SWR2 Tandem - Manuskriptdienst
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2 SWR2 Tandem - Manuskriptdienst Von versunkenen Kathedralen und jüdischen Gangsterbanden Donald Fagen wird 65 – Ein Porträt des US-Künstlers und seiner Band Steely Dan Autorin: Christiane Rebmann Redaktion: Bettina Stender Sendung: Freitag, 11.01.13 um 19.20 Uhr in SWR2 __________________________________________________________________ Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. SWR2 Tandem können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/tandem.xml Kennen Sie schon das neue Serviceangebot des Kulturradios SWR2? Mit der SWR2 Kulturkarte können Sie zu ermäßigten Eintrittspreisen Veranstaltungen des SWR2 und seiner vielen Kulturpartner im Sendegebiet besuchen. 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Januar beschäftigen wir uns mit seiner Arbeit mit Steely Dan und als Solokünstler. Donald Fagen “New Breed” (CD: Sunken Condos) Autorin: New York, Upper East Side. Hier wohnt Donald Fagen. Hier hat er bis vor ein paar Jahren auch sein eigenes River Sound Studio betrieben, das er auch für Interviews nutzte. Aber das Studio musste er inzwischen schließen. Deshalb treffen wir uns im Hotel Wales an der 93. Straße. Fagens ehemals wirre, dunkle Haartolle ist mittlerweile stark ergraut und ausgedünnt. Seine Haltung wirkt leicht gebeugt, und er ist nicht mehr so schlank wie früher. Er hat seinen jüngeren Kollegen Michael Leonhart mitgebracht. Der Multiinstrumentalist hat ihn bei den Aufnahmen zu seinem vierten Album „Sunken Condos“ unterstützt. Und er hilft auch jetzt ab und zu ein wenig nach, wenn Donald nicht mehr so richtig weiß, was er sagen wollte. Zum Beispiel bei der Erklärung, warum Fagens neues Werk „Sunken Condos“ heißt, also versunkene Eigenheime. Michael Leonhart und Donald Fagen: (engl.) Sprecher overvoice: Das ist ein Symbol unserer Zeit. Ich fand auch, dass es eine gute Metapher für das Leben von heute ist. Das passt auf verschiedenen Ebenen. Damit kann die Finanzkrise gemeint sein oder die Kultur, die ja heute im Allgemeinen auch irgendwie abgesoffen ist. Oder auch die Lebensphase, in der ich mich jetzt befinde. Viele Dinge sind nicht so gelaufen, wie ich sie mir vorgestellt hatte. Und dann ist da noch Claude Debussys Werk „Die versunkene Kathedrale.“ Auf das beziehe ich mich auch. Für viele der Jazz Harmonien standen ja diese französischen Komponisten Pate. Vor allem Ravel. Und Strawinsky, der zwar Russe ist, aber auf eine Art auch als französischer Komponist gesehen werden kann. Autorin: Das waren alles Inspirationen, aus denen Fagen und sein Partner Walter Becker schöpften, als sie Anfang der 70er Jahre Steely Dan gründeten. Sie gehörten damals zu den Erneuerern der Musikszene. Und obwohl Ihr erstes Album „Can’t Buy A Thrill“ eigentlich zu zickig für Popliebhaber, zu funkig für Jazzpuristen und zu ätherisch für Funkfans klang, konnten sich Anhänger aller Musikrichtungen auf Steely Dan einigen. Mit "Do It Again" schaffte die Band 1972 erstmals den Einstieg in die US Top Ten. Steely Dan “Do it again” (CD: Can't Buy A Thrill) 2 Autorin: Auch heute noch nennen so unterschiedliche junge Künstler wie der britische Popsänger James Blunt, der kanadische Jazzpopsänger Michael Buble oder die US- Jazz-Künstlerin Jane Monheit Steely Dan als Vorbild. Das Ganze hatte mit einer sehr frühen Liebe zum Jazz begonnen. Donald Fagen erinnert sich, dass sie ihn als Schüler zum Außenseiter machte. Donald Fagen: (engl.) Sprecher overvoice: Das war sehr ungewöhnlich, weil ich wirklich noch ein Kind war. Mein Partner Walter Becker war auch schon als Kind Jazz Fan. Wir waren beide ein bisschen früh dran. Keiner meiner Mitschüler mochte Jazz. Die standen eher auf Frankie Vallie und The Four Seasons. Ich hatte ein paar ältere Cousins und Cousinen, die mit Brubeck befreundet waren. Meine Cousine Barbara war ein wenig älter als ich. Sie sah sehr gut aus und sie war damals mit Miles Davies zusammen. Und dazu war sie noch sehr eng mit Thelonius Monk befreundet. Sie hatte eine großartige Plattensammlung. Bei ihr zuhause habe ich zum ersten Mal Jazz gehört. Sie hat uns Kids immer Jazzplatten vorgespielt, wenn wir sie besuchten. Ich war damals vielleicht 9 oder 10. Und sie war ein Teenager, so 18 oder 19. Ich kann mich noch erinnern, dass sie uns Thelonius Monk und Johnny Griffin vorspielte. Und sie hatte einige Platten von Miles Davies. So bin ich früh zum Jazz Fan geworden. Autorin: Dabei interessierten ihn immer eher die Aspekte am Jazz, die normalerweise eher als nebensächlich angesehen werden. Donald Fagen: (engl.) Sprecher overvoice: Für die meisten Leute sind am Jazz ja die Improvisationen wichtig. Mich haben immer hauptsächlich die Arrangements interessiert. Ich war ein großer Duke- Ellington-Fan. Vor allem seine Platten aus den 20er Jahren fand ich toll. Für mich war wichtig, wie ein Stück strukturiert ist, wie die Bläsersätze geschrieben sind, die Saxofonpassagen. Und ich glaube, ich habe diese Art zu schreiben für meine Arbeit übernommen. Donald Fagen “Morph The Cat” (CD: Morph The Cat) Autorin: Vor allem in seiner Soloarbeit, zum Beispiel im Song „Morph The Cat „ aus dem gleichnamigen Album von 2006, ist diese Tendenz sehr gut zu hören. Allerdings sei mit Jazz allein kein Blumentopf zu gewinnen, das habe er schon am Anfang seiner Karriere festgestellt, sagt Fagen heute. Donald Fagen: (engl.) Sprecher overvoice: Na ja, Jazzmusiker kommen ja vom Mars. Sie passen in keine Subkultur. Sie sind eigentlich nie Teil der Kultur gewesen. Jedenfalls nicht bei uns in den USA. Die Amerikaner mögen keinen Jazz. Sie mochten ihn mal kurz, in den 40er Jahren, als sie dazu noch tanzen konnten. Aber dann wurde der Bebop populär, und zu dieser Musik konnten sie nicht mehr tanzen. Sie fanden sie zu hirnlastig. Und das hat sie vom Jazz entfremdet. 3 Autorin: Fagens Interesse an der Musik wurde zwar durch die frühe Konfrontation mit dem Jazz geweckt. Aber er wandte sich später auch andereren Musikstilen zu. Donald Fagen: (engl.) Sprecher overvoice: Der Jazz wurde in den frühen sechziger Jahren politisch. Der Free Jazz wurde wichtig, dafür habe ich mich nicht so interessiert. Aber insgesamt war das eine sehr kreative Phase. Die schwarze Musik wurde populär, Motown, Otis Redding. Das waren die Elemente, die mich mehr interessierten. Autorin: Genau diese Mischung machte seine Musik so attraktiv. Das 74er Album "Pretzel Logic" bescherte dem exzentrischen Duo Steely Dan den bis dato größten Hit: "Rikki, don't Lose That Number" schaffte es auf Platz 4 der Billboard Hot 100. Steely Dan “Rikki, don’t lose that number” (CD: Pretzel Logic) Autorin: Ende der 70er Jahre entwickelten sich Becker und Fagen immer weiter auseinander. 1979 spielten sie noch das Album „Gaucho“ ein. Doch ihr nervenaufreibender Perfektionismus, der unter anderem dafür sorgte, dass sie für die Aufnahmen 47 mal das Studio wechselten, stand ihnen im Weg. 1981 verabschiedeten sich Fagen und Becker in eine zwölfjährige Pause von Steely Dan. Becker zog nach Hawaii, wo er sich seiner Familie, der hauseigenen Chamäleonsammlung und der Solokarriere widmete. Donald Fagen blieb in New York und und brachte 1982 sein erstes Soloalbum "The Nightfly" heraus, das als eines der elegantesten Werke der Popgeschichte gepriesen wurde, sich auch als kommerziell erfolgreich erwies und mit dem sich jedes der folgenden drei Solowerke messen musste. Donald Fagen: (engl.) Sprecher overvoice: Die Leute haben schon über „The Nightfly“ gesagt, dass es modern klingt. Ich habe es jetzt lange nicht, mehr gehört. Aber ich glaube, von der Struktur und vom Konzept her klingt mein neues Album gar nicht so anders. Mein Konzept hat sich seit der Zeit kaum verändert. Ich habe immer noch dieselben Werte. Saubere Arrangements und funky Beats. Donald Fagen „The Nightfly“ (CD: The Nightfly) Autorin: In den 90er Jahren bescherten Becker und Fagen ihren treuen Fans je ein Soloalbum sowie ein Steely Dan Live Album. Inzwischen hatte Fagen auch sein größtes Problem in den Griff bekommen: Seine Stimme. In der Anfangszeit von Steely Dan war er jedes Mal in Panik geraten, wenn er live auf der Bühne singen sollte. Seine Angst war so ausgeprägt, dass man immer wieder einen Ersatzmann vors Mikro holen musste. Anfangs war sogar Walter Becker eingesprungen. 4 Walter Becker: (engl.) Sprecher overvoice: Am Anfang traten wir ja auch live nur zu zweit auf. Wir hatten nur das Klavier. und damals sang ich die Songs, weil ich eine lautere Stimme hatte. Donald saß am Klavier und sang auch ein bisschen, und alle fragten immer: „Was hat Donald da gesungen?“ Weil er einfach keine kräftige Stimme hatte. Und weil er sich über die Tasten beugte und dabei vor sich hinnuschelte. Deshalb hab ich mehr gesungen. Aber als wir dann anfingen, Demos aufzunehmen, entdeckte ich, dass er ein viel besserer Sänger ist als ich. Viel präziser und musikalischer. Er konnte besser den Ton halten. Autorin: Dieses Manko ist zum Glück längst überwunden, sagt Donald Fagen. Donald Fagen: (engl.) Sprecher overvoice: Ich habe jetzt mehr Selbstvertrauen, was meinen Gesang betrifft. Weil ich Gesangsunterricht genommen habe. Außerdem ist es mir jetzt nicht mehr so wichtig, wie ich klinge (Lacht) Nein, das stimmt nur teilweise.