leitet. Sie wu¨ nschte sich, ein Mann wu¨ rde sie durchs Leben fu¨ hren wie Pascal sie durch den Tango. Einmal hat sie das zu ihrem Vater gesagt, und der hat ihr geantwortet: Dann solltest du Pascal heiraten. Pascal? hat Ana gelacht, wie kommst du dar-

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 12 auf? Er ist ihr Lehrer in Montrouge, auch wenn Ana schon la¨ngst sein Niveau erreicht hat. Wir scha¨tzen uns und tanzen sehr gern zusammen, aber nichts weiter, Papa, hat sie ihm er- kla¨rt. Gar keine Frage, aber ihr Vater versteht nichts von Tango, vielleicht gerade weil er Argentinier ist, oder wegen seiner per- so¨ nlichen Geschichte mit Argentinien. Und versteht sie etwas davon? Seit sie den no¨ tigen Abstand hat und nur noch gelegentlich Tango tanzt, vielleicht schon. Doch wie oft hat sie sich gefragt, warum sie sich so verru¨ ckt gemacht hat und, anstatt weiter an der Universita¨t Tangokurse zu geben, unbedingt andere Wege gehen wollte. Zuna¨chst hatte sie ihren Drang nach Ho¨ herem mit ihrem Forschungsprojekt u¨ ber das Spielen mit der Ma¨nner- und Frauenrolle im gegen- wa¨rtigen Tango entschuldigt. Sie wu¨ rde nichts verstehen, ohne sich selbst in die entsprechenden Milieus zu begeben, das Tan- zen wu¨ rde ihr neue Aspekte ero¨ ffnen, machte sie sich eine Zeit- lang vor. Aber es lag nicht an dieser Studie, die sie am Ende nie schrieb, daß sie von Lehrer zu Lehrer wechselte, vom Unter- richt in die Praxis, von einem Tanz zum na¨chsten und noch einem, abends, nachts, in Ballsa¨len, Bars, Tanzschulen, Work- shops in Toulouse und New York. Ein großes Vorhaben, durch diesen Vorhang zwischen Anfa¨ngern und Fortgeschrittenen zu treten, aber Ana wu¨ rde nicht lockerlassen, bis sie nicht die »Hierarchieleiter des Tangos« erklommen haben wu¨ rde, von der sie damals zu reden begann, nicht ohne u¨ ber diesen Aus- druck zu lachen und sich der Verstiegenheit ihres Ehrgeizes bewußt zu sein, und doch gab es fu¨ r sie keinen anderen Weg, als eine gute Tanzpartnerin fu¨ r die großen Milongueros, die echten Tangoverru¨ ckten, zu werden. Vielleicht lag dem allen etwas Tieferes zugrunde, etwas, das sie nicht sah, sagte sie einmal zu Pascal, als sie dieses Karussell aus Orten und Leuten kurz anhielt, um sich mit ihm zu unter- halten, in Ruhe reden konnte sie na¨mlich nur mit ihm. Dein Vater vielleicht, deine Herkunft? tippte Pascal (ihm erschien diese Frage nebensa¨chlich, er hatte sie sich nie gestellt, fu¨ r ihn

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 13 war das Leben Tango). Nein, sie war sich sicher, daß es nichts damit zu tun hatte, Ana war in Argentinien nur geboren, aber sie erinnerte sich nicht an das Land, sie mochte es auch nicht, sie war Franzo¨ sin. Und sie hatte ihre Eltern nie Tango tanzen sehen. Da kam ihr die Idee: fu¨ r ihren Vater zum Geburtstag einen Tango zu tanzen, das war einmal etwas anderes. Sie bat Pascal, ihr Partner zu sein. Er tat ihr den Gefallen, und nicht nur, weil er sie fu¨ r sein na¨chstes Programm im Cabaret Sauvage als Tanz- partnerin gewinnen wollte – vergeblich –, sondern vor allem aus Freundschaft. Ana wollte ihre Familie teilhaben lassen an dem, was sie sich hart erarbeitet hatte, doch ganz und gar nicht deshalb, weil ihr Vater Argentinier war, sondern weil es etwas Eigenes war, wie ihr Soziologieabschluß oder ihr erstes Forschungsstipendium. Damit endete ihr Tango-noir-Trip, keine Akademie, kein Tanzturnier stellte ihr das Diplom aus. Ihr Papa war es, als er sie tief bewegt umarmte: genial, phantastisch. »Ana, du hast es einfach in den Genen«, sagte er. »C’est ge´ne´tique«, erkla¨rte er Pascal, »mein Vater und vor allem mein Großvater waren große Tangota¨nzer.« Ana war nicht nur u¨ berrascht, daß ihr Großvater Tango ge- tanzt, sondern auch, daß ihr Geschenk ihren Vater dazu bewegt hatte, u¨ ber seine Familie zu reden, so selbstversta¨ndlich wie jemand erza¨hlt, mein Papa war Schuster oder stammt aus dem Dorf soundso. Sie kennt den Schatten, der den Blick ihres Va- ters tru¨ bt, wenn jemand – selten genug – die Lasalles erwa¨hnt. Er haßt seinen Vater Ce´sar, kann man wohl ohne zu u¨ bertreiben sagen, und, so vermutet sie, seinen Großvater gleich mit, der ebenfalls Herna´n hieß, noch nicht einmal Namen ko¨ nnen sie sich ausdenken, hat er vor Jahren zu Ana gesagt, alles Herna´ns, sein Großvater, dessen Onkel, er. »Was hat dein Vater, dein Großvater damit zu tun?« wider- sprach ihm Ana. »Ich allein war es, die Stunden um Stunden geu¨ bt hat.« Sie konnte auf keinen Fall hinnehmen, daß er ihr Geburts-

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 14 tagsgeschenk mit seinem Vater Ce´sar in Verbindung brachte, diesem gra¨ßlichen Menschen, der ihrer ganzen Familie so Schlimmes angetan hatte. Wie ist sie darauf gekommen, ihm dieses Geschenk zu ma- chen? Mehr ein Geschenk fu¨ r sie als fu¨ r ihn, der geru¨ hrte Blick ihres Papas hat sie von ihrer Besessenheit in ihr normales Leben zuru¨ ckgeholt, zu ihren Bu¨ chern, ihren Liebesabenteuern, ihrem Studium, dem Kino, ihren Freunden, zu allem, was sie aufge- geben hatte, warum, weiß sie noch immer nicht. Fest steht, daß sie seitdem nur noch ein paarmal Tanzen gegangen ist und sich bis zu diesem Abend in ihr nicht mehr dieses unbedingte Ver- langen nach Tango geregt hat.

»Sieh dir den an, den großen Hellblonden«, sagt Philippe, »er ist Holla¨nder, ein Tangomaniac, der durch die ganze Welt tin- gelt, von Workshop zu Workshop.« »Ja.« Luis wirft nur einen kurzen Blick auf ihn. »Ich bin hin und weg von dem schlanken Ma¨dchen dort, sie tanzt sensatio- nell gut.« »Ich kenne sie von den Kursen in der Maison Verte. Warum forderst du sie nicht auf?« »Vorhin war ich drauf und dran, da ist sie mit ihm auf die Tanzfla¨che, auch er tanzt genial, ist er ihr Freund, ihr Mann?« »Weiß ich nicht, aber was soll’s, wir sind im Le Latina, hier ist Partnertausch erlaubt, wie u¨ berall. In Buenos Aires nicht?« »Doch, auch, vor allem in letzter Zeit, seit die Leute scha- renweise Tango tanzen gehen: Taxifahrer, Kosmetikerinnen, Beamte, Arbeitslose, Junge, Alte, und in ein und demselben Schlamm suhlen wir uns . . ., wie es in einem alten Tango heißt.« Philippe mo¨ chte von ihm Na¨heres u¨ ber dieses Pha¨nomen wissen, denn von den Exilargentiniern, die er in den Siebzigern kennengelernt hat, tanzte niemand Tango, jetzt wieder? Aber Luis ho¨ rt ihm schon nicht mehr zu, weil sie an ihren Tisch zuru¨ ckgekehrt ist und er ihr mit dem Blick folgt, in der Hand noch das Glas, er zo¨ gert.

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 15 Eine ziemliche Blamage wa¨re es, wu¨ rde er sie zum Tanzen auffordern und u¨ ber seine eigenen Fu¨ ße stolpern, und wenn sie ihn abweist? Luis muß u¨ ber sich selbst lachen, er ist in Paris, sein Leben ist ein einziges Chaos, und er tut so, als hinge alles davon ab, ob dieses Ma¨dchen ja oder nein sagt, ob sie Gefallen daran findet, wie er sie fu¨ hrt. Das ist das Gute an der Milonga, du la¨ßt alles hinter dir, es za¨hlt nur noch, ob dir der Haken, die neuen Schritte gelingen, ob dein Ma¨dchen dir folgt. Er ist be- reits aufgestanden, als sie seinen Blick erwidert, und geht u¨ ber die Tanzfla¨che auf sie zu. »Est-ce que vous dansez?« Er hofft, daß sie seinen Akzent nicht herausho¨ rt. Sie steht auf, blickt ihn ernst an, dann legen sie die Arme umeinander. Sogleich fallen Luis’ A¨ ngste ab, und er spu¨ rt den Boden unter seinen Fu¨ ßen, den Ko¨ rper einer Frau, der, im vollkommenen Einklang mit dem seinen, seine Phanta- sie anregt. »Herna´n, Asuncio´n«, ruft Carlota in ihrem Tango-Himmel erregt, »Juan, Mercedes, Rosa, kommt her, seht dort im Le La- tina. Herna´ns und Asuncio´ns Urenkel tanzen zusammen. Ist das nicht unglaublich?« Sie wechseln kein Wort. Ein kurzes Merci, als Luis sie nach einigen Tangos an ihren Tisch zuru¨ ckbegleitet. Und du hast sie noch nicht mal gefragt, wie sie heißt? Phi- lippe lacht, wartet aber nicht auf seine Antwort, denn nun er- klingen die ersten Akkorde eines Tangos, der ihn wie ein Ma- gnet auf die Tanzfla¨che zieht, Corajuda, Die Mutige, ob Luis ihn kennt? Ein Franzose fragt ihn, ob er Corajuda kennt, das ist schon lustig. Er hat ihm keine Zeit gegeben, zu sagen: Ja, von Geburt an, meine Mutter hat mich sicher zur Originalaufnahme gestillt. »Ho¨r doch, Mercedes«, sagt Juan, »Corajuda, den ich fu¨ r dich komponiert habe. Siehst du dort, das ranke Ma¨dchen mit den braunen Haaren? Das ist Ana, Herna´ns Urenkelin, deine Groß- cousine, so sagt man das wohl.« »Sie ist wunderbar, sie kommt nach dir, Herna´n.«

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 16 »Zu unserer Zeit machten wir nicht solche Figuren.« »Wollen wir es versuchen, Carlota?« Schon wieder tanzt sie mit diesem Typ, bestimmt ist er ihr Freund. Vielleicht auch nur ihr professioneller Tanzpartner . . . denn ohne Zweifel sind sie Profis. Was ginge in seinem Groß- vater vor, wenn er sehen ko¨ nnte, mit welcher Fertigkeit und welchem Gespu¨ r dieses Paar hier, in Paris im Jahr 2000,zu seiner Musik tanzt? Verru¨ ckt, in Buenos Aires wa¨re er nie auf die Idee gekommen, aber auf einmal mo¨ chte er sich mitten auf die Tanzfla¨che stellen und hinausposaunen: Dieser Tango, mit dem ihr euch so genu¨ ßlich vorzeigt, ihr tollen Franzosen, ist eine Komposition meines Großvaters, Juan Montes.

Der Blick des Mannes, mit dem sie vorhin getanzt hat, la¨ßt sie nicht eine Sekunde los, er ha¨lt sie gefangen, erhitzt sie, sie be- kommt direkt Lust, mit ihm ins Bett zu gehen und ihren ru¨ ck- sichtslosen Freund zu vergessen. Warum sagt er jedesmal, wenn er verreist, ich rufe dich an, und la¨ßt sie dann warten? Macht er das absichtlich, um sie an der kurzen Leine zu halten? Oder existiert Ana fu¨ r ihn gar nicht, wenn er in seinen Besprechungen ist? Aber wie kann sie mit ihren Gedanken u¨ berhaupt woanders sein, jetzt, wa¨hrend sie mit Pascal tanzt. Gutes Zeichen, fru¨ her wa¨re ihr das nicht passiert. Von diesem unertra¨glichen Ehrgeiz, immer noch besser werden zu wollen, keine Spur mehr, an diesem Abend za¨hlt nur der Tango, der sie u¨ ber die Tanzfla¨che tra¨gt, und diese vollkommene Stimmigkeit zwischen ihren Ko¨r- pern. Zuru¨ ck an ihrem Tisch, beobachtet Ana die Tanzfla¨che. Der Mann tanzt nun eine Milonga, viel besser als mit ihr. Sie ist geru¨ hrt von dem Anfa¨ngerpaar, das sich in einem Fußschieber versucht. Sie muß la¨cheln, als sie sich in Erinnerung ruft, wie ihre Eltern gestern nachmittag, halbtot vor Lachen, die Schritte geu¨ bt haben, die Ana ihnen gezeigt hat. Nach ihrem Ge- burtstagsgeschenk haben ihre Eltern noch am selben Abend mit dem Tanzen angefangen. Wie schlecht wir sind, nicht wahr?

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 17 Schlecht? Ungelenk, ja, aber selbst darin, im Lachen u¨ ber ihr eigenes Stolpern, passen sie zusammen. »Wir bekommen die Haken und die Fußschieber nicht hin, guck mal.« Sollen sie die Pirouetten vergessen und einfach zum Rhyth- mus der Musik schreiten, so wie sie gemeinsam durchs Leben schreiten, nichts anderes ist der Tango, der Rest kommt von allein. »Ana kann das zu ihren Eltern sagen, weil sie in gewisser Weise schon ihren Platz hat in der Ahnenreihe des Tangos«, behauptet Mercedes, »in ein paar Jahren ist sie bestimmt bei uns.« »Da bin ich mir nicht sicher, sie tanzt sehr gut«, Carlota zo¨- gert, »aber da ist etwas, das Ana noch nicht verstanden hat. Diese ganzen Kurse, diese ganze Theorie, dieser Perfektionis- mus . . . das erinnert mich an die Tanzakademien in Paris vor dem Krieg. Sie muß sich schon noch sehr a¨ndern, um im Tango Ewigkeit zu erlangen.« Das ist sehr intellektuell und geht einem nicht in die Beine, beschwerte sich ihre Mutter, und Herna´n: Ana fa¨llt es vielleicht leicht, aber er war schon immer ein Trampeltier, obwohl er Argentinier ist. Sie wu¨ rde ihm nicht noch einmal erkla¨ren, daß es nichts da- mit zu tun hatte, ob man Argentinier war, und erst recht nicht, wessen »Gene« man besaß, wie ihr Vater behauptete. Ana kennt viele Franzosen, Holla¨nder, Japaner, die hervorragende Ta¨nzer sind, woraufhin ihre Eltern ihr beipflichteten, vollkommen richtig, niemals wu¨ rden sie sich auf die Gene berufen wollen. Wu¨ rden ihre Eltern sich vielleicht ebenso scha¨big verhalten wie Ce´sar Lasalle, wenn Ana oder ihr Bruder anders denken oder handeln wu¨ rde als sie? »Nein, niemals.« »Es ist keine Frage der Gene, sondern der Prinzipien«, sagte Herna´n. »Der Liebe, Papa, doch nicht der Prinzipien.«

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 18 Ja, der Liebe, seine Tochter hatte recht. Auf, allez, tanzen wir einen Tango. Schon machten sie sich ans U¨ ben und lachten da- bei u¨ ber ihre kleine Ana, zu komisch, sie, eine richtige kleine Franzo¨ sin mit kehligem »r«, erkla¨rte ihren argentinischen El- tern, dem alten Eisen, wie man Tango tanzt. »Franzo¨ sisch-argentinisch«, verbesserte ihre Mama. Genauso wie Ana gern vergißt, daß sie in Argentinien gebo- ren ist, vergißt sie auch, daß Marie Franzo¨ sin ist. Vielleicht weil die Geschichte ihrer Eltern so eng mit dem Land verbunden ist, erza¨hlt Ana meistens, daß ihre Eltern Argentinier sind. Dort haben sie sich kennengelernt, dort haben sie sich verliebt, dort haben sie geglaubt, die Welt vera¨ndern zu ko¨ nnen, und dort schließlich hat man ihren Vater ins Gefa¨ngnis gesteckt, wa¨hrend seine Familie ihnen, obwohl sie sich in ho¨ chster Gefahr befan- den – die Milita¨rs waren bereits an der Macht, und Marie konn- te ihnen jederzeit in die Ha¨nde fallen –, jegliche Hilfe verwei- gerte, und so mußten ihre Mutter, ihr Bruder Toma´s und Ana von einem Tag auf den anderen fliehen, ohne einen Centavo in der Tasche und mit dem beklemmenden Gefu¨ hl, den Vater im Gefa¨ngnis zuru¨ ckzulassen. Zum Glu¨ ck war Marie, die seit ihrer Jugend in Buenos Aires gelebt hat, Franzo¨ sin, das erleichterte ihnen das Leben im Exil. Das alles weiß sie, weil ihre Mama es ihr erza¨hlt hat, sie selbst erinnert sich an nichts, als wa¨re sie nie nach Paris geflohen, als wa¨re sie von Geburt an hier gewesen. Ana war vierzehn, als ihre Mutter nach Argentinien reiste und von dort diesen Herrn mitbrachte, ihren Vater, den Mann auf den Fotos in der Wohnung, an den sie sich fast nicht mehr erinnerte. Aber kaum sah und umarmte sie ihn, sprang der Ka¨fig ihres Geda¨chtnisses auf, und heraus purzelten alle Ge- schichten, Spiele, Za¨rtlichkeiten, mit denen ihr Vater sie erfreut hatte, als sie ein kleines Ma¨dchen gewesen war und in dem Land gelebt hatte, an das sie sich nicht erinnerte und das ihr fu¨ r neun entsetzlich lange Jahre den Vater weggenommen hatte. Nicht das Land, sagt ihre Mutter immer, diese Verbrecher waren es . . . aber Ana will von der ganzen Geschichte nichts ho¨ ren. Auch

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 19 ihr Vater spricht nicht u¨ ber die du¨ stere Zeit im Gefa¨ngnis, nur einmal, vor vielen Jahren, wollte Ana es genau wissen, und er hat ihr knapp geantwortet: Er war Anwalt gewesen und hatte politische Gefangene vertreten, darum hat man ihn eingesperrt. Das Gefa¨ngnis war sein Glu¨ ck, und Ana: Du bist wohl ver- ru¨ ckt, Mama, seit wann bedeutet im Gefa¨ngnis sitzen Glu¨ ck. Hier nicht, aber dort, wa¨hrend der Diktatur, hat Marie sie auf- gekla¨rt, rettete ihm sein Status als offizieller Ha¨ftling das Le- ben, und sie hat noch etwas u¨ ber die geheimen Gefangenenlager gesagt, das Ana vergessen hat, wie ihr mit der Zeit auch die Jahre entfallen sind, in denen sie ihren Vater nicht gesehen hat. Das alles: das Gefa¨ngnis, die Geschichten, mit denen ihre Mutter sie nicht mehr bela¨stigt, die verhaßte Familie Lasalle, die nichts fu¨ r ihren Vater getan und sie alle verstoßen hat, zum Glu¨ ck ist das alles weit, weit weg. Ana ist von diesem Land nichts geblieben außer der Sprache, in der ihre Eltern reden, gemischt mit Franzo¨ sisch. Ka¨me der Tango doch nur aus irgendeinem anderen Land, egal aus welchem. »Was sagt sie da? Ist sie verru¨ ckt?« »Bei dem, was sie durchgemacht haben, will Ana natu¨ rlich nicht, daß der Tango irgend etwas mit Buenos Aires zu tun hat.« Sie will nichts mit diesem Land zu tun haben, sagt sie sich noch einmal, wa¨hrend die Augen dieses Mannes die ihren su- chen und er langsam u¨ ber die Tanzfla¨che auf sie zugeht. Doch zu spa¨t, schon steht Pascal vor Ana und fordert sie auf, in Buenos Aires hat er diese Parodie eines Zunickens gelernt, die sie sehr amu¨ siert. Da fa¨llt Luis’ Blick auf die Frau, die an Anas Tisch sitzt, Brigitte.

»Luis«, stellt Brigitte ihn vor, »ist Argentinier«, u¨ berschweng- lich, als ha¨tte sie einen Schatz gefunden. Keine Reaktion von ihr, nur ein schwaches La¨cheln. Er sieht ihr zu, wie sie sich die Schuhe abstreift, die Fu¨ ße bewegt, zuerst einen, dann den anderen, sie beide umeinander kreisen la¨ßt, als

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 20 fu¨ hre sie eine lang einstudierte Bewegungsabfolge aus. Geht sie? Ausgerechnet jetzt, da er endlich an ihrem Tisch sitzt! Ihr Partner flu¨ stert ihr etwas ins Ohr, schon steht sie wieder in ihren Schuhen und auf der Tanzfla¨che. Philippe kommt, um ihm zu sagen, daß er geht, Luis ist wie gefesselt von dem tanzenden Paar und bittet ihn, noch kurz zu warten, er will sich diese Schritte ansehen, die er nicht kennt: Ihr Bein gleitet zwischen seine Beine, und dann diese majesta¨- tischen Drehungen. Niemand tanzt mehr außer ihnen, alle sind stehengeblieben, um ihnen zuzusehen. Applaus und ein weite- rer Tango. »Ja, Carlota, sehr gut. Deine ganchos cruzados sind per- fekt.« »Stell dir vor, sie ha¨tte so etwas in den langen Kleidern von damals machen mu¨ ssen.« Kaum hat sie sich gesetzt, streift sie sich die Schuhe ab. Luis’ Blick tastet sich u¨ ber die Rundung ihres Kno¨ chels, ihre voll- kommene Wade, ihr Knie und daru¨ ber hinaus, ihre straffen Formen, eine Ahnung nur. Gehen wir irgendwo etwas trinken, schla¨gt Brigitte vor, und Luis, begeistert, gern, los, auf die Beine.

Wa¨hrend Ana unter der Glut dieses Blicks in ihre Sandalen schlu¨ pft, verku¨ ndet sie, daß sie nicht mitkommt, fru¨ h aufstehen muß. »Ich auch«, ein La¨cheln wie das ihres Vaters, wenn er sie zu etwas u¨ berreden will, »aber ich bin nur noch wenige Tage in Paris.« »Gut, ich komme mit.« Luis’ allzu offensichtliche Freude, als Pascal sagt, daß er noch bleibt, amu¨ siert sie. »Ich glaube, du bist in guten Ha¨nden«, verabschiedet sich Philippe mit einem Augenzwinkern. Ana wartet nur auf die Gelegenheit, ihn zu u¨ berraschen, und als Brigitte sie vorstellt, ist es soweit: Ana´, non, Ana, gewo¨hnes

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 21 dir gleich richtig an, du hast Glu¨ ck, weil du Luis heißt, wenn du Fernando hießest, wa¨rst du Fernando´ . Und er, begeistert: Du bist Argentinierin! Ich kann es nicht glauben! Nein, Franzo¨ sin ist sie, sie ist nur in Buenos Aires geboren, aber sie erinnert sich nicht an die Stadt und will auch nichts von ihr wissen, sie will nicht einmal wie so viele einen Workshop in Buenos Aires machen, wozu. Paris, das wird dir nicht entgan- gen sein, braucht sich im Tango vor deiner Stadt nicht zu ver- stecken. Sie hat Vergnu¨ gen daran, ihn zu provozieren, nie wird sie diesen la¨cherlichen Stolz der Porten˜ os, der Hauptsta¨dter, auf ihre Stadt verstehen. »Hast du geho¨rt, Herna´n? Schrecklich, was Ana da sagt.« Asuncio´n senkt die Stimme, damit die anderen sie nicht ho¨ren: »Man darf eben nicht vergessen, daß Ana auch Leonors Ur- enkelin ist. Sie hat dich Buenos Aires entfremdet.« »Gleich diese Verachtung?« sagt Luis zu ihr. »Was soll’s, du wirst deine Meinung schon a¨ndern, wenn ich dir Buenos Aires zeige.« »Ich habe meinem Enkel viele Geschichten erza¨hlt«, sagt Rosa. »Wir hatten ein Spiel, das der kleine Luis liebte: die Ek- ken.« »Ich kenne viele Geheimnisse, die in den Ecken von Buenos Aires versteckt sind.« Schon setzt er an, eines zu erza¨hlen, sogar auf franzo¨ sisch.

Ana schaut auf die Uhr: Sie verpaßt die letzte Metro. Mach dir keine Sorgen, ich nehme euch im Taxi mit. Wie bestellt, verab- schiedet sich daraufhin Brigitte, ich wohne um die Ecke, erkla¨rt sie, und Luis fu¨ hlt, wie das Glu¨ ck ihm zula¨chelt, und er lehnt sich behaglich zuru¨ ck. Die Bahn ist frei, ich werde nicht halt- machen – schwo¨ rt er sich –, bis ich sie nicht verfu¨ hrt habe, und ist selbst u¨ berrascht u¨ ber diese Jagdlust nach so vielen Jahren, er lebt also noch, allen Schlammschlachten zum Trotz. Sie sind allein, er hat alle Zeit der Welt, im geeigneten Mo- ment wird Luis ihr eine Kurzfassung seines Lebenslaufs erza¨h-

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 22 len, ein paar Dinge auslassen, damit sie einen guten Eindruck von ihm hat, doch jetzt interessiert er sich erst einmal fu¨ r Anas Leben, alles, was sie ihm erza¨hlt, ist eine weitere Duftmarke dieses Beutetiers, an das er sich vorsichtig heranpirschen will. Soziologin, dreißig Jahre alt, Dozentin an der Universita¨t, For- schung, hat mit einem Mann zusammengelebt, was nicht funk- tioniert hat, derzeit wieder ein fester Freund, der immer be- scha¨ftigt ist, ein Politiker. »Fester Freund?« fragt Ana sich selbst in vernehmlicher Lautsta¨rke. »Nein, soeben zum Exfreund erkoren, habe ich beschlossen«, und dieses alles erleuchtende La¨cheln: »C’est fini.« Luis kann nicht anders, als diese Bemerkung als Einladung zu verstehen. »Dann der Tango, was soll ich dazu sagen. Du hast mich tanzen sehen.« Hinreißend, diese Siegermiene in Anas Gesicht: Ich habe also bis nach Paris reisen mu¨ ssen, um die Milonguera schlechthin kennenzulernen: Ana . . . wie noch? »Lasalle.« »Ich habe dem kleinen Luis von dir erza¨hlt, Herna´n«, sagt Rosa, »manches Wahres, und auch manche Lu¨ ge.«

»Mein Vater heißt Herna´n Lasalle, ich glaube kaum, daß deine Großmutter ihn gekannt hat.« »Natu¨ rlich nicht deinen Vater, aber mit Sicherheit jemand anderen aus der Familie, derselbe Vorname, das kann kein Zu- fall sein. In den Geschichten meiner Großmutter war Herna´n eine zentrale Gestalt.« Luis la¨chelt, in seine Erinnerungen versunken, und beachtet Anas Gleichgu¨ ltigkeit, ihr Achselzucken nicht weiter. Er war ein großer Tangota¨nzer, einer der ersten, breitet er stolz sein Wissen aus und bemerkt gar nicht, daß Ana bereits ihre Ziga- retten eingesteckt hat und sich auf den Weg macht, den Mantel zu holen.

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 23 »Nicht ohne Grund tanzt du so!« Ana, im Stehen, gereizt: Sie tanzt so, weil sie viel an sich gearbeitet hat, er soll nicht solchen Unsinn von sich geben, Luis weiß nicht, mit wem er redet. Ein Anflug von Ru¨ hrung, die Ana nicht zeigt, als Luis zu einer Entschuldigung ansetzt: Er will ihre Leistung nicht klein- reden, er hat nur gedacht, sie freut sich, von diesem Herna´n Lasalle zu erfahren, einem Mitglied ihrer Familie . . . »Ich glaube nicht, daß er aus meiner Familie ist«, unterbricht sie ihn. »Ich muß gehen, jetzt sofort.« Wa¨hrend Luis die Rechnung bezahlt und ein Taxi bestellt, fragt sich Ana, warum sie so reagiert hat. Wie gern wu¨ rde sie ihre Antwort abmildern, einen Satz oder eine Geste anfu¨ gen, die die Spannung zwischen ihnen abbaut, aber sie kann nicht, sie ist in ihrem Zwang, nicht mit dieser Familie, mit irgend etwas aus diesem Land in Verbindung gebracht zu werden, ge- fangen. »Schade, Herna´n, daß sie deinen Sohn Ce´sar und nicht dich zum Großvater bekommen hat.« »Wenn seine eigenen Kinder, seine Schwiegertochter, seine Enkel ihn hassen«, sagt Asuncio´n, »muß er ein Ekel gewesen sein. Ganz wie seine Mutter.« »Kra¨nkt den armen Herna´n nicht, seine Kinder, seine Eltern sucht man sich nicht aus«, sagt Mercedes. »Ich weiß, wovon ich rede.« »Was heißt hier arm, nichts und niemand kann uns mehr etwas anhaben, wenn wir einmal in der Tangoewigkeit sind. Wir sind hier, weil wir es uns verdient haben.« Am besten wu¨ rde sie nie wieder mit Argentiniern ein Wort wechseln, schwo¨ rt Ana sich im Taxi, wa¨hrend sie den schwei- genden, in sich zusammengesunkenen Luis beobachtet.

Besser keine Fragen stellen, was hat er ihr getan, daß Ana so mit ihm redet? Er will diese Verru¨ ckte nur noch nach Hause brin- gen – zickige Frauen kennt er in Buenos Aires zur Genu¨ge –

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 24 und sie nie wieder im Leben sehen. Ana legt ihre Hand auf seinen Arm und flu¨ stert ihm ins Ohr: »Es tut mir leid, daß ich so gereizt bin, ich bin einfach u¨ bermu¨ det, verzeihst du mir?« Sie ist so nah, riecht so gut, ist so hu¨ bsch . . . und wie sie tanzt. »Gut, fu¨ r alles gibt’s eine Lo¨ sung, na¨chstes Mal treffen wir uns am Morgen, wenn du ausgeschlafen bist.« Sie lachen, als das Taxi ha¨lt. Vor Anas Haus – die Telefonnummern sind ausgetauscht, sie wollen sich anrufen, alles scheint sich wieder eingerenkt zu haben – gibt Luis ihr einen Kuß, dann zeigt er sich scherzhaft und gibt mit feierlich erhobener Hand den unglu¨ cklichen Satz von sich: Ich schwo¨ re, daß ich nie wieder deinen Verwand- ten Herna´n Lasalle erwa¨hnen werde. Dieses trockene Zufallen der Tu¨ r – Ana hat noch einmal an ihr gezogen, um sicherzugehen, daß sie richtig zu ist – ist schlimmer als jedes Tu¨ renknallen und la¨ßt ihm keinen Zweifel, daß sie sich nie mehr wiedersehen werden.

Sie kann nichts dagegen machen, es war schon immer so, sie lebt und sieht sich beim Leben zu, in diesem Lokal heute abend, vorhin an der Haustu¨ r, und ist erschu¨ ttert u¨ ber diese Spinnerin, diese Verru¨ ckte, die ihr entgegentritt. Aber was ku¨ mmert es sie, wie Luis u¨ ber sie denkt, wenn er doch in ein paar Tagen abreist und in einem anderen Land lebt. Nur, wenn sie ihn nicht mehr sieht, wer soll ihr dann erza¨h- len, was sie u¨ ber ihren Urgroßvater wissen will, den großen Tangota¨nzer Herna´n Lasalle.

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{Suhrkamp}261066osorio_tango/osorio01.3d – 8/1/07 10:51 – Seite: 25 Die Originalausgabe erschien 2006 unter dem Titel Cielo de Tango bei Ediciones Siruela, S.A., . F Elsa Osorio, 2006

F der deutschen Ausgabe Insel Verlag am Main 2007 Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des o¨ ffentlichen Vortrags sowie der U¨ bertragung durch Rundfunk und Fernsehen, auch einzelner Teile. Kein Teil des Werkes darf in irgendeiner Form (durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung des Verlages reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfa¨ltigt oder verbreitet werden. Satz: Libro, Kriftel Druck: Pustet, Regensburg Printed in Germany Erste Auflage 2007 ISBN 978-3-458-17338-0

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