Der Generalstreik Gegen Den Kapp-Lüttwitz-Putsch Im März 1920

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Der Generalstreik Gegen Den Kapp-Lüttwitz-Putsch Im März 1920 umschlag A4_web_Kapp-Putsch_final.qxp_Layout 1 10.03.21 16:25 Seite 1 Michael Schneider Der Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch im März 1920 ARCHIV DER SOZIALEN DEMOKRATIE Michael Schneider Der Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch im März 1920 Friedrich-Ebert-Stiftung Bonn 2021 IMPRESSUM herausgegeben vom Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung Godesberger Allee 149 53175 Bonn Kostenloser Bezug beim Archiv der sozialen Demokratie der Friedrich-Ebert-Stiftung: [email protected] Online recherchierbar unter: https://www.fes.de/bibliothek/fes-publikationen Eine gewerbliche Nutzung der von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen Medien ist ohne schriftliche Zustimmung der Herausgeberin nicht gestattet. © 2021 by Friedrich-Ebert-Stiftung, Bonn Redaktion: Dr. Peter Beule, Mascha Schlomm Gestaltung und Satz: PAPYRUS – Lektorat + Textdesign, Anja Rosenthal, Buxtehude Umschlag: Maya Hässig, Köln Bildnachweis (Umschlag): Generalstreik gegen den Kapp-Putsch, Menschenmenge auf dem Münchener Bahnhofplatz, 15.03.1920. Quelle: AdsD, Rechte: Rechteinhaber nicht ermittelbar. ISBN 978-3-96250-850-0 Der Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch im März 1920 3 Michael Schneider Der Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch im März 1920 Vor gut 100 Jahren erschütterte der Kapp-Lüttwitz- sprach zwar eine soziale und liberale Demokratie, Putsch die junge Weimarer Republik. Mit einem aber die Verfassungsrealität sah anders aus; Anfang mehrtägigen Generalstreik retteten die Gewerk- 1920 zeigten die Auseinandersetzungen um das Be- schaften die Demokratie. Was waren die Gründe, triebsrätegesetz die tiefe Spaltung in sozialpoliti- was die Folgen von Putsch und Generalstreik? schen Fragen. Das alles war Ausdruck einer hochgradigen po- Nach dem Ersten Weltkrieg: litischen Polarisierung und Verhetzung: Da war auf der einen Seite die Verbitterung auf der Linken über Umkämpfte Republik die aus ihrer Sicht unzureichenden Ergebnisse der Die Novemberrevolution 1918 hatte den Weg zur Revolution und die Politik der Mehrheitssozialde- Weimarer Republik geebnet: Mit dem »November- mokratie, die als »Verräter der Arbeiterklasse« ge- abkommen« 1918 zwischen Gewerkschaften und schmäht wurde. Und auf der anderen Seite wuch- Arbeitgebern war der erste Schritt zur Anerkennung sen Verachtung und Hass der »nationalen Rechten«, der Gewerkschaften als berufene Vertreterinnen der die sich gegen die »Novemberverbrecher« und »Er- Arbeitnehmerschaft getan; und erste sozia le Refor- füllungspolitiker«, gegen das »Versailler Schand- men wie der 8-Stunden-Tag waren eingeleitet wor- diktat« und gegen das ganze »Weimarer System« den. Die junge Republik gab sich 1919 eine freiheit- richtete und schließlich mit einem Putsch zum Sturm liche Verfassung, in Berlin regierte seit Juni 1919 auf die junge Republik und deren Repräsentanten eine Regierung der »Weimarer Koalition« von SPD, blies. Zentrumspartei und Deutscher Demokratischer Partei (DDP) unter Führung des Sozialdemokra- Der Kapp-Lüttwitz-Putsch ten Gustav Bauer, und mit Friedrich Ebert war ein Sozialdemokrat zum Reichspräsidenten gewählt Konkreter Anlass für den Putsch vom März 1920 worden. war eine Anordnung des sozialdemokratischen Doch gefestigt war die Republik nicht: Arbeits- Reichswehrministers Gustav Noske vom 29. Januar losigkeit, Not und Elend bestimmten den Alltag 1920: Im Rahmen der Umsetzung der vom Versail- vieler Menschen. Die politisch motivierte Gewalt ler Vertrag bestimmten Reduzierung der Reichs- gipfelte in Terrortaten: Zu erinnern ist an die Er- wehr sollten die Freikorps und damit auch die nach mordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht ihrem Kommandeur Hermann Ehrhardt benann- im Januar 1919. Streiks waren an der Tagesordnung. te »Brigade Ehrhardt« aufgelöst werden. Dies zu Mancherorts kam es zu bewaffneten Auseinander- verhindern und überhaupt die verhasste Regierung setzungen. Eine Beruhigung der Lage war nicht in der »Weimarer Koalition« zu stürzen, das war das Sicht: Der Versailler Vertrag brachte keinen Frie- Ziel einer Gruppe von Politikern und Militärs, die den – weder in den internationalen Beziehungen sich Anfang 1920 formierte; deren Wortführer wa- noch im Inneren. Und die Reichsverfassung ver- ren der ostpreußische Generallandschaftsdirektor 4 FRIEDRICH-EBERT-STIFTUNG | Archiv der sozialen Demokratie Wolfgang Kapp, General Walther Freiherr von Lütt- ten in der Nacht, kurz vor dem Eintreffen der »Bri- witz, der Chef des Truppenamtes Hans von Seeckt gade Ehrhardt« in Berlin, eine Kommandeurssit- und der Offizier Waldemar Pabst, der für die -Er zung ein; dort wurde ihm kühl mitgeteilt, dass die mordung Rosa Luxemburgs und Karl Liebknechts in Berlin stationierten Soldaten – getreu der von verantwortlich war. Rückhalt fanden die Putschis- Seeckt so oder so ähnlich formulierten Devise ten vor allem in Kreisen der ostelbischen Groß- »Reichswehr schießt nicht auf Reichswehr« – die grundbesitzer, die sie durch die Bereitstellung von Regierung nicht schützen würden. Eben nach den Waffenverstecken und Geld unterstützten. Erfahrungen mit dem Vorgehen der Freikorps vom Als sich Anfang März 1920 Gerüchte über einen Januar 1919 sahen Reichspräsident Ebert und die bevorstehenden Putsch verdichteten und General sozialdemokratischen Regierungsmitglieder keine Lüttwitz, der als einer der Drahtzieher der Putsch- Alternative zur Flucht aus Berlin; noch in der Nacht pläne bekannt war, ultimativ den Verzicht auf die reisten sie zunächst in das sicher geglaubte Dres- Auflösung der Freikorps verlangte, legten Ebert und den, wo sie aber bald von »Schutzhaft« bedroht Wehrminister Gustav Noske ihm den Rücktritt wur den, so dass sie weiter nach Stuttgart ziehen nahe; dass Lüttwitz, als er sich weigerte zurückzu- mussten. Wenige Stunden später rückten die 5.000 treten, nicht abgesetzt wurde, zeigte auch in dieser Soldaten der »Brigade Ehrhardt« in Berlin ein und Phase, in den letzten Tagen vor dem Putsch, eine besetzten im Berliner Regierungsviertel Straßen- erstaunliche Schwäche der Regierung gegenüber kreuzungen, Zeitungsverlage und vor allem Minis- der Reichswehr. Die Rücksichtnahme wurde nicht terien. Am Morgen des 13. März ließ sich Kapp belohnt: Lüttwitz war es, der die »Brigade Ehrhardt« zum Reichskanzler ausrufen. Doch nicht nur Ber- in der Nacht zu Samstag, dem 13. März 1920, nach lin war betroffen: Auch in anderen Städten besetz- Berlin in Marsch setzte. Noske berief daraufhin mit- ten Freikorps wichtige Verkehrsknotenpunkte. 13. März 1920: Putschisten mit Reichskriegsflagge in Berlin, Quelle: AdsD, Rechte: Rechteinhaber nicht ermittelbar. Der Generalstreik gegen den Kapp-Lüttwitz-Putsch im März 1920 5 Wie konnte es dazu kommen? Offenbar hatten die unter Siegfried Aufhäuser. Daraufhin bewiesen gro- Putschisten Unterstützer, festgefügte Strukturen ße Teile der Arbeitnehmerschaft – von den Arbei- und Waffen – und militärische Erfahrung samt tern und Arbeiterinnen über die Angestellten bis zu Machtwillen. Und offenbar hatten die Vertreter der den Beamten und Beamtinnen – ihre Loyalität zur jungen Republik Angriffslust und Entschlossenheit gestürzten Regierung. Nach anfänglicher Ableh- ihrer Gegner unterschätzt. Das hatte sich schon in nung wurde der Streik-Aufruf einen Tag später, am der Revolution gezeigt. Gewiss war angesichts der 14. März, von der KPD, am 15. März von den Christ- großen Herausforderungen von Kriegsniederlage lichen Gewerkschaften und am 16. März auch vom und Umstellung auf die Friedenswirtschaft eine Deutschen Beamtenbund unterstützt. Deren An- partielle Zusammenarbeit mit Angehörigen der »al- hänger hatten sich bereits ohnehin vielfach am ten« Eliten nötig. Aber ging diese Kooperation nicht Streik beteiligt – also schon bevor die Aufrufe »ih- zu weit? rer« jeweiligen Organisation dazu erfolgten. Natürlich wissen wir nicht, was eine entschiede- nere revolutionäre Umgestaltung 1918/19 für Fol- gen gehabt hätte. Was wäre geschehen, wenn die Revolutionsregierung des Rats der Volksbeauftrag- ten und dann die erste Reichsregierung Anfang 1919 republikfeindliche Monarchisten und chauvinisti- schen Reaktionäre aus ihren Positionen entfernt, Großgrundbesitzer enteignet und die Reichswehr mit den Freikorps aufgelöst und entwaffnet hätte? Wäre schon damals ein allgemeiner Bürgerkrieg mit ungewissem Ausgang die Folge gewesen? Und zu fragen ist: Wäre es ohne den Einsatz von Reichs- wehr und Freikorps bei der Niederschlagung von revolutionären Aufstandsbewegungen wirklich, wie von vielen befürchtet, zu einer bolschewistischen Carl Legien, der Vorsitzende des ADGB (1919), Quelle: Diktatur gekommen? Konkrete Antworten wären AdsD, Rechte: Rechteinhaber nicht ermittelbar. reine Spekulation. Sicher aber ist: Den Kreisen, aus denen die Putschisten hervorgegangen sind, waren Ressourcen belassen worden, die sie für ihren Kampf gegen die demokratische Republik nutzen konn- ten. Und ebenfalls sicher ist: Mit seiner Politik hat der Rat der Volksbeauftragten einen Teil seiner ei- genen Anhängerschaft zutiefst enttäuscht, eines Teils, der – wie wir heute wissen – keineswegs eine bolschewistische Diktatur hatte aufrichten wollen. Kurz gesagt: Die Führer der Sozialdemokratie ha- ben 1918/19 die Gefahr von rechts unter-, die von links wohl überschätzt. Der Generalstreik In einem hatten sich die Führer der Sozialdemokra- tie freilich im Frühjahr 1920 nicht getäuscht: In der Hoffnung auf die Unterstützung und Kampfbereit- schaft der Arbeitnehmerschaft: Als sie am Morgen des 13. März 1920 zum Generalstreik aufriefen, fan- den sie am Nachmittag desselben Tages die Unter-
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