Die Touristenführer Bei Den Dogon
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Abschlussarbeit zur Erlangung des Magister Artium im Fachbereich 8 - Philosophie und Geschichtswissenschaften der Johann Wolfgang Goethe-Universität Institut für Historische Ethnologie Die Touristenführer bei den Dogon 1. Gutachter: Prof. Dr. Mamadou Diawara 2. Gutachter: Prof. Dr. Karl-Heinz Kohl vorgelegt von Dr. Norbert Klesel aus Apenburg Einreichungsdatum: 30. Mai 2008 Die Touristenführer bei den Dogon Inhaltsangabe 1. Zusammenfassung . 2 2. Einführung in das Thema . 3 3. Stand der Forschung . 4 4. Beschreibung des Projektthemas . 7 4.1 Der Tourismus in Westafrika und in Mali . 7 4.2 Die soziokulturellen Vorbedingungen der Dogon-Gesellschaft für den Tourismus 9 5. Methodik und Vorgehen bei der Feldforschung . 11 5.1. Das Forschungsgebiet . 12 5.2 Eigene Erfahrungen . 12 5.3 Unser Guide Adama Dolo . 14 5.4 Gesprächsführung . 15 6. Die Touristenführer . 18 6.1 Marcel Griaule, ‚Entdecker’ und ‚Übervater’ der Dogon . 19 6.2 Zur Kritik an Marcel Griaule . 21 6.3 Die Anfänge des internationalen Tourismus im Pays Dogon . 26 6.4 Beruflicher Werdegang und Fortbildung der Guides . 28 6.5 Die Touristenführer und ihre Klientel . 36 6.5.1 Berufskodex und Selbstdarstellung . 37 6.5.2. Le monde entier . 40 6.5.3 Konfliktsituationen . 41 6.5.4 La saison morte . 46 6.6 Konkurrenzdenken und erste Organisationsstrukturen . 50 6.7 Der Tourismus, die Guides und die Dorfbevölkerung . 57 6.7.1 Tourismus und Umwelt . 62 6.7.2 Auswirkungen auf die Jugend . 64 6.8 Dogon-Frauen im Tourismusgeschäft . 66 6.9 Tradition, Moderne und Zukunftsperspektiven . 71 7. Touristisches Wechselspiel . 78 8. Bibliographie . 83 Anlagen Tabelle: Trends auf dem afrikanischen Tourismusmarkt . ANLAGE Seite 1 Abbildung 1: Karte von Mali. ANLAGE Seite 1 Abbildung 2: Wohnorte der Interviewpartner im Pays Dogon. ANLAGE Seite 2 Kurzbiographien der Interviewpartner. ANLAGE Seite 3 - 10 1 1. Zusammenfassung Die Dogon sind eine kleine, akephale, in Dorfgemeinschaften und Großfamilien unterteilte Gesellschaft von ca. 300.000 Mitgliedern, die am südlichen Rande des Sahel ganz im Osten Zentralmalis siedelt. Die Großfamilie ist patrilinear sowie patrilokal organisiert und in acht Altersklassen gegliedert. Der Dorfalltag wird von einer strikten Trennung der Geschlechter bestimmt.1 Anfangs angelockt durch ethnographische Berichte der französischen Ethnologen um Marcel Griaule, später durch Filme und Reportagen, besuchen jedes Jahr Zehntausende von reisehungrigen Alternativ- und Bildungstouristen das Land der Dogon. Es empfängt sie eine pittoreske Felslandschaft voll exotischer, kultureller Vielfalt und geheimnisvoller Authentizität, die von der UNESCO 1989 in das Verzeichnis des Weltkulturerbes und Weltnaturerbes aufgenommen wird.2 In Folge des anwachsenden Tourismus hat sich im Laufe der letzten vier Jahrzehnte ein neuer Berufstand herausgebildet, die Touristenführer. Im Rahmen der Lehrforschung Mali des Instituts für Historische Ethnologie der Johann Wolfgang von Goethe Universität Frankfurt werden während zweier Forschungsaufenthalte im Sommer 2006 und im Oktober 2007 in verschiedenen Dörfern an der Falaise von Bandiagara Touristenführer und Dorfbewohner mehrerer Generationen interviewt. So werden Guides befragt, die ihren Beruf bereits seit Beginn des Tourismus in den 1960ern ausüben – bzw. ausgeübt haben. Damals besuchen nur einige Hundert, meist ethnologisch interessierte Touristen das Pays Dogon. Die Mehrzahl der Gesprächspartner beginnt in den 80er und 90er Jahren des vorherigen Jahrhunderts mit der guidage der ausländischen Gäste. Ebenfalls interviewt werden junge Guides, die erst seit wenigen Jahren Touristenführer sind. Aus den Interwiews ergibt sich ein vielfältiges Spektrum von Aussagen und Erzählungen über die Berufsfindung, den Umgang mit den fremden Besuchern, den Status eines Touristenführers bei der Dorfbevölkerung. Zentrales Element im Austausch mit den internationalen Gästen ist die eigene Kultur, die die Dogon mit Selbstbewusstsein vorzeigen und gegen das Geld der Touristen eintauschen. Und sind es normalerweise die Alten, die für die Jüngeren im Dorf und in den Familien Kultur und Tradition interpretieren, sind es im Tourismus nun die Jungen, die den fremden Gästen die eigene Gesellschaft präsentieren.3 Der Tourismus eröffnet der bäuerisch geprägten Dogongesellschaft einträgliche Nebentätigkeiten und –geschäfte und trägt, trotz seiner saisonalen und regionalen Begrenztheit, wesentlich zur Verbesserung der materiellen Lebensbedingungen im Pays Dogon bei. Die Einkünfte der so genannten Antiquitätenhändler, der Träger, Maskentänzer, Köche, Holzschnitzer und nicht zuletzt die der Guides werden von ihren Familien dringend benötigt. Deshalb zeigen sich die Dogon dem Tourismus meist recht positiv gegenüber und verfolgen mit großem Stolz das wachsende Interesse an ihrer Kultur. Mit den Associations des Guides haben sich erste Strukturen der Selbstorganisation etabliert, Beratungsgremien, die 1 Unterberger 1996, S. 5 2 Cissé 1998, S. 25 3 van Beek 2005, S. 206 2 repräsentative Aufgaben, aber auch Kontrollfunktion haben und bei schlechter guidage sogar Sanktionen gegen ihre Mitglieder veranlassen können. Der Tourismus im Pays Dogon hat zu einem positiven Trend geführt. So konnte beispielsweise die Landflucht der jungen Leute vermindert, die Infrastrunktur verbessert und die Ausbildung – insbesondere auch die der Touristenführer – intensiviert werden. 2. Einführung in das Thema Afrika ist in den Vorstellungen westlicher Touristen immer noch der dunkle Kontinent, das ‚Herz der Finsternis’, exotisch, wild, gefährlich und schwer zu erreichen. Für die ausländischen Besucher, die Jahr für Jahr in steigender Zahl den Kontinent betreten, ist Afrika ein „gänzlich anderer“ Erdteil, der für sie Unterschiedlichkeit, Gegensatz, Fremdheit und Herausforderung bedeutet. Doch gerade das macht den Kontinent für viele dieser Urlauber so attraktiv, denn hier erfüllt sich ihr touristischer Traum nach Authentizität, unverfälschter Kultur und ursprünglicher Umwelt. Afrikareisende folgen nicht dem touristischen Mainstream. Sie suchen das Abenteuer, wollen den Menschen und ihren Kulturen begegnen und verzichten dafür auf den Komfort und die Annehmlichkeit eines Hotels am Badestrand. Zudem wird ihr Traum nach Unverfälschtheit in vielen Gegenden Afrikas kaum durch andere Besucher gestört. Vielen Afrikareisenden mißfällt nämlich nichts so sehr, wie zahlreichen Vertretern ihrer eigenen Spezies zu begegnen, besonders dann, wenn diese vor ihnen am ersehnten Ziel gewesen sind. Und strebten in den 1960ern und 70ern die frühen Besucher der Dörfer des Pays Dogon noch danach, die Ersten zu sein, so verstehen sich heutige Touristen oft als die letzten Zeugen einer Kultur, die ihrer Meinung nach einem dramatischen Wandel unterworfen, ja dem Untergang geweiht ist und bereits in einer Dekade nicht mehr bestehen wird. Der Besuch der Dogon ist für die internationalen Touristen nicht etwa eine Etappe, sondern der Höhepunkt ihrer Reise nach Westafrika.4 Werden alle Modalitäten in die Hände eines Reiseunternehmers gelegt, so kann Afrika durchaus ein recht bequemes Abenteuer sein. Allerdings begegnen die Touristen dann einem Kontinent, ohne ihn voll zu erfahren. Die täglichen Entscheidungen werden ihnen abgenommen, es wird ihnen gesagt, was zu tun und was zu lassen ist. Sie sichern sich einen gewissen Komfort und erhalten Abstand zur Wirklichkeit, verzichten damit jedoch auf näheren Kontakt zur Bevölkerung. Zum Wohle der Touristen führen sich die Angehörigen der Gastgeberkultur vor, zeigen ihnen ihr Alltagsleben, wie die fremden Besucher es dargestellt 4 van Beek 2003, S. 285 und 2005, S. 203 3 wissen wollen, und präsentieren sich so, wie sie meinen, dass die Touristen sie sehen und erleben wollen.5 Bei der interkulturellen Begegnung mit den ausländischen Besuchern sind die Guides, die Touristenführer, die exponierteste Gruppe der gastgebenden Gesellschaft, erfolgt doch der Austausch zwischen Touristen und lokaler Bevölkerung primär über sie. Dies gilt insbesondere für Westafrika, da hier – mit Ausnahme von Badeurlaubern in Senegal und Gambia und anders als beispielsweise in Kenia sowie im Norden und Süden des Kontinents – Phänomene des Massentourismus so gut wie unbekannt sind. Daher fällt den Touristenführern in einem vorindustriellen Binnenland wie Mali – und hier speziell bei den Dogon – seit Jahrzehnten die bedeutende Rolle der eigentlichen Kontaktpersonen zu den ausländischen Reisenden zu. Sie sind es, die den Touristen, die individuell oder mit einem Tourismusunternehmen die Dörfer an der Falaise erkunden, oft als erste begegnen und diese die längste Zeit ihres Aufenthaltes betreuen. Darüber hinaus erschöpft sich die Aufgabe eines Guides selten in der bloßen Reiseführung, sondern er übernimmt auch eine Vermittlerrolle zu der lokalen Bevölkerung in den Dörfern. Zudem sind die Guides die Vertragspartner der fremden Besucher, sind oftmals deren Koch, arrangieren für sie den Besuch besonderer Ereignisse wie Feste und Maskentänze und stellen in den Dörfern und Kleinstädten den Kontakt zu den Kunsthandwerkern und Antiquitätenhändlern her. Oft treten sie auch selbst als Kunsthändler auf. Sie organisieren die Übernachtungen in den Dörfern und mieten Träger, Charrettes oder Autos an. Da zahlreiche Zutrittsverbote bestehen, stößt ein Besuch der Dörfer ohne die Begleitung eines einheimischen Touristenführers auf Ablehnung und Misstrauen, und ist meist nicht erlaubt. Zudem macht die unübersichtliche Topographie und die oft versteckte Lage vieler kultureller Sehenswürdigkeiten den Besuch ohne Touristenführer häufig